pdf-file - Institut für Theoretische Astrophysik

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SS 2011
Institut für Theoretische Astrophysik, Heidelberg
H.-P. Gail
bei Sternen hoher Leuchtkraft
Massenverlust und zirkumstellare Hüllen
page: 2.1
Die Entwicklung eines Sterns ist hauptsächlich durch die Masse des
Sterns zum Zeitpunkt, zu dem die Massenakkretion auf den neu entstehenden Stern abgeschlossen ist, und – falls er mit weiteren Sternen
ein Doppel- oder Mehrfachsternsystem bildet– durch deren Massen und
Abstand bestimmt. Die Entwicklung von Einzelsternen und von Sternen in Mehrfachsystemen mit weit voneinander entfernten Komponenten unterscheidet sich ganz wesentlich von der von Sternen in engen
Doppel- oder Mehrfachsternsystemen. Auch die Art der Massenverlustprozesse ist bei Einzelsternen und weiten Doppel- und Mehrfachsystemen einerseits und engen Doppel- und Mehrfachsystemen andererseits
sehr unterschiedlich. Bei der ersten Kategorie wird Masse direkt an
das interstellare Medium abgegeben, bei der zweiten Kategorie kommt
es zunächst zu Phasen eines intensiven Masseaustauschs zwischen den
Komponenten. Hier sind andere Prozesse im Spiel als bei Einzelsternen.
2. Sternentwicklung
page: 2.2
Braune Zwerge und Sterne mit M∗ < 0.8 M erleiden keinen signifikanten Massenverlust und sind hier ohne Interesse.
4. Massereiche Sterne: 8 M ≤ M∗.
3. Sterne mittlerer Masse: 2.3 M ≤ M∗ ≤ 8 M
2. Sterne kleiner Masse: 0.08 M ≤ M∗ ≤ 2.3 M
1. Braune Zwerge: M∗ ≤ 0.08 M
Bei der Entwicklung von Einzelsternen oder Mitgliedern in weiten
Mehrfachsystemen sind, je nach Anfangsmasse, einige grundsätzlich
verschiedene Typen von Entwicklungswegen zu unterscheiden, die von
Sternen aus unterschiedlichen Bereichen der Anfangsmasse auf der
Hauptreihe durchlaufen werden. Dementsprechend unterscheidet man
vier Typen von Sternen:
Die meisten Objekte, die in den späten Entwicklungsphasen starken
Massenverlust erleiden, gehören zur Kategorie der Einzelsterne oder
sind Mitglieder in weiten Systemen. Hier werden hauptsächlich diese
behandelt; auf das Problem enger Systeme wird anschließend nur kurz
eingegangen.
Sternentwicklung
page: 2.3
Abbildung 2.5: Schematischer Entwicklungsweg im Hertzsprung-Russell Diagramm
für Sterne kleiner (1 M), mittlerer (5 M) und hoher (25 M) Anfangsmasse
Sternentwicklung
page: 2.4
Abbildung 2.6: Entwicklungswege im Hertzsprung-Russell Diagramm und charakteristische Typen von leuchtkräftigen Sternen
Sternentwicklung
page: 2.5
Sobald etwa 10% dieses Energiereservoires verbraucht sind (Schönberg–
Chandrasekhar Grenze), beginnt der ausgebrannte, isotherme Kern zu
kontrahieren. Innerhalb kurzer Zeitspanne entwickelt sich ein kompakter Heliumkern von etwa 0.15 M, während die äußeren, wasserstoffreichen Teile des Sterns stark expandieren und die Effektivtemperatur des
Sterns stark abnimmt. Der Wasserstoff beginnt in einer Schalenquelle
über dem ausgebrannten Kern zu brennen. Der Stern landet auf dem
Roten-Riesen-Ast (RGB = ’red giant branch’) oder auch ersten Riesenast, auf dem die Wasserstoff-Schalenquelle über einem zunächst noch
nicht entarteten Heliumkern brennt.
• oder im CNO–Zyclus bei M∗ ≥ 1.5M.
• entweder durch die p–p–Kette bei Sternen mit einer Anfangsmasse
M∗ ≤ 1.5 M,
Den größten Teil iherer Lebensdauer verbringen die Sterne auf der
Hauptreihe, wo sie H zu He verbrennen,
2.1.1. Entwicklung zum und auf dem RGB
2.1. Sterne kleiner und mittlerer Masse
page: 2.6
Abbildung 2.7: Die Reaktionen im CNO–Zyklus. Dünne Pfeile markieren die langsamen Reaktionen im Zyklus. Bei niedrigen Brenntemperaturen ist nur der CN–
Unterzyklus aktiv, bei hohen Brenntemperaturen der volle Zyklus
Sternentwicklung
page: 2.7
Im Verlaufe der weiteren Entwicklung auf dem Roten Riesenast frißt
sich die Wasserstoffschalenquelle immer weiter auswärts und der Heliumkern wird immer kompakter. Die Leuchtkraft des Sterns nimmt stetig
zu und seine Effektivtemperatur nimmt ab. Der Stern bewegt sich im
Hertzprung Russell Diagramm steil auwärts und etwas nach rechts.
Der Rote Riesennast ist der Ort im Hertzsprung-Russel-Diagramm aller Sterne, die in einen Schalenquelle über eine Heliumkern Wasserstoff
zu He verbrennen. Die Temperatur in der Schalenquelle ist so hoch,
daß das Brennen nach dem CNO-Zyklus stattfindet. Der Stern besteht
in dieser Phase aus einem sehr dichten, zunächst noch nicht entarteten Heliumkern, und einer sehr stark ausgedehnten, wasserstoffreichen
äußeren Hülle. Die Elementhäufigkeiten in der Hülle sind für die Elemente schwerer als O die ursprünglichen Elementhäufgkeiten, mit der
der Stern entstanden ist, und für H bis O die durch den ersten ’DredgeUp’ veränderten Häufigkeiten.
2.1.2. Entwicklung auf dem RGB
page: 2.8
Auf dem Roten Riesenast nimmt der Massenverlust durch einen Sternwind mit zunehmender Leuchtkraft erheblich zu. Während er auf der
Hauptreihe und bei der Entwicklung zum Roten Riesenast bei Sternen kleiner und mittlerer Masse sehr klein ist (< 10−9 M yr−1, vergl.
Abb. 1.3) und praktisch völlig vernachlässigt werden kann, steigt er auf
dem Roten Riesenast bei den leuchtkräftigsten Sternen auf Werte von
bis zu 10−6 M yr−1 an und kann zu einer merklichen Reduzierung der
Sternmasse führen. Für die massenärmsten der Sterne auf dem RGB
kann der Sternwind zum totalen Verlust der wasserstoffreichen äußeren
Hülle führen, ehe im Kern das Heliumbrennen zündet.
Entwicklung auf dem RGB
page: 2.9
Sterne kleiner Mass mit 0.5 M ≤ M∗ ≤ 2.3M: Bei diesen Sternen entartet das Elektronengas im Heliumkern, ehe das Heliumbrennen zündet.
Wenn die Temperatur im Kern später die Zündtemperatur für das Heliumbrenen überschreitet, dann findet die Zündung fast explosiv in einem
sog. Helium-Blitz (He-‘flash’) statt, weil in dem elektronenentarteten
Kern der Druck zunächst mit steigender Temperatur nicht zunimmt und
dadurch die freigesetzte Energie nicht zur Expansion des Kerns führt.
Erst wenn die Temperatur die Entartungstemperatur überschreitet, beginnt der Kern zu expandieren und das Heliumbrennen geht schließlich
in ein ruhiges, stationäres Brennen über.
Sterne sehr kleiner Masse mit M∗ ≤ 0.5M: Diese Sterne werden nie
heiß genug, um im Zentrum das Heliumbrennen zu zünden. Ihre Entwicklungszeit zum Roten Riesenast ist allerdings länger als das Alter
des Kosmos, sodaß es noch keine Sterne sehr kleiner Masse auf dem
Roten Riesenast gibt. Diese Sterne sind hier ohne Interesse.
Für die meisten Sterne endet die Entwicklung auf dem Roten Riesenast
durch Zündung des Heliumbrennens. Die Einzelheiten der Entwicklung
sind je nach Anfangsmasse des Sterns auf der Hauptreihe unterschiedlich (siehe Abb. 2.6):
Entwicklung auf dem RGB
page: 2.10
Das Maximum der Leuchtkraft, das auf dem Roten Riesenast erreicht
wird, ist für Sterne kleiner Masse sehr viel größer als für Sterne mittlerer Masse, wie aus Abb. 1.2 zu entnehmen ist. Durch die Entartung des
Elektronengases wird die Zündung des Heliumbrennens stark verzögert.
Sterne mittlerer Masse mit 2.3 M ≤ M∗ ≤ 8M: Bei diesen Sternen zündet das Heliumbrennen im Kern bevor das Elektronengas im
Heliumkern entartet. Die Zündung des Heliumbrennens ist nicht mit
einer starken Veränderung der Struktur der Kernregion verbunden und
hat deswegen für die Position des Sterns im Hertzsprung Russell Diagramm keine so weitreichenden Konsequenzen wie für Sterne kleiner
Masse. Der Stern bewegt sich durch die Zündung des Heliumbrennens
nur geringfügig in Richtung zu etwas kleinerer Gesamtleuchtkraft und
etwas höherer Effektivtemperatur.
Der Stern geht dann in eine neue Gleichgewichtskonfiguration über, in
der er kleiner, deutlich weniger leuchtkräftig und sehr viel heißer als auf
dem Roten Riesenast ist. Er landet auf dem sog. Horizontalen Riesenast
im Hertzsprung Russell Diagramm.
Entwicklung auf dem RGB
page: 2.11
Der langsamste Reaktionsschritt im CNO–Zyklus ist die 14N(p, γ)15O
Reaktion. Dadurch sammelt sich im CNO–Zyklus fast der gesamte ursprüngliche Bestand an C und N Kernen im 14N an. Dadurch wird 14N
im Rückstand des Wasserstoffbrennens stark angereichert.
Die äußere, sehr stark ausgedehnte Hülle ist bis fast zum Zentrum konvektiv. Am unteren Ende des Roten Riesen Astes reicht sie für kurze
Zeit in das Gebiet hinein, in dem H bereits teilweise zu He verbrannt ist.
In dieser Entwicklungsphase ist die Temperatur im Bereich der Wasserstoffschalenquelle so hoch, daß dort das Wasserstoffbrennen stets nach
dem CNO-Zyklus erfolgt, auch dann, wenn der Stern auf der Hauptreihe
den Wasserstoff in der p–p–Kette verbrannt hat. Die einzelnen Raktionsschritte im CNO-Zyklus sind in Abb. 2.7 dargestellt.
2.1.3. Der erste ’dredge-up’ Prozeß
page: 2.12
Das Häufigkeitsverhältnis 14N/15N der Stickstoffisotope entwickelt sich
in Richtung auf einen Gleichgewichtszustand, der bei einem Wert des
Häufikeitsverhältnisses von etwa 104 liegt. Zum Vergleich: In der interstellaren Materie liegt das 14N/15N Häufigkeitsverhältnis bei etwa 273.
Im Rückstand des Wasserstoffbrennens wird 15N also sehr stark abgereichert.
Für die Kohlenstoffisotope 12C und 13C stellt sich ein Gleichgewicht
zwischen den Häufigkeiten dieser beiden Kerne ein, das bei einem Isotopenverhältnis von ca.
12
C/13C ≈ 2 . . . 3
je nach Brenntemperatur liegt. Gemessen am interstellaren Wert von
12
C/13C ≈ 89 wird also das Kohlenstoffisotop 13C im Rückstand des
Wasserstoffbrennens sehr stark angereichert.
Der erste ’dredge-up’ Prozeß
page: 2.13
Auf dem unteren Ende des Roten Riesenastes sind die Temperaturen
aber zu niedrig, als daß die 16O(p, γ)17F Reaktion mit großer Rate ablaufen könnte. Deswegen wird nur ein kleiner Teil des Bestandes an O in 14N
umgewandelt. Wegen der geringen Ausgangshäufigkeit des Sauerstoffisotops 17O wird dieses aber durch die Reaktionskette 16O(p, γ)17F(β +ν)17O
im Rückstand des Wasserstoffbrennens erheblich angereichert und aus
dem gleichen Grund wird das Sauerstoffisotop 18O durch die Reaktion
18
O(p, α)15N deutlich abgereichert.
Der erste ’dredge-up’ Prozeß
page: 2.14
Abbildung 2.8: Verhältnis der Elementhäufigkeiten an der Oberfläche nach der ersten (gestrichelte Line) und der zweiten (durchgezogene Linie) ‘dredge-up’ Episode in
Abhängigkeit von der Anfangsmasse für Pop I Sterne (Daten aus Bothroyd & Sackmann (1999)
Der erste ’dredge-up’ Prozeß
page: 2.15
4. Eine Zunahme des 14N/15N Isotopenhäufigkeitsverhältnisses, was sich
ebenfalls aus den Banden des CN Moleküls bestimmen läßt.
3. Eine Abnahme des 17O/16O und eine Zunahme des 18O/16O Isotopenhäufigkeitsverhältnisses. Das ist allerdings spektroskopisch nicht
so leicht feststellbar.
2. Eine starke Abnahme des 12C/13C Isotopenverhältnisses, das sich aus
den Banden des CN Moleküls bestimmen läßt.
1. Eine Abnahme der C-Häufigkeit und eine Zunahme der N-Häufigkeit.
Die O-Häufigkeit bleibt praktisch unverändert (siehe Abb. 2.8).
Wenn nun kurzfristig die Konvektionszone am unteren Ende des Roten Riesenastes in eine Zone hineinreicht, in der vorher schon Wasserstoffbrennen nach dem CNO-Zyklus stattgefunden hat, dann wird
das Hüllenmaterial mit einer gewissen Menge der Rückstände des Wasserstoffbrennens vermischt woraufhin sich die Elementhäufigkeiten und
die Isotopenhäufigkeiten der Elemente C, N und O verändern. Da die
gesamte Hülle konvektiv ist, werden diese Veränderungen auch im Material der Sternatmosphäre sichtbar. Durch Häufigkeitsanalysen an den
Spektren Roter Riesen stellt man deswegen folgendes fest:
Der erste ’dredge-up’ Prozeß
page: 2.16
Bei der weiteren Entwicklung auf den Roten Riesenast zieht sich die Unterkante der Konvektionszone weiter nach außen zurück und der ‘first
dredge-up’ endet. Die Häufigkeiten der Elemente und ihrer Isotopen
ändern sich dann nicht mehr, bis auf dem Asymtotischen Riesenast
weitere ‘dredge-up’ Episoden auftreten. Wenn in dem Sternwind eines kühlen Riesensterns in dem Material, dessen Häufigkeiten durch
den ‘first dredge-up’ verändert wurden, Staubteilchen auskondensieren, dann finden sich die ungewöhnlichen Isotopenhäufigkeiten auch im
Material der Staubteilchen. Dies läßt sich an Präsolaren Staubteilchen
nachweise, wodurch der Typ des Elternsterns individueller Prädsolarer
Staubteilchen identifiziert werden kann.
Dieser Mischungsprozeß mit seinen charkteristischen Häufigkeitsänderungen wird als das ‘first dredge-up’ Ereignis bezeichnet. ‘First’ deswegen, weil sich im Verlaufe der weiteren Entwicklung noch weitere
derartige Mischungsepisoden ereignen.
Der erste ’dredge-up’ Prozeß
page: 2.17
Nach dem Zünden des Heliumbrennens ist der Kern zunächst noch nicht
(oder nicht mehr) entartet. Der Stern brennt im Zentrum He zu C und
O und in einer Schalenquelle H zu He. Es existiert keine vollständig
konvektive äußere Hülle mehr. Sterne kleiner Masse befinden sich dann
auf dem Horizontalast im Hertzsprung-Russel-Diagramm und bewegen
sich im Verlaufe der Entwicklung auf diesem langsam nach rechts. Sterne mittlerer Masse wandern nach dem Zünden des Heliumbrennens zu
etwas höherer Temperatur und niedrigerer Leuchtkraft, also nach links
und unten, und beschreiben im Verlaufe der weiteren Entwicklung eine Schleife im Hertzsprung-Russell Diagramm. Diese Schleife führt bei
kleiner Metallizität weit nach links zu höheren Temperaturen, bleibt
aber bei Pop I Metallizität in der Nähe des Roten Riesenastes (siehe
Abb. 1.2).
2.1.4. Übergang zum AGB
page: 2.18
Wenn der Zentralbereich ausgebrannt ist, dann kontrahiert der Kern
rasch und das Elektronengas entartet. Das Helium brennt dann in einer dünnen Schalenquelle über dem entarteten C+O–Kern. Der Stern
dehnt sich während der Kontraktion des Zentralbereichs sehr stark
aus und wird wieder sehr kühl. Er entwickelt sich im HertzsprungRussell-Diagramm fast senkrecht aufwärts längs einer Linie nahe des
Roten-Riesen-Astes. Er hat dann den Asymptotischen Riesenast (oder
zweiten Riesenast) erreicht, der abgekürzt als ABG bezeichnet wird
(von engl. ’asymptotic giant branch’). Dieser ist der Ort der Sterne im
Hertzsprung-Russell Diagramm, die Helium in einer Schalenquelle über
einem C+O–Kern brennen.
Übergang zum AGB
page: 2.19
Auf dem AGB hat der Stern eine riesig ausgedehnte, vollständig konvektive Hülle, deren Ausdehnung viele hundert R beträgt, während sich
im Zentrum ein vorgeformter C+O Weißer Zwerg mit einem Radius von
nur etwa 104 km befindet.
Die Sterne haben auf dem AGB wieder eine vollständig konvektive äußere Hülle, die bis in die Nähe der Brennzone reicht. Bei Sternen mit
M∗ > 3.5 M reicht auf dem unteren Ende des AGB die Unterkante der
Konvektionszone zeitweilig erneut bis in Bereiche hinein, in denen Wasserstoff nach dem CNO-Zyklus gebrannt hat. Wieder werden Produkte
dieses Brennprozesses durch turbulente Mischung in der Konvektionszone bis in die sichtbare Atmosphäre transportiert. Dieser Prozeß wird
als zweite ’dredge-up’ Episode bezeichnet. Das verstärkt bei diesen Sternen noch einmal die Effekte des ersten ‘dredge-up’, siehe Abb. 2.8.
2.2. Entwicklung auf dem AGB
page: 2.20
Durch die zunehmende Masse des C+O–Kerns wird die Zentralregion
immer heißer und an einem gewissen Punkt der Entwicklung erreicht
die Temperatur an der Grenze zwischen der Heliumschale und der wasserstoffreichen äußeren Hülle wieder die Temperatur für das Zünden
einer Wasserstoffschalenquelle. Ab diesem Punkt beginnt eine wichtige neue Entwicklungsphase, in der wesentliche Prozesse der kosmischen
Nukleosynthese und des Massenverlustes ablaufen.
Wenn sich die Heliumschalenquelle während der Entwicklung auf dem
AGB langsam nach außen frißt und der C+O–Kern dadurch an Masse zunimmt, wird die Zentralregion allmählich immer kompakter und
heißer. Der Stern entwickelt sich auf dem AGB bei langsam abnehmender Effektivtemperatur und stark zunehmender Leuchtkraft im
Hertzsprung-Russell Diagramm fast senkrecht nach rechts oben.
Entwicklung auf dem AGB
page: 2.21
Die Temperatur an der Grenze zum C+O–Kern wird mit zunehmender Masse der Heliumschale immer größer, bis schließlich das Heliumbrennen wieder zündet. Die Zündung erfolgt nahezu explosiv in einem
Helium-flash, wodurch in kurzer Zeit eine sehr große Energiemenge freigesetzt wird. Davon dringt aber nur sehr wenig nach außen; die Energie wird hauptsächlich zur Expansion der inneren Bereiche verbraucht
und in potentielle Gravitationsenergie umgewandelt, die bei späterer
Kontraktion langsam wieder freigesetzt wird. Durch die Expansion des
inneren Bereichs erlischt die Wasserstoffschalenquelle. Es brennt dann
für einige hundert Jahre eine Heliumschalenquelle, die allmählich einen
Teil der Heliumschale aufbraucht und den C+O–Kern weiter anwachsen
läßt. Damit verbunden ist ein weiteres schrumpfen des Kerns, verbunden mit einem Anstieg der Temperatur an der Grenze zwischen der
Heliumschale und der wasserstoffreichen Hülle. Schließlich zündet wieder das Wasserstoffbrennen.
Nach dem Zünden der Wasserstoffschalenquelle geht zunächst die Heliumschalenquelle (fast) aus. Es brennt für einige tausend bis einige
zehntausend Jahre, je nach Masse des C+O–Kerns, eine Wasserstoffschalenquelle. Diese speist die Leuchtkraft des Sterns und baut weiteres
Helium für die Heliumschale über dem C+O–Kern auf.
Entwicklung auf dem AGB
page: 2.22
Abbildung 2.9: Der Zyklus von abwechselndem He-Brennen und H-Brennen in zwei
Schalenquellen auf dem thermisch pulsenden AGB. Die Pfeile deuten an, daß sich die
Schalenquelle nach außen frißt.
Entwicklung auf dem AGB
page: 2.23
Ab dann wiederholen sich diese Vorgänge nahezu periodisch: Wasserstoff und Helium brennen abwechselnd in einer Schalenquelle, die Wasserstoffschalenquelle für etliche tausend bis einige zehntausend Jahre,
die Heliumschalenquelle für einige hundert Jahre. Schematisch ist dieser
Zyklus in Abb. 9 dargestellt. Der Stern ist in das Stadium des thermischen Pulsens übergegangen. Seine Leuchtkraft beträgt zum Zeitpunkt
des Eintritts in dieses Stadium einige 103 L. Diesen oberen Teil des
AGBs, auf dem thermisches Pulsen stattfindet, bezeichnet man auch
als thermisch pulsenden AGB, manchmal abgekürzt als TP-AGB. Die
vorangehende Entwicklungsphase wird auch als früher AGB bezeichnet,
manchmal abgekürzt als EAGB (von ‘early asymptotic giant branch’).
Entwicklung auf dem AGB
page: 2.24
2. Später reicht die äußere Wasserstoffkonvektionszone, die sich beim
Helium-flash etwas nach außen zurückgezogen hatte, bis in den Bereich der Oberkante der Heliumschale hinein. Dadurch werden die
Produkte des Heliumbrennens, hauptsächlich 12C, zusammen mit He
der äußeren Hülle beigemischt.
1. Nach dem Zünden der Heliumquelle ist die Heliumschale für kurze
Zeit konvektiv instabil. Dabei wird frisch synthetisiertes 12C (und
etwas 16O) aus dem Heliumbrennen an der Grenze zwischen dem
C+O–Kern und der He-Schale an die Oberkante der Heliumschale
transportiert.
Beim thermischen Pulsen kommt es erneut zu Mischungsvorgängen, in
denen nuklear prozessiertes Material im sog. dritten ‘dredge-up’ an die
Oberfläche gebracht wird. Der wichtigste Effekt ist ein zweistufiger Mischungsprozeß:
2.2.1. Dritter ’dredge-up’
page: 2.25
Abbildung 2.10: Zeitliche Entwicklung der Brennzonen (H-Brennen im CNO-Zyklus,
He-Brennen im 3α-Prozeß) und der Konvektionszonen in der thermisch pulsenden
Phase
Dritter ’dredge-up’
page: 2.26
Im thermischen Puls wird praktisch die gesamte He-Schicht durch Konvektion durchmischt. Dabei werden Produkte des He-Brennens an der
Unterkante der He-Schicht, also frisch synthetisierter 12C und 16O, über
die ganze He-Schicht verteilt. Gleichzeitig werden 13C, 14N und 22Ne
aus der Oberkante der He-Schicht in Bereiche sehr hoher Temperatur
an der Unterkante gemischt, wodurch in der Reaktionskette
14
N (α, γ) 18F (β +ν) 18O (α, γ) 22Ne
der 14N Bestand in 22Ne umgewandelt wird. Durch die Reaktion
12
C (α, n) 16O werden in den unteren Bereichen der He-Schicht freie
Neutronen erzeugt und, wenn nach etlichen Pulsen die Temperaturen hoch genug sind, werden zusätzlich auch durch die Reaktion
22
Ne (α, n) 25Mg freie Neutronen erzeugt. Durch die freigesetzten Neutronen werden dann im s-Prozeß schwere Elemente sysnthetisiert.
Dieses Zusammenwirken von konvektiver Durchmischung in der HeZone und Eindringen der äußeren Wasserstoffkonvektionszone in die
Oberkante der He-Zone, das sich nach jedem Puls wiederholt, ist schematisch in Abb. 2.11 dargestellt. Es ist dafür verantwortlich, daß frisch
synthetisierte Elemente aus der He Zone des Sterns bis in die Sternatmosphäre gelangen.
Dritter ’dredge-up’
page: 2.27
Durch die Vermischung von Material der He-Schicht mit der wasserstoffreichen, äußeren Hülle nimmt nach jedem einzelnen Puls die
Kohlenstoff- und die Heliumhäufigkeit in der äußeren Hülle etwas zu.
Der Durchmischungsvorgang für die ganze äußere Hülle dauert nur wenige Jahre, sodaß die Produkte der Nukleosynthese praktisch instantan
die sichtbare Sternatmosphäre erreichen.
Wenn die Konvektion in der He-Schale erlischt, dann liegt ein homogenes Gemisch aus He, 12C (ca. 22% Massenanteil), 16O (ca 2% Massenanteil), 22Ne, den Produkten der s-Prozeß Nukleosynthese, und den Überresten der schon vorher vorhandenen Elemente zwischen Mg und der
Fe vor. In diese He-Schale reicht kurz nach dem Ende der Pulsphase für
kurze Zeit die äußere Konvektionzone der wasserstoffreichen Sternhülle
hinein. Dabei wird das Material der oberen Teile der He-Schicht mit
der äußeren Hülle vermischt. Dadurch wird neben He und Ne vor allem frisch synthetisierter Kohlenstoff der äußeren Hülle zugeführt, aber
auch etwas frisch synthetisierter O, die frisch synthetisierten s-Prozeß
Elemente, und die in Zone A ins Isotopengleichgewicht gelangten Kerne
der Elemente C, N und O.
Dritter ’dredge-up’
page: 2.28
Abbildung 2.11: Zeitliche Entwicklung des Häufigkeitsverhältnisses von Kohlenstoff
zu Sauerstoff (C/O) auf dem Asymptotischen Riesenast
Dritter ’dredge-up’
page: 2.29
Die Sauerstoffhäufigkeit der äußeren Hülle bleibt fast unverändert, da
die Temperatur beim Heliumbrennen auf dem AGB nicht hoch genug
ist um größere Mengen 16O durch die Reaktion 12C (α, γ) 16O zu bilden.
Wichtig ist, daß durch diesen Prozeß praktisch nur die 12C Häufigkeit
zunimmt. Die 13C Häufigkeit im Bereich zwischen der äußeren Konvektionszone und der He-Schale entspricht zwar dem Isotopengleichgewicht im CNO-Zyklus, d.h 12C/13C≈ 3, aber effektiv wird in diesem Bereich Kohlenstoff zu Gunsten von 14N abgebaut, sodaß beim Mischungsprozeß aus dieser Zone kein frisches 13C der äußeren Hülle zugeführt
wird. Durch den dritten ‘dredge-up’ entwickelt sich das 12C/13C Isotopenhäufigkeitsverhältnis von Werten im Bereich von 15. . . 30, die nach
dem ersten und zweiten ‘dredge-up’ Prozeß erreicht wurden, zu Werten
12
C/13C 90, weil der äußeren Hülle 12C zugeführt wird, aber kein
frisches 13C. Ein Isotopenhäufigkeitsverhältnis von ca. 90 ist charakteristisch für das interstellare Medium und unser Sonnensystem (in diesem
ist 12C/13C= 89).
Dritter ’dredge-up’
page: 2.30
Bei Sternen mit M∗ > 4.5 M tritt ein besonderes Phänomen auf,
das als hot bottom burning bezeichnet wird. Bei den massereicheren
AGB-Sternen reicht die Unterkante der äußeren Hülle etwas in den
Bereich der Wasserstoffbrennzone hinein. An der Unterkante der konvektiven Hülle findet deswegen bereits mit geringer Rate Wasserstoffbrennen nach dem CNO-Zyklus statt. Das Resultat dessen ist, daß der
Kohlenstoff, der nach jedem Puls aus der Heliumzone in die Wasserstoffzone gemischt wird, relativ schnell in 14N umgewandelt wird. Solche Sterne werden deswegen keine Kohlenstoffsterne. Von normalen M
Sternen unterscheiden sie sich aber dadurch, daß die Elemente C, N
und O relative Häufigkeiten wie im CNO-Zyklus haben und daß sProzeß Elemente angereichert sind. Sterne entwickeln sich auf dem AGB
nur dann zu Kohlenstoffsternen, wenn ihre Anfangsmassen im Bereich
1.6 < M∗ < 4.5 M liegen.
Die Sterne mit einer Masse M∗ < 1.6 M werden nicht zu Kohlenstoffsternen, weil nach einigen wenigen Pulsen noch nicht genügend Kohlenstoff aus dem Zentrum der Wasserstoffhülle beigemischt wurde, um das
C/O Häufigkeitsverhältnis auf Werte über eins zu treiben.
Dritter ’dredge-up’
page: 2.31
Allerdings könnte es sein, daß die Sterne mit Anfangsmassen M∗ >
4.5 M in der letzten Phase ihrer Entwicklung doch noch zu Kohlenstoffsternen werden, wenn sie ihre äußere Hülle weitgehend verloren
haben, sodaß die Temperatur an der Unterkante der äußeren Konvektionszone nicht mehr hoch genug für das hot bottom burning’ ist.
Dritter ’dredge-up’
page: 2.32
Die Zahl der Pulse wird begrenzt durch den Umstand, daß auf dem
oberen Teil des AGB sehr starker Massenverlust durch einen staubgetriebenen Wind einsetzt. Die Massenverlustraten steigen bis auf Werte
von über 10−5 M a−1 an. Durch diesen starken Massenverlust verliert
der Stern innerhalb weniger hunderttausend Jahre fast seine gesamte
äußere Wasserstoffhülle bis auf einen kleinen Rest von ca. 10−4 M. Da
der C+O–Kern zu diesem Zeitpunkt auf eine Masse von 0.6. . . 0.7 M
angewachsen ist und in den vorangehenden Entwicklungsphasen vor dem
TP-AGB nur wenig Masse durch einen Sternwind abgegeben wurde, hat
die äußere Hülle vor Beginn des thermischen Pulsens noch eine Masse
von fast 0.4. . . 7.3 M für Sterne mit Anfangsmassen von 1. . . 8 M.
Die Anzahl der Pulse, die ein Stern auf dem AGB erleidet, reicht je nach
Masse von ca. drei Pulsen bei Sternen mit M∗ < 1 M bis zu höchstens
etwa fünfzig Pulsen bei Sternen mit M∗ ≈ 8 M.
2.2.2. Massenverlust
page: 2.33
Abbildung 2.12: Entwicklung von Kern- und Hüllenmasse für zwei verschiedene Anfangsmassen. Die Zeit ist die Zeit seit dem ersten thermischen Puls.
Massenverlust
page: 2.34
Abbildung 2.13: Beziehung zwischen Anfangsmasse und Endmasse bei Sternen mit
M < 8 M. Punkte = beobachtete Endmassen.
Massenverlust
page: 2.35
Der Massenverlust auf dem oberen AGB bewirkt, daß die Sterne die
Hälfte bis fast 90% ihrer ursprünglichen Masse, die sie zum Zeitpunkt
der Entstehung aus der interstellaren Materie hatten, während ihrer
Entwicklung auf dem AGB wieder an das interstellare Medium zurückgeben. Dabei werden die im ersten bis dritten ‘dredge up’ aus der Brennzone in die Wasserstoffhülle gemischten Produkte der Nukleosynthese
im Sterninneren freigesetzt und dem interstellaren Medium zugeführt,
zum größten Teil als Gas, die schweren Elemente zum Teil auch in kondensierter Form als Staub.
Massenverlust
Abbildung 2.14: Staubhülle des Kohlenstoffsterns CW Leo = IRC+10216.
Massenverlust
page: 2.36
page: 2.37
Der Stern entwickelt sich nach dem Verlassen des AGB rasch, innerhalb
weniger hundert Jahre, zu einem sehr heißen Stern mit einer Effektivtemperatur Teff > 50 000 K und entwickelt erneut einen Sternwind, der
wie bei allen heißen Sternen durch Strahlungsdruck auf Linien angetrieben wird. Zunächst ist der Stern noch hinter der dicken Staubwolke aus
der vorangehenden AGB-Phase verborgen, die langsam expandiert und
optisch dünn wird. Ab einer Effektivtemperatur von ca. 20 000 K fängt
der Stern an, seine Umgebung zu ionisieren, was aber zunächst wegen
der Staubabsorption der alten Staubhülle im optischen Spektralbereich
noch nicht sichtbar ist. Im Radiobereich kann aber bereits die Emission
des heißen, ionisierten Gases im Inneren festgestellt werden. In diesem
Stadium der Entwicklung wird der Stern als Protoplanetarischer Nebel
(abgekürzt PPN) bezeichnet.
Die nachfolgende Phase der Entwicklung des Sterns nach dem Verlust
seiner äußeren Hülle wird als die post-AGB Phase seiner Entwicklung
bezeichnet.
2.2.3. Die post-AGB Entwicklung
page: 2.38
Wenn die Temperatur weiter ansteigt und der Überrest der Staubhülle,
die auf dem AGB gebildet wurde, optisch dünn wird, dann bildet der
Stern einen Planetarischen Nebel um sich herum aus, bei dem die UVStrahlung des Sterns das früher abgeworfene Sternmaterial ionisiert und
zum Leuchten anregt. In dieser Phase verharrt der Stern je nach Restmasse für einige tausend bis einige 104 Jahre, in denen er den noch
verbliebenen Vorrat an H und He verbrennt.
Die post-AGB Entwicklung
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