Der Mittelpunkt der Welt

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Wohnen
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T E X T K AT H A R I N A S E I S E R
Der Mittelpunkt
der Welt
Wie sieht die ideale Küche aus? Welche Geräte braucht sie – und welche nicht?
Muss eine gute Küche teuer sein? EIN PLÄDOYER für die Küche zum Kochen
E
s mag auf den ersten Blick eine ange-
nehme Freizeitbeschäftigung sein, einen
Nachmittag lang aufwändig gemachte Prospekte, Broschüren oder gar Bücher von bekannten Küchenherstellern durchzusehen. Der
Ärger folgt ohne Vorwarnung. Was kann an
hochglänzenden Fronten in schönen Farben
schlecht sein? Wer würde die riesigen, perfekt
gestylten Küchen mit allerlei modernem Gerät
nicht haben wollen? Ist es nur der Neid? Der
Unmut ist begründbar: Eine Küche muss nämlich 1. nicht sehr groß sein, 2. mindestens
20 Jahre halten (und daher eine ganze Reihe
von Moden überstehen), 3. Lust aufs Kochen
machen, 4. praktisch sein und 5. keine Verkaufsausstellung eines Elektromarktes imitieren. Außerdem sieht zum Glück keine Küche so kahl
und leergeräumt aus wie in den Prospekten –
wie sollte man darin auch kochen können? Eine
perfekt scheinende Fassade ersetzt niemals die
sorgfältige Planung einer genau auf den eigenen
Bedarf abgestimmten Küche.
Zettel, Stift und Mitmenschen
Wer eine neue Küche plant, steht schnell
vor einer Auswahl an Markennamen, Stilrichtungen, Farben und Funktionen, die einen fast
Küchenplanung
braucht Zeit
und gute Ideen
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verzweifeln lässt. Am Anfang einer neuen Küche sollte man deshalb nicht den Weg zum Küchenhändler, sondern die paar Schritte in die
bestehende Küche gehen. Mitzubringen: Zettel, Stifte und alle, die in der neuen Küche regelmäßig anwesend sein werden. Zuallererst notieren Sie, was Sie an der eigenen Küche mögen,
gut finden oder gar für einmalig halten. Auf den
nächsten Zettel kommen die Dinge, die Sie unbedingt ändern wollen: Was stört Sie an Ihrer
Küche, was ärgert Sie? Auf den dritten Zettel
schreiben Sie die Wünsche: Warum wollen Sie
eine neue Küche? Wer wird in ihr kochen? Für
wie viele Leute wird gekocht? Was kochen Sie?
Wie oft? Wird in der Küche gegessen? Sind
auch Haustiere zu versorgen?
Große Küche – lange Wege
Eine gute Küche funktioniert schon auf
knapp zehn Quadratmetern (darunter wird’s
nur mit sorgfältiger Planung gehen). Je größer,
desto länger die Wege, die man bei der Arbeit
zurücklegen muss – womöglich mit schweren,
heißen Töpfen in den Händen. Jahrhundertelang war der Herd das Zentrum der Küche,
und der stand in der Mitte. Die Schwerpunkte
haben sich etwas verändert, weil viel „gekocht“
wird, ohne den Herd zu benötigen (Salate,
kalte Speisen, Desserts), aber die Idee ist immer noch bestechend: Warum soll man beim
Kochen gegen die Wand starren? Warum soll
man an einer langen Zeile entlang oder über
Eck viele Meter zurücklegen, wenn man auch
einen zentralen Punkt installieren könnte, der
zum einen Wege verkürzen hilft und zum anderen endlich wieder Kommunikation in der
Küche ermöglicht? Es endet nicht umsonst jedes gute Fest in einer (guten) Küche. Die Kücheninsel – wiederentdeckt und optimiert vor
rund 25 Jahren vom deutschen Gestalter Otl
Aicher – klingt nach einer Modeerscheinung,
hat sich aber längst über Stilgrenzen und Generationen hinweg etabliert. Ob man auf der
Insel zubereitet oder den Herd installiert und
an der Wand die Abwasch belässt, ist letztendlich nicht so wichtig und hängt auch von den
Gegebenheiten in Ihrer Küche ab. Die Insel ist
mit dem früheren Küchentisch durchaus vergleichbar, nur weiß man mittlerweile, dass eine
Arbeitshöhe von 90, besser 95 Zentimetern
wesentlich rückenschonender ist als ein Esstisch, an dem man stehend Arbeiten verrichten
würde. Es spricht ja nichts dagegen, die Insel
so zu gestalten, dass man an einer Seite – viel-
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Die 1988 auf den Markt gebrachte Küchenwerkbank von bulthaup funktioniert perfekt –
und ist längst zum Designklassiker geworden
leicht mit höhenverstellbaren Hockern – auch
sitzen kann: Zum Frühstück, Rezeptstudium,
Erzählen oder Zuschauen. Kochen ernährt
nicht nur, sondern verbindet, entspannt und
regt an – jeden Menschen, jeden Tag. Wer es
sich räumlich erlauben kann, öffnet die Küche
so weit wie möglich zum Wohnraum. Abgetrennte Kombüsen gehören auf Schiffe, in
Wohnungen haben sie nichts verloren.
Das Material der Wahl
Den meisten von uns ist es vergönnt, eine,
maximal zwei Küchen in einem Leben neu gestalten zu können – mehr ist schon die Ausnahme. Küchen halten 20 Jahre oder noch viel
länger, wenn sie sorgfältig geplant und ausgeführt wurden. Kanten müssen sehr sauber gearbeitet werden, Laden und Auszüge leicht
und leise gleiten, Oberflächen angenehm anzugreifen und leicht zu reinigen sein. Das alles kann man bei Küchenherstellern ausprobieren – und sollte das auch ausgiebig nützen.
Wie in Profiküchen kommt Edelstahl immer
mehr in Mode, der wirkt in Privatküchen aber
„Wirklich, das Geheimniss der schönen Küche ist,
alles wegzuwerfen, was nichts taugt“
Otl Aicher, deutscher Gestalter
oft kühl und ist noch dazu sehr teuer. Außerdem wird keine Privatküche je so belastet werden wie eine Restaurantküche. Holz ist langlebig und sinnlich, gute Verarbeitung ein absolutes Muss. Laminate, Aluminium, Furniere, Lacke gibt es in unzähligen Strukturen
und Farben. Gerade letztere sind bei modernen Küchen beliebt, aber: Mag man sich den
knalligen Farbton wirklich Jahrzehnte ansehen? Und wer noch weiter denkt: Sind es
nicht die Lebensmittel und Speisen, die Farbe
in die Küche bringen?
Was gebraucht wird, ist schön
Dekoration hat in einer Küche grundsätzlich nichts zu suchen. Arbeitsgeräte, Messer,
Geschirr und Lebensmittel sind schön anzusehen, wenn man ihnen anmerkt, dass sie verwendet werden. Wer an den einzelnen Bereichen (Abwasch, Vor- und Zubereiten, Ko-
chen) der Küche in Griffweite all jene Dinge
arrangiert, die dort gebraucht werden, muss
keine unsinnigen Wege oder Verrenkungen
machen und bekommt Lust auf das Ausprobieren neuer Rezepte. Alle Gerätschaften und
Dinge, die nie gebraucht werden oder nicht
einwandfrei funktionieren, gehören ausgemistet und weggeworfen oder zu einer karitativen
Organisation gebracht. Otl Aicher sagt dazu:
„Wirklich, das Geheimnis der schönen Küche
ist, alles wegzuwerfen, was nichts taugt.“ Alle
jene Dinge, die nur selten gebraucht werden,
verschwinden hinter Türen oder in Schubladen. Alles, was man aber regelmäßig in der
Hand hat, soll offen stehen, liegen oder hängen. Mit einer Reling und Fleischerhaken oder
einem zusätzlichen Regal über Kopf lässt sich
sogar eine bestehende Küche passabel verändern – wenn man den Punkt „Ausmisten“
nicht nur im Geiste durchführt.
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KÜCHEN
INTERNETTIPP
www.dynamicspace.com
Hier ist ein Zonenplaner zu finden, mit dem
man den Platz für Stauraum ermitteln kann.
Gute Broschüre und Checkliste.
www.einrichten.de/kuechenplanung
ist ein gutes Werkzeug, um problemlos
die ersten Vorstellungen von einer neuen Küche
anschaulich zu machen.
www.bulthaup.at
Durchdachte, zeitlose und perfekt gemachte Küchen.
Im September & Oktober Kochevent „Die innovative
Küche“ bei vielen bulthaup-Partnern.
www.team7.at
Küchen aus Vollholz, in Österreich hergestellt.
www.ewe.at
Riesen-Auswahl an Modellen und Stilen, gute Ideen.
www.ikea.at
Küchenplaner, viele Ideen und Varianten.
www.mac-hoffmann.com
Von 12. bis 15. Oktober findet die 11. WohndesignMesse in der Wiener Hofburg statt.
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Warum einfach, wenn’s
kompliziert geht?
Das scheint der Grundsatz in vielen Küchen zu sein. Dabei ist es wirklich keine große
Affäre: Platz rund um die Arbeitsbereiche gut
ausnützen, unter der Arbeitsfläche nur Schubladen oder offene Regale planen, damit man sich
nicht zu weit bücken muss, Sockel weit nach
hinten setzen oder ganz weglassen, damit man
besser stehen (und putzen) kann, genug freie Arbeitsflächen rund um den Herd, Abwasch neben
Kühlschrank und anderen Geräten einplanen.
Für anständiges Licht sorgen, das bedeutet eine
nicht zu grelle Allgemeinbeleuchtung und für
jeden Arbeitsbereich punktuelle, blendfreie
Lichtquellen. Messer regelmäßig schärfen und
auf einer (auch in bestehenden Küchen schnell
montierten) magnetischen Messerleiste aufbewahren. Küchenwerkzeug wie Kochlöffel und
Schöpfer, Schneebesen, Zange, Pinsel etc. in
einem Köcher (Blumentopf, Vase, Keramik,
Messbecher – nur gut stehen muss der Behälter)
zwischen Herd und Arbeitsfläche bereitstellen. Platz für Geschirrtücher und Topflappen
einplanen (offen, nicht irgendwo hineinzuschieben). Und besonders wichtig: Genügend
gut strukturierten Raum für Müll(trennung)
vorsehen, die anfallenden Mengen werden
gerne unterschätzt.
Grundsätzlich gilt: Warum in einer Lade oder
einem Kasten kramen, wenn man es auch mit
einem Griff haben könnte? Der Griff ist auch
bei Schränken, Laden und Armaturen wichtig.
Denken Sie an buttrige oder mehlige Hände
und daran, wie oft Sie den Ellenbogen einsetzen. Bei Abwascharmaturen sollte man auf jeden Fall solche wählen, die hoch aufragen, damit man große Töpfe gut füllen und reinigen
kann, eine Brause ist zum Abwaschen von Gemüse und Geschirr ein Segen. Die Abwasch ist
in gängigen Küchen meist viel zu klein, ein
Backblech sollte Platz haben. Wer eine Insel
plant, sollte eine zweite Wasserentnahmestelle
einplanen – das spart Wege und Wischen.
BULTHAUP, EWE, TEAM 7, IKEA
In einer Küche, die Lust aufs
Kochen macht, wird jeder
Zentimeter Stauraum gut genützt,
sind Arbeitsabläufe durchdacht
und Materialien pflegeleicht.
Küchenhersteller haben in den
letzten Jahrzehnten so viele gute
Ideen entwickelt, dass es schade
wäre, bei einer neuen Küche
darauf zu verzichten
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Widerstand ist sinnvoll
Welche Küchengeräte sind in Ihrer Küche
wirklich in Verwendung? (Die anderen am besten gleich ausräumen und verschenken.) Ein guter Herd muss Hitze liefern, keinen Koch ersetzen. Wer viele Mehlspeisen macht, wird der Küchenmaschine einen Stammplatz auf der Arbeitsfläche sichern. Aber wer braucht einen
Dampfgarer? Eine multifunktionelle Mikrowellen-Heißluft-Dampf-Kombination mit einer
buchdicken Anleitung? Reichen nicht eine gute
Kochmulde (ob Gas, Elektro oder Induktion ist
eine Glaubensfrage, die mehr Platz zur Beantwortung bräuchte), ein leistungsfähiger, leiser
Dunstabzug, ein modernes, energieeffizientes
und einfach zu bedienendes Backrohr, ein guter
Kühlschrank, ein leiser Geschirrspüler mit ein
paar einfachen Programmen, damit ihn alle
Familienmitglieder bedienen können, und ein
Wasserkocher, ein Pürierstab und ein Mixer?
Sind Eierkocher, Waffeleisen, Sandwichmaker,
Brotschneidmaschine und andere Platzfresser
notwendig? Schön wäre es, wenn die prakti-
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schen Kühlladen aus der Gastronomie auch in
Privatküchen Einzug halten würden. Setzen Sie
dem Werbedruck der Gerätehersteller also ruhig Widerstand entgegen. Aber auch jene Geräte, die Ihrer sorgfältigen Prüfung standhalten,
werden letztendlich nur dann von Nutzen sein,
wenn Sie sie regelmäßig verwenden.
Frei von Klischees und Moden
„Designer, die nicht kochen, sollte man erst
gar nicht an Küchen heranlassen. Und offenbar
kochen herzlich wenige“, hat Otl Aicher 1982 in
seinem Buch Die Küche zum Kochen geschrieben.
Daran hat sich nichts geändert. Wie eine Küche
auszusehen hat, wissen nur die, die in ihr kochen
werden. Üben Sie sich an einem Blick möglichst
frei von Klischees, Moden und vermeintlich
unveränderbaren Werten.
Teuer muss eine gut geplante Küche zum Kochen auch nicht sein, nur eine zum Angeben.
Viel Freude also bei der Küchenplanung – und
nehmen Sie sich Zeit dafür. Die Küche ist
schließlich der Mittelpunkt der Welt.
KÜCHEN-RATGEBER
DIE KÜCHE ZUM KOCHEN
Otl Aicher Ökobuch Verlag 2005
Dieses schön illustrierte, nur 100 Seiten
umfassende Büchlein ersetzt einen ganzen
Haufen an Hochglanzbroschüren oder DesignBüchern. Wer eine neue Küche plant, sollte es
unbedingt zuallererst lesen.
DIE NEUE KÜCHE
Terence Conran DVA 2003
Sehr gut gemachtes, schönes Buch für alle,
die ernsthaft über eine neue Küche nachdenken.
Informationen, Tipps und gute Beispiele von
der Planung über die Grundbausteine bis zu
Geräten und Zubehör.
DIE KÜCHE
ETH Wohnforum Edition Wohnen 1
Birkhäuser 2006
Wer sich für Geschichte und Funktionen der
Küche bis ins 21. Jahrhundert interessiert,
wird Freude an diesem fundierten Buch haben.
Kein Ratgeber, aber viele Denk-Impulse.
KÜCHEN PLANEN & EINRICHTEN
Konsument extra VKI 2002
Schlichtes, aber sinnvolles Buch: Möbel,
Geräte und Materialien werden unter die Lupe
genommen. Checkliste und rechtliche Aspekte
beim Küchenkauf.
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