rihm festkonzert zum 60. geburtstag 4. sonderkonzert 1 Wolfgang Rihm Festkonzert zum 60. Geburtstag 4. Sonderkonzert Wolfgang Rihm (*1952) 3 Walzer für Orchester (1979/88) 1.Sehnsuchtswalzer 2.Brahmsliebewalzer 3. Drängender Walzer Grußworte Jürgen Walter Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg Heinz Fenrich Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe Wolfgang Rihm Konzert in einem Satz für Violoncello und Orchester (2005/2006) 17’ 25’ – Pause – Dank Wolfgang Rihm Wolfgang Rihm Vers une symphonie fleuve VI (1997/2012) URAUFFÜHRUNG AUFTRAGSWERK DER STADT KARLSRUHE BADISCHE STAATSKAPELLE Tanja Tetzlaff Violoncello Justin Brown Dirigent 13.3.12 20.00 GROSSES HAUS Dauer ca. 2 ¼ Stunden Das Konzert wird von SWR2 aufgezeichnet. Sendetermin 14.4.12 20.03 30’ Ein unorthodoxer 60-jähriger Wolfgang Rihm ist ein Jubiläums-unverdächtiger Komponist. Das – und nicht nur das – verbindet ihn mit einem Komponisten, dessen hundertster Geburtstag in das selbe Jahr fällt und von dem ihn sonst vieles unterscheidet: John Cage. Der jahrzehntelang heftig umstrittene Pionier der amerikanischen MusikAvantgarde hat Spott und heftigen Protest gegen seine radikalen Neuerungen (z. B. in der Geräusch- und Zufallsmusik) jahrzehntelang geduldig ertragen, und er war dann eher beunruhigt darüber, dass ihn Geburtstagsfeiern in höherem Alter in den unerwünschten Ruf eines Klassikers bringen könnten. Der vierzig Jahre jüngere Wolfgang Rihm, der mit ganz anderen Schwierigkeiten und Widerständen zu kämpfen hatte, geht in seine Geburtstagsfeiern auch in dieser Hinsicht eher gelassen, nachdem auch er im Laufe der Jahrzehnte dem Lärm öffentlicher Kontroversen mehr und mehr entronnen ist. Andererseits ist er gewitzt und humorvoll genug, auch im großen Stress der Termine gelassen umzugehen mit einer schier unüber2 sehbaren Schar von Gratulanten: Diejenigen, die Rihms musikalische Entwicklung schon von früh an, seit seiner Schulzeit, verfolgt haben – Weggenossen seiner Ausbildungszeit (in Karlsruhe während seiner Schulzeit; danach auch andernorts, z. B. in Köln bei Karlheinz Stockhausen, später in Freiburg bei Klaus Huber) – Zeitzeugen seiner ersten Erfolge in Donaueschingen und Darmstadt, Kollegen, Freunde und kritische Begleiter in seiner jahrzehntelangen kompositorischen Karriere haben Unterschiedliches zu sagen. Das Spektrum der Meinungen reicht von überströmender Begeisterung bis zu gelegentlich widerwilligen Respektbezeugungen mit höflich zusammengebissenen Zähnen. Wohl kann man in seiner Heimatstadt Karlsruhe gelegentlich noch Menschen begegnen, die zwar mit ihm zur Schule gegangen sind, aber noch nie eine Note von ihm gehört haben. Selbst diese Menschen, deren Anzahl sich im Jahr zahlreicher Geburtstagsfeiern und -aufführungen wahrscheinlich 3 nicht unbeträchtlich verringern wird, werden bemerkt haben, dass ihnen der Komponist in seiner Geburtsstadt inzwischen sogar auf der Titelseite der örtlichen Tageszeitung oder auf einem Gratulationsschild für vorbeikommende Autofahrer begegnen kann. Der Komponist, der in jungen Jahren nur eher im engen Kreis und in Sonderbereichen zeitgenössischer Musik wahrgenommen wurde, ist im Laufe der Jahre zu einem der vielseitigsten und meist aufgeführten Komponisten des nationalen und internationalen Musiklebens geworden. Er selbst hat aber schon frühzeitig gewusst, dass die öffentliche Anerkennung zwar wichtig und nützlich, aber keineswegs allein ausschlaggebend sein kann: Was ihn von den meisten seiner Komponistenkollegen unterscheidet, ist seine stets wache produktive Selbstkritik, die ihm die Kraft gibt, sich ständig zu erneuern – nicht nur in radikaler Suche nach dem völlig Unbekannten, sondern auch in der verwandelnden Erneuerung von bereits Bekanntem. DER LEBENDE KOMPONIST ALS PARADOXON? Die vielen Musikfreunde und Musikspezialisten innerhalb und außerhalb von Karlsruhe, die Wolfgang Rihm etwas näher kennen (oder zumindest zu kennen glauben), bilden einen bunten Gratulantenchor, dem man vielleicht genauer zuhören muss, wenn man entdecken will, dass er keineswegs immer nur im Unisono singt. Darüber wird sich jemand nicht wundern, der sich für Musik nicht nur im engen Dschungel der Spezialisten interessiert, sondern auch im breiten, weit über das vordergründig Populäre hinausreichenden Spektrum des Musiklebens, das vielfältig gespalten ist, nicht zuletzt in der Abgrenzung zwischen E und U, zwischen Klassik und Pop: Ein Komponist, der heute (im Zeitalter des Computers, auch 4 der standardisierten Notensatzprogramme) völlig neuartige Musik mit der Hand auf konventionelles Notenpapier schreibt, könnte vielen als Herausforderung an den angeblich gesunden Menschenverstand erscheinen. Im allgemeinen Bewusstsein der auf klassische Musik spezialisierten Musikfreunde kann es schon überraschend erscheinen, dass ein solcher Komponist heute noch lebt (Das hat Rihm schon in jungen Jahren erlebt, als er mich einmal besuchte und am Klavier improvisierte: Mein junger klavierspielender Neffe war damals sehr erstaunt zu hören, dass Rihm selbst erfundene Musik nicht nur spielte, sondern auch aufschrieb – der Junge kannte nur Musik von toten Komponisten, was den betrübten lebenden Komponisten damals zur einer nachdenklichen Notiz in einem seiner Aufsätze anregte). KOMPONIST NEUER MUSIK? Zu den zahlreichen Besonderheiten des heutigen Musiklebens, die sich auch bei Geburtstagsfeierlichkeiten auswirken können, gehört es, dass die Sonderrolle eines Komponisten oft mit der Sonderrolle einer bestimmten Musikart in Verbindung gebracht wird: Kann man die Besonderheit eines lebenden Komponisten daran erkennen, dass er nicht einfach Musik schreibt, sondern nur eine bestimmte Musikart, nämlich Neue Musik? Diese Frage ist verfänglich – vor allem dann, wenn man sie für Wolfgang Rihm und seine Musik stellt. Seine besondere Rolle in der aktuellen Musik lässt sich auf eine einfache Formel bringen: Von Anfang an, schon in den frühen Kompositionen aus seiner Schulzeit, ging es ihm darum, neuartige Musik zu komponieren, die, ohne das Neue abzuwehren, gleichwohl gegen die Abgrenzung eines separaten Sonderbereiches „Neuer Musik“ opponiert. Ohne Scheu schrieb der junge Rihm für Besetzungen, an denen er auch später, selbst in Auftragskompositionen für Avantgarde-orientierte Auftraggeber, noch festgehalten hat, z. B. Klavierlieder, Streichquartette und Sinfonien. Man könnte vermuten, dass der junge Rihm mit dieser Musik auch in Aufführungen jenseits der Spezialfestivals Neuer Musik hätte bekannt werden können, zumal sie in ihrer Tonsprache der klassischen Moderne und der traditionellen Musik näher standen als radikale Neue Musik der 1950er und 60er Jahre und Neue Musik um und nach 1968. Es ist aber anders gekommen: Sein Durchbruch zum Erfolg gelang auf einem Festival, auf dem vor ihm auch schon mehrere ältere Komponisten (z. B. Boulez und Rihms zeitweiliger Lehrer Stockhausen) berühmt geworden waren: Bei den Donaueschinger Musiktagen. Die monumentale, hochexpressive Komposition Morphonie für Orchester mit obligatem Streichquartett erregte 1974 Aufsehen als Debut eines damals noch kaum bekannten Zweiundzwanzigjährigen. Damit waren die Tore zum Bereich der Neuen Musik im Rundfunk geöffnet, was in den folgenden Jahren in vielen, höchst unterschiedlichen Auftragswerken für verschiedene Rundfunkanstalten deutlich werden sollte: Ausdrucksmusik jenseits des rigorosen Konstruktivis- mus der Älteren, den Rihm und andere aus seiner Generation damals als verbraucht und einengend empfanden – und dem sie eine in anderer Weise komplexe, den Hörer direkt ansprechende Ausdrucksmusik entgegenstellen wollten. Merkwürdig war nur, dass diese Neuen Tendenzen zunächst in den Avantgarde-Foren und in einer auf Neue Musik spezialisierten Publizistik deutlicher wahrgenommen wurden als in anderen Bereichen des Musiklebens, auf die sie eigentlich zielten: auf Konzertsaal und Opernhaus. Wenn die neuen Tendenzen, die Wolfgang Rihm – zunächst vor allem im engeren Bereich des damaligen westdeutschen Musiklebens – angestoßen hat, schließlich doch auch in andere Bereiche des Musiklebens hineingedrungen sind und auch das internationale Musikleben weitreichend verändert haben, so ist dies nicht zuletzt sein Verdienst, der er seinen unkonventionellen Weg jenseits traditioneller und avantgardistischer Klischees unbeirrt weitergegangen ist und dessen reiches und vielfältiges Oeuvre jenseits aller dogmatischen Verengungen immer offen geblieben ist für Andersartiges, für neuartig Komplexes, für die produktive Auseinandersetzung mit Altem und Neuem in Musik, Kunst und Gesellschaft. Rudolf Frisius 5 6 7 Ausblick ins Unverhoffte DREI WALZER FÜR ORCHESTER (1979/88) Wenn Wolfgang Rihm sich ans Klavier setzt und zu improvisieren beginnt, dann klingt dies oft ganz anders als „Neue Musik“ – anders auch, als was Rihm in vielen Werken aus dem bisher als „Neue Musik“ Üblichen gemacht hat. Er hat einmal erzählt, welche merkwürdigen Konsequenzen dies in seinem Alltagsleben in der Karlsruher Kriegsstraße mit sich bringen kann: Wenn er, nach langer und anstrengender kompositorischer Arbeit am Schreibtisch, sich einmal im frei improvisierenden Klavierspiel erholt, denken seine Nachbarn vielleicht, jetzt komponiere er … Nonchalante Unbekümmertheit im Umgang mit Versatzstücken traditioneller Musik hat Wolfgang Rihm schon in jungen Komponistenjahren gezeigt, und er hat sie auch in späteren Jahren nicht verloren. Nach seiner Schulzeit ist er als Jungkomponist immer wieder einmal in die Rolle eines anderen Komponisten geschlüpft. Nur wenige wissen, 8 dass er dabei manchmal sogar über die Grenzen seiner eigenen Musik hinausgegangen ist: Im Festspielhaus Baden-Baden ist er als Darsteller von Georg Friedrich Händel aufgetreten (in einem musikszenisch angereicherten Orchesterstück von Mauricio Kagel; eine musikalische Händel-Darstellung finden wir bei Rihm erst später: als Spätbarock-Klischee für ein verfremdet hochbarockes HamletKlischee in der Oper Die Hamletmaschine). Hier und anderwärts zeigt sich, dass Anspielungen an traditionelle Musik bei Rihm nicht nur als hochexpressiv-nostalgische Beschwörungen zu finden sein können (z. B. in Orchesterwerken der frühen 1970er Jahre), sondern auch in leise-ironischen Brechungen. Auch hierfür gibt es ein Beispiel, in dem der junge Rihm ausnahmsweise einmal als Schauspieler aufgetreten ist: In den späten 1970er Jahren konnte man Rihm auch als schüchternen Filmdarsteller Franz Schuberts kennenlernen, der einen grimmigen Beethoven in den Durlacher Weinbergen trifft und ihn scheu fragt, ob man heute noch Liedfor- men komponieren dürfe. Rihm spielt hier mit einer ängstlichen Ungewissheit, von der in seinem realen Komponistenleben, in seiner unverkrampften Abwendung von der streng konstruktiven Musik seines (zeitweiligen) Lehrers Stockhausen, wenig zu spüren ist – und gerade das erklärt seine unbeschwerte Fähigkeit zur entspannt-unpolemischen Ironie, wie wir sie auch in anderen Parodien über Älteres finden – zum Beispiel dann, wenn Rihm Walzer komponiert. Quasi-improvisatorische Kompositionen oder Kompositionsausschnitte aus traditionellen Versatzstücken finden wir nicht nur in Rihms Klaviermusik, sondern auch in Musik für größere Ensembles (z. B. in der Music Hall-Suite), sogar in musiktheatralischen Werken (schon in der ersten musikszenischen Arbeit, der komischen Oper Faust und Yorick). Manchmal existieren auch Spuren, die von kleinen Musikstücken zur Umarbeitung für eine größere Instrumentalbesetzung führen. Ein charaktisches Beispiel hierfür sind die Drei Walzer für Orchester (1979/88). Diese Komposition enthält drei Teile: Sehnsuchtswalzer (1979/81) – Brahmsliebewalzer (1985/88) – Drängender Walzer (1979/86). Das letzte Stück ist die Umarbeitung einer Klaviermusik, die Freunde vierhändiger Hausmusik in einer Sammlung leicht ausführbarer Klavierstücke kennenlernen können: mehrere kurze Walzer für Klavier vierhändig (1979, 1988). In der originalen Sammlung wird, deutlicher noch als in den kunstvoll instrumentierten drei Orchesterwalzern, erkennbar, dass Rihm hier seine Anspielungen an Traditionelles ausdrücklich als ironisches Understatement verstanden haben will. Deswegen schreibt er für seine Klavierstücke ein scheinbar naives, in Wirklichkeit durchaus hintergründiges Vorwort, das man einerseits als (un)aufrichtige Entschuldigung für die Einfachheit des Klaviersatzes lesen kann, andererseits aber auch als (nicht ganz ernst gemeintes) Selbstlob für die raffinierte Komposition des anscheinend doch so Unraffinierten: „Diese kleinen Walzer schrieb ich mit einer der beiden freien linken Hände, meist zwischen Tür und Angel oder zwei Mahlzeiten – oder währenddessen oder während gar nichts. Oft fastend auch, jawohl. Sie sind meist als Mitbringsel gemeint. Oder wurden zur Degustation soeben eingetroffener komponierender Gäste gereicht. Fast alle entstanden 1979 in Rom, als ich als Stipendiat die Villa Massimo beglückte. Einige Nachzügler verdanken sich gänzlich ähnlicher ephemerer Entstehungsweisen und erwähnensunwerter Anlässe. Wobei mir jedesmal große Lust daraus erwuchs, mit Kunstverstand und dennoch nichtig zu gestalten. Das hat man selten, nicht wahr!?“ Die in diesem Klavieralbum versammelten Stücke sind nicht die einzigen ihrer Art. Ein ähnliches Stück hat Rihm später auch beispielsweise, als Mitbringsel für eine Einladung zum opulenten Mittagessen, für Günther Neuhold geschrieben, der als GMD der BADISCHEN STAATSKAPELLE in Karlsruhe ein Rihm-Konzert gegeben und auf CD publiziert hat. Diese und andere Stücke mit populärmusikalischen Anspielungen verweisen darauf, dass Rihm Popularmusik eher in historischer Verkleidung als im originalen Klangbild schätzt – und dass er gelegentlich in orchestralen Umarbeitungen auch populäre Anklänge in virtuosen, farbigen und witzigen Instrumentationen weit über ihre ursprünglichen Dimensionen hinaus zu heben bereit ist. KONZERT IN EINEM SATZ FÜR VIOLONCELLO UND ORCHESTER (2005/2006) Die Musik beginnt in rätselhafter Zwielichtigkeit: Einerseits erinnert schon ihr Anfang 9 an ein berühmtes Stück aus dem klassischromantischen Konzertrepertoire, aber andererseits ist schon von Anfang an zu spüren, dass das scheinbar Ähnliche sich in wichtigen Merkmalen auch deutlich unterscheidet. Zu Beginn des Stückes sind leise Begleitfiguren zu hören: im kreisenden Klangfluss höherer Streicher, mit begleitenden Pizzicato-Akzenten. Danach setzt die Solistin ein, mit einer ruhigen und leisen Melodie: Diese Beschreibung passt für Rihms Cellokonzert, aber sie passt auch für ein berühmtes älteres Stück: das e-Moll-Violinkonzert von Mendelssohn. Die Ähnlichkeiten sind verblüffend, aber ebenso deutlich sind auch wichtige Unterschiede zu erkennen, die sich schon daraus ergeben, dass beide Komponisten ihre Solopartien für Streichinstrumente in sehr unterschiedlichen (Normal-)Lagen geschrieben haben: Mendelssohn lässt die Violine als Oberstimmenmelodie einsetzen, Rihm das Cello mit einer aus der Tiefe aufsteigenden Kantilene. Im Miteinander von (melodisch weit geschwungenem) Solo und (sparsamer) Orchesterbegleitung kristallisieren sich dann Formentwicklungen heraus, die sich für beide Stücke durchaus ähnlich beschreiben lassen: Die Musik belebt sich, Melodie- und Begleitfiguren greifen auf andere Instrumente über und die Entwicklung steigert sich bis in einen Tutti-Höhepunkt hinein – bei Mendelssohn (hier in zwei Anläufen) und auch bei Rihm (dort als zusammenhängender weiträumiger Prozess). Hier und auch im weiteren Verlauf findet man also in beiden Stücken ähnliche Formentwicklungen, aber in vielen Details sind beide Stücke durchaus unterschiedlich gestaltet: Mendelssohn behandelt die Violinstimme über weite Strecken hinweg als gesangliche Oberstimme, die auch im virtuosen Passagenwerk ihre farblich brillante 10 hohe Lage kaum jemals verlässt. Umso stärker wirkt es dann, wenn an wichtiger Stelle die Musik umschlägt und sich aus ihrer typischen Tonlage herausbewegt – wenn die Melodie langsam absteigt und sich beruhigt auf ihrem tiefsten Ton, der lange ausgehalten wird und über dem dann das Gesangsthema in den Bläsern einsetzt. Solche Klangwirkungen mit überraschend und prägnant wechselnden Tonlagen finden sich in Rihms Musik eher selten, weil in seiner Musik ein anderes Entwicklungsprinzip zu erkennen ist: Immer wieder drängt die Musik über die typische Cellolage hinaus und steigt auf bis in extrem hohe Tonlagen, als wollte sie, mit der größeren Kraft des Cellotons, die Intensität der hohen Violinlagen noch überbieten. Die enormen technischen Schwierigkeiten, die die Cellistin zu bewältigen hat, kann der Hörer wahrnehmen als äußerste Intensität des Ausdrucks, der über die Grenzen des instrumental Naheliegenden hinaus drängt und nur an wenigen Stellen das sonst Übliche als Überraschung präsentiert: Die für das Cello eigentlich typischen tiefen Lagen kommen nur selten vor, wirken dann aber hier (ähnlich wie bei Mendelssohn) als Ausnahmephänomene umso stärker – sei es mitten im Stück, sei es, noch deutlicher, im breit und beruhigend ausklingenden Schluss. Selbst im Aufbau beider Stückes lässt sich Ähnliches ebenso wie Verschiedenes finden: Bei Mendelssohn sind noch Konturen verschiedener Sätze zu erkennen – weitgehend eigenständig, in den üblichen Gliederungen, allerdings in direkter Aufeinanderfolge, ohne Zwischenpausen. Rihm hat sein Konzert anders gestaltet und bezeichnet: als einsätzige Musik. Aber auch bei ihm lassen sich noch Spuren traditioneller Mehrsätzig- keit erkennen. Auch darin zeigt sich der Doppelcharakter seiner Musik: Verwandlung von Bekanntem in Unbekanntes – wechselseitige Verschlingungen von Altem und Neuem; Musik in einer rätselhaften Mehrdeutigkeit, die vielleicht den Hörer noch stärker fordert als den Interpreten, der möglicherweise eher zum Vergleich mit dem ihm bereits aus seiner professionellen Praxis Vertrauten neigt: „Im Falle des Cellokonzertes von Wolfgang Rihm fiel mir zuerst auf, wie schwer zu spielen es ist – und wie im Grunde genommen hoch romantisch, ganz „cellistisch“ im Sinne der weitgeschwungenen Linien und der Ausdrucksbreite.“ Mit diesen Worten hat die Uraufführungs-Solistin Tanja Tetzlaff ihre Erfahrungen bei der ersten Einstudierung des Werkes beschrieben. Danach spricht sie über eine Besonderheit des Stückes: Die häufige Verwendung extrem hoher Lagen – eine Besonderheit, die sie dann allerdings auch gleich wieder abgrenzt von traditionellen Vorbildern, wenn sie betont, dass alles übersteigert und manchmal fast hysterisch wirkt. Wer über Rihms Musik schreibt, versucht etwas, das der Komponist sich im Laufe der Jahre mehr und mehr abgewöhnt hat: die Botschaft stummer Klänge in Worte zu fassen. Der Komponist ist, wie er oft auch öffentlich versichert hat, fest davon überzeugt, dass seine Musik für sich selbst sprechen kann und dass vor allem der unmittelbare Höreindruck durch Komponistenkommentare nicht verfälscht oder verwischt werden sollte. Rihms musizierende oder analysierende Interpreten verhalten sich nicht immer so asketisch – beispielsweise dann, wenn sie seine Musik mit älterer Musik vergleichen. Wer darüber spricht, kann dabei vielleicht Spuren des Bekannten leichter benennen als das, was anders wäre. So erklärt sich, dass die Uraufführungs-Solistin im Kommentar zur ihrer CD-Einspielung nicht nur auf traditionsnahe Melodielinien und Ausdruckswerte zu sprechen kommt, sondern auch auf traditionelle Spuren in größeren Zusammenhängen der formalen Gestaltung. „Auch von der Form her viel Konventionelles „Solokonzertmäßiges“: wilde Kadenzen, ein lustiger ScherzoTeil, ein nachdenklicher langsamer Teil, ein hochvirtuoser Schlussteil, an den sich ein wirklich wunderschönes, versöhnliches, verklärtes Ende anschließt …“ Wer diese Beschreibung liest und ihr beim Hören des Stückes zu folgen versucht, kann feststellen, dass er lange warten muss: Das Stück fängt ganz anders an, und bei diesem Anderssein bleibt es recht lange: Die von sparsamen Zupftönen und rasch kreisenden Figuren der Saiteninstrumente begleitete Musik beginnt mit ruhigen Melodietönen, die sich erst nach und nach beleben und insofern den rascheren Begleitfiguren annähern, und die Gegensätze zwischen Melodie und Begleitung beginnen sich mehr und mehr zu verwischen, bis die Steigerung und Expansion auch auf andere Instrumente (Holzbläser, später auch Blechbläser) übergreift und schließlich, auf einem markanten Abschlusston des Solisten, zu einem kräftigen Tutti-Höhepunkt führt. Der Kenner traditioneller Konzertmusik könnte erwarten, dass an dieser Stelle das einleitende begleitete Solo von einem längeren OrchesterZwischenspiel abgelöst wird, aber Rihm macht schon nach wenigen Takten deutlich, dass es ihm darum nicht geht: Die Solistin setzt, nach dem kurzen Tutti-Blitz des Orchesters, mit anderen melodischen Konturen seine Melodielinien fort – diese Musik einer neuen Kontinuität mit einer neuartigen (orchestral vernetzten) „unendlichen Melodie“ ist dem Komponisten offensichtlich 11 wichtiger als eine traditionelle Formgliederung. Stattdessen gestaltet Rihm Musik in einer kontinuierlichen Form-entwicklung: immer wieder neu ansetzend mit Melodielinien, die weiträumig den Tonraum durchziehen – im ständigen Wechsel zwischen Wachsen und Abnehmen, Verdichtung und Reduktion, schließlich herabsinkend in tiefste Lagen und verlöschend. Der Hörer kann diesem unablässigen Wechselspiel folgen, er kann auch (wie die Solistin ihm vorschlägt) nach Spuren traditioneller Mehrsätzigkeit in diesem einsätzigen Stück suchen (ähnlich wie in berühmten romantischen Solokonzerten oder etwa in einer symphonischen Dichtung von Franz Liszt): in einem unablässig bewegten Strom von bald bekannten, bald unbekannten Klängen, Klanggestalten und Klangentwicklungen. Der Hörer kann auch versuchen, sich Gedanken zu machen über eigentümliche Spannungsverhältnisse zwischen Altem und Neuem – vielleicht auch angeregt durch den witzigen CD-Kommentar der Solistin Tanja Tetzlaff, der Assoziationen von Traditionellem zugleich wachruft und humorvoll in Frage stellt: „Wie ein Abschiednehmen ist es, wenn man diese letzten Takte spielt, so dass es mir immer wieder vorkommt, als wäre im Nachhinein das ganze übersteigerte, übertriebene Werk wie ein letztes Aufbäumen des konventionellen Solokonzertes, das dann im Nichts versinkt.“ VERS UNE SYMPHONIE FLEUVE FÜR ORCHESTER (1997/2012) Die Orchesterkomposition Vers une symphonie fleuve VI ist Bestandteil eines in den 1990er Jahren begonnenen Zyklus‘ von Orchesterstücken. Der Titel des Zyklus‘ verweist darauf, dass seine einzelnen Stücke als Stationen auf dem Weg zu einer Sinfonie 12 verstanden werden können. So ergibt sich ein neues Stadium in einer kompositorischen Entwicklung, in der Rihm schon frühzeitig, noch während seiner Schulzeit, die Hinwendung zur Sinfonie vollzogen hat. Während aber in den 1970er Jahren verschiedene Sinfonien als Einzelwerke entstanden sind, hat sich die spätere Entwicklung Rihms in vielen Fällen auf Werkzyklen konzentriert, deren einzelne Stücke Schritt für Schritt, nicht selten auch in größeren Zeitabständen entstehen konnten (wobei auch die genaue Gesamtdisposition nicht von Anfang an feststehen musste, sondern sich eventuell erst im Prozess der Ausarbeitung genauer herauskristallisierte). Werk und Werkzyklus sind Stichworte, die für die kompositorische Entwicklung Rihms seit den frühen 1970er Jahren bedeutsam geworden sind. Das zeigt sich schon im ursprünglichen Titel des ausgedehnten, fast 40 Minuten dauernden Orchesterstückes, mit dessen Uraufführung auf den Donaueschinger Musiktagen 1974 Rihm berühmt geworden ist: Morphonie Sektor IV. Dieses Stück war ursprünglich geplant als IV. Teil („Sektor“) eines siebenteiligen Zyklus’. Schon im Jahr der Uraufführung hat Rihm allerdings verlauten lassen, er wisse noch nicht, ob er die Arbeit an diesem Zyklus fortsetzen würde, und zur Weiterarbeit ist es dann auch in den folgenden Jahrzehnten nicht gekommen. Am Anfang der Arbeit an einem großen Werkzyklus stand hier also die Ausarbeitung eines einzelnen Werkes (mit einigen vorsorglichen Zusatzvorschriften für den Fall einer späteren zyklischen Aufführung), und dabei ist es dann geblieben. Allerdings hat Rihm der Idee des Werkzyklus‘ in der Folgezeit keineswegs abgeschworen, sondern mehrfach versucht, Beziehungen zwischen verschiedenen Einzelwerken herzustellen. In Rihms Werkverzeichnis finden sich Titel, bei denen schwer zu sagen ist, ob es hier vorrangig um selbständige Einzelwerke oder um die Vereinigung mehrerer Werke in einem Werkzyklus geht. Sieben in den 1970er Jahren entstandene Klavierstücke beispielsweise sind zunächst als Einzelwerke entstanden und bekannt geworden. Nur Klavierstück VI weist über die Grenzen eines Einzelwerkes hinaus, weil Rihm hier viele Erinnerungen an oder Vorankündigungen von früheren oder späteren Werken präsentiert (wobei die hier zusammengestellten Ausschnitte allerdings nicht nur auf andere Klaviermusik verweisen, sondern auch z. B. auf einen Klavierlieder-Zyklus). Seit den 1980er Jahren sind dann nach und nach viele verschiedene, aus zahlreichen unterschiedlichen Einzelstücken bestehende Werkzyklen entstanden – ausgehend nicht von einer über viele Jahre hinweg reichenden Vorplanung (wie sie etwa Karlheinz Stockhausen 1977 für etwa 25 Jahre Arbeit an seinem Opernzyklus Licht skizziert hatte), sondern eher intuitiv, ohne genauere Vorplanung, sich Schritt für Schritt vortastend von einem Werk zum anderen. Der in den 1980er Jahren entstandene Chiffre-Zyklus (der später noch durch eine Nachschrift ergänzt worden ist) vereinigt verschiedene Werke in unterschiedlichen Instrumentalbesetzungen in einer Musik mit knappen, prägnanten „Klangzeichen“ (Chiffren), die gelegentlich auch von einem Einzelstück in ein anderes herüber wandern können. In anderen, seitdem und später entstandenen Werkzyklen sind die einzelnen Bestandteile oft viel enger miteinander verknüpft – nicht nur in einzelnen, von Werk zu Werk wandernden und dabei vielfältig verwandelten Klängen und Klangkonstellationen, sondern oft – vor allem seit den 1990er Jahren – auch in Überlagerungen un- terschiedlicher Materialien. Ein wichtiges Beispiel ist der Zyklus Vers une symphonie fleuve, der einen bemerkenswerten Positionswandel in Rihms kompositorischer Entwicklung markiert: Musik einer neuen Kontinuität – ein in zusammenhängenden Klangströmen sich herausbildendes Kontrastmodell zu den scharf geschnittenen Klangzeichen des Chiffre-Zyklus‘. In Rihms gesammelten Schriften findet sich ein auf den 17. Februar 1995 datierter Text mit dem Titel Mitteilungen zu Vers une symphonie fleuve. Dieser Text gehört zum ersten Stück dieses Zyklus (Vers une symphonie fleuve I, 1994–1995) und gibt Auskunft darüber, was Rihm sich damals mit seinem neuen Zyklus vorgenommen hatte: „Seit einiger Zeit spüre ich in mir den Wunsch wachsen, für meine Instrumentalmusik etwas zurückzugewinnen, das ich mit dem Begriff „Fluß“ bezeichnen könnte.“ Wichtig für eine diesem Wunsch entsprechende Musik ist eine neue Zielvorstellung: „… der Wunsch nach Fluß, Fließen, Strom, Strömung – vielleicht auch nach Flut, Flutung und Strudel … Meine Vorstellung: Das alles läuft auf den Zusammenfluß der imaginierten Klangströme hin, auf eine fließende Symphonie – eine symphonie fleuve. So denke ich mir, daß in den nächsten Jahren Orchesterstücke entstehen, die hin zu dieser symphonie fleuve fließen, zu einer Symphonie, die mir noch unbekannt ist, einmal aber da sein wird, unabgeschlossen, durchlässig, ihr eigener Fluß.“ Rihm erzählt, dass ihm Hubert Fichte 1979 von der Idee seines roman fleuve erzählte, dass er in der Folgezeit mehrmals vergeblich versuchte, Jahnns Fluß ohne Ufer zu lesen und wie er dabei Erfahrungen mit vergeblichen Ansätzen gesammelt hat: begonnen – verloren – wiederbeginnen – wiederverlieren. 13 Am 15. Mai 1995, einen Tag nach der Karlsruher Uraufführung von Vers une symphonie fleuve II (mit der BADISCHEN STAATSKAPELLE unter Günter Neuhold) machte Rihm in einem Gespräch mit Bas van Putten deutlich, dass sich nach der Vollendung der ersten Stücke die Vorstellungen über den gesamten Werkzyklus verändert hatten. Auf die Frage, ob die Arbeit an den einzelnen Stücken schließlich zu einer Sinfonie führen würden, antwortete er: „Es wird eher so sein, daß ich gar nie dahin komme, sondern nur in diese Richtung mich bewege … Wird es überhaupt ‚ein Ganzes‘ geben können, bei der Idee des Flusses?“ Die Entstehungs- und Aufführungsgeschichte der einzelnen Stücke und des Werkzyklus‘ spricht für die Offenheit und Vieldeutigkeit dieser Musik, die nicht nur in 14 zyklischen Zusammenhängen, sondern auch in den einzelnen Werken deutlich werden kann – beispielsweise im VI. Stück des Zyklus mit großer Besetzung (meist vierfach besetzten Bläsern) und einer Formentwicklung aus großen Bögen und insistierend heftigen Eruptionen, die aus dem ruhigen Geflecht einer Streichermusik hinauswächst in harmonische Fülle, rhythmische Schärfe, dynamische Expansion und eine Vielschichtigkeit, die sich ausbreitet bis in herausgehobene Raumpositionen einzelner Instrumente und Instrumentengruppen. Der ruhige, leise Schluss des Stückes führt, als völlig überraschender Ausbruch aus der Dynamik des Vorangegangenen, in eine ganz andere Ausdruckswelt: ein Ausblick ins Unverhoffte, Unbekannte. Rudolf Frisius 15 tanja tetzlaff violoncello Die Cellistin Tanja Tetzlaff verfügt über ein weit gefächertes Repertoire, das sowohl die Standardwerke der Solo- und Kammermusik als auch zahlreiche zeitgenössische Kompositionen umfasst. Nach der erfolgreichen Teilnahme an internationalen Wettbewerben konzertierte sie mit zahlreichen renommierten Orchestern, darunter das TonhalleOrchester Zürich, das Orchestre de Paris, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, das Royal Flanders Orchestra, die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, die Camerata Salzburg oder das Konzerthausorchester Berlin unter namhaften Dirigenten wie Lorin Maazel, Daniel Harding, Sir Roger Norrington, Philippe Herreweghe, Vladimir Ashkenazy, Michael Gielen und Paavo Järvi. 16 Ihre besondere Liebe gilt der Kammermusik. Regelmäßig spielt sie u. a. mit Lars Vogt, Alexander Lonquich, Antje Weithaas, Leif Ove Andsnes, Florian Donderer, Baiba und Lauma Skride sowie mit ihrem Bruder Christian zusammen, mit dem sie das Tetzlaff Quartett gegründet hat. Tanja Tetzlaff ist ein gern gesehener Gast bei renommierten Konzertreihen und Festivals, so bei der Schubertiade Schwarzenberg, beim Beethovenfest Bonn und als „Stammspielerin“ bei Lars Vogts Festival „Spannungen“ in Heimbach in der Eifel. Das Cello-Konzert von Wolfgang Rihm hat Tanja Tetzlaff auf ihrem Cello von Giovanni Baptista Guadagnini von 1776 mit dem Konzerthausorchester Berlin unter Lothar Zagrosek zur Erstaufführung gebracht. justin brown dirigent Justin Brown studierte an der Cambridge University und in Tanglewood bei Seiji Ozawa und Leonard Bernstein und arbeitete später als Assistent bei Leonard Bernstein und Luciano Berio. Als Dirigent debütierte er mit der gefeierten britischen Erstaufführung von Bernsteins Mass. Für seine Arbeit beim Alabama Symphony Orchestra, wo er seit fünf Spielzeiten als Chefdirigent wirkt, und insbesondere für seine Programmgestaltung wurde er mit dem ASCAP-Award 2010 und 2011 ausgezeichnet. Auf Einladung des renommierten „Spring for Music Festival“ 2012 dirigiert er das Orchester in der Carnegie Hall. Brown leitete zahlreiche Uraufführungen und dirigierte wichtige Stücke bedeutender zeitgenössischer Komponisten wie Elliott Carter und George Crumb. Er musizierte zudem mit namhaften Solisten wie Yo-Yo Ma, Leon Fleisher und Joshua Bell. Zahlreiche Gastengagements führten ihn an renommierte Opernhäuser und zu Orchestern weltweit, in Deutschland u. a. an die Bayerische Staatsoper München und zu den Dresdner Philharmonikern. Komplettiert wird sein Erfolg durch viele CD-Einspielungen, 2006 wurde er für einen Grammy in der Kategorie „Best Classical Recording“ nominiert. Als GMD am STAATSTHEATER KARLSRUHE, der er seit 2008 ist, wird Justin Brown v. a. für seine Dirigate von Wagners Ring sowie der Werke Berlioz‘, Verdis und Strauss’ gefeiert. In der aktuellen Spielzeit übernimmt er die musikalische Leitung von Les Troyens, bei Romeo und Julia auf dem Dorfe sowie Lohengrin. 17 die badische staatskapelle Als eines der ältesten Orchester Deutschlands und sogar weltweit kann die BADISCHE STAATSKAPELLE auf eine überaus reiche und gleichzeitig gegenwärtige Tradition zurückblicken. 1662 als Hofkapelle des damals noch in Durlach residierenden badischen Fürstenhofes gegründet, entwickelte sich aus dieser Keimzelle ein Klangkörper mit großer nationaler und internationaler Ausstrahlung. Berühmte Hofkapellmeister wie Franz Danzi, Hermann Levi, Otto Dessoff und Felix Mottl leiteten zahlreiche Ur- und Erstaufführungen, z. B. von Hector Berlioz, Johannes Brahms und Béla Bartók, und machten Karlsruhe zu einem der Zentren des Musiklebens. Neben Brahms standen Richard Wagner und Richard Strauss gleich mehrfach am Pult der Hofkapelle; Niccolò Paganini, Clara Schumann und viele andere herausragende Solisten waren gern gehörte Gäste. Hermann Levi führte in den 1860er Jahren die ersten regelmäßigen Abonnementkonzerte des damaligen Hoforchesters ein, die bis heute als Sinfoniekonzerte der BADISCHEN STAATSKAPELLE weiterleben. Allen Rückschlägen durch Kriege und Finanznöten zum Trotz konnte die Tradition 18 des Orchesters bewahrt werden. Generalmusikdirektoren wie Joseph Keilberth, Christof Prick, Günther Neuhold und Kazushi Ono führten das Orchester in die Neuzeit, ohne die Säulen des Repertoires zu vernachlässigen: Regelmäßig fanden sich zeitgenössische Werke auf dem Programm; Komponisten wie Werner Egk, Wolfgang Fortner oder Michael Tippett standen sogar selbst vor dem Orchester, um ihre Werke aufzuführen. Die große Flexibilität der BADISCHEN STAATSKAPELLE zeigt sich auch heute noch in der kompletten Spannweite zwischen Repertoirepflege und der Präsentation zukunftsweisender Zeitgenossen, exemplarisch hierfür der Name Wolfgang Rihm. Der seit 2008 amtierende Generalmusikdirektor Justin Brown steht ganz besonders für die Pflege der Werke Wagners, Berlioz‘, Verdis und Strauss’ sowie für einen abwechslungsreichen Konzertspielplan. Mit ihm geht das Orchester in sein 350-jähriges Jubiläum 2012, in dem sich die BADISCHE STAATSKAPELLE – auf der reichen Aufführungstradition aufbauend – als lebendiges und leistungsfähiges Ensemble präsentiert. besetzung 1. Violine Janos Ecseghy Yin Li Katrin Adelmann Viola Schmitz Rosemarie Simmendinger-Kàtai Susanne Ingwersen Thomas Schröckert Werner Mayerle Herbert Pfau-von Kügelgen Benedict Flisfish Ayu Ideue Juliane Anefeld Judith Sauer Claudia von KoppOstrowski 2. Violine Annelie Groth Shin Hamaguchi Toni Reichl Gregor Anger Andrea Böhler Christoph Wiebelitz Diana Drechsler Dominik Schneider Birgit Laub Steffen Hamm Eva-Maria Vischi Anna Heilmeier Viola Franziska Dürr Michael Fenton Christoph Klein Joachim Steinmann Ortrun RieckeWieck Kyoko Kudo Sibylle Langmaack Akiko Sato Katharina Maier Nicholas Clifford Violoncello Johann Ludwig Alexander Kaschin Norbert Ginthör Benjamin Groocock Minjung Suh Xinliang Hu Yuki Nomura Marie Deller Kontrabass Joachim Fleck Peter Cerny Xiaoyin Feng Karl Jackl Christoph Epremian Roland Funk Harfe Silke Wiesner Flöte Dirk Peppel Horatiu Roman Dorota Iminienska Rosemarie Moser Oboe Kai Bantelmann Ilona Steinheimer Nobuhisa Arai Dörthe Mandel Klarinette Frank Nebl Daniel Bollinger Martin Nitschmann Yvonne Bauer Leonie Gerlach Jochen Weidner Fagott Detlef Weiß Martin Drescher Ulrike Bertram Maren Duncker Horn Susanna WichWeißsteiner Frank Bechtel Peter Bühl Jörg Dusemund Trompete Wolfram Lauel Jens Böcherer Klaus Bräker Peter Heckle Szabolcs Schütt Ulrich Warratz Posaune Angelika Frei Dirk Ellerkamp Holger Schinko Heinrich Gölzenleuchter Tuba Dirk Hirthe Thomas Matt Pauke & Schlagzeug Helge Daferner Raimund Schmitz Hans-Joachim Göhler Jürgen Heinrich Rainer Engelhardt 19 20 21 AUFTAKT UND ABSCHLUSS RIHM-GEBURTSTAGSKONZERT Das Neujahrskonzert sowie das Festkonzert am 9.1. mit der Uraufführung der Abendstimmung von Anno Schreier und der Wiederauführung von Brahms’ 1. Sinfonie bilden den Auftakt zum Orchesterjubiläum. Das Jahr endet mit einem der am größten besetzten Werke der Orchesterliteratur: Die Gurrelieder von Arnold Schoenberg werden im Dezember neben der BADISCHEN STAATSKAPELLE zahlreiche weitere Kräfte des Hauses sowie Gastchöre zusammenbringen. Die über 300 Beteiligten werden mit der sicheren Hand von GMD Justin Brown durch diese Herausforderung geführt. Beim Festkonzert zum 60. Geburtstag Wolfgang Rihms am 13.3. stehen ausschließlich Werke des berühmten Sohnes der Stadt auf dem Programm, das von der Uraufführung eines Auftragswerks der Stadt Karlsruhe gekrönt wird. KOMPOSITIONSPREIS Die BADISCHE STAATSKAPELLE schreibt anlässlich ihres Orchesterjubiläums einen europaweiten Kompositionswettbewerb aus, dessen Siegerstück im Sinfoniekonzert am 25. & 26.11. zur Uraufführung kommen wird. HISTORISCHE KONZERTE Herausragende historische Konzertprogramme und Aufführungen leben für Jubiläumskonzerte wieder auf – teilweise als komplette Übernahme alter Programme, teilweise in neuer Kombination mit geeigneten Werken. Anknüpfungspunkte sind dabei Uraufführungen (z. B. Brahms‘ 1. Sinfonie im Festkonzert am 9.1.), Programme von Komponisten-Dirigenten (z. B. Richard Strauss im Sinfoniekonzert am 21. & 22.10.) oder Solowerke, die von ihrem Urheber gespielt wurden (z.B. Paganinis 1. Violinkonzert im Sinfoniekonzert am 5. & 6.2. sowie Béla Bartóks Rhapsodie für Klavier und Orchester im Sinfoniekonzert am 25. & 26.11.). 22 URAUFFÜHRUNGEN Neben der Abendstimmung von Anno Schreier im Festkonzert sowie dem neuen Werk Wolfang Rihms (Geburtstagskonzert am 13.3.) und dem Siegerstück des Kompositionswettbewerbs (Sinfoniekonzert am 25. & 26.11.) wird es noch eine dritte Uraufführung geben: Zeynep Gedizlioglu schreibt ein neues Stück für das NachtKlänge-Konzert Ausgezeichnet im Rahmen der Europäischen Kulturtage 2012. Es führt als Wandelkonzert am 5.4. in verschiedene Räume des STAATSTHEATERS KARLSRUHE. JUGENDKONZERTE THEATERFEST Ein Kerngedanke der zukunftsgerichteten Arbeit der BADISCHEN STAATSKAPELLE ist die altersgerechte Vermittlung der Werke. Dies wird im Programm des Jubiläumsjahres besonders deutlich durch die Erhöhung der Anzahl der Kinderkonzerte sowie durch die komplett neue Reihe der moderierten Jugendkonzerte. In diesem neuen Format für Jugendliche ab zwölf Jahren steht jeweils ein klassisches Werk in den Mittelpunkt, das zwei Mal gespielt und dazwischen mit Ausschnitten und Klangbeispielen unterhaltsam und informativ erläutert wird. Beginn ist am 9.2. mit Schubert anders gehört. Auch das Theaterfest zum Beginn der Saison 2012/13 am 22.9. wird im Zeichen des Orchesterjubilums stehen. Die öffentliche Generalprobe zum 1. Sinfoniekonzert 12/13 mit Brahms’ 1. Klaierkonzert und weitere Programmpunkte rund um das Orchester sind geplant. AUSSTELLUNG Im Foyer des Staatstheaters wird ab 13.3. eine Ausstellung Dokumente, Gemälde, Fotos und weitere Erinnerungen rund um die ereignisreiche Geschichte der BADISCHEN STAATSKAPELLE präsentieren. ORCHESTERFEST Ein vielfältiges Programm rund um die BADISCHE STAATSKAPELLE erwartet Sie zum Orchesterfest am 21.7. vor und im STAATSTHEATER. Formationen des Orchesters füllen verschiedene Räume mit Musik der unterschiedlichsten Stilrichtungen, Vorträge und Lesungen bringen die spannende Geschichte der früheren Hofkapelle in die Gegenwart. Für Kinder gibt es Angebote zum Zuhören und Mitmachen, Führungen durch sonst verschlossene Räume und Instrumente zum Anfassen und Ausprobieren. Auch die Open-Air-Bühne vor dem Theater bietet den ganzen Tag über musikalische Unterhaltung – bis hin zum Finale mit großem Orchester. Und alles bei freiem Eintritt! FESTSCHRIFT Die Ausstellung begleitet eine umfangreiche Festschrift mit vertiefenden Einblicken in 350 Jahre BADISCHE STAATSKAPELLE. CD-AUFNAHMEN Zum Festkonzert und Festakt am 9.1. erscheint als erste Aufnahme zum Orchesterjubiläum ein Konzertmitschnitt von Mahlers 9. Sinfonie. Neben weiteren Konzertmitschnitten ist auch ein Querschnitt von Rundfunk-, Platten- und CD-Produktionen der letzten Jahrzehnte geplant. Die Veranstaltungen des Jubiläumsjahres werden unterstützt von: 23 bildnachweise TITEL S. 3 S. 6, 7 S. 15 S. 16 S. 17 S. 20, 21 Bernhard Schmitt Bernhard Schmitt Bernhard Schmitt Bernhard Schmitt Giorgia Bertazzi Jochen Klenk Armin Linke TEXTNACHWEISE S. 2 – 14 Die Texte sind Original beiträge für dieses Programmheft Sollten wir Rechteinhaber übersehen haben, bitten wir um Nachricht. impressum Herausgeber STAATSTHEATER Karlsruhe Generalintendant Peter Spuhler VERWALTUNGSDIREKTOR Michael Obermeier Chefdramaturg Bernd Feuchtner ORCHESTERDIREKTOR & KONZERTDRAMATURG Axel Schlicksupp REDAKTION Axel Schlicksupp KONZEPT DOUBLE STANDARDS Berlin www.doublestandards.net STAATSTHEATER KARLSRUHE Saison 2011/12 Programmheft Nr. 44 www.staatstheater.karlsruhe.de GESTALTUNG Danica Schlosser DRUCK medialogik GmbH, Karlsruhe JETZT NOCH ABONNENT WERDEN Wussten Sie, dass Sie noch während der Spielzeit alle unsere Konzertabonnements buchen können? Auch dann profitieren Sie von der ca. 20-prozentigen Ermäßigung, denn Sie bezahlen nur anteilig für die verbliebenen Konzerte. 24 Unser Abonnementbüro berät Sie gerne! ABONNEMENTBÜRO T 0721 3557 323 F 0721 3557 346 [email protected] die nächsten konzerte 3. KAMMERKONZERT EUROPÄISCHE KULTURTAGE 2012 Wolfgang Amadeus Mozart Oboenquartett F-Dur KV 370 Wolfgang Rihm Streichtrio op. 9 Benjamin Britten Phantasy Quartet für Oboe und Streichtrio f-Moll op. 2 Krzysztof Penderecki Sextett für Klarinette, Horn, Streichtrio und Klavier Stephan Rutz Oboe Frank Nebl Klarinette Jörg Dusemund Horn Claudia von Kopp-Ostrowski Violine Christoph Klein Viola Wolfgang Kursawe Violoncello Miho Uchida Klavier 18.3. 11.00 KLEINES HAUS KAMMERKONZERT EXTRA 1 EUROPÄISCHE KULTURTAGE 2012 Clara Schumann Klaviertrio op. 17 Wolfgang Rihm Fremde Szenen I+II, Versuche für Klaviertrio Wilhelm Killmayer Brahms-Bildnis für Klaviertrio Johannes Brahms Klaviertrio H-Dur op. 8 NACHTKLÄNGE 2 – Ausgezeichnet EUROPÄISCHE KULTURTAGE 2012 Werke von Julian Klein, Marton Illés, Vito Zuraj, Zeynep Gedizlioglu (UA), Matthias Ockert (UA) und Luis Codera Puzo Hoepfner-Stipendiaten stellen sich in einem Wandelkonzert musikalisch vor: Sechs ungewöhnliche oder für Besucher sonst nicht zugängliche Räume werden musikalisch erobert. Mitglieder der BADISCHEN STAATSKAPELLE Ulrich Wagner Dirigent und Moderator 5.4. 22.00 TREFFPUNKT KASSENHALLE 6. SinfonieKONZERT John Adams The Wound-Dresser für Bariton und Orchester nach Walt Whitman Frederick Delius Sea Drift für Bariton, Chor und Orchester nach Walt Whitman Antonín Dvořák Sinfonie Nr. 9 e-Moll op. 95 „Aus der Neuen Welt“ Judith Sauer Violine Johann Ludwig Violoncello Stephen Moore Klavier Badischer Staatsopernchor und Extrachor Roderick Williams Bariton Ulrich Wagner Einstudierung Tomas Hanus Dirigent 25.3. 20.00 KLEINES HAUS 22.4. 11.00 & 23.4. 20.00 GROSSES HAUS