Wahrnehmung Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 1 Gliederung 1. Anatomie des Auges 2. Visuelle Wahrnehmungsbereiche 3. Sehen lernen 4. Räumliche Wahrnehmung 5. Täuschung 6. Anatomie des Gehirns 7. Informationsverarbeitung 8. Fazit Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 2 Sinn und Zweck von Wahrnehmung Wahrnehmung als Voraussetzung für Verhalten Empfangen von Sinneseindrücken und deren Verarbeitung im Gehirn mit dem Ziel sinnvolles Handeln zu ermöglichen. Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 3 Geschichte Wie kommt das Bild in den Kopf? • Vor 2500 Jahren nahmen griechische Philosophen an, Licht werde aus den Augen auf die Objekte geworfen. • Oder... Objekte verfügten über sich ausdehnende Schalen, die sie dabei die Form des Objektes über große Entfernungen beibehielten. • Nach dem 10 Jahrhundert wurden optische Bilder entdeckt • Im 17 Jahrhundert wurden Bilder in den Augen entdeckt. Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 4 Auge Das Auge ist ein einfaches optisches Instrument • Bilder werden optisch, also mittels einer Linse auf unsere Netzhaut projiziert. • Dieses Bild steht auf dem Kopf und ist seitenverkehrt Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 5 Auge Anatomie des Auges Linse • Entfernungseinstellung durch Änderung der Linsenform Nahsehen • Verringerung des Krümmungsradius und dadurch Erhöhung der Brechkraft Iris • Lichtundurchlässig, denn Blende für die Linse Pupille • Kontraktion um Lichteinfall auf den zentralen und optisch effektivsten Teil der Linse zu beschränkenganze Öffnung: maximale Empfindlichkeit Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 6 Netzhaut / Retina Licht Das Licht erreicht die lichtempfindlichen Zellen erst, nachdem es Schichten von Blutgefässen, Nervenfasern und Stützgewebe passiert hat. Rezeptoren Die Rezeptoren liegen auf der Rückseite der Netzhaut. Stäbchen / Graustufen und Zapfen / Farbsehen Sehnerv Der Sehnerv ist nicht direkt mit den Rezeptoren verbunden, sondern über Schichten von hochvernetzten Zellen (Ganglien, Bipolarzellen) Ganglien Ganglien modifizieren die elektrische Aktivität der Rezeptoren stark. Ein Teil der Datenverarbeitung für die Wahrnehmung findet also bereits im Auge statt, das damit auch funktionell zu einem integralen Bestandteil des Gehirns wird. Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 7 Neuronale Kanäle Visuelle Hirnregion • Jedes Sinnesorgan übermittelt ausschließliche Empfindungen seines eigenen Sinnes an eine spezialisierte Hirnregion • Würden Hörsignale in den Visuellen Teil übermittelt, sähen wir Töne! Module der Sehrinde • Die Sehrinde verarbeitet visuelle Merkmale in spezialisierten Modulen. Es gibt unterschiedliche neuronale Kanäle für • Form • Bewegung • Tiefenwahrnehmung • Farbe Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 8 Neuronale Kanäle Zellschichten • So liegen die Zellen für Farbe und Form in dünnen alternierenden Schichten. • Die Schicht für Helligkeitswechsel / Bewegung (50 Hz) arbeitet z.B. wesentlich schneller, als die für Farbwechsel (12 Hz). Spezialisierte Zellen • Aktivität einzelner Zellen der Sehrinde nur bei spezifischen Reizen: Winkel eines Balkens, Bewegung in einer ganz bestimmten Richtung • Wahrnehmung werden aus Kombinationen dieser ausgewählten Merkmale aufgebaut. Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 9 Gliederung Teil 2 Visuelle Wahrnehmungsbereiche Helligkeitssehen Bewegungssehen Farbsehen Objekterkennungsgesetze Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 10 Helligkeitssehen Lichtwahrnehmung • Ein Blinder kennt weder Helligkeit, noch Dunkelheit. Blindheit bedeutet also ein Nicht-Wahrnehmen von Licht. • Dunkelheit ist auch ein Wahrnehmung. • Sehende nehmen Helligkeit über Stäbchen und Zapfen wahr. • Lichtintensität bestimmt die Helligkeitswahrnehmung. • Helligkeit ist eine Funktion der Farbe: Bei Lichteinfall verschiedener Wellenlängen aber gleicher Lichtintensität erscheint das mittlere Spektrum am hellsten Spektrale Empfindlichkeitskurve Wahrnehmung ? Für Notsignale eine Farbe wählen, für die das Auge eine maximale Empfindlichkeit hat Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 11 Helligkeitssehen Adaption • Bei niedriger Lichtintensität erhöht sich die Empfindlichkeit und das Licht erscheint heller. • Zapfen sind für Gelb empfindlicher • Stäbchen sind für Grün empfindlicher • Zapfenadaption in 7 min • Stäbchenadaption in über 60 min Empfindlichkeit des dunkeladaptierten Auges für verschiedene Wellenlängen des Lichts Wahrnehmung ? Notausgangsschilder in Grün Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 12 Helligkeitssehen Kontrast-Faktoren • Beleuchtungsintensität der Umgebung • Kontrastverstärkung auf Grund der Bedeutung von Grenzen bei Wahrnehmung – Objektabgrenzung ? Kontrastreiches ist besser wahrzunehmen Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 13 Bewegungssehen • Bewegungssehen ist überlebenswichtig für Mensch und Tier und wird schon in der Retina codiert. Bewegung bedeutet: Feind, Futter, Sexualpartner • Periphere Netzhaut spricht nur auf Bewegung an. • Äußerster Rand der Netzhaut löst eine Blickbewegung aus, obwohl das Objekt selbst nicht wahrgenommen wird. Der bewegte Gegenstand rückt in den zentralen Bereich des Sehens Fasern für das Bewegungssehen • scharf definierte Objektgrenzen • Veränderung der Lichtverteilung • Allgemeine Verdunklung der Beleuchtung, Schatten ? Bewegung erreicht höhere Aufmerksamkeit als Farbe Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 14 Bewegungssehen Bild-Netzhaut-Bewegungssystem Ein bewegtes Objekt wandert über die Netzhaut und reizt nacheinander die Rezeptoren Auge-Kopf-Bewegungssystem Das Auge folgt einem Objekt, das Retinabild bleibt stationär. Signalübermittlung durch Augenbewegung. Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 15 Bewegungssehen Film und Fernsehen Obwohl wir ruhende Bilder sehen, nehmen wir einen kontinuierlichen Bewegungsablauf wahr. Trägheit des Sehvorgangs Die Netzhaut ist zu langsam um schnellen Helligkeitsschwankungen zu folgen und zu signalisieren. Flimmerfrequenz von 50 Blitzen in der Sekunde (50 Hz) erscheint uns stetig. Phi-Phänomen oder Scheinbewegung Zwei Lichter blinken abwechselnd an zwei Orten und das Auge sieht ein Licht, dass sich bewegt. Räumlich und Zeitliche Toleranz ermöglicht Film und TV kommerzielle Nutzung. Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 16 Farbsehen Wer sieht Farbe? • Unter den Säugetieren sehen nur Primaten Farbe • Vögel, Fische, Reptilien und Insekten haben sehr gutes Farbsehen Thomas Young 1773 -1829 Young-Helmholtz-Theorie • Es gibt drei farbempfindliche Rezeptortypen (Zapfen), die jeweils auf Rot, Grün oder Blau reagieren. • Gelb: Kombination von Nervensignalen der Rot- und Grünrezeptoren • Durch Mischen dreier im Spektrum weit voneinander entfernter farbiger Lichter können alle Spektralfarben gemischt werden, auch Weiß, allerdings kein Schwarz. • Farben sind mischbar, Töne nicht Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 17 Farbensehen Additive Farbischung Spektralfarben addiert ergeben Weiß. Subtraktive Farbmischung Bei Farbdrucken dienen Pigmente dazu, Farben aus dem Licht zu subtrahieren. Wir sehen das, was übrigbleibt. Grüne gedruckte Farbe absorbiert alle anderen Farben. Farbempfindlichkeit Unterschiedsempfindlichkeitsfunktion Die Wahrnehmungsschwelle variiert mit der Wellenlänge Die beste Farbunterscheidung ist dort, wo die Farbempfindlichkeit des Auges am höchsten ist. Geringster Wahrnehmbarer Wellenlängenunterschied Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 18 Wahrnehmungstheorien Gesetze zur Objekterkennung • Geschlossenheitstendenz, ein in etwa kreisförmiges Muster von Punkten so zu sehen, als gehöre es zu einem Objekt • Gemeinsames Schicksal: Teile, die sich gemeinsam bewegen,wie Blätter an einem Baum, werden als Objekt gesehen • Nähe eng benachbarter Merkmale Eine Gestalt ist eine Gruppierung von Elementen, bei der das Ganze größer ist als die Summe seiner Teile. Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 19 Gliederung Teil 3 Sehen lernen • Was sehen Babys • Kulturelle Unterschiede • Adaption des Gehirns • Der Fall S. B.: Ein Blinder der Sehen lernt. • Definition Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 20 Sehen lernen Was ist angeboren, was erlernt? • Bienen lernen, wo der beste Nektar zu finden ist. Das Erkennen der Blütenblätter, die Nektar haben, ist angeboren. • Junge Katzen, die in einer vertikalen Welt aufgewachsen sind, sind blind für horizontale Streifenund ihnen fehlen horizontale Merkmalsdetektoren. • Angeborene neuronale Mechanismen müssen stimuliert werden, sonst verkümmern sie. • Visuelle Fähigkeiten können verloren gehen Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 21 Was sehen Babys? Es ist sehr schwierig herauszufinden, was Babys sehen, denn Experimente sind aus ethischen Gründen nur sehr begrenzt möglich und Babys sind sehr unkoordiniert und können ihre Seherfahrung verbal nicht mitteilen. Gesichterkennung Baby‘s schauen das Gesicht etwa doppelt so lange an, wie das durcheinandergewürfelte Gesicht. Man schließt auf eine angeborene Gesichtserkennung. Der Steilwandversuch Das Kind weigert sich, über den Abgrund zu kriechen. Man geht von einem angeborenen Wissen über die Gefahr des Fallens aus. Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 22 Kulturelle Unterschiede Die Kreis-Kultur der Zulus • Sie bauen runde Hütten, pflügen in Kurven und ihre Gegenstände weisen sehr selten Ecken auf. Sie sind von der Müller-Lyer-Pfeiltäuschung nicht betroffen. Müller-LyerTäuschung Wald-Kulturen • Sie haben keine Erfahrung mit weiter entfernten Objekten, denn sie leben auf relativ kleinen Waldlichtungen. Kommen sie aus dem Wald heraus, so sehen sie weit entfernte Objekte nicht als entfernt, sondern als klein. ... Kühe so groß wie Insekten. • Aktive Bewegung und praktische Erfahrung mit Objekten ist wichtig für die Eichung des visuellen Systems. Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 23 Blinde, die Sehen lernen Der Fall S.B. S.B. war ein blinder Mann der sich in seinen 40ern einer Hornhauttransplantation unterzog. Seine Wahrnehmung unterschied sich deutlich von der Wahrnehmung von Geburt an Sehender. Entfernung Sein Fenster lag 15 Meter über der Erde und doch glaubte er bei einem Blick hinaus, er könne den Boden mit den Füssen berühren, wenn er sich an seinen Händen hinunterlassen würde. Hatte er jedoch die Entfernung durchschritten, so konnte er sie auch mit dem bloßen Auge abschätzen. Lesen Er konnte seine Uhr lesen ohne darin unterwiesen worden zu sein , da er sie vorher ertastet hatte. Er konnte also frühere Tastwahrnehmungen auf das Sehen übertragen. So gibt es einen allgemeine Wissensbasis, die allen Sinnen zugänglich ist. Er hatte also gelernt, wie man sieht, bevor er sehen konnte. Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 24 Blinde, die Sehen lernen Fazit Das was wir sehen, hat als solches keine Bedeutung für uns. Wir müssen erst lernen, das Gesehene zu interpretieren. Er war unfähig Dinge zu zeichnen, die er nur gesehen, aber nicht ertastet hatte. Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 25 Definition Richard L. Gregory: Wahrnehmung bedeutet in der Vergangenheit erworbenes Wissen einzusetzen, um die Gegenwart zu sehen und die unmittelbare Zukunft vorherzusagen. Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 26 Räumliche Wahrnehmung Wir haben gehört, wie wir sehen lernen und auch wieder vergessen, was im Auge ankommt und wie es weitergeleitet wird. Wenn das Bild auf der Retina nur 2D ist, woher nehmen wir dann die Informationen für die räumliche Wahrnehmung? Die multiplen Faktoren der räumlichen Wahrnehmung, Fehlerquellen und der Identifizierungsprozess. Wahrnehmung • im Auge • in der Kunst • Bewegung • Täuschungen • Sehen, Erkennen und Identifizieren Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 27 Räumliche Wahrnehmung Disparität Da zwischen den Augen ein Abstand von ~6 cm besteht, beobachtet jedes Auge die Szene aus einem etwas anderen Winkel. Entsprechend unterschiedlich sind die Bilder auf der Netzhaut. Dieser Unterschied (Disparität) gibt Auskunft über die Entfernung und damit die räumliche Tiefe. Durch die Disparität der Bilder erkennt der Betrachter, dass sich das kleinere vor dem größeren Quadrat befindet. Wahrnehmung „Guckkästen“ für Kinder nutzen den gleichen Effekt. Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 28 Räumliche Wahrnehmung Konvergenz Der zweite Anhaltspunkt beim binokularen Sehen beruht darauf, dass die Sehachsen der Augen beim Fixieren eines Punktes aufeinander zulaufen. Der Winkel der Augen zueinander wird als Konvergenzwinkel bezeichnet. Der Konvergenzwinkel ist bei nahen Objekten groß (-> Schielen) und nimmt mit wachsendem Abstand ab. Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 29 Räumliche Wahrnehmung Akkomodation Die Linsenstärke passt sich an, damit auf der Netzhaut ein scharfes Bild entsteht. Zum einen erhält das Gehirn Informationen über den Akkomodations-Zustand des Muskels, zum anderen werden nicht scharf gestellte Objekte verschwommen wahrgenommen. Je verschwommener das Bild auf der Netzhaut, desto weiter ist es vom fokussierten Objekt entfernt. Fernsicht: per Akkomodation (durch die rot symbolisierten Muskeln) stellt die Linse auf gewünschte Stellen scharf. Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 30 Räumliche Wahrnehmung Bewegungsparallaxe Durch Bewegungen des Beobachters verändert sich die Parallaxe (der Winkel), unter dem er die Objekte sieht. Die Art der Winkelverschiebung gibt Hinweise auf die Entfernung und Tiefe des Objektes. Der Winkel ändert sich bei fernen Objekten nur wenig, bei nahen Objekten jedoch sehr stark. Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 31 Räumliche Wahrnehmung Abbildungsfaktoren Perspektive, Schatten, Verdeckung, Größe und Verzerrung – sie geben uns Hinweise auf die räumliche Anordnung. Seit der Renaissance wurden diese Abbildungsfaktoren von den Malern bewusst benutzt. Zusätzlich spielen Konventionen eine wichtige Rolle. Wenn wir Linien und Konturen erkennen, dann liegt das auch an der Art, wie wir Bilder zu interpretieren gelernt haben. Konvention in Comics: Linien bedeuten Bewegung, Strukturen oder Tropfen Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 32 Räumliche Wahrnehmung Abbildungsfaktor: Zentralperspektive Malerei kann auf einer zweidimensionalen Fläche die Illusion eines dreidimensionalen Raumes erzeugen. Die perfekte Illusion kommt jedoch nur zustande, wenn sich der Betrachter im Projektionszentrum befindet. Ein Detail der Decke aus unterschiedlichen Richtungen aufgenommen enttarnt die Illusion. Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 33 Räumliche Wahrnehmung Abbildungsfaktor: Schatten Das Licht kommt in unserer natürlichen und auch künstlichen Umgebung normalerweise von oben. Das Beispiel zeigt eine Tafel mit Keilschrift. Auf Tafel A scheint die Schrift hineingeschlagen – auf Tafel B wirkt sie erhaben, dabei wurde nur das Bild um 180 ° gedreht. Tafel A Tafel B Gelernter Schattenwurf: A: Vertiefung B: Erhebung Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 34 Räumliche Wahrnehmung Abbildungsfaktor: Überschneidung und Verdeckung Verdeckungen lassen Rückschlüsse zu, welcher Gegenstand im Vordergrund liegt und erzeugen so räumliche Tiefe. Bei einfachen Formen und bekannten Gegenständen fällt die Interpretation besonders leicht. Warum zwei Rechtecke (das hintere teilweise verdeckt) und nicht ein Rechteck mit L-förmigen Anhang? Wahrnehmung einfache Formen: eindeutige Interpretation komplizierte Formen: zweideutig Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 35 Räumliche Wahrnehmung Abbildungsfaktor: Größenverhaltnisse Mit der Entfernung nimmt die Darstellungsgröße ab. Gerade bei uns „bekannten“ Gegenständen können wir die Entfernung aus der Abbildungsgröße entnehmen und erkennen Fehler sofort. Das Paar im Vordergrund ist eine exakte Kopie des Paares im Hintergrund. Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 36 Räumliche Wahrnehmung Abbildungsfaktor: Verzerrung Die Wahrnehmung wird durch die Formkonstanz rekonstruiert und korrigiert. Ein Zylinder wird erkannt und seine Grundfläche als Kreis interpretiert, auch wenn die Darstellung die Fläche verzerrt. Das Plakat erscheint verzerrt, da es von der Seite aufgenommen wurde. Dennoch bleibt es erkennbar. Wahrnehmung Das Sehsystem korrigiert die Verzerrung eines Gemäldes und interpretiert sie als Tiefe. Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 37 Räumliche Wahrnehmung Kinetischer Tiefeneffekt Ein sich bewegender Gegenstand gibt Aufschluss über seine Form. Beispiel: der Schatten eines rotierenden Stabes mit geneigtem Querstück wird als rotierendes „T“ erkannt – auch beim einäugigen Betrachten. Ohne die Rotation reichen die Anhaltspunkte über die Form nicht aus. Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 38 Räumliche Wahrnehmung Stereokinetischer Effekt Mit exzentrischen Kreisen lässt sich ein Tiefeneindruck erzeugen, wenn das Muster rotiert. Durch den stereokinetischen Effekt nimmt man dann einen dreidimensionalen Kegelstumpf wahr, der entweder nach vorn ragt oder sich wie ein Tunnel in die Tiefe fortsetzt. Kegel oder Tunnel? Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 39 Irrtümliche Tiefenwahrnehmungen Täuschung Wie kommt es nun zu Täuschungen? Lässt sich unsere „objektive“ Wahrnehmung durch Erfahrung und Erwartung beeinflussen? Wie bereits gezeigt, versucht unsere Wahrnehmung 2D Bilder stets als 3D zu interpretieren. Nicht nur mehrdeutigen Reize können es zu Fehlinterpretationen führen, sondern auch gelernte Erfahrungen können eindeutige Reize verfälschen. Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 40 Irrtümliche Tiefenwahrnehmungen Kippbilder Bei diesem Bild handelt es sich um ein sogenanntes "Kippbild". Das bedeutet, je nach Betrachtung kann man zwei unterschiedliche Objekte erkennen. Welche der möglichen Wahrnehmungen schließlich zustande kommt, hängt davon ab, wie das Sehsystem Organisation und Gruppierung angewendet wird. Was ist Figur – was ist Figur-Grund-Unterscheidung Hintergrund? Bevorzugt als Figur interpretiert werden: kleinere Flächen, symetrische Konturen und senkrechte / waagerechte Flächen Gruppierung: Die Wahrnehmung orientiert sich am Prinzip der guten Gestalt: was ist wahrscheinlich, Ergänzungen, suche nach Ähnlichkeiten, gemeinsames Schicksal, Geschlossenheit, geschlossene Form Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler Die Lösungen sind gleichwertig, sie lassen sich jedoch nicht gleichzeitig wahrnehmen. 41 Irrtümliche Tiefenwahrnehmungen Ponzo-Täuschung Wir haben gelernt, dass weiter entfernte Objekte kleiner dargestellt werden als nahe Objekte. Bei senkrechten Linien wirkt der Effekt schwächer. Abbildung Hund S. 130 Der Hund vor dem Kamin erscheint uns als zu groß. Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 42 Irrtümliche Tiefenwahrnehmungen Poggendorff-Täuschung Eine einzelne Testlinie wird von den induzierenden Linien gekreuzt und wirkt dadurch verbogen, und zwar jeweils um so stärker, je mehr Kreuzungspunkte es gibt. Eine (irrtümliche) räumliche Interpetation verstärkt den Effekt, die Linien erscheinen „verbogen“. „Knick“ in der Optik? Winkelverzerrung: spitze Winkel werden „überschätzt“. Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 43 Irrtümliche Tiefenwahrnehmungen Müller-Lyer-Täuschung Die Linien sind überall gleich lang, werden aber als verschieden lang wahrgenommen. Die Ursachen für diese Täuschung sind noch umstritten: Drei mögliche Interpretationen: - das Auge „misst“ die Länge ab und täuscht sich die Pfeile werden hinzu addiert Verkürzungen werden erwartet und daher fehlinterpretiert Ob im Bild oder bei der einfachen Figur: der Effekt bleibt gleich. Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 44 Sehen – Erkennen und Identifizieren Die visuellen Reize sind nicht identisch mit unserer Wahrnehmung. Reiz weiße und schwarze Flecken -> Organisieren Was ist Form – was ist Hintergrund? Muss das Bild gedreht werden? -> Identifizieren Abgleich mit bekannten Formen Reize werden zunächst organisiert und verglichen und dann erst „erkannt“. Was wir nicht kennen, können wir auch nicht erkennen. Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 45 Fazit: ? Was haben wir nun gelernt? • Wir interpretieren den dreidimensionale Raum anhand von verschiedenen Faktoren • Erfahrung kann die Wahrnehmung beeinflussen • Eine optische Täuschung verschwindet nicht, nur weil wir sie durchschauen • Je eindeutiger ein Bild ist, desto schneller und leichter wird es erkannt • Unbekannte Dinge können nicht erkannt, sondern nur interpretiert werden Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler ! 46 Gehirn – Anatomie und Informationsverarbeitung Was wir nicht kennen, können wir auch nicht erkennen ! Was kennen wir ? Welche Informationen sind festgelegt ? Wie werden Informationen dazugelernt ? Anatomie des Gehirns Zwischenhirn Limbische Region Großhirn und Großhirnrinde Informationspeicherung Ultrakurzzeitgedächtnis – Assoziationen/Aufmerksamkeit Kurzzeitgedächtnis Langzeitgedächtnis Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 47 Anatomie des Gehirns Großhirn Limbische Region Hypothalamus Zwischenhirn (Thalamus) Hypophyse Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler Kleinhirn 48 Anatomie des Gehirns Zwischenhirn (Thalamus/Hypothalamus/Hypophyse) • Sinneswahrnehmungen werden mit Gefühlen wie Freude, Angst, Lust oder Schmerz ausgestattet und in Großhirn weitergeleitet • Steuerung von Lachen und Weinen • Steuerung von Stressreaktionen und Hormonauschüttungen • Entstehung von Gefühlen für Hunger und Durst Thalamus Hypothalamus Hypophyse Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 49 Anatomie des Gehirns Limbische Region • Steuerung komplexer Tätigkeiten, z.B. planen, vergleichen, entwerfen usw. • Speicherung von Informationen im Langzeitgedächtnis (Hippocampus) • Steuerung von angeborenen und erworbenen Verhaltensweisen • Ursprungsort von Trieben, Motivation und Emotion Limbische Region Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 50 Anatomie des Gehirns Großhirn Rechte Gehirnhälfte Körpersprache-Bildersprache Intuition-Gefühl Kreativität-Sponatität Zusammenhänge Raumempfinden Wahrnehmung Linke Gehirnhälfte Sprache-Lesen-Riechen Ratio-Logik Konzentration auf einen Punkt Einzelheiten Zeitempfinden Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 51 Anatomie des Gehirns Großhirnrinde – Netz der Informationsverarbeitung • • • • Wahrnehmung Netz von 15 Milliarden Gehirnzellen 1000 Faserleitungen pro Zelle 500 Billionen Synapsen (Kontaktstellen) Ort der Informationsverarbeitung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 52 Anatomie des Gehirns Großhirnrinde - Individuelles Wahrnehmungsmuster • Geburt: gewisse Anzahl Verknüpfungen sind genetisch vorbestimmt • 3 Monate nach Geburt: erste Wahrnehmungen und Eindrücke aus der Umwelt bestimmen weitere Verknüpfungen Riechen Tasten Schmecken Sehen Hören Geburt Wahrnehmung 3 Monate nach Geburt Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler Pubertät 53 Anatomie des Gehirns Großhirnrinde - Individuelles Wahrnehmungsmuster • unterschiedliche Ausprägung der Wahrnehmungskanäle ? unterschiedliche Lerntypen ? Mehr-Kanal-Informationen • Pubertät: weitere anatomische Veränderung der Verknüpfungen durch Eindrücke aus der Umwelt Geburt Wahrnehmung 3 Monate nach Geburt Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler Pubertät 54 Informationsverarbeitung Ultrakurzzeitgedächtnis Wahrnehmung Kurzzeitgedächtnis Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler Langzeitgedächtnis 55 Ultrakurzzeitgedächtnis Information kreist als elektrischer Impuls im Gehirn Informationsmenge: 109 bits/s 102 bits werden im Gehirn weiterverarbeitet Zuordnung der Information innerhalb 20sec zu bereits vorhandenen Gedächtnisinhalten (Assoziationen) ? Übergang der Information in das Kurzzeitgedächtnis Keine Assoziation der Information mit bereits vorhandenen Gedächtnisinhalten ? Information wird vom Ultrakurzzeitgedächtnis abgewimmelt - „vergessen“ max. 20sec !!! Kurzzeitgedächtnis ? Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 56 Unterstützung von Assoziation und Aufmerksamkeit Schlüsselreize Tiere und Babys Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 57 Unterstüzung von Assoziation und Aufmerksamkeit Schlüsselreize Sex und Erotik Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 58 Unterstützung von Assoziation und Aufmerksamkeit ungewohnte Kontexte Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 59 Unterstützung von Assoziation und Aufmerksamkeit ungewohnte Perspektiven - Vogelperspektive Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 60 Unterstützung von Assoziation und Aufmerksamkeit ungewohnte Perspektiven - Nahaufnahmen Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 61 Unterstüzung von Assoziation und Aufmerksamkeit Emotionen, Erwartungen, Erinnerungen und Erfahrungen Urlaub Geschenke Kindheitserlebnisse verliebt sein … Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 62 Unterstüzung von Assoziation und Aufmerksamkeit persönliche Interessen Fernsehen/Radio/Zeitung Entspannen Kochen Sport Autos Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 63 Hemmung von Assoziation und Aufmerksamkeit negative Erinnerungen und Erfahrungen Streit negative Kindheitserinnerungen … Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 64 Hemmung von Assoziation und Aufmerksamkeit fremde Sprachen oder unklare Begriffe Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 65 Hemmung von Assoziation und Aufmerksamkeit kulturelle Unterschiede Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 66 Hemmung von Assoziation und Aufmerksamkeit Interferenz - zu viele Informationen Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 67 Kurzzeitgedächtnis Speichervorgang Transformation der Information vom elektrischen Impuls in Materie ? ein biochemischer Vorgang beginnt Bei Kurzzeitspeicherung wird eine RNA-Matrize hergestellt ? Dauer 20min Mit Hilfe der RNA-Matrize werden Proteine gebildet (Proteinsynthese) ? Information ist auf dem Weg in das Langzeitgedächtnis 20min Langzeitgedächtnis ? Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 68 Kurzzeitgedächtnis Unterbrechung/Störungen des Speichervorgangs Unfall/Schock ? Gedächtnislücke zunehmendes Alter ? abnehmende Proteinsynthese Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 69 Langzeitgedächtnis Speichervorgang Endgültige, dauerhafte und unlöschbare Speicherung der Information durch Einlagerung von Proteinketten in den Gehirnzellen „Informationsknäuel“ Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 70 Fazit: ? Was haben wir nun gelernt? • max. 20sec Zeit um Assoziation und Aufmerksamkeit beim Rezipient auszulösen • Einsatz von Schlüsselreizen, ungewohnten Kontexten und Perspektiven, Emotionen, persönlichen Erwartungen und Interessen • Vermeidung von fremden Sprachen, unklaren Begriffen und Informationsüberfrachtung, Beachtung kultureller Unterschiede • alle Wahrnehmungskanäle nutzen • viele Assoziationsmöglichkeiten bieten • Informationen wiederholen Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler ! 71 Fazit - Wahrnehmung Schaffe „Knäule“ in den Köpfen der Rezipienten !!! Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 72 Literatur Richard L. Gregory Auge und Gehirn – Psychologie des Sehens Irvin Rock Wahrnehmung – Vom visuellen Reiz zum Sehen und Erkennen Frederic Vester Denken, Lernen, Vergessen Wahrnehmung Olga Trempler I Katja Bauer I Anja Wipfler 73