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Prof. Helmuth Vetter
SE: Heidegger: Was heißt Denken
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0. Inhaltsverzeichnis
1. Kurzfassung des Inhaltes und persönlicher Kommentar
1.1.
Kurzfassung des Inhaltes von: 1. VO Abs. III-X
1.2.
Persönlicher Kommentar, eigene Gedanken
zu Heideggers Gedanken/Denken
2. Korrektur zum letzten Protokoll
3. Wiedergabe und Diskussion
4. Wichtige Begriffe bei Heidegger
Martha Sulz
Protokoll v. 29. 3. 2004
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1. Kurzfassung des Inhaltes und persönlicher Kommentar
1.1. Kurzfassung des Inhaltes von: 1. VO Abs. III-X:
Es geht in diesen Absätzen um die Art des Denkens, das Heidegger (= H.) meint,
wenn er von Denken spricht. Um uns dabei auf den Weg zu führen, spricht er zuerst von
der Art Denken, die er nicht meint, wenn er von Denken spricht, und rekurriert dabei auf
die abendländische Tradition und ihren Begriff vom Menschen und vom Denken – also auf
die Geschichte des Denkens.
Im weiteren Verlauf warnt er vor der abendländischen Tradition von Denken, ohne
ihre Errungenschaften schmälern zu wollen. Es scheint ihm nicht um bloßes
„Schlechtmachen“ und Warnen zu gehen, sondern um ein Weitergehen auf dem Weg des
Denkens bzw. zu denken, das eine Umkehr und Rückbesinnung, das „Andenken“ des
Bedenklichsten bedeutet, das sich uns stets entzieht und auf dem Zug dazu wir uns
befinden, wenn wir in seinem Sinne denken, was uns zu denken gibt.
1.2. Persönlicher Kommentar, eigene Gedanken zu Heideggers
Gedanken /Denken:
Die Art und Weise, wie H. uns seine Gedanken nahe bringt, ist die des Denkens,
das er meint, wenn er von Denken spricht. Er bringt uns nicht das bloße Resultat seiner
Überlegungen, sondern lässt uns an seinem Denken und seinen Gedankengängen
teilhaben – und mehr als das: Er lässt uns so denken, wie er Denken versteht; Er
verführt uns dazu, so zu denken, indem er über das spricht, was zu denken gibt.
Diese Art des Denkens scheint in der Tat heutzutage ungewöhnlich. Wir sind es
gewöhnt, Denkresultate präsentiert zu bekommen, um uns selbst das Denken zu ersparen. Wir müssen uns nur merken und die ausgetretenen Gedankenpfade nachgehen.
Es scheint nur auf den ersten Blick interessant, in Wahrheit aber langweilig, auf alle Fälle
jedoch einfach zu sein – es weckt nicht unser echtes Inter-esse. Es ist die Art von
Denken, die er meint, wenn er die Wissenschaften anspricht: Bestimmte Gedankenwege
werden beschritten, um sie für alle leicht begehbar, verwendbar, befahrbar zu machen
(siehe Autobahn) – möglichst schnell und leicht, damit schnell ein Ziel erreicht wird, ein
neues Produkt auf den Markt kommt, das für alle - in unserer Gesellschaft, die anderen
sind ausgegrenzt - erschwinglich sein soll (siehe Ziel). Eine Verlagerung vom Weg zum
Ziel, vom Weggedanken zum Zweckgedanken (Ziel-) scheint stattgefunden zu haben.1
Wichtig ist nicht, wie ich hinkomme, sondern dass ich möglichst schnell dort bin. Wozu
das gut sein soll? Ich suche mir ein neues Ziel, zu dem ich versuche, möglichst schnell
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Analog zum Weggedanken versus Ziel-/Zweckgedanken könnte man den Unterschied ziehen zwischen:
Weggedanke: etwas tun, weil es für mich erfüllend ist und ich es aus etwas heraus hingezogen zu etwas tue, was
mir wichtig und wertvoll ist. D. h., der Weg ist wichtig, der zu einem Ziel führt, zu dem ich mich hingezogen
fühle, weil etwas in mir darauf anspricht; Ziel-/Zweckgedanke: etwas tun, weil ich damit ein bestimmtes Ziel
erreiche, einen Zweck erfülle, wobei das Wie nicht wichtig ist. (diese Gedanken zum Thema „Erfüllung/Erfolg
sind zu finden in der Existenzanalyse bei V. Frankl u. A. Längle, z. B. Längle: „Sinnvoll leben“ 1987)
„Erfolg“ ist aber etwas, was „erfolgt“, (vgl. Längle 1987, S. 82-102) nicht, was gemacht wird, obwohl es in der
heutigen Zeit fast anders erscheint, anders propagiert und in diversen Kursen und Seminaren zu
Unternehmungsführung und Ähnlichem gelehrt wird.
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hinzugelangen. (siehe Begriff „Konsumgesellschaft“) Wozu will ich überhaupt hin? Wozu
bin ich dann dort? Habe ich nicht das versäumt, was ich auf dem Weg hätte erleben
können? Dazu passen folgende Gedanken Heideggers, die sinngemäß wiedergegeben
seien: Wer das Risiko eines Umweges nicht eingeht, der lebt nicht echt. und „Das
eigentliche Gewesensein nennen wir das Leben!“ –Obig genannte Fragen sind die Fragen,
die wir uns nicht stellen, die uns zu stellen aber wichtig wäre, weil wir uns auf diese
Weise rückholen könnten aus dem Abfall in das eigene faktische Leben, der Gefahr des
Verfallens eine Rückholbewegung entgegensetzen würden.
Wenn wir also nun denken: Was meint H. nun eigentlich? Warum spricht er so
kompliziert? Warum führt er so lange aus? Warum holt er so lange aus? Warum führt er
uns zurück zu einer Art des Denkens, die anstrengend und nicht interessant ist? Warum
sagt er nicht einfach, was er meint? – So müssen wir sagen: Weil er zurückholen will sich, uns, die Gesellschaft - zum Denken dessen, was uns zu denken gibt, dem
Bedenklichen. Und auf diesem Wege der Rückholung versucht er, Lehrer zu sein, Lehrer
des Denkens, das er meint, wenn er von Denken spricht.
In dieser Art des Denkens spielt die Geschichte eine wesentliche Rolle. Der
geschichtliche Mensch solle frei werden, sagt H. Dazu muss er aber seine Geschichte
kennen, in ihr stehen und gehen, sich frei in ihr bewegen können, den Maßstäben,
Zielen, Antrieben und Mächten gegenüber offen stehen können, was sich in Gestalt des
Lenkens, Handelns, Gestaltens ausdrückt. Wenn wir das Denken, das H. meint, lernen
wollen, müssen wir uns auch mit der Geschichte des Denkens befassen, da es etwas
„Gewordenes“ ist und von uns nur aus dieser „Gewordenheit“ heraus verstanden werden
kann.
Heideggers Vorlesungsinhalt berührt also mehrere Ebenen gleichzeitig. Er ist
Lehrer im doppelten Wortsinn:
indem er einerseits auf der inhaltlichen Ebene die Art des Denkens zu vermitteln
versucht, die er meint, wenn er von Denken spricht;
indem er andererseits dies auf eine Weise tut, die uns dieses Denken, während
wir ihm und seinen Ausführungen bzw. Anregungen mit höchster Aufmerksamkeit
und Denkaktivität folgen (müssen/mögen), zu lehren versucht.
Er lädt uns ein, das Denken zu lernen, indem er uns einlädt, seinen Gedankengängen zu
folgen, und will uns zu einem Gedanken hinführen.
2. Korrektur zum letzten Protokoll:
Das faktische Leben neigt laut H. zum Abfall, zur Selbstverkennung.
Den Abfall von sich selbst bezeichnet H. als die Uneigentlichkeit.
Das Sein zum Tode sieht er als die Eigentlichkeit.
3. Wiedergabe und Diskussion:
III: Böswillig könne man III als „Geschwätz“ bezeichnen, so Vetter (=V), aber eine
ganze Tradition und Heideggers (=H) Auseinandersetzung mit der Tradition stünden
dahinter.
Und darum geht es in III: H. steigt in die Überlieferung des europäischen Denkens ein,
das von der „ratio = Vernunft“ her bestimmt ist, und geht auf eine bestimmte Tradition
ein, welche da ist:
Vernunft entfaltet sich im Denken.
Auf diese Art des Denkens will H. nicht hinaus, er versteht Denken anders.
Hintergründe bzw. Ausführungen Vs.: Wo sich Denken als Vernunft entfaltet, wird der
Mensch bestimmt als „animal rationale“ (lat.) bzw. als „zoon logon echon“ (griech.)
Aristoteles schreibt in seinen „Abhandlungen über Politik“ (1. Buch, 2. Kap.), unter allen
Lebewesen habe nur der Mensch den Logos, die Vernunft. D. h. das Lebewesen
„anthropos“ unterscheidet sich von anderen durch das „Haben der Vernunft“. In der Art
von Denken bzw. Menschenverständnis wird der Mensch als das vernunftbegabte Tier
angesehen, das etwas hat, worüber es verfügen kann (zoologische Definition vom
Menschen).
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H. geht auf eine ganz andere Möglichkeit des Denkens ein mit III/4-6:
„Als das vernünftige Lebewesen muß der Mensch denken können, wenn er nur
will. Indes will der Mensch vielleicht denken und kann es doch nicht.“ H. meint, gerade
deshalb könne der Mensch nicht denken, weil er die Vernunft habe. Sie versperre ihm die
Möglichkeit zu denken, die Möglichkeit, er selbst zu sein. Als vorläufige Begründung
bringt H., III/6-7: „Am Ende will er bei diesem Denkenwollen zu viel und kann deshalb zu
wenig.“ Vielleicht werde es erst „am Ende“ der Epoche der Neuzeit (Nietzsche stehe als
Name dafür) sichtbar, warum der Mensch nicht denken kann. Der Keim für dieses
Menschenverständnis liege in der Metaphysik, setzt V. auseinander.
V. merkt noch an, dass H., wenn „der Mensch“ als „animal rationale“ gemeint ist,
von „der Mensch“ oder „er“ spricht. Wenn er von „wir“ spricht, lässt H. offen, was mit
„Mensch“ gemeint ist. (in Analogie zu einem Gedicht Hölderlins, der darin auch die Frage
danach stellt, wer „wir“ sind;)
In seiner Hölderlin-Vorlesung setzt sich H. ebenfalls mit der Frage auseinander
„Was ist der Mensch?“ und meint, es wäre einfach, wenn es von dem her bestimmt wäre,
was „wir“ tun. Aber: Wissen wir, wenn wir wissen, was wir sind, WER wir sind? Wissen
wir dann, wie wir in unserer Geschichte stehen?
Die Fähigkeit zu denken wird also durch die Auslegung begründet, der Mensch sei
das „animal rationale“, welches die Möglichkeit des Denkenwollens in sich enthält. Diese
Definition geschieht, indem die nächst höhere Gattung (in diesem Fall „animalitas“) und
dann die Art (in diesem Fall „ratio“) angegeben wird. „animalitas“ ist die Tierheit, das
„animal rationale“ folglich das denkende Tier.
H. bezieht sich an dieser Stelle auf R. M. Rilke und den Anfang der 8. Duineser
Elegie: „Mit allen Augen sieht die Kreatur das Offene. Nur unsre Augen sind wie
umgekehrt und ganz um sie gestellt als Fallen, rings um ihren freien Ausgang.“(Rilke:
„Die Gedichte“ 1986; Insel) Rilkes Hintergrund ist Nietzsche. Der Mensch wird gesehen
als: das den Dingen Fallen stellende, auflauernde Tier.
H. sagt, Nietzsche habe die letzte Konsequenz aus dem vorgestellten
abendländischen Verständnis vom Menschen gezogen. H.: Der bisherige Mensch sei zwar
ein Tier, aber das in seinem Wesen noch nicht festgestellte Tier.
Die Aufgabe sei es daher, das Wesen der das Tier „Mensch“ bestimmenden Ratio
entscheidend zu fassen, d. h. den Menschen (neu) zu definieren, denn das Wesen der
Vernunft und der Subjektivität sei nicht das bloße Denken oder der Verstand, sondern
nach Nietzsche (=N) der „Wille“, denn im Willen vollende sich die Subjektivität. N. sagt,
der Mensch sei ein Tier neben anderen (, nämlich eben „das den Dingen Fallen stellende,
auflauernde Tier“). D. h.: N. summiert den Menschen unter die Art Tier. N. führt in
„Jenseits von Gut und Böse“, § 62, aus, es gebe bei den Menschen wie bei jeder Tierart
einen Überschuss von Missratenen, Entarteten, Gebrechlichen, notwendig Leidenden; Die
gelungenen Fälle stellten die spärlichen Ausnahmen dar.
Daraus folgt, dass der Mensch als das krankhafte Tier angesehen wird, weil er
immer noch unter dem Fluch der Sinnlosigkeit des Leidens leidet.
Bei N. ist also die „ratio“ die Folge der „animalitas“ und steht in deren Dienste;
Der Mensch wird als Tier beschrieben. H. sagt, es sei eine Illusion der Metaphysik, dass
der Mensch vom Denken her bestimmt sei. D. h. in dem Satz „Indes will der Mensch
vielleicht denken und kann es doch nicht.“ drückt H. aus, dass der Mensch es nicht kann,
weil das Denken in besagter Tradition nicht das freie ist, sondern im Dienste der Tierheit
steht. Es geht also nicht um das „private Unvermögen“ des Menschen, sondern um eine
prinzipielle Entscheidung des Menschen in der Epoche der Metaphysik.
(In diesem Sich-Wehren gegen eine vorschnelle Definition des Menschen vom Tier
her zeigt H. eine Nähe zu Max Scheler. Das Tierische werde damit aber nicht abgewertet,
sondern nur dadurch die Möglichkeit geschaffen, Pflanzliches und Tierisches als bloß
Lebendiges freizugeben, damit es in seiner Wunderbarkeit sein könne.)
Zum Zusammenhang von Wollen u. Können, III/6-7:
Man könnte den sachlichen Einwand bringen, das Denkenwollen habe viel an Kenntnissen
und Fertigkeiten (durch Listigkeiten) gebracht. Nietzsche meint, die „List“ hänge mit der
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Gefährdung des Menschen zusammen, denn der Mensch sei kränker u. unsicherer als
irgendein Tier sonst. Der Mensch sei „das“ kranke Tier u. suche Orientierung (wegen der
Gefährdung) anders als Tiere, die in ihre Instinkte eingebettet seien. Gerade aufgrund
seiner Gefährdung sei der Mensch ein mutiges und reiches Tier, sei er der große
„Experimentator mit sich“, der „Unbefriedigte, Ungesättigte“.
N.: Genealogie der Moral, Bd. 5/S. 367: Hybris sei heute unsere ganze Stellung
zur Natur, unsere Naturvergewaltigung (entspricht der transzendentalen Idee von der
Welt, vom Kosmos) , unsere Stellung zu Gott (entspricht der transzendentalen Idee von
Gott), zu Zweck- und Nützlichkeitsspinne, die hinter allem stehe. Hybris sei unsere
Stellung zu uns (entspricht der transzendentalen Idee von der Seele). Nietzsche sieht
den Menschen von der Hybris her bestimmt. Er durchbricht ein Tabu. Bei Hesiod (Verse
214-218) ist die Hybris böse, führt ins Verderben und in die Verblendung. Die
Besonnenheit stellt das Gegengewicht zur Hybris dar; Wer besonnen ist, achtet auf das
Gleichgewicht in der Natur. In der Antike war die Furcht vor der Hybris
selbstverständlich. Hybris ist Gewaltanwendung, und in der Neuzeit tritt nach H. die
Hybris in das Licht.
Die Auslegung des Menschen als „animal rationale“ ist gerade das, was laut H. ihn
daran hindert zu denken, gleichwohl wenn er will. Die antike Stellung gegenüber der
Hybris war z. B. in der Medizin programmatisch dadurch orientiert, das sie versuchte,
fehlendes Gleichgewicht wiederherzustellen. Dies bedeutet keine Schelte an der neuen
Naturwissenschaft. Bd. 8 bei H.: Wissenschaft denkt nicht.
Es stellt sich die Frage, ob ein Rückgang überhaupt noch möglich ist oder eine
Flucht darstelle. Die griechische Naturerfahrung ist uns nicht mehr möglich. Was uns
jedoch möglich ist, ist, die wissenschaftliche Erfahrung der Neuzeit in lebensweltliche
Erfahrung zu fundieren, auf den Boden von Leben und Sterben zu stellen.
III/10-11: „Denn wir vermögen nur das, was wir mögen.“
Die Haltung des Könnens ist vom Nutzen her bestimmt. Sie ist die Haltung der
„animalitas“, der Tierhaftigkeit, nämlich sich der Dinge zu bemächtigen, Nutzen aus
ihnen zu ziehen. „Vermögen“ hat im Gegensatz dazu die Bedeutung, etwas herzustellen,
was H. auf das Mögen zurückführt. (s. Begr. Philosophie: Liebe zur Weisheit)
In Bd. 51 schreibt H. über die Stellung zu den Dingen, die auf 2 Arten möglich sei:
1. Das Kriterium ist das, was wir brauchen. – primäre Einstellung
2. Maß ist, was an uns, den geschichtlichen Menschen, Ansprüche stellt.
Ad 1. Bedürfnisse sind allen Lebewesen eigen, gleich: sich ernähren, die Art erhalten;
Sofern sich der Mensch den Bedürfnissen ausliefert, bemächtigt sich seiner die Unruhe
des fortwährenden Brauchens (s. Begriff „Konsumgesellschaft“ bei H.) u. der Mensch
unterwirft sich darin der Unruhe und dem Zwang des bloßen Lebens. In dieser Haltung
plant und rechnet er.
Ad 2. Der Mensch rechnet nicht unter dem Zwang der Bedürfnisse, er rechnet überhaupt
nicht, sondern bedenkt jenes Wesentliche aus der Beschränkung auf das Wesenhafte.
Der Bezug zum Wesenhaften des geschichtlichen Menschen kann nur im Wesenhaften
selbst den Ursprung haben. In der Beschränkung auf das Wesenhafte werden die
Bedürfnisse zurückgenommen, was uns frei macht für Ansprüche, die eine Antwort
verlangen.
H. verneint nicht den Nutzen, sondern die primäre Einstellung auf die Bedürfnisse.
Eingespannt in die Bedürfnisse frage man sich, wozu es noch gut sein soll, was es für
einen Sinn haben solle. Es sei ein lebenslanges Lernen, sich dem Zwang der Bedürfnisse
(... der Wirtschaft z. B., s. Begriff „Wegwerfgesellschaft“ bei H.) nicht zu unterwerfen.
Der „geschichtliche Mensch“ solel frei und offen werden für die Ansprüche, um sich von
ihnen treffen zu lassen, sich auf sie einzulassen und nachzudenken darüber, was ist.
Ansprüche, die aus der abendländischen Geschichte auf uns zukommen, fordern
uns in der Auslegung heraus zu fragen, ob das Selbstverständliche noch
selbstverständlich sei.
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III/11-17: „Was uns in unserem Wesen hält,...“
meint, wodurch unser Wesen bis jetzt bestimmt wurde – nämlich als „animal
rationale“. Wir behalten es, wenn wir es nicht aus dem Gedächtnis lassen. Das Denken,
worauf das Denken zugeht, ist ein anderes Denken. Das Denken versammelt sich auf
das, was uns hält.
H. unterscheidet an dieser Stelle implizit zwischen Geschichte und Historie. Nur
der Mensch hat Geschichte. Sie spricht sich dem Menschen zu. Nur der Mensch steht
Zielen, Maßstäben, Antrieben, Mächten gegenüber offen. Der Sinn eines Geschehens
aufgrund einer Entscheidung ist Geschichte. Zugrunde liegt nämlich eine bestimmte Art
des Selbstverständnisses des Menschen.
„Mögen“ bedeutet, etwas in seiner Herkunft sein zu lassen, was es ist. Der Hl.
Augustinus sagte: „Ich liebe, das heißt ich will, dass du seiest.“ Mögen bedeutet,
jemanden zu nehmen, wie er ist, sich einzulassen, nicht „wegzulassen“.
In der Neuzeit sei laut H. eine bestimmte Auslegung des Menschen zur Herrschaft
gekommen, die von N. in der äußersten Konsequenz ausgeführt wurde. Die Technik, die
Hybris, Experimente gehörten dazu.
Heideggers Verständnis von Denken geht über bestimmte Fähigkeiten des
Menschen hinaus und betrifft den gesamten Menschen.
IV:
Fasst kurz den III. Abs. u. leitet zu Abs. V über.
Das Bedenkliche gibt von sich her zu denken und wird zur Gabe, die gibt: nämlich
V:
zu denken.
Denken ist ein Sich-sagen-lassen dessen, was sich zeigt.
„Das Bedenklichste ist, dass wir noch nicht denken.“
H. verweist auf den Weltzustand, der zur Entstehung der Vorlesung (V.) von der
Zeit des Kalten Krieges, der Hochrüstung und dem atomaren Wettlauf geprägt war. Es
war die Zeit, in der erstmals versucht wurde, sich die Atomenergie friedlich nutzbar zu
machen.
Der von H. angenommene Einwand „besser handeln statt reden“ mag laut V.
daher rühren, dass auf dem Kongress 1947 in Moskau der letzte und gescheiterte
Versuch stattgefunden hatte, Deutschland doch noch als einen Staat (zusammen-)zuführen.
VI:
VII: Hier richtet sich Hs. Polemik gegen das, was unter Philosophie allgemein
verstanden wird. Sie ist im 19 Jh. zum Gegenstand der Kulturpolitik geworden, zur
„Kuriosität“. Durch Satre war die Philosophie zu Hs. Zeit populär geworden. Das Wesen
der Wahrheit ist zum Fraglosesten und folglich zum Gleichgültigsten geworden, weil es
nur mehr um Berechnung geht. H. ist nicht der Ansicht, dass sich unter diesen
Voraussetzungen das Denken in der Philosophie abspielt. Insofern gilt für ihn der 2. von
ihm vorweggenommene Einwand nicht, dass Handeln wichtiger als Denken/Reden sei,
weil seines Erachtens noch kein „richtiges Denken“ – in seinem Sinn – stattfindet.
„Philosophie“, was eigentlich „Liebe zur Weisheit“ bedeutet, sei nur mehr ein Name.
VIII: Überleitung v. Abs. VII zu IX;
Interesse: Dazu gibt es laut H. 2 Haltungen:
Die 1. sei dadurch charakterisiert, dass mir etwas an einer Sache gelegen ist, d. h.
dass ich an dieser Sache „teilnehme“;
die 2. – z. B. von Nestroy in seinen Figuren repräsentiert – dadurch, dass etwas
interessant, kurios ist und ich nur so lange dabei bleibe, bis es von Neuem überboten
wird. H. nennt diese Haltung in § 36 von „Sein und Zeit“ (H. 2001, Niemeyer, S. 170173): „Unverweilen beim Nächsten“(S. 172). Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass ich
nicht „in die Nähe“ von etwas komme. H. bezeichnet diesen „Modus des In-der-WeltIX:
Prof. Helmuth Vetter
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seins“ als „Neugier“ und spricht von der „Aufenthaltslosigkeit“ des Menschen. (S. 173)
„curiositas“ = neugierig sein, verfallen an das jeweils Interessante. Folglich ist alles
gleich-gültig, weil es grad interessant ist und abgelöst wird. Daraus resultiere eine „tiefe
Langeweile“ im Gegensatz zum bloßen Langweilig-sein. (WS 29/30 + Bd. 29/30)
H. würdigt die philosophie-historische Forschung; Sie ist für ihn jedoch noch nicht
X:
bzw. nicht gleich Philosophie. H. weiß laut V., wovon er spricht, denn er beteiligte sich
selbst an dieser Forschung, was den Nachlass v. Scheler (WS 28/29) und v. Nietzsche
(WS 36-42) betrifft.
V.: Heideggers Anspruch sei fundamentaler:
Es gehe um die Zukunft des Abendlandes.
4. Wichtige Begriffe bei Heidegger:
das Bedenkliche: was uns zu denken gibt; was in sich das zu-Bedenkende ist
das Bedenklichste: ... ist, dass wir noch nicht denken
die Geschichte: Sinn des Geschehens als Geschichte; was mit uns geschieht aufgrund
einer Entscheidung - nämlich über eine bestimmte Art des Selbstverständnisses des
Menschen; den Begriff der „Geschichte“ stellt er dem Begriff der „Historie“ gegenüber;
Historie: die Art des Erkennens;
Gedächtnis: die Versammlung des Denkens, das Andenken; das, worauf das Denken
zugeht;
V/vermögen: nicht das bloße „Können“ ist gemeint im Sinne der Nutzung von
Fähigkeiten zu einem bestimmten Zwecke, sondern das „V/vermögen“, das aus dem
Mögen kommt; Es bedeutet, etwas herzustellen.
H.: „Wir vermögen nur das, was wir mögen.“
(s. Begr. „Philosophie“, der übersetzt soviel bedeutet wie: „Liebe zur Weisheit“)
Mögen: etwas in seiner Herkunft sein lassen, was es ist;
Versammlung: sich auf etwas versammeln, Logos ist dahinter;
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