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PsychoSoziale Gesundheitsdienste Vorarlberg – Jugend
Heilt die Zeit Wunden…?
Traumata in der Kindheit ­ Auswirkungen im Entwicklungsverlauf [email protected]
Inhalte
1. Kindheit und Trauma
2. Neuronale Korrelate psychischer Störungen
3. Wissenschaftl. und epidemiol. Erkenntnisse
4. Entwicklung im Verlauf
5. Coping und Bindungsqualität
6. Therapieansätze und Hilfen
Definition von seelischem Trauma Psychisches Trauma • „Vitales Diskrepanzerlebnis“ zwischen bedrohlicher Situation und individueller Bewältigung. • Gefühle von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einher.
• Dauerhafte Erschütterung von Selbst­ und Weltverständnis.
Fischer/Riedesser (2003)
wiederholt seelisch verwundet…? oder ­
Folge eines einmaligen katastrophalen Ereignisses?
….ursprüngliches neuropsychologisches Reaktionsmuster ­ für Stress und Trauma
„4 F“
Flight
Fight
Freeze
Faint / Fear
Gedächtnisorganisation
Kaltes Gedächtnis (explizit, deklarativ)
Heißes Gedächtnis (implizit, non­deklarativ)
­Hippocampus­
Wissen über Lebensabschnitt
Willentl. abrufbare Informationen
Erinnerung an den Kontext (Leben, Zeit, Raum), Chronologie
­Amygdala­
sensorisch, kognitiv, emotional, physiolog.
Automat. Aktivierung d. best. Reize (Trigger)
Untereinander verknüpfte Elemente (Netzwerk)
Trauma­Folgen …
• Neurobiolog. Veränderungen
• Somatisierung, Essstörungen, Einnässen
• Veränderung der Selbstwahrnehmung, des Selbstwerts, Schuld und Scham, Gefühl der Unwirksamkeit, kein Vertrauen in Beziehungen, depressive Stimmungslage/Resignation, Katastrophenerwartung
• Wiederholungstendenz (z.B. spätere Retraumatisierung in der Drogenszene)
• Destruierende Bindungs­ und Beziehungsaspekte sind transgenerational wirksam
Wo spielt sich was ab?
The areas of the brain affected in post­traumatic stress disorder
Sensory input, memory formation and stress response mechanisms are affected in patients with post­traumatic stress disorder (PTSD). The regions of the brain involved in memory processing that are implicated in PTSD include the hippocampus, amygdala and frontal cortex. While the heightened stress response is likely to involve the thalamus, hypothalamus and locus coeruleus.
Traumatischer Stress
• Erhöhte Ausschüttung v. Stresshormonen
• verminderte Plastizität d. Hippocampus: Struktur, Funktion, beeinträchtigt : Kontext nur dürftig abgespeichert, verminderte Denkleistung
• Verstärkung der Amygdalaktivität: sehr detaillierte Abspeicherung heißer Gedächtnisinhalte, starke Verbindung der einzelnen Elemente, erhöhte Alarmbereitschaft, Furchtempfindlichkeit (Furchtnetzwerk)
• minimale Verbindung d. heißen und kalten Gedächtnisinhalte (keine chronolog. Zuordnung)
Kindheitstraumata (Typisierung nach Terr 1991)
Typ 1­Trauma:
Einmaliges,
unvorhersehbares Ereignis
Folge häufig: PTSD
Schuldzuschreibung an eigene Person
Bei Kindern: magisches Denken
Typ 2­Trauma:
Chronisches, sich wiederholendes, länger einwirkendes Trauma
Folge: meist komplexere Störung, Komorbidität
Evtl.Störung der Persönlichkeitsentwicklung
Akute Belastungsreaktion und PTSD (ICD 10 ­ Kriterien) • F43.0 Akute Belastungsreaktion (psychischer Schock) Dauer: wenige Tage bis max. 4 Wochen)
• F43.1 PTSD verzögert u/o. überdauernd; Symptomtrias: Nachhallerinnerungen – Stimmulusvermeidung Übererregbarkeit
• F43.2 Anpassungsstörungen (6 Mon­ 2J)
z.B. auch mit Beeinträchtigung von Gefühlen
u. Sozialverhalten • F 44 Dissoziative Störung
(abgespaltene Bewusstseinsfunktionen)
• F 62.0 Andauernde PS nach Extrembelastung
Symptome PTSD
• Wiedererleben:, sich aufdrängende Erinnerungen (visuell, akust., taktil), Alpträume, flashbacks (Intrusionen)
• Vermeidung von Hinweisreizen (Gedanken, Gefühlen, Gesprächen), Amnesie, Dissoziation, sozialer Rückzug, Gefühl einer eingeschränkten Zukunft
• Übererregbarkeit: Schlafstörungen, Schreckhaftigkeit, Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit, Wutausbrüche (Hyperarousal)
PTSD und Komorbidität…..
(n. Grawe 2004)
• Frühkindlich erlittene traumatische Erfahrungen prädisponieren generell zur späteren Herausbildung psychischer Störungen.
Personengruppen mit einer solchen Vorgeschichte haben oft mehrere psychische Stöhrungen, die im Vordergrund des Beschwerdebildes stehen. Kriterien für eine PTSD, sind ebenfalls oft erfüllt
• Ein schlimmes Ereignis wird in der Regel nur für eine Minderzahl der davon Betroffenen zu einem Trauma, indem es eine nicht abklingende neuronal­physiologische Stressreaktion mit dauerhaften schädlichen Folgen auslöst
Folgen für Kinder/Jugendliche
altersabhängig:
• Veränderungen in der Affektregulation: impulsiv, aggressiv, wenig Selbstregulation, selbst ­schädigendes Verhalten
• Veränderungen der Aufmerksamkeit und des Bewusstseins: Amnesien häufig (je jünger, desto eher…) aber auch Hypermnesien
• Dissoziation, Fragmentierung
• Regression
Psychische Belastung ­ besondere Reaktionen bei Kindern….
•
•
•
•
•
•
Mehr im Handeln – weniger im Sprechen
häufig: Leistungsabfall
Sozialer Rückzug
Verhaltensstörungen und Aggression (6­18J)
Weniger freies Spiel ( 3­5J.) Erhöhte Anhänglichkeit, Ängste, Katastrophenerwartung
• Schlaf­ und Appetitstörungen
• Altersunangemessene Verantwortungsübernahme
nach Trabert; Axmann, Rösch DÄ 6/2007
PTBS bei Jugendlichen (n. Hofmann/Besser)
•
•
•
•
Selten alle Diagnosekriterien erfüllt
Schneller und ausgeprägter Wechsel Intrusionen versteckter
Symptome abhängig vom Entwicklungsstand (Jugendalter: häufig aggressives Externalisieren, Kinder: repetitive Verhaltensweisen im Spiel)
• Gefahr Nichterkennen od. Fehldiagnose (z.B. ADHS)
• Behandlung empfohlen, wenn Alltagsleben beeinträchtigt ist.
Entwicklungsaufgaben in verschiedenen Lebensphasen
(nach Havighurst 1952, u. Dreher und Stangl 2001)

Frühe Kindheit (0 ­ 4 Jahre)
•
Laufen (zw. 9. und 15. Monat)
•
Fähigkeit, Nahrung zu sich zu nehmen •
Kontrolle der Ausscheidung
•
Fähigkeit, sprechen zu lernen
•
Stabile interpersonale Bindung
•
Zunehmende Selbstkontrolle
•
Erkundungsverhalten u. kognitive Funktionen nutzen
Entwicklungsaufgaben in der Kindheit
(Schulalter 6 ­ 12 Jahre)
2. Physische Fertigkeiten erwerben 3. Einstellung zum Körper entwickeln 4. Umgang mit Mitschülern
 Geschlechtsrollenidentität erlangen  Verfeinerung motorischer Fähigkeiten (Sport, Lesen, Schreiben)  Planung eines Tages  Entwicklung von Bewußtsein, Moral und Werten  Entwicklung von Selbstbewußtsein  Einstellung zu sozialen Gruppen entwickeln
Entwicklungsaufgaben Jugendalter (14­18 Jahre)
• Akzeptieren der körperlichen Erscheinung und effektive Nutzung des eigenen Körpers
• Erwerb der männlichen o. weiblichen Rolle
• Orientierung an Gleichaltrigen (peer­group)
• Reifere Beziehungen auch zum anderen Geschlecht (Partnerschaft)
• emotionale Unabhängigkeit v. d. Eltern
• Vorbereitung auf Beruf
• Aufbau von Werten und sozialer Verantwortung
Kindesalter allgemein
2. Realität lernen (Kind lernt zu generalisieren)
4. Entwicklung des "Gewissens" (Unterschied zwischen richtig/falsch; hat Einfluß auf die Entwicklung von Wertgefühlen und moral. Charakter)
6. Lernen, eigene Emotionen zu Eltern und Geschwistern in Beziehung zu setzen (Lernen durch Imitation, Einfluß auf Entwicklung von Introversion/Extraversion)
Entwicklungsspezifische Vorstellungen und Verarbeitungsmechanismen
im 1.­5. Lebensjahr:
• Erkennt belebte und unbelebte Welt
• Erkennt das Fehlen von Gewohntem
• Ist an Lebensfragen interessiert „wie es ineinander übergeht“ , bis es das Unbehagen im Umfeld spürt
• Tod und Leben sind nicht voneinander trennbar
• Zeitbegriff und Endlichkeit fehlen…
• Tod ist nicht = Schlafen
Entwicklungsspezifische Vorstellungen und Verarbeitungsmechanismen Vorschulkinder im 5­7. LJ:
• Zunehmend magnifizierte oder personifizierte Vorstellungen
Schulkinder im 8­12. LJ:
• Erste realistische Vorstellung vom Tod entwickelt sich
• „Moralische Selbständigkeit“
• Schulfragen und Gefühle
• Vorstellungen von der körperlichen Integrität
Entwicklungsspezifische Vorstellungen und Verarbeitungsmechanismen Bei Jugendlichen >13 J.:
• Sinn­ und Lebensfragen (eigene Identität)
• Starker Ich­ und Objektbezug
• Erkennen die Dimension der Unausweichlichkeit und emotionalen Bedeutung des Todes
• Rauhe Abwehr eigenen Unbehagens
­ oder skeptisch­sachliches Verständnis
• In Position/ Opposition zur umgebenden Erwachsenwelt
• Suizid als Freiheitsgrad
Seelische Verwundung?
Ereignis: Dauer/ Intensität Risikofaktoren
Schutzfaktoren
Ressourcen
Individuelle Faktoren: Konstitution / soziale Situation
Entwicklungspsychopathologie
Individuelle Vulnerabilität (zum Teil genetisch determiniert, biopsychosoziale Einflüsse)
• Kindliche Risikofaktoren:
– Biologisch (genetisch erworben)
– Ökologisch
– Psychologisch (Temperament, Persönlichkeit, Bindung)
– Psychosozial
• Elterliche Risikofaktoren
– Sucht­ oder psychische Erkrankung
– Delinquenz
– Trennung, Alleinerziehen unter bestimmten Risikolagen
• Protektive Faktoren und Resilienz
– Temperament
– Überdurchschnittliche Intelligenz
– Positives Selbstwertgefühl
• Sozial
– Familienklima & Erziehungsstil
– Freundschaftsbeziehungen, Peerkontakte, Subkulturgruppen
– Migration
Coping
bedeutet:
Die Reaktion auf Gefahr die auf deren Bewältigung abzielt. Der Ausgang von wirksamen oder dysfunktionalen Bewältigungs­ Mechanismen ist dabei offen.
Coping
Belastungsfaktoren
Risikosituation/
Trauma
PTSD/ Bindungsstörung
Behandlung Dysfunktionale Stressverarbeitung
Hochrisikosituationen für Kinder
• Schwere psychische Erkrankung der Betreuungsperson
– Sucht und Drogen
– Depression, Suizidalität
– Schizophrenie
• Eigene psychische Erkrankung des Kindes
– Störung des Sozialverhaltens und ADHD
– Persönlichkeitsentwicklungsstörungen (Cluster B)
• Häufige Wechsel des Betreuungssettings
• Sozioökonomische Belastung, Stigma
• Belastung durch Trennungsfolgen
• Belastung durch Traumata
• Belastung durch Migration
Salutogenetische Faktoren
• Resilienz: psychische Widerstandskraft, die Menschen, trotz belasteter Kindheit, in die Lage versetzt, Frustrationen zu überwinden, ohne Krankheitssymptome zu entwickeln
• Daneben können in der Entwicklung eines Kindes positive Beziehungserfahrungen und ein günstiges Ersatzmilieu helfen, die durch die negativen Erfahrungen erlittenen Defizite auf zu fangen
Schutz/ Geborgenheit im sozialen Umfeld + Erfahrung von Selbstregulation + Selbstwirksamkeit
fördert Balance zwischen
Bindungsfähigkeit Selbstvertrauen
+
Autonomie + Faktoren für gesunde Entwicklung in der Adoleszenz
Intrapersonal
Beziehungen
Gesellschaft
______________________________________________________________
Sichere Identität
Vertraute Person(en)
Verfügbarkeit
Stabiler Selbstwert
Stabile Bindung Modetrends
pos. Selbst­
an pos. Peers
Entwicklungs­ wahrnehmung Rat Dritter in Konflikten anforderungen
Breite Interessen
funktionale Triangulierung
vs Angebote „Mastery“­ Erfahrungen in der Familie
Metzger, W. nach Resch, F.; 2005 Bindungsstörungen
• F94.1Reaktive Bindungsstörung des KiA
­ Schwerwiegende sozioemotionale Interaktionsstörung als direkt Folge von frühkindl. Stress und Deprivation o. Neglect (in den ersten fünf Lebensjahren)
• F94.2 Bindungsstörung mit Enthemmung
­ Modulationsstörung für Beziehungen, distanzlos­enthemmtes Verhalten als Folge von ständig wechselnden Bezugs­ und Betreuungspersonen
gehen meist in eine Störung der Persönlichkeitsentwicklung über …?!
Ergebnisse der Bindungsforschung
• Transgenerationale Weitergabe unverarbeiteter Traumaerfahrungen durch spezif. Eltern­ Kind­
Interaktion
• Eine sichere und bedeutungsvolle Bezugsperson ist wesentlicher Schutzfaktor gg. Entwicklung von psychopath. Symptomen nach Traumatisierung
• Mangelnde emotionale Bindung hinterlässt nachweisbare Veränderungen im Gehirn
Klassifikation der Bindungsmodelle
3 Hauptkategorien (je mit 3 Untergruppen)
• F: Autonom­sicher (free­autonomous)
• D: Unsicher­distanzierend (dismissing)
• E: Unsicher­präokkupiert (enmeshed, preoccupied)
hochunsichere Bindungsmodelle (v.a. in klinischen Stichproben):
• U: Unverarbeitet (unresolved), in Kombination mit F, D, E
• CC (can`t classify): Anteile von D und E oder keinerlei Strategie
Hochunsichere Bindung….?!
• 80% der Kinder von traumatisierten Eltern zeigen desorganisierte Bindungsmuster
• Sequentielle Traumatisierung: Nicht­Verfügbarkeit einer feinfühligen BZP, emotionale Isolation, chronische Vernachlässigung
• Angst und potenzielle Sicherheit bestehen gleichzeitig
• Kinder wissen nicht, worauf sie sich verlassen können
• Widersprüchliche Verhaltensweisen
Geschlechtsspezifische Faktoren
• Frauen/Mädchen:
• Männer/Jungen:
Dissoziation + Angst o. Depression
Somatisieren
Hyperarousal +SSV o. ADHS, antisoziale PS
= externalisiernd
= internalisierend
Folge:
Substanzkonsum zur Bewältigung von psych. Belastung, Betäubung
SIB
„Chemische Dissoziation“ „Superreiz“
Frühe Bindung­ und Beziehung
1945 bis 1960 untersuchten John Bowlby und Rene Spitz systematisch Waisenheimkinder
•
•
•
•
Frühe Präferenz für das Gesicht der Mutter
Antwortlächeln im 3. Monat, Fremdeln im 8. Monat Intuitive Empathie und Affektresonanz der BZP
Erkundungsverhalten des Kleinkindes, erfolgt nur bei Anwesenheit der bekannten Bezugsperson
• Heimkinder und Kinder depressiver Mütter haben ähnliche Entwicklungsdefizite
Die ersten 18 Monate entscheiden, ob das Kind später eine gute Beziehungsfähigkeit erlangt und seine Affekte angemessen regulieren kann…
Elterliche Emotion und Reaktion (Dix1991)
• 3 ½ bis 15 mal pro Std. kommt es normalerweise zum Konflikt zwischen Eltern und kleinen Kindern
• Eltern müssen deshalb lernen, mit eigenem Ärger, Wut und Frustration umzugehen
• Ärgerliche und harte elterliche Reaktionen korrelieren mit Stress, Depression und fehlender sozialer Unterstützung
Neuropsychologische Grundlegung
der Bindungstheorie (n. Grawe) menschlichen Grundbedürfnisse: Bindungsbedürfnis, Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle, Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung und Selbstschutz, Bedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung. Bleiben diese fortgesetzt aus, kann aus Deprivationserleben eine Beeinträchtigung der psychischen Regulationsfähigkeit resultieren.
Neuropsychologische Kaskade Bindungsstörung (n. Grawe)
Inkongruenz und Inkonsistenz (Unvereinbarkeit gleichzeitig ablaufender psychischer Prozesse) Fernhaltung u. "Verdrängen“ bedrohlicher Wahrnehmungen aus dem Bewusstsein dient dem kurzfristigen Vorteil der Konsistenzsicherung und langfristiger Nachteil. Weil keine bewusste Auseinandersetzung mit den unbewusst als bedrohlich bewerteten Situationen stattfindet
Bedrohung wirkt weiter im impliziten Funktionsmodus auf das Nervensystem ein. Vorgänge im expliziten und impliziten Funktionsmodus sind nicht mehr aufeinander abgestimmt, sie dissoziieren. Arbeitsspeicher ist überhaupt nicht informiert darüber, dass es da etwas gibt, um das er sich dringlich kümmern sollte, von ihm können keine hemmenden Signale ausgehen
Keine frontocortikale Hemmung der Angst, Überaktivierung des Angstschaltkreises führt zu Fehlregulationen mit Stresskorrelaten ( mündet oft in Generalisierten Angststörungen, Panikstörung oder Zwangsstörung Risiko der Reviktimisierung • Früh misshandelte Mädchen haben als Teenager
signifikant mehr negative sexuelle Gewalterfahrungen
­ hohe Korrelationen nicht nur für Sex.Mb sondern auch für Neglect u. Misshandlung (Wekerle et al. 2001)
• Mädchen deren Mütter missbraucht worden waren
hatten ein 3,6 faches Risiko auch missbraucht zu werden
– Kombination mütterliche Missbrauchserfahrung und
Drogenkonsum 23,7 fach erhöhtes Risiko, d.h. 83% der
Töchter aus dieser Gruppe wurden missbraucht
(Intergenerationaler Missbrauch, Mc Closkey & Bailey 2000)
Prädiktoren für Suchtentwicklung
• Geringer Familienzusammenhalt • Psychische Erkrankungen /Suchterkrankungen in der Familie
• Früher Konsum legaler Suchtmittel
• Delinquente Peergruppe
• Misshandlung / (sex.) Missbrauch
• Psychische Störungen im Kindes­/Jugendalter Zusammenwirken mehrerer Faktoren!
nach Küfner H., Bühringer G., (2000) Prädiktoren in der Kindheit : Grundlagen und Ergebnisse einer empirischen Studie. Sucht 46(1) 2000 s. 32­53
Coinzidenz Sucht+Trauma
• Bei 30­50% der Menschen in Suchtbehandlung frühe Traumatisierung
• Anteil bei Frauen/Mädchen höher
• Anteil unter Opiatabhängigen besonders hoch
• Aktuelle Entwicklung: exzessives Rauschtrinken bei weibl. Jugendlichen mit sexuellen Ausnutzungssituationen
Epidemilogie: Neuseeländische Geburtskohorte
Dunedin n= 1200, prospektiv­longitudinal über 25 a (Fergusson et al. (1996a u. b)
• 17,3 % Mädchen; 3,4% Jungen waren bis zum 16. LJ missbraucht, mit Penetration 5,6 % vs. 1,4 % Erhöhtes Risiko:
3,6 (5,4) x für Depression
2,7 (6,6) x für Alkoholabhängigkeit u. anderer Substanzabusus
5 x Suizidversuche
3 x Angsterkrankungen
12 x Verhaltensauffälligkeiten allgemein und 12x zeitgleiche Störung n. DSM IV Diag.
Psychische Stress- und
Schutzfaktoren
(Kauai-Studie, 700 Kinder einer kleinen Hawai –Insel , longitudinal, über 40
Jahre untersucht )
Stressfaktoren
Schutzfaktoren
Emotional schlechte Beziehung zu den Eltern
Angemessene frühkindliche Eltern­Kind­Bindung ­
Körperliche Misshandlung
Sexueller Missbrauch
Berufliche Belastung der Eltern von Anfang an Altersabstand zu den Geschwistern < als 18 Monate
Schlechte finanzielle Situation
Dauerhaft gute Beziehung zu einer primären Bezugsperson
R
i
s
i
k
o
Großfamilie
Gutes Ersatzmilieu nach Verlust der Eltern
Überdurchschnittliche Intelligenz
Robustes aktives Temperament
Folgen elterlicher Trennung
Weibliches Geschlecht
Chronisch psychisch oder körperlich kranke Eltern Spätere stabile Partnerschaft
Tod der Eltern
Zyklische Viktimisierung …
(Bagley et al. 1994 n = 750 Männer aus Calgary)
• 117 (15,7 %) berichteten über Missbrauch
in der Kindheit
– 25 % der missbrauchten Männer vs. 0,3 % der
nicht Missbrauchten hatten sexuelle Kontakte
zu Jungen unter 15 Jahren
Regressionsanalyse:
Missbrauchserfahrungen als wesentlichsten Prädiktor für späteres Missbrauchsverhalten
Kindheit hat Folgen…?!
Leitthema der 53. Lindauer Psychotherapiewoche 2003
• Wenn ein Kind unter erheblichen psychosozialen Belastungen zu leiden hat, hat dies negative Auswirkungen auf sein späteres Leben und seine psychische Gesundheit:
(Risikoverhalten u. Auswirkungen von vier und mehr frühkindlicher Stresserfahrungen; Felitti et al. 1998, San Diego) ­ Häufigkeit von Alkoholabusus, um das 7,4 ­fache erhöht
­ Konsum harter Drogen (i.v.) um 10,3 ­fach wahrscheinlicher
­ Risiko eines Suizidversuchs erhöhte sich um das 12,2 fache
…. im Vergleich zur Kontrollgruppe Misshandlung, Gewalt und Fernsehkonsum ? Johnson (1999 u. 2002)
• 54 % der Jungen, die körperlich misshandelt wurden, haben als Erwachsene Merkmale einer narzisstische­, antisozialen oder Borderline­
Persönlichkeitsstörung
• Zusammenhang zwischen frühem TV­Konsum und Gewaltbereitschaft bei Männern: ­ wer vor dem 16. Lebensjahr täglich zwischen 1­3 Stunden vor dem Fernsehgerät saß, hatte bereits eine signifikant erhöhte Gewaltbereitschaft
­ bei >3 Std. = 42 Prozent!
„Stressnarbe“ ….Erkenntnisse aus Tierversuchen
Fortgesetzte negative Bindungserfahrungen hinterlassen im adulten Gehirn eine •
•
•
•
•
•
•
Erhöhte Sekretion von CRH, ACTH und Cortisol (messbares Korrelat auch bei Depressivität)
hirneigene Endorphinausschüttung unterbrochen
bleibende Empfindlichkeit der Hypothalamus­Hypophysen­
Nebennierenrinden
Volumenverminderung des Hippocampus –Achse durch erhöhte Glukokortikoidspiegel
Dysfunktionen in der Ausbildung von Synapsen
Störungen der Migration sich entwickelnder Nervenzellen oder fehlerhafte Differenzierung funktioneller Neuronenverbände (Amygdala, Hippocampus, anteriorer Gyrus cinguli, präfrontaler Kortex).
spezifische Vulnerabilität im Bereich des limbischen Systems und des Hirnstammes der rechten Hirnhälfte ?
Frühkindliche Stresserfahrungen ­
Wahrscheinlichkeit gesundheitlichen Risikoverhaltens u. vorzeitige Mortalität:
U. T. Egle, Mainz, aufgrund prospektiver Längsschnittstudien Erhöht für •
•
•
•
somatoforme Störungen
Adipositas, Herz­Kreislauf­Erkrankungen
delinquentes Verhalten sowie Borderline­ und andere psychische Störungen
Folgerung aus der Neuropsychologie • Funktionale Bindungserfahrungen als Voraussetzung für die Balance der Stressachse im kindlichen Gehirn und effiziente neuronale Vernetzung?! • Andauernde Bindungsdefizite stellen vermutlich die Basis für Psychopathologie beim Erwachsenen dar
Implikationen für Traumatherapie
Verknüpfung herstellen durch:
• Aufbau des deklarativen/kalten Gedächtnisses bei gleichzeitiger Aktivierung aller Ebenen des heißen Gedächtnisses (räuml./zeitl. Einordnung)
• Explizit machen der zum Trauma gehörenden Emotionen, Gedanken, Körperempfindungen und Wahrnehmungen
Ziele: Modifikation des Furchtnetzwerks (durch Wiederholung verstärkt), Vermeidung überwinden. Erinnerung ohne starke physiolog. und emotionale Erregung im geschützten Rahmen.
Ziel einer Intervention nach Verlust und akuter Traumatisierung ist …
­
Sicherheit wieder herzustellen
­
Lebensnahe Bewältigungshilfen geben
­
Ausblick, dass eine solche Situation beim nächsten Mal anders / besser ausgehen könnte
­
dem Entstehen / der Chronifizierung einer Posttraumatischen Belastungsstörung vorbeugen
­
Unterstütze Rückkehr zur Normalität fördern
Integration
• Einordnung des Geschehens in Lebenskontext
• Zukunftsorientierung: Alltags­Perspektive entwickeln
• Fokus wieder auf Entwicklungsaufgaben
• Nicht in Opferrolle verharren
Therapie….
• Stabilisierung
• Sicherungstechniken (KBT u.a.) • EMDR (u. Hypnother.)
• Narrative Exposition (KIDNET, Spielther)
• Integration
EMDR
Eye Movement Desensitization & Reprocessing
KIDNET
– Arbeit mit der lifeline…
ulrike.amann@zfp­weissenau.de
Vielschichtige Themen in der Therapie…
Verlust der
männlichen
Identifikationsfigu
r
Übernahme von
Verantwortung für
die zerrüttete
elterliche
Beziehung
Überstülpung der
(Sexual-)
Partnerrolle für
den Vater
Ein Junge muss
stark sein
Jungen müssen
selbstbewusst
sein
Verlust von
Kindheit
Sexuelle
Verunsicherung
Scham
Überforderung
“kein richtiger
Junge”
Misstrauen
“schwule Sau”
Desorientierung
Schuld
Existentielle
Verunsicherung
Zerrüttetes
Selbstbewusstsei
n
Abspaltung
bedroht die
eigene Identität
Ohnmacht
Überstülpung der
Partnerrolle für
die Mutter
Tabuisierung
durch das
Schweigegebot
Von niemandem
wirklich gesehen und
erkannt werden. Sich
selbst nicht
wahrnehmen
Einsamkeit
Sexuell missbrauchter Junge…..
Schlussbetrachtung
„Man kann in der Wahl seiner Eltern nicht vorsichtig genug sein…..!“ (Paul Watzlawick )
•die physische Geburt eines Menschen dauert Stunden – die psychische Geburt dauert oft Jahrzehnte….
•Kinder werden zu starken Persönlichkeiten, wenn Bezugspersonen kontinuierlich vermitteln: Du bist nicht allein und verloren! Du bist wertvoll und wichtig!
Du kannst etwas bewirken!
­
PsychoSoziale Gesundheitsdienste Jugend ­ Vorarlberg Dr. Wolfram Metzger
Facharzt für Kinder­ und Jugendpsychiatrie
[email protected]
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