ok mkk Gelnhäuser Neue Zeitung Mittwoch, 15. Dezember 2010 - ? Krampfadern, die mehr als ein kosmetisches Problem sind Rechtzeitig vor der „beinfreien“ Zeit thematisiert die GNZ Erkrankungen der Venen und deren Behandlung Von Barbara Hoppe Main-Kinzig-Kreis. Gerade rechtzeitig vor der „beinfreien“ Zeit befasst sich der jüngste Beitrag in der GNZ-Reihe „Medizin in der Region“ mit den Venen und deren Problembehandlung. Venen sind die Gefäße, die das Blut zum Herzen zurück transportieren. Dazu unterscheidet sich ihre Beschaffenheit von der der Arterien, die wegen des dort herrschenden Blutdrucks sehr elastisch sind. Diese Eigenschaft ist bei Venen nicht erforderlich, dennoch müssen auch sie Schwerstarbeit leisten und einiges aushalten. Immerhin werden durch sie täglich rund 7 000 Liter Blut zum Herzen transportiert – ganz besonders in den Beinen, wo es durch unseren aufrechten Gang entgegen der Schwerkraft transpor- Venenmessung auf der Messe Wächtersbach. (Foto: Archiv Hoppe) tiert werden muss. klärt sich die Wichtigkeit der sind sie meist ein frühes ZeiBewegung auch für die Blutent- chen für Bindegewebschwäche sorgung im Beinbereich, ohne oder weitere Venenprobleme. MEDIZIN IN die ein Rücktransport behin- Obwohl Männer wie Frauen ist. Deshalb gibt es auch davon betroffen sein können, DER REGION dert die Empfehlungen, bei langen sind vorwiegend Letztere mit Flugreisen oder häufigem Sit- dem Problem befasst. Hierfür Es gibt an den Extremitäten zen Stützstrümpfe zu tragen gibt es bei der Besenreiservarioberflächliche und tiefliegen- und durch Auf- und Abbewe- cose und nur dem Befall von de Venen. Diese sorgen dafür, gungen der Füße und Beine für Seitenästen die Möglichkeit dass das Blut aus allen Regio- eine gute „Muskelpumpe“ zu der Verödung oder Sklerosienen über die Beckenvenen und sorgen. Stimmen also Bewe- rung, die dann als erste Wahl die Hohlvene zurück zum Her- gung und funktionierende Ve- gilt. Die Behandlung ist zuzen geführt wird. Oberflächli- nenklappen überein, ist alles meist schmerzfrei, folglich entfällt eine Betäubung. Mit feiche und tiefe Venen stehen im Lot. ner Nadel wird dabei ein Mitmiteinander in Verbindung tel, beispielsweise ein über die sogenannten PerfoMüde Beine und ransvenen. Venen verlaufen spezieller Schaum, in das GeSchwellungen sind fäß gespritzt, das dort das Blut im Körper parallel zu den Arterien, und sie bestehen ebenso erste Warnsignale zum Verklumpen bringt. Diese aus drei Schichten, haben aber Klumpen werden vom Körper zusätzlich innen noch Klappen Müde oder schwere Beine, zersetzt und aufgenommen. als Ventile. Diese wirken wie Schwellungen insbesondere im Das Gefäß wird bindegewebig ein Rückschlagsystem und ver- Knöchelbereich und Muskel- umgebaut und ist dann nach hindern so, dass das Blut in die schmerzen können erste Anzei- Unterstützung durch das Trachen einer Venenerkrankung gen von KompressionsstrümpPeripherie zurückfließt. Unterstützt werden die Ve- im Frühstadium sein, ebenso fen bald nicht mehr sichtbar. nen bei ihrer Aufgabe von den die sogenannten Besenreiser. Behandelt werden können die Muskeln. Durch das Gehen Das sind oberflächliche liegen- Besenreiser unter Umständen werden die Beinmuskeln aktiv de, oft geplatzte blaue oder ro- auch mittels Laser, Strom oder und drücken bei der Anspan- te Äderchen, die sich in Teilen der Blitzlampe (IPL), die auch nung auf die Venen. Bei Er- der gesamten Beine zeigen kön- bei der dauerhaften Haarentschlaffung wird das Blut aus nen. Ist das Vorliegen von grö- fernung zum Einsatz kommt. der Peripherie angesaugt, wo- ßeren Krampfadern, den soge- Erforderlich ist aber oft mehr mit ein Saug-Druck-Mechanis- nannten Varizen, mittels Ultra- als eine ambulante Behandausge- lung, die auch von Hautärzten mus vorliegt. Das trifft in be- schalluntersuchung sonderem Maße auf die Wa- schlossen, sind die oft vererb- angeboten wird. Bei größeren Varizen bleibt denmuskulatur zu, gilt aber ten Besenreiser ein eher kosauchfür den Fußbereich. So er- metisches Problem. Dennoch nur eine Operation, wie sie bei- spielsweise in der Gefäßchirurgie der Main-Kinzig-Kliniken in Gelnhausen oder in der Oberwaldklinik in Grebenhain vorgenommen wird. Bevor operiert wird, stehen einige Voruntersuchungen an, damit der Gefäßchirurg möglichst detailgenaue Kenntnisse des Befundes bekommt. Erste Anzeichen einer ernsten Venenerkrankung oder Varikose sind Schmerzen und Spannungsgefühl. Spätschäden sind wiederholte Venenentzündungen oder die gefürchteten, weil schlecht heilenden Unterschenkelgeschwüre, speziell bei Diabetikern. Oftmals sind die oberflächlichen Adern deutlich sichtbar. Die Erkrankung kann auch auf die tieferen Beingefäße übergehen und dort zu den ebenfalls gefürchteten Beinvenenthrombosen führen. Grund genug also, die Diagnose stellen zu lassen. Dazu gehört die schmerzlose Blutfußmessung mittels Doppler-Ultraschalluntersuchung (Duplexsonographie). Dabei werden Ultraschallwellen ausgesandt, die durch unterschiedliche Reflexion der Gewebearten zurückgesandt und aufgefangen und dann sichtund hörbar gemacht werden. Neben der Weite (Lumen) des Gefäßes gibt es auch Auskünfte über Wanddicke, mögliche Flussbehinderung durch Engstellen (Stenosen) und die Venenklappen. Die Phlebographie ist ein radiologisches Verfahren zur Darstellung der Venenverhältnisse in Bein und Becken. Dem Patienten wird dabei im Röntgengerät stehend eine Vene auf dem Fußrücken punktiert, in die ein Kontrastmittel, eine Art Farbstoff, injiziert wird. Beim Transport über die Venen Richtung Herz werden dann Bilder gemacht. Zusatzinformationen ergeben sich durch die Photoplethysmographie – ein schmerzloses, risikoarmes Verfahren, basierend auf dem Einsatz von Infrarotlicht. Auch hier wird dieses von unterschiedlich stark gefüllten Venen verschieden reflektiert, so dass man sich ein Bild über den Füllungszustand der Venen machen kann. Durch Stauen der oberflächlichen Beinve- Das Prinzip des sogenannten Closureverfahrens. nen kann die Situation nach Venenstripping simuliert und somit die Erfolgschance einer OP abgeschätzt werden. Möglichkeiten der Behandlung Behandelt werden können die Probleme zunächst mit Kompressionstherapie und Medikamenten. Bei Fortschreiten bleibt nur die Operation. Je nach betroffenem Gefäß werden kleine Schnitte in der Leiste oder Kniekehle vorgenommen und das betroffene Gefäß freigelegt. Als nächstes werden die in das Gefäß mündenden Seitenäste abgebunden – wie danach das betroffene Gefäß an der Einmündung in die tiefe Beinvene unterbunden und abgetrennt wird. Dann wird eine Sonde in das abgetrennte Gefäß eingeführt, bis zum Ende des befallenen Teils vorgeschoben und dann der Gefäßabschnitt herausgezogen (Stripping). Das Blut wird dann über andere, gesunde Venen umgeleitet und zum Herzen transportiert. Sind weitere Abschnitte betroffen, werden diese über zusätzliche Hautschnitte aufgesucht und unterbunden oder gezogen. Nach der Operation sind einige Wochen Kompressionsstrümpfe ein Muss. Wie Dr. Nils Ehresmann, Gefäßchirurg an der Oberwaldklinik, erklärt, wird in Grebenhain auch ein neues, ambulantes Verfahren angewandt, das einige Vorteile bei der Behandlung der oberflächlichen Ve- (Foto: re) nen bietet: das „Closure-Verfahren“. Statt Operation wird über einen kleinen Hauteinstich ein dünner Hochfrequenz-Katheter in die kranke Vene eingeführt, der Wärmeenergie abgibt und so die Venenwand schrumpfen und die Vene verschließen lässt. Innerhalb von ein bis zwei Tagen können die normalen Aktivitäten wieder aufgenommen werden. Die Beschwerden sind beseitigt, und die guten ästhetischen Resultate weisen nur minimale bis gar keine Narben, Blutergüsse oder Schwellungen auf. Allerdings kommt dieses Verfahren nicht bei allen Krampfadererkrankungen in Frage. Eine gute Voruntersuchung ist daher notwendig. Die Therapie der tiefen Beinvenenthrombose bestand bis- lang aus strikter Bettruhe mit Beinhochlagerung. Allerdings ist das bei drohender Emboliegefahr durch abgeschwemmte Thromben (Gerinnseln) immer noch die Behandlung der Wahl. Nach etwa zwei Tagen haftet der Thrombus recht fest an der Gefäßwand, die Abschwemmungsgefahr ist verringert. Unterstützend werden Medikamente zur Herabsetzung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes gegeben. Das sind zumeist heparinhaltige Mittel, die in das Unterhautfettgewebe am Bauch injiziert und später durch Gaben von Marcumar ersetzt werden, die ebenfalls die Gerinnungsfähigkeit des Blutes reduzieren. Je nach vorliegendem Befund kann auch eine operative Entfernung des Thrombus, der Einsatz einer Lysetherapie, bei der ein auflösendes Mittel direkt in den Thrombus gegeben wird, in Frage kommen. Doch bei der Therapie der Beinvenenthrombose gibt es neuerdings auch Änderungen. In Übereinstimmung mit internationalen Vorgaben geht man zunehmend dazu über, den Patienten mobil zu halten und sogar ambulant bei engmaschiger Kontrolle zu behandeln. Die genaue Vorgehensweise allerdings ist immer in Absprache mit dem Patienten befundabhängig und unter Berücksichtigung von dessen Verfassung zu treffen. Hintergrund GNZ-Serie Kliniken und niedergelassene Fachärzte im Main-Kinzig-Kreis und in der erweiterten Region haben längst ein Niveau erreicht, das den Vergleich mit urbanen Zentren nicht zu scheuen braucht. Die GNZ trägt dem großen Interesse der Menschen am Thema Gesundheit Rechnung und liefert – in unregelmäßigen Abständen – Beiträge unter der Rubrik „Medizin in der Region“. Hierbei geht es um Krankheitsbilder, Vorsorge, Behandlungsmöglichkeiten, technische Innovationen und vor allem um Aufklärung. Die Serie wird von unserer Mitarbeiterin Barbara Hoppe aus Brachttal betreut. Sie ist selbst Expertin, war jahrelang in führenden Positionen im medizinisch-technischen Bereich tätig. Wer Anregungen zu unserer Serie hat – Ärzte wie auch Patienten –, kann sich mit Barbara Hoppe (06054/ 900522, 0174/9574248, E-Mail [email protected]) in Verbindung setzen. Wir freuen uns auf jeden Dialog!