MPIfR: Public - Max Planck Institut für Radioastronomie

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Der Sternentstehung auf der Spur
Altenhoff, Chini, Cox, Fiebig, Güsten, Haslam, Hauschildt, Henkel, Huchtmeier, Hüttemeister,
Kreysa, Lemke, Mauersberger, Mezger, Schilke, Walmsley, Wilson, Zylka
Unsere Sonne, und mit ihr die Erde und die anderen Planeten, sind vor 5 Milliarden Jahren aus
interstellarem Staub und Gas entstanden. Die geologischen Spuren dieses Entstehungsvorganges sind
nahezu verwischt. Analoge Vorgänge müßten sich aber auch jetzt noch in unserer Milchstraße zu
beobachten sein, denn man weiß, daß dort jedes Jahr etwa 5 Sonnenmassen an interstellarer Materie in
Sterne umgewandelt werden. Man hat sogar eine recht gute Vorstellung dieses Prozesses (Abb. 1).
Seit 25 Jahren weiß man von der Existenz riesiger interstellarer Wolken aus molekularem Wasserstoff in
der Milchstraße, deren mittlere Dichte nur wenige hundert Moleküle pro Kubikzentimeter beträgt.
Kartierungen mit dem 100-m-Teleskop und anderen Instrumenten haben in den letzten Jahren die
Vermutung bestätigt, daß diese Wolken nicht gleichmäßig mit Gas erfüllt sind, sondern aus einer
ganzen Hierarchie aus Klumpen und Filamenten bestehen. Unter dem Einfluß der Schwerkraft können
sich Teile dieser Wolken zu sogenannten Wolkenkernen verdichten, mit Dichten von schon einigen
hunderttausend Molekülen pro Kubikzentimetern. Nach dem Gesetz der Drehimpuls-Erhaltung rotieren
diese Wolkenkerne bei einem weiteren Kollaps immer schneller bis die Fliehkräfte die Gravitationskräfte
ausgleichen können. Damit noch kompaktere Wolkenklumpen entstehen können, muß zuerst die
überschüssige Drehbewegung abgebremst werden. Zwei Mechanismen kommen dafür in Frage:
Wechselwirkung mit dem interstellaren Magnetfeld und Fragmentation.
Unsere Milchstraße ist von einem schwachen Magnetfeld durchdrungen, welches aber nicht direkt mit
den im wesentlichen elektrisch neutralen Molekülen einer Sternentstehungs-Wolke wechselwirken kann.
In jeder solchen Wolke gibt es jedoch einen geringen Prozentsatz an Teilchen, die von der
durchdringenden Kosmischen Strahlung ionisiert werden. Diese Ionen werden durch das in den Wolken
verankerte Galaktische Magnetfeld in ihrer Bewegung abgelenkt. Wenn sie dabei mit den neutralen
Teilchen der rotierenden Wolke zusammenstoßen, so entsteht jene Reibung, welche notwendig ist,
damit die Rotation abgebremst wird.
Solche Magnetfelder konnten mit dem 100-m-Teleskop in Molekülwolken anhand des Zeeman-Effekts
direkt gemessen werden. Dabei nutzte man aus, daß sich bei Anwesenheit eines Magnetfeldes die
charakteristische Wellenlänge einer atomaren oder molekularen Emissionslinie geringfügig verschiebt.
Präzisionsmessungen ergaben Magnetfelder von etwa 50-Milligauss in den dichtesten Wolkenkernen.
Mit immerhin 1/10 der irdischen Wertes ist dies ein für das interstellare Gas erstaunlich hohe
Feldstärke, die ausreicht, die Sternentstehung entscheidend zu beeinflussen.
Eine andere Möglichkeit, Eigendrehimpuls abzuführen, ist die Fragmentation einer rotierenden Wolke in
viele Bruchstücke, oder aber in einen Kern und eine Scheibe. Da der Drehimpuls dann hauptsächlich in
die Bahnbewegung der Fragmente oder der Scheibe transferiert wird, verlieren die einzelnen Fragmente
an Eigendrehimpuls und können weiter kollabieren. Ein augenscheinliches Beispiel ist unser eigenes
Planetensystem: Obwohl die Sonne mehr als 700 mal soviel Masse besitzt als alle Planeten zusammen,
ist doch der Löwenanteil des Drehimpulses in den Planetenbahnen konzentriert und nicht in der
Eigendrehung der Sonne. Die Planeten sind wahrscheinlich aus einer rotierenden Gasscheibe
kondensiert, wie man sie in der Umgebung junger Sterne beobachtet. Beobachtungen von
Sternentstehungs-Wolken mit hoher Winkelauflösung, z.B. in Richtung des Orion Sternentstehungs-
Gebietes, zeigen in der Tat einen starken Grad an Fragmentation.
Die Entwicklung eines Protosterns beginnt bei Dichten von einer Million Teilchen pro Kubikzentimeter.
Wenn das protostellare Gas unter seiner eigenen Schwerkraft kollabiert, entsteht Wärmeenergie, die
jedoch leicht von feinst beigemischten Staubteilchen im infraroten Bereich bei Wellenlängen unter 1
mm abgestrahlt werden kann. Trotz der hohen Energien, die beim Kollaps frei werden, bleibt die
Temperatur zunächst konstant. Beim weiteren Zusammenfall wird der Staub schließlich so dicht, daß
ein Wärmestau entsteht, weil die Abstrahlung blockiert wird. Temperatur und Dichte steigen nun
innerhalb kürzester Zeit so stark an, daß Kernverschmelzungen gezündet werden: Ein Stern ist
geboren.
Leider macht es die Natur nicht einfach, Sterngeburten zu beobachten, denn sie finden tief im Inneren
von im optischen undurchsichtigen Gaswolken statt; ihre Dauer ist mit etwa 50000 Jahren kurz
verglichen mit dem Lebensalter eines Sternes, und die Winkeldurchmesser der "Protosterne" sind klein.
Deshalb benötigt man die größten Teleskope im mm- und submm Wellenlängenbereich. Der beste Ort,
um mit der Suche nach Protosternen zu beginnen, sind Molekülwolkenkerne, in denen schon junge
Sterne kürzlich entstanden sind, wie z.B. das Gebiet um den leuchtenden Gasnebel NGC 2024 (Abb.
2a).
Ein für die Wärmestrahlung des Staubes empfindlicher Bolometer-Detektor kombiniert mit dem IRAM
30-m-Teleskop auf dem 2800 m hohen Pico Veleta in der spanischen Sierra Nevada zeigt bei einer
Wellenlänge um 1mm sechs oder sieben dichte und kompakte Kondensationen. Sie haben typische
Massen vom zehnfachen der Sonnenmasse und Dichten von einigen hundert Millionen Teilchen pro
Kubikzentimeter, sind also Kandidaten für die lange gesuchten Protosterne.
Der molekulare Wasserstoff, und ebenso das Helium, aus welchen Sternentstehungs-Wolken und
Protosterne zum überwiegenden Teil bestehen, kann nicht leicht vom Erdboden aus beobachtet werden,
doch gelten die leicht zu beobachtenden Linienemissionen von Kohlenmonoxid, welches im Gas mit
einer Konzentration von 0,1 Promille beigemischt ist als guter Indikator für die Menge von dichtem
Wasserstoff-Gas in der Blickrichtung. Deshalb wurde das Gebiet, in welchem sich die mutmaßlichen
Protosterne befinden, in der Emission des seltenen Molekülisotops C18O kartiert. Erstaunlicherweise
sind die in der Staubemission entdeckten Klumpen in dieser Linienemission kaum sichtbar. Man
beobachtet lediglich eine etwas ausgedehntere Wolkenstruktur (Abb. 2b). Warum sieht man die
kompakten Objekte in Staub, nicht aber in der Emission von CO? Eine mögliche Erklärung wurde schon
vor 15 Jahren gegeben. Damals mußte man sich sogar wundern, überhaupt Spurenmoleküle in der
Gasphase der Molekülwolken zu finden. Wenn es sich nämlich wirklich um kalte, sehr dichte
Kondensationen handelt, so erwartet man, daß beobachtbare Moleküle wie CO gelegentlich mit
Staubkörnern zusammenprallen. Auf deren Oberflächen bleiben sie zunächst haften und bilden einen
Mantel aus Eis. In weniger dichten, wärmeren Wolken, wie der ausgedehnteren Struktur, die man in
C18O sieht, können diese Eismäntel wieder verdampfen, in dichten, kalten Wolken erwartet man
jedoch, daß alle Spurenmoleküle auf Staubkörnern ausfrieren und somit keine scharfe Linienstrahlung
aussenden.
Das VLA Radiointerferometer in New Mexico erlaubte Beobachtungen der Ammoniakemission von
NGC2024 mit hoher Winkelauflösung, die zeigten, daß jedes der Staubmaxima auch ein sehr schwach
angedeutetes Ammoniak-Maximum aufweist, die meiste Ammoniakemission stammt jedoch, wie auch
bei C18O, von ausgedehnterem Gas. Aus der Stärke zweier NH3 Linien ergab sich, daß zumindest
einige der Kondensationen kälter als das umliegende Gas sind. Vermutlich stammt die
Ammoniakemission aber nur von der Oberfläche der Kondensationen, die man in Staubemission sieht.
Ein Prüfstand dafür, ob die NGC 2024 Staubkondensationen wirklich Protosterne sind, in denen die
Spurenmoleküle ausgefroren sind, werden Beobachtungen mit noch höherer Winkelauflösung sein, wie
sie mit dem IRAM Interferometer für mm-Wellen auf dem Plateau de Bure gewonnen werden können.
Im Gegensatz zu NGC 2024 entstehen im "Globulenfilament 9" (Abb. 2c) vornehmlich Sterne mit einer
Sonnenmasse oder weniger. Dieses Gebiet stand im Zentrum einer Untersuchung mit einer Vielzahl von
Radioteleskopen und Linienübergängen. Die Wolkenkerne (Globulen), in denen diese Sterne entstehen
oder, wie Infrarotmessungen zeigen, z.T. schon entstanden sind, reihen sich wohlorganisiert in
gleichem Abstand entlang einer Filamentstruktur auf. Im Gegensatz zu Gebieten, in denen massereiche
Sterne entstehen, sind die einzelnen Globulen nicht weiter fragmentiert. Die Energie, die von den
Globulen abgestrahlt wird, stammt zum Großteil aus dem Kollaps. Auch eine genaue Analyse der
Dopplerverschiebung der beobachteten Linienfrequenzen von Schwefelkohlenstoff (CS) läßt auf
protostellaren Kollaps schließen. In Kondensation No. 2 wurde ein dichter und kompakter Kern mit etwa
1/10 Sonnenmasse anhand seiner Staubemission bei 1 mm Wellenlänge entdeckt.
Stadien zusammen.
Abb. 1: Die Phasen der
Sternentstehung. In einer
interstellaren Molekülwolke (a) bilden
sich spontan oder unter dem Einfluß
bereits entstandener Sterne
Verdichtungen. Unter dem Einfluß
von Magnetfeldern und durch
Fragmentation können diese
Kondensationen ihren Drehimpuls
abführen (b). Wenn solch eine
Kondensation weiter kollabiert, wird
sie zu einem Protostern (c). Wenn im
Inneren des Protosterns die Drücke
ausreichen, um spontan Kernfusionen
zu zünden, ist ein neuer Stern
geboren (d). Diese jungen Sterne
sind von bipolaren Gas-Ausflüssen
begleitet. Die Tabelle faßt die
wichtigsten Charakteristika dieser
Abb. 2a: Das optische Bild zeigt den Nebel NGC2024, dessen Gas durch junge Sterne zum leuchten
angeregt wird. In Richtung der dunklen Staubwolke wurden mit einem Bolometerempfänger sechs sehr
dichte und kompakte Kondensationen aus Staub und Gas entdeckt. Diese sind Kandidaten für die lange
gesuchten Protosterne.
Abb. 2b: Die Konturen zeigen bei einer Wellenlänge von 1.3 mm die Staubemission von sechs
kompakten Wolkenkondensationen. Im Gegensatz dazu zeigt die farbkodierte Karte der Emission von
C18O, die eigentlich als guter Indikator für das Wasserstoffgas gilt, kaum kompakte Strukturen,
sondern nur eine Art "Rückgrat".
Abb. 2c: Das Globulenfilament GF-9 ist ein Gebiet, in dem Sterne geringer Masse entstehen. Dichte
Wolkenkerne, die man in Ammoniak (NH3) und auch Formaldehyd (H2CO) beobachten kann, sind wie
Perlen auf einer Kette aufgereiht. Das eingefügte Bild zeigt vergrößert die Globule No. 2 in ihrer
Ammoniakemission. Staubemission bei 1,3 mm Wellenlänge enthüllt, daß diese Globule bereits einen
kompakten protostellaren Kern besitzt.
Copyright © 1993. Max-Planck-Institut f. Radioastronomie.
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