Mathey Einführung in die theor. Physik 1 Einführung in die theoretische Physik 1 Prof. Dr. L. Mathey Dienstag 15:45 – 16:45 und Donnerstag 10:45 – 12:00 Beginn: 23.10.12 Jungius 9, Hörs 2 1 Mathey Einführung in die theor. Physik 1 Geschwindigkeit und Beschleunigung Wir stellen Geschwindigkeit und Beschleunigung in der lokalen ONB dar. Als Beispiel wählen wir Polarkoordinaten in 2D. Es gilt ~r = r~er . Daher: d ~r = ṙ~er + r ~e˙ r dt ~e˙ r ist: ~e˙ r = d (cos , sin ) = ( dt ˙ sin , ˙ cos ) = ˙~e Daher: d ~r = ṙ~er + r ˙~e dt Die Radialgeschwindigkeit ist ṙ , die Geschwindigkeit in Richtung ist r ˙ . 2 Mathey Einführung in die theor. Physik 1 Bemerkung: Da sich das Teilchen entlang der Trajektorie bewegt, erlebt es eine sich zeitlich verändernde Basis. Diese hängt nur vom Ort ~r ab, im Gegensatz zum begleitenden Dreibein, das durch ~r , ~r˙ und ~¨r determiniert wird. Außerdem gilt: ~e˙ = d ( sin , cos ) = ( dt ˙ cos , ˙ sin ) = ˙~er Daher: d2 ~r = dt 2 d (ṙ~er + r ˙~e ) = (r̈ dt r ˙ 2 )~er + (2ṙ ˙ + r ¨)~e Beispiel: Gleichförmige Kreisbewegung. Es gilt ṙ = r̈ = 0 und ¨ = 0. ˙ ist ˙ = ! = v /r . Daher: ~¨r = r ! 2~er = (v 2 /r )~er 3 Mathey Einführung in die theor. Physik 1 Dynamik eines Punktteilchens a(t) In der Kinematik ist eine Trajektorie gegeben, und man betrachtet deren Eigenschaften, z.B. die Geschwindigkeit und Beschleunigung, und F(t) die Krümmung und die Torsion. In der Dynamik fragen wir nach der Ursache der Bewegung, die diese Trajektorie erzeugt. Dies ist typischerweise eine Kraft, die auf das Teilchen wirkt, und dessen Beschleunigung bestimmt. Es gilt also die Newtonsche Bewegungsgleichung: t) m r = F( r, r, Dies Gleichung enthält r und dessen Ableitungen, und ist daher eine Differentialgleichung. Die Aufgaben der klassischen Mechanik sind: - Begründung der Form der Bewegungsgleichung - Aufstellen der Bewegungsgleichung (konkrete Form der Kraft) - Lösen der Bewegungsgleichung - Diskussion der Lösung, also der resultierenden Trajektorie 4 Mathey Einführung in die theor. Physik 1 Di↵erentialgleichungen Wir beginnen mit der eindimensionalen Bewegung x(t). Eine gewöhnliche Gleichung hat die Form F (x, t) = 0, die man dann nach x(t) auflösen kann. Für Di↵erentialgleichungen erweitert sich diese Gleichung zu F (t, x, ẋ, ẍ, . . . ) = 0. Beispiel: aẋ + b = 0, wobei a und b reelle Konstanten seien. Dies kann man formal als Gleichung von Di↵erenzialen schreiben: adx + bdt = 0 Gleichungen, die Funktionen als Lösungen haben, heißen Funktionalgleichungen. Neben Di↵erentialgleichungen gibt es z.B. Integralgleichungen und Integro-Di↵erentialgleichungen. Beispiel: x(t1 ) ⇤ x(t2 ) = cx(t1 + t2 ), wobei c eine reelle Konstante sei. Diese Gleichung wird durch x(t) = c exp( t) gelöst. 5 Mathey Einführung in die theor. Physik 1 Beispiel: ẋ = x hat die Lösung x(t) = c exp( t). ( und c sind reell.) Beispiel: x(t) = Rt 0 x(t 0 )dt 0 + c hat die Lösung x(t) = c exp( t). Klassifizierung. Eine gewöhnliche Di↵erenzialgleichung hat die Form F (t, x, ẋ, ẍ, . . . ) = 0, im Gegensatz zu einer partiellen Di↵erenzialgleichung, die Funktionen mit mehreren Variablen enthält. Eine DGL n-ter Ordnung ist eine DGL die maximal die n-te Ableitung enthält. Die Darstellung F (t, x, ẋ, ẍ, . . . , x (n) ) = 0 heißt implizite DGL. Eine DGL der Form x (n) = F (t, x, ẋ, ẍ, . . . , x (n 1) ) heißt explizite DGL. x(t) ist eine Lösung, wenn F (t, x(t), ẋ(t), ẍ(t), . . . , x (n) (t)) = 0 für alle t gilt. 6 Mathey Einführung in die theor. Physik 1 Beispiel: ẍ + ! 2 x = 0, und ! sei konstant. (Die explizite Schreibweise wäre ẍ = ! 2 x.) Behauptung: x(t) = c cos(!t) ist eine Lösung. Beweis: Es gilt ẋ(t) = c! sin(!t) und ẍ(t) = c! 2 cos(!t). Daher gilt ẍ + ! 2 x = c! 2 cos(!t) + ! 2 c cos(!t) = 0, für alle t. Als Gegenbeispiel betrachten wir x(t) = ct 2 als Lösungsansatz. Es gilt ẋ(t) = 2ct und ẍ(t) = 2c. Wir setzen in die DGL ein: ẍ + ! 2 x = 2c + ! 2 ct 2 6= 0 für alle t. Dieser Lösungsansatz ist also keine Lösung der DGL. Ein System gewöhnlicher Di↵erenzialgleichungen besteht aus k DGLs für k Funktionen. (3) (3) Beispiel: x1 + x1 ẋ2 + cos t = 0 und x1 x2 + x2 = 0. Hier ist k = 2 und n = 3. (x und t sollen dimensionslos sein.) 7 Mathey Einführung in die theor. Physik 1 DGLs für vektorwertige Funktionen ~r (t) sind DGL Systeme mit k = 3. Beispiel: ~¨r + ! 2~r = ~a(t), wobei ! = const und ~a(t) eine gegebene vektorwertige Funktion sei. Hier gilt k = 3 und n = 2. Das wichtigste Beispiel ist natürlich die Newton Gleichung ~ (~r , ~r˙ , t). Hier gilt ebenfalls k = 3 und n = 2. ~¨r = F Für dimensionslose Probleme wird häufig y (x) als Notation gewählt. Für Bewegungen von Teilchen wird x(t) bevorzugt. Einfache Di↵erenzialgleichungen. DGLs ẋ = f (t) lassen R x der 0 Form 0 sich durch Integrieren lösen: y (x) = f (x )dx Rx Diese Lösung ist nicht eindeutig, da y (x) = x0 f (x 0 )dx 0 für alle x0 eine Lösung ist. 8 Mathey Einführung in die theor. Physik 1 Die Gleichung ÿ = f (x) kann durch zweifaches Integrieren gelöst R x R x0 werden: y (x) = x1 x2 f (x 00 )dx 00 dx 0 . (zwei freie Parameter: x1 und x2 ) Dies kann durch zweifaches Ableiten gezeigt werden. Manche DGLs können mittels eines Ansatzes gelöst werden, also durch gezieltes Raten, typischerweise mit freien Parametern. Beispiel: Die DGL sei ÿ + 2ẏ = 2. Wir versuchen in der Funktionschar y (x) = c0 + c1 x + c2 x 2 Lösungen zu finden. Ableitungen: ẏ = c1 + 2c2 x und ÿ = 2c2 . Wir setzen in die DGL ein: 2c2 + 2(c1 + 2c2 x) = 2. Diese Gleichungen ist für alle x erfüllt, wenn c2 = 0 und c1 = 1, und beliebiges c0 . Also y (x) = c0 + x. (ein freier Parameter) Typische Ansätze sind: Polynome, Exponentialfunktionen, Sinus/Kosinus, spezielle Funktionen, beliebige Kombinationen dieser Funktionen. 9 Mathey Einführung in die theor. Physik 1 Beispiel: ẏ = 2y . Ansatz: y (x) = c exp( x). Ableitung: ẏ = c exp( x). Einsetzen: c exp( x) = 2c exp( x). Also ist der Ansatz für = 2 für alle x eine Lösung, mit einem freien Parameter c. DGL erster Ordnung. ẏ = f (x, y ). Dies kann durch Separation der Variablen gelöst werden, falls f (x, y ) = f1 (x)f2 (y ). Wir können die DGL in f2dy (y ) = f1 (x)dx umformen. Wir integrieren: R dy R f1 (x)dx + const f2 (y ) = Sei F2 (y ) die Stammfunktion zu 1/f2 (y ), und F1 (x) die Stammfunktion zu f1 (x). Dann ergibt sich: F2 (y ) = F1 (x) + const. Wir haben die DGL also auf gewöhnliche Gleichung reduziert. Diese löst man nach y (x) auf, und ehrält eine Lösungsmenge mit einem freien Parameter. 10 Mathey Einführung in die theor. Physik 1 Beispiel: ẏ = xy . Wir schreiben: dy y = xdx. Integration ergibt R dy R x2 xdx + const. Also: ln(y ) = 2 + const. Daher: y = y =c x2 exp( 2 ), wobei c ein beliebiger Parameter ist. Test (wichtig!): ẏ = c x2 exp( 2 )x = xy . Existenz und Eindeutigkeit der Lösung. (Picard-Lindelöf) Gegeben seien n reelle Konstanten y0 , , yn 1 , und ein reelles x0 . Sei y (n) = f (x, y , ẏ , ÿ , . . . , y (n 1) ) eine gewöhnliche DGL n-ter Ordnung, und f eine hinreichend glatte Funktion. Dann gibt es lokal eine und nur eine Lösung y (x) mit y (m) (x0 ) = ym , mit m = 0, . . . , n 1. (Die Begri↵e ’lokal’ und ’glatt’ werden in der Mathematik näher definiert...) 11 Mathey Einführung in die theor. Physik 1 Dies bedeutet, dass in den meisten relevanten Fällen eine Lösung existiert. Die Lösung einer DGL allein ist aber nicht eindeutig, sondern die Lösung wird erst eindeutig, wenn n Bedingungen hinzugenommen werden. Diese werden oft als Anfangswerte bezeichnet, und sind typischerweise der Wert der Funktion und von n 1 Ableitungen der Funktion an einem Punkt x0 . Dies wird of als Anfangswertproblem bezeichnet. Eine andere typische Situation ist das Randwertproblem. Hier werden Randbedingungen vorgegeben, also der Wert der Funktion an n Stellen x0 , , xn 1 . 12