Fachwissen - Islam und Wirtschaft

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MICHAEL KLÖCKER | UDO TWORUSCHKA (HG.) HANDBUCH DER RELIGIONEN Ausgabe: 11
Thema: IV | Islam
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Titel: Islam und Wirtschaft (15 S.)
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Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland und im deutschsprachigen Raum Produkthinweis Der vorliegende Beitrag ist Teil des Standardwerkes »Handbuch der Religionen« der Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage GmbH & Co. KG*. * Ausgaben 1997 bis 2015 erschienen bei OLZOG Verlag GmbH, München Das »Handbuch der Religionen« ist ein in Anspruch und Umfang einzigartiges, wissen‐
schaftlich fundiertes Nachschlagewerk über orthodoxe, römisch-katholische und reformatorische Kirche/n, weitere transkonfessionelle Bewegungen, ökumenische Bestrebungen, Christliche Glaubensgemeinschaften außerhalb der Großkirchen, Judentum, Islam, aus dem Islam hervorgegangene Gemeinschaften (z.B. Ahmadiyya, Aleviten), weitere kleinere Religionen (z.B. Yezidi, Mandäer), Buddhismus, asiatische bzw. von Asien ausgehende Gruppen, neue Bewegungen (z.B. Fiat Lux, Scientology u.a.), Sikhismus, Jainismus, ethnische Religionen (z.B. Neugermanische Gruppierungen, Wicca u.a.) sowie über Ethik und das Verhältnis von Religion/en zu Kunst, Politik, Medien oder Psychologie. Erarbeitet von einem Team kompetenter Experten aus namhaften Herausgebern, Fachgebietsleitern und mittlerweile über 200 Autoren bietet es Ihnen wissenschaftlich fundiertes Orientierungswissen über Geschichte, religiöse Kernaussagen und Autoritäten, Organisationen und Verbreitung, Glaubenspraxis, das Verhältnis zum Staat und zu anderen Religionen sowie kontinuierliche Informationen zu neuen Entwicklungen, wichtigen Persönlichkeiten, Literatur und Kontaktadressen.  Informationen zum Bezug der mehrbändigen Gesamtausgabe finden Sie hier. (Diesen) Beitrag als Download bestellen  Klicken Sie auf die Schaltfläche Dokument bestellen am oberen Seitenrand.  Alternativ finden Sie eine Volltextsuche unter www.edidact.de/hdr-online. Nutzungsbedingungen Die Materialien dürfen nur persönlich für Ihre eigenen Zwecke genutzt und nicht an Dritte weitergegeben bzw. Dritten zugänglich gemacht werden. Sie sind berechtig, für Ihren eigenen Bedarf Fotokopien zu ziehen bzw. Ausdrucke zu erstellen. Jede gewerbliche Weitergabe oder Veröffentlichung der Materialien  auch auszugsweise  ist unzulässig. Die vollständigen Nutzungsbedingungen finden Sie hier. Haben Sie noch Fragen? Gerne hilft Ihnen unser Kundenservice weiter: Kontaktformular   Mail: [email protected]  Post: Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage GmbH & Co. KG E.-C.-Baumann-Straße 5 | 95326 Kulmbach  Tel.: +49 (0)9221 / 949-204   Fax: +49 (0)9221 / 949-377 www.edidact.de | www.mgo-fachverlage.de Handbuch der Religionen www.edidact.de/Suche/index.htm?category=102578&q=D82015115
eDidact - Handbuch der Religionen
IV - 3.5
ISLAM UND WIRTSCHAFT
IV - 3.5 Islam und Wirtschaft
VON HAYRETTIN AYDIN
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Wirtschaft in den religiösen Quellen
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In den religiösen Quellen des Islam (Qur’ān, Sunna) gibt es nur wenige Stellen, die sich auf wirtschaftliche Aktivitäten und Transaktionen beziehen und
diese konkret regeln. Unabhängig davon ist jedoch im Verlauf der islamischen
Rechtsgeschichte eine umfangreiche Literatur mit detaillierten Bestimmungen
zu Einzelfragen und Einzelfällen im Wirtschaftsleben entstanden. Diese Tradition hat sich als eine sehr dynamische erwiesen, die zu verschiedenen Zeiten und in unterschiedlichen geografischen Regionen zu je eigenen Antworten
geführt hat und unter den Rahmenbedingungen der Moderne und auch der
Postmoderne religiös begründete Antworten auf aktuelle Entwicklungen zu
geben weiß, die für einen Teil der Muslime als verbindlich angenommen werden. Insgesamt spiegelt sich hierin ein breites Spektrum an religiösen Selbstverständnissen und Überzeugungen wider, das von orthodox-konservativ bis
zu liberal-modernistischen Interpretationen reicht. Für die Gegenwart bedeutet
dies zugleich, dass die Globalisierung als Trend auch zu einer Transnationalisierung der Diskussionen der islamischen Rechtsgelehrten als auch praktizierender muslimischer „Laien“ führt.
Grundsätzlich sollte erwähnt sein, dass im Islam das Privateigentum einen
festen Platz hat und ökonomische Aktivitäten nicht nur gutgeheißen werden,
sondern als existenzsichernde Tätigkeit und gottgefälliges Werk gelten. Privatbesitz ist hier nicht in einem absoluten Sinne zu verstehen. In einem absoluten Sinne ist Gott der Besitzer von allem, im konkreten sozialen Kontext ist
jedoch der Mensch berechtigt, Privatbesitz zu führen. Der Besitz ist dem Menschen zur Nutzung anvertraut, wobei jedoch bestimmte Regeln und Grundsätze einzuhalten sind. Das Recht auf Privateigentum schließt auch Produktionsmittel ein und bedeutet, dass andere Personen auf der Basis eines Lohnes
beschäftigt werden können.
Ribā’-Verbot
Eine koranische Bestimmung, die dem Wirtschaften Grenzen setzt, ist das
Ribā’-Verbot. Ribā’, das wörtlich „Zunahme“ bzw. „Vermehrung“ bedeutet
und in verschiedenen Suren als Begriff genannt wird (2,275; 3,131; 4,161;
Klöcker/Tworuschka: Handbuch der Religionen 11. EL 2005
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ISLAM UND WIRTSCHAFT
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30,40), wird in der deutschsprachigen Literatur wahlweise mit dem Begriff
„Wucher“ oder auch „Zins“ wiedergegeben. Die Verwendung dieses koranischen Begriffes bezieht sich auf Kapitalgeschäfte, bei denen durch den Verleih
eine Geldsumme um ein Mehrfaches erhöht wurde. In der späteren Interpretation islamischer Rechtsgelehrter setzte sich mehrheitlich die Auffassung
durch, dass eine Erhöhung bzw. ein Gewinn auf eine verliehene Geldsumme
grundsätzlich unter die Ribā’-Bestimmung falle und somit nicht legitim sei
[vgl. Rahman 1974]. Die Illegitimität wird darin gesehen, dass der Gläubiger
unabhängig von dem Erfolg oder Misserfolg einer Investition eine feste Summe, d.h. einen Zins verlangt und somit ein einseitiges Risiko auf Seiten des
Kreditnehmers bestehe. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass unter den islamischen Rechtsgelehrten keine Einigkeit darüber herrscht, wie
weitreichend der Ausdruck zu verstehen und dementsprechend zu interpretieren sei. So wird der Begriff Ribā’ von einigen dahingehend interpretiert, dass
hierunter lediglich die Verdoppelung der Schuldsumme falle. Andere islamische Wirtschaftstheoretiker erklären Zins für legitim, wenn er als Rate des
Profits bzw. Gewinnes verstanden wird, was in der Umkehrung jedoch bedeutet, dass es sich um ein Geschäft handelt, bei dem man entsprechend auch an
Verlusten beteiligt werden muss. In einigen zeitgenössischen Erörterungen
hinsichtlich des Geltungsbereiches des Verbotes werden dem Begriff Ribā’ in
der Bedeutung von Wucher die Begriffe Ribh bzw. Fā’iz im Sinne eines legitimen Zinses gegenüber gestellt, der um die schädlichen Aspekte des Ribā’
bereinigt ist und eine bestimmte Höhe nicht überschreitet.
Im Zuge von Modernisierungsbestrebungen im 19. und 20. Jahrhundert kam
es zu ersten Lockerungen bzw. Neudefinitionen der Ribā’-Regelung. Im Osmanischen Reich wurde bereits im 19. Jahrhundert (1887) eine Zinsverordnung verabschiedet, in der eine maximale Zinshöhe von 9 % und die Bestimmung festgelegt wurde, dass die Zinshöhe niemals den verliehenen Betrag
überschreiten dürfe, auch wenn die Rückzahlung mehrere Jahre später erfolge
[vgl. Uludaǧ 1998]. Versuche der Neubewertung und -regelung der Ribā’-Bestimmung gab es im 19. und 20. Jahrhundert auch unter liberalen Modernisten.
Beispiele hierfür sind der Ägypter Muhammad’ Abduh, der in seinem Kommentar zum Koran Kapitalzins im Handel und in der Produktion als legitim
bewertete, oder der Rektor der Al-Azhar-Universität, Scheich Schaltut, der
1963 eine Fatwa erließ, die den Bankenzins für legitim erklärte. Später annulierte er diese Fatwa jedoch wieder, ohne dass er dies begründete. Für viele
eher traditionalistisch ausgerichtete Rechtsgelehrte fällt die Zinswirtschaft,
auf der das moderne Bankenwesen fußt, grundsätzlich unter Ribā’ und wird
deshalb abgelehnt. Auch wenn viele Muslime in islamisch geprägten wie auch
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ISLAM UND WIRTSCHAFT
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nicht islamisch geprägten Ländern dem normalen Bankenwesen gegenüber
pragmatisch eingestellt sind, lehnt ein nicht zu beziffernder Teil der Muslime
die Zinswirtschaft ab und versucht das herkömmliche Bankenwesen nach
Möglichkeit zu umgehen. Hierzu wurden von islamischen Wirtschaftstheoretikern eigene Modelle (Islamic Banking) mit eigenen Finanzdienstleistungen
entwickelt, die mittlerweile auch in Deutschland genutzt werden können.
Hierauf wird weiter unten noch eingegangen.
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Abgaben (Zakat, Sadaqa)
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Neben dem Ribā’-Verbot finden sich im Koran Bestimmungen zu Abgaben, die
Muslime leisten sollen. Eine dieser Abgaben ist die Zakat, die zumeist mit
„Pflichtabgabe“ übersetzt, von einigen islamischen Gelehrten jedoch auch als
„Steuer“ bezeichnet wird. Die Entrichtung der Zakat gehört zu den fünf Grundpflichten der Muslime. Im Koran selber sind jedoch keine genaueren Angaben
zur Zakat zu lesen. Dort heißt es lediglich, dass das „Entbehrliche“ als Zakat zu
entrichten sei (2,219). Entbehrlich wird ein bestimmter Anteil des Vermögens,
das über dem Mindestmaß zur Sicherung der eigenen Existenz liegt. Bereits in
frühislamischer Zeit haben Rechtsgelehrte Zakat-Bestimmungen in Prozentsätzen für verschiedene Produkte und Güter festgelegt. Bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Viehbesitz liegt die Zakat zwischen 5 % und 10 % des
erzielten Gewinnes. Bei ruhendem Einkommen (Gewinnen) aus Handel, Handwerk und Industrie sind es 2,5 % jährlich. Während in den meisten islamisch
geprägten Staaten, deren Rechtssysteme mehr oder minder säkular sind, die
Entrichtung dieser Abgabe freiwillig ist, gibt es einzelne Staaten, in denen die
Zakat eine reguläre staatlich erhobene Steuer und somit ein Instrument staatlicher Fiskalpolitik ist. Beispiele hierfür sind Pakistan und Saudi-Arabien.
Neben der Zakat findet sich im Koran als Begriff für eine Abgabe auch
Sadaqa. Während im Koran beide Begriffe quasi synonym verwendet werden,
hat sich im Verlauf der Geschichte zwischen beiden Begriffen eine semantische Differenzierung entwickelt, die auch in der Gegenwart noch gilt. Während die Zakat als Pflichtabgabe verstanden wird, handelt es sich bei Sadaqa
um eine freiwillige (Ab-)Gabe bzw. ein freiwilliges Almosen an bedürftige
Personen, deren Höhe vom Geber allein bestimmt wird.
Sowohl bei der Zakat als auch der Sadaqa kommt der sozialfürsorgliche
Aspekt zur Geltung, den ein frommer Muslim beachten soll. Der Gläubige soll
gegenüber seinen Nächsten soziale Verantwortlichkeit übernehmen und SoliKlöcker/Tworuschka: Handbuch der Religionen 11. EL 2005
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