Die Bühne 55 am Theater Bielefeld Die Bühne 55 am Theater Bielefeld hat sich in der Spielzeit 2009/2010 konstituiert. Mit dem in der Spielzeit 2006/2007 und 2007/2008 vom Theater Bielefeld initiierten generationsübergreifenden Tanzprojekt Schwund, das in Kooperation mit dem Alarmtheater, einem privaten Bielefelder Theater, entstand, wurde das Interesse der „reiferen“ Theaterbegeisterten geweckt, selbst einmal auf der Bühne zu stehen. Um auch das Theater Bielefeld fit zu machen für den demographischen Wandel, wurden in der Spielzeit 2009/2010 der Spielclub 50+ ins Leben gerufen. Die Bühne 55 ist aus diesen vorangegangen Theater(kurs)angeboten des Theaters Bielefeld entstanden. Im Spielclub 50+ können Erwachsene ihr schauspielerisches Talent entdecken, sich in grundlegenden Theatertechniken üben, Koordinations-und Konzentrationsübungen kennenlernen und durch Improvisation Emotionen und Haltungen wie Kostüme anprobieren. Aber auch der Spaß und die Begegnung mit anderen theaterinteressierten Menschen kommen nicht zu kurz. Vornehmlich ist dieser Kurs für Erwachsene ab ca. 50 Jahre gedacht. Jüngere sind auch herzlich willkommen. Eine regelmäßige Teilnahme ist Voraussetzung. Am Ende des Kurses werden die Ergebnisse in einer kleinen Werkschau präsentiert. Wer beim Spielclub den Spaß entdeckt hat und sich für das Frühjahr und den Sommer bzw. Herbst und Winter dem Theater verschreiben möchte, kann bei der Bühne 55 mit vollem Einsatz weitermachen. Als Pendant zum Jugendclub erarbeiten experimentierfreudige und kreative Köpfe einen Theatertext, dessen Inszenierung mit sechs bis zehn Vorstellungen auf einer der kleinen Bühnen im TAM (Theater am Alten Markt) gezeigt wird. Nach jeder Vorstellung stellt sich die Gruppe den Fragen des Publikums. Ziel der Bühne 55 ist es, ausgehend von Grundlagenübungen, die mit dem Spielclub beginnen, sich mit unterschiedlichen Themen und Dramen zu beschäftigen, ein Stück auszuwählen und unter professionellen Bedingungen und Anleitung in Szene zu setzen. Probenzeiten sind regelmäßig an einem Wochentag und Samstag jeweils drei bis vier Stunden am Nachmittag, sowie an einigen Sonn- und Feiertagen bis schließlich an den Endprobentagen vor der Premiere täglich probiert wird. Das einzige Kriterium für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer war ein Mindestalter von 55 Jahren. Inzwischen hat sich die Bühne 55 auch jüngeren TeilnehmerInnen geöffnet und sich in Richtung Bürgerbühne entwickelt. Dennoch stellt die Bühne 55 in erster Linie einen geschützten Raum für Menschen über 50 Jahren dar. Jüngere können sich seit der Spielzeit 2012/13 aber gerne anmelden bzw. in den Verteiler aufnehmen lassen. Die Erfahrungen, welche die Bühne 55 in Richtung generationsübergreifender Arbeit gemacht hat, sind von beiden Seiten als äußerst positiv bewertet worden. Die erste Premiere feierte die Bühne 55 in der Spielzeit 2009/2010 am 22.06.2010 mit der Inszenierung Klare Köpfe Kontrovers „Ungehaltene Reden – ungehaltener Frauen“ in der Spielstätte TAMzwei des Theaters Bielefeld. Zehn Frauen haben Texte der Autorin Christine Brückner seziert, quer gelesen und auf ihre Aktualität hin befragt. Zehn fiktive Monologe – zehn Frauen-Perspektiven aus zwei Jahrtausenden. Von Klytämnestra bis Gudrun Ensslin kommen historische und fiktive Frauengestalten der abendländischen Kulturgeschichte zu Wort - wütend, poetisch, phantasievoll, aber ohne Gejammer. In der Spielzeit 2010/2011 wurde Graf Öderland von Max Frisch gezeigt. Premiere war am 26.02.2011. Im Herbst 2010 entschied die Bühne 55 sich mit Graf Öderland auseinander zu setzen, weil sie sich vor allem mit dem Thema des Ausstiegs aus einer Gesellschaft beschäftigen wollte. Nicht die Mordgeschichte stand im Vordergrund, sondern der Wunsch, mit allen Konsequenzen und Risiken seinen Sehnsüchten nachzugeben, auch den dunklen Seiten solcher geheimer Wünsche, den unmoralischen Aspekten solcher Handlungen. Zwei Monate lang bewegte sich die Bühne 55 über Improvisationen entlang des Stücks von Max Frisch, manchmal entfernte sie sich auch ganz von der Vorlage. Das Ergebnis war eine sehr persönlich gefärbte Inszenierung. In der Spielzeit 2011/2012 wurde Die goldenen letzten Jahre von Sibylle Berg am 21.01.2012 im TAMdrei zur Premiere gebracht. Die Vorstellung dauert lediglich ca. 60 Minuten. Die Inszenierung war zum ersten Seniorentheatertreffen WILDwest am Consol Theater im Juli 2012 in Gelsenkirchen eingeladen. Eine Wiederaufnahme gab es außerdem im September 2012. Bea, Rita, Uwe, Paul waren schon immer Verlierer, optisch sowieso und den Rest besorgten Imke, Bernd und Carl-Gustav: schön, sportlich und adelig. Die Schulzeit war hart, Demütigungen an der Tagesordnung und außer dem Bewusstsein nichts zu sein, war nichts sicher. Raus aus der Schule, rein ins Leben – wo für die letzten in der Nahrungskette kein Platz bereitet scheint und der Wind kollektiver Ablehnung deren Verzweiflung schürt, während Schönheit und Status zielstrebig ihrer Wege ziehen. Doch alles braucht seine Zeit und so kann im nahenden Lebensherbstalter der erste Frühling verborgen liegen, in dem man es dann doch noch schafft ... fragt sich nur: Was? In der Spielzeit 2012/13 wurde Der Komet von Justine del Corte auf die Bühne gebracht und feierte am 06.07.2013 im TAMzwei Premiere mit einer Spieldauer von 60 Minuten. Das Stück durfte gleich nach der Uraufführung am Wiener Burgtheater im September 2012 nachgespielt werden und wurde im September 2013 wiederaufgenommen. „Der Tod ist, dass wir von unseren Erlebnissen träumen.“ Davon ist Elisabeth überzeugt. Sie lässt ihren Hochzeitstag nach langen Jahren noch einmal lebendig werden, um sich traumhafte Erinnerungen zu verschaffen. Die Gäste jedoch haben weniger liebsame Erinnerungen an Elisabeths glücklichsten Moment. Als dann auch noch eine inzwischen Verstorbene auf der Feier erscheint, nimmt der Tag einen unerwarteten Verlauf. Die Bühne 55 hat kein festes Ensemble und ist offen für alle Theaterinteressierten im entsprechenden Alter. Diesem Format implizit ist ein ständiger Wechsel der SpielerInnen, neben erfahrenen Akteuren, finden sich auch Menschen, die zum ersten Mal auf einer Bühne stehen. Teilnehmen kann aber auch wer im Produktionsteam mitarbeiten und nicht auf der Bühne stehen möchte. Während für den Spielclub 50+ ein Beitrag von momentan 60 € bezahlt werden muss, ist die Bühne 55 kostenfrei dafür sehr viel zeitintensiver. Die TeilnehmerInnen werden nach dem Eingangszeitpunkt der Bewerbung ausgewählt. Voraussetzung, um auf der Bühne zu stehen, ist aber auch die vorherige Teilnahme am Spielclub. Die Teilnehmerzahl beider Angebote ist auf max. 26 Personen begrenzt. Die Gruppe ist zu Beginn immer sehr heterogen und eröffnet ein außerordentliches Erfahrungsund Spannungsfeld. Aufgrund von Stückauswahl, Erkrankungen und terminlichen Schwierigkeiten, die zum Bewerbungszeitpunkt noch nicht bekannt sind, reduziert sich die Anzahl der TeilnehmerInnen erfahrungsgemäß. Bei den ersten Treffen werden die Interessen der TeilnehmerInnen abgefragt. Es wird abgestimmt, ob ein Stück oder eine Eigenproduktion erarbeitet werden soll. Bisher immer mit dem Ergebnis, dass die Gruppe eine Textvorlage erarbeiten möchte. Konkrete Stückvorschläge werden vorab mit einzelnen TeilnehmerInnen gesichtet. Die Auswahl des Stückes sollte im Laufe des Probenprozesses erfolgen und beruht auf den Interessen der TeilnehmerInnen. Außerdem werden die Stücke und Inszenierungen auf die Bedürfnisse der Gruppe angepasst. Während des gesamten Probenprozesses ist eine demokratische, wertschätzende und positiv verstärkende Arbeitsweise elementar. Wobei der Aspekt einer Ensembleleistung von zentraler Bedeutung ist. Dramaturgische Überlegungen, der Einsatz von Requisiten, die Wahl der Kostüme und alle Prozesse, die eine Beteiligung der Gruppe ermöglichen, werden im Plenum erörtert und gemeinsam entschieden. Fazit ist: Die TeilnehmerInnen werden in Abläufe an einem professionellen Theater eingebunden. Durch die Vielzahl der Vorstellungen erreicht man ein Publikum, das über das Umfeld der Beteiligten hinausgeht. Die TeilnehmerInnen engagieren sich in der Folge auch in anderen kulturellen Bereichen oder nehmen weitere Angeboten des Theaters Bielefeld (Tanz: Zeitsprung, etc.) oder anderer kultureller Institutionen wahr. Die TeilnehmerInnen unternehmen gemeinsame Kulturaktivitäten (Fahrten zu anderen Theatern, Teilnahme an eigenen neugegründeten oder anderen Gruppen, etc.). Die TeilnehmerInnen wünschen sich stets eine Fortsetzung oder besser eine Erweiterung der Angebote. Im Besonderen die Möglichkeit, kontinuierlich in einem festen Ensemble arbeiten zu können. Kultur hat bei den meisten TeilnehmerInnen einen höheren Stellenwert erhalten.