Gentests – Fakten und Mythen Der Hund besitzt etwa 19‘300 Gene, welche auf 78 Chromosomen verteilt sind. Beim Menschen geht man von 20-25'000 Genen aus, diese sind auf 46 Chromosomen verteilt. Chromosom Das Chromosom besteht aus der sogenannten Doppelhelix. In den letzten Jahren wurden diverse Gentests entwickelt, um das Erbgut von Mensch und Tier zu untersuchen. Es existieren viele verschiedene Arten von Gentests, sie dienen unter anderem zur Untersuchung einer Verwandtschaft (Abstammung, Rasse), ein genetischer Fingerabdruck in der Forensik ist ebenfalls ein Gentest und mit einem Gentest werden genetisch bedingte Erkrankungen und Veranlagungen untersucht. Für die Durchführung eines Gentests beim Hund wird vorzugsweise eine Blutprobe eingeschickt, auch von einem Maulschleimhaut-Abstrich kann ein Gentest durchgeführt werden. In der Zucht dienen uns Gentests dazu, die Häufigkeiten von Trägertieren in verschiedenen Ländern zu testen. Bei verbreiteten Krankheiten kann mittels Gentest und gezielten Verpaarungen eine Krankheit oder ein Merkmal über mehrere Generationen gesenkt werden. Zu einem gewissen Grad kann ein Gentest auch eine Aussage über einen einzelnen Hund erlauben und möglicherweise können Krankheiten erkannt werden, bevor sie ausbrechen. Ein sehr wichtiger Punkt ist zudem, dass die Forschung sehr viele Einzeltiere braucht, um die Tests zu verbessern und neue Gentests zu entwickeln. Die Forschung auf diesem Gebiet ist noch lange nicht abgeschlossen. Bei der Ausprägung von Merkmalen und der Entwicklung von Krankheiten sind neben dem Erbgut auch immer unterschiedliche Umweltfaktoren beteiligt. Im folgenden Text werden die Erbkrankheiten DM (Degenerative Myelopathie) und HS (Histiozytäres Sarkom) näher besprochen. Für beide Krankheiten existiert ein Gentest, die Vererbung ist jedoch sehr unterschiedlich. Bei DM sind 2 Gene beteiligt, Umweltfaktoren sind kaum beteiligt. Für die Entwicklung eines Gentests für DM sind 10-50 Proben ausreichend. Beim HS sind mehrere Gene (Anzahl bisher unbekannt) und auch die Umwelt in grossem Masse beteiligt. Mehrere hundert Proben sind nötig um einen Gentest zu entwickeln. Degenerative Myelopathie (DM): Wie oben bereits erwähnt, ist die Krankheit überwiegend genetisch bedingt, der Zeitpunkt des Ausbruchs der Krankheit ist jedoch unterschiedlich. Es erkranken vor allem mittelalte bis alte Hunde. Es handelt sich um eine autosomal rezessiv vererbte Krankheit. Äusserlich ist nicht sichtbar, ob der Hund Anlageträger ist oder nicht. NA NA N:Normales Allel A:Verändertes Allel Beide Elterntiere sind Träger, je ein Allel wird weitergegeben NN NA NA AA Daraus gibt sich die folgende Wahrscheinlichkeitsverteilung der Welpen: Elterntiere: Frei x frei Frei x Träger Träger x Träger Träger x befallen Befallen x befallen Welpen: Alle Welpen frei 50% Welpen frei, 50% Welpen Träger 25% frei, 50% Träger, 25% befallen 50% Träger, 50% befallen Alle Welpen befallen Beim Berner Sennenhund sind 2 Mutationen bekannt, welche zu DM führen können. SOD1A ist eine Veränderung, welche bei vielen verschiedenen Hunderassen vorkommt, die schon länger bekannt und relativ weit verbreitet ist. Kürzlich wurde eine zweite Mutation auf demselben Gen SOD1B gefunden, diese kommt nur beim Berner Sennenhund vor und ist seltener. Die Mutation SOD1A kommt viel häufiger vor. In Europa sind unter den Berner Sennenhunden 41% Träger von SOD1A und in Frankreich sind 12% Träger von SOD1B. Hunde, welche heterozygot (Träger) für SOD1A und SOD1B können auch DM entwickeln. Beim Menschen existiert eine vergleichbare Krankheit, die sogenannte amyotrophe Lateralsklerose. Es sind 145 Mutationen bekannt, welche für diese Krankheit verantwortlich sind. Auch bei Hunden sind möglicherweise noch weitere Mutationen an der DM beteiligt. Um das Vorkommen von DM zu reduzieren sollten Träger idealerweise nur mit freien Hunden angepaart werden. Die DM ist jedoch nur ein kleiner Teil der gesamten Zuchtauswahl. Histiozytäres Sarkom (HS): Im Gegensatz zur DM spielen hier die Umweltfaktoren eine wichtige Rolle und es sind mehrere Gene beteiligt. Die Hunde erkranken durchschnittlich mit etwa 6 Jahren. Nach der Diagnose der Krankheit beträgt die Überlebenszeit durchschnittlich 49 Tage. Nach neusten Erkenntnissen handelt es sich um eine oligogene Erkrankung, das bedeutet, dass wenige Gene beteiligt sind. Andere Gene und Umweltfaktoren spielen jedoch auch eine Rolle, unter anderem beim Zeitpunkt des Ausbruchs und dem Schweregrad. Im Moment werden 2 sogenannte Pretests auf HS angeboten, der eine Test von Antagene und der SSV-Pretest. Die Bezeichnung Pretest steht für Vortest, das bedeutet, dass die Tests noch weiterentwickelt werden. Beim Pretest von Antagene wurden mehr als 1000 Berner Sennenhunde untersucht. 400 europäische und amerikanische Hunde wurden für die Identifikation des Gens untersucht und 1000 französische Hunde für die Entwicklung des Tests. Es werden 9 Marker auf 5 Chromosomen getestet. Der Pretest soll als Hilfsmittel zur Auswahl von Zuchthunden dienen und die Verbreitung der Krankheit in den unterschiedlichen Ländern aufzeigen. Der Test dient jedoch nicht dazu, eine Aussage darüber zu machen, ob der einzelne Hund krank wird! Die Resultate werden anhand eines Index eingeteilt: Index: A Erläuterung: Bei diesen Hunden besteht eine 4 - fach erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass sich kein Histiozytäres Sarkom entwickelt. Neutraler Index Bei diesen Hunden besteht eine 4 - fach erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Histiozytäres Sarkom entwickelt. Das Risiko einer Übertragung von Markern, die mit der Krankheit in Verbindung stehen ist erhöht. B C Für die Zucht gilt die Empfehlung, dass ein Hund mit C Index, der ansonsten für die Rasse wichtige Qualitäten hat, nicht aus der Zucht genommen werden soll, jedoch soll dieser Hund nur mit Hunden mit A oder B Index verpaart werden. Paarungen sollen so geplant werden, um C x C Verpaarungen zu vermeiden. Bei DISTL wird ein genomischer Zuchtwert „Langlebigkeit“ bestimmt. In diesem Rahmen wird der SSV-Pretest für HS angeboten. Das gesamte Genom wird angeschaut und ausgewertet und eine Distanz zwischen den gesunden und den kranken Hunden wird berechnet. Um den Test zu „eichen“ wird eine sehr grosse Anzahl untersuchter Hunde benötigt. Seit Herbst 2013 ist der Test auf dem Markt erhältlich, es wurden etwa 200 Hunde untersucht für die Erstellung des Tests. Die Resultate werden in 4 Gruppen eingeteilt: • A bedeutet ein sehr geringes Risiko • B ein geringes Risiko • C ein mögliches Risiko • D eine Gefährdung für histiozytäres Sarkom Diese Gentests können das Risiko für eine Erkrankung angeben, die Häufigkeit der veränderten Gene in einer Population angeben und nach einigen Jahren kann ein Zuchterfolg beurteilt werden. Diese Gentests erlauben jedoch keine Aussagen darüber ob und wann ein einzelnes Tier erkranken wird und anhand der Tests kann beim kranken Tier auch keine Diagnose gestellt werden. An der Entwicklung und der Ausprägung sind wie erwähnt andere Gene und Umweltfaktoren ebenfalls beteiligt. Das Ziel der Gentests ist es, die Häufigkeit von Krankheiten durch gezielte Züchtung zu senken und dabei die genetische Vielfalt zu erhalten. In Zukunft kann es sogar möglich sein, anhand einer genetischen Datenbank ideale Paarungen zu berechnen unter Berücksichtigung mehrerer Merkmale. Das Angebot an Gentests wird sich in Zukunft weiter verändern, je mehr Proben untersucht werden, desto weiter können die angebotenen Tests verbessert werden. Wichtig ist, dass die Empfehlungen für die Zucht laufend an den neusten Stand der Wissenschaft angepasst werden.