Leises Leiden Herzinfarkt - Echo 06/2014

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JOURNAL GESUNDHEIT
MEDIZIN
Leises Leiden
Nicht immer kündigt sich ein Herzinfarkt mit den bekannten Symptomen an:
Ein Viertel aller Infarkte verläuft stumm – oft werden diese nur zufällig oder aber gar nicht
erkannt. Die Folgen wären durch Vorsorgeuntersuchungen vermeidbar.
Infarkt: Die
Symptome
E
in brennender Schmerz im Brustbereich, der in Schultern, Arme, Unterkiefer und Oberbauch ausstrahlen
kann. Dazu Beklemmung, Schweißausbrüche,
Atemnot, Übelkeit. Auf etwa 75 Prozent aller
Herzinfarkte – im Fachjargon als Myokardinfarkt bezeichnet – treffen diese Symptome
zu. Die restlichen 25 Prozent aber sind ganz
anders. Aufgrund der Symptome Rücken-,
Nacken- oder Kieferschmerzen, einer allgemeinen Abgeschlagenheit oder Unwohlsein in
der Magengegend würde wohl kein Mensch
einen Infarkt in Betracht ziehen. Gerade deshalb bleiben viele „stumme Infarkte“ auch
unentdeckt – was sie nicht minder gefährlich
macht. Denn ohne entsprechende Behandlung
kann ein stummer Infarkt, der zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen führen
kann, tödlich enden.
Der Begriff Herzinfarkt beschreibt den
Zelltod von Herzmuskelzellen aufgrund einer Durchblutungsstörung, verursacht durch
Leitsymptom eines Herzinfarkts ist der Brustschmerz. Typisch sind plötzliche, oft in Ruhe auftretende, länger als 15 bis 20 Minuten anhaltende
und u. U. rasch zunehmende Schmerzen sowie ein
Engegefühl und starker Druck im Brustkorb. Die
Schmerzen strahlen häufig in die Arme (meist links),
die Schultergegend, in den Unterkiefer oder in den
Oberbauch aus. Patienten klagen über Atemnot und
Todesangst, zudem treten Schwitzen, Übelkeit und
Erbrechen auf. Bei Frauen können die typischen
Warnzeichen völlig anders sein, hier werden Schmerzen im Oberbauch, verbunden mit Übelkeit und Erbrechen, angegeben. Stumme Infarkte verursachen
auch keine, geringe oder untypische Symptome und
werden erst nachträglich diagnostiziert.
Fotos: Fotolia.com (2), TILAK (1)
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ein Blutgerinnsel in einem durch Arteriosklerose verengten Herzkranzgefäß. „Es gibt zum
einen den sogenannten ST-Hebungsinfarkt,
zum anderen den Nicht-ST-Hebungsinfarkt“,
erklärt Univ.-Prof. Dr. Wolfgang-Michael
Franz, Direktor der Universitätsklinik für
Innere Medizin III, Kardiologie und Angiologie, in Innsbruck. Der ST-Hebungsinfarkt
äußerst sich diagnostisch dadurch, dass ein
bestimmter Abschnitt der EKG-Kurve, die sogenannte ST-Strecke, bogenförmig angehoben
ist. Dann liegt ein „transmuraler Infarkt“ vor,
der den Herzmuskel von der äußeren bis zur
inneren Schicht erfasst. Das Gefäß verschließt
sich plötzlich, ein akuter und andauernder
Schmerz setzt ein. Schwieriger ist die Diagnose, wenn diese ST-Strecke im EKG trotz
typischer Schmerzen nicht angehoben ist. Bei
einem derartigen Nicht-ST-Hebungsinfarkt
(NSTEMI) müssen spezielle „Herzenzyme“
bei der Blutuntersuchung positiv sein, erst
dann kann ein Infarkt diagnostiziert werden.
Das dauert allerdings deutlich länger als die
Diagnose mittels EKG.
Aber nicht immer ist der Gefäßverschluss
plötzlich: „Das Gefäß kann sich auch sehr langsam verengen. Hier hat der Körper die Möglichkeit, Umgehungskreisläufe in Form der sogenannten Kollateralen zu bilden, also Gefäße,
die diese Engstelle umgehen.“ Die Kollateralen
sind eine Art natürliches Bypass-System des
Körpers: „Hierbei bilden sich Gefäßbrücken
zwischen den großen Kranzarterien und führen zu dem besagten Umgehungskreislauf, der
den verschlossenen Gefäßabschnitt so überbrückt, dass das betroffene Herzgebiet weiterhin mit Blut und Nährstoffen versorgt wird.“
Welches Krankheitsbild sich aus einem Infarkt entwickelt, hängt von Ort, Schwere und
Dauer der Durchblutungsstörung des Herzmuskels ab. Bei ST-Hebungsinfarkten ist die
Ursache in über 90 Prozent der Fälle ein durch
ein Blutgerinnsel verschlossenes Herzkranzgefäß – bei NSTEMI sind hingegen lediglich bei
der Hälfte aller Fälle Thromben nachweisbar.
Der größte Teil der ST-Hebungsinfarkte entsteht durch die Ruptur eines Plaques – einer
Arteriosklerose an der Gefäßwand: „Dabei
springt ein Plaque auf. In der Folge lagern sich
an dieser Stelle Blutplättchen an und innerhalb
weniger Minuten kann sich das Gefäß durch
das aufgesprungene Plaque komplett verschließen“, so Franz.
Ist der Verschluss des Gefäßes nicht plötzlich oder ist lediglich ein kleiner Nebenast der
Herzkranzgefäße betroffen, kann der Infarkt
unbemerkt bleiben. Dann handelt es sich um
einen „stummen Infarkt“. „Dieser ist dadurch
Vorsorge: Mittels diagnostischer Möglichkeiten wie EKG, Echokardiogramm, CT oder Sonografie können Anzeichen für einen drohenden Infarkt festgestellt werden
gekennzeichnet, dass er symptomarm oder
symptomlos verläuft“, erklärt Franz. Dabei gibt
es sehr wohl Symptome – allerdings werden
diese nicht als solche interpretiert. Beschwerden wie Rücken- oder Nackenschmerzen, Kiefer- und Zahnschmerzen, Abgeschlagenheit,
Schwächegfühl oder Hitzewallungen gehören –
für manch einen – zu alltäglichen Problemen,
die von den Betroffenen nicht als ernsthaft
gesundheitsgefährdend eingestuft werden. Es
aber unter Umständen sein können.
ment, wenn sie Beschwerden haben. Die beste Möglichkeit bietet sich im Rahmen der
jährlichen Gesundenuntersuchung: „Über
EKG oder ein Echokardiogramm kann man
Wandbewegungsstörungen oder Erregungsrückbildungsstörungen sehen – die lassen auf
einen abgelaufenen Infarkt schließen. Aber
nicht immer ist ein stummer Infarkt hier sichtbar.“ Eine weitere Vorsorgemaßnahme ist deshalb die Sonografie der Halsschlagader: „Hier
sieht man, inwieweit Arteriosklerose vorhanden ist. Im Rahmen der Gesun„Der stumme Infarkt ist
denuntersuchung
können auch die
dadurch gekennzeichnet,
Herzkranzgefäße
dass er symptomarm oder
mittels Compusymptomlos verläuft.“
tertomografie, die
nur wenige MinuUniv.-Prof. Dr.Wolfgang-Michael Franz, Direktor
ten in Anspruch
der Innsbrucker Univ.-Klinik für Innere Medizin III
nimmt, auf Kalkablagerungen hin
In dem Augenblick, in dem ein Thrombus überprüft werden: Gibt es bei Patienten über
die Nährstoffversorgung des Muskels unter- 60 Jahren keinen Kalk, besteht zu 99 Prozent
bricht, spürt der Betroffene oft nichts. Später kein Risiko für einen Infarkt. Junge Patienten
kann er sich unwohl fühlen, leichter ermüden können jedoch nicht auf den Kalkscore verals sonst oder er verspürt nach geringen Be- trauen – sie müssen zu ihrer Sicherheit eine
lastungen bereits Luftnot. Diese Beschwerden CT-Angiografie der Koronargefäße durchfühwerden häufig falsch gedeutet. Wie kann also ren lassen, da sich in diesem Lebensalter oft
ein stummer Infarkt diagnostiziert werden? weiche Plaques mit thrombotischen Auflage„Zuerst muss der Patient überhaupt zur Un- rungen ohne Kalkablagerung bilden können.“
tersuchung kommen“, und das, bestätigt der
Ein gewisses Maß an Sicherheit gibt auch
Mediziner, tun die meisten erst in dem Mo- ein gesunder und verantwortungsbewusster
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Die Herzversorger: Arterien
obere Hohlvene
rechtes Herzohr
Rechter Herzvorhof
rechte Herzkranzarterie
Ramus coni arteriosi (Ast aus
der rechten Herzkranzarterie)
Arteria & Vena
ventricularis dextra
Ramus marginalis dexter (Ast aus
der rechten Herzkranzarterie)
Rechter Herzventrikel
Die rechte und linke Herzkranzarterie – die Koronararterien – versorgen den Herzmuskel mit Blut.
Sie entspringen aus der Aorta und sind sogenannte
„funktionelle Endarterien“. Sie sind zwar mit anderen Arterien verbunden, diese Verbindungen sind allerdings zu schwach, um bei Mangelversorgung eine
Durchblutung des Gewebes zu gewährleisten. Fällt
eine Arterie aus, kommt es in dem von dieser Arterie
versorgten Gebiet zu einem Absterben von Gewebe.
Die linke Koronararterie versorgt die Herzvordersei-
Lebensstil. Obwohl die genetische Veranlagung nach wie vor an erster Stelle steht, was
das Risiko für einen Infarkt anbelangt, sind
es doch auch die äußeren Umstände, die in
erheblichem Maß dazu beitragen, ob es zu
einem Infarkt kommt oder nicht. Arteriosklerose, eine Fettstoffwechselstörung (erhöhter
Cholesterin- und Triglyceridspiegel), Rauchen und hoher Blutdruck sind klassische
Risikofaktoren. Insbesondere Diabetes spielt
auch eine entscheidende Rolle: Das Risiko
von Diabetikern, einen Herzinfarkt zu erleiden, ist bis zu sechsmal höher, da die hohen
Blutzucker- und Insulinspiegel die Blutgefäße
schädigen. Auch höheres Alter ist ein Risikofaktor. Und geht es um den stummen Infarkt,
sind Frauen stärker betroffen als Männer: Die
genannten Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Nackenschmerzen oder Verspannungen
betreffen Frauen deutlich öfter als Männer,
werden also dementsprechend oft einfach an-
Aorta
linke Lungenarterie
Herzbeutel (Perikard)
Lungenstamm
linkes Herzohr
linke Herzkranzarterie
Ramus marginalis sinister (Ast
aus dem Ramus circumflexus)
Ramus lateralis
Septalast
große Herzvene
in einem durch Arteriosklerose verengten Herzkranzgefäß (siehe Illustration). Herzinfarkte können sich in unterschiedlichen Bereichen des Herzmuskels ereignen. Die Lokalität hängt davon ab,
welches Gefäß betroffen ist und welcher Abschnitt
des Herzmuskels von dem betroffenen Gefäß mit
Blut versorgt wird. Je näher der Verschluss am
Abgang der jeweiligen Arterie von der Aorta liegt,
desto größer ist auch das Infarktareal. Je weiter
entfernt er sich befindet, desto kleiner ist das minderversorgte Muskelgebiet. Da die Muskelmasse
und damit auch das Versorgungsgebiet der linken
Herzkammer größer sind als die der rechten und
zu deren Durchblutung mehr Gefäße nötig sind, die
erkranken können, ist die linke Koronararterie bei
Herzinfarkten auch überwiegend betroffen.
Linker Herzventrikel
Herzspitze
te, die rechte Koronararterie versorgt auch einen
wichtigen Teil des Erregungssystems (Sinusknoten,
Atrioventrikularknoten). Drei große Koronarvenen
führen das sauerstoffarme Blut aus dem Herzmuskel ab. Die große Herzvene verläuft auf der Vorderseite, die mittlere Herzvene auf der Hinterseite und
die Vena cordis parva am rechten Herzrand.
Der Begriff Herzinfarkt beschreibt den Zelltod
von Herzmuskelzellen aufgrund einer Durchblutungsstörung, verursacht durch ein Blutgerinnsel
deren, „harmloseren“ Erkrankungen zugeordnet. Mit fatalen Folgen. „Früher verstarb jeder
dritte Infarktpatient“, sagt Franz. „Entweder
bevor er ein Krankenhaus erreichte oder in den
folgenden zwölf Monaten an einem weiteren
Infarkt bzw. der fortschreitenden Schwäche des
Herzens. Heute versterben aufgrund der effizienten Rettungskette fünf bis sieben Prozent
jener Patienten, die es in die Klinik schaffen.“
Die Behandlungsmöglichkeiten sind gut.
„Die rasche Katheterbehandlung, bei der das
Gefäß durch einen Ballon geweitet und mit
einem Drahtgeflecht stabilisiert wird, steht
im Vordergrund und wird durch medikamentöse Therapie unterstützt, die weitere Thrombenbildung verhindern soll“, erklärt Franz.
„Manchmal gelingt es auch, alt verschlossene
Gefässe wieder zu eröffnen. Dieses Verfahren
wird CTO (Chronic Total Occlusion) genannt
und führt idealerweise zur Verbesserung der
Pumpfunktion bzw. zu einer Beseitigung der
Symptome Brustenge bzw. Atemnot bei Belastung.“ Weisen hingegen mehrere Gefäße eine
hochgradige Verengung, im Fachjargon Stenose, auf, wird ein Bypass gelegt, was so viel wie
Umleitung bedeutet und auch genau das ist:
Mittels Bypass werden verengte oder verstopfte
Herzkranzgefäße durch eine Umleitung überbrückt, dadurch wird das Herz wieder ausreichend mit Blut und Nährstoffen versorgt.
Bevor es zum Ernstfall kommt, gilt Vorsorge:
Grundlegend für jeden muss dabei sein, das
eigene Risikoprofil zu kennen. Dementsprechend kann und sollte in regelmäßigen Abständen ein Belastungs-EKG, ein Echokardiogramm, eine Sonografie oder ein CT durchgeführt werden – die diagnostischen Möglichkeiten sind gegeben. Nützen muss man sie
halt. Nur auf diese Weise wird ein drohender
Infarkt rechtzeitig erkannt. Und „rechtzeitig“
bedeutet in diesem Fall lebensrettend.
Sonja Niederbrunner
Foto: Fotolia.com
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