Ministerium für Bildung, Jugend und Sport Zentrale schriftliche Abiturprüfung 2007 Biologie Grundkurs für Prüflinge Teil A (Wahl für Lehrkräfte) Aufgabenstellung A1 Thema/Inhalt: Spinne ist nicht gleich Spinne Hilfsmittel: Nachschlagewerk zur Rechtschreibung der deutschen Sprache, nicht programmierbarer und nicht grafikfähiger Taschenrechner, an der Schule eingeführtes Tafelwerk/ Formelsammlung Gesamtbearbeitungszeit: 3 Zeitstunden Spinne ist nicht gleich Spinne Spinnentiere sind primär Landtiere. Von den 84 000 bekannten Arten sind nur etwa 5000 Milben und eine einzige Webspinne sekundär zum ständigen Leben im Wasser übergegangen. Der Landtiercharakter der Spinnentiere erklärt die wichtigsten Eigentümlichkeiten ihres äußeren und inneren Körperbaus. Charakteristisch sind die Atmungsorgane, die so genannten Tracheen. Tracheen sind auch die Atmungsorgane der Insekten. Diese reichen als Röhrensystem ohne Muskulatur mit feinsten Verzweigungen (Diffusionstracheen) an alle Organe heran und der Sauerstoff kann bis an die Zellen herangeführt werden. Stärkere Ventilation zur Erneuerung der Atemluft in den großen Tracheenstämmen wird zusätzlich durch rhythmische Hinterleibskontraktion oder beim Fliegen durch die Tätigkeit der Flugmuskulatur erreicht. Spinnen unterscheiden sich sehr stark in ihrem Aussehen und in ihren Verhaltensweisen. Eine der bekanntesten Kugelspinnen ist die Schwarze Witwe aus der Gattung Latrodectus. Ihren Namen verdankt sie neben ihrer dunklen Färbung der Tatsache, dass die Männchen regelmäßig unmittelbar nach der Paarung von den Weibchen gefressen werden. Die Hauptwirkung des Giftes ist darauf zurückzuführen, dass die Hauptkomponente AlphaLatrotoxin an einen Rezeptor der Synapsen von Säugern bindet. Infolge dessen kommt es zu einem vollständigen und irreversiblen Calziumioneneinstrom. Eine Folge dieser Giftwirkung ist u.a. eine einsetzende Atemlähmung, die besonders für Kinder manchmal tödlich sein kann. In der Regel verwendet die Schwarze Witwe ihr Gift jedoch nicht zur Verteidigung gegen Säugetiere, sondern zum Beutefang von Insekten. Auf Beuteinsekten wirkt das Gift im Prinzip genauso wie beschrieben. Spinnen – wie auch die Schwarze Witwe – bevorzugen lebende Nahrung, die sie oft tagelang in einer Art Speisekammer zwischenlagern, bevor sie sie verzehren. Seite 1 von 3 Biologie Grundskurs 07_Bi_A_G_A1_1 Land Brandenburg Junge Tiere mancher Spinnenarten lassen sich vom Wind verdriften. Die dabei angewandten Techniken sind unterschiedlich. Bei der in Mittelamerika heimischen Art Cupiennius getazi lassen sich die etwa 9 Tage alten Tiere bei bestimmten Windbedingungen von ihrer Sitzpflanze fallen, an der sie mit dem Sicherungsfaden hängen. Dieser kann etwa 70 cm lang werden, während die Jungtiere im Wind schwingen bis sie Bodenkontakt (beispielsweise ein anderes Blatt) haben. Dieses Verhalten wird als „Drop and Swing Dispersal Behavior“ bezeichnet. Aus einem Kokon schlüpfen bis zu 2000 Jungtiere, die sich etwa bis zum 9. Tag im Fadengewirr um den Kokon aufhalten. Dann haben sie den Dottervorrat aufgebraucht und das oben beschriebene Verhalten ist zu beobachten. Windmessungen im Biotop von Cupiennius ergaben, dass zur Aktivitätszeit der Tiere Windgeschwindigkeiten bis zu 0,4 m/s typisch sind. Die Wasserverdunstung der Pflanzen ist innerhalb typischer Schlupfwinkel der Spinnen tagsüber bedeutend niedriger als außerhalb, aber während der Nacht gibt es diesbezüglich keine Unterschiede. Ein Wasserverlust von 12 bis 21% des Körpergewichts ist für die Tiere tödlich. Das Verhalten der Tiere wurde im Windkanal und im Freiland unter verschiedenen Bedingungen getestet. Aufgaben: 1. Beschreiben Sie die Erregungsübertragung an einer erregenden Synapse. 2. Erläutern Sie die Wirkungsweise des Giftes der Schwarzen Witwe und die Folgen dieser Gifteinwirkung auf einen Menschen. 3. Erklären Sie die unterschiedliche Wirkung des Giftes auf die Atmungsorgane bei Insekten und Säugetieren. 4. Beschreiben Sie die Ergebnisse der Grafik aus dem Material 1. Interpretieren Sie die Ergebnisse unter verhaltensbiologischen Aspekten. 5. Beschreiben und begründen Sie die Befunde der Freilandexperimente mit C. getazi und C. coccineus. Ziehen Sie eine Schlussfolgerung hinsichtlich der Aktivität der Tiere. 6. Erklären Sie das Verhalten der Jungspinnen vor und nach dem 9. Tag aus ökologischer, ethologischer und entwicklungsbiologischer Sicht. Seite 2 von 3 Biologie Grundkurs 07_Bi_A_G_A1_1 Land Brandenburg Material: Material 1: Experimente im Windkanal Material 2: Freilandexperimente Beute Versteck Reizkonstellation A B C D + – + – + + – – + ist vorhanden – fehlt Im Freilandexperiment wurden auf mehreren Bromelienpflanzen Spinnen (Cupiennius getazi und C. coccineus) freigelassen. Die Pflanzen boten vier Reizkonstellationen (A–D): Die Grafik zeigt, wie oft man die Tiere auf den Pflanzen gefunden hat. Das Verhalten von Cupiennius getazi nach dem 9. Tag wurde im Windkanal unter verschiedenen Bedingungen untersucht. Dabei wurden pro Versuchssituation jeweils 10 Tiere getestet. Seite 3 von 3 Biologie Grundkurs 07_Bi_A_G_A1_1