Wachstum muss nicht immer gut sein. Spektrum der Wissenschaft 12/2005 p. 1 v.2 WACHSTUM MUSS NICHT IMMER GUT SEIN Unwirtschaftliches Wachstum entsteht, wenn Produktionszuwächse auf Kosten von Wohlbefinden und Ressourcen gehen, deren Wert den der produzierten Waren übersteigt. Dahinter steckt ein Missverhältnis zweier Größen namens Nutzen (utility) und Negativnutzen (disutility). Nutzen bedeutet hier das Niveau der Bedürfnisbefriedigung in der Bevölkerung - grob gesagt den Grad ihres Wohlbefindens. Negativnutzen bezeichnet die Opfer, die für das Steigern von Produktion und Verbrauch zu bringen sind. Zu solchen Opfern zählen Gebrauch der Arbeitskraft, Verlust von Freizeit, Verbrauch von Ressourcen, Umweltverschmutzung und Verkehrsstaus. (Grafik: Jan Christiansen) Um das Verhältnis zwischen Nutzen und Negativnutzen zu veranschaulichen, werden der so genannte Grenznutzen (grüne Linie) und der negative Grenznutzen (orange Linie) grafisch dargestellt. Grenznutzen bedeutet die Menge der Bedürfnisse, die befriedigt werden, wenn der Verbrauch eines bestimmten Quantums an Gütern und Dienstleistungen um eine zusätzliche Einheit steigt Mit zunehmendem Verbrauch nimmt der Grenznutzen ab, da wir unsere dringendsten Bedürfnisse zuerst befriedigen. Negativer Grenznutzen bezeichnet das Ausmaß des Opfers, das zur Erzielung einer zusätzlichen Verbrauchseinheit nötig ist. Der negative Grenznutzen wächst mit zunehmendem Verbrauch, da die Menschen meist die geringsten Opfer zuerst bringen. . Die optimale Größe des Verbrauchs wird durch den Punkt markiert, an dem Grenznutzen und negativer' Grenznutzen gleich sind. An diesem Punkt genießt die Wachstum muss nicht immer gut sein. Spektrum der Wissenschaft 12/2005 p. 2 v.2 Gesellschaft den maximalen Nettonutzen (grüne Gesamtfläche). Wird der Konsum über diesen Punkt hinaus gesteigert, verliert die Gesellschaft in Form höheren negativen Nutzens mehr, als sie durch den zusätzlichen Nutzen gewinnt: Der negative Nettonutzen (die orange Fläche) wächst. Wachstum wird unwirtschaftlich. Schließlich erreicht eine Bevölkerung mit unwirtschaftlichem Wachstum die Grenze der Nutzlosigkeit - das heißt den Punkt, an dem sie durch weiter erhöhten Konsum keinerlei zusätzlichen Nutzen mehr schafft. Vielleicht haben einige Industrieländer diese Grenze bereits erreicht. Außerdem kann eine Umweltkatastrophe eintreten und den negativen Nutzen steil hochtreiben (gestrichelte Linie) - und zwar vor oder nach Erreichen der Nutzlosigkeitsschwelle. Die Grafik gibt unsere Kenntnis der Situation zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder. Künftige Technologien könnten die Linien so verschieben, dass verschiedene Details nach rechts wandern. Dadurch würde zusätzliches Konsumwachstum möglich, bevor der Negativnutzen überwiegt. Allerdings gilt nicht unbedingt, dass technischer Wandel stets die Grenzen erweitert. Beispielsweise hat die Entdeckung des Ozonlochs und der globalen Erwärmung - bei des Folgen neuer Technologien - die Linie des negativen Grenznutzens nach oben verschoben; dadurch wandert die Grenze der Wirtschaftlichkeit nach links und schränkt die Expansion ein•