FESTKONZERT zum 60. Geburtstag Wolfgang Rihms

Werbung
rihm
festkonzert zum 60. geburtstag
4. sonderkonzert
1
Wolfgang Rihm
Festkonzert zum 60. Geburtstag
4. Sonderkonzert
Wolfgang Rihm (*1952)
3 Walzer für Orchester (1979/88)
1.Sehnsuchtswalzer
2.Brahmsliebewalzer
3. Drängender Walzer
Grußworte
Jürgen Walter
Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft,
Forschung und Kunst Baden-Württemberg
Heinz Fenrich
Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe
Wolfgang Rihm Konzert in einem Satz für Violoncello und Orchester (2005/2006)
17’
25’
– Pause –
Dank
Wolfgang Rihm
Wolfgang Rihm
Vers une symphonie fleuve VI (1997/2012)
URAUFFÜHRUNG
AUFTRAGSWERK DER STADT KARLSRUHE
BADISCHE STAATSKAPELLE
Tanja Tetzlaff Violoncello
Justin Brown Dirigent
13.3.12 20.00 GROSSES HAUS
Dauer ca. 2 ¼ Stunden
Das Konzert wird von SWR2 aufgezeichnet. Sendetermin 14.4.12 20.03
30’
Ein unorthodoxer
60-jähriger
Wolfgang Rihm ist ein Jubiläums-unverdächtiger Komponist. Das – und nicht nur das –
verbindet ihn mit einem Komponisten, dessen
hundertster Geburtstag in das selbe Jahr fällt
und von dem ihn sonst vieles unterscheidet:
John Cage. Der jahrzehntelang heftig umstrittene Pionier der amerikanischen MusikAvantgarde hat Spott und heftigen Protest
gegen seine radikalen Neuerungen (z. B. in
der Geräusch- und Zufallsmusik) jahrzehntelang geduldig ertragen, und er war dann eher
beunruhigt darüber, dass ihn Geburtstagsfeiern in höherem Alter in den unerwünschten Ruf eines Klassikers bringen könnten.
Der vierzig Jahre jüngere Wolfgang Rihm,
der mit ganz anderen Schwierigkeiten und
Widerständen zu kämpfen hatte, geht in
seine Geburtstagsfeiern auch in dieser Hinsicht eher gelassen, nachdem auch er im
Laufe der Jahrzehnte dem Lärm öffentlicher
Kontroversen mehr und mehr entronnen ist.
Andererseits ist er gewitzt und humorvoll genug, auch im großen Stress der Termine gelassen umzugehen mit einer schier unüber2
sehbaren Schar von Gratulanten: Diejenigen,
die Rihms musikalische Entwicklung schon
von früh an, seit seiner Schulzeit, verfolgt
haben – Weggenossen seiner Ausbildungszeit (in Karlsruhe während seiner Schulzeit;
danach auch andernorts, z. B. in Köln bei
Karlheinz Stockhausen, später in Freiburg
bei Klaus Huber) – Zeitzeugen seiner ersten
Erfolge in Donaueschingen und Darmstadt,
Kollegen, Freunde und kritische Begleiter in
seiner jahrzehntelangen kompositorischen
Karriere haben Unterschiedliches zu sagen.
Das Spektrum der Meinungen reicht von
überströmender Begeisterung bis zu gelegentlich widerwilligen Respektbezeugungen
mit höflich zusammengebissenen Zähnen.
Wohl kann man in seiner Heimatstadt Karlsruhe gelegentlich noch Menschen begegnen, die zwar mit ihm zur Schule gegangen
sind, aber noch nie eine Note von ihm gehört
haben. Selbst diese Menschen, deren Anzahl sich im Jahr zahlreicher Geburtstagsfeiern und -aufführungen wahrscheinlich
3
nicht unbeträchtlich verringern wird, werden
bemerkt haben, dass ihnen der Komponist
in seiner Geburtsstadt inzwischen sogar
auf der Titelseite der örtlichen Tageszeitung
oder auf einem Gratulationsschild für vorbeikommende Autofahrer begegnen kann.
Der Komponist, der in jungen Jahren nur
eher im engen Kreis und in Sonderbereichen
zeitgenössischer Musik wahrgenommen
wurde, ist im Laufe der Jahre zu einem der
vielseitigsten und meist aufgeführten Komponisten des nationalen und internationalen
Musiklebens geworden. Er selbst hat aber
schon frühzeitig gewusst, dass die öffentliche Anerkennung zwar wichtig und nützlich,
aber keineswegs allein ausschlaggebend
sein kann: Was ihn von den meisten seiner
Komponistenkollegen unterscheidet, ist seine stets wache produktive Selbstkritik, die
ihm die Kraft gibt, sich ständig zu erneuern –
nicht nur in radikaler Suche nach dem völlig
Unbekannten, sondern auch in der verwandelnden Erneuerung von bereits Bekanntem.
DER LEBENDE KOMPONIST ALS
PARADOXON?
Die vielen Musikfreunde und Musikspezialisten innerhalb und außerhalb von Karlsruhe,
die Wolfgang Rihm etwas näher kennen
(oder zumindest zu kennen glauben), bilden
einen bunten Gratulantenchor, dem man
vielleicht genauer zuhören muss, wenn man
entdecken will, dass er keineswegs immer
nur im Unisono singt. Darüber wird sich
jemand nicht wundern, der sich für Musik
nicht nur im engen Dschungel der Spezialisten interessiert, sondern auch im breiten,
weit über das vordergründig Populäre
hinausreichenden Spektrum des Musiklebens, das vielfältig gespalten ist, nicht
zuletzt in der Abgrenzung zwischen E und U,
zwischen Klassik und Pop: Ein Komponist,
der heute (im Zeitalter des Computers, auch
4
der standardisierten Notensatzprogramme)
völlig neuartige Musik mit der Hand auf konventionelles Notenpapier schreibt, könnte
vielen als Herausforderung an den angeblich
gesunden Menschenverstand erscheinen.
Im allgemeinen Bewusstsein der auf klassische Musik spezialisierten Musikfreunde
kann es schon überraschend erscheinen,
dass ein solcher Komponist heute noch lebt
(Das hat Rihm schon in jungen Jahren erlebt,
als er mich einmal besuchte und am Klavier
improvisierte: Mein junger klavierspielender
Neffe war damals sehr erstaunt zu hören,
dass Rihm selbst erfundene Musik nicht nur
spielte, sondern auch aufschrieb – der Junge kannte nur Musik von toten Komponisten,
was den betrübten lebenden Komponisten
damals zur einer nachdenklichen Notiz in
einem seiner Aufsätze anregte).
KOMPONIST NEUER MUSIK?
Zu den zahlreichen Besonderheiten des
heutigen Musiklebens, die sich auch bei Geburtstagsfeierlichkeiten auswirken können,
gehört es, dass die Sonderrolle eines Komponisten oft mit der Sonderrolle einer bestimmten Musikart in Verbindung gebracht
wird: Kann man die Besonderheit eines lebenden Komponisten daran erkennen, dass
er nicht einfach Musik schreibt, sondern nur
eine bestimmte Musikart, nämlich Neue
Musik? Diese Frage ist verfänglich – vor
allem dann, wenn man sie für Wolfgang
Rihm und seine Musik stellt. Seine besondere Rolle in der aktuellen Musik lässt sich auf
eine einfache Formel bringen: Von Anfang
an, schon in den frühen Kompositionen aus
seiner Schulzeit, ging es ihm darum, neuartige Musik zu komponieren, die, ohne das
Neue abzuwehren, gleichwohl gegen die
Abgrenzung eines separaten Sonderbereiches „Neuer Musik“ opponiert. Ohne Scheu
schrieb der junge Rihm für Besetzungen, an
denen er auch später, selbst in Auftragskompositionen für Avantgarde-orientierte
Auftraggeber, noch festgehalten hat, z. B.
Klavierlieder, Streichquartette und Sinfonien.
Man könnte vermuten, dass der junge Rihm
mit dieser Musik auch in Aufführungen jenseits der Spezialfestivals Neuer Musik hätte
bekannt werden können, zumal sie in ihrer
Tonsprache der klassischen Moderne und
der traditionellen Musik näher standen als
radikale Neue Musik der 1950er und 60er
Jahre und Neue Musik um und nach 1968.
Es ist aber anders gekommen: Sein Durchbruch zum Erfolg gelang auf einem Festival,
auf dem vor ihm auch schon mehrere ältere Komponisten (z. B. Boulez und Rihms
zeitweiliger Lehrer Stockhausen) berühmt
geworden waren: Bei den Donaueschinger
Musiktagen.
Die monumentale, hochexpressive Komposition Morphonie für Orchester mit obligatem
Streichquartett erregte 1974 Aufsehen als
Debut eines damals noch kaum bekannten
Zweiundzwanzigjährigen. Damit waren die
Tore zum Bereich der Neuen Musik im Rundfunk geöffnet, was in den folgenden Jahren
in vielen, höchst unterschiedlichen Auftragswerken für verschiedene Rundfunkanstalten deutlich werden sollte: Ausdrucksmusik jenseits des rigorosen Konstruktivis-
mus der Älteren, den Rihm und andere aus
seiner Generation damals als verbraucht
und einengend empfanden – und dem sie
eine in anderer Weise komplexe, den Hörer
direkt ansprechende Ausdrucksmusik entgegenstellen wollten. Merkwürdig war nur,
dass diese Neuen Tendenzen zunächst in
den Avantgarde-Foren und in einer auf Neue
Musik spezialisierten Publizistik deutlicher
wahrgenommen wurden als in anderen Bereichen des Musiklebens, auf die sie eigentlich zielten: auf Konzertsaal und Opernhaus.
Wenn die neuen Tendenzen, die Wolfgang
Rihm – zunächst vor allem im engeren
Bereich des damaligen westdeutschen
Musiklebens – angestoßen hat, schließlich
doch auch in andere Bereiche des Musiklebens hineingedrungen sind und auch das
internationale Musikleben weitreichend verändert haben, so ist dies nicht zuletzt sein
Verdienst, der er seinen unkonventionellen
Weg jenseits traditioneller und avantgardistischer Klischees unbeirrt weitergegangen ist
und dessen reiches und vielfältiges Oeuvre
jenseits aller dogmatischen Verengungen
immer offen geblieben ist für Andersartiges,
für neuartig Komplexes, für die produktive
Auseinandersetzung mit Altem und Neuem in
Musik, Kunst und Gesellschaft.
Rudolf Frisius
5
6
7
Ausblick
ins Unverhoffte
DREI WALZER FÜR ORCHESTER (1979/88)
Wenn Wolfgang Rihm sich ans Klavier setzt
und zu improvisieren beginnt, dann klingt
dies oft ganz anders als „Neue Musik“ –
anders auch, als was Rihm in vielen Werken
aus dem bisher als „Neue Musik“ Üblichen
gemacht hat. Er hat einmal erzählt, welche
merkwürdigen Konsequenzen dies in seinem
Alltagsleben in der Karlsruher Kriegsstraße
mit sich bringen kann: Wenn er, nach langer
und anstrengender kompositorischer Arbeit
am Schreibtisch, sich einmal im frei improvisierenden Klavierspiel erholt, denken seine
Nachbarn vielleicht, jetzt komponiere er …
Nonchalante Unbekümmertheit im Umgang
mit Versatzstücken traditioneller Musik hat
Wolfgang Rihm schon in jungen Komponistenjahren gezeigt, und er hat sie auch in
späteren Jahren nicht verloren. Nach seiner
Schulzeit ist er als Jungkomponist immer
wieder einmal in die Rolle eines anderen
Komponisten geschlüpft. Nur wenige wissen,
8
dass er dabei manchmal sogar über die Grenzen seiner eigenen Musik hinausgegangen
ist: Im Festspielhaus Baden-Baden ist er als
Darsteller von Georg Friedrich Händel aufgetreten (in einem musikszenisch angereicherten Orchesterstück von Mauricio Kagel; eine
musikalische Händel-Darstellung finden wir
bei Rihm erst später: als Spätbarock-Klischee
für ein verfremdet hochbarockes HamletKlischee in der Oper Die Hamletmaschine).
Hier und anderwärts zeigt sich, dass Anspielungen an traditionelle Musik bei Rihm
nicht nur als hochexpressiv-nostalgische
Beschwörungen zu finden sein können (z. B.
in Orchesterwerken der frühen 1970er Jahre),
sondern auch in leise-ironischen Brechungen.
Auch hierfür gibt es ein Beispiel, in dem der
junge Rihm ausnahmsweise einmal als
Schauspieler aufgetreten ist: In den späten
1970er Jahren konnte man Rihm auch als
schüchternen Filmdarsteller Franz Schuberts
kennenlernen, der einen grimmigen Beethoven in den Durlacher Weinbergen trifft und
ihn scheu fragt, ob man heute noch Liedfor-
men komponieren dürfe. Rihm spielt hier mit
einer ängstlichen Ungewissheit, von der in
seinem realen Komponistenleben, in seiner
unverkrampften Abwendung von der streng
konstruktiven Musik seines (zeitweiligen)
Lehrers Stockhausen, wenig zu spüren ist –
und gerade das erklärt seine unbeschwerte
Fähigkeit zur entspannt-unpolemischen Ironie, wie wir sie auch in anderen Parodien
über Älteres finden – zum Beispiel dann,
wenn Rihm Walzer komponiert.
Quasi-improvisatorische Kompositionen
oder Kompositionsausschnitte aus traditionellen Versatzstücken finden wir nicht nur in
Rihms Klaviermusik, sondern auch in Musik
für größere Ensembles (z. B. in der Music
Hall-Suite), sogar in musiktheatralischen
Werken (schon in der ersten musikszenischen Arbeit, der komischen Oper Faust und
Yorick). Manchmal existieren auch Spuren,
die von kleinen Musikstücken zur Umarbeitung für eine größere Instrumentalbesetzung führen. Ein charaktisches Beispiel
hierfür sind die Drei Walzer für Orchester
(1979/88). Diese Komposition enthält drei
Teile: Sehnsuchtswalzer (1979/81) –
Brahmsliebewalzer (1985/88) – Drängender
Walzer (1979/86). Das letzte Stück ist die
Umarbeitung einer Klaviermusik, die Freunde vierhändiger Hausmusik in einer Sammlung leicht ausführbarer Klavierstücke kennenlernen können: mehrere kurze Walzer
für Klavier vierhändig (1979, 1988). In der
originalen Sammlung wird, deutlicher noch
als in den kunstvoll instrumentierten drei
Orchesterwalzern, erkennbar, dass Rihm
hier seine Anspielungen an Traditionelles
ausdrücklich als ironisches Understatement
verstanden haben will. Deswegen schreibt
er für seine Klavierstücke ein scheinbar naives, in Wirklichkeit durchaus hintergründiges Vorwort, das man einerseits als (un)aufrichtige Entschuldigung für die Einfachheit
des Klaviersatzes lesen kann, andererseits
aber auch als (nicht ganz ernst gemeintes)
Selbstlob für die raffinierte Komposition des
anscheinend doch so Unraffinierten:
„Diese kleinen Walzer schrieb ich mit einer
der beiden freien linken Hände, meist zwischen Tür und Angel oder zwei Mahlzeiten
– oder währenddessen oder während gar
nichts. Oft fastend auch, jawohl. Sie sind
meist als Mitbringsel gemeint. Oder wurden
zur Degustation soeben eingetroffener komponierender Gäste gereicht. Fast alle entstanden 1979 in Rom, als ich als Stipendiat
die Villa Massimo beglückte. Einige Nachzügler verdanken sich gänzlich ähnlicher
ephemerer Entstehungsweisen und erwähnensunwerter Anlässe. Wobei mir jedesmal
große Lust daraus erwuchs, mit Kunstverstand und dennoch nichtig zu gestalten.
Das hat man selten, nicht wahr!?“
Die in diesem Klavieralbum versammelten
Stücke sind nicht die einzigen ihrer Art. Ein
ähnliches Stück hat Rihm später auch beispielsweise, als Mitbringsel für eine Einladung zum opulenten Mittagessen, für Günther Neuhold geschrieben, der als GMD der
BADISCHEN STAATSKAPELLE in Karlsruhe
ein Rihm-Konzert gegeben und auf CD publiziert hat. Diese und andere Stücke mit populärmusikalischen Anspielungen verweisen
darauf, dass Rihm Popularmusik eher in historischer Verkleidung als im originalen Klangbild schätzt – und dass er gelegentlich in orchestralen Umarbeitungen auch populäre
Anklänge in virtuosen, farbigen und witzigen
Instrumentationen weit über ihre ursprünglichen Dimensionen hinaus zu heben bereit ist.
KONZERT IN EINEM SATZ FÜR VIOLONCELLO UND ORCHESTER (2005/2006)
Die Musik beginnt in rätselhafter Zwielichtigkeit: Einerseits erinnert schon ihr Anfang
9
an ein berühmtes Stück aus dem klassischromantischen Konzertrepertoire, aber andererseits ist schon von Anfang an zu spüren,
dass das scheinbar Ähnliche sich in wichtigen Merkmalen auch deutlich unterscheidet. Zu Beginn des Stückes sind leise Begleitfiguren zu hören: im kreisenden
Klangfluss höherer Streicher, mit begleitenden Pizzicato-Akzenten. Danach setzt die
Solistin ein, mit einer ruhigen und leisen Melodie: Diese Beschreibung passt für Rihms
Cellokonzert, aber sie passt auch für ein berühmtes älteres Stück: das e-Moll-Violinkonzert von Mendelssohn. Die Ähnlichkeiten sind verblüffend, aber ebenso deutlich
sind auch wichtige Unterschiede zu erkennen, die sich schon daraus ergeben, dass
beide Komponisten ihre Solopartien für
Streichinstrumente in sehr unterschiedlichen (Normal-)Lagen geschrieben haben:
Mendelssohn lässt die Violine als Oberstimmenmelodie einsetzen, Rihm das Cello mit
einer aus der Tiefe aufsteigenden Kantilene.
Im Miteinander von (melodisch weit geschwungenem) Solo und (sparsamer) Orchesterbegleitung kristallisieren sich dann
Formentwicklungen heraus, die sich für beide Stücke durchaus ähnlich beschreiben
lassen: Die Musik belebt sich, Melodie- und
Begleitfiguren greifen auf andere Instrumente über und die Entwicklung steigert
sich bis in einen Tutti-Höhepunkt hinein –
bei Mendelssohn (hier in zwei Anläufen) und
auch bei Rihm (dort als zusammenhängender weiträumiger Prozess).
Hier und auch im weiteren Verlauf findet
man also in beiden Stücken ähnliche Formentwicklungen, aber in vielen Details sind
beide Stücke durchaus unterschiedlich
gestaltet: Mendelssohn behandelt die Violinstimme über weite Strecken hinweg als
gesangliche Oberstimme, die auch im virtuosen Passagenwerk ihre farblich brillante
10
hohe Lage kaum jemals verlässt. Umso stärker wirkt es dann, wenn an wichtiger Stelle
die Musik umschlägt und sich aus ihrer typischen Tonlage herausbewegt – wenn die
Melodie langsam absteigt und sich beruhigt
auf ihrem tiefsten Ton, der lange ausgehalten wird und über dem dann das Gesangsthema in den Bläsern einsetzt. Solche
Klangwirkungen mit überraschend und prägnant wechselnden Tonlagen finden sich in
Rihms Musik eher selten, weil in seiner Musik ein anderes Entwicklungsprinzip zu erkennen ist: Immer wieder drängt die Musik
über die typische Cellolage hinaus und
steigt auf bis in extrem hohe Tonlagen, als
wollte sie, mit der größeren Kraft des Cellotons, die Intensität der hohen Violinlagen
noch überbieten.
Die enormen technischen Schwierigkeiten,
die die Cellistin zu bewältigen hat, kann
der Hörer wahrnehmen als äußerste Intensität des Ausdrucks, der über die Grenzen
des instrumental Naheliegenden hinaus
drängt und nur an wenigen Stellen das
sonst Übliche als Überraschung präsentiert: Die für das Cello eigentlich typischen
tiefen Lagen kommen nur selten vor, wirken dann aber hier (ähnlich wie bei Mendelssohn) als Ausnahmephänomene umso
stärker – sei es mitten im Stück, sei es,
noch deutlicher, im breit und beruhigend
ausklingenden Schluss.
Selbst im Aufbau beider Stückes lässt sich
Ähnliches ebenso wie Verschiedenes finden: Bei Mendelssohn sind noch Konturen
verschiedener Sätze zu erkennen – weitgehend eigenständig, in den üblichen Gliederungen, allerdings in direkter Aufeinanderfolge, ohne Zwischenpausen. Rihm hat sein
Konzert anders gestaltet und bezeichnet: als
einsätzige Musik. Aber auch bei ihm lassen
sich noch Spuren traditioneller Mehrsätzig-
keit erkennen. Auch darin zeigt sich der
Doppelcharakter seiner Musik: Verwandlung von Bekanntem in Unbekanntes –
wechselseitige Verschlingungen von Altem
und Neuem; Musik in einer rätselhaften
Mehrdeutigkeit, die vielleicht den Hörer
noch stärker fordert als den Interpreten, der
möglicherweise eher zum Vergleich mit dem
ihm bereits aus seiner professionellen Praxis Vertrauten neigt:
„Im Falle des Cellokonzertes von Wolfgang
Rihm fiel mir zuerst auf, wie schwer zu spielen es ist – und wie im Grunde genommen
hoch romantisch, ganz „cellistisch“ im Sinne der weitgeschwungenen Linien und der
Ausdrucksbreite.“ Mit diesen Worten hat
die Uraufführungs-Solistin Tanja Tetzlaff
ihre Erfahrungen bei der ersten Einstudierung des Werkes beschrieben. Danach
spricht sie über eine Besonderheit des Stückes: Die häufige Verwendung extrem hoher
Lagen – eine Besonderheit, die sie dann allerdings auch gleich wieder abgrenzt von
traditionellen Vorbildern, wenn sie betont,
dass alles übersteigert und manchmal fast
hysterisch wirkt.
Wer über Rihms Musik schreibt, versucht
etwas, das der Komponist sich im Laufe der
Jahre mehr und mehr abgewöhnt hat: die
Botschaft stummer Klänge in Worte zu
fassen. Der Komponist ist, wie er oft auch
öffentlich versichert hat, fest davon überzeugt, dass seine Musik für sich selbst sprechen kann und dass vor allem der unmittelbare Höreindruck durch
Komponistenkommentare nicht verfälscht
oder verwischt werden sollte. Rihms musizierende oder analysierende Interpreten
verhalten sich nicht immer so asketisch –
beispielsweise dann, wenn sie seine Musik
mit älterer Musik vergleichen. Wer darüber
spricht, kann dabei vielleicht Spuren des
Bekannten leichter benennen als das, was
anders wäre. So erklärt sich, dass die Uraufführungs-Solistin im Kommentar zur ihrer
CD-Einspielung nicht nur auf traditionsnahe
Melodielinien und Ausdruckswerte zu sprechen kommt, sondern auch auf traditionelle
Spuren in größeren Zusammenhängen der
formalen Gestaltung. „Auch von der Form
her viel Konventionelles „Solokonzertmäßiges“: wilde Kadenzen, ein lustiger ScherzoTeil, ein nachdenklicher langsamer Teil, ein
hochvirtuoser Schlussteil, an den sich ein
wirklich wunderschönes, versöhnliches,
verklärtes Ende anschließt …“
Wer diese Beschreibung liest und ihr beim
Hören des Stückes zu folgen versucht, kann
feststellen, dass er lange warten muss: Das
Stück fängt ganz anders an, und bei diesem
Anderssein bleibt es recht lange: Die von
sparsamen Zupftönen und rasch kreisenden
Figuren der Saiteninstrumente begleitete
Musik beginnt mit ruhigen Melodietönen,
die sich erst nach und nach beleben und insofern den rascheren Begleitfiguren annähern, und die Gegensätze zwischen Melodie
und Begleitung beginnen sich mehr und
mehr zu verwischen, bis die Steigerung und
Expansion auch auf andere Instrumente
(Holzbläser, später auch Blechbläser) übergreift und schließlich, auf einem markanten
Abschlusston des Solisten, zu einem kräftigen Tutti-Höhepunkt führt. Der Kenner traditioneller Konzertmusik könnte erwarten,
dass an dieser Stelle das einleitende begleitete Solo von einem längeren OrchesterZwischenspiel abgelöst wird, aber Rihm
macht schon nach wenigen Takten deutlich,
dass es ihm darum nicht geht: Die Solistin
setzt, nach dem kurzen Tutti-Blitz des Orchesters, mit anderen melodischen Konturen seine Melodielinien fort – diese Musik
einer neuen Kontinuität mit einer neuartigen
(orchestral vernetzten) „unendlichen Melodie“ ist dem Komponisten offensichtlich
11
wichtiger als eine traditionelle Formgliederung. Stattdessen gestaltet Rihm Musik in
einer kontinuierlichen Form-entwicklung:
immer wieder neu ansetzend mit Melodielinien, die weiträumig den Tonraum durchziehen – im ständigen Wechsel zwischen
Wachsen und Abnehmen, Verdichtung und
Reduktion, schließlich herabsinkend in tiefste Lagen und verlöschend.
Der Hörer kann diesem unablässigen Wechselspiel folgen, er kann auch (wie die Solistin ihm vorschlägt) nach Spuren traditioneller Mehrsätzigkeit in diesem einsätzigen
Stück suchen (ähnlich wie in berühmten romantischen Solokonzerten oder etwa in einer symphonischen Dichtung von Franz
Liszt): in einem unablässig bewegten Strom
von bald bekannten, bald unbekannten Klängen, Klanggestalten und Klangentwicklungen. Der Hörer kann auch versuchen, sich
Gedanken zu machen über eigentümliche
Spannungsverhältnisse zwischen Altem und
Neuem – vielleicht auch angeregt durch den
witzigen CD-Kommentar der Solistin Tanja
Tetzlaff, der Assoziationen von Traditionellem zugleich wachruft und humorvoll in Frage stellt: „Wie ein Abschiednehmen ist es,
wenn man diese letzten Takte spielt, so dass
es mir immer wieder vorkommt, als wäre im
Nachhinein das ganze übersteigerte, übertriebene Werk wie ein letztes Aufbäumen
des konventionellen Solokonzertes, das
dann im Nichts versinkt.“
VERS UNE SYMPHONIE FLEUVE FÜR
ORCHESTER (1997/2012)
Die Orchesterkomposition Vers une symphonie fleuve VI ist Bestandteil eines in den
1990er Jahren begonnenen Zyklus‘ von Orchesterstücken. Der Titel des Zyklus‘ verweist darauf, dass seine einzelnen Stücke
als Stationen auf dem Weg zu einer Sinfonie
12
verstanden werden können. So ergibt sich
ein neues Stadium in einer kompositorischen Entwicklung, in der Rihm schon frühzeitig, noch während seiner Schulzeit, die
Hinwendung zur Sinfonie vollzogen hat.
Während aber in den 1970er Jahren verschiedene Sinfonien als Einzelwerke entstanden sind, hat sich die spätere Entwicklung Rihms in vielen Fällen auf Werkzyklen
konzentriert, deren einzelne Stücke Schritt
für Schritt, nicht selten auch in größeren
Zeitabständen entstehen konnten (wobei
auch die genaue Gesamtdisposition nicht
von Anfang an feststehen musste, sondern
sich eventuell erst im Prozess der Ausarbeitung genauer herauskristallisierte).
Werk und Werkzyklus sind Stichworte, die
für die kompositorische Entwicklung Rihms
seit den frühen 1970er Jahren bedeutsam
geworden sind. Das zeigt sich schon im ursprünglichen Titel des ausgedehnten, fast
40 Minuten dauernden Orchesterstückes,
mit dessen Uraufführung auf den Donaueschinger Musiktagen 1974 Rihm berühmt
geworden ist: Morphonie Sektor IV. Dieses
Stück war ursprünglich geplant als IV. Teil
(„Sektor“) eines siebenteiligen Zyklus’.
Schon im Jahr der Uraufführung hat Rihm
allerdings verlauten lassen, er wisse noch
nicht, ob er die Arbeit an diesem Zyklus fortsetzen würde, und zur Weiterarbeit ist es
dann auch in den folgenden Jahrzehnten
nicht gekommen. Am Anfang der Arbeit an
einem großen Werkzyklus stand hier also
die Ausarbeitung eines einzelnen Werkes
(mit einigen vorsorglichen Zusatzvorschriften für den Fall einer späteren zyklischen
Aufführung), und dabei ist es dann geblieben. Allerdings hat Rihm der Idee des Werkzyklus‘ in der Folgezeit keineswegs abgeschworen, sondern mehrfach versucht,
Beziehungen zwischen verschiedenen Einzelwerken herzustellen.
In Rihms Werkverzeichnis finden sich Titel,
bei denen schwer zu sagen ist, ob es hier
vorrangig um selbständige Einzelwerke oder
um die Vereinigung mehrerer Werke in einem Werkzyklus geht. Sieben in den 1970er
Jahren entstandene Klavierstücke beispielsweise sind zunächst als Einzelwerke
entstanden und bekannt geworden. Nur
Klavierstück VI weist über die Grenzen eines Einzelwerkes hinaus, weil Rihm hier viele Erinnerungen an oder Vorankündigungen
von früheren oder späteren Werken präsentiert (wobei die hier zusammengestellten
Ausschnitte allerdings nicht nur auf andere
Klaviermusik verweisen, sondern auch z. B.
auf einen Klavierlieder-Zyklus). Seit den
1980er Jahren sind dann nach und nach viele verschiedene, aus zahlreichen unterschiedlichen Einzelstücken bestehende
Werkzyklen entstanden – ausgehend nicht
von einer über viele Jahre hinweg reichenden Vorplanung (wie sie etwa Karlheinz
Stockhausen 1977 für etwa 25 Jahre Arbeit
an seinem Opernzyklus Licht skizziert hatte), sondern eher intuitiv, ohne genauere
Vorplanung, sich Schritt für Schritt vortastend von einem Werk zum anderen.
Der in den 1980er Jahren entstandene Chiffre-Zyklus (der später noch durch eine Nachschrift ergänzt worden ist) vereinigt verschiedene Werke in unterschiedlichen
Instrumentalbesetzungen in einer Musik mit
knappen, prägnanten „Klangzeichen“ (Chiffren), die gelegentlich auch von einem Einzelstück in ein anderes herüber wandern können. In anderen, seitdem und später
entstandenen Werkzyklen sind die einzelnen Bestandteile oft viel enger miteinander
verknüpft – nicht nur in einzelnen, von Werk
zu Werk wandernden und dabei vielfältig
verwandelten Klängen und Klangkonstellationen, sondern oft – vor allem seit den
1990er Jahren – auch in Überlagerungen un-
terschiedlicher Materialien. Ein wichtiges
Beispiel ist der Zyklus Vers une symphonie
fleuve, der einen bemerkenswerten Positionswandel in Rihms kompositorischer Entwicklung markiert: Musik einer neuen Kontinuität – ein in zusammenhängenden
Klangströmen sich herausbildendes Kontrastmodell zu den scharf geschnittenen
Klangzeichen des Chiffre-Zyklus‘.
In Rihms gesammelten Schriften findet sich
ein auf den 17. Februar 1995 datierter Text
mit dem Titel Mitteilungen zu Vers une
symphonie fleuve. Dieser Text gehört zum
ersten Stück dieses Zyklus (Vers une symphonie fleuve I, 1994–1995) und gibt Auskunft darüber, was Rihm sich damals mit
seinem neuen Zyklus vorgenommen hatte:
„Seit einiger Zeit spüre ich in mir den
Wunsch wachsen, für meine Instrumentalmusik etwas zurückzugewinnen, das ich
mit dem Begriff „Fluß“ bezeichnen könnte.“
Wichtig für eine diesem Wunsch entsprechende Musik ist eine neue Zielvorstellung:
„… der Wunsch nach Fluß, Fließen, Strom,
Strömung – vielleicht auch nach Flut, Flutung und Strudel … Meine Vorstellung: Das
alles läuft auf den Zusammenfluß der imaginierten Klangströme hin, auf eine fließende Symphonie – eine symphonie fleuve. So
denke ich mir, daß in den nächsten Jahren
Orchesterstücke entstehen, die hin zu dieser symphonie fleuve fließen, zu einer
Symphonie, die mir noch unbekannt ist,
einmal aber da sein wird, unabgeschlossen, durchlässig, ihr eigener Fluß.“ Rihm
erzählt, dass ihm Hubert Fichte 1979 von
der Idee seines roman fleuve erzählte, dass
er in der Folgezeit mehrmals vergeblich
versuchte, Jahnns Fluß ohne Ufer zu lesen
und wie er dabei Erfahrungen mit vergeblichen Ansätzen gesammelt hat: begonnen
– verloren – wiederbeginnen – wiederverlieren.
13
Am 15. Mai 1995, einen Tag nach der Karlsruher Uraufführung von Vers une symphonie fleuve II (mit der BADISCHEN STAATSKAPELLE unter Günter Neuhold) machte
Rihm in einem Gespräch mit Bas van Putten deutlich, dass sich nach der Vollendung
der ersten Stücke die Vorstellungen über
den gesamten Werkzyklus verändert hatten. Auf die Frage, ob die Arbeit an den einzelnen Stücken schließlich zu einer Sinfonie führen würden, antwortete er: „Es wird
eher so sein, daß ich gar nie dahin komme,
sondern nur in diese Richtung mich bewege … Wird es überhaupt ‚ein Ganzes‘ geben
können, bei der Idee des Flusses?“
Die Entstehungs- und Aufführungsgeschichte der einzelnen Stücke und des
Werkzyklus‘ spricht für die Offenheit und
Vieldeutigkeit dieser Musik, die nicht nur in
14
zyklischen Zusammenhängen, sondern
auch in den einzelnen Werken deutlich werden kann – beispielsweise im VI. Stück des
Zyklus mit großer Besetzung (meist vierfach besetzten Bläsern) und einer Formentwicklung aus großen Bögen und insistierend heftigen Eruptionen, die aus dem ruhigen Geflecht einer Streichermusik hinauswächst in harmonische Fülle, rhythmische
Schärfe, dynamische Expansion und eine
Vielschichtigkeit, die sich ausbreitet bis in
herausgehobene Raumpositionen einzelner
Instrumente und Instrumentengruppen. Der
ruhige, leise Schluss des Stückes führt, als
völlig überraschender Ausbruch aus der
Dynamik des Vorangegangenen, in eine
ganz andere Ausdruckswelt: ein Ausblick
ins Unverhoffte, Unbekannte.
Rudolf Frisius
15
tanja tetzlaff
violoncello
Die Cellistin Tanja Tetzlaff verfügt über ein
weit gefächertes Repertoire, das sowohl die
Standardwerke der Solo- und Kammermusik
als auch zahlreiche zeitgenössische Kompositionen umfasst. Nach der erfolgreichen
Teilnahme an internationalen Wettbewerben konzertierte sie mit zahlreichen renommierten Orchestern, darunter das TonhalleOrchester Zürich, das Orchestre de Paris,
das Symphonieorchester des Bayerischen
Rundfunks, das Royal Flanders Orchestra,
die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen,
die Camerata Salzburg oder das Konzerthausorchester Berlin unter namhaften
Dirigenten wie Lorin Maazel, Daniel Harding,
Sir Roger Norrington, Philippe Herreweghe,
Vladimir Ashkenazy, Michael Gielen und
Paavo Järvi.
16
Ihre besondere Liebe gilt der Kammermusik.
Regelmäßig spielt sie u. a. mit Lars Vogt,
Alexander Lonquich, Antje Weithaas, Leif
Ove Andsnes, Florian Donderer, Baiba und
Lauma Skride sowie mit ihrem Bruder Christian zusammen, mit dem sie das Tetzlaff
Quartett gegründet hat. Tanja Tetzlaff ist
ein gern gesehener Gast bei renommierten
Konzertreihen und Festivals, so bei der
Schubertiade Schwarzenberg, beim Beethovenfest Bonn und als „Stammspielerin“ bei
Lars Vogts Festival „Spannungen“ in Heimbach in der Eifel. Das Cello-Konzert von
Wolfgang Rihm hat Tanja Tetzlaff auf ihrem
Cello von Giovanni Baptista Guadagnini von
1776 mit dem Konzerthausorchester Berlin
unter Lothar Zagrosek zur Erstaufführung
gebracht.
justin brown
dirigent
Justin Brown studierte an der Cambridge
University und in Tanglewood bei Seiji Ozawa und Leonard Bernstein und arbeitete
später als Assistent bei Leonard Bernstein
und Luciano Berio. Als Dirigent debütierte er
mit der gefeierten britischen Erstaufführung
von Bernsteins Mass. Für seine Arbeit beim
Alabama Symphony Orchestra, wo er seit
fünf Spielzeiten als Chefdirigent wirkt, und
insbesondere für seine Programmgestaltung wurde er mit dem ASCAP-Award 2010
und 2011 ausgezeichnet. Auf Einladung des
renommierten „Spring for Music Festival“
2012 dirigiert er das Orchester in der Carnegie Hall. Brown leitete zahlreiche Uraufführungen und dirigierte wichtige Stücke
bedeutender zeitgenössischer Komponisten
wie Elliott Carter und George Crumb.
Er musizierte zudem mit namhaften Solisten
wie Yo-Yo Ma, Leon Fleisher und Joshua
Bell. Zahlreiche Gastengagements führten
ihn an renommierte Opernhäuser und zu
Orchestern weltweit, in Deutschland u. a. an
die Bayerische Staatsoper München und zu
den Dresdner Philharmonikern. Komplettiert
wird sein Erfolg durch viele CD-Einspielungen, 2006 wurde er für einen Grammy in
der Kategorie „Best Classical Recording“
nominiert. Als GMD am STAATSTHEATER
KARLSRUHE, der er seit 2008 ist, wird
Justin Brown v. a. für seine Dirigate von
Wagners Ring sowie der Werke Berlioz‘,
Verdis und Strauss’ gefeiert. In der aktuellen
Spielzeit übernimmt er die musikalische Leitung von Les Troyens, bei Romeo und Julia
auf dem Dorfe sowie Lohengrin.
17
die
badische
staatskapelle
Als eines der ältesten Orchester Deutschlands und sogar weltweit kann die
BADISCHE STAATSKAPELLE auf eine
überaus reiche und gleichzeitig gegenwärtige Tradition zurückblicken. 1662 als Hofkapelle des damals noch in Durlach residierenden badischen Fürstenhofes gegründet,
entwickelte sich aus dieser Keimzelle ein
Klangkörper mit großer nationaler und internationaler Ausstrahlung. Berühmte Hofkapellmeister wie Franz Danzi, Hermann
Levi, Otto Dessoff und Felix Mottl leiteten
zahlreiche Ur- und Erstaufführungen, z. B.
von Hector Berlioz, Johannes Brahms und
Béla Bartók, und machten Karlsruhe zu einem der Zentren des Musiklebens. Neben
Brahms standen Richard Wagner und Richard Strauss gleich mehrfach am Pult der
Hofkapelle; Niccolò Paganini, Clara Schumann und viele andere herausragende Solisten waren gern gehörte Gäste. Hermann
Levi führte in den 1860er Jahren die ersten
regelmäßigen Abonnementkonzerte des damaligen Hoforchesters ein, die bis heute als
Sinfoniekonzerte der BADISCHEN STAATSKAPELLE weiterleben.
Allen Rückschlägen durch Kriege und
Finanznöten zum Trotz konnte die Tradition
18
des Orchesters bewahrt werden. Generalmusikdirektoren wie Joseph Keilberth,
Christof Prick, Günther Neuhold und Kazushi Ono führten das Orchester in die Neuzeit, ohne die Säulen des Repertoires zu
vernachlässigen: Regelmäßig fanden sich
zeitgenössische Werke auf dem Programm; Komponisten wie Werner Egk,
Wolfgang Fortner oder Michael Tippett
standen sogar selbst vor dem Orchester,
um ihre Werke aufzuführen.
Die große Flexibilität der BADISCHEN
STAATSKAPELLE zeigt sich auch heute
noch in der kompletten Spannweite zwischen Repertoirepflege und der Präsentation zukunftsweisender Zeitgenossen, exemplarisch hierfür der Name Wolfgang
Rihm. Der seit 2008 amtierende Generalmusikdirektor Justin Brown steht ganz besonders für die Pflege der Werke Wagners, Berlioz‘, Verdis und Strauss’ sowie
für einen abwechslungsreichen Konzertspielplan. Mit ihm geht das Orchester in
sein 350-jähriges Jubiläum 2012, in dem
sich die BADISCHE STAATSKAPELLE –
auf der reichen Aufführungstradition aufbauend – als lebendiges und leistungsfähiges Ensemble präsentiert.
besetzung
1. Violine
Janos Ecseghy
Yin Li
Katrin Adelmann
Viola Schmitz
Rosemarie Simmendinger-Kàtai
Susanne Ingwersen
Thomas Schröckert
Werner Mayerle
Herbert Pfau-von
Kügelgen
Benedict Flisfish
Ayu Ideue
Juliane Anefeld
Judith Sauer
Claudia von KoppOstrowski
2. Violine
Annelie Groth
Shin Hamaguchi
Toni Reichl
Gregor Anger
Andrea Böhler
Christoph Wiebelitz
Diana Drechsler
Dominik Schneider
Birgit Laub
Steffen Hamm
Eva-Maria Vischi
Anna Heilmeier
Viola
Franziska Dürr
Michael Fenton
Christoph Klein
Joachim Steinmann
Ortrun RieckeWieck
Kyoko Kudo
Sibylle Langmaack
Akiko Sato
Katharina Maier
Nicholas Clifford
Violoncello
Johann Ludwig
Alexander Kaschin
Norbert Ginthör
Benjamin Groocock
Minjung Suh
Xinliang Hu
Yuki Nomura
Marie Deller
Kontrabass
Joachim Fleck
Peter Cerny
Xiaoyin Feng
Karl Jackl
Christoph Epremian
Roland Funk
Harfe
Silke Wiesner
Flöte
Dirk Peppel
Horatiu Roman
Dorota Iminienska
Rosemarie Moser
Oboe
Kai Bantelmann
Ilona Steinheimer
Nobuhisa Arai
Dörthe Mandel
Klarinette
Frank Nebl
Daniel Bollinger
Martin Nitschmann
Yvonne Bauer
Leonie Gerlach
Jochen Weidner
Fagott
Detlef Weiß
Martin Drescher
Ulrike Bertram
Maren Duncker
Horn
Susanna WichWeißsteiner
Frank Bechtel
Peter Bühl
Jörg Dusemund
Trompete
Wolfram Lauel
Jens Böcherer
Klaus Bräker
Peter Heckle
Szabolcs Schütt
Ulrich Warratz
Posaune
Angelika Frei
Dirk Ellerkamp
Holger Schinko
Heinrich Gölzenleuchter
Tuba
Dirk Hirthe
Thomas Matt
Pauke & Schlagzeug
Helge Daferner
Raimund Schmitz
Hans-Joachim Göhler
Jürgen Heinrich
Rainer Engelhardt
19
20
21
AUFTAKT UND ABSCHLUSS
RIHM-GEBURTSTAGSKONZERT
Das Neujahrskonzert sowie das Festkonzert am 9.1. mit der Uraufführung der
Abendstimmung von Anno Schreier und der
Wiederauführung von Brahms’ 1. Sinfonie
bilden den Auftakt zum Orchesterjubiläum.
Das Jahr endet mit einem der am größten
besetzten Werke der Orchesterliteratur:
Die Gurrelieder von Arnold Schoenberg werden im Dezember neben der BADISCHEN
STAATSKAPELLE zahlreiche weitere Kräfte
des Hauses sowie Gastchöre zusammenbringen. Die über 300 Beteiligten werden mit der
sicheren Hand von GMD Justin Brown durch
diese Herausforderung geführt.
Beim Festkonzert zum 60. Geburtstag
Wolfgang Rihms am 13.3. stehen ausschließlich Werke des berühmten Sohnes
der Stadt auf dem Programm, das von der
Uraufführung eines Auftragswerks der
Stadt Karlsruhe gekrönt wird.
KOMPOSITIONSPREIS
Die BADISCHE STAATSKAPELLE schreibt
anlässlich ihres Orchesterjubiläums einen
europaweiten Kompositionswettbewerb
aus, dessen Siegerstück im Sinfoniekonzert am 25. & 26.11. zur Uraufführung kommen wird.
HISTORISCHE KONZERTE
Herausragende historische Konzertprogramme und Aufführungen leben für Jubiläumskonzerte wieder auf – teilweise als komplette Übernahme alter Programme, teilweise in
neuer Kombination mit geeigneten Werken.
Anknüpfungspunkte sind dabei Uraufführungen (z. B. Brahms‘ 1. Sinfonie im Festkonzert
am 9.1.), Programme von Komponisten-Dirigenten (z. B. Richard Strauss im Sinfoniekonzert am 21. & 22.10.) oder Solowerke, die
von ihrem Urheber gespielt wurden (z.B. Paganinis 1. Violinkonzert im Sinfoniekonzert
am 5. & 6.2. sowie Béla Bartóks Rhapsodie
für Klavier und Orchester im Sinfoniekonzert
am 25. & 26.11.).
22
URAUFFÜHRUNGEN
Neben der Abendstimmung von Anno
Schreier im Festkonzert sowie dem neuen
Werk Wolfang Rihms (Geburtstagskonzert am 13.3.) und dem Siegerstück des
Kompositionswettbewerbs (Sinfoniekonzert am 25. & 26.11.) wird es noch eine
dritte Uraufführung geben: Zeynep Gedizlioglu schreibt ein neues Stück für das
NachtKlänge-Konzert Ausgezeichnet im
Rahmen der Europäischen Kulturtage
2012. Es führt als Wandelkonzert am 5.4.
in verschiedene Räume des STAATSTHEATERS KARLSRUHE.
JUGENDKONZERTE
THEATERFEST
Ein Kerngedanke der zukunftsgerichteten
Arbeit der BADISCHEN STAATSKAPELLE ist
die altersgerechte Vermittlung der Werke.
Dies wird im Programm des Jubiläumsjahres
besonders deutlich durch die Erhöhung der
Anzahl der Kinderkonzerte sowie durch die
komplett neue Reihe der moderierten Jugendkonzerte. In diesem neuen Format für
Jugendliche ab zwölf Jahren steht jeweils
ein klassisches Werk in den Mittelpunkt, das
zwei Mal gespielt und dazwischen mit Ausschnitten und Klangbeispielen unterhaltsam
und informativ erläutert wird. Beginn ist am
9.2. mit Schubert anders gehört.
Auch das Theaterfest zum Beginn der Saison 2012/13 am 22.9. wird im Zeichen des
Orchesterjubilums stehen. Die öffentliche
Generalprobe zum 1. Sinfoniekonzert 12/13
mit Brahms’ 1. Klaierkonzert und weitere
Programmpunkte rund um das Orchester
sind geplant.
AUSSTELLUNG
Im Foyer des Staatstheaters wird ab 13.3.
eine Ausstellung Dokumente, Gemälde, Fotos und weitere Erinnerungen rund um die
ereignisreiche Geschichte der BADISCHEN
STAATSKAPELLE präsentieren.
ORCHESTERFEST
Ein vielfältiges Programm rund um die
BADISCHE STAATSKAPELLE erwartet Sie
zum Orchesterfest am 21.7. vor und im
STAATSTHEATER. Formationen des Orchesters füllen verschiedene Räume mit Musik
der unterschiedlichsten Stilrichtungen, Vorträge und Lesungen bringen die spannende
Geschichte der früheren Hofkapelle in die
Gegenwart. Für Kinder gibt es Angebote zum
Zuhören und Mitmachen, Führungen durch
sonst verschlossene Räume und Instrumente zum Anfassen und Ausprobieren. Auch
die Open-Air-Bühne vor dem Theater bietet
den ganzen Tag über musikalische Unterhaltung – bis hin zum Finale mit großem Orchester. Und alles bei freiem Eintritt!
FESTSCHRIFT
Die Ausstellung begleitet eine umfangreiche Festschrift mit vertiefenden Einblicken
in 350 Jahre BADISCHE STAATSKAPELLE.
CD-AUFNAHMEN
Zum Festkonzert und Festakt am 9.1. erscheint als erste Aufnahme zum Orchesterjubiläum ein Konzertmitschnitt von Mahlers
9. Sinfonie. Neben weiteren Konzertmitschnitten ist auch ein Querschnitt von
Rundfunk-, Platten- und CD-Produktionen
der letzten Jahrzehnte geplant.
Die Veranstaltungen des Jubiläumsjahres
werden unterstützt von:
23
bildnachweise
TITEL
S. 3
S. 6, 7
S. 15
S. 16
S. 17
S. 20, 21
Bernhard Schmitt
Bernhard Schmitt
Bernhard Schmitt
Bernhard Schmitt
Giorgia Bertazzi
Jochen Klenk
Armin Linke
TEXTNACHWEISE
S. 2 – 14
Die Texte sind Original
beiträge für dieses
Programmheft
Sollten wir Rechteinhaber übersehen
haben, bitten wir um Nachricht.
impressum
Herausgeber
STAATSTHEATER Karlsruhe
Generalintendant
Peter Spuhler
VERWALTUNGSDIREKTOR
Michael Obermeier
Chefdramaturg
Bernd Feuchtner
ORCHESTERDIREKTOR &
KONZERTDRAMATURG
Axel Schlicksupp
REDAKTION
Axel Schlicksupp
KONZEPT
DOUBLE STANDARDS Berlin
www.doublestandards.net
STAATSTHEATER KARLSRUHE
Saison 2011/12
Programmheft Nr. 44
www.staatstheater.karlsruhe.de
GESTALTUNG
Danica Schlosser
DRUCK
medialogik GmbH, Karlsruhe
JETZT NOCH ABONNENT WERDEN
Wussten Sie, dass Sie noch während der
Spielzeit alle unsere Konzertabonnements
buchen können? Auch dann profitieren Sie
von der ca. 20-prozentigen Ermäßigung,
denn Sie bezahlen nur anteilig für die verbliebenen Konzerte.
24
Unser Abonnementbüro berät Sie gerne!
ABONNEMENTBÜRO
T 0721 3557 323
F 0721 3557 346
[email protected]
die nächsten
konzerte
3. KAMMERKONZERT
EUROPÄISCHE KULTURTAGE 2012
Wolfgang Amadeus Mozart Oboenquartett
F-Dur KV 370
Wolfgang Rihm Streichtrio op. 9
Benjamin Britten Phantasy Quartet für Oboe
und Streichtrio f-Moll op. 2
Krzysztof Penderecki Sextett für Klarinette,
Horn, Streichtrio und Klavier
Stephan Rutz Oboe Frank Nebl Klarinette Jörg
Dusemund Horn Claudia von Kopp-Ostrowski
Violine Christoph Klein Viola Wolfgang Kursawe
Violoncello Miho Uchida Klavier
18.3. 11.00 KLEINES HAUS
KAMMERKONZERT
EXTRA 1
EUROPÄISCHE KULTURTAGE 2012
Clara Schumann Klaviertrio op. 17
Wolfgang Rihm Fremde Szenen I+II, Versuche
für Klaviertrio
Wilhelm Killmayer Brahms-Bildnis für
Klaviertrio
Johannes Brahms Klaviertrio H-Dur op. 8
NACHTKLÄNGE 2 –
Ausgezeichnet
EUROPÄISCHE KULTURTAGE 2012
Werke von Julian Klein, Marton Illés, Vito
Zuraj, Zeynep Gedizlioglu (UA), Matthias
Ockert (UA) und Luis Codera Puzo
Hoepfner-Stipendiaten stellen sich in einem
Wandelkonzert musikalisch vor: Sechs ungewöhnliche oder für Besucher sonst nicht zugängliche Räume werden musikalisch erobert.
Mitglieder der BADISCHEN STAATSKAPELLE
Ulrich Wagner Dirigent und Moderator
5.4. 22.00 TREFFPUNKT
KASSENHALLE
6. SinfonieKONZERT
John Adams The Wound-Dresser für Bariton
und Orchester nach Walt Whitman
Frederick Delius Sea Drift für Bariton, Chor und
Orchester nach Walt Whitman
Antonín Dvořák Sinfonie Nr. 9 e-Moll op. 95
„Aus der Neuen Welt“
Judith Sauer Violine Johann Ludwig Violoncello Stephen Moore Klavier
Badischer Staatsopernchor und Extrachor
Roderick Williams Bariton Ulrich Wagner Einstudierung Tomas Hanus Dirigent
25.3. 20.00 KLEINES HAUS
22.4. 11.00 & 23.4. 20.00 GROSSES HAUS
Herunterladen