Folien 2017

Werbung
Prolog: Evolutionäre Penisologie
Eulemur fulvus
Saimiri
boliviensis
Macaca
arctoides
Was soll das denn?
Macaca fuscicularis
Papio
cynocephalus
Pan
troglodytes
Prolog: Evolutionäre Penisologie
Penise heimischer Kleinlibellen-Arten
„Spielt“ die „Natur“?
Nein!
Nur der „Richtige“ passt.
Wer nicht passt, ist halt
nicht der „Richtige“…
Mechanismen der Evolution
1. Darwin war nicht allein – Geschichte einer Idee
2. Das Grundprinzip: Vielfalt und Auslese
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
4. Kooperation bringt mehr: Koevolution
5. Darwins blinder Fleck: Makroevolution
6. Entstehung des Lebens und Entstehung der Zelle
7. Eine andere Welt: Evolution der Pflanzen
8. Unsere Welt - Wir: Evolution von Tier und Mensch
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
Der rote Faden
A. Was ist eine Art?
B. Allopatrische Speziation
C. Grenzen des Mayrschen Artkonzepts
D. Genetic Drift
E. Gründereffekt
Aktuelle Fragen
Biologie und Rassismus
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
A. Was ist eine Art?
ANIMALES
Bäume zeigen die Verwandtschaft
zwischen Organismen. Je näher die
Äste,
umso
höher
die
Verwandtschaft.
PLANTAE
FUNGI
Chloroplasten
Eukaryoten
Cyanobakterien
Baum oder geistige Schublade?
Mitochondrien
Prokaryoten
Bäume und Ähnlichkeit. Auf der Basis von Ähnlichkeit werden Bäume
konstruiert, die den möglichen Verlauf der Abstammung zeigen. Idealerweise
sollte eine systematische Klassifizierung die natürliche Verwandtschaft
wiederspiegeln. Das geht aber oft nicht, z.B. bei Endosymbiose.
Aufpassen: Bäume werden über
Ähnlichkeit
erstellt.
Die
(unausgesprochene) Annahme: je
ähnlicher, desto verwandter. Aus
Ähnlichkeit
konstruieren
wir
Verwandtschaft. Bäume sind also
Deutungen der Evolution!
Auf der Grundlage von Ähnlichkeit
teilen wir die Vielfalt von Leben in
Arten und bringen sie dadurch unter
Kontrolle.
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
A. Was ist eine Art?
Der klassische Darwinismus wurde später zur Synthetischen Theorie erweitert
Element 1: Artbildung – aber was ist eine „Art“?
Problem:
viele Merkmale variieren
innerhalb einer Art
Wo ist die Grenze?
Sind diese Grenzen nicht
willkürlich?
Beispiel: Augenfarbe
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
A. Was ist eine Art?
ABER: wenn man mehrere Merkmale anschaut, sind die Übergänge nicht fließend,
sondern diskontinuierlich. Das ist die Grundlage für Systematik und Taxonomie.
So ist es meist nur in der Theorie:
In der Wirklichkeit ist es meistens so:
Merkmal 2
Merkmal 1
Darwin und Wallace zeigten, wie sich Arten verwandeln, konnten aber nicht
erklären, wie Arten sich auftrennen (Speziation).
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
A. Was ist eine Art?
Es gibt in der Biologie verschiedene Artbegriffe
Morphologisch (z.B. Linné)
„Art“:=eine morphologisch von anderen Arten unterscheidbare
Gruppe von Individuen (in der Paläontologie der einzig praktikable
Weg)
Populationsgenetisch (Mayr)
„Art“:=eine Fortpflanzungsgemeinschaft, die genetisch durch
Artbarrieren von anderen Fortpflanzungsgemeinschaften isoliert
ist.
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
A. Was ist eine Art?
Wo ist nun die Grenze?
Der Übergang Population –
Art ist fließend!
Eine klare Grenze gibt es
also nicht.
Nur die Endpunkte sind
klar.
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
A. Was ist eine Art?
Wie verzweigen Arten?
Stammbäume sind
Rekonstruktionen
nur
Die Verzweigung ist nicht
belegt, nur erdacht!
Darwins Tree of Life hatte keine klaren Verzweigungen!
Eine klare Verzweigung
hieße, dass die Kinder eines
Elternpaars eine andere Art
wären!
Dann wären sie auch von
den Eltern isoliert – ein
Paradoxon!
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
A. Was ist eine Art?
Wie verzweigen Arten?
Die Verzweigung ist keine Linie,
sondern ein Feld
Dieses spaltet sich fließend in zwei
Unterfelder auf
Verzweigungen sind keine Punkte, sondern
Felder! So wie es Darwin auch gezeichnet hat!
Art ist also nicht eine klare Grenze,
sondern der Prozess, der zu dieser
klaren Grenze führt!
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
B. Allopatrische Speziation
Mayrs Speziationstheorie
Allopatrisch:
Geographische Isolation von Populationen
(Kontinentaldrift, Vergletscherung, Bildung von
Bergketten, Verdriftung auf Inseln). Die
genetische Barriere entsteht später. Das ist die
Regel.
Sympatrisch:
Die genetische Barriere entsteht ohne
geographische Isolation. Das ist selten, weil die
genetische Barriere auf einen Schlag entstehen
muss. Es gibt aber Fälle, vor allem bei Pflanzen.
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
B. Allopatrische Speziation
Allopatrische Speziation
Stufe 1: Unterpopulationen werden durch ein Ereignis
genetisch isoliert.
Stufe 2: Mutation/Selektion formen die Populationen in
verschiedenen Richtungen.
Stufe 3: Wenn eine Fortpflanzungsbarriere entsteht, können
die Populationen sich nicht mehr genetisch austauschen.
Stufe 4: ab diesem Moment irreversible Artbildung.
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
B. Allopatrische Speziation
Ringarten
Aufspaltung einer Population
Besiedlung eines Lebensraums.
während
der
Fließender Übergang zwischen den Unterpopulationen (mit Genfluss).
Wenn die Enden aufeinander treffen, sind sie
jedoch so verschieden, dass sie zwei Arten sind.
Ringarten gelten als Paradebeispiele für die
Mayrsche Speziationstheorie
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
B. Allopatrische Speziation
Beispiel: Ringarten bei Möwen
Silbermöwe und Heringsmöwe: im
Nordatlantik zwei Arten (keine Hybride).
Fließender circumpolarer Gradient mit
Zwischenformen, die sich untereinander
kreuzen.
Wenn sich die Ränder treffen, ist die
genetische Distanz jedoch so groß, dass
es zwei Arten sind.
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
B. Allopatrische Speziation
Beispiel: Ringarten bei Meisen
Unterarten der Kohlmeise (Parus major)
Färbung und Gesang innerhalb einer
Unterart mit fließenden Übergängen
An den Treffpunkten kommt es zu
Hybridzonen – diese singen abnorm und
finden daher keine Geschlechtspartner
(Gesang als Fortpflanzungsbarriere).
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
B. Allopatrische Speziation
Beispiel: Ringarten bei Salamandern
Fließende Übergänge zwischen Formen
an der Küste Kaliforniens und den
Formen am Ostrand der Sierra Nevada
Mit molekularen Markern wurde die
genetische Distanz bestimmt:
Innerhalb der Reihe kleine Distanz,
zwischen Rändern große Distanz.
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
B. Allopatrische Speziation
Beispiel: Zwillingsarten
Bildung des Panama-Isthmus vor 4 Mio
Jahren und Zwillingsarten beim PanamaSchnappkrebs
Mehrere Arten lebten in diesem Gebiet und
wurden durch den Isthmus in eine
Karibisches (Caribean C) und eine Pazifische
(Pacific P) Population getrennt.
Im Stammbaum zeigt
Verdopplung der Äste.
sich
dies
als
Auch dies gilt als Paradebeispiel der
Mayrschen Speziationstheorie
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
B. Allopatrische Speziation
Fortpflanzungsbarrieren: Beispiel Balz
Entenmännchen sind auffällig gefärbt und
zwischen den Arten sehr unterschiedlich.
Mandarinente
Löffelente
Die Weibchen sind unauffällig und schwerer zu
unterscheiden
Partnerwahl durch das Weibchen – ein Erpel
paart sich mit allem, was nach weiblicher Ente
aussieht!
Wenn der Erpel die Verweigerung
Weibchens nicht versteht, gibt es Hybride
des
Diese Hybride sind nur vermindert fertil oder
gar ganz steril (Fortpflanzungsbarriere)
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
B. Allopatrische Speziation
Hybridisierung
Beispiel Rabenkrähe (Westeuropa) und
Nebelkrähe (Osteuropa) waren während der
Eiszeit getrennt. Entlang des ehemaligen
Eisernen Vorhangs gibt es eine Hybridisierungszone. Die Hybride haben kaum Nachkommen
(Semisterilität).
Hybride mit verminderter Fitness sind sehr
nachteilig (Verschwendung von Resourcen). Je
früher die Fortpflanzungsbarriere ansetzt,
umso vorteilhafter. Dies können sehr triviale
Mechanismen sein (z.B. Nahrungspräferenzen
bei Fruchtfliegen).
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
B. Allopatrische Speziation
Adaptive Radiation
Unterfall
der
allopatrischen
Speziation: eine Gründerpopulation
besiedelt ein neues Areal, das
ökologisch disjunkt ist (z.B. Inseln).
Dadurch wird die Population in
Unterpopulationen getrennt, was zu
einer
schnellen
allopatrischen
Speziation führt.
Ein Klassiker aufgeklärt. Die Galapagos-Finken sind das berühmteste Beispiel für
adaptive Radiation. Inzwischen kennt man den Mechanismus – die zeitliche
Aktivität eines Transkriptionsfaktors (bone morphogenesis factor) und Calmodulin
definieren Schnabelgröße und –breite und damit die ökologische Nische.
Verschiedene
ökologische
Bedingungen führen zu unterschiedlichen Selektionsdrücken, was
zu einer funktionellen Diversifizierung (Adaptation) führt.
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
B. Allopatrische Speziation
Nicht alle Radiation ist adaptiv
Geographische Isolation führt zu
unterschiedlichen Arten.
Diese können aber dennoch dieselbe
Nische besiedeln, also denselben
Selektionsdrücken ausgesetzt sein.
In diesem Fall ist es zwar Radiation,
aber keine adaptive Radiation.
Ein Fall von Pseudo-Radiation. Die Happy-Face-Spinne auf Hawaii bildet je nach
Insel genetisch unterschiedliche Unterarten. Die unterschiedliche Färbung beruht
jedoch nicht auf Genetik, sondern auf der Art der Nahrung. Paarungsversuche
zeigen, dass es sich um eine Art handelt!
Viele Arten sind also nur genetisch
verschieden, aber nicht unbedingt in
ihrem Aussehen / Verhalten und
bleiben unerkannt (Kryptospezies).
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
C. Grenzen des Mayrschen Artkonzepts
Viele Prokaryoten tragen Gene auf mobilen
Elementen (Plasmiden), die auf andere Zellen
(auch von anderen Arten) übertragen werden
können (horizontaler Gentransfer).
Beispiel 1: Antibiotika-Resistenz in Spitälern.
Beispiel 2: Herbizid-Resistenz in Bodenbakterien.
Fortpflanzungsbarriere als Kriterium für „Art“
greift hier nicht!
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
C. Grenzen des Mayrschen Artkonzepts
Frühe
Evolution:
zahlreiche
endosymbiotische Ereignisse.
Stammbäume
müssen
durch
Abstammungsnetze ersetzt werden.
Wie ist hier „Fortpflanzungsbarriere“ zu definieren?
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
C. Grenzen des Mayrschen Artkonzepts
Polyploidie und Vegetative Fortpflanzung
Etwa die Hälfte aller Angiospermen in gemäßigten
Zonen sind polyploid.
Cardaminopsis arenosa, eine tetraploide
Variante von Arabidopsis thaliana
Viele Polyploide vermehren sich rein vegetativ.
Vor allem in Pionierzonen viele separate Klone ohne
Genfluss – nach Mayr wären das dann Arten!
Mayrs Artkonzept ist für obligat sexuelle Arten ausgelegt. Sexualität ist aber nur ein Weg unter vielen!
Der Adlerfarn, Pteridium,
weltweit im Zölibat – eine Art?
lebt
Intermezzo: Denken Sie mal nach!
Frage: Pflanzen können über Allopolyploidie fruchtbare Artbastarde bilden. Das Mayrsche
Artkonzept greift hier also nicht. Was bedeutet dann „Art“ bei Pflanzen?
A
Andere Blütengestalt, weil das die Bestäubung lenkt
B
Ein erblicher Prozess, der Verschiedenheit erzeugt
C
Andere Chromosomenzahl, weil das die Meiose blockt
D
Ein erblicher Prozess, der autokatalytisch Verschiedenheit erzeugt
E
Genom ist zu mehr als x % unterschiedlich
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
D. Genetic Drift
Survival of the Fittest – aber was heisst „Fitness“?
Fitness wird landläufig als „kraftvoll“, „gesund“, „stark“
gebraucht – eigentlich heisst es nur „passend“
Fitness im Darwinschen Sinne wird als Fortpflanzungserfolg gemessen.
Das ist eigentlich ein Zirkelschluss – Selektion wählt
die mit der größten Fitness aus, der Fortpflanzungserfolg ist die Definition für Fitness.
Achtung: manchmal kommt jemand zufällig zur
Fortpflanzung, obwohl er gar nicht besonders „fit“ ist.
Das passiert öfter als man denkt und wird als Genetic
Drift bezeichnet.
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
D. Genetic Drift
(Provokantes) Beispiel von Fitness
Richard Löwenherz (1157-1199) war der „fitteste“ von
vier Brüdern und erwarb sich in vielen Kämpfen
aufgrund von Kraft und Mut die Herrschaft über
England und einen Teil von Frankreich.
Johann Ohneland (1167-1216) war sein jüngster
Bruder. Er war weder stark noch mutig.
Johann Ohneland
– >5 Kinder
Richard Löwenherz
– 0 Kinder
Aufgrund seiner „Fitness“ wurde Richard Löwenherz
zum Anführer des Dritten Kreuzzugs bestimmt, er
kämpfte, kam erst nach Jahren zurück und starb bald.
Trotz hoher „Fitness“ hatte er einfach keine Zeit,
Nachkommen zu zeugen…
Sein daheimgebliebener Bruder
heiratete und hatte viele Kinder…
regierte
lange,
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
D. Genetic Drift
Genetic Drift:=
stochastische Einflüsse auf Allelhäufigkeit, die nicht durch Fitness bedingt sind.
Solche Fluktuationen sollten sich eigentlich ausmitteln
ABER: in kleinen Populationen ist die Realität oft vom statistischen Mittel entfernt
Beispiel:
Allelhäufigkeiten in einer kleinen
(links) oder einer großen (rechts)
Population von Steinfliegen.
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
D. Genetic Drift
Veranschaulichung von Genetic Drift
X
X
X
X
X
Kleine Population von 10 Pflanzen mit
drei Genotypen RR, Rr, rr.
Erdrutsch tötet zufällig (unabhängig
vom R/r Lokus) 5 Pflanzen.
Durch Zufall ist nun Allel r um fast einen
Faktor 2!
In dieser Population wird es nun auf
Dauer mehr weiße Blüten geben.
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
D. Genetic Drift
Fallbeispiel: Die Insel der Farbenblinden
Farbblindenklasse auf Pingelap
1775 – Taifun löscht die Bevölkerung des Atolls
Pingelap (Mikronesien) bis auf 20 Individuen
aus.
Darunter war der Häuptling, Nahnmwarki
Mwanenised , der eine Mutation Phe zu Serin im
Gen CNGB3 trug
Dies führt zu einem verkürzten Ionenkanal in
den Zapfen und damit zur kompletten
Farbenblindheit (Achromatopsie)
Diese ansonsten seltene Krankheit ist auf
Pingelap bei mehr als 5 % der Bevölkerung zu
finden
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
E. Gründereffekt
Gründereffekt (Founder Effect)
Pionierpopulationen sind sehr klein
Hier können zufällig bestimmte Allele fehlen
An sich seltene Allele können häufig sein.
Es entsteht eine genetisch irreversibel
verschiedene Unterpopulation.
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
E. Gründereffekt
Beispiele für den Gründereffekt (Founder Effect)
Fehlen der Blutgruppe B bei Ureinwohnern Amerikas:
Kleine Gruppe von sibirischen Jägern, die über die
Beringstraße nach Alaska gelangten und dann ganz Amerika
besiedelten.
Häufigkeit Blutgruppe B
Epilepsie bei bestimmten Hunderassen:
Kleine Gruppe von Stammeltern, von denen sich alle Berner
Sennenhunde ableiten. Zucht führte dazu, dass nur innerhalb
der Gruppe verpaart wurde. Das rezessive Allel wurde
dadurch vervielfältigt.
Epilepsie beim Berner Sennenhund
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
E. Gründereffekt
Fallbeispiel Ellis van Creveld Syndrom
Polydactylie
Seltene Erbkrankheit, die autosomal rezessiv vererbt wird.
Weltweite Häufigkeit ~1:90000
Symptomatik: an beiden Händen 6 Finger, schwere Ausfälle im
Gebiss, verkürzte Gliedmaßen, dafür verlängerter Brustkorb
Häufigkeit bei den Amish People in Pennsylvania ~1:4900
Ursache: Gründereffekt – in der Ausgangsgruppe von etwa
200 Individuen war ein Ehepaar, die heterozygote Träger
waren. Durch die religiös motivierte Inzucht in dieser Gruppe
(Individuen, die „nach außen“ heirateten, wurden
ausgestoßen), blieb die durch diese genetic drift erzeugte
Verschiebung der Allelfrequenz weitgehend erhalten.
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
E. Gründereffekt
Die Eva-Hypothese
Phylogenie mitochondrialer Gene: alle
Menschen von einer Urmutter („African Eve“)
~150000 Jahren in Ost-Afrika.
ACHTUNG Blödsinn:
Das heißt nicht, daß es damals nur eine Frau
(Eva) gab!
Es ist nur die einzige Frau mit einer bis heute
ungebrochenen weibliche Abstammungslinie.
ABER: die Ursprungspopulation war sehr klein.
Genetic Drift war für unsere Evolution also
sehr wichtig!
Intermezzo: Denken Sie mal nach!
Frage: Fortpflanzungsbarrieren sind die Grundlage für die biologische Artbildung. Warum war
die Aufspaltung in neue Arten evolutionär von Vorteil?
A
So wird genetische Integrität geschützt
B
So werden Resourcen effizienter genutzt
C
So werden Fehler bei der Meiose vermieden
D
So wird der Einfluss von Genetic Drift verbessert
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
Aktuelle Fragen: Biologie und Rassismus
"[I am] inherently gloomy about the prospect of Africa
[because] all our social policies are based on the fact
that their intelligence is the same as ours—whereas
all the testing says not really”
Aus einem deutschen Schulbuch der 30er Jahre
James Watson, Sunday Times, 2007
Macht Evolutionstheorie rassistisch?
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
Aktuelle Fragen: Biologie und Rassismus
Woher stammt der Begriff „Rasse“?
Der Versuch eines wissenschaftlich begründeten Rassismus
(Agassiz und andere) verlief zunächst unabhängig bzw. sogar
konträr
zur
Darwinschen
Deszendenztheorie
(Polygenismus).
Erst in einem zweiten Schritt wurde der Rassebegriff mit
einer Entwicklungskette verknüpft, wobei die Europäer als
höchstentwickelte Endstufe definiert wurden (z.B. Arthur de
Gobineau). Die Position auf dieser (willkürlichen) Kette
wurde zur (pseudo-) wissenschaftlichen Begründung einer
unterschiedlicher Wertigkeit von Menschen eingesetzt.
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
Aktuelle Fragen: Biologie und Rassismus
Darwin war klarer Gegner der Sklaverei und Monogenist
Charles Darwin (1871): “The
Descent
of
Man,
and
Selection in Relation to Sex”
“Although the existing races of man differ in many respects, as in colour,
hair, shape of skull, proportions of the body, &c., yet if their whole
organisation be taken into consideration they are found to resemble
each other closely in a multitude of points. Many of these points are of
so unimportant or of so singular a nature, that it is extremely
improbable that they should have been independently acquired by
aboriginally distinct species or races. The same remark holds good with
equal or greater force with respect to the numerous points of mental
similarity between the most distinct races of man. The American
aborigines, Negroes and Europeans differ as much from each other in
mind as any three races that can be named; yet I was incessantly struck,
whilst living with the Fuegians on board the Beagle, with the many little
traits of character, showing how similar their minds were to ours; and
so it was with a full-blooded negro with whom I happened once to be
intimate.”
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
Aktuelle Fragen: Biologie und Rassismus
Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Deszendenztheorie
jedoch
rassistisch
unterwandert:
Rassen
als
unterschiedliche hohe Stufen der Entwicklung der Europäer
Häckel: Biogenetische Grundregel auf Menschenrassen angewandt
Häckel: Anthropogenie
Steiner: Tafelbild aus GA100
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
Aktuelle Fragen: Biologie und Rassismus
Rassenkarte von Gobineau:
schwarz sind „Degenerierte“
Entstehung eines „rassischen“ Antisemitismus
Begriff menschlicher „Rassen“ war also von Anfang an mit
einer Skala unterschiedlicher Wertigkeit verbunden.
Neben der Position auf der Evolutionsleiter wurde noch
„rassische Reinheit“ als Kriterium der Wertigkeit eingesetzt.
Motiv war die Suche nach einer nicht-religiösen (sozusagen
„wissenschaftlichen“) Begründung für Antisemitismus. Dazu
wurden die Juden als „Misch-Rasse“ definiert, die „entartet“
unter allen anderen stünden (Gobineau, Chamberlain).
Houston Stewart Chamberlain
“Die Grundlagen des 19.
Jahrhunderts”
verquickte
Deszendenz und Rassismus
Ironischerweise wurde dabei ein Artbegriff benutzt, der vordarwinistisch war: „ent-artet“ = aus der von Gott
geschaffenen „Art“ fallend…
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
Aktuelle Fragen: Biologie und Rassismus
Gibt es Menschen“rassen“?
Molekulare Marker (mtDNS, Y-Chromosom, SNPs)
erlauben es, die Wanderung von Homo sapiens zu
rekonstruieren.
Erste Welle: vor ca. 100 000 Jahren (Y-Chromosom
und single nucleotide polymorphisms, SNPs)
Mutation Alkoholdehydrogenase
Mutation Melaninbildung
Zweite Welle: vor ca. 40000 Jahren
Es gab zwei Wellen aus Ostafrika im Abstand von
60000 Jahren. Europa wurde zweimal besiedelt.
Es gibt einige wenige genetische Unterschiede,
die sich bestätigen liessen, z.B. Melaninsynthese,
ADH, Lactoseintoleranz.
Die genetischen Unterschiede innerhalb einer
„Rasse“ sind jedoch viel höher als die genetischen
Unterschiede zwischen „Rassen“.
Es gibt also keine wissenschaftlichen Basis für den
Begriff „Rasse“. Rassismus ist ganz klar PseudoWissenschaft.
3. Was kommt dazu: Artbildung und Zufall
Take-home Question
Genetic Drift und Selektion führen zu
Verschiebungen der Allelfrequenz.
Der Unterschied ist nur, ob diese mit
Fitness zu tun haben.
Hinterfragen Sie diese Grenze kritisch
anhand nebenstehenden Beispiels…
Herunterladen