Struktur, Linearisierung und Definitionen - trans-kom

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trans-kom 5 [1] (2012): 1-28
Seite 1
Thorsten Roelcke
Struktur, Linearisierung und Definitionen
Eine Studie zur terminologischen Konstituierung von
Wortartensystemen in zwei grammatischen Darstellungen der
deutschen Gegenwartssprache
Structure, Linearization and Definitions: A Study of Terminological Constitution of Word
Classes in two Grammars of Modern German – Abstract
The constitution of terminological systems in linear organized texts is an important, but uncommon subject of LSP-research. Using the example of word class-systems in two grammars of
modern German (Duden 1959/2006; Hentschel/Weydt 1990/2003), the study analyses, firstly,
the complex hierarchical structures of terminological systems, secondly, the order of appearance
of terms along the textline, and, thirdly, the types of definitions used for introducing the terms. It
is shown that both systems are based on Glinz’ model of five word classes, the linearization of
their terms is hierarchically-determined or not hierarchically-determined, and the definitions
follow the operational, explicative, Aristotelian or generic type or the explicative or Aristotelian
type only. This is to be interpreted through the idea of grammar in everyday life (cf. Duden
1959/2006) or of an academic handbook and their specific purposes (users; cf. Hentschel/
Weydt 1990/2003).
1 Vorbemerkungen
Die Analyse von Fachwörtern ist in der Fachsprachenlinguistik und der Terminologielehre seit den 1930er Jahren (Wüster 1931/1970) im Allgemeinen an einzelnen
Fachwörtern oder ganzen Fachwortschätzen orientiert; dabei stehen insbesondere die
folgenden Gesichtspunkte im Vordergrund:1 Geschichte einzelner Fächer und deren
Fachsprachen; Begriffsgeschichte und Diskursanalyse; Definitionslehre (einschließlich
der philosophischen Diskussion); Terminologielehre, Terminologiearbeit und Terminologienormung; Quantitative Linguistik und Computerlinguistik (einschließlich Terminologiemanagement); Translationswissenschaft (Übersetzen und Dolmetschen); Sprachdidaktik (mutter- wie fremdsprachlich).
1
Vgl. zur Übersicht: Fluck (1976/1996: 47-59), Hutchinson/Waters (1987),Arntz/Picht/Mayer (1989/
2009), Hoffmann u.a. (Hg.) (1998, 1999), Roelcke (1999a/2010: 55-77), Kageura/L’Homme (2008),
Stolze (2009) sowie mehrere Beiträge aus dem Sammelband von Picht (Hg.) (2006): Alexeeva/
Novodranova (2006), Budin (2006), Costa (2006), Laurén/Picht (2006), L’Homme (2006), Pilke/Toft
(2006), Rogers/Wright (2006), Shelow/Leitchik (2006).
trans-kom
ISSN1867-4844
http://www.trans-kom.eu
trans-kom ist eine wissenschaftliche Zeitschrift für Translation und Fachkommunikation.
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Hinsichtlich einzelner Termini sind dabei neben den fachspezifischen Bedeutungen
selbst deren fachspezifische Gebrauchsbedingungen von Interesse; hinzu kommen
diverse semantische Eigenschaften (wie beispielsweise Genauigkeit, Eindeutigkeit
oder Metaphorik) und grammatische Merkmale (insbesondere Muster der Form- und
der Wortbildung oder die Motivation von Bezeichnungen). Der Ansatz, ganze Fachwortschätze beziehungsweise Terminologien in ihrer Gesamtheit zu erfassen, zeigt
sich vor allem in historischen beziehungsweise diskursanalytischen sowie in lexikographischen beziehungsweise terminographischen Unternehmen, die wiederum auf
eine semasiologische oder eine onomasiologische Erfassung von einzelnen Fachwörtern in deren systematischem beziehungsweise kommunikativem Zusammenhang
abzielen.
Bei all diesen Ansätzen bleibt indessen ein wesentliches Desiderat bestehen, dem
sich bislang weder die Fachsprachenforschung noch die Terminologielehre ernsthaft
gestellt hat: nämlich die Beantwortung der Frage, wie Terminologien überhaupt in
Fachtexte eingeführt werden (zur Übersicht vgl. Roelcke demn. a). Fachtexte sind (von
Abbildungen zunächst einmal abgesehen) lineare Gebilde: Einzelne Wörter folgen
einander (in den meisten Sprachen) in einer einzigen Dimension von links nach rechts.
Eine Terminologie ist dagegen in aller Regel mehrdimensional: Ein hierarchischer
Aufbau ist zum Beispiel zweidimensional; kommen Gegensatzrelationen hinzu, öffnet
sich das ganze in eine dritte Dimension und so weiter. Das Problem besteht nun darin
zu klären, wie eigentlich solche mehrdimensionalen terminologischen Gebilde in einer
einzigen Textdimension zum Ausdruck gebracht werden: Wie wird überhaupt ein
Fachwortschatz in einem Fachtext eingeführt?
An dem Ausschnitt eines Textes aus dem 17. Jahrhundert lässt sich gut zeigen,
worum es hier konkret geht (vgl. Abb. 1 und 2 nach Roelcke demn. b): Der kurze Text
zur “Wortforschung” aus Deutscher Sprachlehre Entwurf von Christian Gueintz (1641)
besteht im Wesentlichen aus einer linearen (eindimensional von links nach rechts
laufenden) Folge von Wörtern (zu den terminologischen Marginalien am Rand vgl.
unten). In dieser linearen Wortfolge ist eine ganze Terminologie zur “Wortforschung”
enthalten, die eine komplexe hierarchische (zwei- oder mehrdimensionale) Struktur
aufweist (hier in Form eines Baumgraphen erfasst). Angesichts der eindimensionalen
Anlage des Textes und der mehrdimensionalen Struktur der Terminologie stellt sich
nun die generelle Frage, wie diese komplexe Terminologie in dem linearen Text
aufgebaut beziehungsweise konstituiert wird.
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Abb. 1: Fachlicher Text (Gueintz 1641: 24-27)
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nähere mittel [der sprachlehre]
Wortforschung
wörterfügung
eigenschaften
theilung
art ankunft
urspringlich
entspringlich
gestalt
untheilbar
theilbar
zahl
eintzelne
eintzig
mehrere
übereinzig
wandelbar
person
erste
andere
eigenschaft
ohne zeit
dritte
nenwort
geschlechtswort
Abb. 2: Terminologisches System (Gueintz 1641: 24-27)
unwandelbar
theilung
mit zeit
vornenwort
[…]
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Eine solche Konstituierung von Terminologie in einem fachlichen Text wird im Folgenden als Terminologisierung bezeichnet. Die Wahl des Terminus knüpft an dessen
Verwendung in der Literatur an: Bezeichnenderweise wird unter dem Terminus
Terminologisierung bislang vornehmlich die semantische Transformation eines einzelnen allgemeinsprachlichen Wortes zu einem fachsprachlichen Terminus verstanden;
so etwa bei der Differenzierung von Besitz im Sinne von ‘tatsächliche Gewalt einer
Person über eine Sache’ gegenüber Eigentum unter der Bedeutung ‘umfassendes
Herrschaftsrecht über eine Sache’ im Rahmen juristischer Terminologie (Schaeder
1993/2000: 727 unter Berufung auf Knobloch 1989). Diese Vorstellung von Terminologisierung bezieht sich also wiederum auf einzelne Fachwörter und greift daher zu
kurz: Die Konstitution ganzer terminologischer Systeme in Texten bleibt hinter der
semantischen Transformation einzelner Termini unbeachtet.2
Im Folgenden wird Terminologisierung im Sinne der Konstituierung ganzer terminologischer Systeme am Beispiel zweier grammatischer Darstellungen zur deutschen
Gegenwartssprache analysiert und diskutiert (das historische Beispiel von Gueintz wird
am Ende noch einmal kurz aufgegriffen). Die beiden Beispiele sind vergleichsweise
einfach, verdeutlichen jedoch im Kontrast bereits die enorme Herausforderung, die die
Analyse von Terminologisierung für die germanistische Linguistik darstellt. Es handelt
sich dabei um zwei Darstellungen der Wortarten im Deutschen – das von Peter
Gallmann verfasste Kapitel “Lexikalische und syntaktische Wortart” der DudenGrammatik (1959/2006: 132-135) sowie wortartenbezogene Abschnitte der “Einleitung”
aus Hentschel und Weydt (1990/2003: 14-22; vgl. auch 1995): In der DudenGrammatik wird (vermeintlich) gesichertes Wissen systematisch dargestellt, während
das grammatische Handbuch von Hentschel und Weydt einen (mehr oder weniger)
eigenständigen Ansatz entwickelt.
Im Folgenden wird gezeigt, dass sich dieser Unterschied auch in der Terminologisierung der beiden Werke niederschlägt. Es sei daher an dieser Stelle noch einmal
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die folgenden Ausführungen keine Diskussion
der Wortarten im Deutschen selbst darstellen (vgl. Hoffmann in Zifonun/Hoffmann/
Strecker 1997: 21-67 oder Hoffmann 2009): Es geht hier ausschließlich um deren
sprachliche Vermittlung: Wie wird also die komplexe Terminologie eines Wortartensystems in dem linearen Fachtext einer Grammatik konstituiert? – Diese Leitfrage lässt
sich in mehrere Teilfragen aufspalten:
(1) Wie ist das terminologische System (der Wortarten) strukturiert?
(2) In welcher Reihenfolge werden die Termini im Text eingeführt (linearisiert)
(3) Auf welche Weise werden die einzelnen Termini eingeführt (definiert)?
Diese kurze Liste ist nicht vollständig: Sie repräsentiert vielmehr einen Ausschnitt aus
einem Forschungsdesign, das derzeit durch Erweiterungen und Änderungen entwickelt
wird und dabei eine ganze Reihe weiterer Fragen qualitativer wie quantitativer Natur
2
Vgl. zum Gebrauch des Terminus Terminologisierung etwa Drozd/Seibicke (1973: 147), Fluck (1976/
1996: 50),Gerzymisch-Arbogast (1996), Fraas (1998: 436-437), Sager (1998-1999), Busch (2004).
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umfasst (etwa nach Entlehnung oder Bildung von Termini, Polysemie und Synonymie
von Termini, Reichtum an Termini und Definitionen, Schwankungen im Grad an Fachlichkeit des Textes usw.; vgl. Roelcke demn. a). Die drei genannten Fragen werden im
Folgenden aufgegriffen und diskutiert. Die Quellentexte selbst sind auf Grund ihres
Umfangs im Anhang zu finden: Die Ziffern auf der linken Seite geben die Reihenfolge
wieder, in der die Termini jeweils zuerst genannt werden (Linearisierung); die Ziffern in
Kästchen auf der rechten Seite weisen auf Definitionen hin.
2 Wie ist das terminologische System (der Wortarten) strukturiert?
Die beiden terminologischen Systeme der Wortarten in der Duden-Grammatik und in
dem Handbuch von Hentschel und Weydt zeigen hinsichtlich ihrer strukturellen Anlage
folgende Gemeinsamkeiten und Unterschiede (vgl. Abb. 3 und 4):
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1 lexikalische Wortart 1
4 Lexemklasse[en] 1
5 Wortart[en]
27 Wortart im lexikalischen Sinn
2 syntaktische Wortart 12, 13
3 Flexion (flektierbar)
18 nicht flektierbar
6 Veränderbarkeit (veränderbar)
19 unveränderbar
8 Konjugation
(konjugierbar)
11 Deklination (deklinierbar)
9 nach Tempus
12 nach Kasus
13 mit festem
Genus
20 mit variablem Genus
21 steigerbar
15 Komparation
(komparierbar)
14 Adjektiv 4, 9
7 Verb 2, 7
10 Substantiv 3, 8
23 adjektivisches
Lexem
25 verbales
Lexem
28 substantivische
Adjektivform
24 adjektivisches
syntaktisches Wort
16 Pronomen
5, 10, 14
22 Artikelwort
14
17 Nichtflektierbare 6, 11, 19
26 adjektivisch
gebrauchte
Verbform
 34 Präposition 20
 29 Interrogativpronomen 15
 35 Adverb 21
 30 Relativpronomen 16
=
lexikalische und syntaktische Wortarten
 31 Indefinitpronomen 17
 33 definiter
Artikel
 32 Demonstrativpron. 18
 […]
=
syntaktische, nicht lexikalische Wortarten
Abb. 3: Terminologisches System (Duden-Grammatik 1959/2006: 132-135)
 36 Subjunktion 22
 37 Fokuspartikel 23
 38 Verbpartikel 24
 […]
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1 Wortarten 1, 2ab
2 partes orationis
3 Verbalklassen
4 Typen von Bedeutung
(kognitive Prinzipien)
25 offene Klassen 24ab, 25
26 geschlossene Klassen
26, 27
13 Autosemantika 4
16 Deiktika 6, 7
15 Nennwörter 5
14 Zeigwörter 6
5 kategorematische
Bedeutung 3, 15
9 Wortart[en]bedeutung 11, 16
6 lexikalische
Bedeutung
10 kategorielle
Bedeutung 16, 17
8 deiktische
Bedeutung
27
Synkategorematika
28
11
synkategorematische
Bedeutung 18
12 synsemantische
Bedeutung 18
7 autosemantische
Bedeutung
19 Verb 10, (19)
17 Substantiv 8, (19)
18 Adjektiv 9, (19)
22 verbal 14
20 substantivisch 12
21 adjektivisch 13
23 Pronomen 20, 21
Abb. 4: Terminologisches System (Hentschel/Weydt 1990/2003: 14-22)
24 Partikel 22, 23
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•
Beide Terminologien fußen auf derselben terminologischen, zum Teil auch konzeptionellen Grundlage, der Fünf-Wortarten-Lehre von Hans Glinz (zum Beispiel 1952/
1973, 1957), der zufolge Verb, Substantiv (Nomen), Adjektiv, Begleiter oder Stellvertreter und Partikel unterschieden werden.
•
Die terminologischen Systeme der Duden-Grammatik und des Handbuchs von
Hentschel und Weydt unterscheiden zum einen Termini, die einzelne Wortarten
bezeichnen (hier recte wiedergegeben), und zum anderen solche, die deren
Merkmale angeben (kursiv).
•
Die zwei terminologischen Systeme zeigen jeweils eine hierarchische Anlage. In
den beiden graphischen Darstellungen erscheinen hier die hyperonymen Termini
oben, die hyponymen (kohyponymen) Termini unten (direkt unterhalb).
•
Beide Strukturen sind prinzipiell binär gegliedert; in der Regel werden also einem
Terminus zwei weitere Termini untergeordnet. Dabei sind jedoch zwei Ausnahmen
zu beobachten: Erstens werden auf der rechten Seite Nichtflektierbare im Duden
und Synkategorematika bei Hentschel und Weydt nicht weiter spezifiziert. Zweitens
sind auf der untersten Ebene im Duden mehr als jeweils zwei Kohyponyme und auf
derjenigen bei Hentschel und Weydt eine nicht binäre Kreuzklassifikation zu
finden.
•
Die Terminologie des Duden ist binär spezifizierend: Mit jedem Merkmal wird
Schritt für Schritt eine Wortart klassifizierend ausgesondert, bis zuletzt eine Wortart
übrig bleibt. Die bei Hentschel und Weydt ist demgegenüber binär nivellierend:
Beinahe auf jeder Ebene finden sich neben Termini für Merkmale auch solche für
Wortarten.
•
Polysemie spielt in beiden Textausschnitten keine Rolle – anders dagegen Synonymie: In der Duden-Grammatik finden sich vor allem allgemeinsprachliche Synonyme,
die den Wissenstransfer erleichtern sollen (zum Beispiel Veränderbarkeit für
Flexion). Bei Hentschel und Weydt erscheinen dagegen diskursverknüpfende
Synonyme (etwa kategorematische, lexikalische und autosemantische Bedeutung).
•
Zur semantischen Vagheit: Die Kreuzklassifikation im Handbuch von Hentschel
und Weydt scheint aus der Not geboren, ein semantisches Kontinuum zwischen
den Termini Verb, Adjektiv und Substantiv hinsichtlich kategorematischer und
kategorieller Bedeutung klassifikatorisch abzubilden.
Die pragmatische Relevanz all dieser Beobachtungen ist offensichtlich. Die Rezipienten der beiden Texte stehen nun jeweils vor der Aufgabe, sich das betreffende
terminologische System aus dem gegebenen Text zu erarbeiten. Die Frage ist nun, wie
sie bei dieser Interiorisierung terminologischen Wissens von Text geleitet oder unterstützt werden.
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3 In welcher Reihenfolge werden die Termini im Text eingeführt
(linearisiert)?
In den Abbildungen 3 und 4 finden sich vor den Termini jeweils Ziffern: Diese geben
die Reihenfolge des ersten Erscheinens der einzelnen Termini an und spiegeln damit
deren Linearisierung wider. Auf den ersten Blick erscheint das Ganze recht verwirrend,
da die Zahlen hin und herspringen. Auf einen zweiten Blick hin lassen sich jedoch zwei
grobe Tendenzen ausmachen:
•
Die Linearisierung in der Duden-Grammatik erfolgt streng von oben nach unten
(und von links nach rechts, was letztlich durch die graphische Wiedergabe bedingt
ist): Termini, die eine abstrakte Wortartenbedeutung tragen (etwa Pronomen oder
Nichtflektierbare), werden im Allgemeinen vor solchen mit konkreter (etwa Interrogativpronomen oder Relativpronomen bzw. Präposition oder Adverb) genannt.
Die Linearisierung der Wortartentermini im Handbuch von Hentschel und Weydt
erfolgt ebenfalls von oben nach unten, zeigt jedoch neben einigen kleinen
Unregelmäßigkeiten auch einen erheblichen Sprung: Die Mehrworttermini der
zweiten Ebene (also offene Klassen und geschlossene Klassen) werden zuletzt
genannt.
•
Termini, die Merkmale von Wortarten bezeichnen, werden im Duden nach den
Bezeichnungen für Wortarten selbst eingeführt; sie stehen zwischen der ersten
und der zweiten Wortartenebene (so finden sich ganz links etwa Konjugation und
nach Tempus oberhalb von Verb). Bei Hentschel und Weydt werden demgegenüber die Bezeichnungen für Wortarten und diejenigen Merkmale weitgehend
geschlossen eingeführt: Auf der ersten und der vierten Ebene werden zuerst die
Wortarten und dann die Merkmale genannt, auf der dritten zuerst die Merkmale
und dann die Wortarten, und auf der zweiten schließlich wird auf die Angabe von
Merkmalen ganz verzichtet.
Die lineare Einführung der Terminologie folgt im Duden also weitgehend der hierarchischen Anlage des terminologischen Systems, bei Hentschel und Weydt erscheint sie
dagegen freier. Eine Erklärung für diesen Befund ist anhand der Funktion der beiden
Texte möglich: Wie eingangs erwähnt strebt der Duden als Alltagsgrammatik die
Wiedergabe (vermeintlich) gesicherter Kenntnisse an, während das akademische
Handbuch einen (mehr oder weniger) eigenständigen Ansatz entwickelt. Der Duden
kann sich vor diesem Hintergrund offensichtlich eine eher systematisch-strukturelle
Entfaltung seiner Terminologie leisten, während Hentschel und Weydt eine eher
diskursiv-thematische Entwicklung vornehmen. – Eine systematisch-strukturelle Entfaltung mag zwar die Rezeption der Terminologie selbst erleichtern, ein Verständnis
der theoretischen Grundlagen und konzeptionellen Bezüge wird jedoch eher durch eine
diskursiv-thematische Entwicklung gesichert. So etwas wie eine ideale Lösung gibt es
hier allein relativ zum Rezipienten.
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4 Auf welche Weise werden die einzelnen Termini eingeführt
(definiert)?
Die Reihenfolge der einzelnen Definitionen entspricht nicht der Reihenfolge der ersten
Erwähnung der Termini, zumal nicht jeder Terminus auch definiert wird. Diese Folge
der Definitionen wird in den Abbildungen 3 und 4 durch die nachgestellten Ziffern in
Kästchen wiedergegeben.
•
Die Reihung der Definitionen in der Duden-Grammatik erfolgt weitgehend systematisch von oben nach unten; die Termini der mittleren Ebene werden oft mehrfach
definiert. Dabei fällt auf, dass allein Wortartenbezeichnungen definiert werden; die
Kenntnis der Merkmalbezeichnungen wird offensichtlich vorausgesetzt.
•
Im Handbuch von Hentschel und Weydt erfolgt die Reihung der Definitionen ebenfalls tendenziell von oben nach unten, weist jedoch im Vergleich zum Duden
zahlreiche Unregelmäßigkeiten auf: Auch diese sind letztlich einer eher diskursivthematischen Definitionsentfaltung geschuldet, die sich von der eher systematischstrukturellen im Duden unterscheidet.
Neben der Reihenfolge sind auch die verschiedenen Typen der Definitionen von Interesse, die in den beiden Textausschnitten erscheinen (vgl. Dubislav 1926/1981; Arntz/
Picht/Mayer 1989/2009: 59-72; Roelcke 1999a/2010: 60-68). Die Verhältnisse im
Duden sind dabei verhältnismäßig klar: Auf den verschiedenen Ebenen von Wortarten
finden sich überwiegend eigene Typen von Definitionen:
•
So lautet die erste Definition: “Lexeme (lexikalische Wörter) können nach den
grammatischen Merkmalen, die bei ihren Flexionsformen eine Rolle spielen, in
Lexemklassen oder lexikalische Wortarten eingeteilt werden” (Duden-Grammatik
1959/2006: 132). Hierbei handelt es sich um eine operationale Definition, in der
angegeben wird, wie das Definiendum ermittelt oder erzeugt werden kann.
•
Auf der mittleren Ebene werden die Wortartbezeichnungen Verb, Substantiv,
Adjektiv, Pronomen und Nichtflektierbare jeweils mindestens zweimal definiert –
und zwar in einer Tabelle und in einer Graphik. Die Tabelle (Tab. 1) ist als eine
Reihe von explikativen Definitionen (den Nummern 2 bis 6 entsprechend) zu lesen:
In der linken Spalte stehen die Wortartentermini als Definienda, der Trennstrich
zwischen linker und rechter Spalte dient als Definitor und in der Spalte rechts
werden jeweils einige lose Merkmale als Definiens angegeben (Hauptmerkmale
sind hervorgehoben). Die Definitionen 7 bis 11 sind nun in dem Stemma (Abb. 5)
enthalten: Die fünf Definienda stehen hier als Nomenklatur ganz unten und werden
gemeinsam durch den Terminus ganz oben als Wortarten beziehungsweise
Lexemklassen ausgewiesen. Dazwischen werden weitere Merkmale angegeben,
die die einzelnen Wortarten selbst ausdifferenzieren. Dies entspricht einem
besonderen Typ der aristotelischen Definition, bei der das Definiens stets aus
einem Gattungsbegriff (dem genus proximum) und den artunterscheidenden Merkmalen (den differentia specifica) gebildet wird.
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•
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Die Definitionen der untersten Ebene schließlich erfolgen wiederum im Text und
sind allesamt exemplarisch: Die Termini Interrogativpronomen bis Verbpartikel
werden allein durch Beispiele definiert, wobei nicht einzelne Wörter, sondern
ganze Sätze angegeben werden. So etwa im Falle des Interrogativpronomens:
“Was hat Anna vor?” (Duden-Grammatik 1959/2006: 134; kursiv im Original: recte,
blau unterlegt).
Wortart (Lexemklasse)
Flexion (Veränderbarkeit)
Verb
Flexion (Konjugation) nach Person, Numerus, Tempus, Modus
Substantiv
Flexion
(Deklination)
nach
(lexikalisch festgelegt: Genus)
Adjektiv
Komparation (sofern semantisch möglich), Flexion (Deklination)
nach Numerus, Genus, Kasus
Pronomen
Flexion (Deklination) nach Person (teilweise), Numerus, Genus,
Kasus
Nichtflektierbare
nicht flektierbar (unveränderbar)
Numerus
und
Kasus
Tab. 1: Wortartdefinitionen in Tabelle (nachgezeichnet nach: Duden-Grammatik 1959/2006: 132)
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Wortarten
(Lexemklassen)
unveränderbar
(nicht flektierbar)
veränderbar
(flektierbar)
nach Kasus
(deklinierbar)
nach Tempus
(konjugierbar)
mit festem
Genus
mit variablem
Genus
steigerbar
(komparierbar)
Verb
Substantiv
Adjektiv
Pronomen
Nichtflektierbare
Abb. 5: Wortartdefinitionen in Stemma (nachgezeichnet nach: Duden-Grammatik 1959/2006: 133)
Diese klare Verteilung von Definitionstypen mag zunächst überraschen, kann jedoch
gut begründet werden: Aristotelische Definitionen bedürfen der Angabe übergeordneter
Gattungs- und untergeordneter Merkmalsbezeichnungen. Solche Angaben sind jedoch
für die Spitze der Hierarchie (und für deren Boden) terminologisch kaum sinnvoll zu
leisten, sodass hier andere Definitionstypen zu wählen sind. Und so ist es kaum verwunderlich, dass das Hyperonym lexikalische Wortart an der Spitze der terminologischen Hierarchie axiomatisch durch eine operationale Definition gesetzt wird,
während die untersten Hyponyme als Nomenklatur konkret durch Beispiele gefasst
werden. – Solche Verfahren zu operationalisieren und transparent zu machen, wäre
eine wichtige Hilfestellung für die Benutzer dieser Grammatik.
Die Tabelle und das Stemma erfüllen bei der Terminologisierung im Duden im
Übrigen eine textkonstitutive Funktion: Mit beiden werden definitorische Bestimmungen
vorgenommen, die im sprachlichen Teil des Gesamttexts nicht zu finden sind. Im Falle
der kleinen Graphik aus Hentschel und Weydt (Abb. 6) ist das Text/Bild-Verhältnis
dagegen illustrativ: Sie enthält kaum etwas Neues und verzichtet sogar auf Wichtiges
aus dem sprachlichen Text. In beiden Fällen wird jedoch deutlich, dass – in Ergänzung
zu der eingangs aufgestellten Definition von Terminologisierung – auch graphische
Abbildungen wie Tabellen oder Stemmata einen Beitrag zur Konstituierung komplexer
Terminologien in sprachlichen und nichtsprachlichen Gesamttexten leisten können (vgl.
hierzu Roelcke demn. c,d).
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Abb. 6: Wortartdefinitionen in Stemma (Hentschel/Weydt 1990/2003: 22)
Um nun einen Blick auf die Definitionen bei Hentschel und Weydt selbst zu werfen:
Operationale oder exemplarische Definitionen erscheinen hier kaum. Auf sämtlichen
Ebenen sind explikative, bisweilen auch aristotelische Definitionen anzutreffen.
•
Dies gilt auch für die Spitze der Hierarchie: So heißt es zu Beginn des Texts:
“Wortarten wie z.B. Substantiv, Verb, Konjunktionen sind Gruppen von Wörtern,
die bestimmte Merkmale teilen” (Hentschel/Weydt 1990/2003: 14; fett wie im
Original). Die Angabe von Substantiv, Verb und Konjunktion ist zwar exemplarisch,
trägt jedoch kaum zur konzeptionellen Klärung von Wortart bei. Dies gilt auch für
den anderen definitorischen Hinweis, dass es sich bei Wortarten um Gruppen von
Wörtern handele, die bestimmte Merkmale teilten; diese allgemeinsprachliche
Tautologie wird erst gute zwei Seiten weiter unten aufgehoben, wenn diese
Merkmale als die “grundlegenden Typen von Bedeutungen” ausgewiesen werden
(Hentschel/Weydt 1990/2003: 17).
•
Die explikativen Definitionen funktionieren vor allem hinsichtlich der dritten Ebene
des terminologischen Systems gut und beziehen sich dabei auf Bezeichnungen für
Merkmale, mit denen dann die Wortartbezeichnungen definiert werden.
•
Auf der untersten Ebene zeigt sich jedoch wieder deren Randproblematik: Zur
(kategoriellen) Wortartbedeutung heißt es hier etwa: “Als Substantiv (Blut) wird [ein
außersprachliches Faktum] als ein Etwas aufgefasst, als eine abgeschlossene
Größe oder ein Objekt […]. Als Adjektiv (blutig) hingegen wird dasselbe Phänomen
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als eine Eigenschaft gefasst, die einem Gegenstand zugeschrieben wird. Das Verb
(bluten) schließlich drückt das Phänomen als eine Eigenschaft der Zeit aus. Einem
außersprachlichen Phänomen x wird also bei der sprachlichen Erfassung stets
auch eine Wortartbedeutung zugeordnet. Es muss entweder als ein X (also substantivisch) oder als x-ig (also adjektivisch) oder als x-en (also verbal) gestaltet
werden” (Hentschel/Weydt 1990/2003: 20-21; kursiv wie im Original).
Das Ringen um eine allgemeinsprachliche (oder gar formale) Formulierung des genus
proximum oder der differentia specifica lassen die Problematik aristotelischer Definitionen von Termini an der Spitze oder auf dem Boden einer Hierarchie offensichtlich
werden. Auch hier wäre eine transparente Operationalisierung von Definitionsverfahren
nützlich.
5 Zusammenfassung und Diskussion
Die vorliegenden Befunde im Hinblick auf die Struktur, die Linearisierung und die
Definition der terminologischen Systeme von Wortarten in der Grammatik des Duden
und im Handbuch von Hentschel und Weydt sind wie folgt zusammenzufassen (vgl.
Tab. 2):
•
Die zwei terminologischen Systeme fußen auf der Grundlage des Fünfwortartenmodells von Glinz und weisen jeweils Bezeichnungen für Wortarten und deren
Merkmale auf.
•
Sie sind dabei hierarchisch binär strukturiert, wobei das System der Wortarten im
Duden spezifizierend, das System bei Hentschel und Weydt nivellierend ist. In dem
einen Fall stellen synonyme Termini Verbindungen zur Allgemeinsprache, im
anderen zu verschiedenen Diskursen her. Polysemie spielt in beiden Systemen
keine Rolle; Vagheit wird in Hentschel und Weydt mit einer Kreuzklassifikation zum
Ausdruck gebracht.
•
Die terminologische Linearisierung, also die Reihenfolge, in der die Termini im Text
eingeführt werden beziehungsweise erscheinen, zeigt im Duden eine systematischstrukturelle Entfaltung von oben nach unten, bei Hentschel und Weydt dagegen
eine diskursiv-thematische Entfaltung mit Sprüngen. Abbildungen (Tabellen bzw.
Stemmata) haben im Duden eine text- bzw. terminologisierungskonstitutive, bei
Hentschel und Weydt eine text- beziehungsweise terminologisierungsillustrative
Funktion.
•
Im Handbuch von Hentschel und Weydt werden Wortart- und Merkmalbezeichnungen definiert, in der Duden-Grammatik hingegen allein Wortartbezeichnungen. Während im Duden ebenentypische Definitionstypen nachgewiesen
werden können (von oben nach unten: operational, aristotelisch oder explikativ und
exemplarisch), finden sich bei Hentschel und Weydt überwiegend explikative
Definitionen.
Thorsten Roelcke
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Eine Studie zur terminologischen Konstituierung von Wortartensystemen
Duden-Grammatik (1959/2006)
System
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Hentschel/Weydt (1990/2003)
Hierarchische Grundlage: 5-Wortartenlehre (Glinz);
Wortartenbezeichnungen und Merkmalstermini
binär spezifizierend;
binär nivellierend;
allgemeinsprachliche Synonymie
diskursverknüpfende Synonymie;
Vagheit (Kreuzklassifikation)
Linearisierung
Definitionen
streng von oben nach unten;
hierarchisch mit Sprüngen;
Merkmale nach Wortarten
Merkmale vor/nach Wortarten
→ systematische Entfaltung
→ diskursive Entfaltung
Abbildungen textkonstitutiv
Abbildungen textillustrativ
Wortarten (keine Merkmale);
Wortarten und Merkmale;
Typen nach hierarchischen
Typen nicht nach hierarchischen
Ebenen: operational, explikativ,
Ebenen: weitgehend explikativ
aristotelisch, exemplarisch
(aristotelisch)
Tab. 2: Analyseergebnisse (Übersicht)
Diese Befunde lassen sich anhand der Funktion der beiden Texte erklären: Der Duden
strebt als Alltagsgrammatik die Wiedergabe von vermeintlich gesicherten Kenntnissen
an, während das akademische Handbuch einen mehr oder weniger eigenständigen
Ansatz zu entwickeln sucht. Dies spiegelt sich in den terminologischen Systemen,
deren Linearisierung und deren Definitionen wie folgt wider:
•
Systeme: Ein binär spezifizierendes terminologisches System ist ganz offensichtlich einfacher zu überschauen und zu erlernen als ein binär nivellierendes –
vermutlich auch mit Grund dafür, dass auch Glinz’ Wortartensystem wie das des
Dudens eine solche Anlage zeigt. Die höhere Komplexität des Systems im akademischen Handbuch entspricht dessen Anspruch einer tieferen konzeptionellen
Durchdringung des sprachlichen Phänomenbereichs. Dem Charakter des Dudens
als Alltagsgrammatik folgt im Weiteren die Tatsache, dass allgemeinsprachliche
Synonyme zur Unterstützung der sprachwissenschaftlichen Terminologie eingesetzt werden. In Entsprechung hierzu erfüllen fachsprachliche Synonyme bei
Hentschel und Weydt die Aufgabe einer Diskursverknüpfung.
•
Linearisierung: Das terminologische System wird im Duden systematischstrukturell entfaltet, um dessen Rezeption möglichst übersichtlich zu gestalten;
dabei übernehmen eine Tabelle und ein Stemma eine konstitutive Funktion im
Rahmen der Terminologisierung. Bei Hentschel und Weydt wird das System
dagegen diskursiv-thematisch entwickelt, um ein tieferes Verständnis der theore-
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Eine Studie zur terminologischen Konstituierung von Wortartensystemen
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tischen Grundlagen und konzeptionellen Bezüge zu sichern; ein Stemma am Ende
des entsprechenden Textausschnitts ist dabei lediglich illustrativ.
•
Definitionen: Der durchaus nicht unproblematische Versuch bei Hentschel und
Weydt, nicht allein Termini der Mitte, sondern auch der Spitze und des Bodens der
terminologischen Hierarchie anhand aristotelischer Definitionen zu bestimmen,
entspricht dem Anspruch akademischer Explizitheit. Die Duden-Grammatik macht
es sich hier leichter, indem bei der operationalen Definition des Terminus an der
Spitze und den exemplarischen Definitionen der Termini am Boden durchaus
intuitives Vorwissen der Rezipienten vorausgesetzt wird. Dieser Einschätzung
entspricht die weitere Beobachtung, dass bei Hentschel und Weydt sowohl
Bezeichnungen für Wortarten als auch solche für deren Merkmale, im Duden
lediglich solche für Wortarten definiert werden.
Die Anforderungen, die die Konstituierung eines Fachwortschatzes innerhalb eines
Textes an dessen Produktion wie dessen Rezeption stellt, sind verhältnismäßig hoch.
Der erfolgreiche Umgang mit verschiedenen Strategien der Terminologisierung setzt
dementsprechend eine ganze Reihe an sprachlichen und kommunikativen Kompetenzen voraus. Diese Strategien formal und funktional zu operationalisieren und
transparent zu machen, wäre eine wichtige Hilfestellung für die Rezeption von
Grammatiken, die im alltäglichen wie auch im akademischen Kontext Verwendung
finden.
6 Schlussbemerkungen
In der vorliegenden Studie wird am Beispiel der Konstituierung von terminologischen
Systemen in zwei Textausschnitten ein Analyseansatz vorgestellt, der noch in Entwicklung ist. Neben den beiden Grammatik-Ausschnitten und dem eingangs genannten
Kapitel aus Gueintz’ Deutscher Sprachlehre Entwurf wurden bereits weitere Textausschnitte diesen und anderen Fragestellungen im Hinblick auf Terminologisierung
unterzogen. Hierzu zählen insbesondere auch der zweite Abschnitt der terminologischen Grundsatznorm DIN 2330 (1993): Begriffe und Benennungen (vgl. Roelcke
2012a, demn. a) sowie der erste Paragraph der “Transzendentalen Ästhetik” aus Kants
Kritik der reinen Vernunft (1781/1987; vgl. Roelcke 2012b, demn. a). Im Rahmen all
dieser Studien zeichnet sich eine Vielfalt an Strategien zur Terminologisierung sowie
an Aspekten ihrer Analyse ab. Das Ganze soll letztlich geordnet und verdichtet werden,
um so ein abgeschlossenes Forschungsdesign zu entwickeln, das auf spezielle
fachsprachliche Korpora angewandt werden kann. Eine solche Korpusanalyse
verschiedener Aspekte von Terminologisierungsstrategien verspricht eine Reihe
wissenschaftlicher Impulse, darunter:
•
variations- und textlinguistisch: Die Terminologisierungsanalyse in verschiedenen
Fachbereichen und auf unterschiedlichen kommunikativen Ebenen ist ein wichtiger
Schritt zu einem besseren Verständnis fachlicher Kommunikation.
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•
historisch: Studien zu Terminologisierung zu verschiedenen Zeiten ermöglichen es,
Perioden und Traditionen der Verwendung von Fachwortschatz zu unterscheiden
(so darf etwa die Verwendung lateinischer Marginalien neben deutschen Termini
im Text wie bei Gueintz als ein Charakteristikum von Texten aus Barock und
Frühaufklärung gelten; vgl. Gardt 1999; Roelcke 1999b; Hundt 2000).
•
pragmatisch: Terminologisierung spielt eine entscheidende Rolle beim sogenannten “Wissenstransfer”, also bei der Exteriorisierung und der Interiorisierung von
Kenntnissen und Kompetenzen.
•
didaktisch: Kenntnisse von Terminologisierungsstrategien machen den Weg frei für
entsprechende Bedarfsanalysen und Zielvorgaben, Entwicklung von Lehr- und
Lernmedien sowie Unterrichtsgestaltung.
•
kulturell: Es darf davon ausgegangen werden, dass Terminologisierung auch in
anderen Sprachen und Kulturen jeweils auf eigene Weise gestaltet wird (so wie
dies auch bei Höflichkeit in und bei der thematischen Organisation von Fachtexten
der Fall ist; vgl. etwa Watts/Ide/Ehlich Hg. 1992/2005 oder Casper-Hehne 2005).
•
kognitionslinguistisch: Das Verständnis von Terminologisierung erlaubt über den
Gebrauch von Sprache möglicherweise auch Einsichten in das menschliche
Denken selbst.
Das Thema Terminologisierung stellt somit nicht nur ein sehr komplexes, sondern
darüber hinaus auch ausgesprochen interessantes linguistisches Analysegebiet dar,
auf dem es künftig noch einiges zu entdecken gibt.
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trans-kom
ISSN 1867-4844
trans-kom ist eine wissenschaftliche Zeitschrift für Translation und Fachkommunikation.
trans-kom veröffentlicht Forschungsergebnisse und wissenschaftliche Diskussionsbeiträge zu Themen
des Übersetzens und Dolmetschens, der Fachkommunikation, der Technikkommunikation, der Fachsprachen, der Terminologie und verwandter Gebiete.
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Klaus Schubert
Universität Hildesheim
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und Fachkommunikation
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Deutschland
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Anhang: Annotierte Quellentexte
Die Ziffern auf der linken Seite geben die Reihenfolge wieder, in der die Termini jeweils
zuerst genannt werden (Linearisierung); die Ziffern in Kästchen auf der rechten Seite
weisen auf Definitionen hin.
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Quellentext 2: Hentschel/Weydt 32003, 14-22 (passim; annotiert)
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Autor
Thorsten Roelcke studierte Germanistik, Philosophie und Geschichte an der Universität
Heidelberg. Er war außerplanmäßiger Professor an den Universitäten Heidelberg und Freiburg
und arbeitete zuletzt als Lehrer für Deutsch, Geschichte und Philosophie am Kolleg St. Blasien.
Heute ist er Professor für deutsche Sprache und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg; seine Forschungsschwerpunkte sind Fachsprachenlinguistik und deutsche
Sprachgeschichte.
E-Mail: [email protected]
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