Wenn zwei Körper vollkommen elastisch, d.h. ohne Energieverluste, zusammenstoßen, reicht der Energieerhaltungssatz nicht aus, um die Situation nach dem Stoß zu beschreiben. Wenn wir als Beispiel zwei Wagen mit unterschiedlichen Massen und unterschiedlichen Geschwindigkeiten zusammenstoßen lassen, können wir berechnen, wie groß die kinetische Energie jedes einzelnen Wagens vor dem Stoß ist: 1 1 E kin , 1 = ⋅m1⋅v 21 und E kin , 2 = ⋅m2⋅v 22 2 2 Die Gesamtenergie des Systems „Zwei Wagen“ vor dem Stoß ist dann: 1 1 E Ges , vor = ⋅m1⋅v 21 ⋅m2⋅v 22 2 2 Wir können die potentiellen Energien vernachlässigen, da wir praktischerweise das HöhenNullniveau auf die Fahrbahnebene setzen. Spannenergie ist in der Bewegung der Wagen nicht enthalten. Der Energieerhaltungssatz fordert nun, dass sich die Gesamtenergie durch den Stoß nicht verändert. Das bedeutet für die Gesamtenergie nach dem Stoß: 1 1 E Ges , nach = E Ges ,vor = ⋅m1⋅u 21 ⋅m2⋅u22 2 2 Damit erhalten wir die Gleichung: 1 1 1 1 ⋅m1⋅v 21 ⋅m2⋅v 22 = ⋅m1⋅u 21 ⋅m2⋅u22 2 2 2 2 Wir haben also eine Gleichung mit zwei unbekannten Größen, nämlich die beiden Geschwindigkeiten u1 und u2 der Wagen nach dem Stoß. Damit können wir diese Größen nicht bestimmen. Zur Lösung des Problems suchen wir eine zweite Beziehung zwischen u1 und u2. Diese wird uns geliefert, wenn wir uns die Stoßsituation näher betrachten: Wenn zwei Körper aufeinanderstoßen, werden Kräfte übertragen. Körper 1 übt auf Körper 2 die Kraft F1auf2 aus. Als Reaktion übt Körper 2 auf Körper 1 die Kraft F2auf1 aus. Beide Kräfte sind gleich groß, aber entgegengesetzt gerichtet: F 1auf2 = −F 2auf1 Dies ist das dritte Newton'sche Gesetz, das Wechselwirkungsprinzip. Zusammen mit dem zweiten Newton'schen Gesetz, dem Aktionsprinzip, können wir daher schreiben: m1⋅a 1 = −m2⋅a2 Wir wissen, dass die Beschleunigung a ein Maß für die Veränderung der Geschwindigkeit in einem Zeitintervall ist: a= v t Damit wird das Wechselwirkungsprinzip zu: m1⋅ v1 t = −m2⋅ v2 t Multipliziert mit dem Term ∆t: m1⋅ v 1 = −m2⋅ v 2 Der Term ∆v ist gleichbedeutend mit dem Unterschied der Geschwindigkeiten vor und nach dem Stoß: v = u − v Also folgt: m1⋅ u 1 − v 1 = −m2⋅ u 2 − v 2 Durch Auflösen der Klammern und Umsortierung erhalten wir: m1⋅u 1 − m1⋅v 1 = −m2⋅ u2 m2⋅v 2 m1⋅v 1 m2⋅v 2 = m1⋅u 1 m2⋅u 2 Dort stehen jeweils die Produkte aus Masse und Geschwindigkeit. Diesem Produkt gab man den Namen Impuls, mit dem Formelzeichen p. p = m⋅v Die Einheit des Impulses ist: [p ] = 1Ns Auf der linken Seite der Gleichung ist die Summe der Impulse beider Wagen vor dem Stoß, auf der rechten Seite die Summe der Impulse beider Wagen nach dem Stoß. Wir haben es also mit der Erhaltung des Impulses zu tun: Die Summe der Impulse vor dem Stoß ist gleich der Summe der Impulse nach dem Stoß. m1⋅v 1 m2⋅v 2 = m1⋅u 1 m2⋅u 2 Diese Gleichung können wir nun nach einer der unbekannten Geschwindigkeiten umformen und in die Gleichung aus dem Energieerhaltungssatz einsetzen. Damit erhalten wir eine Gleichung mit einer Unbekannten, die wir lösen können. Vorher aber sollten wir die Gleichung aus dem Energieerhaltungssatz etwas vereinfachen: 1 1 1 1 ⋅m1⋅v 21 ⋅m2⋅v 22 = ⋅m1⋅u 21 ⋅m2⋅u22 2 2 2 2 m1⋅v 21 m2⋅v 22 = m1⋅u 21 m2⋅u 22 m1⋅v 21 − m1⋅u 21 = m2⋅u22 − m2⋅v 22 m1⋅ v 21 − u 21 = m2⋅ u22 − v 22 m1⋅ v 1 − u 1 ⋅ v 1 u1 = m2⋅ u2 − v 2⋅ u2 v 2 Aus der Impulserhaltung können wir eine ähnliche Gleichung aufstellen: m1⋅v 1 m2⋅v 2 = m1⋅u1 m2⋅u 2 m1⋅ v 1 −ù1 = m2⋅ u2 − v 2 Wenn wir nun die beiden Gleichungen durcheinander teilen, erhalten wir: v 1 u 1 = u2 v 2 u1 = u 2 v 2 − v 1 Eingesetzt in die Impulserhaltung: m1⋅v 1 m2⋅v 2 = m1⋅u 1 m2⋅u2 m1⋅v 1 m2⋅v 2 = m1⋅ u2 v 2 − v 1 m2⋅u 2 m1⋅v 1 m2⋅v 2 = m1⋅u2 m1⋅v 2 − m1⋅v 1 m2⋅u 2 u 2⋅ m1 m2 = 2 m1⋅v 1 m2⋅v 2 − m1⋅v 2 u2 = Analog erhalten wir: u1 = 2 m1⋅v 1 m2 − m1 ⋅v 2 m 1 m2 2 m2⋅v 2 m1 − m2 ⋅v 1 m1 m 2 Mit diesen beiden Formeln können wir nun die Geschwindigkeiten der beiden Wagen nach dem Stoß berechnen. Diese Formeln gelten aber nur für elastische Stöße, bei denen keine Energie „verloren“ geht. Bei den unelastischen Stößen wird Energie, besser Bewegungsenergie der Stoßpartner, abgegeben. Damit gilt der Energieerhaltungssatz hier nicht. Mit Hilfe des Impulserhaltungssatzes können wir aber trotzdem weitermachen, denn für die vollkommen unelastischen Stöße gilt: Beide Stoßpartner bewegen sich nach dem Stoß als Einheit weiter. Sie besitzen dieselbe Geschwindigkeit. Damit wird der Impulserhaltungssatz zu: m1⋅v 1 m2⋅v 2 = m1 m2⋅u Damit können wir die Geschwindigkeit nach dem Stoß einfach berechnen: u= m1⋅v 1 m2⋅v 2 m1 m2 Beispiele: 1. Ein Güterwaggon der Masse m1 = 25 t rollt ein 50 m langes, unter 2° gegen die Horizontale geneigtes Gleis hinab und stößt dann auf einen dort abgestellten, ruhenden Güterwaggon der Masse m2 = 18 t. Beim Anstoßen kuppeln beide Wagen zusammen und bilden eine Einheit. a) Mit welcher Geschwindigkeit stößt der erste Waggon an den zweiten? b) Mit welcher Geschwindigkeit rollen beide Waggons weiter? Lösung: a) Folgende Geometrie liegt vor: 50 m h 2° Wenn wir die Höhe h kennen, können wir unter Vernachlässigung der Reibung den Energieerhaltungssatz nutzen, um die Geschwindigkeit des ersten Waggons am unteren Ende der Steigung zu berechnen. h 50 m h = 50 m⋅sin2 ° h = 1,745 m sin = Im Zustand 1, am oberen Ende der Steigung, ist die Gesamtenergie ausschließlich als potentielle Energie vorhanden: E Ges = m⋅g⋅h m E Ges = 25000kg⋅9,81 2 ⋅1,745m s E Ges = 427961,25 J Am unteren Ende der Steigung befinden wir uns im Zustand 2. Die gesamte Energie liegt als kinetische Energie vor: 1 E Ges = ⋅m⋅v 2 2 2⋅E Ges v= m 2⋅427961,25 J v= 25000 kg m v = 5,85 s A: Der erste Waggon stößt mit einer Geschwindigkeit von 5,85 m/s an den zweiten Waggon. b) Da beide Waggons nach dem Stoß als Einheit weiterrollen, liegt ein vollkommen unelastischer Stoß vor. Die Geschwindigkeit nach dem Stoß lässt sich nach folgender Formel berechnen: u= m1⋅v 1 m2⋅v 2 m1 m2 Mit den gegebenen Werten versehen: m m 18000kg⋅0 s s 25000 kg 18000kg m u = 3,40 s 25000kg⋅5,85 u= A: Beide Waggons rollen mit einer Geschwindigkeit von 3,4 m/s nach dem Stoß weiter. 2. Ein Körper der Masse m1 = 2 kg und der Geschwindigkeit v1 = 24 km/h trifft elastisch auf einen zweiten, ruhenden Körper der Masse m2. Nach dem Stoß bewegen sich beide Körper mit gleich großer, aber entgegengesetzt gerichteter Geschwindigkeit voneinander weg. Wie groß ist die Masse m2 des zweiten Körpers und wie groß der Geschwindigkeitsbetrag nach dem Stoß? Lösung: Die gegebene Geschwindigkeit des ersten Körpers muss erst umgerechnet werden: v1 = 24 km/h = 6,67 m/s Wir kennen die Beziehung zwischen den Geschwindigkeiten nach dem Stoß: u1 = -u2 Mit den beiden Formeln für die Berechnung der Geschwindigkeiten nach dem Stoß können wir also schreiben: 2 m2⋅v 2 m1 − m2 ⋅v 1 2 m1⋅v 1 m2 − m1 ⋅v 2 u1 = =− = −u 2 m1 m2 m1 m2 0 m1 − m2 ⋅v 1 2 m1⋅v 1 0 =− m1 m2 m1 m2 m1 − m2 ⋅v 1 = − 2 m1⋅v 1 m1 m2 m 1 m2 m1 − m2⋅v 1 = −2 m1⋅v 1 −m2⋅v 1 = −3 m1⋅v 1 m2 = 3 m1 Damit kann m2 mit 6 kg berechnet werden. Mit u1 = 2 m2⋅v 2 m1 − m2 ⋅v 1 m1 m2 kann die Geschwindigkeit nach dem Stoß berechnet werden: 0 2kg − 6 kg ⋅6,67 u1 = m s 2 kg 6 kg m u1 = −3,34 s Zur Überprüfung: u2 = 2 m1⋅v 1 m2 − m1 ⋅v 2 m1 m2 2⋅2kg⋅6,67 u2 = m s 8 kg m u2 = 3,34 s Der Geschwindigkeitsbetrag beider Körper nach dem Stoß ist also 3,34 m/s.