Das Verb sich freuen und seine syntaktischen Mitspieler

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Intrecci di lingua e cultura
ISBN 978-88-548-5163-4
DOI 10.4399/978885485163417
pag. 261–286 (ottobre 2012)
Das Verb sich freuen
und seine syntaktischen Mitspieler
(K)eine reine Freude aus kontrastiver Sicht
Elmar Schafroth
Sandra Bosco Coletsos wird sich sicher über diese Festschrift freuen.
Und sie wird sich hoffentlich auch an ihr freuen. Wir können uns für
die verdiente Wissenschaftlerin und mit ihr freuen. Falls die Jubilarin
sich auch auf das Werk gefreut haben sollte, nun ja...
Dieser etwas humoristische Einstieg sei mir bei einem freudigen
Anlass wie diesem und bei einer ihn konstituierenden Textsorte wie
dieser erlaubt. Wobei ich das Thema natürlich auch im Einklang mit
dem wissenschaftlichen Tätigkeitsfeld der festeggiata gewählt habe.
Ihre zahlreichen Studien zeugen von einer intensiven Auseinandersetzung mit der strukturellen Verschiedenheit der beiden Sprachen
Deutsch und Italienisch — auf der Ebene des Wortschatzes, der Wortbildung, Flexionsmorphologie, Morphosyntax und Syntax und natürlich was die Texte, in erster Linie literarische Texte und ihre Übersetzung in die jeweils andere Sprache betrifft. Damit stellen die Forschungsschwerpunkte, zu denen natürlich noch die Geschichte und
die älteren Sprachstufen des Deutschen zu zählen sind, einen idealen
Rahmen für die vorliegende Untersuchung dar.
Die Idee, das Verb sich freuen einmal etwas genauer unter die Lupe
zu nehmen, ist seit längerer Zeit in mir gereift, da ich mich als Romanist vor allem mit dem Italienischen und Französischen auseinandersetze und dabei immer wieder in eine gewisse Formulierungsnot
gerate, wenn ich in diesen beiden Sprachen meine Freude über ein
bevorstehendes Ereignis ausdrücken möchte. Im Deutschen würde
ich zu Sätzen wie den folgenden greifen, auch wenn diese in ande261
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Elmar Schafroth
ren Kontexten durchaus formelhaft wirken können (aber um diesen
Aspekt geht es mir hier nicht): (a) Ich freu’ mich auf morgen, (b) Ich freu’
mich auf Dich oder, elliptisch, die Präpositionalphrasen von (a) oder
(b) kommunikativ inkludierend, einfach nur: (c) Ich freu’ mich.
Ziel dieses Beitrags ist es, das Verb sich freuen aus kontrastiver
Perspektive zu untersuchen. Zunächst wird es innersprachlich, insbesondere anhand von Valenzwörterbüchern des Deutschen, syntaktisch und semantisch genauer betrachtet, sodann wird der Frage
nachgegangen, wie dieses Konzept bzw. die verschiedenen durch sich
freuen versprachlichten Konzepte im Italienischen (am Rande auch im
Französischen) ausgedrückt werden können. Aufschluss hierüber sollen Äquivalenz– und Valenzwörterbücher, Übersetzungshandbücher,
literarische Übersetzungen (vom Deutschen ins Französische), Korpusbelege (deutsche Gegenwartssprache, gesprochenes Italienisch)
sowie italienische Definitionswörterbücher geben1 .
1. Für die zahlreichen Recherchen danke ich sehr herzlich Niklas Gutjahr, Jacqueline
Lichottka und Nora Wirtz.
Das Verb sich freuen und seine syntaktischen Mitspieler
263
1. Der syntaktische Rahmen des Verbs sich freuen
Zunächst liegt es nahe, die Valenzstruktur des Verbs sich freuen im
Deutschen genauer in Augenschein zu nehmen. Beginnen wir mit
dem Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache (2010), einem Lernerwörterbuch, welches ja per definitionem die syntaktischen
Konstruktionen von Verben, aber auch von Adjektiven und Substantiven, systematisch erfassen und transparent darstellen sollte:
freu·en; freute, hat gefreut;
[Vr]
1 sich (über etwas (Akk)) freuen wegen etwas ein Gefühl der Freude empfinden <sich sehr, ehrlich,
riesig freuen>: sich über ein Geschenk, einen Anruf freuen; Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass wir
uns endlich kennen gelernt haben; Ich freue mich, Sie wieder zu sehen
2 sich auf jemanden/etwas freuen jemandes Ankunft, Besuch o.Ä./ein bestimmtes Ereignis mit
Spannung und Freude erwarten: sich auf den Urlaub freuen; Ich freue mich schon auf dich!;
[Vt]
3 etwas freut jemanden etwas macht jemanden froh oder glücklich: Dein Lob hat ihn sehr gefreut; Es
freut mich, dass du auch mitkommst
|| NB: kein Passiv!
|| ID Freut mich (, Sie kennen zu lernen)! gespr; verwendet als höfliche Floskel, wenn man
jemandem vorgestellt wird
Abb. 1. Der Artikel freuen im Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache
Das Hauptaugenmerk soll hier nur auf der reflexiven Rektion liegen. Es wird deutlich, dass die präpositionale Ergänzung über etwas als
fakultativ angegeben wird, das Komplement auf jemanden/etwas hingegen als obligatorisch, womit der elliptische Gebrauch von Ich freue
mich schon [auf dich] ausgeschlossen wäre. Des Weiteren wird durch
die Semantisierung zwar angedeutet, dass sich Bedeutung 1 auf etwas
Geschehenes und Bedeutung 2 auf etwas Künftiges bezieht, aber dies
wird nicht explizit so formuliert. Deshalb sollen Valenzwörterbücher
zu Rate gezogen werden. Beginnen wir mit Helbig / Schenkel (1983):
264
I.
II.
III.
Elmar Schafroth
sich freuen
sich freuen →
Sn →
p = auf, über, an
Wenn p = auf,
pSa →
Wenn p = über,
pSa →
NS →
Inf →
Wenn p = an,
pSd →
(V1 = erfreut sein)
Sn, (pS/NS )
Hum (Das Kind freut sich.)
keine Selektionsbeschränkungen, aber nur auf Zukünftiges
bezogen
(Er freut sich auf das Kind, [...] auf die neuen Möbel [...])
keine Selektionsbeschränkungen, aber nur auf Vergangenes bezogen
(Er freut sich über das Kind, [...] über die Möbel, [...])
auf die neuen Möbel [...])
Act (Wir freuen uns [darauf/darüber], daß wir ihn besuchen
können.)
Act (Wir freuen uns [darauf/darüber], ihn besuchen zu können.)
keine Selektionsbeschränkungen, aber nur auf Gegenwärtiges bezogen
(Er freut sich an dem Kind, [...] an den Möbeln, [...])
Abb. 2. Ausschnitt aus dem Artikel freuen in Helbig / Schenkel (1983, 197)
Aus dieser Darstellung ist ersichtlich, dass das Verb sich freuen zwei
Ergänzungen hat, wovon eine obligatorisch, die andere fakultativ ist
(Stufe I). Die obligatorische Valenz ist diejenige des „Substantivs im
Nominativ“ (Sn), welches selbstverständlich auch pronominalisiert in
Erscheinung treten kann. Die fakultativen Valenzen sind „Präposition
mit Substantiv“ (pS), also ein Präpositionalobjekt, ein dass–Nebensatz
(NSda ) und ein „Infinitiv mit zu“ (Inf ) (Stufe II) (vgl. Helbig / Schenkel 1983, 51). Auf Stufe III wird zuerst die semantische Spezifizierung
des Subjekts, nämlich [+ menschlich], festgelegt, sodann werden die
Präpositionen genannt, die die Objektvalenz bilden: auf, über, an —
die ersten beiden mit Akkusativ (pSa), an mit Dativ (pSd). Wichtig erscheint mir die semantische Differenzierung im Hinblick auf die Tempusrelationen, welche durch die Präpositionen ausgedrückt werden:
Vergangenes wird durch über, Zukünftiges durch auf und Gegenwärtiges durch an signalisiert. Es wird ferner deutlich, dass die Ergänzung
mit auf ebenso fakultativ ist wie diejenigen mit über und an. In diesem
Punkt widersprechen sich also Helbig / Schenkel und das Langenscheidt Großwörterbuch. Eine obligatorische Ergänzung im Falle von
auf etwas sehen im Übrigen auch die Autoren des Valenzwörterbuchs
deutscher Verben (Schumacher et al. 2004, 391), während Sommerfeldt
/ Schreiber (1996, 257) wiederum die Fakultativität ansetzen. Dieser
Punkt scheint also strittig zu sein.
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2. Das Verb sich freuen in der zweisprachigen Lexikographie Deutsch–
Italienisch
Wenden wir uns nun den zweisprachigen Wörterbüchern zu, beginnend mit dem Dizionario delle lingue italiana e tedesca, in den Verlagen
Sansoni und Brandstetter erschienen:
sich freuen [...] 1. rallegrarsi, aver piacere (auf [acc], über [acc], [gen] di): ich freue mich, daß du gekommen
bist ho (o mi fa) piacere che tu sia venuto. —2. (froh sein) essere contento (di); (genießen) godere (di).
Abb. 3. Ausschnitt aus dem Artikel freuen im Dizionario delle lingue italiana e tedesca
Es fällt auf, dass unter Ziffer 1 zuviel auf einmal abgehandelt wird:
sich freuen über, sich freuen auf, sich einer Sache freuen. Es bleibt unklar,
welchen Status die Ergänzungen haben (fakultativ oder obligatorisch)
und wann das Genitivobjekt im Unterschied zu den anderen beiden
präpositionalen Objektiven verwendet werden soll. Auch werden bei
den italienischen Äquivalenzen keine Präpositionen angegeben, so
dass Sätze (a) und (b) auf dieser Basis nicht auf Italienisch formuliert
werden können: Mi rallegro... — und weiter? Ho piacere — und dann?
Auch ist nicht klar, welche syntaktische Konstruktion der Beispielsatz
illustriert. Auch die Angaben unter 2 helfen nicht weiter: Sono contento
di domani und Sono contento di te haben eine andere Bedeutung als (a)
und (b). Am ehesten ließe sich noch sono contento für (c) sagen.
Äquivalenzen im wörtlichen Sinne (aequus ‚gleich‘, valere ‚wert
sein‘) gibt es ja eigentlich nicht oder nur selten2 , da der Wortschatz
einer Sprache bekanntlich dem idiom principle unterworfen (Sinclair
1991, 110ff.) und von Chaos (Hausmann 1993, 471) gekennzeichnet
ist. Äquivalenzwörterbücher können also in den meisten Fällen nur
palliativ, kaum kurativ eingreifen. Sehen wir uns deshalb weitere Lösungsvorschläge an, zuerst das Langenscheidt Handwörterbuch (2009),
dann die zweite Auflage von Giacoma / Kolb von Zanichelli / Klett.
Dem Artikel ist zu entnehmen, dass für die beiden Valenzpatterns
sich freuen auf und sich freuen über die gleichen Äquivalente, also
2. Vgl. Eco (2003, 35): « la sinonimia secca non esiste, tranne forse in alcuni casi limite,
come marito / husband / mari. Ma anche lì ci sarebbe da discutere [...] ». Dem kann ich
mich nur anschließen, da Gatte im Deutschen etwa stilistisch im Vergleich zu Mann und zu
den Lexemen der anderen bei Eco zitierten Sprachen deutlich höher markiert ist.
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v/r sich (auf, über j–n, etw) ∼ rallegrarsi, essere lieto, contento (di qn, qc): ich freue mich sehr
über dein Geschenk sono molto contento del tuo regalo; er freute sich (darüber), dass
er den ersten Preis gewonnen hatte si rallegrò di aver vinto il primo premio; er freut sich
auf den baldigen Besuch seines Bruders è contento per l’imminente visita di suo fratello;
die Kinder ∼ sich (darauf), dass sie nächste Woche in die Ferien fahren i bambini
si rallegrano di andare in vacanza la prossima settimana [...]sich an etw (dat) ∼ essere contento di qc [...].
Abb. 4. Ausschnitt aus dem Artikel freuen im Langenscheidt Handwörterbuch
rallegrarsi di oder essere lieto / contento di herangezogen werden können3 . Der Unterschied hinsichtlich des im Objektsatz ausgedrückten
zeitlichen Bezugs scheint demnach im Italienischen keine Rolle zu
spielen, was ja durchaus der Fall sein kann, wenn man den Normalfall der Nicht–Äquivalenz vor Augen hat. Positiv anzumerken
ist, dass die Syntax der Verben in den Beispielsätzen gut illustriert
wird. Verwunderlich ist jedoch, dass bei è contento per l’imminente
visita di suo fratello (‚er freut sich auf den baldigen Besuch seines
Bruders‘) plötzlich die Präposition per ins Spiel kommt, von der
jedoch in der Strukturformel nicht die Rede ist. Diese Präposition
ist allerdings im syntaktischen Rahmen von contento, zumindest laut
dem valenztheoretisch fundierten Wörterbuch Sabatini Coletti, nicht
vorgesehen4 . Halten wir fest: (a) müsste gemäß dem Langenscheidt
Handwörterbuch zu übersetzen sein mit ? Mi rallegro di domani, ? Sono
contento di domani oder Sono contento per domani, (b) mit ? Mi rallegro
di te oder mit Sono contento di te, Sono contento per te, und (c) mit ? Mi
rallegro! oder Sono contento!
Doch diese Übersetzungen wären in den wenigsten Fällen richtig, das heißt, sie wären entweder völlig unidiomatisch, wenngleich
grammatikalisch akzeptabel (? Mi rallegro di te), stilistisch nicht auf der
gleichen Ebene wie sich freuen (? Mi rallegro di domani, ? Mi rallegro!)
oder hätten eine andere Bedeutung: ? Sono contento di domani ist zwar
möglich, drückt aber nicht denselben Bedeutungsumfang aus wie (a)
im Deutschen (besser geeignet wäre Sono contento per domani). Sono
3. In Langenscheidts Handwörterbuch Italienisch von 1985 (1972) wurde noch unterschieden zwischen sich freuen über (rallegrarsi (di), essere lieto od. contento (di); provare
(od. avere) piacere od. diletto (di); godere (di) und sich freuen auf (attendere con gioia (od.
impazienza)).
4. Dass es möglich und auch üblich ist, zeigt eine kleine Stichprobe durch die
Suchmaschine Google.
Das Verb sich freuen und seine syntaktischen Mitspieler
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contento di te hat die Bedeutung ‚Sono soddisfatto di come sei, cosa fai
ecc.‘ und Sono contento per te ‚Gioisco per un tuo successo ecc.‘.
Das unverfänglichste Äquivalent scheint Sono contento für (c) zu sein,
doch selbst in diesem Falle ist die Lage nicht so einfach, wie sie auf den
ersten Blick scheint. Wann sagt man denn im Deutschen Ich freu’ mich!?
Prospektiv oder retrospektiv? Oder sowohl als auch? Meines Erachtens
typischerweise prospektiv. Stellen wir uns zwei Dialoge vor:
(d) Sie: « Freust Du Dich denn über Deine Geschenke? » — Er: « Oh ja, Ich
freu’ mich! »
(e) Sie: « Freust Du Dich denn auf Deine Geschenke? » — Er: « Oh ja, Ich
freu’ mich! »
Die Antwort in (d) scheint mir weniger idiomatisch zu sein als
diejenige in (e). Zumindest hätte man in (d) ein Attribut erwartet, etwa
in Form eines Adverbs wie sehr, riesig, wahnsinnig, oder vielleicht eine
ganz andere Versprachlichung wie « Oh ja, ich bin ganz begeistert!«
Digitalisierte Sprachkorpora wie cosmas II vom Institut für Deutsche Sprache mit derzeit 3,8 Milliarden laufenden Wortformen5 eignen sich grundsätzlich hervorragend für die Überprüfung syntaktischer Phänomene, bis zu einem gewissen Grad auch für lexikalische
Fragestellungen (z.B. Kookkurrenzen). Die Recherche Ich freue mich,
die hinsichtlich der Positionen von ich (Anfang) und mich (Ende) spezifiziert werden konnte, ergab lediglich einen Treffer, der jedoch die
prospektive Relation gut illustriert (Hervorhebung E. Sch.):
Vor seiner Rückkehr auf die Bundesliga–Bühne am 19. November im Auswärtsspiel beim 1. FC Kaiserslautern wird Meyer den Club erstmals am
Samstag (14.30 Uhr) in einem Freundschaftsspiel in Hof gegen den tschechischen Erstligisten Mlada Boleslav betreuen. Nach einem knappen Jahr
als Fußball– »Rentner« ist Meyer ganz heiß auf die neue Herausforderung
im Neuen Zabo: »Ich muss ganz ehrlich sagen: ich freue mich. Es kribbelt
schon mächtig.« (Nürnberger Zeitung, 10.11.2005).
Betrachten wir nun ein weiteres zweisprachiges Wörterbuch, die
zweite Auflage des Nuovo dizionario di tedesco von Zanichelli / Klett
(Giacoma / Kolb 2009):
5. Vgl. http://www.ids–mannheim.de/cosmas2/projekt/referenz/korpora.html
(1.10.2010).
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Elmar Schafroth
A rfl
1 (voller Freude sein) sich (über etw akk) freuen essere contento/lieto geh di qc, rallegrarsi per qc,
gioire di/per qc: ich freue mich für dich/[mit dir], dass du die Prüfung bestanden hast,
sono contento (–a)/[mi rallegro] che tu abbia superato l’esame; ich würde mich freuen, wenn...,
avrei piacere che... konjv; [...] 2 (freudig erwarten) sich auf jdn/etw freuen aspettare con gioia qu/qc:
wir freuen uns schon sehr auf die Sommerferien, non vediamo l’ora che arrivino le vacanze
estive; ich freue mich schon (darauf), dich wieder zu sehen, non vedo l’ora di rincontrarti [...].
Abb. 5. Ausschnitt aus dem Artikel freuen in Giacoma / Kolb (2009)
Es fällt auf, dass die beiden Konstruktionstypen sich freuen über und
sich freuen auf sauber differenziert werden, strukturell und semantisch,
wobei die Bedeutungskurzparaphrase unter 2 klarer ist als die unter
1. Zusätzlich werden weitere Valenzstellen eröffnet, die in den beiden anderen Werken nicht angesprochen wurden: sich für jemanden
freuen und sich mit jemandem freuen. Helbig / Schenkel (1983) führen
die beiden Anschlüsse nicht auf, zählen sie also offenbar nicht zu den
Ergänzungen. Schumacher et al. (2004) bemerken, dass die Präpositionalphrase mit jemandem fakultativ sowohl bei sich freuen auf als
auch bei sich freuen über hinzugefügt werden könne, die Phrase für
jemanden hingegen nur bei letzterem. Giacoma / Kolb hätten mit dir
somit auch bei 2 anführen können. Das ist aber nur ein Detail.
Die Äquivalenzvorschläge sind differenzierter als in den anderen
Werken zuvor: essere contento di qc einerseits und, stilistisch gehoben,
essere lieto di qc andererseits, rallegrarsi per qc (mit Angabe der Präposition per) sowie gioire di qc und gioire per qc, wobei leider offen bleibt,
wann gioire di/per verwendet werden kann. Bei Verwendung eines
dass–Nebensatzes scheinen sono contento che und mi rallegro che, beide
Male mit dem folgenden Verb im Konjunktiv, möglich zu sein (mit dir
bleibt unübersetzt).
Für die Konstruktion sich freuen auf werden bei Giacoma / Kolb
bisher nicht registrierte Varianten vorgeschlagen: eine Adverbialperiphrase (aspettare con gioia qu/qn) und ein Phraseologismus (non veder
l’ora di, nach eigenen Angaben (s.v. ora) im Deutschen mit ‚es kaum
erwarten können, zu...; sich sehr darauf freuen, zu...‘ wiederzugeben).
In Anwendungsbeispielen illustriert ist jedoch nur die zweite Variante.
Hierzu ist anzumerken, dass non veder l’ora di offenbar nur mit einem
che–Nebensatz oder einem Infinitivanschluss funktioniert (vgl. non ve-
Das Verb sich freuen und seine syntaktischen Mitspieler
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diamo l’ora che arrivino le vacanze estive und non vedo l’ora di rincontrarti).
Ob eine Nominalphrase anschließbar ist, bleibt im Unklaren6 .
Auf der Basis dieser Angaben ergeben sich für unsere Testsätze (a)
(Ich freu’ mich auf morgen) und (b) (Ich freu’ mich auf Dich) theoretisch
folgende Möglichkeiten:
(ai 1) Aspetto domani con gioia / Aspetto con gioia domani
(ai 2) *Non vedo l’ora di domani
(bi 1) ?Ti aspetto con gioia
(bi 2) *Non vedo l’ora di te
Wir müssen uns ja in die Rolle des Gymnasiasten oder Studenten
versetzen, der sich nur allzu sehr und allzu gern auf das Wörterbuch
verlässt. Es ist klar, dass (ai 2) und (bi 2) grammatikalisch nicht möglich
sind, (bi 1) hingegen, abgesehen davon, dass es wohl kaum jemand
sagen würde, etwas anderes bedeutet, nämlich das, was man durch
wörtliches Übersetzen vermuten kann (‚Ich erwarte Dich freudig‘);
(ai 1) ist denkbar, bedeutet aber, dass das Kommen des nächsten Tages
bereits das freudige Ereignis darstellt.
Satz (c) (Ich freu’ mich) traut man sich erst gar nicht mehr zu übersetzen, da sich zu diesem elliptischen Gebrauch kein Hinweis findet.
Möglich wären also Sono contento, Sono lieto, Mi rallegro, Gioisco, Aspetto con gioia und Non vedo l’ora. Ein italienischer Muttersprachler würde
für (c) vermutlich Non vedo l’ora oder Sono proprio contento sagen.
Bei einer Volltextsuche in der CD–ROM–Version des Nuovo dizionario di tedesco (Ricerca avanzata / Tutto testo: freue*) stößt man dann
auf weitere Treffer, i.e. Belege, die in anderen Mikrostrukturen „versteckt“ sind — wie die folgenden (Auswahl): (1) die Kinder freuen sich
auf Weihnachten, i bambini sono contenti che presto sia/arrivi Natale
(s.v. Weihnachten); (2) sie freuen sich sehr auf ihr nächstes Zusammensein,
non vedono l’ora di rincontrarsi (s.v. Zusammensein); (3) non vedere il
momento di... inf, den Augenblick/[es] nicht erwarten können, da...;
sich sehr auf etwas freuen (s.v. momento); (4) pregustare qc {IL MERITATO RIPOSO} sich (schon) auf etw (acc) freuen (s.v. pregustare);
(5) era smanioso di partire per le vacanze, er konnte den Urlaub kaum
6. Vgl. hierzu Renzi / Elia (1997, 119), die betonen, dass es nötig sei, « che un vocabolario presenti tutte le reggenze di un verbo [...] c’è quella presunzione di completezza [...]
chi non trova una costruzione deve poter pensare che questa non sia possibile ».
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erwarten, er freute sich unbändig auf den Urlaub (s.v. smanioso); (6) ich
freue mich schon darauf !, non (ne) vedo l’ora! (s.v. darauf ); (7) non veder
l’ora di... fig (essere impaziente), es kaum erwarten können, zu...; sich
sehr darauf freuen, zu... (s.v. ora); (8) sich (über etw acc) freuen: quando
le diedero la notizia si rallegrò, als sie ihr die Nachricht überbrachten,
freute sie sich (s.v. rallegrare).
Es ist beachtlich, welche neuen Erkenntnisse sich durch Anwendung des „digitalen Röntgenblicks“ ergeben. Ich kann hier nicht auf
alle Fälle eingehen, möchte aber doch darauf hinweisen, dass sich
durch diese Belege die Vermutung bestätigt hat, essere contento benötige in der Bedeutung ‚sich freuen‘ einen che–Nebensatz (mit Verb
im Konjunktiv) und non veder l’ora ein Infinitivkomplement, wobei
das Verb, welches im Infinitiv stehen soll, sozusagen dem situativen
und/oder sprachlichen Zusammenhang entnommen werden muss
(vgl. rincontrare in Beleg 2). Außerdem fällt auf, dass zur Hervorhebung
der Nachzeitigkeit auch ein Adverb dienen kann (che presto sia/arrivi
Natale). Beleg (8) deutet darauf hin, dass rallegrarsi in der Bedeutung
‚sich über etwas freuen‘ ohne Komplement verwendet wird. Aus (6)
ergibt sich des Weiteren eine Möglichkeit, (c) zu übersetzen. Somit
kämen wir auf folgende Lösungen:
(ai 3) Sono contento che presto arrivi (sia) domani
(bi 3) Non vedo l’ora di (ri)vederti (rincontrarti)
(ci 1) Non vedo l’ora!
(ci 2) Non ne vedo l’ora!
Syntaktisch sind (ai 3) und (bi 3) sicher einwandfrei, aber bedeuten
sie auch Dasselbe wie (a) und (b)? Ist es nicht vielmehr so, dass (ai 3)
eigentlich ‚Ich bin froh, dass es bald morgen ist‘ meint und (bi 3) ‚Ich
kann es nicht erwarten, Dich zu treffen‘? Liegen hier also nicht doch
verschiedene pragmatische Sachverhalte vor?
Das Verb sich freuen und seine syntaktischen Mitspieler
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godere
2. N—V—(Prep N3)—(con N3) sich freuen
G RAMM. Präpositionen vor N3: per, a, in
B SP. 1. godere per la buona parola di qn. (Z) sich freuen über 2. Godo nel vederti contento. (G) 3. Godo nel
sentire questa notizia. (PF) [...]
5. N—V—a,di Inf genießen
B SP. [...] 2. Godo a/di vederti contento. (G) sich freuen. [...] 4. Godiamo di sapervi sani e salvi. (DD) sich
freuen [...]
7. N—si V—N1 genießen
B SP. [...] 6. Gli piace godersi i suoi figli. (GA) Er freut sich, mit seinen Kindern zusammen zu sein [...]
LOC . 1. godersela: sein Leben genießen, sich freuen [...] Se i grassi piangono i magri se la godono. (Sole)
sich freuen
Abb. 6. Ausschnitt aus dem Artikel godere in Blumenthal / Rovere (1998)
compiacere
4. N—si V—(di/in N3) sich freuen (über)
B SP. 1. compiacersi del proprio successo (Z) 2. Mi compiaccio della sua venuta. (S) 3. Quando mi viene
una bella poesia mi compiaccio moltissimo e mi sembra di essere poeta, checché se ne dica. (Sole) [...]
9. N—si V—(del fatto) che S sich freuen (über)
B SP. 1. Mi compiaccio, commendatore, che il suo registro grave abbia conservato, malgrado l’età [...], tutta
la sua forza. (Montale, zitiert in B.) ...ich freue mich, dass... 2. [...] i fautori delle privatizzazioni non possono
certo compiacersi del fatto che l’area della mano pubblica, anziché restringersi, si vada allargando. (Sole)
...können sich sicherlich nicht darüber freuen, dass... [...]
Abb. 7. Ausschnitt aus dem Artikel compiacere in Blumenthal / Rovere (1998)
3. Zweisprachige Valenzwörterbücher Italienisch und Deutsch
Blumenthal / Rovere (1998) bringen in ihrem Valenzwörterbuch Verben ins Spiel, die von den bilingualen Wörterbüchern nur am Rande
bzw. überhaupt nicht erwähnt wurden: godere und compiacere:
Von compiacere war in den bisher untersuchten Wörterbüchern
nicht die Rede, godere wurde nur en passant (im Dizionario delle lingue
272
Elmar Schafroth
italiana e tedesca) erwähnt. Nun ist es natürlich ein Unterschied, welche
der beiden möglichen Perspektiven des Sprachenpaars Deutsch und
Italienisch eingenommen wird, und es ist auch keineswegs evident,
dass godere und compiacere in den oben zitierten Fällen immer mit sich
freuen wiedergegeben werden müssen, dennoch bleibt festzuhalten,
dass für das deutsche Verb sich freuen über offensichtlich auch diese
beiden Verben denkbar sind. Dies wird durch zwei Zufallsfunde aus
einer literarischen Übersetzung (Bernhard Schlink, Liebesfluchten, und
dessen italienische Übersetzung Fughe d’amore) bestätigt. Vor allem
auf compiacere scheint literatursprachlich gerne zurückgegriffen zu
werden:
Sie hatte ihm gezeigt, daß sie sich über seine Freude freute (99): Lei gli aveva
fatto capire che si compiaceva del suo piacere (83)7
Ich freue mich, daß Deine Hoffnungen endlich in Erfüllung gegangen sind
(137): Mi compiaccio che le tue speranze alla fine si siano realizzate (113).
Für die deutsch–italienische Perspektive gibt des Weiteren das Valenzwörterbuch von Bianco (1996) Aufschluss. Für die reflexive Rektion von freuen werden folgende syntaktische Typen unterschieden
(Hervorhebungen E. Sch.):
1) sich an etwas freuen: godere di qualcosa; provare piacere [...]
2) sich auf etwas freuen: essere contento/1
N.B.: il motivo della gioia, espresso nell’E4, è futuro; questo tratto semantico, lessicalizzato in ted. nella Prep. ‘auf ’, si può esplicitare in it., inserendo
delle completive esplicite con Verbi contestualmente adeguati al Tempo
Futuro.
Im Folgenden wird nur eine Auswahl der in Bianco angegebenen
Beispielsätze zitiert. Als Konstruktionsmöglichkeiten werden ‚contento
che + Verb im Futur‘ sowie ‚contento di INF‘ angegeben:
Die Kinder freuen sich auf die Ferien: I bambini sono contenti che andranno in
vacanza.
Wir freuen uns auf Deinen Besuch: Siamo contenti che verrai a trovarci.
7. Hier spielte sicher die Beibehaltung der Assonanz zwischen Freude und freute im
deutschen Ausgangstext eine Rolle.
Das Verb sich freuen und seine syntaktischen Mitspieler
273
Ich freue mich [schon jetzt] auf meine Tante: Come sono contento che vedrò
mia zia.
Die Kinder freuen sich (darauf ), die Tante bald wieder zu sehen: I bambini
sono contenti di vedere presto la zia.
Als weitere mögliche Äquivalente zu sich freuen auf werden vermerkt: aspettare con gioia (Die Kinder freuen sich auf die Ferien: I
bambini aspettano con gioia le vacanze) und fare piacere (Die Kinder freuen sich (darauf ), die Tante bald zu sehen: Ai bambini fa piacere di vedere
presto la zia; Die Kinder freuen sich (darauf ), daß sie ihre Tante bald
sehen werden: Ai bambini fa piacere che vedranno presto la zia).
3) sich über etwas freuen: essere contento/2
N.B.: il motivo della gioia, espresso nell’E4, è presente o passato; questo
tratto semantico, lessicalizzato in ted. nella Prep. ‘über’, può essere esplicitato in it. con l’inserimento o di subordinate relative (o riduzioni di esse),
oppure di Completive con Verbi contestualmente adeguati.
Einige Beispiele:
Carola freut sich über ihren Erfolg: Carla è contenta del successo (che ha
ottenuto).
Carola hat sich über die Geschenke gefreut: Carla è stata contenta dei regali
ricevuti / che ha ricevuti.
Die Eltern freuen sich über die Tochter: I genitori sono contenti che è nata una
bambina.
Maria freut sich (darüber), die Prüfung bestanden zu haben: Maria è contenta
di aver superato l’esame.
Als weitere mögliche Äquivalente zu sich freuen über werden angegeben: rallegrarsi di NP/di INF/che + Verb im Konjunktiv sowie fare
piacere (ohne Ergänzung, mit direktem Infinitivanschluss oder mit che
+ Verb im Konjunktiv).
Halten wir fest, dass compiacere bei Bianco keine Rolle spielt und
godere (di qualcosa) offenbar nur für die Wiedergabe von sich freuen an
in Frage kommt, während essere contento in mehreren syntaktischen
Varianten sowohl für sich freuen über als auch für sich freuen auf ein
optimaler Kandidat zu sein scheint (z.B. contento che + Verb im Futur),
auf den ich weiter unten noch zurückkomme. Weitere Möglichkeiten,
sich freuen auf auszudrücken, sind, wie auch von den Äquivalenzwör-
274
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terbüchern dargestellt, aspettare con gioia, fare piacere und rallegrarsi.
Die elliptische Verwendung (Typ (c)) wird jedoch weder in Blumenthal / Rovere (1998) noch in Bianco (1996) ausdrücklich thematisiert
— aus Beispielen bei Blumenthal / Rovere schlussfolgernd könnte
jedoch hierfür ein mi compiaccio angesetzt werden.
Es ist ein Verdienst dieser Werke, die Valenzen so klar und ausführlich zu beschreiben. Das ist in einem zweisprachigen Wörterbuch in
dieser linguistisch fundierten Konsequenz natürlich nicht möglich, in
einsprachigen Definitionswörterbüchern wäre es denkbar ...
4. Exkurs: Übersetzungshilfen
Wie sieht es mit Hilfestellungen aus der Praxis des Übersetzens aus?
Hierfür musste erst ein Werk gefunden werden, in dem das Lexem
sich freuen überhaupt behandelt wird. In ihrer Erläuterung eines Textes, Das Schlagerspiel, aus Rudolf Schlabachs Sportgeschichten (1980),
erklären Camalich / Temperini (1992, 57f.) ihre Übersetzung von sich
freuen im folgenden Satz (Hervorhebungen E. Sch.):
So ein Sauwetter ausgerechnet heute, dachte er. Seit Tagen freute er sich auf
das Schlagerspiel zwischen dem heimischen FC und Rot–Weiß (ib., 54).
Che tempo schifoso proprio oggi, pensò. Erano giorni che aspettava con
impazienza la partitissima tra la squadra di calcio locale e i biancorossi (55).
Hier liegt also eine weitere Variante von sich freuen (auf ) vor, die
von den zuvor betrachteten Wörterbüchern nicht erfasst wurde: aspettare con impazienza qualcosa. Die Autorinnen bieten aber auch noch
andere Möglichkeiten an (ib., 57f.):
Per rendere in italiano l’idea di futuro espressa dalla preposizione auf, è consigliabile tradurre sich freuen con « non vedere l’ora, aspettare con ansia/con
impazienza ».
Es. — Die Vorlesungen haben erst vor drei Wochen begonnen, und schon freut
er sich auf das Semesterende. — Le lezioni sono cominciate da appena tre
settimane e lui non vede l’ora che finisca il semestre.
Sich freuen über, invece, può essere tradotto con « essere contento, far piacere » (o meno frequentemente « rallegrarsi »)
Es. — Wir haben uns über diese Nachricht sehr gefreut. — Questa notizia ci ha
fatto molto piacere. — Siamo stati molto contenti di questa notizia.
Das Verb sich freuen und seine syntaktischen Mitspieler
275
5. Sprachlicher Kontext, außersprachlicher Kontext und einzelsprachliche Übersetzungsstrategien
Die Wiedergabe von sich freuen über im Italienischen bereitet, wie wir
gesehen haben, insgesamt weniger Schwierigkeiten. Hierfür kommen
vor allem essere contento und far piacere in Frage. Das Verb rallegrarsi dürfte hierfür weniger geeignet sein — es ist zudem, wie auch
compiacere, diaphasisch höher markiert, was bedauerlicherweise in keinem der fünf zu Grunde gelegten Definitionswörterbücher (s. weiter
unten) zum Ausdruck kommt.
Ein kontrastives Sorgenkind scheint allerdings, zumindest nach
Ausweis der vorangegangenen Untersuchungen, das Verb sich freuen
auf zu sein. Ich fasse die bisher behandelten Äquivalenzvorschläge
zusammen:
rallegrarsi, aver piacere; essere contento per qualcosa, rallegrarsi di + Inf; aspettare
con gioia qualcosa, non veder l’ora che + Konjunktiv, non veder l’ora di + Inf;
essere contento che + Konjunktiv; aspettare con ansia qualcosa, aspettare con
impazienza qualcosa; essere contento + Verb im Futur; essere contento di + Inf;
fare piacere che + Verb im Futur, far piacere + Inf.
Selbst wenn wir die ersten beiden ungenauen und uneindeutigen
Angaben des Sansoni–Wörterbuchs (rallegrarsi, aver piacere) außer
Acht lassen, so haben wir es mit nicht weniger als zwölf möglichen
Übersetzungsvarianten zu tun! Quot capita, tot sententiae? Wohl
kaum, eher scheint die Vermutung nahe zu liegen, dass das passende
Element vom sprachlichen Kotext und auch außersprachlichen Kontext abhängt — von der Frage also, ob zum Beispiel Vorfreude, Ungeduld, Angst mit im Spiel ist und um welche „Handlung” (im weitesten
Sinne) es geht, die herbeigesehnt wird: Das Sichsehen, Sichtreffen
mit jemandem oder einfach nur das Eintreten eines bestimmten Zeitpunktes. Die semantischen und pragmatischen Bestandteile des auf
ein künftiges Ereignis projizierten positiven Gefühls oder Wunsches
wird im Italienischen eher analytisch–syntagmatisch, d.h. durch étoffement8 , ausgedrückt, im Deutschen synthetisch–paradigmatisch, indem
8. Étoffement ist ein Begriff aus der französischen Übersetzungswissenschaft und
meint die Verbindung mehrerer Lexeme als Mittel der syntagmatischen Kohärenz und
inhaltlichen Kontinuität, wodurch im Unterschied zum Deutschen der Eindruck der Re-
276
Elmar Schafroth
ein bestimmtes Verb, sich freuen auf, verwendet wird, welches paradigmatisch in Opposition zu sich freuen über oder sich freuen an steht.
Mit anderen Worten: Es hat bei der Wiedergabe von sich freuen auf
im Italienischen gar keinen Sinn, punktuell nach einem stets gültigen
Lexem zu suchen, sondern es müssen Ko– und Kontext betrachtet
werden. Wenn der Kontext ein Herbeisehnen enthält, dann kann auch
non veder l’ora di das passende Äquivalent sein. Hat man sich für diesen
Phraseologismus entschieden, muss eine Handlung (im weitesten
Sinne) gefunden werden, die durch ein Verb ausgedrückt werden
kann: non vediamo l’ora che arrivino le vacanze estive, non vedo l’ora di
rincontrarti. Ist eine solche Handlung sprachlich nicht im deutschen
Kotext präsent, muss sie als „sottintesa“ interpretiert werden: Ich freue
mich auf Dich → Sono contento di rivederti oder, wesentlich stärker in
der Intensität, Non vedo l’ora di rivederti. (vgl. Bianco 1996, 422). Nur
wenn kein Verb rekonstruierbar ist, z.B. im Falle von Ich freu’ mich,
dürften die italienischen Lösungen Sono contento, Non vedo l’ora möglich sein, wenngleich sie kommunikativ unspezifischer sind als im
Deutschen. Auch die Erweiterung durch eine Nominalphrase kann in
Frage kommen, wie ein Beleg aus Schlinks Liebesfluchten bzw. Fughe
d’amore zeigt: « Er freute sich darauf » (12) und « Se ne rallegrava al
pensiero » (12).
Die „Technik“ des étoffement, i.e. der „sprachlichen Auskleidung“
durch ein Mehr an Information, ist vor allem für die romanischen
Sprachen bekannt:
In genere le lingue germaniche, e in particolare il tedesco, molto più
dell’inglese, esprimono in una forma sintetica l’azione e il modo in cui
i sintagmi verbali vengono realizzati [...]. Le lingue romanze o trascurano la
modalità dell’azione [...] o suppliscono con forme aggiuntive quali gerundi,
avverbi, gruppi nominali (Bosco Coletsos 2007, 33).
dundanz und Wiederholung entstehen kann (vgl. Truffaut 1983, 311ff.). « L’étoffement —
qui n’est [...] qu’un développement, une explication d’un micro–contexte — de l’adjectif ou
de la préposition témoigne d’une espèce de jeu d’esprit dans la redondance qu’il présente »
(ib., 317).
Das Verb sich freuen und seine syntaktischen Mitspieler
277
6. Literarische Übersetzungen (Deutsch–Französisch)
Besonders häufig ist die Erscheinung einer „syntagmatischen Kompensation“ im Französischen anzutreffen. Sie müsste somit auch bei
Übersetzungen ins Französische auftreten und konsequenterweise
auch bei sich freuen auf. Es mögen zur Illustration dieses Phänomens
einige Stellen aus Theodor Fontanes Effi Briest und ein Beleg aus
Gottfried Kellers Die Leute aus Seldwyla9 — jeweils im deutschen und
übersetzten Text10 — genügen (Hervorhebungen E. Sch.):
Theodor Fontane, Effi Briest:
(1)
Effi freute sich sehr auf den Aufenthalt in Berlin, um so mehr, als
der Vater darein gewilligt hatte, im Hotel du Nord Wohnung zu
nehmen.
Celle–ci se réjouissait énormément à la pensée d’un séjour à Berlin,
d’autant plus que son père avait consenti qu’elles descendissent à
l’hôtel du Nord (Rovan / Coeuroy 1998, 40).
(2)
Aber da mir’s nun mal bestimmt ist, so hoch nördlich zu kommen
... ich bemerke, daß ich nichts dagegen habe, im Gegenteil, ich freue
mich darauf, auf die Nordlichter und auf den helleren Glanz der
Sterne...
Puisque je suis destinée à aller si loin dans le Nord... note que cela ne
m’est pas désagréable au contraire je me réjouis à la pensée des aurores
boréales, des étoiles plus claires et plus brillantes... (Rovan / Coeuroy
1998, 47).
(3)
Ich freue mich sehr auf Venedig.
Je me réjouis beaucoup à la pensée de voir Venise (Rovan / Coeuroy
1998, 62).
(4)
Ach, wie ich mich darauf freue und auf die havelländische Luft [...].
Je me réjouis déjà de ce voyage, de retrouver l’air du pays [...] (Rovan /
Coeuroy 1998, 123).
9. Die deutschen Texte sind der Internetplattform Projekt Gutenberg–DE entnommen.
Die Angabe von Seitenzahlen ist nicht möglich.
10. Die Seitenangaben in den französischen Belegen beziehen sich auf Rovan / Coeuroy (1998) und Keller (1928).
278
Elmar Schafroth
(5)
Sie freute sich auf den Brief, der einer befreundeten, zur Zeit in Reichenhall weilenden Berliner Dame zugute kommen sollte.
Elle se réjouissait d’écrire cette lettre qu’elle destinait à une amie de
Berlin en villégiature à Reichenhall (Rovan / Coeuroy 1998, 298).
Gottfried Keller, Die Leute von Seldwyla:
(6)
»Nichts!« sagte Vrenchen, »ich hätte mir etwas holen können, aber
ich dachte, ich wolle lieber hungrig bleiben, damit ich recht viel
essen könne mit dir zusammen, denn ich freue mich so sehr darauf,
du glaubst nicht, wie ich mich freue!«
Non, dit Brenni. J’aurais pu aller chercher quelque chose, mais j’ai
pensé qu’il était préférable de demeurer à jeun pour mieux manger
quand je serais avec toi, car je suis si content que tu sois là; tu ne saurais
croire combien je suis heureuse (Keller 1928, 74).
Während im Deutschen in allen Belegen das an die Präposition
auf angeschlossene Objekt entweder nominal ausgedrückt ist (Aufenthalt, Nordlichter, Glanz, Venedig, Luft, Brief ) oder als Pronominaladverb
darauf in Erscheinung tritt, weicht das Französische auf die syntagmatische Achse aus und schiebt zwischen das Verb se réjouir (de) und dem
Objekt entweder ein Adverbiale (à la pensée de, (1) und (2)) oder ein
Verb (retrouver in (4), écrire in (5)) oder beides (à la pensée de voir in (3)).
Nur selten tritt gar kein étoffement ein und das nominale Objekt wird
direkt angeschlossen: Je me réjouis déjà de ce voyage [...] (4), obwohl
bei genauer Betrachtung voyage kein Pendant im deutschen Text hat
(darauf ) und insofern auch eine Erweiterung darstellt. Selten wird,
wie in (6), être content (+ Subjonctif ) oder gar nur être heureux (ohne
Ergänzung) verwendet — letzteres entspräche dann grosso modo
dem Typ „Ich freue mich“...
7. Der Ausdruck des Sichfreuens im gesprochenen Italienisch
Nun könnte man derlei Beispiele auch in italienischen Übersetzungen
deutscher literarischer Werke untersuchen. Da diese digital vorliegen
und frei zugänglich sein müssten, um zu schnellen Ergebnissen zu
kommen, scheidet die literarische Recherche, zumindest was Prosa-
Das Verb sich freuen und seine syntaktischen Mitspieler
279
texte des 20. und 21. Jahrhunderts betrifft, für das Italienische mangels
Angebot aus. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Analyse anhand von parole–Akten des gesprochenen Italienisch vorzunehmen,
zumal ein Verb wie sich freuen bzw. seine italienischen Pendants sehr
häufig auch in der Alltagssprache auftreten. Deshalb soll hier auf das
im Internet kostenlos zugängliche Korpus zum italiano parlato zurückgegriffen werden, welches in seiner Grazer Bearbeitung (badip) digital
verfügbar ist11 . Damit wird versucht, eine andere Perspektive als die
der bilingualen Sichtweise Deutsch–Italienisch einzunehmen. Es wird
also im Folgenden zuerst darum gehen, intralinguistische Unterschiede im Gebrauch derjenigen italienischen Verben und Adjektive zu
analysieren, die zu dem Begriffsfeld „sich freuen“ gehören. In einem
zweiten Schritt sollen dann wieder interlinguistische Beobachtungen
angestellt werden, um den italienischen Formen wiederum deutsche
Äquivalente zuzuordnen.
Da die Suche nach non veder l’ora nur einen, zudem für unsere
Fragestellung nicht brauchbaren Treffer ergeben hat, sehen wir uns
im Folgenden vor allem die Belege zu contento, am Rande auch zu
lieto, etwas näher an12 .
Eine erste Klassifizierung der insgesamt 58 Belege zum Adjektiv
content– (einschließlich dreier Belege zu contentissimo und contentissimi) ergibt folgenden Strukturrahmen:
I) essere contento (ohne Ergänzung)
II) essere contento che (Variante: essere contento se)
III) essere contento di + Infinitiv/Nominalphrase (Variante: di + indirekter
Fragesatz)13
11. In der sprachlichen Substanz handelt es sich um das Korpus des Lessico di frequenza
dell’italiano parlato (LIP), welches 1990 bis 1992 erhoben und 1993 von Tullio de Mauro
und anderen Linguisten in Zusammenarbeit mit IBM Italien veröffentlicht wurde. Es
umfasst knapp 500.000 tokens, in etwa gleichmäßig verteilt auf die Städte Mailand (M),
Florenz (F), Rom (R) und Neapel (N). Der auf das Städtekürzel folgende Buchstabe (A bis
E) kennzeichnet den Grad der Nähe– bzw. Distanzsprachlichkeit der Aufnahme (A bis B
klar nähesprachlich, C bis E zunehmend distanzsprachlich).
12. Die Belege sind in ihrer Originaltranskription belassen, einschließlich Sonderzeichen und offensichtlicher Normverstöße (ohne sic!); die Hervorhebungen in kursiv
stammen von mir.
13. Ein vierter Typ, für den es nur einen Beleg gab, kann hier vernachlässigt werden. Es handelt sich um die Struktur essere contento + Infinitiv, welche in badip wie folgt
zum Ausdruck kommt: « e non credo che sarebbero contentissimi sentirsi questa etichetta
280
Elmar Schafroth
Es kann davon ausgegangen werden, dass die Bedeutung von contento auch mit der Wahl der syntaktischen Struktur zusammenhängt.
Vielleicht besteht ja die Möglichkeit, dies in Definitionswörterbüchern bestätigt zu finden. Als „Grundbedeutungen“14 von contento
unterscheiden Zingarelli 2010, Garzanti 2009, Sabatini Coletti 2008, De
Mauro (2000) und Dardano (1982) folgende Sememe:
1. Pago, soddisfatto nelle proprie necessità, nei propri desideri e sim. (+ di,
anche seguito da inf.), 2. Lieto, allegro (Zingarelli 2010).
Soddisfatto, appagato; lieto [+ di, che] (Grande Dizionario Garzanti 2009).
1. Soddisfatto, appagato interiormente, 2. felice, sereno, allegro (Sabatini
Coletti 2008).
1. Appagato, soddisfatto, 2. allegro, lieto, felice; che esprime contentezza
(De Mauro 2000).
1. Lieto, felice, 2. soddisfatto, appagato (Dardano 1982).
Zur syntaktischen Konstruktion machen nur Zingarelli und Garzanti explizite Angaben, allerdings mit Bezug auf das jeweils andere
Semem. Über diesen Weg, die Bedeutung zu erschließen, ist also auf
der Grundlage von Definitionswörterbüchern nicht möglich. Zudem sind synonymische Definitionen, man sieht es auch hier wieder
(bei allen Werken außer dem Zingarelli 2010), alles andere als zufriedenstellend, um beim Bild des „essere contento“ zu bleiben. Wir
können aber festhalten, dass zwischen dem Ausdruck eines schwächeren und eines stärkeren positiven Gefühls unterschieden wird:
zwischen eher nüchterner Zufriedenheit und einer Art Glücksgefühl — kodieren wir die beiden Ausdrucksformen als G± und G+.
Es kann also angenommen werden, dass das zweite Semem G+
(‚fröhlich‘ oder ‚glücklich‘ oder ‚heiter‘) am ehesten dem Signifié
von sich freuen entspricht, wobei dieses positive Gefühl retrospektiven oder prospektiven Bezug haben kann. Nach Rücksprache mit
italienischen Muttersprachlern lässt sich der Unterschied zwischen
G± und G+ bei folgenden Korpusbelegen, die auf die oben differenzierten Strukturtypen verteilt werden, ausmachen (Kursivsetzung
E. Sch.):
psicologica » (NC 11, 54, C).
14. Etymologisch ist für lat. contentum die Bedeutung ‚sich begnügend, zufrieden‘
anzusetzen.
Das Verb sich freuen und seine syntaktischen Mitspieler
281
I) essere contento (ohne Ergänzung)
(A) penso che sarà contento gli porto dei fiori sarà contento (FB 31, 56,
B) G+
(B) ma il presidente sarà pure contento che dici * # (RB 21, 21, B) G±
(C) no no io me lo farò fare per la mia nipotina così almeno è contenta
sarà contenta (MB 1, 182, C) G+
(D) non l’ ho mai trovato impreparato anche magari facendo una
domandina dal posto quindi io sono abbastanza contenta # (RA 9, 38,
B) G±
(E) io sono già contento perché i rappresentanti del mio rione sono si
sono già fatte sentire (FB 14, 168, A) G±
(F) io sono davvero contento perché riusciamo ancora una volta a
farvi dei prezzi formidabili signori (NE 9, 1, A) G+
II) essere contento che (Variante: essere contento se)
(G) ciao Valentina contenta che sei tornata (MB 93, 19, C) G+
(H) io son contenta anche che mangia per carità # (ME 6, 266, B) G+
(I) Vittoria tu saresti contenta se io proponessi che in Italia venisse
dato un salario agli imbecilli * (FB 17, 11, C) G+
III) essere contento di + Infinitiv/Nominalphrase (Variante: di + indirekter
Fragesatz)
( J) io so’ contenta di piacere a pochi sai * (RE 7, 125, B) G+
(K) comunque sono stata molto contenta ieri dell’avvocato è un ragazzo giovane giovanissimo una persona di una serietà incredibile (NB
25, 2, B) G+
(L) appunto sua figlia non è contenta non è soddisfatta di sé (ME 6,
273, A) G±
(M) senti una cosa quindi sei contenta dell’ apparecchio * (RE 4, 126,
A) G±
(N) o il fatto che non siamo contenti di una determinata situazione
chi mangia troppo naturalmente (ME 6, 271, A) G±
(O) io tutto sommato sono contenta di come lavorano (RA 9, 244, B)
G±
Für lieto ergaben sich folgende verwertbare Belege. Sie bilden alle
die Struktur‚ essere lieto di + Infinitiv‘ ab (Kursivsetzung E. Sch.):
(P) non sarà venuto l’ onorevole Coco al quale sarò lieto di cedere il
mio posto (NC 3, 8, E) G+
282
Elmar Schafroth
(Q) a tale riguardo sarei lieto di coinvolgerti in un paio dice proprio
un paio devi scrivere un paio di iniziative (NA 2, 103, B) G+
(R) io e mio padre saremmo lieti di ospitarti a Napoli durante tale
manifestazione (NA 2, 159, B) G+
Welche Erkenntnisse hat diese Korpusanalyse gebracht? Zum einen,
dass die italienischen Definitionswörterbücher bei der semantischen
Beschreibung von contento mit ihrer Unterscheidung in G± und G+
Recht haben, zum anderen, dass sprachlicher Kotext und außersprachlicher Kontext für die genaue Semantisierung von contento wichtig
sind15 . Zudem wurde schon anhand der wenigen Belege für lieto ersichtlich, dass dieses Adjektiv grundsätzlich G+ zum Ausdruck bringt
und stilistisch höher markiert ist als contento (auch wenn dies die
Definitionswörterbücher leider nicht vermerken).
Wenn man nun versucht, wieder eine kontrastive Perspektive, hier
Italienisch–Deutsch einzunehmen, wird man in etwa folgende Äquivalenzzuordnungen vornehmen können:
‚zufrieden sein‘: B, D, E, K, L, M, N, O
‚froh sein‘: F, H, J
‚glücklich sein‘: I
‚sich freuen‘: A, C, G, R
‚erfreut sein‘ o.ä.: P, Q
Das Adjektiv contento kann also ein Spektrum positiver Gefühle
abdecken, welches von simpler Zufriedenheit bis zum Ausdruck stärkerer freudiger Empfindungen reichen kann — für dezidiert starke
Empfindungen stehen hingegen andere Adjektive und Verben zur
Verfügung. Das Adjektiv lieto ist diasystematisch markiert und ist
einem formelleren Register zuzuordnen, welches natürlich auch in
ironischem Kontext eingesetzt werden kann.
Die Bedeutung aus der syntaktischen Konstruktion abzuleiten,
konnte auf der Basis der badip–Belege (zumindest für contento) nicht
bewerkstelligt werden.
15. Aus Platzgründen wurden hier nur minimale Kotexte zitiert. In einzelnen Fällen
müsste daher ein größerer Textausschnitt gewählt werden, um genauere Aussagen treffen
zu können.
Das Verb sich freuen und seine syntaktischen Mitspieler
283
8. Fazit
Die vorangegangenen Überlegungen haben ein Detail der kontrastiven Lexikologie, die auch Sandra Bosco Coletsos stets am Herzen lag,
ins Visier genommen. Und es ist deutlich geworden, dass die Tücke
tatsächlich im Detail steckt. Wir wissen alle, dass eine Fremdsprache,
auch wenn man sich Jahrzehnte lang mit ihr beschäftigt, letztlich
doch ein Buch mit sieben Siegeln bleiben wird. Sei es auf phonologischer Ebene, im Wortschatz, in der Morphologie (ich denke vor
allem an das Genus), in der Grammatik, Stilistik, Idiomatik. Kurzum — eine Fremdsprache in den Griff zu bekommen, bleibt eine
lebenslange Herausforderung. Und da wäre es doch gelacht, wenn
wir Äußerungen wie (a) bis (c) nicht adäquat in einer anderen Sprache wiedergeben könnten. Mein Beitrag hat hoffentlich gezeigt, dass
genau das eben doch nicht so ganz einfach ist. Die Gründe liegen natürlich zuallererst in der typologischen Verschiedenheit der Sprachen
Deutsch und Italienisch an sich. Diese Unterschiede aufzudecken, sie
zu beschreiben und Lösungen anzubieten, wie dennoch — zumindest
kommunikativ — Äquivalenz hergestellt werden kann, ist Aufgabe
der kontrastiven Lexikologie und der zweisprachigen Lexikographie.
Nicht immer jedoch ist, wie wir gesehen haben, diese Aufgabe zur
vollen Zufriedenheit gelöst worden.
Halten wir fest, dass das Verb sich freuen auf im Deutschen einfach
nur eine Nominalphrase anschließen kann oder auch nur elliptisch
verwendet werden kann. Im Italienischen ist, wie auch im Französischen, das prospektive „Sich freuen“ jedoch nicht ohne Weiteres mit
einem Substantiv oder Pronomen konstruierbar, sondern erfordert in
den meisten Fällen den Einbezug (und sei dieser auch kommunikativ
redundant) einer Handlung. Wenn also ein Verb mit ins Spiel kommt,
dann scheint die Äquivalenz zu funktionieren. Äußerung (b) ist dann
wunderbar ins Italienische übertragbar mit Non vedo l’ora di (ri)vederti
(rincontrarti) oder Sono contento di (ri)vederti (rincontrarti) — wobei die
beiden Sätze aus pragmalinguistischer Sicht alles andere als identisch
sind, da non veder l’ora di etwas kommuniziert, was im Deutschen in
sich freuen auf nicht vorhanden ist. Ein Mehr an „Gefühl“ — man sehe
mir die Anspielung auf die „sovrabbondanza“ des Italienischen (Bosco
Coletsos 2007, 7) nach —, welches vielleicht die Erwartungen etwas
verfälschen könnte. Entsprechend ist auch (c) in seiner elliptischen
284
Elmar Schafroth
Lesart letztlich gut übersetzbar: Ich freu’ mich ist stark kontextsensitiv und kann deshalb, wiederum je nach Ko– und Kontext, als Ne
sono proprio contento oder mit Non vedo l’ora wiedergegeben werden.
Problematisch erscheint mir nach wie vor der Fall (a), da hier die romanische Übersetzungsstrategie des étoffement (durch Einbezug eines
Verbs als kohärenzstiftendes Mittel) nicht möglich zu sein scheint,
außer vielleicht durch Sono contento al pensiero di domani. Aber Sono
contento che presto arrivi (od. sia) domani ist und bleibt etwas anderes als
Ich freu’ mich auf morgen, da im italienischen Satz der schiere Umstand
des Anbrechens des folgenden Tages bereits ein freudiges Ereignis
darstellen würde, im Deutschen jedoch ein bestimmtes bevorstehendes
Ereignis involviert — „sottinteso“ — ist, welches dem Ko– und Kontext entnommen werden muss. Das kann ein Treffen, ein Fußballspiel,
die Ankunft eines Freundes, das schöne Wetter oder die Übergabe
einer Festschrift sein. Es kann deshalb kein Zufall sein, wenn viele der
in Deutschland lebenden Italienerinnen und Italiener in genau dieser
Situation eine hybride Konstruktion verwenden, die dem deutschen
Verb samt Valenz zumindest ein italienisches Aussehen verleihen: mi
freuo di domani.
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