2010 macht musik den menschen?

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OLDENBURGER SCHLOSSGESPRÄCHE
GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAFT IM DIALOG
2010
MACHT
MUSIK
DEN
MENSCHEN?
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
2
Victor Hugo: »Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und
worüber zu schweigen unmöglich ist.«
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
INHALTSVERZEICHNIS
4
INHALT
08
VORWORT
46
07 SPRECHEN SIE MUSIK?
MUSIK ALS SPRACHE DER GEFÜHLE
11
EINFÜHRUNG IN DAS THEMA DURCH PROF. DR. RETO WEILER
14
01 WAS PASSIERT IM OHR?
50
08 GENE, NEURONEN, SYNAPSEN
WIE VIEL MUSIK FINDET MAN IM GEHIRN?
DIE BIOLOGIE DES HÖRENS
54
20
09 TÖNE AUF REZEPT?
MUSIK ALS HEILMITTEL
02 DER AUFRECHTE KLANG
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN – UND NUR DER MENSCH MUSIK?
24
30
58
ABSCHLUSS-STATEMENTS
WARUM WIR MUSIK MACHEN
62
SCHLUSSWORT VON DR. WERNER BRINKER
04 WEIBLICHE MUSIK, MÄNNLICHE MUSIK
64
DIE GÄSTE IN ALPHABETISCHER REIHENFOLGE
66
LITERATUREMPFEHLUNGEN
67
SCHLOSSGESPRÄCHE 2011
03 VIEL MEHR ALS NUR SPASS!
MACHT DAS GESCHLECHT EINEN UNTERSCHIED?
34
05 WELTSPRACHE UND KITT DER KULTUREN
WIE UNIVERSELL IST MUSIK?
40
06 NUR ÜBUNG MACHT DEN MEISTER
SPITZENLEISTUNGEN FALLEN NICHT VOM HIMMEL
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
5
INHALTSVERZEICHNIS
Trotz Schnee und Glatteis …
řVWU¸PWHQGLHb%HVXFKHU
zum Schlossgespräch.
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAF IM DIALOG
MACHT
MUSIK
DEN
MENSCHEN?
GESELLSCHAFT
UND
WISSENSCHAFT
IM DIALOG
6
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
Prof. Dr. rer. nat. Dr. med.
%LUJHU.ROOPHLHU
GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAF IM DIALOG
Dirigentin
Karen Kamensek
Moderation
Maybrit Illner
Das hochkarätig besetzte Podium vereinte Vertreter unterschiedlichster Disziplinen.
Prof. Dr.
Melanie Unseld
7
Ass. Prof. Dr. M.D. Ph.D.
Gottfried Schlaug
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
VORWORT
8
Sie pfeifen, singen und quaken. Vogelgezwitscher markiert Reviergrenzen,
Walgesang dient der Orientierung im Ozean. Aber ist das schon Musik oder doch
eher Notwendigkeit im Reich der Biologie?
»Schimpansen tanzen nicht«, so bringt der britische Hirnforscher Oliver Sacks
die Sache auf den Punkt und erklärt nur den Homo sapiens zur musikalischen
Spezies. Der nämlich vermag etwas Besonderes: Freude, Lebenslust, Trauer oder
Angst in Töne zu übersetzen. Seit der erste Steinzeitmensch ein paar Löcher in
einen hohlen Knochen bohrte, um ihm wunderbare Melodien zu entlocken, rührt
der Mensch seine Artgenossen musikalisch.
Gottfried Schlaug: »Wir machen bestimmte Erfahrungen, werden erwachsen mit bestimmter Musik,
und diese Erfahrungen erlauben es uns, die Musik auf einer emotionalen Ebene zu verstehen.«
Und die Wirkung bleibt selten aus: Verliebte fallen einander in die Arme,
Opernarien lassen uns zum Taschentuch greifen. Musik ist die Sprache der
Leidenschaft, war (nicht nur) Richard Wagner überzeugt. Sie ist ein universales
Idiom mit endlosem Vokabular und immer wieder neuer Grammatik. Die kleine
Nachtmusik rührt uns ebenso wie Mozarts Zeitgenossen; ob afrikanische
Trommelsolos oder karibische Salsaklänge – wir verstehen die Ekstase der Töne
und wippen im Takt dazu.
Musik entfacht Leidenschaften, erzählt Geschichten, lässt Erinnerungen wach
werden, spendet Trost und das Gefühl von Zusammengehörigkeit. Macht sie also
vielleicht am Ende den Menschen aus? Wissenschaftler beginnen gerade erst,
die Geheimnisse der Musik zu lüften. Was passiert da in unseren Ohren? Welche
neurobiologischen Voraussetzungen sind nötig, um Musik wahrzunehmen?
Sind alle Menschen musikalisch, und gibt es möglicherweise einen universellen
Musikcode, der in allen Kulturen verstanden wird?
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
VORWORT
Über diese und andere spannende Fragen debattierte am 13. Dezember
2010 ein hochkarätig besetztes Podium bei den zweiten Oldenburger
Schlossgesprächen, der Gemeinschaftsveranstaltung von EWE Stiftung, HanseWissenschaftskolleg und Universität Oldenburg. Als Experten waren gekommen:
die stellvertretende Generalmusikdirektorin der Hamburgischen Staatsoper
Karen Kamensek, die Oldenburger Musik- und Kulturwissenschaftlerin Melanie
Unseld, Gottfried Schlaug, Neurologe an der Harvard Medical School, und der
Oldenburger Hörforscher Birger Kollmeier. Charmant wie kenntnisreich entlockte
Moderatorin Maybrit Illner der Runde profundes Fachwissen ebenso wie reiche
Lebenserfahrungen mit dem Phänomen Musik.
Karen Kamensek: »Musik ist ja hauptsächlich eine gesellschaftliche Sache, sie bringt uns zusammen,
beruhigt uns, richtet uns auf. Sie ist Unterhaltung, Glück, Freude, und das teilen wir miteinander.«
Weder Experten, noch Zuhörer hatten sich von dem plötzlich einsetzenden
Schneegestöber und dem Glatteis abhalten lassen, Richtung Schloss zu
rutschen. Belohnt wurden alle mit einer hochinteressanten wie unterhaltsamen
Diskussion. Und auch diesmal zeigte sich, wie bereits bei der Auftaktveranstaltung im vorausgegangenen Jahr: Verständlich aufbereitet sind die
Erkenntnisse der Wissenschaft auch für interessierte Laien hochinteressant. Es
mag vor allem daran liegen, dass sich die Veranstaltung allmählich zu einem
festen Termin für wissbegierige Bürger entwickelt. Und die verließen auch dieses
Schlossgespräch wieder ein gutes Stück weit klüger – und orientierter auf dem
weiten Feld der Musik. Nach dem geselligen Ausklang im Foyer bei Musik,
Häppchen und Wein wird so manchen Gast auf dem Nachhauseweg noch eine
schöne Melodie im Kopf begleitet haben.
Die vorliegende Dokumentation ist eine leicht gekürzte und redigierte Fassung
des Gesprächs.
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MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
EINFÜHRUNG IN DAS THEMA DURCH PROF. DR. RETO WEILER
10
Im Anschluss an die musikalische Einstimmung des Publikums startete Prof. Dr. Reto Weiler, Rektor des Hanse-Wissenschaftskollegs, in das Thema:
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
EINFÜHRUNG IN DAS THEMA DURCH PROF. DR. RETO WEILER
Meine Damen und Herren,
was Sie eben gehört haben, bildet sozusagen den Anfang des Themas der heutigen
Schlossgespräche »Macht Musik den Menschen?«. Vor 35000 Jahren waren Höhlenbewohner in der Schwäbischen Alb verzaubert von diesen Flötentönen und sind so zu
einer Gemeinschaft zusammengewachsen, wie wir das heute Abend hoffentlich hier
im Schlosssaal auch tun werden. Im Jahre 2004 wurde in der Nähe von Ulm in der Höhle
Geißenklösterle eine Flöte ausgegraben, die es zu Weltruhm brachte. Die knapp
22 Zentimeter lange Flöte, aus dem Flügelknochen eines Gänsegeiers geschnitzt, wurde
auf ein Alter von 35-40000 Jahren datiert und ist damit das älteste Musikinstrument.
Sie gleicht in ihrer Form und Funktion einem modernen Instrument, mit fünf Luftlöchern kann
die Tonhöhe verändert werden. Von der Flöte wurden einige Replika angefertigt und die
Melodie, die wir gerade gehört haben, wurde von Bernadette Käfer eingespielt.
Reto Weiler: »Musik ist ohne Zweifel eine der wichtigen Säulen unserer
Erziehung und trägt maßgeblich zur Menschwerdung bei.«
Möglicherweise hat die Flötenmusik dazu beigetragen, dass sich die ersten modernen
Menschen in größeren Gemeinschaften zusammen fanden und so erfolgreicher den
Unbilden des täglichen Lebens widerstehen konnten. Damit sind wir bei unserem heutigen
Thema: die Bedeutung der Musik bei der Menschwerdung. Darwin hat in seinen Schriften
festgehalten, dass weder der Musikgenuss noch die Fähigkeit, Musik zu machen, Eigenschaften mit einem evolutiven Nutzen für den Menschen sind. Dem stehen neue Befunde
gegenüber, dass es eine universelle Zuordnung von Bedeutungsinhalten in der Musik
gibt. Forscher des MPI für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig spielten Mitgliedern eines
Bergvolkes in Kamerun, die nachweislich noch nie Kontakt zu westlicher Musik gehabt
hatten, Klavierstücke vor und fragten, ob es sich um traurige, glückliche oder ängstliche
Stücke handle. Die Mafas konnten die Stücke überwiegend richtig zuordnen. Eine solche
universelle Bedeutungszuweisung für Musik und der Befund, dass alle Kulturen ähnliche
Wiegenlieder kennen, spricht für eine gewichtige Rolle der Musik in der Menschwerdung.
Ein arabisches Sprichwort drückt das sehr schön aus: »Wer nie beim Klang der Musik
erbebte, ist kein Mensch, sondern ein Esel!«
11
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
EINFÜHRUNG IN DAS THEMA DURCH PROF. DR. RETO WEILER
12
Was aber ist die Macht der Musik? Ist Musik einfach eine andere Form von
Sprache? Dieser Vergleich hat fast alle Philosophen beschäftigt und wird bis
heute kontrovers diskutiert. Wir alle wissen intuitiv, dass beide zwar Ähnlichkeiten
aufweisen, in ihrer Intention und Wirkung jedoch verschieden sind. Sprache
und Musik lernen wir durch Zuhören, beide folgen Regeln. Musik symbolisiert
menschliche Erfahrung jedoch nicht in dem Sinne, wie das Sprache tut.
Musik inszeniert ein Erleben in unserem Inneren und trifft damit das Absolute
unmittelbar. Unsere innere Welt besteht nicht aus räumlich und zeitlich angeordneten Dingen, sie ist grenzenlos fließend und wandelbar. Musik kann diese
innere Welt transportieren. Sie befreit uns von unseren Denkgewohnheiten und
lässt uns gedankliche Dimensionen erreichen, die normalerweise unerreichbar
erscheinen. Das in ihr erfahrene Verständnis geht über unsere irdische Existenz
KLQDXV6LH}YHUOHLKWXQVHUHQ/HEHQVHUIDKUXQJHQHLQH*UÓ¼HGLHGLHVHHLJHQWOLFK
gar nicht haben. Und indem sie selbst negative Erfahrungen mit Lust erfüllt,
rechtfertigt sie unser Leiden und versichert uns, dass nicht alles umsonst war.
Nietzsche hat das wie kein anderer zusammengefasst: »Ohne Musik wäre das
Leben ein Irrtum!«
Reto Weiler: »Musik verändert unser Gehirn tatsächlich –
wenn wir lernen, ein Instrument zu spielen.«
Was aber macht Musik mit dem einzelnen Menschen? Macht sie einen besseren
Menschen oder den Menschen besser? Sie alle haben schon vom Mozart-Effekt
gehört. Er soll Kinder schlau machen und hat dazu geführt, dass alle Mütter von
Neugeborenen im US-Bundesstat Georgia kostenlos eine Klassik-CD erhalten.
Leider wurden alle diese publizierten Befunde in jüngster Zeit eindrücklich
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
EINFÜHRUNG IN DAS THEMA DURCH PROF. DR. RETO WEILER
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widerlegt. Und dass die Widerlegung von einem Team der Universität Wien
stammt, gibt ihr noch mehr Gewicht. Das Team konnte die Effekte allesamt auf
höhere kognitive Erregungen zurückführen, die wir auch mit einer Tasse Kaffee
oder einem anregenden Gespräch erreichen können. Wenn wir lernen, dann
sollten wir das ohne Musik tun, uns aber immer wieder Pausen gönnen, in denen
wir Musik hören, die dann aber auch nicht von Mozart sein muss.
Musik verändert unser Gehirn aber tatsächlich – wenn wir lernen, ein Instrument
zu spielen. Dabei werden im Gehirn nicht nur die Areale verändert, die für die
entsprechende Motorik zuständig sind, sondern auch Areale, die beim Musik
hören besonders aktiv sind. Da nun wiederum einige dieser Areale auch für
andere Gehirnprozesse, wie das Verstehen von Sprache verwendet werden,
gibt es gegenseitige positive Effekte. Musik ist außerdem ohne Zweifel eine der
wichtigen Säulen unserer Erziehung und trägt maßgeblich zur Menschwerdung
bei. Konfuzius hat sich dazu treffend geäußert: »Wollt ihr wissen, ob ein Land
wohl regiert und gut gesittet sei, so hört seine Musik!«
Reto Weiler steckte zwischen
Kultur- und Hirnforschung
den Rahmen des Abends ab.
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
01
WAS
PASSIERT
IM OHR?
DIE
BIOLOGIE
DES
HORENS
DIE BIOLOGIE DES HÖRENS
14
WAS PASSIERT IM OHR?
DIE BIOLOGIE DES HÖRENS
15
:$63$66,(57,02+5"',(%,2/2*,('(6+˜5(16
Zwei Ohren alleine reichen zum Hören nicht. Um eine Mozart-Sonate genießen zu können, müssen die
Schwingungen, die unsere Ohren aus der Umgebung einsammeln, im Gehirn in bestimmte Signale umgesetzt
werden. Welche sind aber die neurobiologischen Voraussetzungen für die Wahrnehmung von Musik?
Und wie funktionieren eigentlich Hören und Schallverarbeitung, dieses fantastische Wunderwerk der Natur?
Mit einem Ausflug ins menschliche Hörsystem nahm die Experten-Runde die Fährte auf.
Maybrit Illner: Herr Kollmeier, wir beginnen damit, ins Ohr zu wandern, und zwar mit
wahrscheinlich unser aller Lieblingskomponisten: Ludwig van Beethoven. Er war
ein Musikgenie, das seine eigenen Kompositionen nicht mehr hören konnte.
Forscher fanden heraus, dass er schwerhörig war. Das ist eine ebenso tragische
wie faszinierende Vorstellung. Könnten Ärzte ihn heute heilen?
%LUJHU.ROOPHLHU Sicher könnten die Technik und die dahinterstehende Wissenschaft ihm heute deutlich besser helfen, als es seinerzeit der Fall war. Historisch
überliefert sind diese Hörrohre und einfachen Mechanismen, mit denen man
versuchte, den Schall zu verstärken. Möglicherweise hat Beethoven auch anders
komponiert, als seine Schwerhörigkeit einsetzte. Manche sagen ja, er sei der
erste Rockmusiker gewesen, weil er sehr viel Dynamik in die Musik gebracht und
auch sehr laute Töne komponiert hat. Aber eine Hörstörung wird er damit nicht
unbedingt kompensiert haben können.
Er litt an einer Otosklerose.
Otoskle
Kollmeier: Otosklerose ist eine Kombination aus einer Innenohrschwerhörigkeit und
Was ist das genau?
einer Schallleitungsschwerhörigkeit, bei der der Schall vom Ohr nicht ohne
Hindernisse in das Innenohr übertragen wird. Sie hat manchmal den Effekt einer
WAS PASSIERT IM OHR?
DIE BIOLOGIE DES HÖRENS
16
inversen Schwerhörigkeit: Nach einem lauten Knall oder einem lauten Ereignis
hört man wieder besser. Er ist schwer zu sagen, ob Beethovens Musik besonders
gut bei Otosklerose geeignet ist, ich würde sie jedenfalls nicht als Therapeutikum
empfehlen. Mit konventionellen Mitteln konnte man das seinerzeit nicht lindern.
Heutzutage ist es aber durchaus möglich, den Schall zu verstärken und klarer zu
machen. Eine Innenohrschwerhörigkeit ist meistens mit einer Verzerrung des
Sprach- und Musikeindrucks verbunden, so dass man versuchen muss, dieser
Verzerrung entgegenzuwirken.
PROF. DR. RER.
NAT. DR. MED.
BIRGER
KOLLMEIER
Haben Sie das Gefühl, dass der Hörsinn
Kollmeier: Die alten Griechen wussten das schon, und auch Kant hat gesagt:
geringer geschätzt wird? Wir sprechen oft von
»Wer nicht sehen kann, verliert den Kontakt zu den Dingen. Wer nichts hören
Augenzeugen, aber selten von den Ohren-
kann, verliert den Kontakt zu den Menschen.« Das Hören ist unser direkter
zeugen. Nehmen wir diesen Sinn nicht so
Kommunikationssinn und unser Zugang zur Seele. Deshalb spielt auch die Musik
wichtig, vertrauen wir ihm weniger? Es sind
neben der Kommunikation eine wichtige Rolle beim Zugang zu unserem
ja offenbar viel weniger Zellen im Gehirn
Allerinnersten. Wenn man heute jemanden vor die schreckliche Wahl stellen
damit befasst.
würde, blind oder taub zu sein, dann würden alle sagen, im Zweifelsfall lieber
taub als blind. Dabei ist es eigentlich genau umgekehrt: Blind geborene Kinder
entwickeln sich ganz normal, während taub geborene Kinder, wenn man nicht
rechtzeitig interveniert, »doof« bleiben – das ist derselbe Wortstamm. Weil eben
die Kommunikation und der Kontakt zu den Menschen und damit auch ein
wesentlicher Motor der sozialen Entwicklung fehlt.
WAS PASSIERT IM OHR?
DIE BIOLOGIE DES HÖRENS
17
Sie müssen uns jetzt einmal erklären,
Kollmeier: Das Wesentliche der Musik sind periodische Signale, also beispiels-
ZDVb0XVLNHLJHQWOLFKLVW)¾UHLQHQ3K\VLNHU
weise eine Saitenschwingung, die immer wieder zum Ursprung zurückkehrt, oder
besteht Musik – genau wie Sprache – aus
eine Trommel, die einmal angestoßen periodisch schwingt. Diese Schwingung
6FKZLQJXQJHQ:LHZLUGDXVGHU%HZHJXQJ
setzt Luftmoleküle in Bewegung und setzt sich dann als Welle zu unserem Ohr
von Molekülen in der Luft über dem Parkett
fort. Die Schallwelle wird im Außenohr gesammelt und dann im Mittelohr in
eines Konzertsaals in unserem Kopf und
eine Flüssigkeitsschwingung umgesetzt. Wir haben ein großes Trommelfell und
in unserem Herzen der Hörgenuss von
den kleinen Steigbügel. Im Trommelfell wird sozusagen die Luftschwingung
%HHWKRYHQV}3DVWRUDOHm"
auf gesammelt und auf eine kleine Fläche konzentriert, so dass der Schall
un gehindert in das Innenohr gelangt. Dort wird er dann analysiert: Die hohen
ZUR PERSON
Prof. Dr. rer. nat. Dr. med Birger Kollmeier arbeitet am
Hörforscher
Zentrum für Hörforschung sowie am Forschungszentrum
INSTITUTION
Neurosensorik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.
Universität Oldenburg
Seine Arbeitsschwerpunkte sind Sprachperzeption,
63(=,$/*(%,(7
Psychoakustik, digitale Signal verarbeitung, Hörgeräte sowie
Neurosensorik
medizinisch-physikalische Diagnostik.
Frequenzen werden ganz am Anfang der Schnecke abgebildet, die tiefen
Frequenzen ganz am Ende. Aber diese Frequenzaufteilung ist nicht alles, es
kommt auch auf die zeitliche Struktur an. Beispielsweise ist der Rhythmus,
mit dem wir sprechen, ein ganz bestimmter Modulationsrhythmus. Wir reden mit
vier Hertz, also etwa vier Silben pro Sekunde, in manchen Gegenden etwas
lang samer, in anderen etwas schneller. Und interessanterweise findet man diese
YLHUELV}VHFKV+HUW]ÙEHUDOOQLFKWQXULPPHQVFKOLFKHQ1HUYHQV\VWHP'LHVH
Modula tionen kann man im Cortex nachweisen und man findet sie auch in
bestimmten Phrasen von Musik. Das scheint so eine Art »Atom« der Wahr nehmung
zu sein. Und in diesem minimalen Zeitintervall nehmen wir auch einzelne Objekte
wahr. Faszinierend ist, wie es unser Gehör schafft, aus diesem Fluss von Informa tionen, aus diesem Wellensalat, ein genaues Bild der Umgebung zu rekonstruieren.
WAS PASSIERT IM OHR?
DIE BIOLOGIE DES HÖRENS
18
:DUXPVDJWPDQGDVV0XVLNLP.RSI%LOGHU
Kollmeier: Man kann sich vorstellen, dass wir eine Art interne Repräsentation des
entstehen lässt? Wie geschieht das?
Schalls haben. Aus den Schallschwingungen, die unser Ohr erreichen, pickt das
Ohr gewisse Eigenschaften heraus. Besonders attraktiv sind alle periodischen
Klänge, die können wir sehr gut aus einem Hintergrund heraushören. Dazu
kommt eine gewisse zeitliche Dynamik. Anhand der zeitlichen Veränderung einer
Tonhöhe können wir besondere Kennzeichen von Musik und Sprache
wahrnehmen.
Wir versuchen immer noch, uns eine
Kollmeier: Schön wäre es, wenn es nur ein einziges Zentrum dafür gäbe, aber
Verbindung vom Ohr zum Gehirn vorzustellen
musikalische Wahrnehmung ist verteilt. Man kann sich das so vorstellen, dass
XQGGLH)UDJH]XEHDQWZRUWHQZRULQ
unsere Sinne uns die Eindrücke von außen im Inneren widerspiegeln. Man kommt
eigentlich der Unterschied zwischen
sich im Gehirn vor wie vor einer Wand aus lauter Videomonitoren. Und wir
Musik- und Sprachwahrnehmung besteht.
stecken als Beobachter innen drin. Aus diesen ganzen Bildern, die uns das
(VbJLEWHLQ6SUDFK]HQWUXPGDVDXFKEHLGHU
Sensorium vorspielt, müssen wir herausfinden: Was passiert hier eigentlich,
Musikwahrnehmung tätig ist, aber nicht nur.
ZDV}LVWGHU6LQQ"8QGGDULQVLQGZLUZLUNOLFK0HLVWHU8QVHU2KUSURML]LHUWGLH
Gibt es auch ein Musikzentrum im Gehirn,
Schallwellen in diese inneren Bilder, und unsere Wahrnehmung versucht, daraus
ZRbULFKWLJGHU5RFNDEJHKW"
die Objekte zu identifizieren, die draußen den Schall produzieren.
%LUJHU.ROOPHLHU »Faszinierend ist, wie es unser Gehör schafft, aus einem Fluss von
Informationen ein genaues Bild der Umgebung zu rekonstruieren.«
Und das machen wir streckenweise perfekt.
Kollmeier: Das absolute Gehör, also dass man eine bestimmte Tonhöhe auch ohne
Manche Menschen machen es so perfekt,
Referenztöne einschätzen kann, ist trainierbar. Wenn man sich seit früher Kindheit
dass wir von einem absoluten Gehör
mit Musik beschäftigt, dann ist die Tonhöhenwahrnehmung genauso selbst-
VSUHFKHQ,VWGLHVH)¦KLJNHLWGHQ*HQHQ
verständlich wie die Farbwahrnehmung. Aber eigentlich wird das absolute Gehör
gedankt oder schlicht Zufall?
überschätzt. Bei Musikern ist es manchmal hilfreich, etwa wenn man keine
Stimmgabel zur Hand hat. Aber es kann auch hinderlich sein, etwa wenn das
Orchester gerade in eine andere Richtung geht.
WAS PASSIERT IM OHR?
DIE BIOLOGIE DES HÖRENS
19
%LUJHU.ROOPHLHUHUO¦XWHUWH
die mathematischen und
physikalischen Grundlagen
der Musik.
Haben wir auch eine Wahrnehmung dafür,
Kollmeier: Bei vielen harmonischen Beziehungen gibt es einfache mathematische
was uns harmonisch erscheint und
Regeln, die auch der Physik gehorchen, nämlich dass die Obertöne, also der
was disharmonisch? Gibt es dafür eine Art
Grundton und die dazu gehörigen Schwingungen, sprich die Vielfachen dieser
Vorprägung?
Grundfrequenz, zu den anderen Tönen passen, die gerade gespielt werden.
Diese harmonischen Verhältnisse folgen exakten mathematischen Regeln. Bei
den harmonischen Tönen klingt es aufgrund der Obertöne sehr gut, und wir
können auch bei den Rhythmen sagen: Wann immer dieser vier bis fünf HertzRhythmus erwischt wird, bringt das bei uns etwas zum Schwingen. Noch
interessanter wird die Sache, wenn man von der reinen Harmonizität abweicht.
Was nämlich darüber hinaus geht, ist jenseits der reinen Physik. Da spielen dann
subjektive Wahrnehmung und emotionale Bewertungen hinein.
Nun verlieren manchmal Menschen ihr Gehör,
Kollmeier: Bei Cochlea Implantaten wird versucht, bei einem Ausfall des Innenohrs
für sie gibt es dann einen Ersatz, die
die verbleibenden Hörnerven direkt zu stimulieren. Da muss man sich im Prinzip
künstliche Hörschnecke. Mit sogenannten
entscheiden, ob man eher die Sprachinformationen retten will oder lieber die
Cochlea Implantaten können ertaubte
spezifisch musikalischen Informationen. Meistens entscheidet man sich für die
Menschen Sprache wieder verstehen. Können
Sprachinformationen, weil die Sprachwahrnehmung im Alltag wichtiger ist.
diese Menschen auch wieder Musik hören,
Mit den zunehmenden Fortschritten in der Codierung, also der Umsetzung der
RGHULVWHVVFKZHUGLHVH)¦KLJNHLWN¾QVWOLFK
akustischen Signale in Nervenerregungsmuster, wird es immer besser möglich,
zu produzieren?
neben einer guten Sprachwahrnehmung auch eine Musikwahrnehmung zu
ermöglichen. Derzeit ist das jedoch noch sehr eingeschränkt. Leider ist eine
Hörstörung immer mit einer Verzerrung verbunden, und die betrifft eben auch die
Musikwahrnehmung. Mit einem Cochlea Implantat kann man Musik nicht
besonders gut wahrnehmen, denn man hört sehr viele Verzerrungen und nicht die
Harmonizität, die man früher gehört hat.
02
DER AUFRECHTE
KLANG
MACHT MUSIK
'(10(16&+(1}t
UND NUR DER
MENSCH MUSIK?
'(5$8)5(&+7(./$1*
0$&+7086,.'(10(16&+(1}t81'185'(50(16&+0 86,."
21
'(5$8)5(&+7(./$1*0$&+7086,.'(10(16&+(1Ŏ81'185'(50(16&+086,."
Tieren wurde bislang viel durchaus Menschliches nachgewiesen: Eifersucht, hinterlistige Täuschungsmanöver,
aber auch Empathie und Fürsorge. Wie aber steht es eigentlich mit der Musik? Gehört wenigstens sie noch
ausschließlich der menschlichen Spezies allein? Und bedeutet die Tatsache, dass ein Papagei den Takt einer
Musik schlagen kann, schon Musikalität? Auch diese wichtige Frage wurde auf dem Podium diskutiert.
Damit sind wir beim Menschen und unserer
Gottfried Schlaug: Scheinbar gibt es tatsächlich musikalische Tiere. Der Kakadu
besonderen Qualifikation, Musik zu hören und
wurde von zwei Forschergruppen untersucht, einer Gruppe an der Westküste um
GHU)UDJHREHLJHQWOLFKQXUGHU0HQVFKHLQH
Dr. Ani Patel und einer Gruppe an der Ostküste der USA um Dr. Adena
%H]LHKXQJ]XU0XVLNDXIEDXHQNDQQ+HUU
Schachner. Die Gruppe an der Ostküste hat versucht, noch weitere Videos auf
Professor Schlaug, ein absoluter Renner auf
YouTube zu finden, die andere Tiere und Tierarten zeigen, die eine ähnliche
You Tube ist der Gelbhauben-Kakadu
Fähigkeit zeigen. Sie fanden heraus, dass hauptsächlich Papageienarten oder
Snowball, der perfekt Rhythmen nach-
Tiere, die in der Lage sind, vokal zu lernen, diese Fähigkeit der Synchronisierung
schlagen kann, egal ob zu Queen oder Robbie
zu einem bestimmten Beat haben. Und das Team an der Westküste ist dann
Williams. Er erweckt den Eindruck,
noch weiter gegangen und hat geschaut, ob Snowball nicht nur synchronisieren
HLQbSHUIHNWHV5K\WKPXVJHI¾KO]XKDEHQ
kann, sondern auch, ob er die Synchronisierung variieren, sich also an Variatio-
*LEWbHVPXVLNDOLVFKH7LHUHRGHUEHVLW]HQZLU
nen im Beat anpassen kann. Und tatsächlich war Snowball dazu in der Lage.
diese Eigenschaft ganz allein?
Man hat dann noch ein paar andere Papageienarten und einen Elefanten in Indien
gefunden, die das können. Es gibt auch Untersuchungen, bei denen man
versuchte, ein Pferd darauf zu trainieren, einen Rhythmus zu schlagen. Es geht
hier allerdings nicht um das Reproduzieren von Musik, sondern um das
Synchronisieren zu einer Musik mit einem sehr strengen Beat. Interessanterweise
gibt es außerhalb der Gruppe von Tieren, die vokal Lernen können, nicht viele
Tierarten, die zu der rhythmischen Synchronisierung in der Lage sind.
'(5$8)5(&+7(./$1*
0$&+7086,.'(10(16&+(1}t81'185'(50(16&+0 86,."
22
Auf der anderen Seite gibt es Menschen,
Schlaug: Kommt darauf an, wie man das definiert. Das wissenschaftliche Wort ist
die völlig unfähig sind, sich im Takt zur Musik
Amusie und man unterscheidet zwischen einer erworbenen und einer angebore-
zu bewegen. Che Guevara soll so einer
nen Amusie. Die erworbene Amusie tritt auf nach strukturellen Läsionen des
JHZHVHQVHLQ:HQQHUPLWHLQHU)UDXWDQ]WH
Gehirns, beispielsweise nach einem Schlaganfall. Aber es gibt auch angeborene
musste ihm sein Adjutant zuflüstern, ob er
Amusien, und bei den angeborenen Amusien unterscheidet man Amusien, die
sich langsam oder schnell drehen soll, weil
hauptsächlich unser melodisches oder unser rhythmisches Verständnis
er ohne jedes Taktgefühl war. Gibt es
beeinträchtigen. Die Amusie, die am häufigsten beschrieben ist, ist die Unfähig-
unmusikalische Menschen?
keit, Töne zu unterscheiden, die relativ nah beieinander liegen. Aber natürlich
kommt keiner in unsere Neurologische Praxis und sagt: Ich habe das Problem,
dass ich ein A nicht von einem B unterscheiden kann. Das produziert ja keine
Schmerzen und führt auch nicht zu Problemen in der Gesellschaft. Aber die
Leute klagen über einen Sekundäreffekt: Sie können nicht gut singen, auch nicht,
Gottfried Schlaug erklärte die
Amusie.
wenn es darum geht,mit anderen zusammen zu singen. Diese angeborenen
Amusien sind eigentlich schon lange bekannt und auch in einzelnen Fällen
wissenschaftlich beschrieben worden, aber in den letzten zehn Jahren wurde
dieses Phänomen wesentlich ausführlicher und an größeren Gruppen untersucht
und die Ergebnisse in englischsprachigen Fachzeitschriften beschrieben.
Anfangs ist man davon ausgegangen, dass vier Prozent der Bevölkerung davon
beeinträchtigt sind. Heute weiß man, dass es wahrscheinlich 10 bis 20 Prozent
der Bevölkerung betrifft. Und ich bin sicher, dass auch einige Gäste hier im
Saal beim Singen nicht immer so ganz den Ton treffen.
23
'(5$8)5(&+7(./$1*
0$&+7086,.'(10(16&+(1}t81'185'(50(16&+0 86,."
)UDX8QVHOGZDVXQWHUVFKHLGHWHLJHQWOLFK
Melanie Unseld: Über den Gesang von Walen kann ich als Musikwissenschaftlerin
den Gesang der Wale von den Gesängen eines
nichts sagen, das müssten wir die Biologen fragen. Aber ich möchte noch einmal
Kirchenchors? Was macht Musik eigentlich
etwas aufgreifen, was Herr Kollmeier sagte: diese Wand, aus der wir Dinge
aus?
erkennen, herausgreifen und zu einem Gesamtbild zusammensetzen. Dieser
Prozess spielt bei der Wahrnehmung von Musik eine ganz große Rolle. Wir
erkennen Strukturen, die uns geläufig erscheinen. Das können einfache
melodische Floskeln oder kleinere Rhythmen sein, die wir immer wiedererkennen,
weil wir sie in unserer Kultur schon früh vermittelt bekommen. Diese Strukturen
verfestigen sich im Laufe des Lebens, und darauf baut sich dann so etwas wie
ein musikalisches Verständnis auf. Damit sind wir im Bereich der Musikpädagogik, denn man kann diesen Prozess natürlich fördern. Dieses musikalische
Grundverständnis ist aber sehr stark kulturell geprägt, weshalb man davon
ausgehen kann, dass wir zwar in all den verschiedenen Regionen dieser Welt
einen Bezug zur Musik generell haben, aber eben jeweils einen eigenen, stark
kulturell geprägten. Eine Quinte, die wir heraushören, hört man aufgrund der
pythagoräischen Relationen auch in Peru heraus. Was darüber hinaus geht, die
Bedeutung der Quinte zum Beispiel für die Dur-Moll-Harmonik, ist jedoch kulturell
geprägt.
)UDX.DPHQVHNN¸QQHQ6LHVLFKDOVMHPDQG
Karen Kamensek: Doch, ja. Als Manager eines Orchesters und eines Opernhauses
der mit so viel Liebe und Leidenschaft Musik
stelle ich mir diese Frage ja jeden Tag selbst. Ich bin gerade in einem Lebens-
PDFKWYRUVWHOOHQGDVVVLFKMHPDQGGLH)UDJH
abschnitt, wo ich über 30 Jahre in meinem Beruf bin. Ich habe mit drei Jahren
stellt: Warum und wozu gibt es eigentlich
begonnen, das heißt, ich könnte eigentlich schon in Pension gehen. Und
Musik?
natürlich überlege ich, wozu ich die Musik in der nächsten Phase meines Lebens
noch brauche. Und als Chefin eines Opernhauses frage ich außerdem: Wozu
braucht mein Publikum die Musik?
Und wozu brauchen Sie sie persönlich?
Kamensek: Ich habe nie ohne Musik gelebt, mir aber jetzt eine Auszeit von
mehreren Monaten gegönnt. Da habe ich gemerkt, dass ich sie eigentlich nicht
brauche. Es ist mein Beruf und den mache ich mit Leidenschaft, aber ich sage
auch ganz offen: Sie geht mir auch auf die Nerven, denn ich komme nie davon
weg. Ich träume davon, um sechs in der Frühe wache ich mit Musik auf und
muss mir bewusst sagen: Jetzt ist aber mal Schluss! Auf der anderen Seite
brauche auch ich natürlich Unterhaltung, und die findet man eben in der Musik.
Sie ist ja hauptsächlich eine gesellschaftliche Sache, sie bringt uns zusammen,
sie beruhigt uns in guten und schweren Zeiten, sie richtet uns auf. Sie ist
Unterhaltung, Glück, Freude, und das teilen wir miteinander.
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
WARUM WIR MUSIK MACHEN
03
VIEL MEHR
ALS NUR
SPASS!
WARUM
WIR MUSIK
MACHEN
24
VIEL MEHR ALS NUR SPASS!
WARUM WIR MUSIK MACHEN
25
VIEL MEHR ALS NUR SPASS! WARUM WIR MUSIK MACHEN
Wissenschaftler denken seit Jahrhunderten darüber nach, warum der Mensch so unglaublich viel Energie in die
Produktion von Musik steckt. Zahllose Thesen wurden diskutiert: Wir machen Musik, um andere zu beeindrucken,
um das körpereigene Belohnungssystem zu stimulieren, um Emotionen zu transportieren, um andere Menschen
zu manipulieren. Welcher Hypothese man auch am meisten zuneigen mag, klar ist: Es geht um weit mehr
als nur den momentanen Genuss. Welche Motive noch in Frage kommen, dieser Frage ging die Oldenburger
Schlossrunde nach.
Schon Charles Darwin grübelte über den Sinn
Unseld: Für Freud hatte die Musik eine zu starke, unerkennbare Macht, das
XQG=ZHFNGHU0XVLN6LJPXQG)UHXGYHUOLH¡
irritierte ihn. Aber ob schön oder nicht: Wir verbinden heute damit Kategorien, die
ein Restaurant, wenn dort Musik gespielt
im 19. Jahrhundert entstanden sind. Schöne, also eingängige, populäre Musik
wurde. Er misstraute ihr ganz grundsätzlich,
wurde damals als Unterhaltungsmusik abgewertet, um damit zugleich die
weil sie so mächtige und verwirrende Gefühle
sogenannte Kunstmusik aufzuwerten. Die Unterhaltungsmusik sei vulgär und
erzeugt, die er mit seinem Verstand und
daher dem bürgerlichen Kunstgenuss nicht angemessen. Die angemessene
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Musik sei die »schwere« oder auch »ernste« Musik, die man vielleicht nicht recht
ein Problem damit zu sagen, Musik ist einfach
versteht, für die man das Programmheft oder den Blick in die Partitur braucht.
nur schön und angenehm für uns? Manche
Doch diese Trennung entstand eben im bürgerlichen 19. Jahrhundert, damit
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identifizierte sich das Bürgertum. Im 18. Jahrhundert gab es diese Trennung noch
Nachtisch klassifiziert, lecker, aber nicht
nicht, damals war Musik ganz selbstverständlich für die Unterhaltung oder für
zwingend nötig.
Repräsentationszwecke da. Mozart hat keine »ernste« Musik, wie wir den Begriff
heute benutzen, komponiert. Es war ihm vielmehr ein wichtiges Anliegen, die
Menschen mit seiner Musik zu unterhalten – im besten Wortsinn.
VIEL MEHR ALS NUR SPASS!
WARUM WIR MUSIK MACHEN
26
PROF. DR.
MELANIE
UNSELD
Musik, wenn sie als schön empfunden wird,
Unseld: Ja, natürlich. Und dazu spielt sie auch für die Kommunikation der
setzt ähnliche Reaktionen im Gehirn und
Menschen eine wichtige Rolle. Das können wir daran erkennen, wenn wir uns
im Hormonhaushalt frei wie Sex oder Schoko-
die Kommunikationsstrategien genauer anschauen, die durch Musik offenbar
lade. Liegt also ihr evolutionärer Nutzen darin,
werden: Bei der Musik für Repräsentationszwecke beispielsweise ist es die
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Kommunikations strategie, Herrschaftsverhältnisse deutlich zu machen.
(LQ}+ HUUVFKHUZLUGPLWEHVWLPPWHQ0XVLNVWÙFNHQHPSIDQJHQRGHUKÁOW(LQ]XJ]X
bestimmter Musik. Und für jeden ist durch diese Musik die Machtkonstellation
ohne weiteres erkennbar. Und wenn wir in die Salons des 19. Jahrhunderts
schauen: Auch da ist Musik ein Kommunikationsmittel, das über die Worte
hinausgeht. Wenn uns die Worte fehlen, greifen wir zur Musik, um ein weiteres
Kommunikationsmedium zu haben.
'LHVH.RPPXQLNDWLRQLVWMDYLHOI¦OWLJ(VbLVW
Unseld: So vielfältig die Kommunikationssituationen, so vielfältig ist auch die
das Wiegenlied, der Militärmarsch, das
Musik. Insofern kann man ein Wiegenlied nicht mit einem Militärmarsch ver-
Liebeslied. Lässt sich daraus überhaupt
gleichen. Aber in der Funktionalität schon, denn beide Musiken haben ein klares
eine Gemeinsamkeit ableiten, die zu einem
kommunikatives Ziel, das sich auch in den musikalischen Strukturen deutlich
evolutionären Zweck führen könnte, wenn
widerspiegelt. Das Wiegenlied ist ein meist unbegleiteter Gesang mit ruhigen
das Spektrum so vielfältig ist?
musikalischen Mustern, während Militärmusik mit Lautheit aufwartet, um den
Gegner möglichst gut erschrecken zu können.
Ist Musik auch eine Art sozialer Klebstoff?
Unseld: Ja, das kann man sagen. Wenn wir zum Beispiel als Publikum in einem
Opernhaus sitzen, dann kennen wir einander nicht, aber wir haben ein gemeinsames Interesse, die Oper zu hören, und das verbindet uns. Musik ist eine Art
sozialer Kitt, durch den wir uns stark identifizieren können.
VIEL MEHR ALS NUR SPASS!
WARUM WIR MUSIK MACHEN
ZUR PERSON
Prof. Dr. Melanie Unseld ist Professorin für Kulturgeschichte der Musik
Musikwissenschaftlerin
und Direktorin des Instituts für Musik sowie Direktorin für interdisziplinäre
INSTITUTION
Frauen- und Geschlechterforschung an der Universität Oldenburg. Ihre
Universität Oldenburg
Forschungsschwerpunkte sind unter anderem die europäische Musik- und
63(=,$/*(%,(7
Kulturgeschichte um 1900, die Musikkultur des 19. Jahrhunderts sowie
Musikgeschichte
Gender Studies, Biografik und Musikgeschichtsschreibung.
27
VIEL MEHR ALS NUR SPASS!
WARUM WIR MUSIK MACHEN
Dann gibt es diesen schönen Satz von Seume:
Unseld: Nein. Böse Menschen haben sehr viele Lieder. Das wissen wir aus
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unserer eigenen Vergangenheit sehr genau.
28
0HQVFKHQKDEHQNHLQH/LHGHUm6WLPPWGDV
hatte er Recht?
Melanie Unseld:}Mozart hat keine »ernste« Musik, wie wir den Begriff heute benutzen,
komponiert. Es war ihm vielmehr ein wichtiges Anliegen, die Menschen mit seiner Musik zu
unterhalten – im besten Wortsinn.m
Mit Musik findet auch eine starke Manipula-
Unseld: Diese Manipulationsmöglichkeiten sind vielfältig. Ich greife noch einmal
tion statt. Was kann man mit Menschen alles
zum Beispiel Wiegenlied: Wir wollen, dass das Kind einschläft, haben also eine
machen, indem man mit der Musik spielt?
Intention und können diese in die Musik hineintragen und dazu beitragen, dass
sich der Puls des Kindes beruhigt, die Müdigkeit kommt, das Einschlafen
gefördert wird. Aber, um ein ganz anderes Beispiel für Manipulation zu nennen:
Zu Kriegszeiten werden Soldaten mit entsprechend manipulativer Musik beschallt,
zum Beispiel auch im Irakkrieg. Hier kamen Heavy Metal Musik oder Musik aus
Gewalt-Videospielen zum Einsatz. Sie steigerten das Aggressionspotenzial der
Soldaten und reduzierten die Hemmungen zu schießen.
Musik kann nicht nur für Kriege missbraucht
Unseld: Ja, das funktioniert erstaunlich gut und hängt damit zusammen, dass wir
werden, sondern uns auch zu perfekten
die sogenannte »klassische« Musik mit Dingen assoziieren, die nicht zum
Käufern machen. In Hamburg wird klassische
Bahnhof-Ambiente passen. Es ist in diesem Fall also die Funktion der Musik, den
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erwarteten Klang dieses Orts zu konterkarieren und diejenigen Menschen zu
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vertreiben, die sich mit dieser Musik nicht identifizieren.
VIEL MEHR ALS NUR SPASS!
WARUM WIR MUSIK MACHEN
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29
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
MACHT DAS GESCHLECHT EINEN UNTERSCHIED?
04
WEIBLICHE
MUSIK,
MANNLICHE
MUSIK
MACHT DAS
GESCHLECHT
EINEN
UNTERSCHIED?
30
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MACHT DAS GESCHLECHT EINEN UNTERSCHIED?
31
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Frauen musizieren anders, Männer auch. Doch wie groß ist der kleine Unterschied tatsächlich? In Orchestern
gibt es eher »weibliche« Instrumente (wie die Geige) und eher »männliche« Instrumente (wie die Trompete).
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alles eine Frage der Erziehung und unterschiedlicher Hörgewohnheiten, oder spielt hier vielleicht auch
die Biologie hinein? Schwingen sich Hormone zum Taktgeber auf, oder gehört das doch eher ins Reich der
unhalt baren Vorurteile?
)UDX8QVHOG6LHKDEHQYLHO¾EHUGLH
Unseld: Dass wir heute die Geige eher als weibliches Instrument sehen, ist eine
*HVFKOHFKWHUJHIRUVFKW'DVV)UDXHQK¦XILJHU
moderne Betrachtung, denn im 19. Jahrhundert zum Beispiel galt sie als rein
Geige spielen als Trompete, liegt das am
männliches Instrument. Das lag daran, dass das Instrument von der Form her mit
Körperbau oder doch eher an Rollenmustern
einem Frauenkörper assoziiert wurde und man Frauen daher verbot, Geige zu
und Geschlechterzuweisungen?
spielen. Ein anderer Grund war, dass es für Frauen als unschicklich galt, sich in
der Öffentlichkeit zu viel und zu raumgreifend zu bewegen. Und die Bewegungen,
die man beim Geigespielen braucht, denken Sie an die Bogenhand, galten als
nicht schicklich für Frauen. Deswegen ist in Erziehungslehren des 18. und
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dass ein Virtuose wie Niccolò Paganini als »Teufelsgeiger« ein männliches Idol
war. Aber auch in diesen Fragen, welche Instrumente wir welchen Geschlechtern
zuordnen, sind wir kulturell geprägt. Die Hau-auf-die- Pauke-Luise ist bis heute
eine aufmüpfige Luise. Laut zu sein, auch öffentliche Lautheit, stand lange Zeit
nur Männern an. Damit hängen schließlich auch bestimmte Funktionen
zusammen, die die Instrumente übernommen haben. Die Trompete zum Beispiel
war ein Militärinstrument, weshalb sie männlich konnotiert wurde – und bis heute
ist. Auf diese Weise haben sich Geschlechtervorstellungen der Zeit auf die
Instrumente gelegt. Aber wie wir an der Geige gesehen haben, können sich diese
Zuschreibungen auch ändern.
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MACHT DAS GESCHLECHT EINEN UNTERSCHIED?
32
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MACHT DAS GESCHLECHT EINEN UNTERSCHIED?
33
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Männern gibt es Unterschiede
bei der Wahrnehmung
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Kollmeier.
Kollmeier: Übrigens empfinden Frauen denselben Ton bei der selben
physikalischen Lautstärke in der Regel im Durchschnitt als lauter als Männer.
Diese Unterschiede sind zwar nicht sehr groß, aber Frauen würden bei der
Trompete eher sagen: Sie ist mir zu laut. Dazu kommt, dass Frauen in der Regel
eher gesundheitsbewusst sind und sich einer zu lauten Situation entziehen.
(V}VSLHOHQDOVRDXFKUHLQSK\VLNDOLVFKVHQVRULVFKH)DNWRUHQHLQH5ROOH
Blechinstrumente sind deutlich lauter als Streichinstrumente, und wenn man sehr
dicht dabei sitzt, hat man schnell einen gesundheitsschädlichen Lärmpegel.
Gehörschäden bei Musikern sind übrigens ein offenes Geheimnis. Das kommt
vor, nur bekennen sich Musiker nicht gerne dazu, weil es als Behinderung für die
Berufsausübung empfunden wird. Es stellt sozusagen einen Makel des perfekten
Gehörs dar.
Melanie Unseld: »Für Frauen war es inopportun, sich in der Öffentlichkeit zu viel zu bewegen. Auch laut zu
sein, stand nur Männern an. Diese Geschlechtervorstellungen haben sich dann auf die Instrumente gelegt.«
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
WIE UNIVERSELL IST MUSIK?
05
WELTSPRACHE
UND KITT
DER KULTUREN
WIE UNIVERSELL
IST MUSIK?
34
WELTSPRACHE UND KITT DER KULTUREN
WIE UNIVERSELL IST MUSIK?
35
WELTSPRACHE UND KITT DER KULTUREN. WIE UNIVERSELL IST MUSIK?
Auf den ersten Blick scheint es, als hätte jede Kultur ihre eigene Musik. Bei näherem Hinsehen jedoch zeigen
sich viele Facetten eines offenbar universellen Verständnisses von Musik. Wer sich fremden Musikkulturen öffnet,
macht nicht selten die außerordentlich bereichernde Erfahrung, dass die Unterschiede um so stärker schrumpfen,
je näher man sich fremder Musik annähert. So können zunächst exotische Klänge sehr schnell vertraut klingen.
Mit diesen Erfahrungen im Hinterkopf versuchte die Expertenrunde zu klären, wie universell Musik sein kann.
Das Wort von der Sprache der Musik, die alle
Kamensek: Die Frage für mich ist eigentlich, da ich gerade in Afrika war, ob die
Menschen verbindet, ist geflügelt. Aber gibt
Menschen dort das eigentlich brauchen oder nicht, oder ob wir das brauchen?
es tatsächlich eine Musik, die auf jedem
Ich bin sehr interessiert an anderen Kulturen und hoffe, dass sie genauso an
Kontinent, in jeder Kultur verstanden wird?
unserer Kultur interessiert sind. Und das ist absolut der Fall, Musikmachen mit
)UDX.DPHQVHN&KULVWRSK6FKOLQJHQVLHI
Kindern in Afrika zum Beispiel ist eine geniale Sache, weil sie so offen und
hinterlässt als Vermächtnis die Pläne für ein
höchst begabt sind. Die sind viel neugieriger als wir, sie wollen etwas Neues
2SHUQKDXVLQ%XUNLQD)DVR'LH%DXDUEHLWHQ
lernen. In dem Fall würde ich nicht sagen, wir müssen einen Tannhäuser dorthin
haben schon begonnen. Macht es Sinn, den
schicken, weil wir denen etwas beibringen wollen.
Tannhäuser in den Dschungel zu bringen?
Und die Menschen in Afrika können mit
Kamensek: Die haben noch viel mehr Tonarten und auch kompliziertere Rhythmen
unseren Tonarten, mit Dur und Moll, etwas
als wir. Auf den Dörfern singen sie ohne Problem in achtstimmiger Harmonie.
anfangen?
'LH}NÓQQHQGDVHLQIDFKYRQ1DWXUDXV8QGZDV6LHLQXQVHUHP2SHUQEHWULHE
nicht erklären können: Die schwarzen Stimmen haben etwas Besonderes. Ich
kann die Stimme eines schwarzen Menschen immer von der eines Weißen
unterscheiden. Das hat etwas sehr Sanftes, vielleicht hat es etwas mit der
Sprache zu tun, es ist teilweise dunkler als bei westlichen Stimmen. Und die
lieben die Oper dort. Ob das ein Beweis dafür ist, dass wir ihnen etwas beibringen, daran zweifle ich. Aber rein zur Freude – ja, warum nicht.
WELTSPRACHE UND KITT DER KULTUREN
WIE UNIVERSELL IST MUSIK?
36
Gibt es eine bestimmte genetische Prägung,
Kollmeier: Es gibt Untersuchungen, die versuchen, die Kehlkopfstruktur mit der
die manche Ethnien dazu prädestiniert,
Gesangsstimme in Verbindung zu bringen. Das ist in gewisser Weise ein ein-
besonders schön zu singen? Gibt es solche
faches physikalisches System: Der Kehldeckel öffnet sich, und die Stimmbänder
)RUVFKXQJHQ]XU6WLPPDXVELOGXQJ"
schwingen mit. Man hat einen Resonanzkörper, der im Rachen- und Mundraum
dazu führt, dass man einen komplexen Klang hört. Aber man konnte bislang nicht
herausfinden, warum zum Beispiel Caruso oder andere berühmte Tenöre diese
besonders angenehme Stimme produziert haben. Es gibt Möglichkeiten, das im
Einzelfall nachzubilden und zu verstehen, aber man kann es nicht generalisieren.
Die Diskutanten lenkten
GHQ%OLFNDXFKDXIIUHPGH
Kulturen und deren Musikverständnis.
Professor Schlaug, Reto Weiler hat von
Schlaug: Wenn man westlicher Musik ausgesetzt ist, kann man davon ausgehen,
diesem afrikanischen Stamm erzählt, der
dass es Universalien gibt, und dass man die überall auf der Welt findet. Ich
noch nie Kontakt mit westlicher Kultur hatte
kenne Forscher, die waren im brasilianischen Urwald und haben versucht,
und mit hoher Genauigkeit traurige von ängst-
eingeborene Stämme zu finden, die noch nie westlicher Musik ausgesetzt waren.
lichen oder glücklichen Melodien unter-
Das war aber gar nicht so einfach, denn diese Eingeborenen betreiben in der
scheiden konnte, ohne jemals europäische
Regel Handel oder Tausch und sind mit anderen Gruppen in Kontakt, besonders
Klangbeispiele gehabt zu haben. Gibt es
mit Forschern, die diese Gruppen seit Jahren untersuchen. Das hat dazu geführt,
Universalien in der Musik?
dass diese Stämme westlicher Kultur ausgesetzt wurden, und manchmal hat
man ihnen auch ein Radio geschenkt. Das heißt, dass es sehr schwierig
ist, eingeborene Stämme im Urwald zu finden, die noch nie westlicher Musik
ausgesetzt waren. Das macht es wirklich schwer zu untersuchen, ob es
Universalien in der Musik gibt, die man auch in Kulturen finden könnte, die noch
nie westlicher Musik ausgesetzt waren.
WELTSPRACHE UND KITT DER KULTUREN
WIE UNIVERSELL IST MUSIK?
37
Karen Kamensek: »Musikmachen mit Kindern in Afrika ist eine geniale Sache, weil sie so offen
und höchst begabt sind. Die sind viel neugieriger als wir, sie wollen etwas Neues lernen.«
Wenn man ein Kind zum Einschlafen bringen
Schlaug: Also ich kann mit Bach nicht einschlafen. Ich kann auch nicht mit Musik
ZLOOZ¾UGHPDQHKHU%DFKDXVVXFKHQDOV
lernen, aber ich kenne Leute, die das können. Wir assoziieren bestimmte Formen
Rachmaninow. Hängt das nur mit der
der Musik mit etwas, das uns beruhigt, das hängt mit unseren Erfahrungen
Intensität und dem Rhythmus zusammen?
zusammen. Um besser einzuschlafen, benutzen manche Leute Musik, die leise
ist und einen reduzierten Beat hat. Das kann durchaus auch eine Moll-Tonart
sein. Während uns in der Regel eine Musik aufregt, die lauter, schneller und in
einer Dur-Tonart geschrieben ist. Solche Generalien gibt es. Es ist letztlich die
Erfahrung, mit der wir aufgewachsen sind, die zu diesen Assoziationen führt.
Damit sind wir noch einmal bei der kulturellen
Unseld: Der Erfolg ist immer auf vielen Ebenen zu Hause. Bei Beethoven kann man
3U¦JXQJ)UDX8QVHOGGDVV%HHWKRYHQXQG
sehr gut sehen, dass er die Menschen schon zu Lebzeiten angeregt hat, über die
Elvis weltweit Erfolge hatten, liegt das am
Neuartigkeit seiner Musik nachzudenken, die um 1800 ja in eine ganz neue
Potenzial der westlichen Musik, oder ist das
Richtung ging. Zeitgleich fand die Französische Revolution statt, das heißt, die
VFKOLFKWHLQH%HJOHLWHUVFKHLQXQJXQVHUHU
Gesellschaft in Europa wurde gründlich durchgerüttelt, so dass kein Stein mehr
Kolonialkriege und des Kulturimperialismus,
auf dem anderen stand. Man suchte nach neuen gesellschaftlichen Regeln, und
den wir betreiben?
da hat Beethoven mit seiner Musik Angebote gemacht, über diese neuen
Regelsysteme nachzudenken, sich über sie zu verständigen. Man verband seine
Musik sehr schnell mit dieser neuen Idee von Demokratie. Ob Musik nun Demokratie auszudrücken vermag, sei dahingestellt, aber die Menschen verbanden
sie damit. Außerdem haben sich wichtige Personen darum gekümmert, dass
Beet hoven in dieser Art und Weise wahrgenommen wurde. Da spielt der Berliner
Musikphilosoph Adolf Bernhard Marx genauso eine Rolle wie Clara Schumann,
die sich für die Verbreitung von Beethovens Musik eingesetzt hat. Und es spielt
natürlich auch eine Rolle, dass sich eine bürgerliche Gesellschaft etabliert hat,
WELTSPRACHE UND KITT DER KULTUREN
WIE UNIVERSELL IST MUSIK?
38
die Musik quasi als Ersatzreligion inszeniert hat. Die Konzertsäle, die Opernhäuser – das waren Schauplätze, die den Prunk der Monarchie zwar noch
mitdachten, aber eben demokratisch funktionieren sollten. Dafür brauchte man
eine passende Musik.
Und Elvis?
Unseld: Elvis passte in eine andere kulturelle Gemengelage, die nach dem Zweiten
Weltkrieg nach neuen Strukturen für die neue Generation suchte, also nach
neuen Identifikationsmöglichkeiten, bei denen das Ablegen alter Konvention und
die Unterstützung von Jugendkulturen eine ganz starke Rolle spielten.
Und wir denken an Arnold Schönberg.
Kollmeier: Ich glaube, da passiert viel mehr im Kopf, man muss viel mehr an
)¦OOWXQVVHLQH0XVLNVRVFKZHUZHLOZLU
Wissen und Hintergrundinformationen haben, um diese Musik zu verstehen,
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DOV}GDVVPDQVLHGXUFKGDVUHLQH+ÓUHQRKQH9RULQIRUPDWLRQHQHUIDKUHQNÓQQWH
ASS. PROF. DR.
M.D. PH.D
GOTTFRIED
SCHLAUG
Gibt es also eine absolute Harmonie und
Kollmeier: In leichten Relationen steht es fest, es gibt ja die pythagoräische
eine absolute Disharmonie? Steht das fest
Harmonie. Bei der Frage jedoch, was in der Folge zueinander passt, gibt es zu
wie eine Säule?
viel schöpferischer Freiheit, als dass man sagen könnte: Das ist jetzt harmonisch,
und das ist disharmonisch. Es gibt gewisse Regeln, man weiß, wie sich Musik
entwickeln muss, damit eine gewisse Spannung aufgebaut wird oder ein
emotionaler Bogen entsteht, aber eine feste Regel gibt es da nicht. Sonst könnte
man das sehr leicht mit dem Computer erzeugen und ohne kreative Leistung
einfach beliebige Harmonien aneinander hängen.
WELTSPRACHE UND KITT DER KULTUREN
WIE UNIVERSELL IST MUSIK?
*LEWHVGDQQVRHWZDVZLH%HZHJXQJXQG
Unseld: Auch dieser Fortschrittsgedanke ist ein Gedanke des 19. Jahrhunderts.
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Ich komme wieder auf das 19. Jahrhundert zurück, weil unsere Musikkultur bis
39
heute und gerade auch der Opernbetrieb noch sehr stark von dieser Zeit geprägt
ist. Ende des 19. Jahrhunderts dachte man: Je weiter wir uns vom Dur-MollSystem weiterentwickeln bis hin zur Atonalität, oder indem die Musik immer lauter
wird, immer größere Orchester verwendet werden (denken Sie zum Beispiel an
Mahlers »Sinfonie der Tausend«), bewegen wir uns im Fortschritt. Als fortschrittlich galt auch, immer komplexer zu komponieren. Mit Schönberg haben Sie
gewissermaßen das Enfant terrible angesprochen, eine Schlüsselfigur in diesem
Zusammenhang. Schönberg machte die Erfahrung, dass er dem Publikum diesen
Fortschrittsgedanken nicht mehr verständlich machen konnte, seine Musik ging
für das bürgerliche Publikum über diese Grenze des noch Erträglichen hinaus.
6R}NDPHVGDQQ]XGHQEHUÙKPWHQ6NDQGDONRQ]HUWHQEHLGHQHQGDV3XEOLNXP
ZUR PERSON
Prof. Dr. Gottfried Schlaug ist Professor für Neurologie am Beth Israel
Neurologe
Deaconess Medical Center und an der Harvard Medical School. Seine
INSTITUTION
Forschungsschwerpunkte sind die Neurobiologie der Musik sowie die
Beth Israel Deaconess
funktionale und strukturelle Anpassung des Gehirns. Er erforscht die
Medical Center
Zusammenhänge zwischen Musikverarbeitung und des Musik-Praktizierens
63(=,$/*(%,(7
sowie die Neuropsychologie der Musik.
Musikverarbeitung im Gehirn
kreischend auf die Stühle sprang, gepfiffen und sich gegenseitig geohrfeigt hat.
Diese Konzerte sind abgebrochen worden, weil sie das Publikum völlig überfordert haben. Schönberg und seine Schüler sind buchstäblich von dieser Bühne
abgegangen, haben sich andere Bühnen gesucht. Der Drang nach Fortschritt war
in diesem Moment überschritten. Und daraus zog Schönberg die Konsequenz,
nur noch in private Zirkel zu gehen. Er wollte, dass seine Musik verstanden wird,
nicht »genossen«.
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
SPITZEN LEISTUNGEN FALLEN NICHT VOM HIMMEL
06
NUR ÜBUNG
MACHT
DEN MEISTER
SPITZENLEISTUNGEN
FALLEN
NICHT VOM
HIMMEL
40
185ž%81*0$&+7'(10(,67(5
SPITZEN LEISTUNGEN FALLEN NICHT VOM HIMMEL
41
185ž%81*0$&+7'(10(,67(5Ŏ63,7=(1/(,6781*(1)$//(11,&+7920+,00(/
Zwischen den Höhen und Tiefen von Musikalität liegen unzählige Zwischenstufen. Was man individuell daraus
macht, ist nicht zuletzt auch eine Frage des Willens und der Disziplin. Sind wir nun alle musikalisch, oder sind
mit dieser Begabung doch nur einige Glückliche gesegnet? Was braucht es, um in der Musik Spitzenleistungen
zu erbringen? Und wie bringt man die vielen Spitzenmusiker eines Orchesters eigentlich dazu, erfolgreich im
Team zu spielen?
)UDX.DPHQVHNKDEHQ6LHGDV*HI¾KOGDVV
Kamensek: In Europa ist man auf jeden Fall weiter als in meinem Heimatland. Die
sich schon viele Menschen in der Musik über
Hauptstädte in Amerika sind auch sehr europäisch, das Grundmaß ist dort höher
ein Grundschulniveau hinaus gearbeitet
als im restlichen Amerika. Ich komme aus einem Ort, in dem ich zum Glück viel
haben? Oder interessiert sich die Mehrzahl
Musik gehört habe. Das war in einem kleinen Ort von 250000 Einwohnern in
doch eher für diesen uniformen Lady
Indiana. Dort hatte ich seit meinem fünften Lebensjahr schon in der Grundschule
Gaga-Stil, der es Menschen wie Ihnen immer
dreimal die Woche Orchester. Das ist aber in Amerika eine Ausnahme, es gibt nur
schwieriger macht, ein Publikum zu finden?
fünf oder sechs Orte, die bereits in der Grundschule eine so intensive Musikausbildung haben. Prinzipiell ist man uns hier in Europa bei der klassischen Musik
sehr weit voraus.
Warum macht Musik uns dann glücklich, weil
Kamensek: Ja, schon. Aber auf der anderen Seite landet man ziemlich schnell
sie gewisse Stereotype bedient und damit
in dem Zwiespalt: Wenn man in die Oper kommt, kann man etwa bei Verdi die
natürlich auch unser Harmonieempfinden
glücklichste Musik hören. Aber wenn man den Text liest, ist es genau das
befriedigt? Macht Musik dadurch glücklich,
Gegenteil: Drama, Blut, Tränen auf einen Dur-Akkord. Es klingt wie ein Cancan,
dass sie Erwartungen erfüllt?
aber sie werden sich gleich umbringen. Wir wollen diese Auseinandersetzungen
auch in der Musik. Man geht ja nicht in eine Tosca zum Lachen. Aber es berührt,
es bringt Leidenschaft, und manche lieben eben auch den Schmerz.
185ž%81*0$&+7'(10(,67(5
SPITZEN LEISTUNGEN FALLEN NICHT VOM HIMMEL
42
KAREN
KAMENSEK
Kann man damit auch erklären, warum Musik
Kamensek: Manchmal brauchen wir auch einfache Sachen. Wenn ich ins Fitness-
aus den 70ern und 80ern so erfolgreich läuft?
studio gehe, höre ich nicht Mozart, ich höre ABBA. Ich muss es nicht immer
kompliziert haben, manchmal will ich auch nur Ablenkung oder Rhythmus haben,
simple Akkorde, einfache Strukturen, einfache Melodien, die ich ohne zu denken
nachsingen kann.
:DVXQWHUVFKHLGHWGHQ}QRUPDOHQm0HQVFKHQ
Kamensek: Wir tragen Instrumente und stehen auf einer Bühne, wir kommunizieren
YRP%HUXIVPXVLNHU"
den ganzen Tag mit einem toten Menschen, unsere Inspiration ist ein toter
Komponist. Das ist eine bestimmte Art von Disziplin. Jeder Beruf hat seine
eigene Disziplin. Ein Musiker arbeitet wie ein Pilot oder ein Chirurg, der auf den
Punkt, auf die Sekunde genau Perfektionismus leisten muss. Das Publikum hält
keinen Kickser eines Tenors wirklich aus, die haben zwar Mitgefühl, aber finden
es nicht gut. Und das ist nicht einfach, denn wir stehen auf einer Bühne, es
begeistert die Leute, aber nicht jeder hat diese Begabung, sich zu präsentieren.
Und das sehen wir dann als Mythos.
Karen Kamensek: »Jeder Beruf hat eine eigene Art von Disziplin. Ein Musiker arbeitet wie ein Pilot
oder ein Chirurg, der auf den Punkt, auf die Sekunde genau Perfektionismus leisten muss.«
43
185ž%81*0$&+7'(10(,67(5
SPITZEN LEISTUNGEN FALLEN NICHT VOM HIMMEL
ZUR PERSON
Karen Kamensek ist US-amerikanische Dirigentin. Von 2000 bis 2002
Stellvertretende
war sie Kapellmeisterin an der Wiener Volksoper, von 2003 bis 2006
Generalmusikdirektorin
Generalmusikdirektorin am Stadttheater Freiburg. Seit 2008 ist sie
INSTITUTION
an der Hamburgischen Staatsoper engagiert, wo sie unter anderem
Hamburgische Staatsoper
die Neuproduktion von »Die lustige Witwe« dirigierte. Ab der Spielzeit
63(=,$/*(%,(7
2011/2012 wird sie als Generalmusikdirektorin an die Staatsoper
Dirigentin
Hannover wechseln.
Wie bringt man Individualisten und Mann-
Kamensek: Man denkt immer, dass Dirigieren nur eine Arbeit der Leidenschaft sei,
schaftsspieler in einem Orchester zusammen?
dass das einfach irgendwie aus uns herauskommt. Das stimmt aber gar nicht.
Dirigieren, und das lernt man nicht an der Universität, ist zu 90 Prozent Psychologie. Es ist Führung und Management – und ein bisschen Hoffnung. Jeder, der
eine Firma leitet, weiß das: Die Tageslaune der Mitarbeiter ist mal so und mal so,
und damit muss man umgehen können. Meine eigene Mutter glaubt, dass ich ins
Theater gehe und dort den ganzen Tag über Spaß habe, weil es ja um Musik
geht. Aber es ist vor allem Stress, man muss eine sehr hohe Leistung bringen.
Jeder hat seine Launen, einige wollen Solisten sein, haben sich aber aus
Sicherheitsgründen für eine feste Stelle entschieden. Vielleicht sind sie auch gar
nicht gut genug für eine solistische Karriere. Und das dreht sich die ganze Zeit,
und ich bin nicht der Engel da vorne, ich bin eher der Teufel. Es ist immer Hass
und Liebe, Hass und Liebe. Und wenn man das Gefühl hat, jetzt kippt die
Gesellschaft, muss ich zurück finden zum Mannschaftsspiel, sonst ist die Probe
futsch.
Wie schafft man es, alle immer auf den Punkt
Kamensek: Ich weiß, was nicht geht: mangelnde Vorbereitung. Die wollen durch-
genau spielen zu lassen?
aus, dass man ein bisschen unmenschlich ist, dass man sie manipuliert, ohne
dass sie es merken. Wenn ich zu nett bin, erreiche ich gar nichts. Die wollen da
vorne eine Mutter- und Vaterfigur haben. Musiker sind schon von klein an mit
jeder Art von Lehrer konfrontiert, der ihnen sagt: Mach es so oder so. Und
manchmal bekommen sie einen Wutanfall und wollen es spielen, wie sie wollen.
Und dann muss eben einer die Verantwortung haben. Aber sie möchten auch
verführt werden. Und sie wollen sich als Solisten beweisen, das geht zum
185ž%81*0$&+7'(10(,67(5
SPITZEN LEISTUNGEN FALLEN NICHT VOM HIMMEL
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Beispiel bei den Bläsern ganz gut. Eine andere Sache ist: Ohne Handwerk geht
gar nichts, besonders in meiner Generation. Früher war es in Ordnung, wenn
man mal ein bisschen ins Schwimmen geriet. Heute ist eine Generation von
Dirigenten dran, da gibt es keine Gnade mehr für technische Fehler.
Es gibt Orchester, die spielen eine Art
Kamensek: Es gibt Fälle, zum Glück habe ich das noch nicht erlebt, dass man
Abstiegskampf, andere eher um die Meister-
irgendwo zu früh auftaucht. Es kann passieren, dass man hochbegabt ist, aber
schaft. Muss man als Dirigentin das richtige
das Orchester deutlich besser ist als der Dirigent. Das muss sehr unangenehm
Team zum richtigen Zeitpunkt erwischen?
sein. Und letztlich hängt es auch von der Chemie ab, wenn die stimmt, wird man
Karen Kamensek: »Dirigieren, und das lernt man nicht an der Universität, ist zu 90 Prozent
Psychologie. Es ist Führung und Management – und ein bisschen Hoffnung. Und der Beruf ist
gnadenlos für eine Familie. Die Männer können das eher vertragen als die Frauen.«
immer wieder eingeladen, wenn nicht, dann wird man nicht mehr eingeladen.
Manche Dirigenten sind sehr hart, werden aber immer wieder eingeladen, weil
das Orchester genau das haben möchte, denn es bringt sie weiter.
Gibt es eigentlich auch so richtige Van-Gaal-
Kamensek: Karajan oder auch Toscanini zum Beispiel waren schon Tyrannen. Aber
Typen unter den Dirigenten?
die Musiker haben sie geliebt. Sie hatten Angst, in die Arbeit zu kommen, aber
das treibt Musiker auch an. Ich hatte eine Klavierlehrerin, die mich durchs Zimmer
jagte. Ich bin unter das Klavier gekrabbelt, weil ich dachte, sie würde mich
schlagen. Viele Therapiestunden später kann man das verarbeiten. Aber für ein
zehnjähriges Kind ist es ein bisschen wild. Als Musiker bringt es uns aber weiter,
Perfektionismus ist schon erlaubt.
185ž%81*0$&+7'(10(,67(5
SPITZEN LEISTUNGEN FALLEN NICHT VOM HIMMEL
Warum sind die Asiaten so gut in der Musik.
Kamensek: Weil die solche Lehrer haben. Nein, ohne Scherz, die haben ein
+DWGDVQXUPLWJU¸¡HUHU'LV]LSOLQEHLPžEHQ
System, das viel härter ist. Die sind hochbegabt und trainiert mit Unterstützung
zu tun?
von Familie und Regierung. Der Lehrer sitzt da und übt mit dem Studenten.
45
'DV}EHJHLVWHUWXQVDXIGHUHLQHQ6HLWH]ZDUDQGHUHUVHLWVEUDXFKHQVLHDEHUYLHO
mehr Lebenserfahrung. Im Opern-Bereich etwa brauchen Asiaten viel mehr Zeit,
um eine Inszenierung zu lernen und auch um sich zu öffnen. Aber sie sind
Perfektionismus pur.
Warum stehen so viele Dirigenten auf der
Kamensek: Ich bin keine Feministin. Es ist letztlich nicht anders als in vielen
%¾KQHXQGVRZHQLJH'LULJHQWLQQHQ"
anderen Berufen etwa bei Chirurgen oder Piloten. Das sind einfach in unserer
Gesellschaft männliche Berufe. Aber ein bisschen liegt es auch an den Frauen
selbst, denn man muss viel opfern im Leben, um solche Berufe ausüben zu
können. Und das wollen Viele nicht. Führen ist eine schwierige Sache, und als
'LULJHQWLVWPDQYLHOXQWHUZHJV,FKKDEH-DKUHGDELQLFK7DJHLP-DKU}QLFKW
zu Hause. Und manche Frauen wollen sich das nicht antun, wenn sie Familie
haben wollen oder sich ein ruhiges Leben wünschen. Mein Beruf ist gnadenlos
für eine Familie, die Männer können das eher vertragen als Frauen. Ich möchte
keine Familie haben, weil ich nie zu Hause wäre. Das habe ich für mich gezielt
entschieden und hatte nie Schwierigkeiten durchzukommen. Oft sind die jungen
Frauen, die heute Dirigieren studieren, aber unsicher, ob sie sich diesem Stress
aussetzen wollen. Und wenn jemand so Bernstein-Träume hat, dann gibt
HV}N HLQHQ.RPSURPLVV,FKKDEHYLHOH$VVLVWHQWLQQHQHLQLJHNÓQQHQGHQ-RE
machen und bei einigen kann ich sagen: Die werden es nicht durchhalten.
:LHLQDQGHUHQ%UDQFKHQ
gilt auch in der Musik:
)UDXHQGLHHVVFKDIIHQ
wollen, können sehr
erfolgreich sein.
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
086,.$/6635$&+('(5}*()¹+/(
07
SPRECHEN SIE
MUSIK?
MUSIK ALS
SPRACHE
'(5}*()8+/(
46
SPRECHEN SIE MUSIK?
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47
635(&+(16,(086,."086,.$/6635$&+('(5*()ž+/(
Unsere Ohren nehmen Sprache ebenso wie Musik in der Umgebung wahr. Anschließend wird beides im Gehirn
mit den unterschiedlichsten Bedeutungen verknüpft. Das stellte die Oldenburger Runde zu vorgerückter Stunde
vor die schwierige Frage, wie weit eigentlich die Parallelen zwischen Musik und Sprache gehen – und wo dann
doch eine klare Grenze zwischen beiden Phänomenen zu ziehen ist.
Herr Schlaug, was Musik von Sprache vor
Schlaug: Um Musik zu fühlen, müssen wir sie nicht unbedingt verstehen. Wir
DOOHPXQWHUVFKHLGHWLVWLKUH)¦KLJNHLW
machen bestimmte Erfahrungen mit Musik, wir wachsen mit bestimmten
unmittelbar und unbewusst Gefühle zu
Musikrichtungen auf, und diese Erfahrungen erlauben es uns, Musik auf einer
erzeugen. Wie kann die Musik eine Sprache
emotionalen Ebene zu verstehen. Ich glaube, es ist dieses implizite Wissen,
der Gefühle sein, wie können wir Musik
das es uns ermöglicht, bestimmte Gefühle in der Musik zu erkennen, die der
fühlen, auch wenn wir sie nicht immer
Komponist vielleicht vermitteln wollte. Aber im Prinzip hat jeder sehr subjektive
verstehen?
Empfindungen, auch wenn wir die gleichen Musikstücke hören. Wir haben
etliche Untersuchungen darüber gemacht, und man findet in der Regel nicht mehr
als eine 20- bis 40-prozentige Übereinstimmung darüber, ob ein Musikstück
als freudig oder traurig empfunden wird. Es ist wirklich eine sehr subjektive
Erfahrung.
Dennoch haben Wissenschaftler aus Hannover
Schlaug: Der Gänsehauteffekt ist ein ganz typisches Beispiel für eine stark
versucht herauszufinden, wann es einen
emotionale Empfindung. Es gibt Musikstücke, die bei 20 bis 30 Prozent der
}*¦QVHKDXWHIIHNWmJLEW'HQNHQQWMHGHUDXV
Bevölkerung einen Gänsehauteffekt auslösen. Aber der wird nicht immer genau
dem Kino. Wie entsteht er?
an der gleichen Stelle ausgelöst. Es hängt damit zusammen, welche Erfahrungen
wir mit Musikstücken gemacht haben, und ob wir das Stück kennen, denn
Forschungen haben gezeigt, dass nur solche Musikstücke einen Gänsehauteffekt
erzeugen, mit denen der Zuhörer sehr vertraut ist. Außerdem müssen wir
SPRECHEN SIE MUSIK?
086,.$/6635$&+('(5}*()¹+/(
48
Ob Musik einen Gänsehauteffekt erzielt oder nicht,
hängt auch von den
Erfahrungen der Zuhörer ab.
bestimmte emotionale Erfahrungen und Erlebnisse mit diesem Stück verbinden.
Wenn alle diese Faktoren zusammenkommen, wird es wahrscheinlicher, dass wir
einen sogenannten Chill oder Gänsehauteffekt haben.
Unseld: Das macht sich auch die Musiktherapie zunutze. Es gibt Untersuchungen
mit Demenzkranken, die sich an Musik aus ihrer Jugend erinnern können, also
aus einer Zeit, in der Musik am prägendsten mit Emotionen verbunden wird.
Dieser »Draht« zur Musik ist selbst noch bei Demenzkranken, deren Sprachzentrum nicht mehr funktioniert, ein ganz besonderer. Musik ist offenbar in
anderen Regionen des Gehirns verankert als Sprache und offenbar auch tiefer.
Wir alle kennen Hans Zimmer, der tolle
Unseld: Das weiß die Filmmusik schon seit der Stummfilmzeit. Wenn der Pianist
)LOPPXVLNHQVFKUHLEW6SLHOWPDQDOVRPLW
zu einem Stummfilm spielen sollte, hatte er ein Buch, in dem Emotionen,
Tönen auf unserer Gefühlsklaviatur wie auf
Situationen, Orte und vieles andere alphabetisch sortiert waren. Er konnte dort
einer Orgel? Sind wir so leicht bespielbar?
nachschlagen, zum Beispiel »Liebe bei Mondschein«, und fand dort die
» passende« Musik, die natürlich aus dem großen Repertoire westlicher Kunstmusik der vergangenen 200 Jahre stammte. Es hat mit Vorcodierungen zu tun,
dass wir mit bestimmten Stücken bestimmte Dinge assoziieren und bestimmte
musikalische Figuren mit Trauer, Schmerz, Freude oder Angst verbinden.
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6FKPHU]'DV}LVWLQXQVHUHPNXOWXUHOOHQ*HGÁFKWQLVVRWLHIYHUDQNHUWGDVVZLU
es immer abrufen können. Und viele Effekte der Musik von Hans Zimmer basieren
genau auf diesen Effekten.
Gottfried Schlaug: »Wir machen bestimmte Erfahrungen, werden erwachsen mit bestimmter Musik,
und diese Erfahrungen erlauben es uns, die Musik auf einer emotionalen Ebene zu verstehen.«
SPRECHEN SIE MUSIK?
086,.$/6635$&+('(5}*()¹+/(
49
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
:,(9,(/086,.),1'(70$1,0}*(+,51"
08
GENE,
NEURONEN,
SYNAPSEN
WIE VIEL
MUSIK FINDET
0$1,0}
GEHIRN?
50
GENE, NEURONEN, SYNAPSEN
:,(9,(/086,.),1'(70$1,0}*(+,51"
51
0RGHUDWRULQ0D\EULWb,OOQHU
führte die inhaltlichen
Stränge souverän zusammen.
*(1(1(8521(16<1$36(1:,(9,(/086,.),1'(70$1,0*(+,51"
Ohne Neuronen keine Musik. Was banal klingt, hat unglaublich komplexe Hintergründe. Denn wie eine
Symphonie in unseren grauen Zellen entsteht, was sie dort beim Zuhören auslöst, und wie genau sich die
Hirnzellen beim aktiven Spielen eines Instruments umorganisieren, ist in weiten Teilen noch unbekannt. Auf jeden
Fall, und darin sind sich Experten einig, ist es nie zu spät, sich mit Musik zu beschäftigen – der faszinierenden
Plastizität unseres Denkorgans sei Dank.
(LQH)UDJHDQGHQ1HXURORJHQ6FKRQI¾QI
Schlaug: Ja, man muss allerdings zwischen einem funktionellen und einem
Wochen Übung sollen reichen, um das Gehirn
strukturellen Umbau im Gehirn unterscheiden. Eine durch das Üben bedingte
mithilfe von Musik sichtbar umzubauen. Ist
Veränderung des Gehirns hängt natürlich auch von der Intensität des Übens ab,
das so?
also ob man fünf Wochen lang nur eine Stunde oder zehn Stunden am Tag übt.
Man weiß, dass die Musiker, die die Aufnahmeprüfung an einer Musikhochschule
bestehen, in der Regel 10000 Stunden geübt haben. Aber bereits bei kurzem
Üben von etwa fünf Wochen kann man funktionelle Dinge im Gehirn verändern,
zum Beispiel die Fähigkeit, Töne oder Klänge voneinander zu diskriminieren.
Solche kurzdauernden Lernvorgänge führen meistens zu Veränderungen in der
Verschaltung und der Interaktion von Neuronen, aber nicht zu einer strukturellen
Veränderung etwa in der Anzahl der Synapsen oder in der Anzahl der Neurone.
+HL¡WGDVGDQQDXFKGDVVHVLVWQLH]XVS¦W
Schlaug: Das ist im Prinzip richtig, denn das Hirn bleibt plastisch bis ins hohe
ist, ein Instrument zu lernen?
Alter. Man muss allerdings sagen, dass das sich entwickelnde Gehirn wesentlich
plastischer ist und eine wesentlich bessere Anpassung zeigt als ein erwachsenes
Gehirn. Wenn man also eine bestimmte Fähigkeit erlernen will, ist es immer am
besten, so früh wie möglich anzufangen.
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
:,(9,(/086,.),1'(70$1,0}*(+,51"
52
Gottfried Schlaug: »Man weiß, dass Profimusiker, die die Aufnahme an einer Musikhochschule schaffen, bis dahin etwa 10000 Stunden geübt haben. Aber bereits bei
kurzem Üben von etwa fünf Wochen kann sich das Gehirn funktionell verändern.«
Offensichtlich ist die Musik da gnädig mit
Schlaug: Wir haben Profimusiker untersucht, die bestimmte Instrumente spielen,
uns. Wodurch unterscheidet sich das
die sehr früh damit angefangen und dann über Jahrzehnte gespielt haben. Das
Hirn eines Profimusikers von dem eines
ist also eine Gruppe von Leuten, die eine Fähigkeit sehr früh erlernen und über
0XVLN%DQDXVHQ"
Jahre hinweg üben. Wenn sich das Gehirn dadurch verändert, dann sollten wir
das bei dieser Gruppe sehen. Als wir solche Veränderungen zum ersten Mal
beobachtet haben, war das eine außergewöhnliche Entdeckung, denn man ging
davon aus, dass das Hirn im Alter von fünf Jahren seine Erwachsenengröße
erreicht hat und sich nicht mehr verändert. Die Musiker zeigen eine Vergrößerung
des auditorischen und des motorischen Systems und in Hirnregionen, die
verschiedene Informationen zusammenführen und integrieren. Und man findet
manchmal sogar Anpassungen an das Instrument. Zum Beispiel hat ein Geigenspieler eine größere sensomotorische Handregion auf der rechten Seite, die die
motorischen Aktivitäten der linken Hand kontrolliert, während Tastenspieler eine
größere sensomotorische Hirnregion auf der rechten und linken Hirnseite zeigen.
Diese unterschiedlichen Anpassungen an das Instrument zeigen, dass das Hirn
wirklich plastisch reagiert, und dass wir also nicht mit einem Gen aufwachsen,
dass uns dazu prädestiniert, ein bestimmtes Instrument zu spielen.
Werden wir also alle mit einer musikalischen
Schlaug: Das ist die Natur-versus-Erziehung-Debatte. Die Frage ist, ob jemand mit
Grundausstattung geboren, oder müssen wir
einem bestimmten Gen oder einer bestimmten anatomischen Veranlagung
das alles erst lernen?
geboren wird, die es ihm erleichtert, ein bestimmtes Instrument zu lernen. Auch
wenn ich an die Plastizität des Gehirns glaube, habe ich die Erfahrung gemacht,
dass es bestimmte Musiker gibt, die ihr Instrument wesentlich besser beherrschen als andere, die diesen Grad der Beherrschung niemals erlangen werden.
GENE, NEURONEN, SYNAPSEN
:,(9,(/086,.),1'(70$1,0}*(+,51"
53
Gottfried Schlaug: »Man weiß, dass Profimusiker, die die Aufnahme an einer Musikhochschule schaffen, bis dahin etwa 10000 Stunden geübt haben. Aber bereits bei
kurzem Üben von etwa fünf Wochen kann sich das Gehirn funktionell verändern.«
Und wenn man sich das im Detail ansieht, kommt man zu dem Schluss, dass
es einige anatomische Besonderheiten gibt, die zu dieser Fähigkeit veranlagen.
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innerhalb der Streicher gibt. Die haben ein besser entwickeltes rechtes
motorisches System, das die linke Hand kontrolliert. Wenn also jemand zufällig
mit einem deutlich entwickelten rechten motorischen System geboren wird, und
wenn er dann ein Instrument erlernt, das besonders auf diese motorische
Variabilität reagiert, dann ist das die perfekte Hochzeit. Die Anatomie passt sich
dann besonders gut den funktionellen Bedingungen an.
Der Neurologe Oliver Sacks hat eines seiner
Schlaug: Das kommt darauf an, ob diese Geschichte zu dem passt, was wir über
%¾FKHUGHP7KHPD0XVLNJHZLGPHW(U
die Hirnfunktionen wissen. Im Prinzip ist es immer schwierig, von einzelnen Fällen
berichtet dort von einem Patienten, der durch
auf die Allgemeinheit zu generalisieren. Gerade dieser Fall ist schwierig zu
HLQHQ%OLW]VFKODJSO¸W]OLFKYHUOLHEWZDULQ
interpretieren. Hier ist eine mögliche Erklärung: Beide Seiten des Gehirns stehen
klassische Musik. Helfen uns solche
in einem kompetitiven Verhältnis, das heißt, die linke Seite des Hirns versucht,
Krankengeschichten, die Musikalität gesunder
bestimmte Teile der rechten Seite zu kontrollieren und umgekehrt. Unser
Menschen besser zu verstehen und das, was
ästhetisches Empfinden ist wahrscheinlich mehr eine rechtshemisphärische
sie in unserem Hirn veranstaltet?
Funktion. Wir benutzen die rechte Seite des Hirns mehr, um Dinge global zu
interpretieren oder um eine melodische Abfolge zu analysieren. Es kann also sein,
dass wenn ein struktureller Schaden auf der linken Seite des Hirns existiert,
dass dann die Inhibition der anderen Seite des Gehirns wegfällt, und sich damit
diese Seite des Hirns nun voll entfalten kann, ohne von der anderen Seite des
Hirns gebremst zu werden.
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
MUSIK ALS HEILMITTEL
09
TONE AUF
REZEPT?
MUSIK ALS
HEILMITTEL
54
7˜1($8)5(=(37"
MUSIK ALS HEILMITTEL
55
7˜1($8)5(=(37"086,.$/6+(,/0,77(/
Da also Musik nun einmal in der Lage ist, dem Menschen so überaus wohl zu tun, liegt der Gedanke nahe, sie
auch gezielt zur Linderung körperlicher und seelischer Leiden einzusetzen. Wissenschaftliche Experimente
haben heilende Effekte bei bestimmten Beschwerden durchaus bestätigt und stellen der Musiktherapie immer
wieder gute Noten aus. Vom Musikgenuss auf Rezept indes sind wir noch weit entfernt. Sehr weit. Leider.
Interessanterweise verlieren wir unsere
Schlaug: Meiner Meinung nach ist es nicht wirklich so, dass die Musik als letztes
Erinnerung an Musik als allerletzte. In der
verschwindet. Es ist mehr so, dass wir starke emotionale Bindungen zu bestimm-
Arbeit mit Demenzkranken oder Schlaganfall-
ten musikalischen Stücken haben. Und der Vergleich zwischen Sprache und
Patienten erleben Sie, dass selbst Menschen,
Musik müsste dann eigentlich auf dem gleichen emotionalen Niveau stattfinden.
die scheinbar jede Erinnerung und jedes
Das heißt, um einen exakten Vergleich zu haben, müsste man auf der Sprach-
Sprachvermögen verloren haben, altvertraute
Seite eigentlich Gebete nehmen oder etwas ähnliches, zum Beispiel den Psalm
Lieder singen können und dabei sogar auf
23, zu dem wir eine starke emotionale Verbindung haben. Würde man das
Mitsingende reagieren. Wir verlieren die
machen, bin ich ziemlich sicher, dass Demenzkranke ohne jede Schwierigkeit ein
Lieder also erst nach der Sprache. Könnten
Vaterunser beten können. Wir benutzen Musik in der neurologischen Forschung
wir damit Demenz auch heilen?
als Mittel, um neurologische Erkrankungen oder Dysfunktionen zu kompensieren.
Ein Beispiel: Patienten, die einen Schlaganfall erlitten haben, der das Sprachzentrum beeinträchtigt hat, sind zum großen Teil in der Lage zu singen. Auch
wenn sie nicht mehr in der Lage sind, die Wörter des Gesangs zu sprechen,
können sie sie singen. Und das kann letztendlich als eine Form von Therapie
benutzt werden, um wieder Sprachfunktionen zu erlangen. Ein anderes Beispiel
ist das Phänomen der rhythmisch-auditorischen Stimulation, das wird benutzt,
um motorische Schwierigkeiten von Parkinson-Patienten zu kompensieren. Wenn
man ihnen einen bestimmten rhythmischen Stimulus gibt, kann die Motorik in
Gang kommen, die auf andere Anreize vielleicht nicht mehr reagiert.
7˜1($8)5(=(37"
MUSIK ALS HEILMITTEL
In Lüdenscheid zeigte ein Experiment, dass
Schlaug: Soweit ich weiß, gibt es dazu noch keine guten Untersuchungen. Es ist
wenn Menschen während einer Operation ihre
möglich, dass das mit der Ausschüttung von Endorphinen und Enkephalinen zu
Lieblingsmusik hören, sie bis zu 50 Prozent
tun hat. Aber das kann man nur mutmaßen.
56
weniger Narkotika brauchen. Was passiert da
im Gehirn?
Warum lernen eigentlich Opernsänger ihre
Schlaug: Im Prinzip könnte man das so erklären: Wenn der Text zusammen mit
Texte leichter als Schauspieler? Hilft dieses
einer Melodie oder Musik gelernt wird, dann führt das zu einer Form des Lernens,
Wechselspiel von Musik und Sprache?
die wir assoziatives Lernen nennen, und das scheint es einfacher zu machen,
sich bestimmte Dinge zu merken.
Gottfried Schlaug: »Wir benutzen Musik in der neurologischen Forschung als Mittel, um neurologische
Erkrankungen oder Dysfunktionen zu kompensieren. Patienten zum Beispiel, die einen Schlaganfall
erlitten haben, der das Sprachzentrum beeinträchtigt, sind zum großen Teil in der Lage zu singen, und
das kann man benutzen, um diesen Patienten das Sprechen wieder zu ermöglichen.«
1XQJLEWHVWDWV¦FKOLFKGHQ)DOOGDVVVLFK
Schlaug: Das ist die Kehrseite der Plastizität, die sich auch ins Negative verkehren
GXUFKIDQDWLVFKHVžEHQHLQ]HOQH%HUHLFKHLQ
kann. Hier überlappen sich eventuell sensorische und motorische Areale im Hirn
Musiker-Hirnen so weit ausdehnen, dass sie
so, dass man einzelne Finger nicht mehr voneinander unterscheiden kann. Diese
einander in die Quere kommen, mit dem
Beobachtung hat man hauptsächlich bei Pianisten gemacht, aber auch bei
(UJHEQLVGDVV3LDQLVWHQ]XP%HLVSLHO]ZHL
Streichern. Sie entwickeln eine sogenannte fokale Dystonie. Man findet das nur
)LQJHUQLFKWPHKUJHWUHQQWYRQHLQDQGHU
bei sehr wenigen Musikern. Und wir sind immer noch dabei herauszufinden,
bewegen können. Ist das eine Art Überperfek-
warum einige Musiker davon betroffen sind und andere nicht. Man hat ein paar
tion des Gehirns? Setzt also das Hirn unserer
Charakteristika gefunden: In der Regel sind es Musiker, die ein zwanghaftes
Musikalität letztlich auch Grenzen?
Verhalten zeigen und solche, die eine deutliche Veränderung ihrer Übungspraxis
aufweisen, zum Beispiel, wenn jemand zwei Stunden am Tag geübt hat und dann
plötzlich das Pensum auf sechs Stunden am Tag steigert. Ein solcher schneller
Wechsel von relativ wenig zu vielem Üben begünstigt die Entwicklung der fokalen
Dystonie.
7˜1($8)5(=(37"
MUSIK ALS HEILMITTEL
57
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
ABSCHLUSS-STATEMENTS
10
ABSCHLUSSSTATEMENTS
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MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
ABSCHLUSS-STATEMENTS
59
Melanie Unseld: »Ich glaube, dass wir mit dieser Freiheit, jede Musik hören zu können, eine ganz neue
Wahrnehmung von Musik erreichen. Zu keinem Zeitpunkt ist die Vielfalt der Musik so wahrnehmbar
gewesen wie heute.«
Herr Kollmeier, wann werden alle physikali-
Kollmeier: Wahrscheinlich nie, weil wir in der Physik immer nur den Stimulus
VFKHQ)UDJHQUXQGXPGLH0XVLNJHNO¦UW
erfassen können, also die physikalisch-akustische Seite der Musik. Aber wir
sein? Wird es gelingen, die Musik und ihre
werden nie die Wirkung der Musik auf den Menschen in allen Einzelheiten
Wirkung vollständig zu erfassen?
physikalisch erfassen können. Wir können sie im Computer generieren und auch
durch eine objektive Analyse immer besser vorhersagen, wann ein Stück welche
Gefühlsregungen ausdrücken wird. Aber wir werden immer den kreativen
menschlichen Geist brauchen, um die Musik in ihrer Gänze erfassen und erklären
zu können.
)UDX8QVHOGZHQQZLUXQVXPJXFNHQLQGHU
Unseld: Ja, auf jeden Fall. Diese Verstöpselung ist ein Rückzug in einen Raum, in
%DKQLP)OLHJHURGHULP&DI«VHKHQZLU
den ich erst einmal niemand anderen hineinlasse. Aber was erklingt da? Die
immer mehr mit Kopfhörern verstöpselte
Vielfalt, die wir dort zum Erklingen bringen, ist doch sehr erstaunlich. Man könnte
0HQVFKHQ.DQQ0XVLNLKUHVR]LDOH)XQNWLRQ
angesichts dieser Verstöpselung in Kulturpessimismus verfallen, aber das tue ich
noch erfüllen, wenn sich alle Menschen
aus Überzeugung nicht. Ich glaube, dass wir mit dieser Freiheit, jede Musik hören
abkapseln?
zu können, eine ganz neue Wahrnehmung von Musik erreichen. Zu keinem
Zeitpunkt ist die Vielfalt der Musik so wahrnehmbar geworden wie heute. Ob ich
nun Lili Boulanger oder Mozart, Jazz oder Lady Gaga höre, ganz egal, ich kann
wählen, mir sagt niemand, was ich zu hören oder womit ich mich zu identifizieren
habe. Allein die Tatsache ist doch wunderbar, dass wir heute ganz viel Musik
hören, die bislang nicht kanonisiert und deshalb auch nicht auf dem Tonträger-
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
ABSCHLUSS-STATEMENTS
60
markt erreichbar war, zum Beispiel außereuropäische Musik oder Musik von
Komponistinnen. Diese Vielfalt ist ein ganz großer Gewinn. Und da ist es
durchaus in Ordnung, wenn man sich für eine Weile verstöpselt. Denn irgendwann werden diese Stöpsel herausgenommen, und man fängt an, mit anderen
Menschen über diese Musik zu reden. Und dann ist Musik wieder dieser
faszinierende soziale Kitt.
)UDX.DPHQVHNZLUGGDV-DKUKXQGHUW
Kamensek: Die Frauen, die das haben wollen, werden sich schon durchsetzen.
YLHOOHLFKWGRFKHLQ'LULJHQWLQQHQ-DKUKXQGHUW
Das ist in meiner Branche genauso wie in anderen auch. Wenn Frauen das
ZHUGHQGLH)UDXHQDXVGHQ2UFKHVWHUJU¦EHQ
erreichen wollen, müssen sie allerdings zweimal so gut sein wie die Männer.
heraussteigen und die Pulte erklimmen?
So ist es in der Branche immer noch. Man steht vor einem Orchester, das zu
}3 UR]HQWDXV0ÁQQHUQEHVWHKW'DVLVWQLFKWHLQIDFKDEHUGLHHVVFKDIIHQ
wollen, werden es schaffen. Die Gesellschaft ist jetzt offen dafür.
+HUU6FKODXJVFKRQLQGHU%LEHOVROO'DYLGPLW
Schlaug: Musik ist letztlich ein sehr interessanter Stimulus, der nicht nur auditori-
seiner Harfe die Depression des Königs Saul
sche Informationen hat, sondern auch andere sensorische Informationen. Musik
JHOLQGHUWKDEHQ:LHJUR¡LVWGLH%HGHXWXQJ
erzeugt visuelle Eindrücke, wir haben ein somato-sensorisches Erlebnis. Und
der Musik als Heilmittel, angesichts der
wir verbinden natürlich auch bestimmte motorische Akte, wenn wir Musik hören.
Tatsache, dass Depressionen immer mehr
Musik erzeugt Emotionen, bestimmte Erinnerungen, sie bewegt uns. Und insofern
zunehmen?
ist das Musikmachen ein sehr reicher Stimulus. Und hinsichtlich neurologischer
und psychiatrischer Erkrankungen hat sie eventuell auch die Möglichkeit, durch
Zugänge zum Gehirn zu gelangen, die andere Mittel bisher nicht haben. Sie
aktiviert viele Areale auf beiden Seiten des Gehirns und verknüpft dadurch
auditorische, visuelle und motorische Regionen. Das bietet durchaus Möglichkeiten, um als Therapeutikum eingesetzt zu werden.
Illner: Ich schließe jetzt mit einem Zitat von Ernst Bloch, der meinte nämlich:
»Die Musik ist eine Hure, sie geht mit jedem Text«. Haben Sie ganz herzlichen
Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Und viel Spaß mit ihrem nächsten Musikerlebnis!
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
ABSCHLUSS-STATEMENTS
61
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
SCHLUSSWORT VON DR. WERNER BRINKER
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'U:HUQHU%ULQNHUIUHXWHVLFK
über die anregende Debatte
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den Schlossgesprächen.
62
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
SCHLUSSWORT VON DR. WERNER BRINKER
63
Sehr geehrte Frau Illner, sehr geehrte Diskutanten, liebe Gäste,
»Macht Musik den Menschen?« – die Diskussion über die vielfältigen Aspekte
zum Thema »Musik und Menschsein« wurde von unseren Experten kompetent
und unterhaltsam geführt. Sie hat viele Fragen beantwortet, aber sie hat auch
neugierig gemacht auf noch mehr Informationen und Zusammenhänge. Genauso
hatten Reto Weiler und ich es uns erhofft, als wir Anfang des Jahres zusammen
saßen und uns Gedanken zum Thema der diesjährigen Veranstaltung machten.
Ich möchte mich an dieser Stelle sehr herzlich bei allen Teilnehmern für diesen
äußerst anregenden Austausch bedanken. Und für alle, die diesen Abend als
Auftakt nutzen möchten, sich noch intensiver mit diesem Thema zu beschäftigen,
haben die Diskutanten des Podiums weiterführende Literaturempfehlungen
zusammengestellt.
Das große Interesse, das Sie, meine Damen und Herren, dieser Veranstaltung
entgegen bringen, zeigt mir, dass es offenbar ein großes Bedürfnis gibt, wissenschaftliche Erkenntnisse auf verständliche, unterhaltsame und trotzdem niveauvolle Weise vermittelt zu bekommen – Erkenntnisse zu Themen, die für unser
Leben und die Fortentwicklung unserer Gesellschaft relevant sind. In diesem
Sinne hoffe ich, dass Sie die heutige Veranstaltung nicht nur in guter Erinnerung
behalten, sondern auch einen Mehrwert an Erkenntnis und Erfahrung mit nach
Hause nehmen. Denn das ist das Ziel der Oldenburger Schlossgespräche:
das Gemeinwesen in Oldenburg und weit über Oldenburgs Grenzen hinaus zu
bereichern und diesen Gewinn einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Die Schlossgespräche sind ein gutes Beispiel dafür, dass Stiftungen nicht
ausschließlich Geldgeber, sondern auch zunehmend Initiator guter Konzepte und
kluger Kooperationen sein können.
Wir freuen uns sehr, dass die Teilnehmer der heutigen Expertenrunde heute
Abend bei uns sein konnten. Sie sind das Herzstück unserer Veranstaltung. Das
gilt in ganz besonderer Weise auch für Frau Illner. Sie hat uns charmant und
überaus professionell zum zweiten Mal durch die Oldenburger Schlossgespräche
geführt. Ich hoffe, Sie bleiben uns noch viele weitere Jahre als Diskussionsleiterin
erhalten, denn Sie sind von den Schlossgesprächen nicht mehr wegzudenken!
Bedanken möchte ich mich weiter bei unseren Kooperationspartnern, der
Universität Oldenburg, die heute hier durch ihre Präsidentin, Frau Professor
Babette Simon repräsentiert ist, sowie dem Hanse-Wissenschaftskolleg und
Herrn Professor Reto Weiler. Danke auch an alle, die wieder zu einer gelungenen
Veranstaltung beigetragen haben. Auch Ihnen, liebe Gäste, vielen Dank für Ihr
Interesse und für Ihre Wertschätzung.
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
DIE GÄSTE IN DER ÜBERSICHT
64
Die Gäste in alphabetischer Reihenfolge:
Karen Kamensek ist stellvertretende Generalmusikdirektorin der Hamburgischen
Staatsoper. Die US-amerikanische Dirigentin slowenischer Herkunft studierte an
der Indiana University und dirigierte in dieser Zeit bereits das Brooklyn
Philarmonic Orchestra. Von 2000 bis 2002 war sie Kapellmeisterin an der Wiener
Volksoper, von 2003 bis 2006 Generalmusikdirektorin am Stadttheater Freiburg.
Daneben nahm sie Gasteinladungen der Deutschen Oper Berlin, der Komischen
Oper Berlin, der Oper Frankfurt, des Staatstheaters Stuttgart sowie der Volksoper
Wien wahr. Für die Saison 2007/2008 war Kamensek Chefdirigentin am
Slowenischen Nationaltheater. Seit 2008/09 ist sie an der Hamburgischen
Staatsoper engagiert, wo sie unter anderem die Neuproduktion von »Die lustige
Witwe« dirigierte sowie »Otello«, »Falstaff«, »Rigoletto«, »Lohengrin« und »Tosca«.
Ab der Spielzeit 2011/2012 wird sie als Generalmusikdirektorin an die Staatsoper
Hannover wechseln.
3URI'UUHUQDW'UPHG%LUJHU.ROOPHLHr ist Hörforscher und arbeitet am Zentrum
IÙU}+ÓUIRUVFKXQJ$EWHLOXQJ0HGL]LQLVFKH3K\VLNVRZLHDP)RUVFKXQJV]HQWUXP
Neurosensorik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Seit 1993 ist er
Professor für Angewandte Physik/Experimentalphysik im Fachbereich Physik der
Universität Oldenburg und Leiter der Abteilung »Medizinische Physik«. Birger
Kollmeier ist Past-Präsident und Vorstandsmitglied der deutschen Gesellschaft
für Audiologie (DGA) sowie Vorstandsmitglied der deutschen Gesellschaft für
medizinische Physik (DGMP) und wissenschaftlicher Leiter des
Kompetenzzentrums HörTech und der Fraunhofer Projektgruppe für Hör-,
6 SUDFK}XQG$XGLRtechnologie. Seine Forschungsschwerpunkte sind Sprachperzeption, Psychoakustik, digitale Signalverarbeitung, Hörgeräte und
medizinisch- physikalische Diagnostik.
MACHT MUSIK DEN MENSCHEN?
DIE GÄSTE IN DER ÜBERSICHT
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Ass. Prof. Dr. M.D. Ph.D. Gottfried Schlaug ist Professor für Neurologie am Beth Israel
Deaconess Medical Center und an der Harvard Medical School sowie Leiter des
Music and Neuroimaging Laboratory am Beth Israel Medical Center. Schlaug,
promovierte 1993 an der Universität in Köln, begann seine neurowissenschaftliche Forschungstätigkeit in Deutschland und setzte sie in Israel und den
USA fort. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Neurobiologie der Musik
sowie die funktionale und strukturelle Anpassung des Gehirns. Er arbeitet vor
allem auf dem Gebiet der kognitiven Neurowissenschaft, unter anderem über die
Zusammenhänge zwischen Musikverarbeitung und des Musik-Praktizierens im
Gehirn sowie der Neuropsychologie von Musik. Bevor er sich der Medizin
verschrieb, erwog er eine Musiker-Karriere als Organist und Chordirektor.
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Fragen.
Prof. Dr. Melanie Unseld ist Professorin für Kulturgeschichte der Musik und Direktorin
des Instituts für Musik sowie Direktorin des Instituts für interdisziplinäre Frauenund Geschlechterforschung an der Universität Oldenburg. Sie studierte Historische Musikwissenschaft, Literaturwissenschaft, Pädagogik, Philosophie und
Angewandte Kulturwissenschaft. 1999 an der Universität Hamburg promoviert,
ging sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an die Hochschule für Musik und
Theater Hannover, dort ab 2006 an das Forschungszentrum Musik und Gender.
Seit 2008 lehrt sie an der Universität Oldenburg. Zu Unselds Forschungsschwerpunkten gehören die europäische Musik- und Kulturgeschichte um 1900, die
Musikkultur der Mozart-Zeit und des 19. Jahrhunderts, die russische und
böhmisch-mährische Musik sowie Fragen der Gender Studies, der Biografik und
der Musikgeschichtsschreibung.
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LITERATUREMPFEHLUNGEN
Literaturempfehlungen
Das profunde Wissen der Veranstaltung lässt sich in viele Richtungen weiter
vertiefen. Neugierigen, die es noch genauer wissen wollen, seien die folgenden
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Altenmüller, Eckart: Vom Neandertal in die Philharmonie, (Spektrum) 2010
+HOOEU¾FN-¾UJHQXD Hören: Physiologie, Psychologie und Pathologie,
(Hogrefe) 2004
.ROOPHLHU%LUJHUXD Versorgung und Rehabilitation mit Hörgeräten,
(Thieme) 2008
Schlaug, Gottfried u.a.: Why Patients with Broca’s Aphasia can sing and
how that may lead to recovery of expressive language functions. From
Singing to Speaking. Music Perception 25/2008, S. 315–323
Schlaug, Gottfried u.a.: Neurological bases of musical disorders and their
implications for stroke recovery. Acoustics Today 6/2010, S. 28–36
Schlaug, Gottfried u.a.: Music listening and music making in the treatment
of neurological disorders and impairments. Music Perception 27/2010,
S. 249–250
Schlaug, Gottfried u.a: From singing to speaking: facilitating recovery from
nonfluent aphasia. Future Neurology 5/2010, S.657–665
Schlaug, Gottfried u.a: Music making as a tool for promoting brain
plasticity across the life-span. The Neuroscientist 16/2010, S. 566–577
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LITERATUREMPFEHLUNGEN
Literaturempfehlungen
Unseld, Melanie (Hg.): Reclams Komponistenlexikon, (Reclam) 2009
Unseld, Melanie u.a. (Hg.): Lexikon Musik und Gender, (Bärenreiter/
Metzler) 2010
Unseld, Melanie: Pathographische, biographische und musikhistorische
Inszenierungen von Mozarts Tod. In: Krankheiten großer Musiker und
Musikerinnen: Reflexionen am Schnittpunkt von Musikwissenschaft
und Medizin, hg. von Eckart Altenmüller und Susanne Rode-Breymann
(Olms) 2009, S. 23–40
Unseld, Melanie u.a (Hg.): Europäische Komponistinnen, (Böhlau) 2005 ff.
Unseld, Melanie: Wider die Begradigung eines Stromes – Gedanken über
Musikgeschichtsschreibung, in: Panta Rhei. Beiträge zum Begriff und
zur Theorie der Geschichte, hg. von Herbert Colla und Werner
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Unseld, Melanie: Auf dem Weg zu einer memorik-sensibilisierten
Geschichtsschreibung. Erinnerungsforschung und Musikwissenschaft,
in: Erkenntnisgewinn durch Methode? Kulturwissenschaft, Genderforschung und Musikwissenschaft, hg. von Corinna Herr und Monika Woitas (Musik – Kultur – Gender 1), (Böhlau) 2006, S. 63–74
Weitere Informationen unter:
www.oldenburger-schlossgespraeche.de
www.ewe-stiftung.de
www.h-w-k.de
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Impressum
Herausgeber
EWE Stiftung
Postfach 1920
26009 Oldenburg
Konzeption
Dr. Stephanie Abke (V.i.S.d.P.)
Redaktion
Dr. Eva Tenzer
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Alexander Yakovlev, Bernd_Leitner, Henrik Aija,
Ruediger Rau, babimu, mipan, Robert Gortana,
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photocase.com
Gestaltung und Produktion
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Druck
Rasch Druckerei und Verlag GmbH & Co. KG
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HEISST SEHEN VERSTEHEN?
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DIE NEUE MACHT DER BILDER:
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www.h-w-k.de
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