ISLAM IN VORARLBERG ‹Die Herkunft der Muslime in Vorarlberg und ihre Rechtsschulen› Laut Volkszählung lebten in Vorarlberg 2001 schätzungsweise 30.000 Muslime; sie stellten rund 9% der Gesamtbevölkerung dar. 17.000 davon sind türkische Staatsbürger; rund 8.000 sind österreichische StaatsbürgerInnen türkischer Herkunft, was zeigt, dass der Islam in Vorarlberg nicht mehr nur eine Religion der AusländerInnen ist. Mit der Zuwanderung von Kriegsflüchtlingen aus den Staaten des ehemaligen Jugoslawien Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts wuchs auch die Zahl der bosnischen Muslime in Vorarlberg. Weiters leben einzelne Muslime aus Ländern wie Ägypten oder Marokko in Vorarlberg. Der Vorarlberger Islam ist hauptsächlich vom türkischen Islam geprägt. In der Türkei herrscht der sunnitische Islam der hanafitischen Rechtsschule vor. 80 % der Vorarlberger Muslime sind Sunniten dieser Rechtsschule. Die von Abu Hanifa begründete Rechtsschule gilt als die liberalste der vier sunnitischen Rechtsschulen. Auch die bosnischen Muslime gehören der hanafitischen Rechtsschule der Sunna an. Sie gelten als das einzige Volk Europas muslimischer Religion. Rund 20 % (6.300) der Muslime in Vorarlberg sind aus der Türkei stammende Aleviten. Die Landschaft des Islam in Vorarlberg ist nicht homogen. Sie wird von verschiedenen Gemeinschaften geprägt, die jeweils ein sehr unterschiedliches Selbstverständnis haben. In dieser Landschaft spiegelt sich im Großen und Ganzen die einfache ländliche Gesellschaft der Türkei der 70er und 80er Jahre; es zeigen sich mittlerweile in Vorarlberg jedoch auch Gruppen, die erst in den letzten Jahren in der Türkei entstanden oder stärker hervorgetreten sind. Von den Muslimen in Vorarlberg besteht zur Zeit keine zu beobachtende Absicht, Nicht-Muslime zu missionieren. Zu beobachten sind Anstrengungen diverser islamischer Gemeinschaften, Menschen muslimischer Herkunft wieder stärker in den Islam zu integrieren. ‹Islamische Gruppen in Vorarlberg› Nach islamischem Verständnis braucht es keinen Ritus der Aufnahme in den Islam bzw. in eine islamische Gruppe oder Gemeinde. Man wird Muslim bzw. Muslimin durch Geburt, durch die Abstammung von einem muslimischen Vater. So leben in Vorarlberg auch viele Muslime, die sich zu keiner der in Vorarlberg bestehenden Gruppen zugehörig fühlen, aber aus tiefster Überzeugung islamischen Glaubens sind. Derzeit existieren ca. 30 bis 40 türkische Vereine, die größeren Organisationen angehören und den Muslimen in Vorarlberg mit ihren Gebetsstätten (türk. mescid) eine religiöse und kulturelle Heimat bieten. Es gibt jedoch noch keine Moschee ( türk. cami) mit Minarett in Vorarlberg. Die Verstorbenen werden derzeit in überwiegender Zahl noch in die Türkei überführt, was für die Hinterbliebenen mit hohen Kosten (ca. € 4.400,-) verbunden ist. Die islamischen Vereine unterhalten dafür eigene Fonds. Die muslimischen Beerdigungsvorschriften weichen von den österreichischen Vorschriften bzw. Gepflogenheiten ab, so dass es für viele Muslime noch immer schwer vorstellbar ist, in Österreich beerdigt zu werden. Das wird sich in den nächsten Jahren jedoch zunehmend ändern. 09.10.2003 7:56 I:\ALLE\Integr\Leitbild\Texte Integration\7a Religion\islam1.doc Islamischer Religionsunterricht in Vorarlberg Aus der staatlichen Anerkennung als Religionsgemeinschaft ersteht den Muslimen in Österreich das gleiche Recht wie den christlichen Kirchen, bei entsprechender Schülerzahl einen islamischen Religionsunterricht zu einzurichten. Zur Eröffnung einer Klasse werden fünf SchülerInnen benötigt; ab dieser Zahl finanziert der Staat die Abhaltung einer Religionsstunde pro Woche. Die Schülerzahl kann nach der Eröffnung der Klasse auf drei zurückgehen, ohne dass der Anspruch auf eine Religionsstunde verloren geht. Bei Klassen unter fünf Kindern kann der Religionsunterricht stattfinden, muss aber dann von der jeweiligen Glaubensgemeinschaft finanziell selbst getragen werden. Ab zehn Kindern übernimmt die öffentliche Hand die Bezahlung einer zweiten Religionsstunde pro Woche. Religion ist in Österreich ein Wahlpflichtfach. Abmeldungen vom Unterricht können die Eltern vornehmen, sowie ab der Vollendung des 14. Lebensjahres auch der oder die Jugendliche. Es gibt einen vom österreichischen Staat approbierten Lehrplan für den jeweiligen Religionsunterricht. Approbierte islamische Religionsbücher existieren für die 1. bis 8. Schulstufe. Ein weiteres Lehrmittel ist der Koran. Die Rezitation aus dem Heiligen Buch des Islam muss auf Arabisch erfolgen. Die Sprache des Unterrichts muss jedoch Deutsch sein: ReligionslehrerInnen müssen, so ihre Muttersprache nicht Deutsch ist, den Nachweis über ihre Deutschkenntnisse erbringen. Die Aleviten (von den rund 3.581 türkisch-stämmigen Kindern in Vorarlberg dürften knapp ein Viertel, also 900, Aleviten sein) melden ihre Kinder zumeist vom islamischen Religionsunterricht ab. Diese Gruppe regelt ihre religiöse Erziehung auf privater Basis. Mehr als die Hälfte der türkischen Kinder/Jugendlichen in Vorarlberg, knapp 2000 SchülerInnen, besuchen den in den Schulen angebotenen islamischen Religionsunterricht. Die islamischen Religionslehrer werden durch die „Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich“ zugewiesen, und nur diese darf die fachliche Inspektion vornehmen. Einen Fachinspektor für islamische Religion gibt es zur Zeit nicht. Bei allgemeinen – nicht den Islam betreffenden – Fragen ist der jeweilige Landesschulinspektor zuständig. Derzeit unterrichten in Vorarlberg 15 Lehrer, die ca. 300 Stunden islamische Religion unterrichten. Eine Änderung der Einstellungsbedingungen für LehrerInnen der islamischen Religion in Österreich dürfte sich in näherer Zukunft ergeben, da am 23. April 1998 der Oberste Rat der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, der Schura-Rat, die Erlaubnis erhielt, eine Islamische Religionspädagogische Akademie zu eröffnen. Die Eröffnung fand im September 1998 statt. Die entsprechenden Professoren für den Islam werden von der Al-Azhar Universität (Kairo/Ägypten) entsandt. Ein österreichischer Lehrkörper lehrt die humanistischen Fächer. 09.10.2003 7:56 I:\ALLE\Integr\Leitbild\Texte Integration\7a Religion\islam1.doc