Kapitel 1

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Kapitel 1
Wellenfunktion
“Diejenigen, die nicht schockiert sind, wenn sie zum ersten mal mit Quantenmechanik zu tun haben, haben sie nicht verstanden.” (“If you are not confused by quantum
physics then you have not really understood it”.) Niels Bohr
“I am still confused, but on a higher level.” Enrico Fermi
“Ich denke, man kann mit Sicherheit sagen, dass niemand Quantenmechanik
versteht.” (“I think I can safely say that nobody understands quantum mechanics”.)
Richard Feynman
“Ich mag sie nicht, und es tut mir leid, jemals etwas damit zu tun gehabt zu
haben.” Erwin Schrödinger über Quantenmechanik.
1.1
Schrödinger - Gleichung
∂V
Eindimensionale Bewegung, Teilchen Masse m, vorgegebene Kraft F (t) = −
∂x
Weiter: nur konservative Systeme, weil alle mikroskopische Systeme konservativ sind!
Klassische Mechanik:
Hauptaufgabe der Mechanik: Position des Teilchens zur beliebigen Zeit zu bestimmen:
d2 x
∂V
x(0), v(0) =⇒ m 2 = −
=⇒ x(t)
dt
∂x
Dann wissen wir alle dynamische Grössen:
x(t)
=⇒
v=
dx
dt
=⇒
1
p
=⇒
T =
mv 2
2
Quantenmechanik:
das Problem wird anders gelöst
• Dem Teilchen wird die komplexe Wellenfunktion Ψ(x, t) zugeordnet (bitte
Ψ und ψ unterscheiden).
• Die ist die Lösung der Schrödinger Gleichung
ih̄
h̄2 ∂ 2 Ψ
∂Ψ
=−
+VΨ
∂t
2m ∂x2
V : Potentielle Energie (nicht pot.Energie , nicht elektrisches Potential)
Ladung
Planksche Konstante “h quer” (Plancksches Wirkungsquantum):
h̄ =
h
= 1.054572 × 10−34 J s ,
2π
die konstante hat die Dimension von Energie mal Zeit.
1.2
Statistische Interpretation der Wellenfunktion
Nach Max Born, 1926
Komplexe Funktion Ψ(x, t) (i.A: Ψ(~r, t)) heisst Wellenfunktion oder
Zustandsfunktion oder Wahrscheinlichkeitsamplitude. Integral
Z
b
a
|Ψ(x, t)|2 dx =
Z
b
Ψ∗ Ψdx
a
ist die Wahrscheinlichkeit, ein quantenmechanisches Teilchen bei einer
Ortsmessung zum Zeitpunkt t zwischen a und b zu finden = Fläche
|Ψ|2
a
=⇒
Fläche
b
x
QM gibt nur statistische Informationen über mögliche Messergebnisse
2
Statistische Beschreibung mittels Wellenfunktion bedeutet dass in der QM keine
Bahnen gibt! (Keine deterministische Beschreibung!)
Messung ändert den Zustand =⇒ ändert Ψ gleich nach der Messung (z.B.
Teilchen bei x = c gefunden, s. Abb. n. Seite.)
c
x
Statistische Interpretaion der QM war nie unumstritten.
Albert Einstein:
“Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Liebe Gott mit Wuerfeln spielt!”
Niels Henrik David Bohr:
“Einstein, schreiben Sie Gott nicht vor, was er zu tun hat.”
Also: die Messung liefert x = c.
Die Frage: wo war das Teilchen gleich vor der Messung? Drei mögliche Varianten
das zu beantworten:
1. Antwort eines Realisten: das Teilchen war im Punkt c (Einstein). Wenn es so
wäre, dann wäre die Quantenmechanik keine komplette Theorie. D.h.:
Wellenfunktion reicht nicht um das Teilchen zu beschreiben, es gibt eine
“verborgene” Variable.
2. Orthodox Antwort: das Teilchen war nirgendwo (Kopenhagener Deutung,
Bohr und andere). Nur die Messung “zwingt” das Teilchen den “Stand” (ein
bestimmten Wert der Koordinate) zu nehmen.
3. Antwort eines Agnostikers: macht kein Sinn dass zu besprechen (Pauli).
John Bell, 1964: das kann man experimentell verifizieren!! Experimente zeigen dass
es keiner verborgene Variable gibt und die Antwort 2 richtig ist. (Darüber später.)
3
1.3
Schrödinger - Gleichung: Motivation
Nach de Broglie:
p = h̄k
k = 2π/λ
E = hν = h̄ω
Ein Teilchen entspricht ein Wellenpaket, das sich als Superposition ebener Wellen
darstellen lässt. Ebene Welle:
p
E
ei(kx−ωt) = ei( h̄ x− h̄ t) = Ψ(x, t)
Wir suchen nach einer Wellengleichung, die de Broglie ebene Wellen als Lösungen
hat. Wir berechnen:
∂Ψ
E
ih̄ ∂Ψ
= −i Ψ =⇒ E =
∂t
h̄
Ψ ∂t
2
2
p
∂ Ψ
p
∂Ψ
h̄2 ∂ 2 Ψ
2
=i Ψ
=
−
Ψ
=⇒
p
=
−
∂x
h̄
∂x2
Ψ ∂x2
h̄2
Wir benutzen
p2
+V
E=
2m
und bekommen die Schr.-Gl.
1.4
1.4.1
Elemente der Wahrscheinlichkeitsrechnung
Diskrete Variablen
Beispiel: 14 Leute im Zimmer:
1 Person
14 Jahre alt
1 Person
15 Jahre alt
3 Personen 16 Jahre alt
2 Personen 22 Jahre alt
2 Personen 24 Jahre alt
5 Personen 25 Jahre alt
Notation: N (j) ist die Anzahl von Personen, die j Jahre alt sind:
N (14) = 1
N (15) = 1
N (16) = 3
N (22) = 2
N (24) = 2
N (25) = 5
4
Andere Werte: z.B. N (17) = 0
N=
∞
X
N (j)
j=0
Histogramme.
Wahrscheinlichkeit P (j) =
N (j)
N
Bemerkungen:
1. W’keit eine Person im Alter von 14 oder 15 zu finden ist P (14) + P (15)
∞
X
P (j) = 1
j=0
2. wahrscheinlichster Wert?
entspricht dem Maximum von P (j)
3. Medianwert (Zentralwert): Hier 23 (7 Personen jünger, 7 Personen älter).
i.A.: W’keit einen größeren oder kleineren Wert zu finden ist gleich.
4. Mittelwert (Erwartungswert)
1 · 14 + 1 · 15 + 3 · 16 + 2 · 22 + 2 · 24 + 5 · 25
= 21
14
< j >=
P
∞
jN (j) X
=
jP (j)
N
j=0
↑ übliche Notation
Erwartungswert ist nicht der wahrscheinlichste Wert!!
5. Mittelwert von Quadraten
142 mit W’keit 1/14 u.s.w.
2
< j >=
∞
X
j 2 P (j)
j=0
i.A.:
< f (j) >=
∞
X
j=0
5
f (j)P (j)
Wichtig: < j 2 >6=< j >2 i.A.
zwei Babies, 1 und 3 Jahre alt: < j 2 >=
1.4.2
1+9
2
=5
< j >2 = 4
Standardabweichung
Bild: zwei Histogramme mit dem gleichen Mittelwert
∆j = j− < j >
< ∆j >=
σ 2 ≡< (∆j)2 >
σ
X
Abweichung
(j− < j >)P (j) =
X
jP (j)− < j >
X
P (j)
= < j > − < j >= 0
Varianz
Standardabweichung
σ2 =
=
=
X
X
X
(∆j)2 P (j) =
X
(j− < j >)2 P (j)
(j 2 − 2j < j > + < j >2 )P (j)
j 2 P (j) − 2 < j >
X
jP (j)+ < j >2
X
P (j)
= < j 2 > −2 < j >< j > + < j >2 =< j 2 > − < j >2 ≥ 0
σ=
q
< j 2 > − < j >2
< j2 > ≥
1.4.3
< j >2
Kontinuierliche Variablen
Z.B.: Alter in Sekunden
W’keit, dass der Messwert zwischen x und x + dx liegt ist ρ(x)dx
↑
Wahrscheinlichkeitsdichte
Pab =
1 =
Z
b
ρ(x)dx
Za∞
ρ(x)dx
−∞
6
Z
<x> =
∞
xρ(x)dx
−∞
∞
Z
< f (x) > =
f (x)ρ(x)dx
−∞
σ 2 = < (∆x)2 >=< x2 > − < x >2 = Var(x)
Beispiel:
Stein
x
h
Photos gemacht zu zufälligen Zeiten =⇒
Frage: < x >=? (Soll kleiner als h/2 sein.)
1
x(t) = gt2
2
=⇒
t=
s
2x
g
=⇒
viele Ortsmessungen
Fallzeit T =
q
dx
= gt
dt
2h/g ,
W’keit ein Photo im Intervall x, x + dx zu machen (W’keit der Ortsmessung) ist
P = ρ(x)dx ∼ dt =
Wir schreiben
ρ(x)dx = A
dx
dx
=
v
gt
dx
dx
= A√
,
gt
2gx
wobei A eine noch unbekannte Normierungskonstante ist.
Wir finden A aus der Bedingung
Z
0
=⇒
h
A
ρ(x)dx = 1 = √
2g
Z
0
h
dx
A √
√ =√ 2 h
x
2g
=⇒
A=
W’keitsdichte:
ρ(x) =
r
1
g
1
·√
= √
(0 ≤ x ≤ h)
2h
2gx
2 hx
7
r
g
2h
ρ(x)
1
2h
h
x
Mittelwert der Ortsmessung:
< x >=
Z
h
xρ(x)dx =
Z
0
0
h
h
h
1
1 2
x √ dx = √ ( x3/2 ) =
0
3
2 hx
2 h 3
< x > ist kleiner als h/2, wie erwartet.
1.5
Normierung der Wellenfunktion
|Ψ(x, t)|2 ist die W’keitsdichte, also entspricht ρ. Es soll gelten:
Z
∞
−∞
|Ψ(x, t)|2 dx = 1 ,
sonst wäre die statistische Interpretation sinnlos.
Widerspricht das der Schrödingergleichung?
Nein: Schrödingergleichung ist linear
⇒ wenn Ψ eine Lösung ist, dann ist auch AΨ eine Lösung
⇒ wir können A so wählen, dass die Normierung stimmt, wenn
existiert.
Dafür soll Ψ(x, t) schneller abfallen als √1 .
|x|
Andere Lösungen haben keine physikalische Bedeutung.
Wichtige Frage:
Angenommen, wir haben Ψ zur Zeit t = 0 normiert.
8
R∞
2
−∞ |Ψ| dx
Bleibt Ψ mit der Zeitentwicklung normiert?
Antwort: ja
Beweis:
Z
∞
−∞
Wir berechnen
d
dt
Z
|Ψ|2 dx ist eine Zeitfunktion
∞
−∞
|Ψ|2 dx =
Z
∞
−∞
∂
|Ψ(x, t)|2 dx
∂t
∂
∂
∂Ψ ∂Ψ∗
|Ψ|2 = (Ψ∗ Ψ) = Ψ∗
+
Ψ
∂t
∂t
∂t
∂t
Aus der Schrödinger Gleichung folgt:
ih̄ ∂ 2 Ψ
i
∂Ψ
=
− VΨ
∂t
2m ∂x2
h̄
Komplex konjugiert:
−ih̄ ∂ 2 Ψ∗
i
∂Ψ∗
=
+ V Ψ∗ (wir ersetzen i → −i)
2
∂t
2m ∂x
h̄
ih̄ ∂ 2 Ψ
i
ih̄ ∂ 2 Ψ∗
i
∂
∗
|Ψ|2 = Ψ∗
−
V
ΨΨ
−
Ψ
+ V ΨΨ∗
2
2
∂t
2m ∂x
h̄
2m ∂x
h̄
Letztendlich
=
ih̄
∂ 2 Ψ ∂ 2 Ψ∗
(Ψ∗ 2 −
Ψ)
2m
∂x
∂x2
=
∂Ψ ∂Ψ∗ i
∂ h ih̄
(Ψ∗
−
Ψ) (wird auch weiter benutzt)
∂x 2m
∂x
∂x
d
dt
Z
∞
−∞
|Ψ|2 dx =
ih̄
∂Ψ ∂Ψ∗ ∞
(Ψ∗
−
Ψ)
−∞
2m
∂x
∂x
Normierungsbedingung: Ψ → 0 wenn x → ±∞
⇒
d
dt
Z
∞
−∞
|Ψ|2 dx = 0 ⇒ Integral ist konstant ⇒ Normierung bleibt erhalten
9
1.6
Impuls
Mittelwert bei einer Ortsmessung:
< x >=
Z
∞
x|Ψ(x, t)|2 dx
−∞
Was bedeutet es?
Es bedeutetR nicht dass wenn wir x wieder und wieder messen, der Mittelwert der
Ergebnisse x|Ψ|2 dx ist.
Nein: Messung ändert Ψ (macht δ-Funktion)
< x > ist Ensemblemittelung, d.h. wir haben viele Teilchen, die gleiche Ψ haben
und messen die Koordinaten von allen.
Wie ändert sich < x > mit der Zeit?
d<x>
dt
=
Z
∞
∂
|Ψ|2
∂t
| {z }
x
−∞
dx
schon berechnet!
=
ih̄
2m
Z
∞
x
−∞
∂
∂Ψ ∂Ψ∗
(Ψ∗
−
Ψ)dx
∂x
∂x
∂x
Wir integrieren partiell:
d<x>
ih̄
=−
dt
2m
Z
∞
−∞
(Ψ∗
∂Ψ ∂Ψ∗
∂Ψ ∂Ψ∗ ∞
ih̄
−
Ψ)dx +
x(Ψ∗
−
Ψ) ∂x
∂x
2m |
∂x {z ∂x } −∞
=0
(weil Ψ → 0, x → ±∞ )
d<x>
ih̄
=−
dt
2m
Z
Ψ∗
ih̄
∂Ψ
dx +
∂x
2m
|
ih̄
2m
Z
∂Ψ∗
dx
∂x }
{z
Ψ

↓


 R ∞ ∂Ψ ∗
∗ ∞ 
−
Ψ
dx
+
ΨΨ
−∞

−∞ 
∂x
| {z }
=0
d<x>
ih̄
=−
dt
m
10
Z
∞
−∞
Ψ∗
∂Ψ
dx
∂x
Es ist nicht die Geschwindigkeit des Teilchens, es ist ”die Geschwindigkeit”des
Mittelwertes.
Postulat: (Beweis später) Mittelwert der Geschwindigkeit
< v >=
=⇒
Impuls
d<x>
dt
R
< p >= m < v >= −ih̄ (Ψ∗
Wir schreiben < x > und < p > um:
<x> =
Z
Z
∂Ψ
)dx
∂x
Ψ∗ · x · Ψdx
∂
) · Ψdx
∂x
x̂ = x (Ortoperator)
∂
(Impulsoperator)
p̂ = −ih̄
∂x
<p> =
Ψ∗ · (−ih̄
Um den Mittelwert zu berechen machen wir ein “Sandwich”:
Z
Ψ∗ · (Operator) · Ψdx
Alle klassischen Grössen kann man durch Impulsen und Koordinaten darstellen.
z.B.: Energie: T =
mv2
2
=
p2
2m
~ = ~r × p~
Drehimpuls: L
Dann, für alle Grössen Q(x, p):
< Q(x, p) >=
Z.B.:
R
(Natürlich nicht in einer Dimension)
Ψ∗ · Q̂(x, −ih̄
<T > =
Z
Ψ∗
h̄2
= −
2m
h 1
2m
Z
∂
) · Ψdx
∂x
· (−ih̄)2
Ψ∗
Zeitliche Ableitung des Impulses
11
∂2Ψ
dx
∂x2
Beweis später !
∂2 i
Ψdx
∂x2
Z
∂Ψ
)dx
∂x
Z
d<p>
∂Ψ
∂
= −ih̄
(Ψ∗
)dx
dt
∂t
∂x
∂
∂Ψ
∂ ∂Ψ
∂ ∂Ψ
∂Ψ∗ ∂Ψ
∂Ψ∗ ∂Ψ
(Ψ∗
)=
+Ψ∗ (
)=
+Ψ∗ (
)
∂t
∂x
∂t ∂x
∂t ∂x
∂t ∂x
∂x ∂t
< p >= −ih̄
(Ψ∗
#
"
"
i
i
ih̄ ∂ 2 Ψ
ih̄ ∂ 2 Ψ∗
∗ ∂Ψ
∗ ∂
+
V
Ψ
+
Ψ
− VΨ
= −
2
2
2m ∂x
h̄
∂x
∂x 2m ∂x
h̄
"
#
#
ih̄
∂
∂ 3 Ψ ∂ 2 Ψ∗ ∂Ψ
∂Ψ
i
=
− Ψ∗ (V Ψ)
Ψ∗ 3 −
+
V Ψ∗
2
2m
∂x
∂x ∂x
h̄
∂x
∂x
Erste [·] verschwindet bei der Integration:
Z "
Ψ
∗∂
3Ψ
∂x3
#
dx −
Z "
∞
#
2 ∂ 2 Ψ∗ ∂Ψ
∗ ∂ Ψ
−
dx
=
Ψ
∂x2 ∂x
∂x2 −∞
∂Ψ∗ ∂Ψ ∞
−
+
∂x ∂x −∞
Z
Z
∂Ψ∗ ∂ 2 Ψ
dx
∂x ∂x2
∂Ψ∗ ∂ 2 Ψ
dx = 0
∂x ∂x2
Berechnen wir zweite [·]:
V Ψ∗
⇒
∂Ψ
∂Ψ
∂V
∂V
− Ψ∗ V
− Ψ∗
Ψ = −Ψ∗
Ψ
∂x
∂x
∂x
∂x
d<p>
i
= −ih̄
dt
h̄
Z
−Ψ∗
D ∂V E
∂V
Ψdx = −
∂x
∂x
Ehrenfestsches Theorem (zur Zeit ohne Beweis):
Mittelwerte erfüllen klassische Gesetze.
12
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