2 Was ist Theoretische Chemie? 2.1 Slide 12 Motivation Theoretische Chemie Paul Adrian Maurice Dirac (1902-1984, Nobelpreis 1933)10 wird der Satz zugeschrieben, dass “Once the laws of quantum mechanics are understood, the rest is chemistry!” =⇒ (Theoretische) Chemie ist also einfach(?) die Anwendung der Gesetze der Quantenmechanik Dirac wird ebenfalls der folgende Satz zugeschrieben: “The underlying physical laws for the mathematical theory of a large part of physics and the whole of chemistry are thus completely known, and the difficulty is only that the exact application of these laws leads to equations much too complicated to be soluble.” =⇒ Theoretische Chemie ist also doch nicht einfach ein Teilgebiet der Ingenieurwissenschaften! 2.2 Slide 13 Teilgebiete der Theoretischen Chemie Theoretische Chemie Grundlagen • Die Lösung der Gleichungen ist sogar so komplex, dass man häufig die Quantenmechanik durch die klassische Mechanik ersetzen muss! • Für große Systeme mit einer großen Anzahl von Molekülen müssen gemittelte Größen berechnet werden. =⇒ Theoretische Chemie befasst sich mit 10 http://de.wikipedia.org/wiki/Dirac 9 1. Quantenmechanik 2. Quantenchemie 3. klassische Mechanik 4. statistische Mechanik (Thermodynamik) Slide 14 Teilgebiete der Theoretische Chemie 1. Theorie der Chemischen Bindung (z. B. Existenz von Molekülen, Geometrie, Bindungsenergien) 2. Theorie der Chemischen Reaktionen (z. B. Reaktionsdynamik, Reaktionskinetik) 3. Theorie der Molekülspektroskopie (z. B. Wechselwirkung von Molekülen mit elektromagnetischer Strahlung) 4. Theorie von Polymerstrukturen und -dynamik (z. B. Ionomere, Gasdiffusion, Scher- und Fließverhalten) 5. Theorie von Flüssigkeiten (z. B. Solvatation, Relaxationsphänomene) 6. Theorie von Festkörpern (z. B. Transporteigenschaften, mechanische Eigenschaften) 7. Oberflächentheorie (Surface Science) (z. B. Adsorption, Katalyse, Elektrochemie) 8. Mathematische Ordnungsstrukturen in der Chemie (z. B. Molekülstrukture und -topologie, Reaktionen, Organisation von Datenbanken) 9. . . . 1. – 7. überlappen mit der (theoretischen) Physik 8. überlappt mit Mathematik und Informatik 2.3 Slide 15 Moderne theoretische Chemie 10 Bedeutung heute starke Zunahme in den letzten 20 Jahren Theoretische Chemie ist Computerchemie: Einsatz des Computers zur Lösung chemischer Probleme Ursachen dieser Entwicklung: • Zuwachs an Rechenkapazität (Moore’s Law)11 Moore’s Law “The complexity for minimum component costs has increased at a rate of roughly a factor of two per year. Certainly over the short term this rate can be expected to continue, if not to increase. Over the longer term, the rate of increase is a bit more uncertain, although there is no reason to believe it will not remain nearly constant for at least 10 years. That means by 1975, the number of components per integrated circuit for minimum cost will be 65,000.” G.E. Moore “Cramming more components onto integrated circuits”, Electronics Magazine, 19.4.1965. • algorithmische Verbesserungen der Software • verbesserte graphische Benutzerinterfaces (GUIs) Slide 16 Moderne Theoretische Chemie In weiten Bereichen der chemischen Forschung spielt die Unterstützung durch Rechnungen eine immer wichtigere Rolle. Dies gilt sowohl für kleinere Moleküle (z. B. Stabilität und Struktur von Radikalen, chemische Verschiebungen (NMR), Schwingungsspektroskopie) als insbesondere auch für größere Moleküle wie Makromoleküle und Proteine (z. B. Visualisierung von Strukturen, Struktur-Wirkungsbeziehungen in der pharmazeutischen Forschung) und Molekülverbände (z. B. Docking, Materialsimulationen, also Simulationen mit Umgebung, chemische Reaktionen) . Es geht weltweit 1/3 der Kapazität von Supercomputern in chemische Anwendungen. Die Chemie liegt damit weit an der Spitze! Vor diesem Hintergrund muß sich auch die Ausbildung in Theoretischer Chemie verändern! 11 http://de.wikipedia.org/wiki/Moore’s Law 11 3 Klassische Teilchen und Wellen 3.1 Slide 17 Klassische Teilchen Klassische Teilchen • Newton’s Bewegungsgleichungen dv dt d2 x = m · ẍ = m 2 = F dt m · a = m · v̇ = m • oft ist F = − dV (x) dx • V = V (x) heißt Potentialfunktion • Beispiele: • Hookesches Federgesetz F = −kx V = 21 kx2 • Bewegung im (konstanten) Gravitationsfeld der Erde F = −mg mgx (oft: z) Slide 18 Verallgemeinerung • n wechselwirkende Teilchen x −→ xi d ∂ −→ dx ∂xi • Newtons Bewegungsgleichungen dvi dt d2 xi ∂V ({x1 , . . . , xn }) = mi · ẍi = mi 2 = Fi = − dt ∂xi mi · ai = mi · v̇i = mi 12 V = 3.2 Slide 19 Wellen (klassisch) Klassische Wellen • Ortsabhängigkeit einer freien (ebenen) Welle: φ(x) = cos kx oder φ(x) = sin kx • äquivalent (mathematisch bequem) φ(x) = cos kx + i sin kx = eikx k= 2π λ • Zeitabhängigkeit φ(t) = cos ωt + i sin ωt = e−iωt ω = 2πν = 2πcν̃ • Gesamtwellenfunktion ψ(x, t) = Aφ(x) · φ(t) = A ·ei(kx−ωt) |{z} Amplitude kx − ωt heißt die Phase der Welle. Bezug zu den “Materiewellen” atomarer Teilchen h Man ersetzt E = hν = ~ω und p = , und erhält die Wellenλ funktion sich frei bewegender Teilchen als i ψ(x, t) = A · e ~ (p·x−E·t) Slide 20 ~= Operatoren • Man kann den Impuls aus der Wellenfunktion z.B. so gewinnen ~ ∂ ~ i ψ(x, t) = · pψ(x, t) = pψ(x, t) i ∂x i ~ Operator ~ ∂ ist ein Operator, durch dessen “Anwendung auf die Weli ∂x lenfunktion” wir die physikalische “Observable” des Impulses berechnen können. Slide 21 13 h 2π Aufenthaltswahrscheinlichkeit eine freie Welle ist im ganzen Raum ausgebreitet Wo befindet sich das Teilchen? Antwort: Irgendwo im Raum, mit überall gleicher Wahrscheinlichkeit W (x, y) = const. Beobachtung: ψ ∗ (x, t) · ψ(x, t) = A2 = const. ⇒ Vermutung: W (x, t) = ψ ∗ (x, t)·ψ(x, t) könnte eine Wahrscheinlichkeitsdichte sein 14 4 Slide 22 Das Doppelspaltexperiment Klassische Teilchen (Schrotkugeln) P2 Gewehr P12 x P1 Detektor Doppelspalt Auffangwand Häufigkeitsverteilungen Teilchen aus “Teilchenquelle” fliegen durch den Spalt oder werden an einer Kante abgelenkt. Man beobachtet die Verteilungen P1 , P2 , P12 , wenn Spalt 1, Spalt 2, oder beide Spalte offen sind. Offensichtlich ist 1. P12 = P1 + P2 2. Es treffen nur ganze Kugeln auf. Slide 23 Klassische Wellen (Wasserwellen) 15 P2 P12 Wellenerreger x P1 Detektor Doppelspalt Auffangwand Offensichtlich ist 1. P12 6= P1 + P2 Wellen zeigen Interferenzerscheinungen. 2. Die Intensität kann jeden beliebigen Wert zwischen 0 und der maximalen Intensität annehmen. Slide 24 Das Verhalten von Elektronen 16 P2 P12 Elektronenquellle x P1 Detektor Doppelspalt Auffangwand Offensichtlich ist 1. P12 6= P1 + P2 Elektronen zeigen Interferenzerscheinungen 2. Die Stärke der Detektorimpulse ist immer gleich groß. 3. Selbst wenn die Elektronen einzeln nacheinander ankommen, misst man stets ganze Elektronen, ihre Verteilung zeigt jedoch das Interferenzmuster 4. Es scheint, als ob die Elektronen mit sich selbst interferieren. Slide 25 Welle-Teilchen-Dualismus • Das Elektron verhält sich als Welle, soweit es die Statistik der Ereignisse betrifft. • Andererseits verhält sich das Elektron als Partikel, da bei jeder Messung immer nur ein ganzes Teilchen im Detektor auftrifft. 17 Kopenhagener Interpretation (↔ Viel-Welten-Theorie) – Kollaps der Wellenfunktion: Dem Teilchen stehen 2 Wege offen, die es gleichzeitig benutzt ⇒ Interferenz – Der Messprozess beeinflusst (stört) das Elektron und legt fest, welchen Weg es benutzt. • YouTube-Filmsequenz des Doppelspaltexperimentes12 12 http://www.youtube.com/watch?v=1pO5dZZUJVM 18 Teil II Quantenmechanik Inhaltsangabe 5 Axiome der Quantenmechanik 20 5.1 Wellenfunktion und Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte . 20 5.2 Hermitesche Operatoren und physikalische Observable . . 21 5.2.1 Lineare Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 5.2.2 Eigenfunktionen und Eigenwerte . . . . . . . . . . 21 5.2.3 Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 5.2.4 Kommutatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 5.2.5 Dirac-Notation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 5.2.6 Hermitesche Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . 28 5.2.7 Operatordarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . 28 5.3 Erwartungswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 5.4 Die Schrödingergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 5.4.1 Zeitabhängige Schrödingergleichung . . . . . . . . 33 5.4.2 Zeitunabhängige Schrödingergleichung . . . . . . . 35 5.5 Die Unschärferelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 5.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 19 5 5.1 Slide 26 Axiome der Quantenmechanik Wellenfunktion und Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte Axiom I Die Grundlagen der Quantenmechanik können in Form von Axiomen bzw. Postulaten formuliert werden: Postulat I: Der Zustand eines quantenmechanischen Systems ist vollständig durch eine Wellenfunktion Ψ(r1 , r2 , . . . rN , t) beschrieben. Die Funktion Ψ ist im Allgemeinen komplexwertiga . a http://de.wikipedia.org/wiki/Komplexe Zahl ri (oder ~ri ) sind dabei die Koordinaten von Teilchen i, t die Zeit. Wir werden sehen, dass die Wellenfunktion des Systems, also sein Zustand, häufig durch Quantenzahlen a, b, . . . charakterisiert werden kann. Die Zustände sind dann abzählbar oder quantisiert, und können als Wellenfunktion Ψa,b,... (r1 , r2 , . . . rN , t) geschrieben werden. Für ein einzelnes Teilchen ist die Wellenfunktion ψa,b,... (~r, t) Slide 27 Bornsche Interpretation Interpretation als Wahrscheinlichkeitsdichte Das Quadrat der Wellenfunktion Ψ∗ (~r, t)Ψ(~r, t) kann als Wahrscheinlichkeitsdichte p(r, t) interpretiert werden. ψ ∗ (~r, t)ψ(~r, t) dxdydz | {z } p(x,y,z,t) ist dann die Wahrscheinlichkeit, ein Teilchen im infinitesimalen Volumenelement dV = dxdydz am Punkt ~r im Raum zur Zeit t zu finden, also zwischen x und x + dx, y und y + dy und z und z + dz. 20 Z∞ Z∞ Z∞ Offenbar ist dann ψ ∗ (~r)ψ(~r)dxdydz = 1 die Wahrscheinlich- −∞ −∞ −∞ keit, das Teilchen irgendwo im Raum zu finden. 5.2 5.2.1 Slide 28 Hermitesche Operatoren und physikalische Observable Lineare Operatoren Lineare Operatoren Ein Operator Ô wirkt auf eine Funktion f und erzeugt eine neue Funktion g: g = Ôf linearer Operator Ein linearer Operator hat die Eigenschaft Ô(αf + βg) = αÔf + β Ôg . Operatoren in der Quantenmechanik sind lineare Operatoren. Multiplikation und Differentiation sind Beispiele für lineare Operatoren. α und β sind Skalare (Zahlen), f und g sind Funktionen. Operatoren werden durch einˆcharakterisiert. 5.2.2 Slide 29 Eigenfunktionen und Eigenwerte Eigenfunktionen und Eigenwerte I Definition: Eine Funktion f ist Eigenfunktion zu einem Operator Ô, wenn Ôf = αf mit konstanten α. Die Konstante (Skalar) α heißt dann Eigenwert. Slide 30 21 Beispiel: Gegeben sei die Funktion f (x) = cos(3x + 5). • sei Ô1 = d dx Ô1 f (x) = −3 sin(3x + 5) =⇒ f (x) ist keine Eigenfunktion von Ô1 . • sei Ô2 = d2 dx2 = Ô1 Ô1 d d d f (x) = dx [−3 sin(3x + 5)] = −9 cos(3x + 5) ist eine Ô2 f (x) = dx dx Eigenfunktion von Ô2 zum Eigenwert -9. • Ist exp(3x + 5) eine Eigenfunktion von Ô1 oder Ô2 ? Ô1 exp(3x + 5) = 3 exp(3x + 5) Ô2 exp(3x + 5) = d 3 exp(3x dx + 5) = 9 exp(3x + 5) ⇒ exp(3x + 5) ist eine Eigenfunktion von Ô1 (mit Eigenwert 3) und von Ô2 (mit Eigenwert 9). Slide 31 Eigenfunktionen und Eigenwerte II wichtige Eigenschaften: 1. Die Menge aller Eigenfunktionen fn zu einem gegebenen Operator Ô (mit den entsprechenden Eigenwerten αn ) bildet eine vollständige Funktionenmenge. Man sagt, dass die Funktionen dieser vollständigen Funktionenmenge den Hilbertraum aufspannen. (Die Funktionen spielen die Rolle von Einheitsvektoren in diesem Raum, analog zum bekannten dreidimensionalen Vektorraum.) Die Gesamtheit dieser Funktionen sowie aller möglichen Linearkombinationen daraus nennt man Hilbert-Rauma . a http://de.wikipedia.org/wiki/Hilbert-Raum 22 2. Eine Funktion, die über dem gleichen Definitionsbereich definiert ist, kann nach diesen Funktionen entwickelt werden, d.h. eine Funktion g kann durch X g= cn f n n mit skalaren Koeffizienten cn dargestellt werden. 3. Die Menge der Eigenwerte {αn } nennt man auch das Eigenwertspektrum des Operators Ô. Slide 32 Eigenfunktionen und Eigenwerte III Spezialfall: entartete Eigenwerte Gibt es mehrere Eigenfunktionen des Operators Ô, z.B. fn und fm zum gleichen Eigenwert αn = αm = α (man spricht dann von entarteten Eigenwerten), so ist jede Linearkombination dieser Funktionen ebenfalls eine Eigenfunktion des Operators Ô. Beweis: Ôg = Ô k X cn f n = = cn αfn = α n=1 Slide 33 cn Ôfn n=1 k X n=1 k X k X n=1 Lineare Unabhängigkeit 23 cn fn = αg Definition Eine Funktionenmenge g1 , g2 , . . . gn heißt linear unabhängig, wenn es keinen Satz von Koeffizienten c1 , c2 , . . . cn gibt (außer dem trivialen Satz ci = 0∀i), für den gilt: n X ci g i = 0 . i=1 Ein Satz von Funktionen, der nicht linear unabhängig ist, heißt linear abhängig. • Es ist möglich, aus n Basis(Eigen)funktionen eines Operators Ô einen Satz von n linear unabhängigen Funktionen zu erzeugen. • Jede Funktion im Hilbertraum ist als Linearkombination des vollständigen Funktionensatzes (=Basis) darstellbar. 5.2.3 Slide 34 Operatoren Integrale über Operatoren I Es wurde weiter oben kurz eine “Analogie” zwischen Hilbertraum (der Funktionen) und dem (dreidimensionalen) Vektorraum angesprochen. Das Analogon zum Skalarprodukt ~a · ~b = c sind Integrale über Funktionen und/oder Operatoren der Form Z I = f ∗ Ôgdτ , wobei dτ ein verallgemeinertes Volumenelement ist (z.B. dτ = dxdydz für Funktionen, die nur von einem Satz Koordinaten abhängen. Da die Anwendung des Operators Ô auf g wieder eine Funktion, h, Z Z ergibt, ist I = f ∗ Ôgdτ = f ∗ hdτ ein Integral über 2 Funktionen. Slide 35 24 Integrale über Operatoren II • Für den Z Operator Ô = 1 (Multiplication mit 1) nennt man das Integral ∗ S = fm fn dτ das Überlappungsintegral. • Wenn S = 0 ist, klassifiziert man die Funktionen in Analogie zum dreidimensionalen Vektorraum als orthogonal (analog zu zwei aufeinander senkrechten Vektoren). Z • Der Spezialfall n = m von S = fn∗ fn dτ heißt Normierungsintegral. Z • Eine Funktion fn heißt (auf 1) normiert, wenn S = fn∗ fn dτ = 1 gilt. In der Regel kann man leicht einen Normierungsfaktor N finden, der eine Funktion fn normiert. Slide 36 Beispiel: Normierungsfaktor Sei f eine Funktion, wobei f (x) = sin(πx/L) im Definitionsbereich [0; L], ansonsten 0. • Das Normierungsintegral lautet ZL S= 0 r ⇒ N= f ∗ f dx = ZL 1 ! N 2 sin2 (πx/L)dx = LN 2 = 1 . 2 0 2 L 1/2 2 Die normierte Funktion lautet also f = sin(πx/L) (s. ÜbungsL aufgabe). Slide 37 25 Orthonormalitätsbedingung Eine Menge von Funktionen, die (a) normiert und (b) paarweise orthogonal sind, genügt der Orthonormalitätsbedingung Z ∗ fm fn dτ = δnm . δnm heißt Kroneckerdelta, und hat den Wert 1 für n = m, andernfalls 0. 5.2.4 Slide 38 Kommutatoren Kommutativität Zwei Operationen heißen kommutativ, wenn das Ergebnis unabhängig von der Reihenfolge der Anwendung der Operationen ist. (Genauer: Es muss noch angegeben werden, auf welche Menge man sich bezieht.) • Z.B. sind Addition und Multiplikation auf den Mengen der natürlichen, ganzen, rationalen, reellen und komplexen Zahlen N, Z, Q, R, C kommutativ. Definition: Kommutator Im allgemeinen sind zwei Operatoren  und B̂ nicht kommutativ. Man definiert den Kommutator [Â, B̂] von  und B̂ als [Â, B̂] = ÂB̂ − B̂  Slide 39 Beispiel: Kommutator Betrachten wir die Operatoren x̂ und p̂x := 26 ~ d . i dx [x̂, pˆx ]f = (x̂pˆx − pˆx x̂)f ~ ∂(x · f ) ~ ∂f − = x· i ∂x i ∂x ~ ∂f ~ ∂f − f +x· (Kettenregel) = x· i ∂x i ∂x ~ = − f i =⇒ [x̂, pˆx ] = − 5.2.5 Slide 40 ~ = i~ i Dirac-Notation Vereinfachung der Schreibweise: Dirac(“Bracket”)-Notation Z Integrale des Typs I = f ∗ Ôgdτ kommen in der Quantenmechanik so häufig vor, dass eine vereinfachte, auf Dirac13 zurückgehende, Notation sehr praktisch ist. Diracsche “Bracket”-Notation Z fm ∗ Ôfn dτ =< m|Ô|n > |n >:= fn heißt ket und ist eine Funktion. Z ∗ < m| := fm dτ heißt bra und ist ein linearer (Integral)Operator. < m|Ô|n > nennt man bracket. Wenn Ô = 1 ist, schreibt man vereinfacht < m|n >. Per definitionem gilt < m|n >=< n|m >∗ . < m|n >= 13 R ∗ f dτ = fm n R fm fn∗ dτ http://de.wikipedia.org/wiki/Dirac 27 ∗ = R fn∗ fm dτ ∗ = (< n|m >)∗ 5.2.6 Slide 41 Hermitesche Operatoren Hermitesche Operatoren Definition Ein Operator Ô heißt hermitesch, wenn für zwei beliebige Funktionen fn und fm Z ∗ Z ∗ ∗ fm Ôfn dτ = fn Ôfm dτ gilt. In Diracschreibweise: < m|Ô|n >=< n|Ô|m >∗ . Eine alternative Definition lautet Z Z ∗ fm Ôfn dτ = (Ôfm )∗ fn dτ . Slide 42 Axiom II Postulat II: Observable Physikalische Observable werden in der Quantenmechanik durch hermitesche Operatoren repräsentiert, die die Kommutatorbeziehungen [q, pq0 ] = i~δqq0 [q, q 0 ] = 0 [pq , pq0 ] = 0 erfüllen. Dabei stehen q und q 0 jeweils für x, y, z und pq und pq0 für die zugehörigen linearen Impulse. i ist die imaginäre Einheit, ~ = h/2π. Hermitesche Operatoren haben reelle Eigenwerte. =⇒ Messbare Größen sind reell! 5.2.7 Operatordarstellungen Slide 43 28 Darstellungen Ein großer Teil der Quantenmechanik kann mit solch abstrakten Operatoren entwickelt werden. Die spezifische Wahl von Operatoren für eine Observable führt zu spezifischen Darstellungen: • Ortsdarstellung Positionsoperator: x̂ → x· ~ ∂ Impulsoperator: p̂x → i ∂x • Impulsdarstellung ~ ∂ i ∂px Impulsoperator: p̂x → px · Positionsoperator: x̂ → • Es gibt weitere Darstellungen, z.B. die Besetzungszahldarstellung. Wir werden uns auf die Ortsdarstellung beschränken. Slide 44 Konstruktion von Operatoren in der Quantenmechanik I • Ortsoperator: x̂ → x· • Impulsoperator: p̂x → ~ d i dx • Operator der kinetischen Energie T̂ m (px )2 ~2 d2 in x-Richtung: Tklassisch = (vx )2 = →− 2 2m 2m dx2 ~2 ∂2 ∂2 ∂2 ~2 2 ~2 • in 3 Dimensionen: T̂ = − + + =− ∇ =− ∆ 2m ∂x2 ∂y 2 ∂z 2 2m 2m ∇: Nabla-Operator, ∆: Laplace-Operator Slide 45 29 Konstruktion von Operatoren in der Quantenmechanik II • Operator der potentiellen Energie: V̂ (x, y, z) → V (x, y, z)· • z.B. V̂ (x, y, z) = − 2 √Ze 4π0 2 x2 +y 2 +z 2 Ze · · = V̂ (r) = − 4π 0r für die Coulombwechselwirkung eines Elektrons mit einem Kern der Ladungszahl Z. • Hamiltonoperator der Gesamtenergie z.B. des Wasserstoffatoms ~2 2 e2 Ĥ = − ∇ − · 2m 4π0 r Allgemeine Vorschrift In der Ortsdarstellung ersetzt man 1. x̂ durch Multiplikation mit x· 2. pˆx durch den Differentialoperator ~ ∂ i ∂x 3. und analog für y und z. 5.3 Slide 46 Erwartungswerte Matrixelemente Z • Ausdrücke der Art ψ ∗ Ôφdτ = hψ|Ô|φi nennt man auch Matrixele- mente des Operators Ô. • Der Spezialfall Z ψ ∗ Ôψdτ = hψ|Ô|ψi = hOiψ (ψ = φ) heißt Erwartungswert des Operators Ô im Zustand ψ. • Erwartungswerte von hermiteschen Operatoren sind reell: 30 Beweis: ∗ hÔi Z = ∗ ∗ ψ Ôψdτ Z ψ Ôψ ∗ dτ Z (Ôψ ∗ )ψdτ Z ψ ∗ Ôψdτ = = = = hÔi Slide 47 Axiom III Postulat III: Wenn ein System durch eine Wellenfunktion ψ beschrieben ist, dann ist der Mittelwert einer physikalischen Größe in einer Serie von Messungen durch den Erwartungswert des zugehörigen Operators bestimmt. Ist eine Wellenfunktion ψ eine Eigenfunktion des Operators Ô, dann gilt natürlich Ôψ(~r, t) = ak ψ(~r, t). =⇒ Ist ψ ein Eigenzustand des Operators Ô, dann wird bei jeder Messung der gleiche Wert erhalten! Postulat III’: Ist die Wellenfunktion ψ eine Eigenfunktion von Ô, so ist der Erwartungswert einer Messung gleich dem Eigenwert des Operators. Slide 48 Axiom IV: Bornsche Interpretation Postulat IV: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Teilchen im Volumenelement dτ = dx · dy · dz um den Punkt r zu finden, ist |ψ(r)|2 dτ = ψ ∗ (r)ψ(r)dτ . 31 Für Wellenfunktionen, die Systeme aus n Teilchen bestehen, ist ψ ∗ (x1 , y1 , z1 , x2 , y2 , z2 , . . . , xn , yn , zn , t) · ψ(x1 , y1 , z1 , x2 , y2 , z2 , . . . , xn , yn , zn , t) · dx1 dy1 dz1 . . . dxn dyn dzn die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen 1 im Volumen dV1 = dx1 · dy1 · dz1 um (x1 , y1 , z1 ) und gleichzeitig das Teilchen 2 im Volumen dV2 = dx2 · dy2 · dz2 um (x2 , y2 , z2 ), etc., zu finden. Slide 49 Normierung der Wellenfunktion I • Die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen 1 irgendwo im Raum zu finden und gleichzeitig das Teilchen 2 irgendwo im Raum zu finden, usw., muss gleich 1 sein. • also müssen physikalisch sinnvolle Wellenfunktionen ψ normiert sein: Z∞ Z∞ Z∞ Z∞ Z∞ 1 = ... −∞ −∞ −∞ −∞ −∞ ψ ∗ (x1 , y1 , z1 , x2 , . . . , t)ψ(x1 , y1 , z1 , x2 , . . . , t) dx1 dy1 dz1 dx2 . . . Slide 50 Normierung der Wellenfunktion II Gilt stattdessen Z∞ Z∞ Z∞ Z∞ Z∞ (∗) A = ... −∞ −∞ −∞ −∞ −∞ ψ ∗ (x1 , y1 , z1 , x2 , . . . , t)ψ(x1 , y1 , z1 , x2 , . . . , t) dx1 dy1 dz1 dx2 . . . 1 mit 0 < A < ∞ (∗∗), so ist φ = √ ψ normiert. A 32 • Funktionen, die (*) und (**) erfüllen, heißen quadratintegrierbar oder quadratintegrabel oder normierbar. • Die Gesamtheit aller quadratintegrablen Funktionen für das n-Teilchensystem heißt der Hibertraum für das n-Teilchensystem. • Bemerkung: ψ hängt im Allgemeinen von der Zeit t ab, die Konstante A aber nicht. 5.4 5.4.1 Slide 51 Die Schrödingergleichung Zeitabhängige Schrödingergleichung Axiom V Postulat V: Die zeitliche Entwicklung der ψ(x1 , y1 , z1 , x2 , . . . , zn , t) wird durch die Wellenfunktion zeitabhängige Schrödingergleichung i~ ∂ψ = Ĥψ ∂t beschrieben. • Ĥ ist der Hamiltonoperator, der im Allgemeinen explizit von der Zeit abhängig sein kann. • Zeitabhängigkeit über den Operator V̂ der potentiellen Energie • für ein einzelnes Teilchen gilt ∂2 ∂2 ~2 ∂ 2 + + + V (x, y, z, t) Ĥ = − 2m ∂x2 ∂y 2 ∂z 2 ~2 ∂ 2 + V (x) 2m ∂x2 zeitabhängige Schrödingergleichung in einer Dimension • in einer Dimension: Ĥ = − 2 2 ~ ∂ = − 2m ψ(x, t) + V (x)ψ(x, t) i~ ∂ψ(x,t) ∂t ∂x2 Slide 52 33 Statt einer Herleitung • Wir hatten weiter oben gesehen, dass eine Wellenfunktion für atomare Systeme die Form i ψ(x, t) = A · e ~ (p·x−E·t) besitzt. • Für ein freies Teilchen in einer Dimension ist E = Ekin , der kinetischen p2x Energie Ekin = 2m ∂ψ(x, t) −i • i~ = i~ · E ψ(x, t) = Eψ(x, t) ∂t ~ • − −~2 i2 2 ~2 ∂ 2 ψ(x, t) + V (x)ψ(x, t) = p ψ(x, t) + V (x)ψ(x, t) 2m ∂x2 2m ~2 x = Ekin ψ(x, t) + V (x)ψ(x, t) = Eψ(x, t) =⇒ Schrödingergleichung ist erfüllt. Slide 53 Der Hamiltonoperator eines Vielteilchensystems n-Teilchen-Operator Ĥ = n X i=1 wobei ∆i = Teilchen ist. − ~2 ∆i + V ({~ri }, t) 2m −∂ 2 −∂ 2 −∂ 2 + + der Laplace-Operator für das i. ∂x2i ∂yi2 ∂zi2 Man beachte: Der Operator der kinetischen Energie entkoppelt (d.h., ist eine einfache Summe über Teilchen). Alle Kopplungen im Vielteilchensystem stecken in der Potentialfunktion V ({~ri }, t). 34 5.4.2 Slide 54 Zeitunabhängige Schrödingergleichung Separation der Wellenfunktion Ortsfunktion & Zeitfunktion • meistens ist die potentielle Energie nicht explizit zeitabhängig • das System ist dann konservativ (wobei angenommen wurde, dass keine geschwindigkeitsabhängigen Wechselwirkungsterme auftreten) V̂ (x1 , y1 , z1 , x2 , . . . zn , t) = V̂ ({x}, t) → V̂ ({x}) • Dann kann man ψ(x1 , y1 , z1 , x2 , . . . zn , t) = ψ({x}, t) schreiben als ψ({x}, t) = φ({x}) · χ(t) (∗) • Man nennt dies einen Separationsansatz für eine partielle Differentialgleichung. Die Schrödingergleichung ist eine solche. Slide 55 Produktansatz • Die Schrödingergleichung lautet mit (∗): ∂ [φ({x}) · χ(t)] = Ĥ[φ({x}) · χ(t)] ∂t ∂ φ({x}) · i~ χ(t) = χ(t) · Ĥφ({x}) ∂t i~ =⇒ links wirkt kein Differentialoperator auf φ und rechts keiner auf χ. Slide 56 35 Zeitunabhängige Schrödingergleichung • Wir machen nun einen mathematisch unsauberen (aber gerechtfertigten) Trick, indem wir die Gleichung durch φ({x}) und χ(t) dividieren ∂ 1 1 · χ(t) = · Ĥφ({x}) =⇒ i~ χ(t) ∂t φ({x}) oder i~ ∂χ(t) Ĥφ({x}) ∂t = χ(t) φ({x}) R(t) = S({x}) = E = const. Zeitunabhängige Schrödingergleichung Ĥφ({x}) = Eφ({x}) 5.5 Slide 57 Die Unschärferelation Unschärfe Nichtvertauschbare Operatoren bewirken, dass verschiedene Observablen nicht gleichzeitig exakte Werte annehmen können. Messungen erzeugen Unschärfe, indem bei verschiedenen Messungen des gleichen Systems unterschiedliche Messwerte beobachtet werden (sei es durch meßtechnische Probleme (Ungenauigkeit) oder wie hier durch prinzipielle Eigenschaften des Systems bedingt). Diese Unschärfe wird (auch bei “klassischen” Messungen) durch die Varianz ∆A2 = h(A − hAi)2 i quantifiziert. h. . .i symbolisiert dabei einen Mittel- oder Erwartungswert. Slide 58 36 Die Unschärferelation Es gilt: ∆A2 = = = = h(A − hAi)2 i hA2 − AhAi − hAiA + hAihAii hA2 i − hAi2 − hAi2 + hAi2 hA2 i − hAi2 (Ausmultiplizieren) weilhhAii = hAi ∆A = {hA2 i − hAi2 }1/2 heißt Standardabweichung Unschärferelation Seien ∆A = {hA2 i − hAi2 }1/2 und ∆B = {hB 2 i − hBi2 }1/2 1 Dann gilt ∆A∆B ≥ h[Â, B̂]i 2 Slide 59 Beweis der Unschärferelation I • Seien hAi = hψ|Â|ψi und hBi = hψ|B̂|ψi. • Operatoren für die Verteilung von Einzelwerten von A und B sind dann ˆ =  − hAi und δB ˆ = B̂ − hBi. δA ˆ δB] ˆ = [ − hAi, B̂ − hBi] = [Â, B̂] =: iĈ, weil hAi • Natürlich gilt [δA, und hBi Skalare (Zahlen) sind. • Man betrachtet nun für reelles, ansonsten beliebiges α das Integral Z 2 ˆ ˆ dτ ≥ 0 . I = (αδA − iδB)ψ Slide 60 37 Beweis der Unschärferelation II Z n o∗ n o ˆ ˆ ˆ ˆ (αδA − iδB)ψ (αδA − iδB)ψ dτ I = Z ˆ + iδB)(α ˆ ˆ − iδB)ψdτ ˆ = ψ ∗ (αδA δA (Hermitizität) ˆ + iδB)(α ˆ ˆ − iδB)i ˆ = h(αδA δA (Erwartungswert) 2 2 2 ˆ ˆ = α h(δA) i + h(δB) i ˆ δB ˆ − δB ˆ δAi ˆ (Ausmultiplizieren) −iαhδA ˆ 2 i + h(δB) ˆ 2 i + αhĈi = α2 h(δA) ≥ 0 Slide 61 Beweis der Unschärferelation III ˆ 2 i + h(δB) ˆ 2 i + αhĈi 0 ≤ I = α2 h(δA) !2 h Ĉi ˆ 2i α + = h(δA) ˆ 2i 2h(δA) 2 ˆ 2i − +h(δB) =⇒ I = =⇒ hĈi ˆ 2i 4h(δA) (quadr. Ergänzung) gilt für beliebiges α, also insbesondere auch für dasjenige α, das den ersten Term verschwinden läßt 2 hĈi 2 ˆ ≥0 h(δB) i − ˆ 2i 4h(δA) ˆ 2 ih(δB) ˆ 2 i ≥ 1 hĈi2 h(δA) 4 Slide 62 38 Beweis der Unschärferelation IV ˆ 2i = h(δA) = = = h( − hAi)2 i hÂ2 − 2ÂhAi + hAi2 i hÂ2 i − 2hAihAi + hAi2 hÂ2 i − hAi2 h(δA)2 i ist also die mittlere quadratische Abweichung von A von seinem Mittelwert. q q 2 ˆ ˆ2 Analoges gilt für B. mit ∆A = δA , ∆B = δB =⇒ 5.6 Slide 63 ∆A∆B ≥ 21 |hCi| Zusammenfassung Weitere Eigenschaften der Wellenfunktion • Die Schrödingergleichung ist eine DGL 2. Ordnung bzgl. der Koordinaten der Teilchen ⇒ ψ({x}) muss überall stetig sein ⇒ ∂ ψ({x}) muss stetig an allen Stellen sein, an denen die po∂xi tentielle Energie stetig ist. • Natürlich muss ψ eindeutig sein (genau genommen: ψ ∗ ψ muss eindeutig sein). • die Wellenfunktion darf nicht über einen endlichen Bereich unendlich groß werden Slide 64 39 y(x) y(x) Physikalisch korrekte und inkorrekte Wellenfunktionen x y(x) y(x) x x x 40