Erhöhung der Lebensqualität und Sicherheit durch eine erfolgreiche

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Beschluss des Parteirats
19. Mai 2003, Berlin
Grüne Verbraucherpolitik Erhöhung der Lebensqualität und Sicherheit durch eine erfolgreiche
und nachhaltige Wirtschaft
Die rot-grüne Regierung hat die Tür weit geöffnet für eine moderne Verbraucherpolitik in
Deutschland. Sie ist wichtiger Teil der Modernisierungsstrategie von Rot-Grün. Moderne
Verbraucherpolitik ist eine Querschnittsaufgabe. Daher ist sie auch Wirtschaftspolitik, Sozialund Gesundheitspolitik, Umweltpolitik oder Bildungspolitik. Verbraucherpolitik dient der Nachhaltigkeit, sichert die Interessen des Individuums, schützt Gesundheit und Leben. Sie bietet aber
auch Chancen für die Wirtschaft und hilft Arbeitsplätze sichern und neue zu schaffen.
Moderne Verbraucherpolitik ist zentrale Aufgabe der Politik auf kommunaler, Landes-, Bundesund europäischer Ebene. Sie sichert täglich unsere Lebensqualität und bietet Chancen zur Gestaltung der Globalisierungsprozesse, indem sie „klugen Konsum“ propagiert und in internationalen Organisationen die Stimme für die Verbraucher erhebt. Aufgrund unserer Herkunft, den
Neuen Sozialen Bewegungen und der Bürgerrechtsbewegung, wissen wir um die Kraft der Zivilgesellschaft. Deshalb wollen wir den Einfluss der Verbraucher- und Umweltverbände auf
Produktionsprozesse und demokratische Entscheidungsabläufe erhöhen. Dies ist daher handlungsanleitend für unsere Politik auf allen politischen Ebenen, von der Kommune bis in das
Europaparlament
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1. Die Wurzeln grüner Verbraucherpolitik
Bündnis 90 /Die Grünen stehen für den ökologischen, sozialen und ökonomischen Umbau unserer Gesellschaft. Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Selbstverantwortung und eine starke Zivilgesellschaft sind grüne Markenzeichen. Das gilt auch für unsere Verbraucherpolitik.
Der Kampf für gesunde Nahrungsmittel und gegen Umweltgifte, Radioaktivität oder für ökologische und gesunde Nahrung gehören zu den Gründungsmotiven der Grünen. Wir haben es
zunächst geschafft, die Umweltpolitik auf die Tagesordnung von Politik und Wirtschaft zu setzen. In vielen Feldern der Umweltpolitik sind wir mit Problemen konfrontiert, weil unser Konsum nicht nachhaltig genug ist. Heute ist es weitgehend Konsens, dass unser Wirtschaften stärker an Umweltbelangen und Nachhaltigkeitskriterien ausgerichtet werden muss. Auch die Einbeziehung der externalisierten Kosten in das Wirtschaftsgeschehen ist heute mehrheitsfähig
und wurde einer zentralen Größe bei der Umgestaltung unserer Marktwirtschaft. So sind die
Technologien zur Erzeugung erneuerbarer Energie zu einem Exportschlager geworden.
Diesem Ziel stellen wir uns auch mit der grünen Verbraucherpolitik. Insbesondere die Verbraucherverbände haben schon früh darauf hingewiesen, dass die Verbraucherinnen und die
Verbraucher ein wesentlicher Faktor für den Umbau der Gesellschaft sind. Die Rolle des
Verbrauchers im Nachhaltigkeitsprozess ist bisher von der Politik nicht ausreichend betont worden. Eine stärkere Akzentuierung der Verbraucherpolitik wird dazu beitragen, dass wir auf unserem ureigenen Feld der Umweltpolitik erfolgreich bleiben.
Das Leitbild des aktivierenden Sozialstaates, der die Menschen vor Ausgrenzung aber auch vor
Bevormundung durch den Staat schützt, prägt grüne Sozialpolitik. Auch bei der Reformagenda
2010 setzen wir auf Teilhabegerechtigkeit. Wir haben hierfür das Bild der Flexicurity geprägt,
d.h. die größtmögliche Selbstbestimmtheit und Flexibilität mit individueller Sicherheit (Security)
verbinden, wo sie notwendig ist. Indem wir mit der grünen Verbraucherpolitik auf die Gestaltung anstehender Sozialreformen Einfluss nehmen, tragen wir dazu bei, die Versicherten nicht
länger als zu Versorgende, sondern als souveräne Akteure in den Mittelpunkt zu rücken. Grüne
Verbraucherpolitik beherzigt konsequent den Gedanken von Sicherheit durch Schutz und Information als Grundlage für Flexibilität und Wandel, also gesellschaftlicher und wirtschaftlicher
Erneuerung. Sie schützt das Individuum und ermöglicht (vor allem auf Vertrauensmärkten) die
Entwicklung neuer „Märkte der Zukunft“, in dem sie den notwendigen rechtlichen Rahmen
(Bekämpfung von Monopolen, Schutz vor Missbrauch einzelner Anbieter, wie bei 0190/0900
Nummern) für sie setzt
Märkte bieten in der Regel nicht von allein die notwendige Transparenz und Information. Je
transparenter der Markt ist und umso besser die Verbraucher informiert sind, umso mündiger
können sie auf dem Markt agieren. Deshalb stärken wir die Autonomie des Verbrauchers und
so den fairen Wettbewerb. Hierbei ist Prävention, die eine Tradition grüner Gesundheitspolitik
darstellt (z.B. bei der Gesundheitsreform 2000) von besonderer Bedeutung. In Wirtschaftsbereichen, die nicht direkt eine Gefährdung für Gesundheit und Leben darstellen, gilt es die Information und Transparenz zu erhöhen, um die Entscheidungsfreiheit zu vergrößern.
Für Bündnis 90/ Die Grünen sind die internationale Gerechtigkeit und die europäische Integration herausragende grüne Ziele, auch für unsere Verbraucherpolitik. Der europäische Binnenmarkt lässt sich nur legitimieren, wenn er für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie für die
Wirtschaft Vorteile bietet. Deshalb wurde mit dem Amsterdamer Vertrag der Verbraucherschutz als Gemeinschaftsziel in die Verträge aufgenommen. Wer die ökonomischen und gesellSeite 2
schaftlichen Potentiale des europäischen Binnenmarktes ausschöpfen will, braucht eine kluge,
aufeinander abgestimmte Wirtschaft- und Verbraucherpolitik, wie man beispielsweise bei der
Liberalisierung der Energiemärkte sehen kann. Auch im internationalen Rahmen gilt es die
Rechte der Verbraucher zu sichern und zu schützen.
Moderne Verbraucherpolitik stützt sich auf grüne Traditionen und mündet in konkretem Regierungshandeln. Wir folgen mit unserer Verbraucherpolitik dem Ziel der Stärkung des mündigen Verbrauchers. Eine Voraussetzung hierfür, ist die Erhöhung von Transparenz und verbrauchergerechter Information. Diesem Ziel soll unser Verbraucherinformationsgesetz (VIG) dienen.
Mit ihm wollen wir das Recht des Verbrauchers stärken. Auch die Verbraucherzentralen, die
Verbände und die Stiftung Warentest sind unverzichtbarer Bestandteil des Verbraucherschutzes, die deshalb finanziell abgesichert werden müssen.
2. Verbraucherpolitik als notwendiger Bestandteil einer modernen Wirtschaftspolitik
Verbraucherpolitik ist durch Information und Transparenz ein zentraler Bestandteil moderner
Wirtschaftspolitik. In vielen Bereichen kann sie dazu beitragen, die schwierige wirtschaftliche
Situation in Deutschland zu überwinden. Insbesondere die Bereiche, die potentielle Wachstumsmärkte darstellen, vor allem Dienstleistungsmärkte in Gesundheit, Finanzen und Transport
oder die neuen Kommunikationstechnologien, sind sogenannte Vertrauensmärkte auf denen
das Verbrauchervertrauen Voraussetzung für das Funktionieren eben dieser Märkte sind. Die
Konsumzurückhaltung bei Lebensmittelkrisen, beim neuen Preissystem der Bahn oder beim
Aufbau einer privaten Altersvorsorge verdeutlicht, dass eine kluge Verbraucherpolitik notwendig ist, damit nachhaltiges Wirtschaften möglich ist.
Erfolgreiche Wirtschaftspolitik darf keinen Widerspruch zwischen Verbraucherschutz und Wirtschaftspolitik aufmachen, vielmehr handelt es sich um zwei Seiten einer Medaille. Asymmetrische Märkte zu ungunsten einer Seite schaden allen, den Verbrauchern und den Wettbewerbern. Die Verbraucher einerseits und die Wirtschaft anderseits müssen sich auf gleicher Augenhöhe am Markt begegnen.
Der Staat als dritter Akteur hat daher die Aufgabe, immer dann, wenn es offensichtlich zu
Marktversagen oder –behinderungen kommt, dieses Gleichgewicht und die Funktionsfähigkeit
wieder herzustellen. Kluge Verbraucherpolitik baut Bürokratie ab, etwa durch veränderte Ladenschlusszeiten, Vereinfachung der Altersvorsorge, Abbau des Meisterzwangs oder die Abschaffung von Rabattgesetzen. Guter Verbraucherschutz führt aber auch zu neuen Regeln, die
ohne den Aufbau von Bürokratie umgesetzt werden können , etwa bei unlauterem Wettbewerb oder gegenüber den Betreibern von öffentlichem Personenverkehr. Das impliziert, dass es
Märkte gibt, auf denen entweder die gesetzlichen Regeln einen Markt ausreichend sichern oder
wo der Wettbewerb der Unternehmen einen ausreichenden Verbraucherschutz sichert.
Verbraucherschutz ist notwendig für das Funktionieren der Märkte, denn eine Marktwirtschaft
ohne Information und Transparenz ist keine. Wo diese fehlen, entsteht Mißtrauen und wirtschaftlichen Erfolg wird verhindert. Auf solchen Märkten hat Verbraucherschutz Konjunktur.
Vor diesem Hintergrund ist das positive Verhalten vieler Unternehmerinnen und Unternehmer
hervorzuheben, die im wohlverstandenen Eigeninteresse überdurchschnittliche VerbraucherSeite 3
rechte und –schutz gewähren. Grüne Verbraucherpolitik richtet sich mithin nicht gegen die
Wirtschaft, sondern gegen diejenigen, die Märkte systematisch stören. Eine so verstandene und
praktizierte Verbraucherpolitik ist zu beiderseitigem Vorteil, schreibt schwarze Zahlen und dient
der Nachhaltigkeit.
3. Verbraucherpolitik zahlt sich aus
Grüne Verbraucherpolitik hat sich bereits ausgezahlt. Beispielsweise konnte durch die Schaffung
neuer Strukturen im Bereich der Lebensmittelsicherheit eine klare Trennung der hoheitlichen
Aufgaben von Genehmigung und Kontrolle durchgesetzt werden. Damit ist die größtmögliche
Unabhängigkeit der Überwachung von Lebensmittelsicherheit und anderen Verbraucherschutzstandards und der Risikobewertung zum Wohle der Verbraucher durchgesetzt worden. Damit
haben wir an grüne Traditionen der Demokratisierung und Schaffung von Transparenz angeknüpft. Mit dieser Politik sorgen wir für eine Rückverfolgbarkeit und Kontrolle vom Stall bis
zum Tisch. Aber auch andere Maßnahmen, etwa die Einführung des Biosiegels sind ein
verbraucherpolitischer Erfolg. Durch dieses Biosiegel konnte eine klare und einfache Kennzeichnung, die den Siegeldschungel beendete, durchgesetzt werden. International haben wir etwa
durch die Einbeziehung der Verbraucher- und Umwelt-NGOs in die Verhandlungen über den
internationalen Codex Alimentarius bis hin zum Absatzfonds die Lebensmittelsicherheit und
Transparenz erhöht, indem wir die Hinterzimmerdiplomatie beendet haben.
Grüne Verbraucherpolitik wirkt. Wir müssen uns an vielen Stellen gegen starke Partikularinteressen behaupten. Wir bearbeiten Themen, die dem Politikbetrieb scheinbar fremd, der Lebenswirklichkeit der Menschen aber sehr nah sind. Damit erhöhen wir nicht nur die Lebensqualität der Menschen, sondern verringern auch die Distanz zwischen abgehobener Politik und
Alltagserfahrungen der Bürger. Im Kern geht es um die ganz konkrete Lebensqualität der
Verbraucherinnen und Verbraucher, ob beim Kinderspielzeug oder beim Telebanking.
4. Aktionsplan Verbraucherschutz
Renate Künast hat dem Kabinett in diesem Monat den ersten Aktionsplan Verbraucherschutz
vorgelegt. Hiermit hat sich die Bundesregierung erstmals einen modernen verbraucherpolitischen Arbeitsplan gegeben. Der Aktionsplan benennt in allen Ressorts Handlungsfelder auf
denen sich in den nächsten Jahren rot-grüne Verbraucherpolitik bewegen wird. Dabei müssen
die verbraucherpolitischen Maßnahmen aus grüner Sicht folgende strategische Ausrichtung
haben:
-
Förderung und Steigerung des nachhaltigen Konsums
-
Stärkung der Informationsrechte der Verbraucherinnen und Verbraucher
-
Sicherung neuer Zukunftsmärkte
-
Erhöhung der Lebensqualität
So kann es der Bundesregierung gelingen die Marktwirtschaft gerechter, sozialer und ökologischer auszurichten. Aus grüner Sicht sind dabei insbesondere in folgenden Politikbereichen
Verbraucherinteressen zu stärken:
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Öffentlicher Personenverkehr
Ein attraktiver Öffentlicher Verkehr (ÖV) ist das Rückgrat zukunftsfähiger Mobilität. Nur ein
kundenorientierter ÖV gewinnt mehr Fahrgäste und höhere Marktanteile. Attraktivität für die
Fahrgäste verlangt eine kundenfreundliche Vernetzung aller Nah- und Fernverkehrsangebote
zu einem durchschaubaren, komfortablen und benutzerfreundlichen Gesamtsystem mit hoher
Servicequalität. Die Gewährung von erweiterten verbindlichen Kundenrechten beim Kauf von
Mobilitätsdienstleistungen ist gesetzlich transparent zu verankern. Die bisherigen Haftungsausschlüsse müssen für die gesamte Wegekette des ÖV-Systems schrittweise abgebaut werden.
Als Informations- und Vertriebsstandard muß das ÖV-System dem Kunden eine Tür-zu-TürFahrplanauskunft und schrittweise auch ein Tür-zu-Tür-Ticket anbieten. Die Einrichtung unternehmensunabhängiger Schlichtungsstellen, wie NRW sie erprobt, würden die Kundenzufriedenheit deutlich erhöhen. Für die Bahn, wie für alle Verkehrsunternehmen, liegt es letztlich im
eigenen Interesse ein transparentes und einfaches Preissystem zu haben, damit für das anspruchsvollere ÖV-System keine unnötigen Zugangsbarrieren existieren. Im Sinne der Verbraucherpolitik als Wettbewerbsförderung, ist der Netzzugang im Schienenverkehr für alle Wettbewerber zu gewährleisten.
Reformagenda 2010
Bundeskanzler Schröder hat in seiner Regierungserklärung zur Reformagenda 2010 auch Maßnahmen benannt, die ganz konkrete Auswirkungen auf die Verbraucher haben werden. Die
Einführung einer privaten Altersvorsorge als zweite Säule neben der gesetzlichen Rentenversicherung (Riesterente) war ein wichtiger Schritt zur Sicherung der Versorgung im Alter. Bei der
Einführung der Riesterrente war die Zertifizierung der Anlageformen heftig umstritten. Wie
wichtig es war, nur Anbieter zu zulassen, die wenigstens eine geringe Verzinsung garantieren,
zeigt die Börsenflaute der letzten zwei Jahre. Ohne diese Kriterien wäre ein Großteil der für die
Altersvorsorge aufgewendeten Mittel (einschließlich der staatlichen Förderung) verloren. Reformbedarf besteht dennoch. Nach den ersten Anfangsschwierigkeiten geht es jetzt darum, die
Produkte untereinander vergleichbarer zu gestalten, um unabhängigen Institutionen wie der
Stiftung Warentest einen Vergleich der marktgängigen Produkte zu ermöglichen. Für uns Grüne ist die Förderung von Anlageformen wichtig, bei denen ökologische und ethische Standards
eingehalten werden.
Besondere Berücksichtung muss der Verbraucherschutz aber im Bereich des Gesundheitssystems finden. Wir wollen eine Patientinnencharta, eine Stiftung Gesundheitstest oder Wahlfreiheit für die Patienten bei der Einführung der Gesundheitskarte und ebenso Zugangsgerechtigkeit für Behinderte in allen Bereichen. Wichtig ist die Stärkung unabhängiger Beratungsstellen,
die zwar bereits beschlossen wurden, von den Kassen aber bisher unzureichend umgesetzt
werden. Auch beim Thema Pflege müssen die Verbraucherrechte gestärkt werden, etwa durch
eine Charta für die Rechte der Pflegebedürftigen oder bundeseinheitlicher Qualitäts- und Pflegestandards.
Bauen und Sanieren
Mancher Traum vom eigenen Heim endet im Alptraum. Eine wichtige Ursache hierfür ist die
Insolvenz des Bauunternehmers. Wir wollen Haftpflichtversicherung für den Bauherrn gegen
Insolvenz, wie es sie in Frankreich und den Niederlanden bereits gibt. Diese erhöht zwar den
Baupreis, schützt aber vor einem nicht unerheblichen Risiko der Insolvenz, das oft in einer hohen Verschuldung endet. Wir wollen eine solche Regelung auch in Deutschland, um Überschuldung zu vermeiden und das Vertrauen in den Hausbau zu verbessern.
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Auch hier werden durch die Abschaffung des Meisterzwanges in nicht gefahrengeneigten
Handwerksberufen neue Arbeitsplätze geschaffen und das Angebot erweitert, dies erhöht die
Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher.Die neue Vielfalt sollte durch eine für die
Verbraucher leicht verständliche Qualitätssicherungsstrategie begleitet werden. Wir werden
prüfen, ob ein geeignetes Bausiegel den Markt für Bauherren transparenter und sicherer machen kann. Ziel dieser Maßnahmen ist es, die schwache Baukonjunktur zu beleben.
Lebensmittelsicherheit
Es war ein gemeinsamer Erfolg des Verbraucherschutz- und des Umweltministeriums in der EU
eine klare Kennzeichnung gentechnisch veränderten Lebensmittel durchzusetzen. So können
die Verbraucher eindeutig zwischen gentechnisch und nicht gentechnisch veränderten Lebensmitteln unterscheiden. Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Nutzung der grünen Gentechnik in
der Landwirtschaft ist die Koexistenz. Bauern, die bewusst auf Gentechnik verzichten, müssen
vor den finanziellen Schäden durch Auskreuzung geschützt werden. Die Verantwortung trägt
für uns eindeutig derjenige, der gentechnisch veränderte Organismen anpflanzt. Er muss hierfür
auch die Haftung übernehmen. GMO-freier Landbau muss gesichert sein.
Telekom, Gas und Strom
Neue Technologien und Märkte bergen auch immer das Risiko von erhöhtem Missbrauch zu
Lasten der Verbraucher und damit letztendlich oft auch der Unternehmen mit fairen Geschäftspraktiken. Wir wollen deshalb in diesen Bereichen die Rechte der Verbraucher deutlich erhöhen.
Während die Liberalisierung der Telekommunikation zu sinkenden Preisen und mehr Wahlfreiheit der Verbraucher gesorgt hat, sind diese Effekte im Gas- und Strombereich noch nicht ausreichend entwickelt. Gerade in diesen Märkten muss der Staat den Wettbewerb zum Nutzen
der Verbraucher fördern. Die Frage des einfachen Anbietervergleichs auf dem Energiemarkt
muss verbessert werden. Auf dem Gasmarkt wollen wir den Wechsel des Gaslieferanten ermöglichen. Klare Kennzeichnung von Strom und Gas ermöglicht einen leichten und unbürokratischen Wechsel, der den Wettbewerb erhöht.
Finanzdienstleistungen
Das Anlegervertrauen hat in jüngster Zeit auch durch Bilanzmanipulationen und die Verbreitung
falscher Unternehmensinformationen schweren Schaden genommen. Deshalb will die Bundesregierung die Marktintegrität und den Anlegerschutz durch ein Bündel von Maßnahmen
verbessern (mehr Transparenz, verstärkte Marktaufsicht oder Schaffung neuer Schadensersatzvorschriften). Diese verbraucherpolitischen Maßnahmen zielen darauf ab, die Position des Finanzplatzes Deutschland zu stärken. Der Deutsche Governance Kodex muss weiterentwickelt
werden, um die Grundsätze für eine verantwortliche Unternehmensführung weiter zu verbessern.
Auch im Bereich der Lebensversicherungen sind Verbesserungen erforderlich. So ist es aus
Verbrauchersicht unerklärlich, dass in diesen Tagen etwa die Lebensversicherer einem Stresstest
durch das Bundesamt für Finanzdienstleistungen unterzogen wurden, dessen Methodik unumstritten ist, den Verbrauchern jedoch das Ergebnis vorenthalten wird. Dieses intransparente
Vorgehen benachteiligt all diejenigen Anbieter, die eine ausreichende Deckung vorweisen können gegenüber denjenigen, die den Stresstest einer simulierten ungünstigen Entwicklung an
den Märkten nicht bestehen. Das Beispiel zeigt auch, wie sinnvoll ein Verbraucherinformationsgesetz (VIG) in diesem Bereich ist.
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5. Europäische und internationale Verbraucherpolitik
Der europäische Markt ist der größte Binnenmarkt der Welt. Um ihn zu vervollständigen wurden weite Teile der Verbraucherpolitik der EU überantwortet. Deshalb wurde der Verbraucherschutz als Ziel der EU in die Amsterdamer Verträge verankert. Dieses Ziel gilt es jetzt Schritt für
Schritt mit Leben zu erfüllen. Unsere Vision ist die eines einheitlichen europäischen Verbraucherschutzes. Wir wollen aber keine Vollharmonisierung, wenn dies eine Harmonisierung nach
dem Minimalprinzip bedeuten, also Absenkung des Schutzes. Eine solche Politik würde die Kritik der Bürger an der EU zu Recht weiter erhöhen. Europäische Verbraucherpolitik muss sich an
dem auf dem Weltgipfel in Johannesburg vereinbarten 10-Jahresrahmenprogramm zum nachhaltigen Konsum ausrichten.
Verbraucherpolitik kann so zu einer Leitplanke für die Verbraucher bei den Prozessen der Globalisierung werden. Vor diesen Prozessen (etwa neue Technologien oder neue Vertragsformen)
bietet Verbraucherpolitik dem Individuum die Möglichkeit sich in der ständig wandelnden Welt
des 21. Jahrhunderts zu Recht zu finden, ohne Schaden zu nehmen. Die EU muss mit zur internationalen Durchsetzung von Verbraucherrechten beitragen. Wir setzen uns dafür ein, dass die
VN-Verbraucherrechte gleichberechtigt neben den Regeln der WTO gelten. Ein wichtiger
Schritt auf dem Weg zu mehr internationaler Gerechtigkeit sind der Abbau von Exportsubventionen für Agrarprodukte im WTO-Prozess und die Verhandlungen in der FAO über ein Recht
auf Nahrung, die wir zum Erfolg führen wollen. Aber auch jede/r Einzelne kann beispielsweise
durch „klugen Konsum“ von Produkten aus dem fairen Handel zu einer gerechteren Welt beitragen.
6. Chance und Herausforderung für Bündnis 90/Die Grünen
Grüne Wirtschaftpolitik schafft und sichert Arbeitsplätze durch Umwelt- und Verbraucherschutz. Sie unterstützt die Wirtschaft und steigert die nachhaltige Entwicklung und den
Wohlstandes, zum Nutzen von Unternehmen und Konsumenten. Verbraucherschutz ist ein
Basisbaustein einer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Modernisierung. Bündnis 90/ Die
Grünen werden auf allen Ebenen die Interessen der Verbraucher in die Rathäuser und andere
politischen Arenen tragen. Wir werden deshalb in den nächsten Jahren einen breiten Dialog in
allen gesellschaftlichen Bereichen führen. Wir führen diesen Diskurs mit der Gesellschaft, damit
Verbraucherschutz Teil der sozialen und ökologischen Marktwirtschaft wird. Information und
Transparenz sind selbstverständliches Recht der Verbraucher und für die Unternehmer eine
Chance schwarze Zahlen zu schreiben.
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