EmotionalEs lErnEn

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Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich
Departement 2 / Studienschwerpunkt Psychomotorik 06/09
Wissenschaftliche Arbeit: Bachelor-Arbeit
Emotionales Lernen
unter neurowissenschaftlichen Aspekten
Eingereicht von: Barbara Mani
Begleitung: Kristin Egloff Lehner
Datum der Abgabe: Februar 2009
ABSTRACT
Abstract
In dieser Arbeit werden neurologische Erkenntnisse, mit dem Fokus auf das emotionale Lernen,
erarbeitet und erläutert. Auf diesen Erläuterungen basiert die Beantwortung der Frage, wie neurowissenschaftliche Erkenntnisse im Bezug auf emotionales Lernen in die therapeutische Arbeit
der Psychomotoriktherapeutin einfliessen können. In Ergänzung zu den schriftlichen Abhandlungen wird der beschriebene Prozess durch eine grafische Darstellung visualisiert. Zur Unterstützung für die therapeutische Arbeit im Bezug auf das emotionale Lernen werden konkrete
Merkpunkte vermittelt. Ein empirischer Exkurs geht anschliessend auf die aus der Fragestellung
abgeleitete Vorannahme ein, dass der aktuelle Umgang mit dem Thema emotionales Lernen auf
intuitiven, beziehungsweise unbewussten therapeutischen Handlungen basiert.
INHALTSVERZEICHNIS
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort
1
1
2
2
3
3
3
3
4
5
Einleitung
1.1 Ausgangslage
1.2 Fragestellung
1.3 Vorannahme
1.4 Ziele der Arbeit
1.5 Auf was bezieht sich die Arbeit nicht?
1.6 Strukturierung der Arbeit
1.7 Grafische Darstellung der Arbeit
2 Theoretische Grundlagen 2.1 Relevante Hirnstrukturen
6
7
2.2 Limbisches System
8
2.2.1 Amygdala
2.2.2. Mesolimbische System 2.2.3 Hypothalamus
2.2.4 Hippocampus
2.2.5 Wie funktioniert das limbische System? 9
9
9
9
10
2.3 Emotionen
11
2.3.1 Definition der Emotionen
11
2.3.2 Emotionale und soziale Intelligenz
2.3.2.1 Emotionale Intelligenz
2.3.2.2 Soziale Intelligenz
11
11
13
2.3.3 Emotion – Kognition
14
2.3.4 Emotionale Reaktion 2.3.4.1 Oberer Pfad
2.3.4.2 Unterer Pfad
14
15
15
2.3.5 Zusammenspiel der Pfade und deren Neubewertung
16
2.3.6 Neuronale Stärkung und assoziative Netze
16
2.3.7 Aufbau neuer Verhaltensstrategien
2.3.7.1 Vier-Stufen-Modell «SOCS»
2.3.7.2 Life-Skills-Programm
17
17
17
2.4 Persönlichkeit 18
18
18
2.4.1 Definition der Persönlichkeit
2.4.2 Bildung der Persönlichkeit
INHALTSVERZEICHNIS
2.4.3 Die Verankerung der Persönlichkeit im Gehirn
2.4.3.1 Untere limbische Ebene
2.4.3.2 Mittlere limbische Ebene
2.4.3.3 Obere limbische Ebene
19
20
20
20
2.5 Spiegelsystem
21
21
21
23
23
23
24
2.5.1 Spiegelneuronen
2.5.2 Hirnstrukturen des Spiegelsystems
2.5.3 Resonanz der Spiegelneuronen
2.5.4 Erwerb des Spiegelsystems
2.5.5 Spiegelresonanz
2.5.6 Schemata und internes Arbeitsmodell
2.6 Motivationssystem
25
2.6.1 Definition des Motivationssystems
25
2.6.2 Funktion der Neurotransmitter
2.6.2.1 Dopamin
2.6.2.2 endogene Opioide
2.6.2.3 Oxytozin
26
26
27
27
2.6.3 Das Zusammenspiel der Neurotransmitter Oxytozin & Dopamin 27
2.7 Beziehung
28
28
2.7.1 Das Gelingen einer Beziehung
3 Ergebnisse aus der Literaturstudie 3.1 Emotionales Lernen
29
29
3.2 Herleitung: Voraussetzung des therapeutischen Handelns
31
31
31
31
3.2.1 Beziehung
3.2.2 Spiegelresonanz und Spiegelneuronen (Spiegelsystem)
3.2.3 Motivationssystem
3.3 Herleitung: Umsetzung des therapeutischen Handelns
32
32
32
32
33
3.3.1 Persönlichkeit
3.3.2 Limbische Ebenen
3.3.3 Emotionale Reaktion 3.3.3.1 limbischen Ebenen und emotionale Reaktion
3.4 Therapeutische Interventionen
34
34
37
37
37
39
39
3.4.1 Voraussetzung des therapeutischen Handelns 3.4.2 Umsetzung des therapeutischen Handelns 3.4.2.1 Ausgangslage der Therapeutin
3.4.2.2 Ablauf
3.4.2.3 Erwerb von Verhaltensstrategien
3.4.2.4 Neuronale Stärkung und Assoziative Netze
INHALTSVERZEICHNIS
4
Empirischer Exkurs
4.1 Methodisches Vorgehen
4.2 Stichprobe
4.3 Beobachtungsergebnisse
4.4 Beantwortung der Vorannahme
41
41
41
41
43
5 Beantwortung der Fragestellung
44
6 Schlussfolgerungen
46
46
46
47
47
48
6.1 Die wichtigsten Resultate
6.2 Neurowissenschaften und Psychomotorik
6.3 Intuitiv oder unbewusst?
6.3 Ausblick
6.4 Mögliche Eingrenzungen
7 Literaturverzeichnis
49
8 Tabellen und Abbildungsverzeichnisse
50
9 Anhang
51
VORWORT
Vorwort
Während der gesamten Dauer des Verfassens dieser Arbeit stand die grosse Faszination und
Motivation, neurowissenschaftliche Erkenntnisse zu erforschen, zu verstehen und in die Psychomotoriktherapie zu transferieren, spürbar im Vordergrund. Das erworbene Wissen und die daraus
entstandenen Fragen führten und führen bei mir zu weiterer Neugier und zu noch grösserem
Interesse für die Neurowissenschaft in der Psychomotorik.
Zu dieser Motivation haben verschiedenen Personen, die mich während dem Erstellen dieser
Arbeit auf irgendeine Art unterstützt und begleitet haben, einen grossen Beitrag geleistet. An
dieser Stelle möchte ich mich bei all diesen Personen herzlich bedanken.
Ein besonders grosses Dankeschön spreche ich Kristin Egloff aus, die bei mir für die fachliche
Begleitung der Arbeit zuständig war. Sie liess mich an ihrem kompetenten und sehr umfassenden neurologischen Wissen teilhaben und vermag mit einer grossen Begeisterung komplexe
neurologische Zusammenhänge in einer praktischen Form für die Psychomotoriktherapie wiederzugeben. Ihr verdanke ich die Achtsamkeit die sich bei mir gegenüber dieser Wissenschaft
entwickelt hat.
Im Weiteren bedanke ich mich ganz herzlich bei Mireille Audeoud, die mich in methodischen
Belangen unterstützt hat, bei Ruth Gauch, die mir Einblick in ihre therapeutische Arbeit gewährte,
bei Claudia Häfliger, die mich in grafischen Anliegen unterstützte und bei Ueli Hug, der die
Arbeit gegengelesen hat.
EINLEITUNG
1 Einleitung
In der Einleitung werden Themen wie Ausgangslage, Fragestellung und Vorannahme, Ziele der
Arbeit und Strukturierung der Arbeit dargelegt. Es wird auch erwähnt auf welche Themen und
Bereiche sich diese Arbeit ausdrücklich nicht bezieht. Zum Schluss der Einleitung wird anhand
einer grafischen Darstellung die Arbeit visuell dargestellt und kurz erläutert.
Der erlebten Realität der Verfasserin entsprechend werden in der vorliegenden Arbeit ausschliesslich die Begriffe Psychomotoriktherapeutin und Psychomotoriktherapeutinnen verwendet. Selbstverständlich sind dabei auch die männlichen Pendants miteingeschlossen.
Wann immer der Begriff der Therapeutin auftaucht, ist damit eine Therapeutin der Psychomotorik gemeint. Dasselbe gilt für den Begriff ‹Kind›, worunter immer ein Kind verstanden wird, das
die Psychomotoriktherapie besucht.
Die Quintessenz des therapeutischen Handelns in Bezug auf das emotionale Lernen basiert
auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen. Dabei ist zu beachten, dass die Arbeit aus der Perspektive und dem Wissen einer Psychomotoriktherapeutin geschrieben wurde. Neurologische
Inhalte wurden aus der Literaturrecherche bestmöglich verarbeitet, bestehendes Wissen aus den
Vorlesungen im Studium vertieft, erweitert und in der Arbeit wiedergegeben. In diesem Sinne
wurden die neurologischen Inhalte von einem Laien erstellt. Dies entspricht nicht dem Wissen
eines Neurowissenschafters, was es bei der Lektüre zu beachten gilt.
1.1 Ausgangslage
Eigene Erfahrungen und Beobachtungen, der Austausch mit praktizierenden Psychomotoriktherapeutinnen und Diskussionen innerhalb des Studiums liessen bei mir folgende Aussage entstehen: Fachleute meinen, dass Kinder in der Psychomotoriktherapie zunehmend Auffälligkeiten
im emotionalen und sozialen Verhalten zeigen. Zu dieser Feststellung werden Debatten geführt,
die sogar von einem sich anbahnenden Paradigmawechsel in der Psychomotorik handeln: Kinder
der Psychomotoriktherapie würden nicht mehr Auffälligkeiten im Sinne einer psychomotorischen
Störung zeigen, sondern aus psychosozialen Gründen eine Therapie zugesprochen erhalten.
Die Auseinandersetzung mit diesen teils nicht begründeten Aussagen warfen bei mir weitere
Fragen auf: Wie würde sich die Psychomotoriktherapie im Bezug auf diese emotionale und
soziale Verhaltensauffälligkeit zukünftig gestalten? Kann Zugang zu diesen emotionalen und
sozialen Verhaltensauffälligkeiten erlangt werden? Wie würden entsprechende therapeutische
Interventionen dazu aussehen? Sind Handlungsstrategien des Kindes beeinflussbar und veränderbar? Wie wird gegenwärtig mit diesem Thema in der Psychomotoriktherapie umgegangen?
Und sind die Bereiche des ‹Emotionalen› und des ‹Sozialen› überhaupt fassbar?
Daraus entstand die grosse Motivation auf diese Fragen in der Biologie des Menschen nach
Antworten zu suchen. Ich wollte in den Neurowissenschaften nach Begründungen und Ansätzen forschen die das ‹Emotionale› und ‹Soziale› fassbar machen mit dem Ziel, dass die daraus
gewonnenen Erkenntnisse die therapeutischen Interventionen bereichern und diese «neuen
Belange» die Psychomotoriktherapie in dieser aktuellen Fragestellung weiter bringt.
EINLEITUNG
1.2 Fragestellung
Um den Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht zu sprengen wurden die oben genannten Ideen
und Vorstellungen nochmals eingeschränkt und konkretisiert. Im Weiteren wird ausschliesslich
auf den emotionalen Bereich eingegangen. Jedoch ist eine klare Trennung zwischen emotionalem und sozialem Bereich kaum möglich, so dass der soziale Aspekt trotzdem gestreift, nicht
aber vertieft behandelt wird. Daraus ergibt sich folgende Fragestellung:
Wie können neurowissenschaftliche Erkenntnisse im Bezug auf emotionales Lernen in
die therapeutische Arbeit der Psychomotoriktherapeutin einfliessen?
1.3 Vorannahme
In der vorliegenden Arbeit entwickelte sich zeitgleich mit der Fragestellung folgende Vorannahme: Ohne Zweifel sind Psychomotoriktherapeutinnen in der Lage, Therapieziele bezüglich
des emotional auffälligen Verhaltens erfolgreich umzusetzen. Zum Einen kann das Erreichen
einer solchen Zielsetzung (und die entsprechende therapeutische Intervention), auf ein vertieftes Fachwissen in einem bestimmten Gebiet zurückzuführen sein. Zum Anderen, und davon
wird in dieser Arbeit ausgegangen, arbeiten die Psychomotoriktherapeutinnen im Bereich des
‹emotionalen Lernens› vorwiegend unbewusst oder intuitiv.
Es wird davon ausgegangen, dass in der Psychomotoriktherapie bereits therapeutische Interventionen zum emotionalen Lernen umgesetzt werden. Allerdings steht
offen, ob die Therapeutinnen über ein Bewusstsein zu emotionalem Lernen verfügen
oder vorwiegend unbewusst oder sogar intuitiv handeln.
1.4 Ziele der Arbeit
Die Arbeit soll der Psychomotoriktherapeutin einen Überblick über die neurologischen Zusammenhänge im Bereich des emotionalen Lernens verschaffen. Dabei soll eine Übersicht erstellt
werden, wie die Psychomotoriktherapeutin das emotionale Lernen beim Kind (neurologisch
begründet) unterstützen kann. Zudem soll aufgezeigt werden, warum gewisse therapeutische
Interventionen sehr bedeutungsvoll sind und was dies für neurologische Auswirkungen hat. Die
Erkenntnisse sollen ein neurologisches Benennen und Begründen der therapeutischen Interventionen ermöglichen. Die Therapeutin soll über ein Bewusstsein des therapeutischen Handelns
verfügen, was sich positiv auf die Therapie auswirkt.
1.5 Auf was bezieht sich die Arbeit nicht?
Die Begriffe therapeutisches Handeln sowie therapeutische Intervention werden nicht näher
definiert. Die Verfasserin versteht darunter die Inputs und Herangehensweisen der Therapeutin
an das Kind, was auch die therapeutische Haltung miteinschliesst. Ebenfalls wird nicht separat
auf die Begriffe Lernen und Verhalten eingegangen.
EINLEITUNG
1.6 Strukturierung der Arbeit
Beim Einlesen in die Literatur kristallisierten sich die untenstehenden Bereiche heraus, welche
die Grundlage des Theorieteils bilden:
Spiegelneuronen
Beziehungsaufbau
Motivation
Emotionen
Persönlichkeitsbildung
emotionales Lernen
Abbildung 1: Die Ausgangslage der theoretischen Inhalte. (eigenen Darstellung)
Daraus entstand der erste Teil der Arbeit ‹theoretische Grundlagen›. In diesem Kapitel werden die oben genannten Bereiche konkretisiert, erläutert und unter dem Begriff Aspekte in die
Arbeit aufgenommen.
Im nächsten Kapitel ‹Ergebnisse aus der Literaturstudie›, wird der Begriff emotionales Lernen
behandelt. In der bearbeitenden Literatur war keine zufriedenstellende und eindeutige Definition über emotionales Lernen aufzufinden, so dass dieser Begriff aus dem Bereich Emotionen
abgeleitet und von der Verfasserin definiert wurde. Eine kurze Zusammenfassung aller theoretischen Grundlagen, speziell auf die Psychomotoriktherapie bezogen, verschafft eine Übersicht
der neurologischen Zusammenhänge, bevor zu den therapeutischen Interventionen übergeleitet wird.
Mit dem ‹empirischen Exkurs› wird eine Möglichkeit dargestellt, wie die Vorannahme empirisch
untersucht werden könnte. Aus den theoretischen Grundlagen wurden therapeutische Voraussetzungen und Umsetzungsmöglichkeiten für das emotionale Lernen abgeleitet und dargestellt.
Die wichtigsten Erkenntnisse daraus werden in Form eines Rasters zusammengefasst. Das so
entstandene Raster dient als Beobachtungsgrundlage für den empirischen Exkurs. Anschliessend wird auf die ‹Beantwortung der Fragestellung› eingegangen. Im letzen Kapitel ‹Schlussfolgerungen› werden Konsequenzen und Schlussfolgerungen behandelt.
EINLEITUNG
1.7 Grafische Darstellung der Arbeit
Die grafischen Elemente dienen vorerst als visueller Leitfaden beim Lesen der Arbeit. An ihnen
ist zu erkennen welcher Aspekt gerade erläutert wird. Beim Spiegelsystem muss beachtet werden, dass dieser Aspekt in Spiegelresonanz sowie in Spiegelneuronen aufgeteilt ist und somit
von jeweils zwei Aspekten die Rede ist.
Die farbliche Trennung von blau und grün stellt einerseits die Therapeutin (blau) mit ihren Möglichkeiten Zugang zum Kind zu finden dar. Anderseits wird das Kind (grün) dargestellt bei dem
durch den therapeutischen Einfluss neurologische Effekte ausgelöst werden. In der Beantwortung der Fragestellung wird nochmals ausführlich darauf eingegangen.
EMOTIONALES LERNEN
Voraussetzung des therapeutischen Handelns
Beziehung
Therapeutin
Motivationssystem
emotionales Lernen
Kind
Persönlichkeit
Spiegelresonanz
(Spiegelsystem)
Spiegelneuronen
(Spiegelsystem)
Umsetzung des therapeutischen Handelns
Selbstwahrnehmung
Selbstregulierung
Aufbau von neuen
Verhaltensstrategien
emotionales Lernen
Abbildung 2: Die Inhalte der Arbeit auf einen Blick. (eigene Darstellung)
Theoretische Grundlagen
2 Theoretische Grundlagen
Bevor die Aspekte erläutert werden, wird zunächst auf relevante Hirnstrukturen eingegangen.
Von folgenden, markierten Gehirnstrukturen wird über die ganze Arbeit hinweg immer wieder
die Rede sein.
Substantia
nigra
Abbildung 3: Relevante Hirnstrukturen der theoretischen Grundlagen.
(Roth, 2007, S. 44, bearbeitet durch Barbara Mani)
Theoretische Grundlagen – Relevante Hirnstrukturen
2.1 Relevante Hirnstrukturen
Die verschiedenen Hirnzentren entwickeln sich in einer ganz bestimmten Reihenfolge. Als erstes
bildet sich der Hypothalamus, gefolgt von Amygdala und limbischen Verbindungswegen in der
sechsten und siebten Schwangerschaftswoche. Es ist ein hoch relevantes Gefüge im Bereich der
Gefühle und Emotionen. Analog zur menschlichen Entwicklung folgt nun als erstes eine Einführung ins limbische System. Dieser Teil soll als Einführung verstanden werden und wird deshalb
keinem der Aspekte zugeordnet.
Abbildung 4: Aussenansicht und Querschnitt des Gehirns.
(Goleman, 2006, S. 130, bearbeitet durch Barbara Mani)
Theoretische Grundlagen – Limbisches System
2.2 Limbisches System
«Das limbische System hat ganz unterschiedliche Funktionen, die aber alle am unbewussten
Entstehen und der Regulation von körperlichen Bedürfnissen, Affekten und Gefühlen beteiligt
sind» (Roth, 2007, S. 45). Je nach Literatur werden zum limbischen System unterschiedliche
Gehirnstrukturen gezählt. Für Roth besteht das limbische System aus Amygdala, mesolimischem
System, Hippocampus und Hypothalamus. Je nach Ansicht der Neuroanatomen wird der Hippocampus zum limbische System dazugezählt oder ausgegrenzt. In der vorliegenden Arbeit wird
er mit eingeschlossen. Von den genannten limbischen Strukturen ist der Hippocampus der einzige, der für das bewusste, deklarative Gedächtnis zuständig ist. Er ist nicht eindeutig zuzuordnen, was bereits bei dessen Entwicklung zu beobachten ist. Im Vergleich zum limbischen System, welches sich sehr früh entwickelt, reift der Hippocampus erst nach der Geburt aus und ist
erst mit dem Ende der Pubertät abgeschlossen (Roth, 2007).
Es wird nun auf die relevanten Strukturen des limbischen Systems eingegangen, insbesondere
auf diejenigen, die im sozialen und emotionalen Lernen eine grosse Rolle spielen.
Substantia
nigra
Abbildung 5: Die Farben stellen die verschiedenen Strukturen: Amygdala (blau), mesolimbische System (orange),
Hypothalamus (violett) und Hippocampus (grün) des limbischen Systems dar.
(Roth, 2007, S. 44, bearbeitet durch Barbara Mani)
Theoretische Grundlagen – Limbisches System
2.2.1 Amygdala
Die Amygdala hat einen grossen Einfluss auf Emotionen und emotionales Lernen. Sie befindet
sich am inneren unteren Rand des Temporallappens und ist mit vielen anderen Gehirnstrukturen verbunden (Roth, 2007). LeDoux (2006) vergleicht die Amygdala mit der Nabe eines Rades,
in der alle Reize zusammenlaufen. Sie erhält Inputs von sensorisch-spezifischen Regionen des
Thalamus, Informationen vom sensorisch-spezifischen Cortex und Informationen über die allgemeine Situation vom Hippocampus. Durch diese Verbindungen ist die Amygdala in der Lage, die
emotionale Bedeutung von einzelnen Reizen, aber auch von komplexen Situationen, zu verarbeiten. Goleman (2006) sagt, die Amygdala ist jedoch im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos,
da sie nicht mit dem Sprachzentrum verbunden ist.
2.2.2. Mesolimbische System
Laut Roth (2007) setzt sich das mesolimbische System aus dem ventralen tegmentalen Areal,
welches sich im Mittelhirn befindet, der Substantia nigra, welche Dopamin produziert und dem
Nucleus accumbens, welcher eine zentrale Rolle bei Sucht und Belohnung spielt, zusammen.
All diese Strukturen besitzen vorwiegend dopaminerge Zellen, was ein wichtiger Bestandteil im
Bereich der Motivation ist. Das mesolimbsiche System hat drei Funktionen (Roth, 2007):
1. E s ist ein Belohnungssystem, welches durch die hirneigenen Opiate positive Empfindungen
hervorruft.
2. Es registriert positive Konsequenzen von Ereignissen oder von unserem eigenen Handeln.
3. D urch die Ausschüttung des Botenstoffes Dopamin wird Motivation gebildet um dasjenige zu
wiederholen was zu einem positiven Zustand geführt hat.
2.2.3 Hypothalamus
Der Hypothalamus, welcher im Zwischenhirn liegt, ist das wichtigste Kontrollzentrum für biologische Grundfunktionen wie Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme, Schlaf- und Wachzustand,
Temperatur- und Kreislaufregulation, Angriffs- und Verteidigungsverhalten aber auch Entstehungsort der Triebe und Affektzustände. Er ist mit vielen verhaltensrelevanten Teilen des
übrigen Gehirns wie Hypophyse, zentrales Höhlengrau im Mittelhirn und vegetative Zentren
des Hirnstamms verbunden, die wiederum mit dem peripheren Nervensystem stark vernetzt
sind. Diese enge Verbindung von Körper und Gehirn wird bei starken Affekten wahrgenommen.
Einerseits kann Angst, als Beispiel, die Herzfrequenz erhöhen und anderseits kann eine hohe
Herzfrequenz Angst auslösen (Roth, 2007, S. 45–46).
2.2.4 Hippocampus
Gemäss Roth (2007) ist der Hippocampus ein wichtiges ‹Tor zum Bewusstsein›. «Er ist der ‹Organisator› des bewusstseinsfähigen und sprachlich formulierbaren deklarativen Gedächtnisses in
dem Sinne, dass er festlegt, welche bewusst erfahrenen Ereignisse in welcher Weise in welche
der vielen Schubladen dieses Gedächtnisses abgelegt werden» (S. 48). Der Hippocampus befindet sich zwischen dem Neocortex und dem limbischen System. Durch ihn haben wir Zugang
zu allem Erlebten. Alle Erfahrungen mit der Umwelt, mit Personen, sowie persönliche Erlebnisse sind in ihm gespeichert. Daraus formt sich das autobiografische Gedächtnis. Es hängt alles
vom Hippocampus ab, an welche Einzelheiten wir uns erinnern. «Der Hippocampus arbeitet
völlig unbewusst und dies erleben wir tagtäglich anhand der bedauernswerten Tatsache, dass
wir keinen willentlichen Einfluss auf das Erlernen und Erinnern von Gedächtnisinhalten haben»
(ebd.).
Theoretische Grundlagen – Limbisches System
10
2.2.5 Wie funktioniert das limbische System?
Über die Informationsaufnahme der sensorischen Bereiche des Thalamus erhält die Amygdala Informationen über die Umwelt und den Körper. Diese Informationen werden mit «gut»,
«schlecht», «positiv», «negativ» bewertet und mit den entsprechenden Gefühlen verbunden.
Der Hippocampus spielt dabei eine wichtige Rolle, da er an der Bildung und dem Abruf von expliziten Erinnerungen beteiligt ist. Diese abgerufenen Informationen leitet er der Amgydala weiter
und ist dadurch an der Bestimmung des emotionalen Kontexts wesentlich beteiligt. Die Amygdala leitet Impulse zum Hypothalamus weiter, dessen Aufgabe es ist die körperlichen Funktionen
zu regeln. Beispielsweise den Herzschlag zu erhöhen um den Körper in Bewegung zu setzen.
Abbildung 6: Das limbische System vergrössert dargestellt, Amygdala (Corpus amygdaloideum)
und Hippocampus sind deutlich zu erkennen. (GEO, weitere Quellenangaben unbekannt)
Theoretische Grundlagen – Emotionen
11
2.3 Emotionen
Das folgende Kapitel beschäftigt sich nach den Erläuterungen zum Begriff der Emotion mit sozialer und emotionaler Intelligenz. Dann folgt ein Teil über ‹Emotion und Kognition›, über emotio
nale Reaktion und zum Schluss werden zwei Modelle zum Aufbau neuer Verhaltensstrategien
dargelegt.
2.3.1 Definition der Emotionen
«Der Begriff ‹Emotion› ist aus dem lateinischen ‹movere› abgeleitet. … Emotion…» ist «… eine
‹Hinausbewegung›, eine Art und Weise, unseren inneren Zustand und unsere Bedürfnisse nach
aussen hin zu vermitteln» (Ratey, 2006, S. 271). Ratey sagt, dass Emotionen das Ergebnis aus
dem Zusammenspiel multipler Gehirn- und Körpersysteme sind, die den ganzen Menschen
durchdringen. Dem Gefühl wird durch die Emotionen einerseits Ausdruck verliehen, anderseits
befähigen uns Emotionen aber auch Gefühle und Absichten anderer zu interpretieren.
«Emotionen sind chaotisch, kompliziert, primitiv und nicht lokalisierbar, weil sie überall sind und
mit Kognition und Physiologie verflochten sind» (Ratey, 2006, S. 267).
2.3.2 Emotionale und soziale Intelligenz
Soziale und emotionale Intelligenz sind zwei Begriffe die sehr nahe aneinander grenzen, sich gar
überschneiden und folglich nicht klar auseinander zu halten sind. Goleman (2006) spricht bei
diesen Begriffen sogar von Schwestern. Kurz gesagt umfasst emotionale Intelligenz die Handhabung der eigenen Gefühle, während soziale Intelligenz das Eingehen von Beziehungen verlangt und den Umgang mit den Gefühlen in Anwesenheit anderer herausfordert. Handlungen
werden nach aussen sichtbar und auf das gezeigte Verhalten folgt ein Feedback. Obwohl der
soziale Aspekt in dieser Arbeit ausgeklammert wurde, wird im Folgenden dennoch die soziale
Intelligenz erläutert. Dies soll als Übersicht verstanden werden, um den Unterschied und die
Berührungspunkte der beiden Begriffe zu verdeutlichen.
2.3.2.1 Emotionale Intelligenz
Gemäss Goleman (1996) sind Menschen die ihre eigenen Gefühle kennen und diese richtig zu
handhaben wissen, Gefühle anderer durchschauen und erfolgreich damit umzugehen wissen, in
emotionaler Hinsicht geschickt. «…Die emotionale Intelligenz ist eine Metafähigkeit von der es
abhängt, wie gut wir unsere sonstigen Fähigkeiten, darunter auch den reinen Intellekt, zu nutzen verstehen» (S. 56). Die Metafähigkeit sei die Kompetenz sich selber zu motivieren, bei Enttäuschungen weiterzumachen, Impulse zu unterdrücken, die eigene Stimmung zu regulieren und
sich in andere hineinzuversetzen (S. 54).
Theoretische Grundlagen – Emotionen
12
Nach Goleman (2006) sind Selbstwahrnehmung und Selbstregulation Eckpfeiler der emotionalen Intelligenz. Selbstwahrnehmung und Selbstregulation hängen mit dem neuronalen System über die Steuerung der Amygdala und der mit ihr verbundenen Schaltkreisen durch den
präfrontalen Cortex zusammen. Dieser Zusammenhang wird im Kapitel ‹emotionale Reaktion›
erläutert.
Amygdala
Präfrontaler
Cortex
Abbildung 7: Bereiche des emotionalen Gehirns. (Goleman, 2006, S. 130, bearbeitet durch Barbara Mani)
Unter Selbstregulation wird der Umgang und die Einflussnahme auf emotionale Reaktionen
verstanden. Der Begriff Selbstwahrnehmung wird von der W.T. Grant-Foundation (Goleman,
S. 326–327) aufgrund verschiedener Studien folgend beschrieben:
– Erkennung, Ausdruck und Handhabung von Gefühlen
– Impulskontrolle, zwischen Fühlen und Handeln unterscheiden können
– Handlungsimpulsen Einhalt bieten und alternative Handlungsmöglichkeiten überdenken
– s ich in andere hineinversetzen und verstehen welches Verhalten in einer bestimmten Situation
angebracht ist
Im Weiteren erwähnt Goleman (1996) den Self-Science-Lehrplan, was ein Erziehungsprogramm
zur emotionalen Intelligenz ist. Dieses Programm wird bereits seit mehr als zwanzig Jahren in
Amerika erfolgreich in Schulen angewendet. Viele Inhalte daraus sind mit den Ingredienzien,
ebenfalls zur Selbstwahrnehmung, der W.T. Grant-Foundation identisch (S. 336–337). Einige
davon sind untenstehend aufgelistet:
– Gefühle erkennen und Vokabular dafür entwickeln
– Zusammenhänge zwischen Gedanken, Gefühlen und Reaktionen wahrnehmen
– Erkenntnis ob eine Entscheidung von Gedanken oder Gefühlen bestimmt ist
– E insicht in die Folgen alternativer Entscheidungen und die Anwendung dieser Einsichten auf
Probleme
– eigene Stärken und Schwächen erkennen
Theoretische Grundlagen – Emotionen
13
2.3.2.2 Soziale Intelligenz
Soziale Intelligenz sollte laut Goleman (2006) als ein Verhalten verstanden werden, bei dem es
um einen intelligenten Umgang in einer Beziehungen geht. Es geht um die Art und Weise, wie
man sich in der Beziehung zu anderen verhält. Soziale Beziehungen haben Einfluss auf die Neuroplastizität des Gehirns. Goleman sagt, dass diese Erkenntnisse darauf verweisen, «dass unsere
Beziehungen uns auf eine subtile, aber starke und dauerhafte Weise prägen» (S. 19).
Es gibt keinen einzelnen Ort im Gehirn von dem aus die soziale Interaktion kontrolliert wird. Das
soziale Gehirn besteht aus vielen Schaltkreisen und neuronalen Netzwerken, die sich bei sozialen Interaktionen fortlaufend synchronisieren (Goleman 2006). Zentrale Bereiche des sozialen
Gehirns die genannt werden können sind: Amygdala, Hippocampus, Insula und Anteriorer cingulärer Cortex.
Abbildung 8: Bereiche des sozialen Gehirns. (Goleman, 2006, S. 130)
Laut Ratey (2006) bildet die Insula die Vorstellung über die Bedeutung und Gefährlichkeit eines
Reizes. Sie verursacht eine mentale Repräsentation und Einschätzung. Der anteriore cinguläre
Cortex filtert alle Informationen und setzt Prioritäten der Reizverarbeitung. Er entscheidet, welche Informationen aufgenommen und wohin sie weitergeleitet werden. Der anteriore cinguläre
Cortex steht in engem Zusammenhang mit dem präfrontalen Cortex. Roth (2001) sagt, dass sie
gemeinsam an der Planung und Entscheidung, an Fehlerkorrektur und Fehlerbehebung, am Aufbau neuer, handlungsrelevanter Bezüge und dem Erkennen von Schwierigkeiten und Gefahren
beteiligt seien.
Theoretische Grundlagen – Emotionen
14
Zur sozialen Intelligenz nennt Goleman (2006) die Eckpfeiler Empathie und soziale Fertigkeiten.
Unter Empathie versteht Goleman das Verstehen der Gefühle anderer und die Einfühlung in ihre
Lage, sowie die Respektierung abweichender Ansichten anderer. Durch das Erleben von Beziehungen erlernen die Kinder die Künste der Kooperation, der Konfliktlösung und der Aushandlung eines Kompromisses. Unter sozialen Fertigkeiten versteht Goleman (S. 134–135):
reibungslos auf der nonverbalen Ebene interagieren: Dekodierung der nonverSynchronie
balen Signale und die Fähigkeit unmittelbar auf diese Signale zu reagieren
Selbstdarstellung die eigene Person wirksam darstellen, den Ausdruck der Gefühle kontrollieren
Einflussnahme das Ergebnis sozialer Interaktionen steuern, Normen identifizieren, wann ist es
angemessen über etwas hinwegzuschauen, angemessene Expressivität
Fürsorglichkeit auf die Bedürfnisse anderer achten und sich entsprechend verhalten, Mitgefühl
haben und wirkungsvoll handeln
2.3.3 Emotion – Kognition
Die Gene liefern uns die Rohstoffe aus denen die Emotionen aufgebaut werden. LeDoux (2006)
sagt, Emotionen seien nicht rein biologisch bestimmt, sondern hängen von vielen weiteren Einflüssen ab. Er hebt dabei die kognitiven Faktoren hervor. Die Kognition ermöglicht von der Reaktion zur Aktion überzugehen und beeinflusst Emotionen, indem sie über eine in einer bestimmten Situation angebrachten Handlung entscheidet. Dieser Meinung ist auch Ratey (2006), der
sagt, dass Gefühle nicht von Kognition oder Kognition nicht vom Körper zu trennen sei. Kognitionsforscher, die LeDoux erwähnt, sagen sogar, dass es keine emotionalen Reaktionen gebe.
Es gebe nur Reaktionen, welche von der aktuellen, kognitiven Bewertung abhängen. «…an der
Emotion…» sind «…höhere kognitive Prozesse beteiligt, welche die verschiedenen, der Situation
angemessenen Reaktionen organisieren» (LeDoux, 2006, S. 129).
Das Emotionssystem reagiert blitzschnell. Ehe die Fakten gesichtet sind, erfolgt bereits eine
emotionale Reaktion, bevor ein Überblick über die Situation verschafft werden konnte. «Wenn
die Stirnlappen in solchen Situationen nicht rasch genug eingreifen, werden wir von unserer emotionalen Reaktion mitgerissen und brechen jedes weitere Erkunden von Alternativen ab» (Ratey,
2006, S. 382–383). Die soziale Wahrnehmung kann dadurch getrübt werden, «…weil die Denkund Entscheidungsmechanismen der Stirnlappen von der emotionalen Reaktion überrollt werden, handeln wir ‹gefühlsbetont› und achten kaum noch auf Vernunft und Logik» (Ratey, 2006,
S. 382–383).
2.3.4 Emotionale Reaktion
Die emotionale Reaktion wird von LeDoux sowie von Goleman mit dem unteren und oberen
Weg, beziehungsweise Pfad, erläutert. Beide beschreiben denselben Vorgang. Ein Unterschied
ist jedoch, dass LeDoux beide Wege, also den oberen und unteren Pfad, in die automatische
Reizverarbeitung einordnet, während Goleman den oberen Pfad der kontrollierten und den
unteren Pfad der automatischen Reizverarbeitung zuordnet. Diese Ansicht wird nicht weiter diskutiert, weil unabhängig davon die Reizverarbeitung und deren emotionale Reaktion erläutert
werden kann. Die Angaben stützen sich auf LeDoux (2006) und Goleman (2006). Für die Vereinheitlichung der Begriffe wird nun sowohl bei LeDoux wie auch bei Goleman von oberem und
unterem Pfad gesprochen.
Theoretische Grundlagen – Emotionen
15
«Auf dem unteren Pfad entsteht spontanes Mitfühlen [und Reagieren Anm. d. Verf.], auf dem
oberen Pfad denken wir über unsere Empfindungen [und Handlungen Anm. d. Verf.] nach»
(Goleman, 2006, S. 29).
präfrontaler Cortex
sensorisches Rindenfeld
oberer Pfad
unterer Pfad
Thalamus
Amygdala
Emotionaler
Reiz
Emotionale
Reaktion
Abbildung 9: Informationsverarbeitung über den oberen und unteren Pfad.
(in Anlehnung an LeDoux, 2006, S. 175, eigene Darstellung)
2.3.4.1 Oberer Pfad
Die meisten sensorischen Informationen die im Gehirn eintreffen, werden zuerst zum Thalamus geleitet. Von da aus werden diese Informationen an das sensorische Rindenfeld und den
präfrontalen Cortex weitergeleitet. Das sensorische Rindenfeld verarbeitet alle ankommenden
Sinneseindrücke, während der präfrontale Cortex für das bewusste, rationale Denken zuständig ist. Dadurch erfolgt eine detaillierte und genaue Repräsentation des Reizes. Es erfolgt eine
bewusste, hinterdachte Reaktion. Bei diesem Reizverarbeitungsweg handelt es sich um den
‹Schaltkreis des oberen Pfads›.
2.3.4.2 Unterer Pfad
Gefühlsgeladene Informationen schickt der Thalamus direkt zur Amygdala. Höher liegende Hirnbereiche wie sensorisches Rindenfeld und präfrontaler Cortex werden somit umgangen, was ein
schnelles Handeln ermöglicht. Allerdings lässt diese Verarbeitungsbahn nur eine grobe Repräsentation des Reizes zu. Dieser Schaltkreis wird unterer Pfad genannt, weil er eine schnelle Reizverarbeitung zulässt. Die Amygdala nutzt primitive, allgemeine Kategorien und primäre Emotionen, um sofort eine Reaktion in Gang zu setzen. Es kann auf Reize reagiert werden, bevor man
sich einen Überblick über die Situation verschaffen hat. Das ist jedoch nicht immer von Vorteil,
da häufig eine Reaktion im Affekt ausgelöst wird. Es ist klar, dass in prekären, gefährlichen Situationen das sehr nützlich sein kann.
Theoretische Grundlagen – Emotionen
16
LeDoux erwähnt, dass das für die Emotionen zuständige limbische System sehr viel mehr Verbindungen zu logischen, rationalen Hirnzentren, das heisst zum präfrontalen Cortex, aufweist
als umgekehrt. Das könnte der Grund sein, dass die Handlung oder Reaktion oft vor dem Denken ausgeführt wird.
2.3.5 Zusammenspiel der Pfade und deren Neubewertung
Obwohl die Reizverarbeitung und deren Reaktion, vorwiegend im unteren Pfad, meistens unbewusst erfolgt, besteht die Möglichkeit Einfluss zu nehmen. Der untere Pfad kann mit Hilfe des
oberen Pfads zur Vernunft gebracht werden. Es folgt eine Neubewertung. Der Amygdala wird
vom präfrontalen Cortex die Anweisung zu Handeln oder sich zu Beruhigen angeordnet, oder
Rat gegeben, lieber nicht zu handeln. Die emotionale Reaktion kann somit verändert werden.
«….Wenn wir etwas absichtlich neu bewerten, erlangen wir eine bewusste Kontrolle über unsere
Empfindung» (Ochsner, zit. nach Goleaman, 2006, S. 123). «Selbst wenn wir unsere Gefühle nur
benennen, kann das die Amygdala besänftigen» (Hariri u.a., zit. nach Goleman, 2006, S. 123).
Eine solche Neubewertung hat Einfluss auf das Beziehungsleben. Es ermöglicht reflexartige
Reaktionen gegenüber Menschen zu überdenken und Situationen durchdachter einzuschätzen.
Die Gedächtnisstrukturen können somit neu kodiert werden, was sich neurologisch gesehen auf
eine Umprogrammierung der Zellen in der Amygdala auswirkt. Goleman sagt, das Ziel der Therapie sei, allmählich die Neuronen, die ein entsprechendes Gefühl oder eine Handlung auslösen,
zu verändern.
2.3.6 Neuronale Stärkung und assoziative Netze
Soziale Fertigkeiten werden besser erlernt, wenn möglichst viele Herangehensweisen zur Verfügung stehen. Dazu nennt Ratey (2006) als Beispiel das Beobachten und anschliessende Durchspielen angemessener Verhaltensweisen. Komplexe Verhaltensweisen können dadurch in Einzelelemente geübt und anschliessend zu einer Sequenz zusammengefügt werden. Das Durchspielen
solcher Muster stärkt die neuronalen Verbindungen im Gehirn, da immer auch benachbarte Neuronen für die Aufgabe herangezogen werden. Das Gehirn kann trainiert werden, denn «… je breiter gefächert man vorgeht, desto stärker werden die neuronalen Verbindungen» (Ratey, 2006,
S. 363).
«An das, was man in einer bestimmten Situation oder Verfassung gelernt hat, erinnert man
sich allgemein am besten, wenn man wieder in dieser Situation oder Verfassung ist» (LeDoux,
S. 227). LeDoux sagt dem ‹zustandsabhängiges Lernen›. Weiter nennt er die Psychologen Bower
und Lang die sagen, dass Erinnerungen in assoziativen Netzen, also in kognitiven Strukturen,
gespeichert sind. Assoziative Netze entstehen indem Vielfalt erlebt wird, Analogien und Variationen gebildet werden und Wiederholungen stattfinden. Damit Erinnerungen abgerufen werden können und ins Bewusstsein gelangen, braucht es ein bestimmtes Mass an Aktivierung der
einzelnen Erinnerungselemente.
«Je mehr von den Hinweisen, die beim Lernen gegenwärtig waren, auch beim Erinnern gegenwärtig sind und je stärker das Gewicht der Erinnerungselemente ist, die durch die beim Erinnern gegenwärtigen Hinweise aktiviert werden, desto eher wird es zu der Erinnerung kommen»
(LeDoux, 2006, S. 228).
Theoretische Grundlagen – Emotionen
17
2.3.7 Aufbau neuer Verhaltensstrategien
Es werden nun zwei Modelle dargestellt, welche mögliche Vorgehensweisen, speziell im Bereich
des Problemlösungsverhaltens und der Impulskontrolle, bieten. Die Anwendung sollte zu einer
Neubewertung der emotionalen Reaktionen beitragen. Dadurch werden mögliche Handlungsstrategien erarbeitet und durchgespielt.
2.3.7.1 Vier-Stufen-Modell «SOCS»
Ein Modell dazu ist das Vier-Stufen-Modell «SOCS» was «Situation, Options, Consequence,
Solutions» bedeutet. Es dient hauptsächlich als Problemlösungsmodell. Bei Kindern die nach
diesem Modell vorgehen, wurden deutliche Gewinne der emotionalen und sozialen Kompetenz festgestellt. In einem ersten Schritt geht es darum zu sagen, wie die Situation ist und was
man davon hält. Dann werden Optionen zur Lösung des Problems überlegt und deren möglichen Konsequenzen durchdacht. Zum Schluss entscheidet man sich für eine Lösung und führt
sie aus (Goleman, 1996, S. 353–355). Eine Problemsituation ist nie losgelöst von Gefühlen. Die
bewusste Auseinandersetzung damit bildet die Fähigkeit, die Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen, sich auf eine Beziehung einzulassen und einen positiven sozialen Umgang mit den
Mitmenschen zu gestalten. Durch die Anwendung dieses Modells kamen viele Fortschritte zum
Vorschein. Untenstehend sind einige dieser Bereiche zusammengefasst aufgeführt (Goleman,
1996, S. 355):
Emotionale Selbstwahrnehmung – besseres Erkennen und Benennen der eigenen Emotionen
– besser imstande, die Ursachen von Gefühlen zu verstehen
Umgang mit Emotionen
– grössere Frustrationstoleranz
– Wut angemessen ausdrücken können
Emotionen produktiv nutzen
– weniger impulsiv, mehr Selbstbeherrschung
– verbesserte Aufmerksamkeit und Konzentration auf die
vorliegende Aufgabe
Empathie; Deuten von Emotionen – sich in andere hineinversetzen können
– besseres Gespür für die Gefühle anderer
Umgang mit Beziehungen – besseres Konflikt- und Problemlöseverhalten
– gewandter in der Kommunikation
2.3.7.2 Life-Skills-Programm
Im Programm von New Haven (Goleman, 1996, S. 345–346) werden beim Kind die verschiedenen Stadien der Entwicklung in der emotionalen Intelligenz berücksichtigt. Entsprechend dem
werden Themen wie Selbstwahrnehmung, Beziehung, Empathie, Impulskontrolle und weitere
kennen gelernt und geübt. Ein Modell im Bereich der Impulskontrolle ist die Ampel. Diese gibt
eine genaue Verhaltensweise vor und lautet:
Rot
1. Halte an, beruhige dich und denke, bevor du handelst.
Gelb 2. Benenne das Problem und sag, wie du dich fühlst.
3. Setze ein positives Ziel.
4. Denke an viele Lösungen.
5. Bedenke im Voraus die Folgen.
Grün 6. Geh los und probiere es mit dem besten Plan.
Tabelle 1: Die Ampel gibt genaue Verhaltensweisen vor. (in Anlehnung an Goleman, 1996, S. 346)
(eigene Darstellung)
Theoretische Grundlagen – Persönlichkeit
18
2.4 Persönlichkeit
Wenn nichts Entsprechendes vermerkt ist, kann davon ausgegangen werden, dass sämtliche
Angaben zur Erläuterung der Persönlichkeit an Roth (2007) gelehnt sind.
Beziehung
Therapeutin
Motivationssystem
emotionales Lernen
Kind
Persönlichkeit
Spiegelresonanz
(Spiegelsystem)
Spiegelneuronen
(Spiegelsystem)
Abbildung 10: Persönlichkeit (eigene Darstellung)
2.4.1 Definition der Persönlichkeit
Das Temperament, die Intelligenz, die Art zu handeln, sich zu bewegen und zu kommunizieren
tragen zur Entwicklung der Persönlichkeit bei und stehen unter grossem Einfluss der Umwelt.
«Zur Persönlichkeit gehören insbesondere die Gewohnheiten, d.h. die Art und Weise, wie sich
eine Person normalerweise verhält» (Roth, 2007, S. 15). Da sich Temperament und Persönlichkeit in der Entwicklung sehr früh stabilisieren, ist eine klare Unterscheidung schwierig.
«… es ergibt sich eine unauflösliche Vermischung zwischen genetisch- und entwicklungsbedingten Merkmalen und vorgeburtlich oder frühkindlich wirksamen Umwelteinflüssen…» (Roth,
2007, S. 22). Im Weiteren lässt Roth keine genaueren Definitionen zu Persönlichkeit und Temperament verlauten.
2.4.2 Bildung der Persönlichkeit
Angeborene, das heisst bei Geburt vorhandene, Merkmale müssen nicht rein genetisch sein da
Umwelteinflüsse bereits vorgeburtlich Einfluss haben. Traumatische Ereignisse kurz vor, während oder nach der Geburt weisen eine hohe Übereinstimmung mit späterem Verhalten auf. Das
sehr unreife und sich schnell entwickelnde Gehirn des Ungeborenen ist äusserst empfänglich
für Umwelteinflüsse. Sie wirken entweder direkt auf den Fötus oder indirekt über das Gehirn
der Mutter, das mit dem des Fötus eng zusammenhängt, ein. Beispielsweise ist die Fähigkeit im
Erwachsenenalter Stress zu ertragen, bereits durch die Ereignisse während der Schwangerschaft,
vorgeburtlich bestimmt.
Roth erwähnt dabei die Erkenntnis von René Spitz (1887–1974), der der frühen Mutter-Kind-Beziehung grosse Bedeutung zuschrieb. Spitz erkannte als Erster, dass die Bindungserfahrung, also die
Art der emotional-nicht-verbalen Kommunikation zwischen dem Säugling und seiner Bezugsperson, vornehmlich der leiblichen Mutter gemeint, einen grossen Einfluss auf die Entwicklung der Persönlichkeit hat. Dies ist für die psychisch-kognitive Entwicklung des Kindes äusserst entscheidend.
Theoretische Grundlagen – Persönlichkeit
19
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass genetische und angeborene Merkmale sowie die
Bindungserfahrung die das Kind erfährt, die Basis der Persönlichkeit bilden. Roth betont allerdings, dass die Persönlichkeit beeinflussbar ist. Umwelteinflüsse und Erziehung bilden bei der
geistigen Entwicklung durchaus einen Einflussfaktor. Speziell auf Intelligenz bezogen sagt Roth,
dass es Auswirkungen hat ob beispielsweise eine durchschnittlich intelligente Person durchschnittlich, minimal oder optimal gefördert wird.
2.4.3 Die Verankerung der Persönlichkeit im Gehirn
Die Hirnforschung geht davon aus, dass die Persönlichkeit im Gehirn und im peripheren Nervensystem verankert ist. Im Folgenden werden anhand des ‹Vier-Ebenen-Modells der Persönlichkeit› die neurologischen Zusammenhänge der Persönlichkeit geschildert. In diesem Modell
(Roth, 2007) wird von der unteren-, mittleren- und oberen limbischen Ebene gesprochen, wobei
es sich zugleich um vier Ebenen handelt, da die obere Ebene in rechte- und linke Hemisphäre
unterteilt ist. Diese vier Ebenen entstehen während der Entwicklung des Gehirns teils zeitlich
parallel, teils zeitlich nacheinander.
anteriorer cingulärer Cortex/
Gyrus cinguli
mesolymbisches System
Broca-Areal
Wernicke-Areal
präfrontaler
Cortex
zentrales Höhlengrau
obifrontaler Cortex
Amygdala
Hirnstamm
(vegetative Zentren)
mittlere limbische Ebene
untere limbische Ebene
Unbewusstsein
obere limbische Ebene
Bewusstsein
Hypothalamus
Abbildung 11: Die Verankerung der Persönlichkeit.
(in Anlehnung an Roth, 2007, S. 91 und Gempeler, A., Frey,
M., Jahreszahl unbekannt, bearbeitet durch Barbara Mani)
Theoretische Grundlagen – Persönlichkeit
20
2.4.3.1 Untere limbische Ebene
Die untere limbische Ebene bildet sich am frühesten von allen, sie entwickelt sich ab der siebten
Schwangerschaftswoche. Die dazugehörigen Strukturen sind Hypothalamus, zentrales Höhlengrau, vegetative Zentren des Hirnstamms und Amygdala, die eng mit dem Hypothalamus verbunden ist. Diese Ebene ist für die biologische Existenz, für spontane affektive Verhaltensweisen
und für Empfindungen zuständig. Da sie weitgehend genetisch bedingt ist, können Verhaltensweisen kaum bis gar nicht verändert und schon gar nicht durch willentliche Kontrolle beeinflusst
werden.
2.4.3.2 Mittlere limbische Ebene
Die zweite, mittlere limbische Ebene ist der Ort der emotionalen Konditionierung. Sie entwickelt sich ebenfalls bereits vor der Geburt und die dazugehörigen Strukturen sind Amygdala und
mesolimbisches System. «Hier lernen wir meist unbewusst, wovor wir uns fürchten und in Acht
nehmen müssen» (Roth, 2007, S. 92). Im Gegensatz zur unteren limbischen Ebene lässt sich
diese Ebene durch Erfahrung beeinflussen. Das kann durch eine starke, emotionale Einwirkung
in Form von einer Traumatisierung, aber auch durch langsame, sich wiederholende Einflüsse
geschehen. Die emotionale Konditionierung läuft während den ersten zwei Lebensjahren völlig
unbewusst ab da das Bewusstsein, der Bereich des frontalen Cortex’, noch nicht ausgereift ist.
Auch später noch kann der Mensch emotional konditioniert werden, jedoch erfordert dies ein
bewusstes, immer wiederholendes Üben.
2.4.3.3 Obere limbische Ebene
Die obere limbische Ebene, also die dritte Ebene, umfasst die limbischen Areale der Grosshirnrinde wie präfrontaler, orbifrontaler und cingulärer Cortex. In diesen Arealen bündeln sich die
Faserbahnen der limbischen Zentren. Hier geht es um bewusste Emotionen, kognitive Leistungen,
Handlungs- und Impulskontrolle, soziales Lernen, Sozialverhalten, Einschätzungen der Konsequenzen des eigenen Verhaltens, ethische Überlegungen, Aufmerksamkeitssteuerung und um
Belohnungserwartung. Diese Ebene entwickelt sich erst nach der Geburt zusammen mit dem
Bewusstsein. «Sie ist die Grundlage der bewussten individuellen und sozial vermittelten ‹IchExistenz› … und ist der entscheidende Einflussort der Erziehung» (Roth, 2007, S. 93). Besonders
die rechtshemisphärischen limbischen Cortexareale sind der Ort der emotionalen Gesichtserkennung und somit die Grundlage von Empathie.
«Diesen drei limbischen Ebenen steht als vierte Ebene die kognitiv-kommunikative Ebene der
assoziativen Areale des Neocortex gegenüber, insbesondere derjenigen der linken Hemisphäre.
Diese Ebene entsteht von den späten Phasen der vorgeburtlichen Entwicklung an bis weit in das
Jugendalter und bis ins Erwachsenenalter hinein» (Roth, 2007, S. 94). Präfrontaler Cortex und
Wernicke- und Broca-Areal sind die dazugehörigen Strukturen und umfassen das Arbeitsgedächtnis, den Verstand, die Intelligenz, das Sprachzentrum, das logische Denken, die Fähigkeit
zum Problemlösen sowie das Erkennen von Symbolen.
Theoretische Grundlagen – Spiegelsystem
21
2.5 Spiegelsystem
Beziehung
Therapeutin
Motivationssystem
emotionales Lernen
Kind
Persönlichkeit
Spiegelresonanz
(Spiegelsystem)
Spiegelneuronen
(Spiegelsystem)
Abbildung 12: Spiegelsystem (eigene Darstellung)
Erst vor gut zehn Jahren wurden die Spiegelneuronen entdeckt und zwar bei Affen. Die Entdeckung dieser Zellen wurde auf den Menschen übertragen und war für viele Wissenschaftler
die Erklärung der Empathie, also des Einfühlungsvermögens. Inzwischen gibt es viele skeptische
Stimmen die bezweifeln, dass es überhaupt Spiegelneuronen gibt. In einem Bericht von LehnenBeyel (2007) über Hirnforschung wird die Meinung, dass es Zellen gibt die autonom im Gehirn
arbeiten für unwahrscheinlich gehalten.
Für die Psychomotoriktherapie ist die Wissenschaft der Spiegelneuronen höchst interessant.
Trotz anbahnender Widerlegung dieser Theorie wird im Folgenden auf das Spiegelneuronensystem eingegangen. Sofern nichts anderes vermerkt ist, stützt sich dieser Teil auf den Autor Joachim Bauer (2006).
2.5.1 Spiegelneuronen
«Nervenzellen des Gehirns, die im eigenen Körper einen bestimmten Vorgang, zum Beispiel eine
Handlung oder eine Empfindung, steuern können, zugleich aber auch dann aktiv werden, wenn
der gleiche Vorgang bei einer anderen Person nur beobachtet wird, heissen Spiegelnervenzellen
bzw. Spiegelneuronen» (S. 56). Die Spiegelneuronen sind nicht beeinflussbar, sie setzen ohne
Nachdenken spontan und unwillkürlich ein. Sie gehören zur biologischen Grundausstattung des
Menschen und bilden sich im Verlauf der Entwicklung des Kindes zu einem differenzierten Netzwerk aus. Sie werden aktiv wenn ein Verhalten oder eine Handlung beobachtet wird. So ruft dies
eine Spiegelreaktion hervor, als würde die Handlung gerade selber ausgeführt oder erlebt werden. Auch das Hören eines Geräusches oder die taktil-kienästhetische Wahrnehmung, so wird
angenommen, löst ein subjektives Miterleben aus. Die Spiegelneuronen befinden sich in verschiedenen Hirnarealen des Gehirns, vier Bereiche jedoch spielen eine wesentliche Rolle.
2.5.2 Hirnstrukturen des Spiegelsystems
An der Entwicklung von Mitgefühl und Empathie sind primär motorischer und prämotorischer
Cortex sowie primär sensorischer und präsensorischer Cortex beteiligt. Nachahmen, erproben,
umsetzen, spüren, fühlen, speichern, abrufen; all das baut auf diesen vier Bereichen auf. Die
Bereiche stehen in verschiedenen Verbindungen zu einander.
Theoretische Grundlagen – Spiegelsystem
22
Im prämotorischen Cortex befinden sich Spiegelneuronen die für die Vorstellung von motorischen Abfolgen zuständig sind. Diese sind mit dem präfrontalen Cortex vernetzt der die Planung einer Handlungsabsicht ausführt. Der primär motorische Cortex ist für die Handlungsausführung zuständig, also was wo bewegt werden soll. Die Spiegelnervenzellen im präsensorischen
Cortex besitzen das Wissen wie sich eine Sache anfühlt. Dort ist die Abfolge von Empfindungen
abgespeichert. Der präsensorische Cortex ist mit dem Emotionszentrum des Gehirns verbunden.
Er steht also in enger Verbindung mit dem anteriore gyrus Cinguli und der Amygdala. Der primär
sensorische Cortex meldet Empfindungen vom Körper zurück, also was wo gefühlt wird.
primär sensorischer Cortex
meldet Empfindungen vom
Körper zurück
primär motorischer Cortex
führt eine Handlung aus
Vorstellen der Handllung
aktive Umsetzung von Handlungen und
deren Umsetzungen
Ausführen der Handlung
Der prämotorische und präsensorische Cortex ermöglichen das innere Miterleben einer beobachteten Handlung und Empfindung. Der primär motorische und primär sensorische Cortex sind
hauptsächlich für die aktive Umsetzung von Handlungen und deren Empfindungen verantwortlich.
inneres Miterleben einer beobachteten
Handlung oder Empfindung
präsensorischer Cortex
Vorstellung von einer motorischen
Abfolge
prämotorischer Cortex
wissen wie sich eine Sache anfühlt
Abbildung 13: Inneres Miterleben und aktive Umsetzung von Handlungen und Empfindungen. (eigene Darstellung)
Theoretische Grundlagen – Spiegelsystem
23
2.5.3 Resonanz der Spiegelneuronen
Tritt ein Mensch in unseren Wahrnehmungshorizont, aktiviert er in uns eine neurobiologische
Resonanz. «In Resonanz begeben sich Nervenzellnetze, die auch dann aktiv werden würden,
wenn wir selbst das täten, was wir gerade bei einem anderen Menschen beobachten» (Bauer,
2006, S. 85). Die Resonanz der Spiegelnervenzellen löst im Beobachter ein innerliches, analoges
mitreagieren aus und bahnt Handlungsbereitschaft um selber aktiv zu werden. Sogar nur ein
kurzer Eindruck oder eine Momentaufnahme von etwas Beobachtetem oder selbst ein Handlungsgedanke regen die Spiegelneuronen an.
Die Fähigkeit des Verstehens und Interpretierens von Handlungen und mentalen Zuständen
anderer Personen wird als Theory of Mind bezeichnet. Für das Kind ist der Erwerb dieser Fähigkeit gemäss Kaufmann, Nuerk, Konrad & Willmes (2007) sehr bedeutungsvoll. Die Entwicklung
des Wissens über mentale Zustände anderer Personen ist demnach «… mit ungefähr vier Jahren
soweit fortgeschritten, dass das Kind über Heuristiken der Handlungsvorhersage verfügt, die in
etwa denen von Erwachsenen entsprechen» (Kaufmann et al., 2007, S. 344).
2.5.4 Erwerb des Spiegelsystems
Um das Spiegelsystem einzuspielen ist das Kind auf Bezugspersonen, was meistens die Eltern
sind, angewiesen. Diese Bezugsperson muss allerdings für eine längere Zeit oder dauerhaft zur
Verfügung stehen, damit das Kind zu ihr eine Bindung aufbauen kann. Bereits kurz nach der
Geburt beginnt der Säugling die Eltern oder die Bezugsperson zu imitieren. Das Vis-à-Vis nimmt
wiederum die Signale vom Kind auf, ahmt sie in einer etwas übertriebenen Form nach und spiegelt sie somit dem Kind zurück. «Dadurch erhält der Säugling, lange bevor er über so etwas wie
Bewusstsein verfügt, Zeichen, die ihm anzeigen, dass er erkannt wurde, und ihn seinerseits zu
weiteren Resonanzaktionen stimulieren» (Bauer, 2006, S. 61). Der Säugling kann somit emotional in Kontakt treten, es entwickelt sich zwischenmenschliche Bindung und die Fähigkeit des
emotionalen Verstehens. Kinder imitieren bis etwa drei Jahre alles nach. Allmählich wird dann
das hemmende neurobiologische System aktiv. Das heisst, der präfrontale Cortex der für das
bewusste Denken zuständig ist, bildet sich aus. Zunehmend wird durch ihn das imitierende Verhalten kontrolliert.
Hatte das Kind nicht genügend Gelegenheiten um Gefühle bewusst wahrzunehmen, so hat es
nicht gelernt über die emotionale Befindlichkeit zu sprechen. Hat es sogar Gefühle verdrängt,
kann das den Erwerb von Empathie stören. «Kinder, die selbst nur wenig Einfühlung, Rücksicht
und Zärtlichkeit erlebt haben, stehen wegen fehlender Spiegelungserfahrungen keine eigenen
neurobiologischen Programme zur Verfügung, die es ihnen ermöglichen würde, Mitgefühl zu
empfinden und zu zeigen» (Bauer, 2006, S. 127). Auch bereits eine vorhandene Fähigkeit von
Empathie kann durch ein einschneidendes Erlebnis beeinträchtigt werden und zur Unfähigkeit
von Empathie führen.
2.5.5 Spiegelresonanz
Die Spiegelneuronen sind bei allen Lernvorgängen von grosser Bedeutung. Es ist die neuronale
Basis für das Lernen am Modell. Dabei spielen zwei Faktoren eine wichtige Rolle: Erstens muss
das Kind möglichst viele lebensnahe und praktische Handlungserlebnisse sowie Handlungserfahrungen, handelnd und fühlend, erfahren. Zweitens ist die zwischenmenschliche Beziehung das
Entscheidende um überhaupt lernen zu können. Stösst das Kind auf Verständnis und Zuwendung,
Theoretische Grundlagen
24
so bietet dies einen optimalen Raum um stressfrei lernen und sich entfalten zu können. Empathie kann nur erworben werden wenn zwischenmenschliche Erfahrungen ausreichend eingespielt und in Funktion gebracht werden. Das Spiel ermöglicht unzählige Varianten des Handelns und des Fühlens in unterschiedlichsten Rollen. Im Spiel kann das Kind, auch mit anderen
Kindern, Modelle von emotionaler Resonanz kennen lernen und ausprobieren. Es eröffnen sich
neue Perspektiven und eine grosse Palette von Handlungsmöglichkeiten.
2.5.6 Schemata und internes Arbeitsmodell
Durch passives Erleben, aber auch durch Anschauen und imitierendes Einüben, baut sich das
Kind ein Repertoire von Handlungsmöglichkeiten auf. Dies beruht auf Beobachtungen und Imitationen, welche das Kind durch den Umgang mit Menschen und mit Gegenständen erfährt. Die
Erfahrungen werden abgespeichert und es bilden sich Nervenzellnetze. Erlebnisse und Erfahrungen speichert das Kind in Form von Schemata ab. Aus diesen Schemata bildet sich nach
Bauer das interne Arbeitsmodell. Das Kind zeigt seinem Arbeitsmodell angepasste Verhaltensweisen, nach denen es in bestimmten Situationen reagiert und handelt.
Theoretische Grundlagen – Motivationssystem
25
2.6 Motivationssystem
Beziehung
Therapeutin
Motivationssystem
emotionales Lernen
Kind
Persönlichkeit
Spiegelresonanz
(Spiegelsystem)
Spiegelneuronen
(Spiegelsystem)
Abbildung 14: Motivationssystem (eigene Darstellung)
2.6.1 Definition des Motivationssystems
Unter dem Begriff ‹Motivationssystem› versteht Bauer (2007) das Zusammenspiel der Botenstoffe Dopamin, endogener Opioide und Oxytozin. Er sagt, dass sich der Kern des Motivationssystems, also der Ort dieser drei Neurotransmitter, im Mittelhirn befindet. Durch diesen zentralen Standort, ist das Motivationssystem über Nervenbahnen rundum sehr eng mit anderen
Hirnregionen verbunden. Von diesen umliegenden Hirnregionen erhält das Motivationssystem
Informationen, kann aber auch Impulse an diese senden. Das Motivationssystem löst im Körper
Effekte aus und gemäss Bauer ist es sehr stark mit dem Emotionszentrum verbunden. Das Emotionszentrum wird von Bauer nicht eindeutig definiert. Er spricht von verschiedenen Teilen des
Emotionszentrums, wobei er den anteriore cinguläre Cortex und die Amygdala nennt.
Das Ziel dieses Motivationssystems ist laut Bauer, gelingende Beziehungen mit anderen Individuen und in der sozialen Gemeinschaft zu erleben, Anerkennung, Wertschätzung, Zuwendung
oder Zuneigung zu erfahren und zu geben.
«Neurobiologische Studien zeigen: Nichts aktiviert die Motivationssysteme so sehr wie der
Wunsch, von anderen gesehen zu werden, die Aussicht auf soziale Anerkennung, das Erleben
positiver Zuwendung und – erst recht – die Erfahrung von Liebe» (Bauer, 2007, S. 35). Bleiben
Zuwendung und Anerkennung in der frühen kindlichen Entwicklung aus, beschädigt dies die
Motivationssysteme des Körpers. Die Motivationssysteme schalten ab wenn keine Chance auf
Zuwendung besteht und Untersuchungen zeigen, «… wie nachhaltig Erfahrungen von Lieblosigkeit und Vernachlässigung im Körper auf längere Zeit abgespeichert werden und … Spuren in
den Motivationssystemen hinterlassen» (Bauer, 2007, S. 55–56). Eine solche Deprivation kann
fatale Folgen für die spätere Beziehungsgestaltung haben, da der Erwerb von Beziehungserfahrungen ausbleibt, welcher aber gerade so entscheidend für gelingende Beziehung ist. Werden Liebe und Anerkennung erfahren, so schaltet das Motivationssystem ein, indem Wohlfühlbotenstoffe wie Dopamin, endogene Opioide und Oxytozin, welche untereinander verschaltet
sind, freigesetzt werden.
Theoretische Grundlagen – Motivationssystem
26
2.6.2 Funktion der Neurotransmitter
Abbildung 15: Impulsfortleitung der Neurotransmitterbläschen.(Georgia pain physicians, Jahreszahl unbekannt)
2.6.2.1 Dopamin
«Vom Motivationszentrum ausgeschüttetes Dopamin erzeugt ein Gefühl des Wohlbefindens
und versetzt den Organismus psychisch und physisch in einen Zustand von Konzentration und
Handlungsbereitschaft» (Bauer, 2007, S. 29). Dopamin hat die Funktion einer psychischen
Antriebs- und Motivationsdroge, ist aber auch für die muskuläre Bewegungsfähigkeit des Körpers zuständig.
Abbildung 16: Einwirkung von Dopamin auf die Hirnstrukturen, hier von der Substantia nigra aus.
(intellectual vanities… about close to everyting, 2008)
Theoretische Grundlagen – Motivationssystem
27
2.6.2.2 endogene Opioide
Bei der Ausschüttung von Dopamin werden zusätzlich noch andere körpereigene Botenstoffe,
die endogenen Opioide freigesetzt, welche im Hypothalamus produziert werden. «Endogene
Opioide wirken auf die Emotionszentren des Gehirns, sie haben positive Effekte auf das IchGefühl, auf die emotionale Gestimmtheit und die Lebensfreude» (Bauer 2007, S. 31). Sie vermindern Schmerzempfindlichkeit und stärken das Immunsystem.
2.6.2.3 Oxytozin
Das Gehirn produziert neben Dopamin und endogenen Opioiden einen dritten Botenstoff, das
Oxytozin. Es sorgt für körperliche Entspannung, senkt den Blutdruck, dämpft die Angstzentren und beruhigt die biologischen Stresssysteme. Aber auch alles was mit zwischenmenschlicher
Resonanz und sozialer Verbundenheit zu tun hat, hat die Produktion von Oxytozin zur Folge.
2.6.3 Das Zusammenspiel der Neurotransmitter Oxytozin und Dopamin
Sowohl Dopamin als auch Oxytozin gehören zu jenen Motivationsbotenstoffen, die den Menschen auf gelingende Beziehungen und Kooperationen hin polen. Sie sind die Voraussetzung um
sich zu erinnern, wen man kennt und sie sind grundlegend um eine feste Bindung eingehen zu
können. Die Dopamin-Achse bekommt von den Emotionszentren des Gehirns, das heisst von der
Amygdala und dem anterioren cingulären Cortex Informationen, ob in der Aussenwelt Objekte
vorhanden sind für die es sich lohnt aktiv zu werden. Sobald irgendeine Form von freundlicher
Interaktion stattfindet, entfaltet Oxytozin in den Emotionszentren seine Wirkung und bindet
sich an die Strukturen der Dopamin-Achse. Die Verkoppelung der beiden Neurotransmitter löst
eine positive soziale Erfahrung für das Individuum aus. Dadurch wird eine gute Beziehung hergestellt und die Person als sympathisch eingestuft.
Gestörte Beziehungen oder Verluste von tragenden Bindungen können die Motivationssysteme
blockieren. Wenn die beruhigende Wirkung von Oxytozin und endogenen Opioiden auf die
Amygdala und den anterioren cingulären Cortex ausbleibt, löst das eine neurobiologische Erregung aus. Dabei lösen Nervenzellen in der Amygdala den erregenden Nervenbotenstoff Glutamat aus, was im Hypothalamus die Stressgene aktiviert. Dies wiederum lässt das Stresshormon
Cortisol ansteigen, was sich blockierend auf den Hippocampus auswirken kann. Zudem wird im
Hirnstamm Noradrenalin freisetzt was bewirkt, dass das ‹Panikorchester›, so nennt es Bauer,
also Herz, Kreislauf und Psyche, in erhöhte Funktion gesetzt werden.
Theoretische Grundlagen – Beziehung
28
2.7 Beziehung
Beziehung
Therapeutin
Motivationssystem
emotionales Lernen
Kind
Persönlichkeit
Spiegelresonanz
(Spiegelsystem)
Spiegelzellen
(Spiegelsystem)
Abbildung 17: Beziehung (eigene Darstellung)
Unter den bereits erläuterten Bereichen wie Spiegelsystem, Motivationssystem und Persönlichkeit kam immer wieder zur Geltung, wie bedeutungsvoll die zwischenmenschliche Beziehung für
die Entwicklung des Kindes ist. Bauer sagt sogar, dass die Menschen aus neurobiologischer Sicht
auf soziale Resonanz und Kooperation angelegte Wesen seien und nennt dazu drei Argumente,
die die Menschen als Beziehungswesen ausweisen (2007, S. 69–70):
1. D
ie Motivationssysteme des Gehirns sind auf Kooperation und Zuwendung ausgerichtet und
stellen sich bei andauernder Isolation ein.
2. V
erluste oder schwere Störungen zwischenmenschlicher Beziehungen führen zu einer Mobilmachung der biologischen Stresssysteme.
3. D
as System der Spiegelnervenzellen ist ein neurobiologisches System, das eine intuitive,
wechselseitig soziale Einstimmung ermöglicht.
2.7.1 Das Gelingen einer Beziehung
«Die Beziehungsfähigkeit hat zweifellos einen neurologischen Aspekt und die Möglichkeit, korrigierend auf die soziale Neurologie des Gehirns einzuwirken» (Ratey, 2006, S. 364).
Folgende Beziehungselemente sollen gemäss Bauer (2007, S. 190) zum Gelingen einer positiven
Beziehung beitragen: Sehen und Gesehen werden, Gemeinsame Aufmerksamkeit, Emotionale
Resonanz, Gemeinsames Handeln, Verstehen von Motiven und Absichten.
Das Gelingen einer Beziehung verdeutlicht Bauer (2007) mit der Metapher eines Weges. «Die
Gegenspur repräsentiert das Verstehen, die eigene Fahrspur bedeutet Man-selbst-Sein und zu
seinen Überzeugungen stehen» (S. 194). Es ist wichtig die Gegenspur im Auge zu behalten und
dem anderen zu erkennen zu geben, dass er gesehen und seine Befindlichkeit wahrgenommen
wird. Zugleich ist es auch wichtig seine eigenen Vorstellungen und Absichten deutlich zu signalisieren. Bauer meint, dass die Ursache einer nicht gelingenden Beziehung oft darin liege, dass
«einspurig» gefahren werde.
Ergebnisse aus der Literaturstudie – Emotionales Lernen
29
3 Ergebnisse aus der Literaturstudie
Bevor auf die Ergebnisse aus der Literaturstudie übergeleitet wird, wird auf den Aspekt des
emotionalen Lernens eingegangen. Wie zu Beginn der Arbeit erwähnt, wird diese Definition aus
den Recherchen zum Thema Emotionen abgeleitet. Anschliessend wird, um einen kurzen Überblick der theoretischen Grundlagen zu schaffen, nochmals auf alle Aspekte, mit der Perspektive auf die Psychomotoriktherapie gerichtet, eingegangen. Daraus werden unter dem Kapitel
‹therapeutische Interventionen› Voraussetzungen und Umsetzungsmöglichkeiten des therapeutischen Handelns zur Unterstützung des emotionalen Lernens ausgeführt.
3.1 Emotionales Lernen
Beziehung
Therapeutin
Motivationssystem
emotionales Lernen
Kind
Persönlichkeit
Spiegelresonanz
(Spiegelsystem)
Spiegelneuronen
(Spiegelsystem)
Abbildung 18: Emotionales Lernen. (eigene Darstellung)
Emotionales Lernen setzt sich aus Selbstwahrnehmung, Selbstregulation und Aufbau von neuen
Handlungsstrategien zusammen. Selbstregulation sowie Selbstwahrnehmung hängen mit dem
neuronalen System der Amygdala und der mit ihr verbundenen Schaltkreisen durch den präfrontalen Cortex, sprich oberer und unterer Pfad, zusammen. Das Erkennen, Ausdrücken und Handhaben von Gefühlen, über eine Impulskontrolle verfügen und zwischen Fühlen und Handeln
unterscheiden wird der Selbstwahrnehmung zugeschrieben. Unter Selbstregulation werden
Umgang und Einflussnahme auf die emotionalen Reaktionen verstanden. Wird ein Bewusstsein
und Wahrnehmen der eigenen Gefühle erlangt, so wird zunehmend über Kontrolle der emotionalen Reaktion verfügt. Verhaltensweisen können dadurch beeinflusst und verändert werden.
Ergebnisse aus der Literaturstudie – Emotionales Lernen
30
Selbstwahrnehmung und Selbstregulation beeinflussen die Handlung, was sich auf den Erwerb
von neuen Handlungsstrategien positiv auswirkt. Beobachten und Erfahren von neuen Handlungsmöglichkeiten ist sehr bedeutend im Aufbau von Verhaltensstrategien. Dies hat eine neuronale Stärkung zur Folge, was eine Zunahme der assoziativen Netze auslöst, woraus sich wiederum Schemata und Arbeitsmodelle entwickeln. Neurologisch gesehen aktiviert emotionales
Lernen die Umkonditionierung von der mittleren zur oberen limbischen Ebene, sowie des unteren
zum oberen Pfad.
Selbstwahrnehmung
Selbstregulierung
Aufbau von neuen
Verhaltensstrategien
emotionales Lernen
Abbildung 19: Definition emotionales Lernen (eigene Darstellung)
Ergebnisse aus der Literaturstudie – Herleitung: Voraussetzung des therapeutischen Handelns
31
3.2 Herleitung: Voraussetzung des therapeutischen Handelns
3.2.1 Beziehung
Die Beziehung ist das grundlegendste Element jeglicher Therapie, denn auf ihr baut die Entwicklung und die Weiterentwicklung des Individuums auf. Um eine vertrauensvolle Beziehung
zu schaffen, lässt die Therapeutin das Kind spüren, dass sie es wahrnimmt. Sie schenkt dem
Kind gegenüber einer Sache, die das Kind zeigt oder erzählt, Aufmerksamkeit. Die Therapeutin
kann sich auf die Stimmung des Kindes einlassen und behält trotzdem eine angebrachte Distanz.
Handlungen kann die Therapeutin gemeinsam mit dem Kind ausführen oder verbal begleiten.
Die Aufgabe der Therapeutin ist es, das Kind zu verstehen. Zu verstehen, welche Motive und
Absichten hinter dem Verhalten des Kindes stehen. Die Beziehungsdyade zwischen Kind und
Therapeutin lässt Vertrauen, Intimität und Entfaltung zu. Dies schafft die Voraussetzungen um
das Motivations- und Spiegelsystem zu aktivieren, was wiederum Auswirkungen auf die Persönlichkeit hat und diese beeinflussen kann.
3.2.2 Spiegelresonanz und Spiegelneuronen (Spiegelsystem)
Die zwischenmenschliche Beziehung zwischen Kind und Therapeutin lässt die Spiegelneuronen
beim Kind aktiv werden. Dies ist Voraussetzung für jeden Lernvorgang, weil dadurch bereits beim
Beobachten einer Tätigkeit ein innerliches, analoges mitreagieren ausgelöst wird. Die Bereitschaft
zum eigenen Handeln wird im prämotorischen und präsensorischen Cortex aktiviert. Dies veranlasst das Kind, eine beobachtete Handlung eines anderen Kindes oder der Therapeutin selbst auszuführen, was als Lernen am Modell bezeichnet wird. Neurologisch gesehen findet hier eine Verschiebung von der Vorstellung zur Handlung statt, was die Bereiche des primär motorischen und
primär sensorischen Cortex’ beansprucht. Die Aufgabe der Therapeutin ist es, das Kind möglichst
lebensnahe und praktische Handlungserlebnisse durch Nachahmen, Erproben, Umsetzten, Spüren und Abrufen erfahren zu lassen. Es werden Schemata gebildet, welche aus neuronaler Stärkung und assoziativen Netzen bestehen. Mehr und mehr bildet das Kind ein Repertoire von verschiedenen Handlungsmöglichkeiten, was als internes Arbeitsmodell bezeichnet wird. Das Kind
kann die erworbenen Verhaltensweisen angepasst und adäquat in verschiedenen Situationen
einsetzten.
3.2.3 Motivationssystem
Erfährt das Kind, dass es wahrgenommen, ihm Aufmerksamkeit geschenkt und es verstanden
wird, positive Zuwendung und Liebe erfährt, wird sein Motivationssystem aktiviert. Gelingt es
der Therapeutin das Motivationssystem anzuregen, werden die Botenstoffe Dopamin, endogene Opioide und Oxytozin freigesetzt. Dopamin ruft grundsätzlich das Gefühl von Wohlbefinden, ebenso psychische und physische Konzentration und Handlungsbereitschaft hervor. Diese
optimalen Voraussetzungen veranlassen die Therapeutin das Kind an neue Handlungsstrategien heranzuführen. Dabei wirken die endogenen Opioide gleichzeitig auf die Emotionszentren,
haben positive Effekte auf das Ich-Gefühl und vermindern Schmerzempfindlichkeit. Die Therapeutin gestaltet lustvolle Angebote welche die Emotionalität ansprechen und somit den Erwerb
neuer Handlungsstrategien positiv beeinflussen. Dabei sorgt Oxytozin für die körperliche Entspannung, kann Angst dämpfen und ist für zwischenmenschliche Resonanz und soziale Verbundenheit verantwortlich. Um eine feste Bindungen eingehen zu können, sind ausschliesslich Oxytozin und Dopamin verantwortlich.
Ergebnisse aus der Literaturstudie – Herleitung: Umsetzung des therapeutischen Handelns
32
3.3 Herleitung: Umsetzung des therapeutischen Handelns
3.3.1 Persönlichkeit
Genetische Veranlagung, angeborene Merkmale, Umwelterfahrungen, Mutter-Kind Beziehung
und Bindungserfahrung spielen eine grosse Rolle bei der Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes. In der Psychomotoriktherapie werden den Einflussfaktoren wie Anlage und Umwelt grosse
Aufmerksamkeit geschenkt. Sie geben den Rahmen vor in dem sich das Kind bewegt, aufwächst, entwickelt und die Persönlichkeit bildet. Innerhalb dieses Rahmens sind Grenzen und
Möglichkeiten der Entwicklung des Kindes zu erkennen und veranlasst die Psychomotoriktherapeutin eine diesen Bedürfnissen angepasste Therapie zu gestalten.
3.3.2 Limbische Ebenen
Die untere limbische Ebene wird dem Unbewussten zugeordnet. Beim Säugling lässt sich das vegetative-affektive Verhalten beobachten, beispielsweise durch plötzliches und heftiges Schreien. Es
handelt sich dabei um Emotionen die durch Reize von aussen ausgelöst werden und so zum Ausdruck gebracht werden. Der Säugling und auch das Kleinkind besitzen noch kein Verhaltensrepertoire, so dass das affektive Verhalten als Schutzfaktor dient und bei den Bezugspersonen
meistens eine Handlung in Gang setzt. Dieses Verhalten wird durch Hypothalamus, Amygdala,
zentrales Höhlengrau und die vegetativen Zentren des Hirnstamms ausgelöst. Da diese Ebene
hauptsächlich von der Disposition des Kindes bestimmt ist und es sich um genetische Veranlagungen handelt, kann hier therapeutisch kaum Einfluss genommen werden.
Anders ist es mit der mittleren Ebene, die ebenfalls dem unbewussten Bereich zugeordnet wird.
Zu ihr zählen vorwiegend die Amygdala und das mesolimbische System. In diesen Strukturen
erfolgt die emotionale Konditionierung, das heisst negative, positive oder neuartige Erlebnisse
werden abgespeichert und unbewusst, allenfalls mit bereits bestehenden Gefühlen gekoppelt.
Auf eine bestimmte Reaktion wird dann vermehrt mit einem bestimmten Verhalten reagiert.
Wird beispielsweise ein Kind adäquat gelobt wenn es eine Tätigkeit ausführt, so wird es dies
als ein gutes Erlebnis abspeichern und wieder ausführen wollen. Das Kind erwirbt somit unbewusste Verhaltensweisen.
Unbewusste Verhaltensstrategien können durch Umkonditionierung zu bewussten werden. Dazu
muss die mittlere limbischen Ebene mit der oberen limbischen Ebene verbunden werden. Denn
in der oberen limbischen Ebene ist der Sitz der bewussten Gefühle, des Verstandes, des sozialen
Lernens, des logischen Denkens, der Sprache und der Aufmerksamkeit. Dieser Prozess hängt
stark mit dem Motivationssystem sowie mit dem Spiegelsystem des Kindes zusammen. Durch
Beziehung und Spiegelresonanz kann diese Bewusstmachung therapeutisch positiv beeinflusst
werden.
3.3.3 Emotionale Reaktion
Eine emotionale Reaktion kann über die Wege der Informationsverarbeitung ausgelöst werden:
Der Weg über den oberen Pfad greift auf Erfahrungen und Regeln zurück. So kann beispielsweise bewusst gesteuert werden, nicht sofort zuzuschlagen oder wegzulaufen wenn Gefahr
oder Ärger droht. Der untere Pfad handelt schnell und gefühlsbetont, jeweils bevor ein Überblick über eine Situation verschafft wurde. Dies löst eine unbewusste, affektvolle emotionale
Reaktion aus.
Ergebnisse aus der Literaturstudie
33
Wird über ein Bewusstsein vom Ablauf der emotionalen Reaktion verfügt, kann von aussen
gezielt Einfluss genommen werden. Als Therapeutin besteht die Möglichkeit, das Kind in einem
solchen Moment verbal zu begleiten, was sich positiv auf die Amygdala auswirkt.
3.3.3.1 Limbischen Ebenen und emotionale Reaktion
Die limbischen Ebenen können denselben Hirnstrukturen wie der obere und der untere Pfad zugeordnet werden. Ebenfalls sind vorwiegend Amygdala und präfrontaler Cortex beteiligt. Ähnlich
wie bei den limbischen Ebenen ist es auch im Zusammenhang mit der emotionalen Reaktion das
Ziel, vermehrt Gebrauch des oberen Pfads, über den präfrontalen Cortex, zu machen. Emotionale Reaktionen stellen eher einen Kreislauf dar, während die limbischen Ebenen die Umstände
der Speicherung und der bewussten und unbewussten Verhaltensweisen aufzeigen. Sie stellen
die neurologische Seite des emotionalen Lernens dar.
Ergebnisse aus der Literaturstudie – Therapeutische Interventionen
34
3.4 Therapeutische Interventionen
Einerseits werden in Form eines Rasters Merkpunkte der therapeutischen Voraussetzungen zur
Unterstützung des emotionalen Lernens aufgezeigt. Anderseits werden konkrete Merkpunkte
der therapeutischen Umsetzungsmöglichkeiten zur Unterstützung des emotionalen Lernens dargestellt.
3.4.1 Voraussetzung des therapeutischen Handelns
Voraussetzung des therapeutischen Handelns
Beziehung
Therapeutin
Motivationssystem
emotionales Lernen
Kind
Persönlichkeit
Spiegelresonanz
(Spiegelsystem)
Spiegelneuronen
(Spiegelsystem)
Abbildung 20: Voraussetzung des therapeutischen Handelns. (eigene Darstellung)
Die Aspekte Beziehung und Spiegelresonanz schaffen für die Therapeutin gute Voraussetzungen um beim Kind die erwünschten neurologischen Effekte zu bewirken. Dazu wurde ein
Raster erstellt, das Merkpunkte des therapeutischen Vorgehens zur Unterstützung des emotionalen Lernens beinhaltet, die für das Therapeutinnenverhalten von Bedeutung sind. Das Raster
vermittelt zugleich eine kurze Begründung, was aus neurologischer Sicht durch das Therapeutinnenverhalten beim Kind ausgelöst und demzufolge neurologisch aktiviert wird.
Im Raster sind Überschneidungen der Aspekte sichtbar. Dies ist auf die Komplexität der neurologischen Inhalte zurückzuführen, die kaum strikte zu trennen sind. Spiegelresonanz, als Beispiel, kann beim Kind sowohl auf die Spiegelneuronen als auch auf die Motivationssysteme
Einfluss haben, ebenfalls gilt dies für den Aspekt der Beziehung. Im Raster sind nun Spiegelresonanz mit Spiegelneuronen und Beziehung mit Motivationssystemen kombiniert. Das Raster
muss als Übersicht beziehungsweise als Anhaltspunkt verstanden werden. Eine detailliertere
und exaktere Auseinandersetzung mit den Inhalten des Rasters wäre notwendig, würde den
Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch sprengen.
–wird als Individuum wahrgenommen
–Gefühl von Wohlbefinden
–fühlt soziale Anerkennung
–erhält Aufmerksamkeit aufgrund des
Verhalten
–Verhaltensweisen dürfen gezeigt werden
–spürt Verständnis
–Handlungen werden gesehen und verbal
ausgedrückt
–spürt Kooperation und Zuwendung
–fördert Entspannung
–schenkt Beachtung
–zeigt positive Zuwendung
–schenkt Aufmerksamkeit gegenüber
dem Verhalten
–lässt sich auf die Stimmung ein
–begleitet verbal
–handelt mit
–versucht Motiven und Absichten zu
verstehen
Tabelle 2, Teil 1: (eigene Darstellung)
–aktiviert Motivationssysteme
–lässt Vertrauen, Intimität und Entfaltung zu
–schafft Basis des Vertrauens
–zwischenmenschliche Resonanz
–soziale Verbundenheit
–baut Beziehung auf
–endogene Opioide bewirken positive Effekte
auf Ich-Gefühl und emotionale Gestimmt heit, vermindern Schmerzempfindlichkeit
und stärken das Immunsystem
–durch die Aktivierung des Dopamins werden
endogene Opioide freigesetzt
–Dopamin erzeugt psychische und physische
Konzentration, Handlungsbereitschaft und
ein Gefühl des Wohlbefindens
–Produktion von Oxytozin: körperliche
Entspannung, senkt den Blutdruck, dämpft
die Angstzentren, beruhigt die biologischen
Stresssysteme
neurologische Auswirkungen:
aktiviert beim Kind die Motivationssysteme:
Beziehung der Therapeutin:
Voraussetzungen des therapeutischen Handelns zur Unterstützung des emotionalen Lernens (Teil 1)
Ergebnisse aus der Literaturstudie – Therapeutische Interventionen
35
–fördert Entwicklung und Entfaltung
–schafft Voraussetzung zum Lernen
–bildet die Fähigkeit des emotionalen
Verstehens
–fördert die Fähigkeit des Verstehens
und Interpretierens von Handlungen
und mentalen Zuständen anderer Personen
–Entwicklung der Empathie und Theory
of Mind
–löst innerliches analoges mitreagieren und
Handlungsbereitschaft aus
–animiert um selber aktiv zu werden
–bildet emotionale Resonanz
–eröffnet neue Perspektiven
–erweitert Handlungsmöglichkeiten
–baut Repertoire von Handlungsmöglich keiten auf
–Schemata, internes Arbeitsmodell bilden
–nimmt Signale auf, geht auf diese ein
–zeigt Zuwendung
–spiegelt Situationen und Gefühle
–lässt zwischenmenschliche Erfahrungen zu
–hat Vorbildfunktion (Lernen am Modell)
–vermitteln Varianten des Handelns und
Fühlens in unterschiedlichsten Rollen
–ermöglicht lebensnahe, praktische Hand lungserlebnisse durch Nachahmen, Erproben,
Umsetzten, Spüren und Abrufen
Tabelle 2, Teil 2: (eigene Darstellung)
aktiviert beim Kind die Motivationssysteme:
Spiegelresonanz der Therapeutin:
–erweitert assoziative Netze
–regt die neuronaler Stärkung an
–durch das Abspeichern von Erfahrungen
erweitern sich die Nervenzellnetze
–Prämotorischer Cortex, präsensorischer
Cortex, primär motorischer Cortex,
primär sensorischer Cortex sind aktiviert
–aktiviert Spiegelneuronen
neurologische Auswirkungen:
Voraussetzungen des therapeutischen Handelns zur Unterstützung des emotionalen Lernens (Teil 2)
Ergebnisse aus der Literaturstudie – Therapeutische Interventionen
36
Ergebnisse aus der Literaturstudie – Therapeutische Interventionen
37
3.4.2 Umsetzung des therapeutischen Handelns
Mit den konkreten Vorschlägen zum therapeutischen Verhalten wurde die Voraussetzung geschaffen um emotionales Lernen entsprechend zu unterstützen. In einem weiteren Schritt wird
nun die therapeutische Vorgehensweise zu Selbstwahrnehmung, Selbstregulation und Aufbau
von Verhaltensstrategien erläutert.
Umsetzung des therapeutischen Handelns
Selbstwahrnehmung
Selbstregulierung
Aufbau von neuen
Verhaltensstrategien
emotionales Lernen
Abbildung 21: Umsetzung des therapeutischen Handlens. (eigene Darstellung)
3.4.2.1 Ausgangslage der Therapeutin
Emotionen treten auf der ‹Bühne des Körpers› auf und sind von aussen sichtbar. Sie drücken
momentane Gefühle, Zustand der Befindlichkeit und innere Bedürfnisse aus. Die Therapeutin,
im Sinne einer Zuschauerin, kann die Emotionen des Kindes beobachten und wahrnehmen. Aber
auch ihr bleibt der Blick hinter die Kulissen verborgen. Warum beispielsweise Monster gespielt,
Angst inszeniert und Tod dramatisiert wird, erfährt sie nicht. Ihre Aufgabe ist es, dem Kind zu
einem bewussten Zugang dieser emotionalen Ausdrucksformen zu verhelfen. Das Spiel des Kindes lässt die Therapeutin erkennen, mit welchen Themen sich das Kind auseinandersetzt und
welche Gefühle thematisiert werden. Jene Gefühle die in einer Spielsituation von Bedeutung
sind, werden gespiegelt, benannt und reflektiert.
Kinder in der Psychomotoriktherapie haben bereits ein Muster erworben, wie sie in welcher
Situation reagieren. Diese kann adäquat, gefühlsbetont oder affektvoll sein. Handelt ein Kind
beispielsweise immer im Affekt, ist es angebracht, mit dem Kind mögliche Verhaltensweisen
aufzubauen damit ein bewusster Umgang mit diesen Gefühlen gefunden wird. Ziel ist, dass das
Kind nicht seinen Emotionen ausgeliefert ist sondern bewusst Handeln kann. Die Perspektive
ist im Folgenden auf alle Verhaltensweisen gerichtet, die vom Kind durch das Spiel ersichtlich
werden.
3.4.2.2 Ablauf
Als erstes geht es um das bewusste Wahrnehmen von Gefühlen, was in drei Schritten beschrieben wird. Dann erfolgt die Erläuterung zum Aufbau von Verhaltensstrategien. Obwohl die
Umsetzung gegliedert aufgeführt ist, muss das emotionale Lernen als ein ganzheitlicher Prozess
verstanden werden. Für die Therapeutin gilt es dabei zu beachten, dass sie während diesem Prozess dem Kind fortlaufend Rückmeldungen gibt. Erfährt das Kind eine Rückmeldung über sein
Ergebnisse aus der Literaturstudie – Therapeutische Interventionen
38
Verhalten, unterstützt dies den Lernprozess. Das Kind soll merken was sein Verhalten bei den
Mitmenschen auslöst und wie dies auf andere wirkt.
1. Gefühle wahrnehmen
Die Therapeutin zeigt empathisches Verhalten, offenbart Spiegelresonanz indem sie die Emotionen des Verhaltens des Kindes spiegelt. Die Gefühle werden somit von aussen Sichtbar gemacht.
Durch die Benennung der emotionalen Ausdrucksweise lernt das Kind Begriffe kennen, die seine
Befindlichkeit auszudrücken vermögen. Das Kind entwickelt ein Vokabular für seine Gefühle und
lernt diese wahrzunehmen. In Form von Containment signalisiert die Therapeutin dem Kind,
dass sie seine Affekte versteht, diese aufnimmt und modifiziert. Neurologisch gesehen befinden
wir uns hier am Übergang von der unteren zur mittleren limbischen Ebene.
Therapeutin zum Kind:
– «Ich sehe, du liegst und bewegst dich nicht»
– «Das braucht aber viel Mut»
– «Von da runter zu springen würde mir Angst machen»
– «Für das muss man wirklich kräftig sein»
– «Ich sehe, das macht dir weh»
2. Gefühle benennen
Es ist wichtig, dass Emotionen in den Kontext der Gesellschaft gestellt werden. Das hilft dem
Kind die Gefühle fassbar zu machen. Den Emotionen kann einen Namen gegeben werden. Mit
der Namensgebung kann sich das Kind eine klare Vorstellung darüber machen, sich in dies hineinversetzen und dem im Spiel Ausdruck verleihen. Hier werden bereits Verbindungen in die
obere limbische Ebene, also ins Bewusstsein hergestellt werden.
Therapeutin zum Kind:
– «In meiner Welt erinnert mich das Fauchen an eine Katze»
– «So wie du dich vorwärts bewegst erinnert es mich an…»
– «Könnte das Knurren von einem Tier sein…?»
– «Wie könnte dem gesagt werden?»
– «Was heisst Angst haben?»
– «Wie fühlt sich das an, hat einen heissen Kopf gegeben?»
3. Gefühle reflektieren
Die Reflexion durch verbalisieren, visualisieren wie Malen, Kneten oder Erzählen gibt den Emotionen eine Gestalt. Dazu müssen Worte, Formen oder andere Ausdrucksmöglichkeiten gefunden werden, was eine bewusste Auseinandersetzung verlangt. Sobald sich ein Kind Gedanken
darüber macht, wie es ein Gefühl darstellen will, ist der präfrontale Cortex angesprochen. Der
Austausch zwischen Kind und Therapeutin findet durch die Gestaltgebung auf der Metaebene
statt, was die Verbindung ins Bewusstsein nochmals verstärkt anspricht.
Therapeutin zum Kind:
– «Ich sehe du malst ein Feuer, hat dir das Angst gemacht?»
– «Wie war das für dich…?»
– «Wie hast du dich dabei gefühlt?»
Ergebnisse aus der Literaturstudie – Therapeutische Interventionen
39
3.4.2.3 Erwerb von Verhaltensstrategien
Der Erwerb von Verhaltensstrategien sowie Gefühle wahrnehmen, können natürlich nicht Einzel
betrachtet und schon gar nicht getrennt voneinander eingeübt werden. Letztendlich handelt es
sich dabei immer um ein Wechselspiel des aufeinander Aufbauens, des ineinander Fliessens und
des zusammen Gehörens.
Indem das Kind in einem ersten Schritt sensibilisiert wurde physiologische Komponenten der
Gefühle zu spüren, Vorsignale zu erkennen und diese auch lesen zu können, können in einem
zweiten Schritt konkrete Verhaltensstrategien aufgebaut werden. Das Bewusstsein über die
Gefühle ist nun soweit hergestellt, dass das Verhalten überdacht und eine Handlung geplant
werden kann.
3.4.2.4 Neuronale Stärkung und Assoziative Netze
Die Aufgabe der Therapeutin ist es, mit dem Kind ein vielseitiges Spektrum von Verhaltensmöglichkeiten und Handlungsstrategien gegenüber Gefühlen und deren Emotionen zu erarbeiten.
Indem das Kind Verhaltensweisen beispielsweise von der Therapeutin oder einem anderen Kind
beobachtet, lernt es alternative Handlungsstrategien kennen. Das «Lernen am Modell» aktiviert das Spiegelsystem. Beim Kind löst das Beobachten von Handlungen bereits ein Lernen von
Handlungen aus. Die Spiegelneuronen des prämotorischen und präsensorischen Cortex bilden
die Vorstellung der Handlung, während der primär motorische und primär sensorische Cortex
dann an der Ausführung der Handlung beteiligt sind.
Emotionale Fähigkeiten und soziale Fertigkeiten werden besser gelernt, wenn möglichst viele
Herangehensweisen zur Verfügung stehen, also ein assoziatives Netz von Lösungsmöglichkeiten
und adäquaten Handlungsstrategien besteht. Diese Verhaltensweisen soll das Kind selber ausprobieren, kennen lernen und üben können. Von Bildern und Geschichten, aber auch von aktuellen Gegebenheiten des Kindes, sollen Gefühle und Emotionen thematisiert, interpretiert und
herausgelesen werden. Durch das Rollenspiel können konkrete Verhaltensweisen nachgeahmt,
verschiedene Lösungsmöglichkeiten diskutiert und ausprobiert werden. Das Ziel ist, dass das
Kind in einer Problemsituation sich selber anleiten und entsprechend handeln kann.
1. innehalten
2. denken bevor handeln
3. das Problem benennen
4. benennen was gefühlt wird
5. mögliche Optionen zur Lösung des Problems suchen
6. Konsequenzen druchdenken
7. für eine Lösung entscheiden und diese ausführen
Das Durchspielen dieser Verhaltensweisen und Handlungsstrategien stärkt die neuronalen Verbindungen. Je mehr Möglichkeiten überlegt und geübt werden, Analogien und Varianten gebildet werden, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit eine adäquate Handlung in Erinnerung zu
rufen.
Ergebnisse aus der Literaturstudie – Therapeutische Interventionen
Emotionales Lernen auf einen Blick, in groben Schritten zusammengefasst:
Gefühle wahrnehmen, benennen und reflektieren, sowie
Handlungsmöglichkeiten erweitern,
führt zu neuronaler Stärkung und
bildet assoziative Netze.
Daraus ergeben sich neue Handlungsschemata und es
folgt die Entwicklung eigener Arbeitsmodelle.
Aus diesem Kreislauf resultieren neue Verhaltensweisen.
Tabelle 3:( eigene Darstellung)
40
Empirischer Exkurs
41
4 Empirischer Exkurs
Durch die Anwendung eines deduktiven Beobachtungsrasters in Psychomotoriktherapiestunden wird die unten aufgeführte Vorannahme durch einen empirischen Exkurs untersucht. Dabei
handelt es sich um die Überprüfung eines Einzelfalls und liefert daher keine allgemein gültigen
Aussagen. Eine empirische Untersuchung aus der sich repräsentative Ergebnisse ableiten liessen,
würde den Rahmen einer weiteren Arbeit dieses Umfanges ausfüllen. Abschliessend in diesem
empirischen Exkurs werden die Ergebnisse aus dem Einzelfall diskutiert.
Es wird davon ausgegangen, dass in der Psychomotoriktherapie bereits therapeutische Interventionen zum emotionalen Lernen umgesetzt werden. Allerdings steht
offen, ob die Therapeutinnen über ein Bewusstsein zu emotionalem Lernen verfügen
oder vorwiegend unbewusst oder sogar intuitiv handeln.
4.1 Methodisches Vorgehen
Als Grundlage des empirischen Exkurses dienen die erarbeiteten Merkpunkten zu den folgenden
beiden therapeutischen Interventionen:
a) Voraussetzungen des therapeutischen Handelns zur Unterstützung des emotionalen Lernens
b) Umsetzung des therapeutischen Handelns zur Unterstützung des emotionalen Lernens
Im Folgenden werden diese beiden therapeutischen Interventionen mit den Abkürzungen a) und b)
verwendet.
Aus den Erkenntnissen des Exkurses wurden stichwortartige Kriterien abgeleitet und zu einem
Beobachtungsraster zusammengestellt. Um den Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht zu überschreiten unterliegen die Kriterien nicht einer vertieften begrifflichen Auseinandersetzung, was
berücksichtigt werden muss. Anhand von den erstellten Kriterien sollte beobachtet werden können, ob die aus der Theorie abgeleiteten Voraussetzungen und Umsetzungen des therapeutischen Handelns zum emotionalem Lernen bei der Therapeutin ersichtlich sind.
4.2 Stichprobe
Bei einer Psychomotoriktherapeutin im Kanton Luzern wurde dieses methodische Vorgehen durchgeführt. Es handelt sich um eine berufserfahrene Therapeutin, die über keine vertieften neurologischen Kenntnisse verfügt. Während drei verschiedenen Psychomotoriktherapiestunden (von
verschiedenen Kindern), war während dem Beobachten die Aufmerksamkeit auf zwei Bereiche
gerichtet: Voraussetzung und Umsetzung des therapeutischen Handelns. Jeweils anschliessend
an die Therapiestunden erfolgte ein Austausch mit der Therapeutin. Dabei wurden Stundeninhalte, Zielsetzungen und Zielerreichung diskutiert. Die Therapiestunden und der Austausch mit
der Therapeutin wurden durch Videoaufnahmen festgehalten. Nach der letzten dieser Stunden
wurde das Beobachtungsraster angewendet.
4.3 Beobachtungsergebnisse
Aus dem Beobachtungsraster geht hervor, dass bei der Therapeutin alle der aufgeführten Kriterien zur Voraussetzung des therapeutischen Handelns in Bezug auf das emotionale Lernen
ersichtlich waren. Bei der Umsetzung des therapeutischen Handelns in Bezug auf das emotionale Lernen konnten klar die Bereiche Gefühle wahrnehmen und Gefühle benennen beobachtet
Empirischer Exkurs
42
werden. Die restlichen beobachteten Kriterien im Bereich der Umsetzung kamen Ansatzweise,
jedoch nicht stringent, zum Vorschein. Folgende Punkte wurden beim Therapeutinnenverhalten besonders wahrgenommen: empathisches Verhalten zeigen, Emotionen des Kindes spiegeln,
Gefühle verbalisieren, Verbindungen in Zusammenhang mit dem Kind schaffen. Die Aspekte
Beziehung und Spiegelresonanz standen deutlich im Vordergrund.
Ein beeindruckender Moment war, als die Therapeutin zu Beginn der Stunde mit dem Kind, ein
Lied gesungen hat, während das Kind auf einer Schaukel sass. Dabei entstand eine vertrauensvolle Stimmung die den Aspekten Beziehung und Motivation zugeschrieben werden kann. Durch
die Zuwendung und Aufmerksamkeit der Therapeutin gegenüber dem Kind kann angenommen
werden, dass neurologische Effekte im Motivationssystem ausgelöst wurden, was beim Kind
das Gefühl von Wohlbefinden hervorrief. In einer späteren Sequenz der Therapiestunde ergab
sich ein Rollenspiel, bei dem die Spiegelresonanz der Therapeutin besonders zur Geltung kam.
Sie hat sich auf die Stimmung des Kindes eingelassen und Signale, die für das Kind in diesem
Moment bedeutend waren aufgenommen. So hat sie beispielsweise gespielt, dass sie weinen
würde. In dieser Situation konnte beim Kind eine grosse Aufmerksamkeit beobachtet werden,
was auf das Modelllernen und aktivieren der Spiegelneuronen hindeutet.
Anschliessend an die Therapiestunde hat die Therapeutin die Stunde reflektiert. Dabei wurde
sie aufgefordert:
– von der Stunde zu erzählen und zu sagen, an welchen Themen sie gearbeitet hat
– zu sagen, wie und in welchen Sequenzen an den Emotionen gearbeitet wurde
Empirischer Exkurs – Beantwortung der Vorannahme
43
4.4 Beantwortung der Vorannahme
In Bezug auf die Voraussetzung a) des therapeutischen Handelns bestätigen die Ergebnisse den
folgenden Teil der Vorannahme:
Es wird davon ausgegangen, dass in der Psychomotoriktherapie bereits therapeutische Interventionen zum emotionalen Lernen umgesetzt werden.
Die Vorannahme bleibt jedoch offen in Bezug auf die Umsetzung b) des therapeutischen Handelns. Es wurden lediglich Beobachtungen zu den ersten zwei Handlungsschritten (vgl. S. 38)
gemacht. Da es sich bei der Umsetzung um einen Prozess handelt, kann angenommen werden,
dass die weiteren Schritte in kommenden Therapiestunden zum Tragen kommen. Daher müssten mehrere Stunden aneinanderfolgend beobachtet und ausgewertet werden.
Die Auswertung des empirischen Exkurses zeigte, dass die erstellten Beobachtungskriterien die
Vorannahme…
Allerdings steht offen, ob die Therapeutinnen über ein Bewusstsein zu emotionalem
Lernen verfügen oder vorwiegend unbewusst oder sogar intuitiv handeln.
…nicht beantworten lässt. Die Ergebnisse der Auswertung zeigten, dass die bei der Reflexion
gestellten Fragen an die Therapeutin bezüglich der Vorannahme viel zu offen formuliert waren.
Diese Fragen hätten konkret und klar auf das Thema bezogen formuliert werden müssen. Folgende Aussage lässt sich trotzdem ableiten: Die Tatsache, dass die Therapeutin alle Kriterien von
a) umgesetzt, aber in der Reflexion der Stunde vorwiegend das Verhalten des Kindes beschrieben
hat, kann auf ein intuitives therapeutisches Handeln zurückzuführen sein. Zudem kann gesagt
werden, dass die Therapeutin über ein Bewusstsein der Problematik des Kindes im emotionalen
Bereich verfügt da sie klar reflektieren konnte, welche Bedürfnisse und Themen für das Kind
aktuell sind.
beantwortung der fragestellung
44
5 Beantwortung der Fragestellung
Wie können neurowissenschaftliche Erkenntnisse im Bezug auf emotionales Lernen in
die therapeutische Arbeit der Psychomotoriktherapeutin einfliessen?
EMOTIONALES LERNEN
Voraussetzung des therapeutischen Handelns
Beziehung
Therapeutin
Motivationssystem
emotionales Lernen
Kind
Persönlichkeit
Spiegelresonanz
(Spiegelsystem)
Spiegelneuronen
(Spiegelsystem)
Umsetzung des therapeutischen Handelns
Selbstwahrnehmung
Selbstregulierung
Aufbau von neuen
Verhaltensstrategien
emotionales Lernen
Abbildung 22: (eigene Darstellung)
Wie in der Grafik dargestellt, stehen als Kernelemente vier neurologisch begründete Aspekte
im Mittelpunkt, die alle das emotionale Lernen des Kindes beeinflussen: Beziehung, Motivationssystem, Spiegelresonanz und Spiegelneuronen. Diese vier Aspekte sind wiederum in zwei
Bereiche aufgeteilt, so dass einerseits die Perspektive der Therapeutin und anderseits die des
Kindes dargestellt ist.
Beim Kind wird zusätzlich zu den Aspekten Motivationssystem und Spiegelneuronen der Aspekt
Persönlichkeit aufgeführt, da dieser die Entwicklung des Kindes und somit auch das emotionale
Lernen zu einem grossen Teil beeinflusst und mitbestimmt. Die wechselseitigen Zusammenhänge
zwischen den Aspekten Motivationssystem, Spiegelneuronen und Persönlichkeit (die vom Kind
beantwortung der fragestellung
45
nicht bewusst beeinflusst werden können) sind in der Gestaltung der Therapie zum emotionalen
Lernen zu berücksichtigen.
Für die Psychomotoriktherapeutin sind neurologische Kenntnisse zu den Aspekten Beziehung
und Spiegelresonanz von zentraler Bedeutung um eine optimale Ausgangslage für das emotionale Lernen herzustellen. Sie bilden die Voraussetzung für die entsprechenden therapeutischen
Interventionen im Bezug auf das emotionale Lernen. Unter Berücksichtigung und Anwendung
der im Raster aufgeführten Merkpunkte zu Beziehung und Spiegelresonanz werden beim Kind
neurologische Effekte hervorgerufen, was Vertrauen und Bereitschaft auslöst. Dieser Effekt darf
allerdings nur angenommen werden, da ein biologischer Prozess als solcher nicht beobachtbar
ist. Nur durch Rückmeldungen des Kindes kann in Erfahrung gebracht werden wie die therapeutischen Interventionen auf das Kind wirken.
Da sich die Therapeutin nun der genannten Aspekte bewusst ist, sind die Voraussetzungen für
das therapeutische Handeln (unter Berücksichtigung von neurologischen Erkenntnissen) im Bereich des emotionalen Lernens geschaffen. In einem weiteren Schritt kommt anschliessend die
Umsetzung des therapeutischen Handelns zur Anwendung.
Die Therapeutin verfügt über das Bewusstsein wie emotionales Lernen neurologisch verankert
ist und kann mit diesem Wissen das Kind in der Selbstwahrnehmung, der Selbstregulation und
beim Aufbau von neuen Verhaltensstrategien therapeutisch begleiten. Die hergeleiteten Voraussetzungen und Umsetzungen kann die Therapeutin im Bezug auf die Neurowissenschaften
nachvollziehen und folgend dem ihre therapeutischen Interventionen benennen und begründen. Dieses neu erworbene Wissen beeinflusst die Interventionen der Therapeutin, was zu einer
erfolgreichen Therapie beiträgt. Somit ist dargelegt, wie die Kenntnisse über neurowissenschaftliche Zusammenhänge sich positiv auf das emotionale Lernen in der Psychomotoriktherapie auswirken.
SCHLUSSFOLGERUNGEN
46
6 Schlussfolgerungen
Das letzte Kapitel bietet einen Rückblick auf zentrale Inhalte und schneidet in Form eines Ausblicks weiterführende Themenbereiche an.
6.1 Die wichtigsten Resultate
Aus der Arbeit geht hervor, wie neurowissenschaftliche Erkenntnisse im Bezug auf emotionales
Lernen in die therapeutische Arbeit der Psychomotoriktherapeutin einfliessen. Aus der Theorie
werden Elemente in die therapeutische Praxis transferiert.
–M
it Hilfe einer grafischen Darstellung ist es gelungen, die umfassenden, teils nur schwer greifbaren Inhalte des emotionalen Lernens, fassbar zu machen.
– E s wird veranschaulicht welche Voraussetzungen das emotionale Lernen bedingt und welche
Umsetzungen es erfordert.
–D
ie hergeleiteten Voraussetzungen und Umsetzungen kann die Therapeutin im Bezug auf die
Neurowissenschaften nachvollziehen und folgend dem ihre therapeutischen Interventionen
benennen und begründen. Dieses neu erworbene Wissen beeinflusst die Interventionen der
Therapeutin, was zu einer erfolgreichen Therapie beiträgt.
6.2 Neurowissenschaften und Psychomotorik
Ein Teil des empirischen Exkurses bestätigte, dass in der Psychomotoriktherapie bereits viele
Parallelen zu neurowissenschaftlichen Erkenntnissen bestehen. Dies könnte ein Indiz sein und
dafür sprechen, die Arbeit in der Psychomotoriktherapie vermehrt mit neurowissenschaftlichen
Erkenntnissen zu stützen. Aus den Neurowissenschaften können plausible Zusammenhänge und
Begründungen herbeigezogen werden.
– In der psychomotorisch-therapeutischen Arbeit ist es wichtig über Wissen in der Neurologie zu
verfügen, um therapeutische Interventionen im emotionalen Bereich benennen und begründen zu können.
–N
eurowissenschaftliche Erkenntnisse fördern und unterstützen das therapeutische Handeln.
Dabei gilt es für die Therapeutin zu beachten, dass sie den Fokus gegenüber dem Kind nicht
ausschliesslich auf das Biologische reduziert, sondern weiterhin eine ganzheitliche Betrachtungsweise verfolgt.
SCHLUSSFOLGERUNGEN
47
6.3 Intuitiv oder unbewusst?
Nach wie vor bleibt unbeantwortet, ob die therapeutischen Interventionen auf unbewusstem
oder intuitivem Handeln beruhen. Um dies zu klären, müsste eine empirische Untersuchung
durchgeführt werden die diese Frage erforscht.
–O
bwohl im Bereich des emotionalen Lernens bereits zu einem grossen Teil intuitiv oder unbewusst «richtig» gehandelt wird, ist es als Therapeutin trotzdem erforderlich, über Wissen und
Bewusstsein in therapeutischen Interventionen zu verfügen.
–K
enntnisse der Neurowissenschaften sind wichtig um in der therapeutischen Arbeit gezielt zu
agieren und Vorgehensweisen begründen und vertreten zu können.
6.3 Ausblick
Die erläuterten Ergebnisse tendieren alle dafür, dass es für die psychomotorisch-therapeutische
Arbeit von hoher Wichtigkeit ist, über ein grundlegendes Wissen in der Neurologie zu verfügen.
Die Therapie soll entsprechend diesen neurologischen Erkenntnissen gestaltet und analysiert
werden, was zu einer kompetenten und erfolgreichen Arbeit beiträgt.
– Immer wenn neue Ansätze in die Therapie eingebracht werden, führt dies zu neuen Erkenntnissen. Auf diese Weise sind auch die in dieser Arbeit gewonnenen Resultate eine Bereicherung der therapeutischen Arbeit.
–A
llenfalls können die aus der Arbeit abgeleiteten Erkenntnisse als Grundlage eines neuen psychomotorisch-therapeutischen Konzepts dienen, das Voraussetzung, Umsetzung, Begründung
und Ziele des emotionalen Lernens vermittelt.
–A
n der Hochschule für Heilpädagogik sollen in der Ausbildung zur Psychomotoriktherapeutin neurowissenschaftliche Erkenntnisse im Zusammenhang mit emotionalem Lernen vermittelt werden.
– F ür die praktizierenden Psychomotoriktherapeutinnen soll die Möglichkeit bestehen Weiterbildungsangebote zu besuchen, in denen der Zusammenhang zwischen neurologischen
Erkenntnissen und der psychomotorischen Praxis im Bereich des emotionalen Lernens vermittelt wird.
–W
enn Psychomotoriktherapeutinnen ihre Arbeit mit dem Wissen über neurologische Erkenntnisse begründen und darlegen können, bedeutet dies eine Bereicherung der bestehenden
Kompetenzen. In Anbetracht eines allfälligen Paradigmawechsels, wie er in der Einleitung dieser Arbeit angesprochen wurde, verfügt die Psychomotoriktherapie dadurch über eine handfeste Argumentation, die eindeutig für die Psychomotoriktherapie spricht.
SCHLUSSFOLGERUNGEN
48
6.4 Mögliche Eingrenzungen
Durch die Komplexität und Plastizität des Gehirns kann Zugang auf verschiedene Ebenen des
emotionalen Lernens geschaffen werden. Die in der Arbeit genannten Aspekte überschneiden
sich innerhalb der neurologischen Strukturen was bedeutet, dass emotionales Lernen aus vielen
zusammenhängenden Facetten besteht. Ist es gerade diese Vielfalt die es ausmacht, dass emotionales Lernen auch unter physiologischen Beeinträchtigungen erfolgreich umgesetzt werden
kann?
–W
ie arbeitet die Therapeutin im Bereich des emotionalen Lernens mit einem Kind, das eine
Beeinträchtigung der Sinnesorgane hat oder sogar taubblind ist? Kann die Therapeutin durch
das Ansprechen anderer Sinneskanäle, wie beispielsweise durch den Tastsinn, die Spiegelneuronen aktivieren?
–W
ie gestaltet sich die Therapie mit einem Kind das nur schwach auf die Spiegelresonanz
der Therapeutin reagiert? Würde das heissen, dass dieses Kind wenig Einfühlungsvermögen
besitzt, sich nicht in andere hineinversetzen kann und Mühe hat eine Vorstellung von einer
Handlung und deren Empfindungen zu haben? Könnte das Kind die Spiegelsignale von der
Therapeutin gar nicht entschlüsseln?
–B
ei autistischen Kindern besteht eine Theorie, nach der bei autistischen Kindern neurofunktionale Defizite im Oxytozinsystem bestehen. Abgeleitet aus dieser Theorie würden somit der
Bindungsaufbau und das Gemeinschaftsverhalten stark beeinträchtigt sein. Wie gelingt es der
Therapeutin in einem solchen Fall im Bereich des emotionalen Lernens Einfluss zu nehmen?
Literaturverzeichnis
49
7 Literaturverzeichnis
Bauer, J. (2006). Warum ich fühle, was du fühlst. Intuitive Kommunikation und das Geheimnis
der Spiegelneurone. (6. Auflage). München: Der Wilhelm Heyne Verlag
Bauer, J. (2007). Prinzip Menschlichkeit. Warum wir von Natur aus kooperieren. (4.Auflage).
Hamburg: Hoffmann und Campe Verlag
Goleman, D. (1996). Emotionale Intelligenz. München: Carl Hanser Verlag
Goleman, D. (2006). Soziale Intelligenz. Wer auf andere zugehen kann, hat mehr vom Leben.
München: Droemer Verlag
Kaufmann, L., Konrad, K., Nuerk, H., Willmes, K. (2007). Kognitive Entwicklungspsychologie.
Göttingen: Hogrefe Verlag
LeDoux, J. (2006). Das Netz der Gefühle. Wie Emotionen entstehen. (4. Auflage).
München: Deutscher Taschenbuch Verlag
Ratey, J. (2006). Das menschliche Gehirn. Eine Gebrauchsanweisung. (4. Auflage).
München: Piper Verlag
Roth, G. (2001). Fühlen, Denken, Handeln. Wie das Gehirn unser Verstand steuert.
(1. Auflage). Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag
Roth, G. (2008). Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten. Warum es so schwierig ist, sich
und andere zu ändern. (4.Auflage). Stuttgart: Klett-Cotta Verlag
Internet-Adressen
Literatur
Lehnen-Beyel, I. (2007). Überschätzte Tausendsassa. Forscher beginnen am einst hochgelobten
Konzept der Spiegelneuronen im Gehirn zu zweifeln.
Internet: http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/hintergrund [14.11.08]
Bilder
Gempeler, A., Frey, M. (Jahreszahl unbekannt) Gesundheitszentrum Amana.
Internet: http://www.amana.ch/PsychoKinesiologie.htm [14.11.08]
Autor unbekannt (Jahreszahl unbekannt) Georgia pain physicians.
Internet: www.georgiapainphysicians.com [21.11.08]
Autor unbekannt (2008) intellectual vanities… about close to everyting.
Internet: www.huehueteotl.wordpress.com [21.11.08]
Tabellen und Abbildungsverzeichnisse
50
8 Tabellen und Abbildungsverzeichnisse
Tabelle 1:
Tabelle 2:
Tabelle 3:
Die Ampel gibt genaue Verhaltensweisen vor.
(in Anlehnung an Goleman, 1996, S. 346) (eigene Darstellung) S. 17
(eigene Darstellung) S. 35/36
(eigene Darstellung) S. 40
Abbildung
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Titelseite Nervenbahnen und Synapse
(Georgia pain physicians, Jahreszahl unbekannt)
1:
Die Ausgangslage der theoretischen Inhalte. (eigenen Darstellung) S. 4
2:
Die Inhalte der Arbeit auf einen Blick. (eigene Darstellung)
S. 5
3:
Relevante Hirnstrukturen der theoretischen Grundlagen.
(Roth, 2007, S. 44, bearbeitet durch Barbara Mani)
S. 6
4:
Aussenansicht und Querschnitt des Gehirns.
(Goleman, 2006, S. 130, bearbeitet durch Barbara Mani)
S. 7
5:Die Farben stellen die verschiedenen Strukturen: Amygdala (blau),
mesolimbische System (orange), Hypothalamus (violett) und
Hippocampus (grün) des limbischen Systems dar.
(Roth, 2007, S. 44, bearbeitet durch Barbara Mani)
S. 8
6:
Das limbische System vergrössert dargestellt, Amygdala (Corpus
amygdaloideum) und Hippocampus sind deutlich zu erkennen.
(GEO, weitere Quellenangaben unbekannt)
S. 10
7:
Bereiche des emotionalen Gehirns.
(Goleman, 2006, S. 130, bearbeitet durch Barbara Mani)
S. 12
8:
Bereiche des sozialen Gehirns. (Goleman, 2006, S. 130) S. 13
9:
Informationsverarbeitung über den oberen und unteren Pfad.
(in Anlehnung an LeDoux, 2006, S. 175, eigene Darstellung) S. 15
10:
Persönlichkeit (eigene Darstellung)
S. 18
11:
Die Verankerung der Persönlichkeit.
(in Anlehnung an Roth, 2007, S. 91 und Gempeler, A., Frey, M.,
Jahreszahl unbekannt, bearbeitet durch Barbara Mani)
S. 19
12:
Spiegelsystem (eigene Darstellung)
S. 21
13:
Inneres Miterleben und aktive Umsetzung von Handlungen
und Empfindungen. (eigene Darstellung)
S. 22
14:
Motivationssystem (eigene Darstellung)
S. 25
15:
Impulsfortleitung der Neurotransmitterbläschen.
(Georgia pain physicians, Jahreszahl unbekannt)
S. 26
16: Einwirkung von Dopamin auf die Hirnstrukturen, hier von der
Substantia nigra aus. (intellectual vanities… about close to
everyting, 2008)
S. 26
17:
Beziehung (eigene Darstellung)
S. 28
18: Emotionales Lernen. (eigene Darstellung)
S. 29
19:
Definition emotionales Lernen (eigene Darstellung)
S. 30
20:
Voraussetzung des therapeutischen Handelns. (eigene Darstellung)S. 34
21:
Umsetzung des therapeutischen Handlens. (eigene Darstellung) S. 37
22:
(eigene Darstellung)
S. 44
ANHANG – Lebenslauf
51
9 Anhang
Lebenslauf
Personalien
Barbara Mani
29. Januar 1980
Fluhmattweg 3, 6004 Luzern
[email protected]
Ausbildung
2006 – 2009
1999 – 2001
1997 – 1999
1987 – 1997
Hochschule für Heilpädagogik, Psychomotoriktherapie, Zürich
Kindergartenseminar Bellerive, Luzern
Diplommittelschule, Sursee LU
obligatorische Schulzeit, Sempach LU
Berufserfahrung
2007 – 2008
2007 – 2008
2006 – 2007
2002 – 2006
2001 – 2002
Stellvertretungen in diversen Kindergärten (tageweise), Zürich
Halbjahresstellvertretung im Kindergarten (20%), Oberkirch LU
Stellvertretungen in verschiedenen Horten (20%), Stadt Zürich
Festanstellung (80–100%) Kindergarten Regina-Kägi-Hof, Zürich Oerlikon
Jahresstellvertretung Kindergarten Reckenholz (100%), Zürich Affoltern
ANHANG – Handnotizen
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ANHANG – Handnotizen
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ANHANG – Handnotizen
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ANHANG – Handnotizen
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ANHANG – Handnotizen
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ANHANG – Handnotizen
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ANHANG – Handnotizen
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ANHANG – Beobachtungsraster
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ANHANG – Beobachtungsraster
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ANHANG – Bildmaterial
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ANHANG – Bildmaterial
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ANHANG – Bildmaterial
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ANHANG – Bildmaterial
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