Österreichischer Ernährungsbericht 2003

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Institut für Ernährungswissenschaften
Universität Wien
Österreichischer
Ernährungsbericht
2003
Impressum:
Österreichischer Ernährungsbericht 2003
1. Auflage, Oktober 2003
Herausgegeben vom
Institut für Ernährungswissenschaften,
Universität Wien,
Althanstr. 14, A-1090 Wien
im Auftrag des
Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, Sektion IV
Radetzkystraße 2, 1030 Wien
Für den Inhalt verantwortlich:
o. Univ.-Prof. Dr. I. Elmadfa
Zitierweise (gekürzte Form):
Elmadfa I, Freisling H, König J, et al. Österreichischer Ernährungsbericht 2003.
1. Auflage, Wien, 2003
Bezugsmöglichkeit (gegen einen Unkostenbeitrag von € 10,– zzgl. Versand):
Institut für Ernährungswissenschaften, Universität Wien
Althanstr. 14, A-1090 Wien
Tel.: +43-1/4277-54901
E-Mail: [email protected]
ISBN 3-901861-01-7
Österreichischer Ernährungsbericht 2003
Herausgegeben vom
Institut für Ernährungswissenschaften
der Universität Wien
o. Univ.-Prof. Dr. I. Elmadfa
im Auftrag des
Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen
Autoren
o. Univ.-Prof. Dr. I. Elmadfa
Mag. H. Freisling
ao. Univ.-Prof. Dr. J. König
Mag. Judith Blachfelner
Mag. Helga Cvitkovich-Steiner
Dr. Dr. D. Genser
Dr. R. Grossgut
Dr. H. Christine Hassan-Hauser
Mag. Rita Kichler
o. Univ.-Prof. Dr. M. Kunze
Dr. Dorota Majchrzak
ao. Univ.-Prof. Dr. M. Manafi
Dr. Petra Rust
Dr. Karin Schindler
Dr. F. Vojir
Dr. Sandra Wallner
Dr. A. Zilberszac
Vorwort der Bundesministerin
Die Ernährung spielt in der Prävention von Krankheiten bzw. in der Gesundheitsförderung eine herausragende Rolle. Das Lebensmittelangebot ist in der heutigen Zeit besser denn je. Bei der vorhandenen Vielfalt und Qualität der Lebensmittel kann der Bedarf im physiologischen Sinne selbst bei unterschiedlichen Bedürfnissen hinsichtlich des Geschmacks und der Ernährungspräferenzen gedeckt
werden.
Der Ernährungsbericht, der vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien herausgegeben wird, hat sich als eine wesentliche Informationsquelle
für die Entscheidungsträger in der Ernährungs- und Gesundheitspolitik etabliert.
Wie schon der Österreichische Ernährungsbericht 1998 gibt der vorliegende Bericht aber auch den privat Interessierten einen hervorragenden Einblick in das breite Spektrum der Ernährung.
Was hat der Österreichische Ernährungsbericht 2003 zu bieten?
Trends der letzten fünf Jahre im Lebensmittelverbrauch werden genauso dargestellt wie die Entwicklung der Nährstoffversorgung der Bevölkerung bzw. einzelner Bevölkerungsgruppen.
Problemfelder der modernen Ernährung werden aufgezeigt und gleichzeitig Lösungsmöglichkeiten angeboten.
Sehr erfreulich sind die vielen Beiträge aus dem Bereich der Lebensmittelqualität und Ernährungssicherheit. Um nur einige zu nennen: Bio-Lebensmittel, neuartige Lebensmittel bzw. gentechnisch veränderte Lebensmittel, nährstoffangereicherte Lebensmittel, Trinkwasserqualität etc. Unter anderem sind Lebensmittel auch
im Zusammenhang mit Acrylamid, Nitrat, Mykotoxinen oder Zusatzstoffen in Diskussion. Darauf wird unter Einbeziehung von aktuellen Ergebnissen aus der Forschung eingegangen.
Von unmittelbarem Nutzen ist auch die Darstellung der Bedeutung der wichtigsten Lebensmittelgruppen innerhalb unserer Ernährung für die Gesundheit bis
hin zu konkreten Ernährungsempfehlungen.
Als verantwortliche Ministerin danke ich den Autoren und Autorinnen für ihr
Engagement und ihre wertvollen Beiträge. Ich bin sicher, dass der Österreichische
Ernährungsbericht 2003 die gebührende öffentliche Beachtung finden und als
Grundlage für gezielte Gesundheitsförderung dienen wird.
Maria Rauch-Kallat
Bundesministerin für Gesundheit und Frauen
Vorwort
Nachdem im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 erstmals und möglichst
umfassend die Ernährungssituation in Österreich dokumentiert wurde, hat das Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen mit dem vorliegenden Ernährungsbericht
das Ernährungs-Monitoring in Österreich fortgeführt. Dadurch ist es möglich, rechtzeitig Veränderungen im Ernährungsverhalten, im positiven wie im negativen Sinne, festzustellen und falls notwendig, entsprechende gesundheitspolitische Maßnahmen einzuleiten.
Nicht zuletzt werden damit auch weiterhin international vergleichbare Daten
über die Ernährungssituation in Österreich geliefert.
Zu Beginn wird ein kurzer Überblick über die Entwicklung des Lebensmittelverbrauchs der letzten 5-10 Jahre in Österreich gegeben.
Einen wichtigen Schwerpunkt bildet das Kapitel über den Ernährungszustand
verschiedener Bevölkerungsgruppen in Österreich auch im Vergleich zur Situation
vor fünf Jahren.
Aspekte der Lebensmittelqualität und -sicherheit erreichen stets ein breites öffentliches Interesse. Daher werden in einem umfassenden Kapitel aktuelle Daten
zu Themen wie Trinkwasser, gentechnisch veränderte Lebensmittel, Bioprodukte,
Zusatzstoffe, Acrylamid in Lebensmitteln etc. dokumentiert.
Die Vielfalt verfügbarer Grundnahrungsmittel wie Brot und Getreideprodukte,
Gemüse und Obst, Milch und Milchprodukte, Fleisch und Fleischprodukte bildet die
Basis einer ausgewogenen Ernährungsweise. Neue Verzehrsdaten liefern ein Bild
über die Balance in der Auswahl von bestimmten Lebensmittelgruppen und deren
Bedeutung für die Ernährung der österreichischen Bevölkerung.
Das Kapitel Public Health behandelt die Entwicklung der Lebenserwartung und
der Mortalität in Österreich und berichtet über den Zusammenhang zwischen der
Ernährung und bestimmten chronischen Erkrankungen.
Der Österreichische Ernährungsbericht 2003 schließt mit einem Kapitel über
Gesundheitsförderung und Prävention sowie einem Wegweiser für eine wünschenswerte und gesund erhaltende Ernährungsweise ("Lebensmittelbasierte
Richtlinien und Empfehlungen").
Ernährungsinformationen sind heute in vielfältiger Art und Weise (Zeitungsartikel, Fernsehen, Internet, Werbung…) verfügbar, allerdings führt mehr Information oft auch zu Desinformation, vor allem wenn sie widersprüchlich ist. Das Institut für Ernährungswissenschaften sieht sich verpflichtet, sachlich und auf dem
letzten Stand der Wissenschaft über das breite Spektrum der Ernährung zu informieren.
Dieser Ernährungsbericht stellt für die Verantwortlichen in der Ernährungs- und
Gesundheitspolitik, aber auch den Lebensmittelproduzenten ein wichtiges Instrument für die Verbesserung der Ernährungssituation in Österreich dar.
Selbstverständlich soll der Bericht auch der Öffentlichkeit, speziell den Meinungsbildnern in den Medien und dem interessierten Konsumenten als zuverlässige Dokumentation über den aktuellen Ernährungszustand dienen.
Der Ernährungsbericht 2003 stützt sich u. a. auf Forschungsarbeiten, die vom
Bundesministerium für Gesundheit und Frauen gefördert wurden. Das Institut für
Ernährungswissenschaften bedankt sich bei den zahlreichen Arbeitsgruppen, die
alle wissenschaftlichen Studien mit großer Sorgfalt durchgeführt haben und insbesondere auch bei vielen Studierenden der Ernährungswissenschaften, die bei
den Feldarbeiten und der Datenerfassung unermüdlichen Einsatz gezeigt haben.
Der Dank gilt ferner den sachkundigen Autoren und allen Beteiligten die zum Gelingen dieses Berichts beigetragen haben.
Wien, Oktober 2003
O. Univ.-Prof. Dr. I. Elmadfa
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1: Lebensmittelverbrauch Österreichs – ein Überblick .....................................1
Allgemeines ....................................................................................................................1
Aktuelle Trends im Lebensmittelverbrauch .........................................................................1
Getreide und Brot ............................................................................................................2
Hülsenfrüchte .................................................................................................................2
Gemüse und Obst ...........................................................................................................2
Milch und Milchprodukte ..................................................................................................3
Fleisch und Fleischprodukte .............................................................................................3
Fisch ...........................................................................................................................3
Pflanzenöle .....................................................................................................................4
Kapitel 2: Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung .................................6
2.1 Allgemeine Einführung ................................................................................................9
2.2 Body Mass Index (BMI) verschiedener Personengruppen .............................................10
2.2.1 BMI von Vorschulkindern ..................................................................................11
2.2.2 BMI von Schulkindern.......................................................................................11
2.2.3 BMI von Lehrlingen ..........................................................................................12
2.2.4 BMI von Erwachsenen ......................................................................................14
2.2.5 BMI von Freizeitsportlern ..................................................................................14
2.2.6 BMI von Senioren.............................................................................................15
2.3 Kinder und Jugendliche .............................................................................................17
2.3.1 Vorschulkinder (3-6 J.)......................................................................................17
2.3.2 Schulkinder (7-14 J.) ........................................................................................28
2.3.3 Lehrlinge (15-18 J.) ..........................................................................................37
2.4 Erwachsene..............................................................................................................47
2.4.1 Trinkverhalten und Flüssigkeitsaufnahme von österreichischen Erwachsenen ........63
2.5 Senioren ..................................................................................................................70
2.6 Schwangere .............................................................................................................86
2.7 Stillende ...................................................................................................................98
2.8 Breitensportler ........................................................................................................103
Kapitel 3: Lebensmittelqualität ..................................................................................110
3.1 Die amtliche Lebensmittelüberwachung in Österreich ................................................110
3.2 Aspekte der Qualität von Lebensmitteln tierischer Herkunft – aus der
Praxis des Instituts für Lebensmitteluntersuchung, Wien ...........................................119
3.3 Risikoanalyse bei Lebensmitteln ...............................................................................125
3.4 Lebensmittelsicherheit anhand einiger Beispiele .......................................................131
3.5 Trinkwasser ...........................................................................................................143
3.6 Bioprodukte ...........................................................................................................156
3.7 Gentechnisch veränderte Lebensmittel .....................................................................162
3.8 Nährstoffanreicherung von Lebensmitteln ................................................................168
3.9 Babynahrungsprodukte ...........................................................................................176
3.10 Light-Produkte .....................................................................................................182
3.11 Lebensmittelzusatzstoffe .......................................................................................189
3.12 Acrylamid in Lebensmitteln ...................................................................................196
3.13 Nitrat ..................................................................................................................202
3.14 Schwermetalle .....................................................................................................213
Kapitel 4: Bedeutung der wichtigsten Lebensmittelgruppen für die Ernährung .......222
4.1 Brot und Getreideprodukte .....................................................................................222
4.2 Obst und Gemüse ..................................................................................................228
4.3 Milch und Milchprodukte ........................................................................................232
4.4 Fleisch und Fleischprodukte ....................................................................................237
4.5 Zucker ...................................................................................................................242
I
Kapitel 5: Public Health/Gesundheitsförderung/ Prävention....................................249
5.1 Ernährungsassoziierte Erkrankungen und Mortalität ..................................................249
5.2 Koronare Herzerkrankungen ...................................................................................259
5.3 Ernährung bei HIV-Infektion ...................................................................................268
5.4 Diabetes mellitus ...................................................................................................272
Kapitel 6: Gesundheitsförderung und Kommunikation .............................................282
6.1 Fonds Gesundes Österreich ....................................................................................282
6.2 Gesundheitsförderung in Österreich ........................................................................295
6.3 REVOST - Reiner Ernährungs- und Vorsorge-Studie, ein Anwendungsbeispiel
aus Südösterreich ..................................................................................................301
6.4 Lebenmittelbasierte Richtlinien und Empfehlungen ...................................................306
Kapitel 7 - Entwicklung des Lebensmittelverbrauchs in Österreich
zwischen 1947 und 2001 (Anhang zu Kapitel 1) .................................................315
Zusammenfassung .......................................................................................................315
Allgemeines .................................................................................................................315
Abschätzung des Verzehrs aus Ernährungsbilanzen .........................................................315
Getreide und Getreideprodukte ......................................................................................316
Kartoffeln ....................................................................................................................317
Hülsenfrüchte ..............................................................................................................318
Gemüse ......................................................................................................................318
Obst
.......................................................................................................................319
Milch und Milchprodukte................................................................................................321
Fleisch und Fleischwaren ...............................................................................................323
Fisch
.......................................................................................................................323
Eier
.......................................................................................................................324
Pflanzliche Öle und Ölsaaten ........................................................................................324
Zucker, Honig, Kakao, Nüsse und Kastanien ...................................................................325
Bier und Wein .............................................................................................................326
Konsumstatistik ...........................................................................................................327
Kapitel 8: Zusammenfassung ....................................................................................329
Ausblick
...................................................................................................................344
Literatur ...................................................................................................................345
II
Tabellenverzeichnis
Tab. 2.0: Mittlere tägliche Zufuhr an Polyenfettsäuren bei verschiedenen Altersgruppen
in Österreich ....................................................................................................................7
Tab. 2.1: Übersicht zu den durchgeführten Erhebungen zur Beurteilung des
Ernährungszustands der österreichischen Bevölkerung .....................................................10
Tab. 2.2: BMI des Gesamtkollektivs sowie Verteilung von Unter-, Normal- und
Übergewicht innerhalb der Altersgruppen von Senioren .....................................................15
Tab. 2.3: Körperlänge, Gewicht und BMI der männlichen und weiblichen Studienteilnehmer ......16
Tab. 2.4: Stichprobenzahl (n=151) der Wiegeprotokolle gegliedert nach Regionen....................18
Tab. 2.5: Mittlere tägliche Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei
österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.), getrennt nach Geschlecht und Region.................18
Tab. 2.6 : Mittlere tägliche Zufuhr an Linolsäure und α-Linolensäure in g und Energie%
bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.) ...................................................................20
Tab. 2.7: Mittlere tägliche Vitaminzufuhr bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 Jahre).........22
Tab. 2.8: Mittlere tägliche Zufuhr an Mineralstoffen und Spurenelementen
bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 Jahre), getrennt nach Geschlecht und Region .....23
Tab. 2.9: Vergleich der wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen
(Optimierte Mischkost) mit tatsächlichen Verzehrsdaten (3-d-Wiegeprotokoll, n=151)
bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.) ....................................................................25
Tab. 2.10: Mittlere tägliche Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei
österreichischen Schulkindern (7-14 J.), getrennt nach Alter, Geschlecht und Region...........29
Tab. 2.11: Trends (Beobachtungszeitraum 1998-2002) in der Energie- und
Makronährstoffzufuhr bei österreichischen Schulkindern (7-14 J.) ......................................31
Tab. 2.12: Mittlere tägliche Vitaminzufuhr bei österreichischen Schulkindern (7-14 J.),
getrennt nach Alter, Geschlecht und Region......................................................................32
Tab. 2.13: Mittlere tägliche Zufuhr an Mineralstoffen und Spurenelementen
bei österreichischen Schulkindern (7-14 J.), getrennt nach Alter, Geschlecht und Region .....33
Tab. 2.14: Trends (Beobachtungszeitraum 1998-2002) in der Mikronährstoffzufuhr
bei österreichischen Schulkindern (7-14 J.).......................................................................34
Tab. 2.15: Vergleich der wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen
(Optimierte Mischkost) mit tatsächlichen Verzehrsdaten (7-d-Wiegeprotokoll, n=326)
bei österreichischen Schulkindern (7-9 J.) ........................................................................35
Tab. 2.16: Mittlere tägliche Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei
österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) .............................................................................38
Tab. 2.17: Mittlere tägliche Zufuhr an Linolsäure und α-Linolensäure in g und Energie%
bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) .......................................................................38
Tab. 2.18: Mittlere tägliche Alkoholzufuhr bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) ................39
Tab. 2.19: Vergleich der mittleren täglichen Energie- und Makronährstoffzufuhr bei
österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) mit den Zufuhrdaten gleichaltriger Schüler
(Österreichischer Ernährungsbericht 1998) .......................................................................40
Tab. 2.20: Mittlere tägliche Zufuhr an Vitaminen bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) ......40
Tab. 2.21: Vergleich der mittleren täglichen Vitaminzufuhr bei österreichischen
Lehrlinge (15-18 J.) mit den Zufuhrdaten gleichaltriger Schüler (Österreichischer
Ernährungsbericht 1998).................................................................................................41
Tab. 2.22: Mittlere tägliche Zufuhr an Mineralstoffen/Spurenelementen
bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) .......................................................................42
Tab. 2.23: Vergleich der mittleren täglichen Zufuhr an Mineralstoffen/Spurenelementen
bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) mit den Zufuhrdaten gleichaltriger Schüler
(Österreichischer Ernährungsbericht 1998) .......................................................................42
Tab. 2.24: Vergleich der wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen
(Optimierte Mischkost) mit den tatsächlichen Verzehrsdaten
(3-d-Wiegeprotokoll, n=110) bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) .............................45
Tab. 2.25: Charakteristik der Stichprobe (n=2581)..................................................................48
Tab. 2.26: Mittlere tägliche Zufuhr an Energie und Makronährstoffen
bei österreichischen Erwachsenen, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht ................48
Tab. 2.27: Mittlere tägliche Proteinzufuhr bei österreichischen Erwachsenen (Angaben in g) .....49
III
Tab. 2.28: Mittlere tägliche Aufnahme an Linolsäure und α-Linolensäure
in g und Energie% bei österreichischen Erwachsenen ......................................................50
Tab. 2.29: Mittlere tägliche Aufnahme an Saccharose bei österreichischen Erwachsenen ...........51
Tab. 2.30: Mittlere tägliche Alkoholzufuhr bei österreichischen Erwachsenen (in g) ...................51
Tab. 2.31: Trends (Beobachtungszeitraum 1998-2002) in der Zufuhr an Energie
und Makronährstoffen bei österreichischen Erwachsenen ..................................................52
Tab. 2.32: Mittlere tägliche Vitaminzufuhr bei österreichischen Erwachsenen,
getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht....................................................................53
Tab. 2.33: Trends (Beobachtungszeitraum 1998-2002) in der Vitaminzufuhr bei
österreichischen Erwachsenen .........................................................................................55
Tab. 2.34: Mittlere tägliche Aufnahme an Mineralstoffen/Spurenelementen bei
österreichischen Erwachsenen, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht......................56
Tab. 2.35: Trends (Beobachtungszeitraum 1998-2002) in der Zufuhr an
Mineralstoffen/Spurenelementen bei österreichischen Erwachsenen ...................................57
Tab. 2.36: Mittlere tägliche Nährstoffzufuhr bei österreichischen Erwachsenen (n=376),
getrennt nach Kostform ..................................................................................................59
Tab. 2.37: Ernährungswissen: Antworthäufigkeiten auf die Frage nach der
Wirkung von Ballaststoffen..............................................................................................60
Tab. 2.38: Einfluss des BMI auf das Ernährungswissen getrennt nach BMI-Klassen
bzw. Geschlecht ............................................................................................................61
Tab. 2.39: Kriterien von österreichischen erwachsenen Frauen und Männern bei der
Lebensmittelwahl ...........................................................................................................63
Tab. 2.40: Altersverteilung der Stichprobe ..............................................................................64
Tab. 2.41: Gründe für die Getränkewahl bei österreichischen Erwachsenen .............................66
Tab. 2.42: Konsumhäufigkeiten von Trendgetränken bei österreichischen Erwachsenen ............67
Tab. 2.43: Mittlere tägliche Getränkezufuhr bei österreichischen Erwachsenen .........................68
Tab. 2.44: Charakteristik der Studienpopulation, getrennt nach Geschlecht und
Wohnsituation ................................................................................................................71
Tab. 2.45: Charakteristik der Studienpopulation, getrennt nach Altersgruppen
und Geschlecht .............................................................................................................71
Tab. 2.46: Mittlere tägliche Zufuhr an Energie- und Makronährstoffen bei Wiener
Senioren, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht.....................................................72
Tab. 2.47: Mittlere tägliche Zufuhr an Vitaminen bei Wiener Senioren,
getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht....................................................................73
Tab. 2.48: Mittlere tägliche Zufuhr an Mineralstoffen/Spurenelementen
bei Wiener Senioren, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht ....................................77
Tab. 2.49: Gegenüberstellung Pensionistenwohnhaus und Privathaushalt:
mittlere tägliche Zufuhr an Energie und Makronährstoffen
bei Wiener Senioren (ab 65 Jahre), getrennt nach Geschlecht ...........................................79
Tab. 2.50: Gegenüberstellung Pensionistenwohnhaus und Privathaushalt:
mittlere tägliche Zufuhr an Vitaminen bei Wiener Senioren
(ab 65 Jahre), getrennt nach Geschlecht..........................................................................80
Tab. 2.51: Gegenüberstellung Pensionistenwohnhaus und Privathaushalt:
mittlere tägliche Zufuhr an Mineralstoffen/Spurenelementen
bei Wiener Senioren (ab 65 Jahre), getrennt nach Geschlecht ...........................................81
Tab. 2.52: Unterschiede in der Flüssigkeitszufuhr, inklusive aus fester Nahrung,
zwischen älteren Menschen (ab 65 Jahren) in Pensionistenwohnhäusern
und Privathaushalten ......................................................................................................81
Tab. 2.53: Trends (Beobachtungszeitraum 1996-2002) in der Energie- und
Makronährstoffzufuhr bei Wiener Senioren in Pensionistenwohnhäusern ............................82
Tab. 2.54: Trends (Beobachtungszeitraum 1996-2002) in der
Mikronährstoffzufuhr bei Wiener Senioren in Pensionistenwohnhäusern .............................82
Tab. 2.55: Alter und Schwangerschaftswoche der untersuchten
schwangeren Frauen.......................................................................................................87
Tab. 2.56: Mittlere tägliche Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei schwangeren
Frauen in Österreich, getrennt nach Altersgruppen ..........................................................87
IV
Tab. 2.57: Trends (Beobachtungszeitraum 1998-2002) in der Zufuhr an Energieund Makronährstoffen bei Schwangeren...........................................................................88
Tab. 2.58: Mittlere tägliche Zufuhr an Vitaminen bei schwangeren Frauen in
Österreich, getrennt nach Altersgruppen .........................................................................89
Tab. 2.59: Mittlere tägliche Zufuhr an Mineralstoffen/Spurenelementen
bei schwangeren Frauen in Österreich, getrennt nach Altersgruppen .................................90
Tab. 2.60: Trends (Beobachtungszeitraum 1998-2002) in der Mikronährstoffaufnahme
bei Schwangeren ...........................................................................................................92
Tab. 2.61: Gegenüberstellung der Energie- und Nährstoffzufuhr der Probandinnen
mit und ohne Leberkonsum ............................................................................................93
Tab. 2.62: Vergleich der wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen mit
tatsächlichen Verzehrsdaten (3-d-Wiegeprotokoll, n=151) bei Schwangeren .......................94
Tab. 2.63: Mittlere tägliche Zufuhr an Energie und Makronährstoffen
bei Stillenden, getrennt nach Stillperiode..........................................................................99
Tab. 2.64: Überblick über die Einnahme von Supplementen bei Stillenden ..............................100
Tab. 2.65: Mittlere tägliche Vitaminzufuhr, bezogen auf die Energieaufnahme
(µg, mg/MJ) (MW ± SD) bei Stillenden, getrennt nach Stillperiode...................................100
Tab. 2.66: Mittlere tägliche Zufuhr an Mineralstoffen und Spurenelementen bei
Stillenden, getrennt nach Stillperiode .............................................................................101
Tab. 2.67: Mittlere tägliche Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei
ostösterreichischen Breitensportlern, getrennt nach Geschlecht und
Sportkategorie..............................................................................................................104
Tab. 2.68: Mittlere tägliche Zufuhr an Vitaminen bei ostösterreichischen
Breitensportlern, getrennt nach Geschlecht und Sportkategorie........................................106
Tab. 2.69: Mittlere tägliche Zufuhr an Mineralstoffen/Spurenelementen
bei ostösterreichischen Breitensportlern, getrennt nach Geschlecht und Sportkategorie .....108
Tab. 2.70: Worauf Breitensportler in ihrer Ernährung besonders achteten ..............................108
Tab. 3.1: Übersicht über durchgeführte Revisionen und Probennahmen..................................117
Tab. 3.2: Anzahl der Proben tierischer Herkunft (1998-2002).................................................120
Tab. 3.3: EU-koordinierte MonitoringProgramme zur Abschätzung der Exposition
der Konsumenten zu Pflanzenschutzmittelrückständen ....................................................132
Tab. 3.4: Nationale Monitoring-Programme zur Abschätzung der Exposition der
Konsumenten zu Pflanzenschutzmittelrückständen ..........................................................133
Tab. 3.5: Benzo(a)pyren bei Fleischprodukten, Analyseeckdaten ............................................136
Tab. 3.6: Gehalte an Patulin in Lebensmitteln .......................................................................138
Tab. 3.7: Patulinaufnahme in Österreich aus Apfelsaft und Traubensaft in
Abhängigkeit vom Alter. Angegeben ist der Mittelwert der Gesamtpopulation
einer Altersgruppe und der der korrespondierenden Consumer .......................................139
Tab. 3.8: Toxikologische Bewertung von Desoxynivalenol aus Mais, Hafer und
Weizen in Österreich .....................................................................................................140
Tab. 3.9: Toxikologische Bewertung von Zearalenon aus Mais und Hafer ...............................140
Tab. 3.10: Toxikologische Bewertung von T-2-Toxin aus Mais und Hafer in Österreich..............141
Tab. 3.11: Toxikologische Bewertung von HT-2-Toxin aus Mais und Hafer in Österreich............141
Tab. 3.12: Gehalte an Fumonisin B1 in Mais .........................................................................142
Tab. 3.13: Gehalte an Fumonisin B2 in Mais .........................................................................142
Tab. 3.14: Wasserverbrauch in Österreich ............................................................................144
Tab. 3.15: Wichtigste durch Trinkwasser auf den Menschen übertragbare Erreger..................146
Tab. 3.16: Mikrobiologische Parameter für nicht desinfiziertes Wasser (natives Wasser).........146
Tab. 3.17: Mikrobiologische Parameter für desinfiziertes Wasser, unmittelbar
nach Abschluss der Desinfektion ....................................................................................146
Tab. 3.18: Nitrat-, Nitrit-, und Ammoniumwerte ausgewählter Wasserwerke ...........................152
Tab. 3.19: Anzahl der Messungen von Atrazin und Desethylatrazin im
Bundesländervergleich .................................................................................................153
Tab. 3.20: Ergebnisse zur Qualitätsuntersuchung der Wiener Wasser .....................................154
Tab. 3.21: Ausmaß der Unterstützung bzw. Ablehnung für sechs Einsatzmöglichkeiten
der Gentechnik .............................................................................................................163
V
Tab. 3.23 Anzahl der Produkte und Hersteller von nährstoffangereicherten
Lebensmitteln am österreichischen Markt (1997/98)........................................................169
Tab. 3.24: Häufigkeitsverteilung der angereicherten Nährstoffe in den untersuchten
Lebensmitteln ..............................................................................................................169
Tab. 3.25: Persönliche Einstellung des befragten Kollektivs zu nährstoffangereicherten
Lebensmitteln...............................................................................................................171
Tab. 3.26: Gründe für den Kauf von nährstoffangereicherten Lebensmitteln ..........................171
Tab. 3.27: Gründe gegen den Kauf von nährstoffangereicherten Lebensmitteln ......................172
Tab. 3.28: Mittlere tägliche Vitaminaufnahme aus nährstoffangereicherten
Lebensmitteln in % der D-A-CH-Referenzwerte (Altersgruppe 25-<51 J.)..........................173
Tab. 3.29: Mittlere tägliche Aufnahme an Mineralstoffen/Spurenelementen aus
nährstoffangereicherten Lebensmitteln in % der D-A-CH-Referenzwerte
(Altersgruppe 25-<51 J.) ...............................................................................................173
Tab. 3.30: "High Consumer" (= 95. Perzentile) der Mikronährstoffaufnahme und
der Beitrag aus nährstoffangereicherten Lebensmitteln (NAL) bei
österreichischen Erwachsenen (n=1700), getrennt nach dem Geschlecht .........................174
Tab. 3:.31: Fettsäuremuster (%), P/S-Quotient, n6/n3-Quotient der untersuchten
Babynahrungsprodukte .................................................................................................178
Tab. 3.32: Zufuhr an wasserlöslichen Vitaminen (C, B1, B2, B6) mit angereicherten
und nicht angereicherten Säften für 6, 9 und 12 Monate alte Säuglinge
(in % der D-A-CH Referenzwerte) ..................................................................................181
Tab. 3.33: Kennzeichnung von "light" im Zusammenhang mit Lebensmittelqualität..................183
Tab. 3.34: Stichprobenumfang des Gesamtkollektivs (Wien, OÖ, Tirol u. Südtirol)
bzw. der Altersgruppen ................................................................................................184
Tab. 3.35 Verteilung des Gesamtkollektivs in den BMI-Gruppen bezogen auf die
verschiedenen Bundesländer, Angaben in % ...................................................................184
Tab. 3.36: Zusatzstoffaufnahme >ADI nach Stufe 2 bzw. Stufe 3 bei
High Consumern (95. Perzentile) verschiedener österreichischer Personengruppen
ab 6 Jahren..................................................................................................................192
Tab. 3.37: Charakteristik des Untersuchungskollektivs ...........................................................193
Tab. 3.38: Ausmaß der Belastung mit Zusatzstoffen bei österreichischen
Vorschulkindern (3-6 J.), Zusatzstoffaufnahme (in mg/d) >ADI nach Stufe 3 ..................193
Tab. 3.39: Tägliche Aufnahme (Stufe 3) an ausgewählten Zusatzstoffen bei
österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.) sowie die jeweiligen
Hauptaufnahmequellen aus Lebensmitteln......................................................................194
Tab. 3.40: Charakteristik des Untersuchungskollektivs und Erhebungsmethoden .....................197
Tab. 3.41: Acrylamidgehalt diverser Lebensmittel modifiziert nach ........................................198
Tab. 3.42: Expositionsabschätzung mit Acrylamid (µg/d) verschiedener
Personengruppen in Österreich ......................................................................................198
Tab. 3.43: Nitratgehalte in österreichischen Gemüsesorten ...................................................205
Tab. 3.44: Nitratgehalte (mg/kg) in Lebensmitteln ................................................................206
Tab. 3.45: Nitrataufnahme in Österreich, Mittelwerte über alle Altersgruppen
und Beitrag verschiedener Lebensmittelgruppen zur Gesamtaufnahme .............................207
Tab. 3.46: Gesamtaufnahme an Nitrat in Österreich (Gesamtbevölkerung) aus
Gemüse, Trinkwasser und Zusatzstoffen (mg/d) und Erreichung der ADIt-Werte (%) ........209
Tab. 3.47: Aufnahme an Kalium- bzw. Natriumnitrat (E 251-252, mg/d) von
österreichischen Personengruppen - Gesamtbevölkerung, ADI= 5 ....................................209
Tab. 3.48: Verteilung des untersuchten Kollektivs nach Alter und Geschlecht,
sowie mittleres Körpergewicht der Personengruppen.......................................................217
Tab. 3.49: Aufnahme an Cadmium in Österreich (Gesamtbevölkerung) und
Vergleich mit toxikologischen Grenzwerten .....................................................................217
Tab. 3.50: Erlaubte Höchstgehalte für Blei in verschiedenen Lebensmittelgruppen ..................219
Tab. 3.51: Cadmium- und Bleibelastung (µg) durch alle 15 bzw. 16 Lebensmittelgruppen........219
Tab. 4.1: Pro-Kopf-Verbrauch an Brot und Backwaren in Österreich pro Jahr...........................223
Tab. 4.2: Mittlerer täglicher Brot- und Gebäckverzehr der österreichischen
Bevölkerung (in g/d) .....................................................................................................223
VI
Tab. 4.3: Mittlerer täglicher Brot- und Gebäckverzehr der österreichischen
Bevölkerung (in g/d) .....................................................................................................223
Tab. 4.4: Brot als Lieferant von Ballaststoffen, Eisen und B-Vitaminen; Ist-Brotverzehr
und Denkmodelle (Modell A und B) ................................................................................223
Tab. 4.5: Vergleich der Nährstoffaufnahme aus angereichertem Brot und Vollkornbrot
mit der tatsächlichen durchschnittlichen Aufnahme der Österreicher
(Basis: 119 g Brot) .......................................................................................................226
Tab. 4.6: Studienkollektiv und Erhebungsmethoden ..............................................................229
Tab. 4.7: Mittlerer täglicher Obst- und Gemüseverzehr der österreichischen
Bevölkerung, getrennt nach Geschlechts- und Altersgruppen ...........................................229
Tab. 4.8: Studienkollektiv und Erhebungsmethoden ..............................................................233
Tab. 4.9: Mittlerer täglicher Verzehr von Milch und Milchprodukten der
österreichischen Bevölkerung, getrennt nach Altersgruppen.............................................233
Tab. 4.10: Calciumzufuhr (Mittelwerte) aus Milch und Milchprodukten (mg/d)
und der relative Anteil (%) an der Gesamtcalciumaufnahme............................................234
Tab. 4.11: Biologische Wertigkeit einiger ausgewählter Proteinmischungen ............................235
Tab. 4.12: Mittlere tägliche Fettaufnahme über Milch und Milchprodukte sowie
der relative Anteil am Richtwert für die Fettzufuhr einer Durchschnittsperson ...................235
Tab. 4.13: Mittlerer täglicher Pro-Kopf-Verbrauch sowie der daraus geschätzte
Pro-Kopf-Verzehr von Fleisch in Österreich......................................................................238
Tab. 4.14: Studienkollektiv und Erhebungsmethoden.............................................................238
Tab. 4.15: Mittlerer täglicher Verzehr von Fleisch und Fleischprodukten der
österreichischen Bevölkerung, getrennt nach Altersgruppen.............................................239
Tab. 4.16: Ernährungsempfehlungen der letzen Jahre zur Begrenzung der
Zuckeraufnahme ..........................................................................................................243
Tab. 4.17: Mittlerer täglicher Pro-Kopf-Verbrauch sowie der daraus geschätzte
Pro-Kopf-Verzehr in Österreich .......................................................................................244
Tab. 4.18: Anteil von Saccharose an der Gesamt-Kohlenhydratzufuhr bei
diversen österreichischen Altersgruppen.........................................................................246
Tab. 5.1: Lebenserwartung und behinderungsfreie Lebenserwartung 2001 in Österreich .........250
Tab 5.2: Lebenserwartung bei der Geburt 2001. Internationale Vergleiche .............................251
Tab. 5.3: Mortalitätsstatistik für Österreich, 2001 .................................................................252
Tab. 5.4: Mortalitätsstatistik ausgewählter Krebserkrankungen für Österreich, 2001 ................256
Tab. 5.5: Übersicht pathogenetischer Mechanismen von Homocystein ...................................262
Tab. 5.6: Demographische und klinische Basisdaten für alle Patienten und getrennt
nach Geschlecht ...........................................................................................................263
Tab. 5.7: Homocystein, Vitamine und Lipidparameter aller Patienten und
getrennt nach Geschlecht..............................................................................................264
Tab. 5.8: Korrelationen zwischen Homocystein und Alter, Kreatinin, Folat und
Vitamin B12 .................................................................................................................265
Tab. 5.9: Zufuhr energieliefernder Nährstoffe (in % der Energie) ...........................................270
Tab. 5.10: Einfluss von Lebensstilfaktoren auf das Risiko DM-2 zu entwickeln ........................273
Tab. 5.11: Komponenten eines therapeutischen Trainings für Typ-2-Diabetiker........................279
Tab. 6.1: Aufgabenfelder des Fonds Gesundes Österreich......................................................283
Tab. 6.2: Studienkollektiv ....................................................................................................302
Tab. 6.3: Prävalenz von Übergewicht (BMI >90. Perzentile) ..................................................303
Tab. 6.4: Prävalenz von Anorexia nervosa (BMI <10. Perzentile) ...........................................304
Tab. 6.5: Prinzipielle Kriterien zur Formulierung von lebensmittelbasierten
Ernährungsempfehlungen .............................................................................................307
Tab. 6.6: Aufnahme an Lebensmitteln von Personen mit niedrigerer Fettaufnahme
(Fettaufnahme unter der 25. Perzentile) und mit höherer Fettaufnahme
(Fettaufnahme über der 75. Perzentile) ..........................................................................310
Tab. 6.7: Tips und Tricks zur Umsetzung von 5 am Tag Obst und Gemüse ..............................313
VII
Tab. 7.1: Korrekturfaktoren für die Abschätzung des Nahrungsverzehrs aus
Verbrauchsdaten der Ernährungs- bzw. Versorgungsbilanzen ...........................................316
Tab. 7.2: Verbrauch an Gemüsesorten in Österreich 1993/94 (letzte Angaben
vor EU-Beitritt) und 1996/97 (aktuellste Verbrauchsdaten nach EU-Beitritt)
und 2000/01 ................................................................................................................319
Tab. 7.3: Verbrauch an Obstsorten in Österreich 1993/94 (letzten Angaben
vor EU-Beitritt) und 1996/97 - 2000/01 (aktuelle Verbrauchsdaten nach EU-Beitritt) ........320
Tab. 7.4: Konsumerhebung 1999/2000: Durchschnittlicher monatlicher Verbrauch
zuhause konsumierter Lebensmittel und Getränke .........................................................327
Tab. 8.1: Ausgewählte Problemfelder der Ernährung bei verschiedenen Personengruppen in Österreich, getrennt nach Geschlecht (mittlere tägliche Zufuhr ................................................340
VIII
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1.1: Veränderung im Verbrauch einzelner Lebensmittelgruppen nach dem
EU-Beitritt (Beobachtungszeitraum 1994/95 bis 2001) ........................................................4
Abb. 2.1: BMI-Bewertung bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.)....................................12
Abb. 2.2: BMI-Bewertung bei niederösterreichischen Volksschulkindern (7-10 J.) ......................13
Abb. 2.3: BMI-Bewertung bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) ........................................13
Abb. 2.4: BMI-Bewertung bei österreichischen Erwachsenen ...................................................14
Abb. 2.5: BMI-Bewertung bei Freizeitsportlern........................................................................15
Abb. 2.6: BMI-Bewertung bei Wiener Senioren .......................................................................16
Abb. 2.7 Anteil der Hauptenergielieferanten an der Gesamtenergiezufuhr
bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.) ....................................................................19
Abb. 2.8: Wünschenswerte Höhe der Fettsäurezufuhr und die tatsächliche
Zufuhr bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.) .........................................................20
Abb. 2.9: Abweichung (in %) der mittleren täglichen Vitaminzufuhr von den
D-A-CH-Referenzwerten bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.) ...............................24
Abb. 2.10: Abweichung (in %) der mittleren täglichen Zufuhr an
Mineralstoffen bzw. Spurenelementen von den D-A-CH-Referenzwerten
bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.) ...................................................................24
Abb. 2.11: Lebensmittelpräferenzen der österreichischen Vorschulkinder (3-6 J.) ......................26
Abb. 2.12: Anteil der Hauptenergielieferanten an der Gesamtenergiezufuhr bei
österreichischen Schulkindern (7-14 J. ) ...........................................................................30
Abb. 2.13: Wünschenswerte Höhe der Fettsäurezufuhr und die tatsächliche Zufuhr
bei österreichischen Schulkindern (7-14 J.).......................................................................30
Abb. 2.14: Abweichung der mittleren täglichen Vitaminzufuhr von den
D-A-CH-Referenzwerten bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.).....................................42
Abb. 2.15: Abweichung der mittleren täglichen Zufuhr an Mineralstoffen/
Spurenelementen von den D-A-CH-Referenzwerten bei österreichischen
Lehrlingen (15-18 J.) .....................................................................................................43
Abb. 2.16: Ernährungswissen Österreichischer Lehrlinge (15-18 Jahre) ....................................43
Abb. 2.17: Wünschenswerte Höhe der Fettsäurezufuhr für Personen mit leichter
und mittelschwerer Arbeit und die tatsächliche Zufuhr bei österreichischen Erwachsenen ....49
Abb. 2.18: Anteil der Hauptenergielieferanten an der Gesamtenergiezufuhr bei
österreichischen Erwachsenen ........................................................................................50
Abb. 2.19: Abweichung der mittleren täglichen Vitaminzufuhr von den
D-A-CH-Referenzwerten bei österreichischen Erwachsenen ...............................................54
Abb. 2.20: Abweichung der mittleren täglichen Zufuhr an Mineralstoffen
und Spurenelementen von den D-A-CH-Referenzwerten bei österreichischen
Erwachsenen .................................................................................................................57
Abb. 2.21: Allgemeines Ernährungsverhalten bei österreichischen Erwachsenen,
getrennt nach Bildungsgrad und Geschlecht .....................................................................58
Abb. 2.22: Relative Abweichungen in der Energie- und Nährstoffaufnahme
einer "bewusst gemischten Kostform" zur österreichischen "Normalkost"
(= Hausmannskost) bei österreichischen Erwachsenen......................................................58
Abb. 2.23: Ernährungswissen von österreichischen Erwachsenen.............................................60
Abb. 2.24: Quellen der Ernährungsinformation von österreichischen Erwachsenen ..................62
Abb. 2.25: Trinkhäufigkeit pro Tag bei österreichischen Erwachsenen ......................................65
Abb. 2.26: Trinkhäufigkeit alkoholischer Getränke bei österreichischen Erwachsenen.................65
Abb. 2.27: Subjektive Einschätzung der täglichen Trinkmenge bei österreichischen
Erwachsenen..................................................................................................................66
Abb. 2.28: Gründe für die Getränkewahl bei österreichischen Erwachsenen ..............................68
Abb. 2.29: Anteil der Studienteilnehmer, die in Pensionistenwohnhäusern
oder im Privathaushalt leben ..........................................................................................71
Abb. 2.30: Abweichung der mittleren täglichen Vitaminzufuhr von den
D-A-CH-Referenzwerten bei Senioren, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht............76
IX
Abb. 2.31: Abweichung der mittleren täglichen Zufuhr an Mineralstoffen/
Spurenelementen von den D-A-CH-Referenzwerten bei Senioren........................................78
Abb. 2.32: Medikamentenkonsum in Bezug zum Alter und Einfluss der Anzahl
der Medikamente auf den Appetit bei Wiener Senioren in Pensionistenwohnhäusern
und im eigenen Haushalt ...............................................................................................83
Abb. 2.33: Zusammenhang zwischen subjektivem Gesundheitsempfinden und
Appetit bei Wiener Senioren im Pensionistenwohnhaus und im eigenen Haushalt................83
Abb. 2.34: Veränderungen in den Verzehrsgewohnheiten seit Eintritt in ein
Pensionistenwohnhaus ....................................................................................................84
Abb. 2.35: Abweichung der mittleren täglichen Vitaminzufuhr von den
D-A-CH-Referenzwerten bei Schwangeren in Österreich.....................................................90
Abb. 2.36: Abweichung der mittleren täglichen Zufuhr an Mineralstoffen/
Spurenelementen von den D-A-CH-Referenzwerten bei Schwangeren in Österreich .............91
Abb. 2.37: Verzehrshäufigkeit ausgewählter angereicherter Produkte .......................................94
Abb. 2.38: Supplementierung und Anzahl der eingenommenen Supplemente ...........................95
Abb. 2.39: Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln, gegliedert in
Schwangerschaftswochen und Art des Präparats...............................................................95
Abb. 2.40: Sportliche Betätigung/ Schwangerschaftsgymnastik des
Kollektivs bewertet nach dem präkonzeptionellen BMI ......................................................96
Abb. 2.41: Überblick über das Wissen eines Mehrbedarfs der angeführten
Vitamine und Mineralstoffe während der Schwangerschaft ...............................................96
Abb. 2.42: Quellen der Ernährungsinformation während der Schwangerschaft ..........................97
Abb. 2.43: Trainingsstunden pro Woche ...............................................................................109
Abb. 3.1: Organisation der Lebensmittelüberwachung in Österreich .......................................112
Abb. 3.2: Zuständigkeitsbereiche der Untersuchungslabors für amtliche Proben ......................115
Abb. 3.3: Revisionsergebnisse von Bäckereien und Konditoreien
(Hygienebeanstandungen im Vergleich zu sonstigen Beanstandungen) .............................116
Abb. 3.4: Revisionsergebnisse von Gemüse- und Obstverarbeitern
(Hygienebeanstandungen im Vergleich zu sonstigen Beanstandungen) .............................116
Abb. 3.5: Revisionsergebnisse im Bereich der Gemeinschaftsverpflegung,
Speisenproduzenten und Speisenverteiler (Hygienebeanstandungen im
Vergleich zu sonstigen Beanstandungen) ........................................................................116
Abb. 3.6: Fleisch und Fleischerzeugnisse, unterschiedliche Entwicklung des
Anteils der als "gesundheitsschädlich" beurteilten Proben von 1998-2002 .........................121
Abb. 3.7: Fisch und Fischereierzeugnisse, starker Rückgang des Anteils an
"gesundheitsschädlich" beurteilten Proben von 1998-2002...............................................121
Abb. 3:.8 Milch und Milchprodukte, Rückgang bei den als "gesundheitsschädlich"
beurteilten Proben von 1998-2002 .................................................................................122
Abb. 3.9: Eier und Eiprodukte, niedrigere Beanstandungsquote als
"gesundheitsschädlich" bzw. als "verdorben" und "sonstige Beanstandungen"
im Zeitraum 1998-2002 .................................................................................................122
Abb. 3.10: Dosis-Wirkungsbeziehung, Wirkungsschwelle .......................................................126
Abb. 3.11: NOAEL, LOAEL ...................................................................................................126
Abb. 3.12: TDI, Sicherheitsfaktoren .....................................................................................127
Abb. 3.13: Lineare Extrapolation für genotoxische Kanzerogene.............................................127
Abb. 3.14: Höchstwertberechnung .......................................................................................129
Abb. 3.15: Entwicklung der untersuchten Analyten je Probe im österreichischen
Lebensmittelmonitoring, Anzahl der untersuchten Parameter je Probe hat, den
Notwendigkeiten angepasst, stark zugenommen .............................................................133
Abb. 3.16: Entwicklung der untersuchten Probenzahlen im österreichischen
Lebensmittelmonitoring, Probenstatistik 1997 - 2002.......................................................134
Abb. 3.17: Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln........................................134
Abb. 3.18: Anteil der Proben mit "Mehrfachrückständen" in Österreich ...................................135
Abb. 3.19: Prozent-Anteil der Proben mit "Mehrfachrückständen" in Europa 2001 ...................135
Abb. 3.20: Aufnahme an Benzo(a)pyren von österreichischen Erwachsenen............................137
Abb. 3.21: Aufnahme an Benzo(a)pyren von österreichischen Kindern....................................137
X
Abb. 3.22: Anteil von Bioprodukten bei ausgewählten Warengruppen ...................................157
Abb. 3.23: Trends in der Kaufbereitschaft von gentechnisch veränderten
Lebensmitteln in Österreich ...........................................................................................164
Abb. 3.24: Gründe für die Ablehnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln,
Vergleich 1996-2002 .....................................................................................................164
Abb. 3.25: Gewünschte Zusatzinformationen bei der Kennzeichnung von gentechnisch
veränderten Lebensmitteln ............................................................................................166
Abb. 3.26: Relativer Anteil von nährstoffangereicherten Lebensmitteln für spezielle
Zielgruppen ..................................................................................................................170
Abb. 3.27: Anteil von nährstoffangereicherten Lebensmitteln in der Ernährung von
Erwachsenen in Österreich ............................................................................................171
Abb. 3.28: Kaufen Sie nährstoffangereicherte Lebensmittel? Antworten des
Gesamtkollektivs (n=1700)............................................................................................172
Abb. 3.29: Zusammensetzung der Carotinoide in verschiedenen Gruppen von
Babynahrung................................................................................................................178
Abb. 3.30: Mittlerer Gehalt an Retinol-Äquivalenten in ausgewählten
Babynahrungsprodukten ...............................................................................................178
Abb. 3.31: Mittlerer Gehalt an Tocopherol-Äquivalenten in ausgewählten
Babynahrungsprodukten ...............................................................................................179
Abb. 3.32: Häufigkeit des Vorkommens verschiedener Fettsäuren in den untersuchten
Babynahrungsprodukten ...............................................................................................179
Abb. 3.33: Vergleich der Vitamin K-Gehalte verschiedener Babynahrungsprodukte ..................180
Abb. 3.34: Häufigkeit des Vorkommens der Carotinoide in den untersuchten Babysäften .........181
Abb. 3.35: Kaufmotive für light-Produkte..............................................................................186
Abb. 3.36: Assoziationen mit dem Begriff "light" ...................................................................186
Abb. 3.37: Verzehr von "light"-Produkten mindestens 1x/Woche ............................................187
Abb. 3.38: Vergleich der Risikoabschätzung nach Stufe 2 zu Stufe 3 am Beispiel der
Nitritaufnahme bei österreichischen Personengruppen.....................................................192
Abb. 3.39: Acrylamid-Belastung (µg/kg KG/d) aus 14 relevanten Lebensmittelgruppen
bei österreichischen Personengruppen............................................................................199
Abb. 3.40: Beitrag einzelner Lebensmittelgruppen zur absoluten Acrylamid-Aufnahme
bei ausgewählten Personengruppen .............................................................................199
Abb. 3.41: Beitrag einzelner Lebensmittelgruppenzur errechneten Gesamtaufnahme
an Acrylamid am Beispiel 11-15 J. und 50-59 J. .............................................................200
Abb. 3.42: Nitrataufnahme verschiedener österreichischer Personengruppen bezogen
auf das durchschnittliche Körpergewicht und Vergleich mit dem ADI-Wert ........................210
Abb. 3.43: Unterschiedlicher Beitrag einzelner Lebensmittel zur Nitratbelastung bei
männlichen und weiblichen Personengruppen sowie bei Kindern ......................................210
Abb. 3.44: Luftschadstoffemmissionen an Blei in Österreich von 1985-1999 ...........................215
Abb. 3.45: Cadmiumaufnahme europäischer Länder (µg/Tag) ...............................................216
Abb. 3.46: Cadmium-Aufnahme verschiedener österreichischer Personengruppen
bezogen auf das durchschnittliche Körpergewicht und Vergleich mit dem
PTDI-Wert von 1 µg/kg KG/d.........................................................................................218
Abb. 3.47: Fruchtsaftkonsum und resultierender PTDI für Blei für alle untersuchten
Altersgruppen...............................................................................................................220
Abb. 3.48: Obstkonsum und resultierender PTDI .................................................................220
Abb. 4.1: Verzehrshäufigkeit von Brot und Gebäck bei Wiener Vorschulkindern (3-6 J.) ...........225
Abb. 4.2: Verzehrshäufigkeit von Frühstücksgetreideprodukten bei Wiener
Vorschulkindern (3-6 J.) ...............................................................................................225
Abb. 4.3: Beitrag von Fleisch u. Fleischprodukten zur Versorgung an ausgewählten
Mikronährstoffen in Österreich .......................................................................................239
Abb. 4.4: Verbraucherbefragung zur Fleischqualität in Österreich ...........................................240
Abb. 4.5: Gesamtbeurteilung nach dem Schulnotensystem: Sensorikprüfung
biologisch vs. konventionell ...........................................................................................240
Abb. 4.6: Vergleich der Gesamtkohlenhydrat- und der Zuckeraufnahme bei
verschiedenen Altersgruppen in Österreich .....................................................................245
XI
Abb. 4.7: Vergleich der Fett- und Saccharoseaufnahme bei Lehrlingen (15-18 J.) ....................245
Abb. 5.1: Entwicklung der Lebenserwartung in Österreich 1950-2001 ....................................250
Abb. 5.2: Todesursachen 2001 bei Männer und Frauen in Österreich......................................251
Abb. 5.3: Mortalität an Herz-Kreislauf-Erkrankungen nach Alter und
Geschlecht (in % der Gesamtmortaltität)........................................................................252
Abb. 5.4: Entwicklung der Sterblichkeit an koronaren Herzkrankheiten und
Hirngefäßerkrankungen von 1965 bis 1998 bei Männern und Frauen in Österreich ............253
Abb. 5.5: Mortalität an koronaren Herzkrankheiten (Männer) 1995-1998
ausgewählter Länder (altersstandardisierte Sterbeziffer / 100.000 Lebende) ....................254
Abb. 5.6: Mortalität an koronaren Herzkrankheiten (Frauen) 1995-1998
ausgewählter Länder (altersstandardisierte Sterbeziffer / 100.000 Lebende) ....................254
Abb. 5.7: Krebsinzidenz bei Männern von 1983-1999 in Österreich.........................................255
Abb. 5.8: Krebsinzidenz bei Frauen von 1983-1999 in Österreich ...........................................255
Abb. 5.9: Krebsmortalität Männer: 1984-2000 in Österreich...................................................257
Abb. 5.10: Krebsmortalität Frauen: 1984-2000 in Österreich..................................................257
Abb. 5.11: Epidemiologie der Adipositas in Österreich, 1999..................................................258
Abb. 5.12: Verteilung der Homocysteinspiegel in % nach Geschlecht .....................................264
Abb. 5.13: Anteil erhöhter (> 12µmol/l) Homocysteinspiegel in Abhängigkeit vom
Folatstatus ...................................................................................................................265
Abb. 5.14: Anteil erhöhter (> 12 µmol/l) Homocysteinspiegel in Abhängigkeit vom
Vitamin B12-Status........................................................................................................265
Abb. 5.15: Prävalenz von Diabetes in der erwachsenen Bevölkerung .....................................273
Abb.
Abb.
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Abb.
Abb.
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6.1: Anzahl der Anrufe pro Monat für die Jahre 2000, 2001, 2002 und 2003 ...................292
6.2: Anbieter von Ernährungsinformation im Internet ....................................................298
6.3: Berufsgruppen der Autoren von Ernährungsinformation im Internet.........................299
6.4: Qualitätsbeurteilung österreichischer Websites zum Thema Ernährung.....................300
6.5: Harnsäurewerte des Studienkollektivs....................................................................304
6.6: Ernährungkreisder Deutschen Gesellschaft für Ernährung .......................................308
6.7: Ernährungskreis aus Australien .............................................................................308
6.8: Food Plate aus Grossbritannien .............................................................................308
6.9: ”Food Guide Pyrmaid” ..........................................................................................309
6.10: Food Guide Rainbow aus Canada ........................................................................309
6.11: “5-A-Day”-Programm ..........................................................................................309
6.12: Status an fettlöslichen Nährstoffen bei hoher und bei niederiger Fettaufnahme ......310
6.13: Fettaufnahme von österrreichischen Personengruppen in Energie% ......................312
Abb.
Abb.
Abb.
Abb.
Abb.
Abb.
Abb.
Abb.
Abb.
Abb.
Abb.
Abb.
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Abb.
7.1: Verbrauch an Brotgetreide bzw. Weizen und Roggen 1947/48-2000/01 ....................316
7.2: Verbrauch an Gerste, Hafer, Mais und Reis 1947/48-2000/01...................................317
7.3: Verbrauch an Kartoffeln und Hülsenfrüchten 1947/48-2000/01 ................................317
7.4: Verbrauch an Gemüse 1947/48-2000/01 ...............................................................318
7.5: Verbrauch an Obst, Zitrusfrüchten und Fruchtsäften 1947/48-2000/01.....................320
7.6.: Verbrauch an Trinkmilch 1947/48-2000 in Litern pro Kopf und Jahr .......................321
7.7: Verbrauch an Milchprodukten 1947/48-2000 ..........................................................322
7.8: Verbrauch an Rind-, Kalb-, Schweine- und Geflügelfleisch 1947/48-2000..................322
7.9: Verbrauch an Fisch 1947/48-2000 .........................................................................323
7.10: Verbrauch an Eiern 1947/48-1999 ......................................................................324
7.11: Verbrauch an pflanzlichen Ölen 1947/48-2000/01 ................................................324
7.12: Verbrauch an Zucker und Zuckerwaren 1947/48-1996/97 .....................................325
7.13: Verbrauch an Nüssen und Kastanien, Honig und Kakao 1947/48-2000/01...............325
7.14: Verbrauch an Wein und Bier 1947/48-1999/00 bzw. 2000/01 in l/Kopf und Jahr .....326
XII
Kapitel 1. Lebensmittelverbrauch
Kapitel 1: Lebensmittelverbrauch Österreichs, ein
Überblick
Zusammenfassung
Der Lebensmittelverbrauch der österreichischen Bevölkerung entwickelt sich größtenteils in eine
wünschenswerte Richtung. Der Verbrauch von Gemüse, Obst (ausgenommen Zitrusfrüchte) und auch
Fisch ist ansteigend. Insgesamt nimmt zwar auch der Verbrauch von Brotgetreide (Weizen) zu, aber
der Verbrauch von dunklen Brotsorten (aus Roggen), die einen wünschenswert höheren Ballaststoffgehalt aufweisen, zeigt eine fallende Tendenz.
Da pflanzliche Öle wichtige Lieferanten von essentiellen Fettsäuren und fettlöslichen Vitaminen
sind, ist der steigende Verbrauch insgesamt positiv zu bewerten. Da die Gesamtfettzufuhr in Österreich zu hoch ist, sollten weniger tierische Fette (aus Fleisch und Fleischwaren, fettreichen Milchprodukten, Butter, Rahm etc.) konsumiert werden.
Ein negativer Trend zeigt sich bei Hülsenfrüchten. Der stark rückläufige Trend bei den Hülsenfrüchten ist weniger wünschenswert, da diese Lebensmittelgruppe ein hohes nutritives Potential aufweist.
Insgesamt ernährt sich "der Österreicher" nach wie vor sehr traditionsbewusst und deftig. Fleisch
und Fleischwaren sind beliebt. Beispielsweise werden in Österreich pro Kopf und Monat 5 kg Schweinefleisch verbraucht. Dagegen liegt der Fischverbrauch bei nur 450 g pro Kopf und Monat.
Die Entwicklung des Verbrauchs aller Lebensmittelgruppen seit 1950 ist im Anhang dieses Ernährungsberichts ausführlich beschrieben.
Allgemeines
Der Ernährungszustand einer Bevölkerung wird durch die Lebensmittel bzw. Nährstoffe bestimmt, die
mit der Nahrung aufgenommen werden. Die chronologische Betrachtung des Lebensmittelverbrauchs
auf nationaler Ebene liefert dazu ein erstes Bild über die Gesamtversorgung der österreichischen Bevölkerung. Diese Zahlen lassen aber keine geschlechts-, alters- oder zielgruppenspezifischen Auswertungen zu, sondern dienen allein zur Betrachtung der potentiellen Veränderungen im Warenangebot und Verzehrsverhalten. Die Datensammlung erlaubt auch keine regionalen Unterscheidungen
zwischen den österreichischen Bundesländern, ist aber für die Beurteilung und den Vergleich nationaler und auch internationaler Trends notwendig.
Den Ergebnissen zur Entwicklung des Lebensmittelverbrauchs seit 1946/47 liegen die Versorgungsbilanzen (Ernährungsbilanzen vor 1994/95) des Österreichischen Statistischen Zentralamtes zugrunde. Ferner wurden die Jahresberichte des Fachverbandes der Nahrungs- und Genussmittelindustrie als erläuternde Informationen verwendet.
Im Allgemeinen geben Ernährungs- und Versorgungsbilanzen Auskunft über Herkunft und Verbrauch von Nahrungsmitteln für ganz Österreich. Sie liefern Informationen auf der Basis von Agrarstatistiken, bei denen es sich um Verbrauchs- und nicht um Verzehrsangaben handelt. Die Angaben
umfassen ausschließlich das Angebot an Nahrungsmitteln. Das Angebot ergibt sich aus der Produktion und den Lagerbeständen und berücksichtigt Exporte und Importe.
Aktuelle Trends im Lebensmittelverbrauch
Für aktuelle Tendenzen hat die Entwicklung innerhalb der vergangenen Jahre zusätzliche Informationskraft. Seit 1995 - mit dem EU-Beitritt Österreichs - hat sich auch der Erhebungsmodus verändert. Aus diesem Grund sollen die Veränderungen seit dem EU-Beitritt (1994/95) interpretiert werden. Dazu wurden jeweils die mittleren Pro-Kopf-Verbrauchszahlen der Jahre 1994/95 mit den ak-
1
Kapitel 1. Lebensmittelverbrauch
tuellsten Verbrauchszahlen der Jahre 2000/01 verglichen. In Abb. 1 sind die Ergebnisse dieses Vergleichs dargestellt, wobei nicht die absoluten Differenzen des Verbrauchs sondern die relative Veränderung dargestellt wurde. Die Veränderungen im Verbrauch von ausgewählten Lebensmittelgruppen sollen im Folgenden kurz kommentiert werden:
Getreide und Brot
Bei Brotgetreide zeigt sich ein Anstieg im Verbrauch, obwohl der Roggenverbrauch in Summe
etwas gefallen ist. Die Verbrauchszuwächse bei Brotgetreide können vor allem auf die Anstiege bei
Weizen zurückgeführt werden. 1996/97 lag der Pro-Kopf-Verbrauch an Brotgetreide bei 63.4 kg/Jahr,
der an Weizen bei 53.1 kg/Jahr. 2000/01 stieg der Pro-Kopf-Verbrauch an Brotgetreide auf 68.3 kg/Jahr,
der an Weizen auf 57.7 kg/Jahr. Der Rückgang bei Roggen setzt den sinkenden Trend der vergangenen Jahre weiter fort. Insgesamt ist der Verbrauch zwischen 1988-93 mit 14 kg/Kopf und Jahr um
etwa ein Fünftel geringer als zwischen 1983-87, wo er noch knapp 17 kg/Kopf und Jahr betrug.
2000/01 betrug der Verbrauch nur noch 10.6 kg/Kopf und Jahr. Dies lässt auf einen weiteren Rükkgang des Verbrauchs dunkler Brotsorten schließen. Gründe für die Rückläufigkeit sind im insgesamt
veränderten Ernährungsverhalten zu suchen. Die Entwicklung ist Ausdruck der Gewohnheiten bei der
Wahl von Brot- und Backwaren, wo der Hauptteil (etwa 50% der Brotsorten) aus Weizenmehlen bzw.
Mehlmischungen mit hohem Weizenanteil besteht. Nur etwa ein Drittel der Backwaren werden aus
dunklen Mehlen mit höherem Roggenanteil zubereitet. Aus ernährungsphysiologischer Sicht ist dies
ungünstig, da Weizenmehle einen deutlich niedrigeren Ballaststoffanteil besitzen als entsprechende
Roggenmehle. Der an sich schon sehr geringe Anteil der Kohlenhydrate an der Energieaufnahme ist,
unter diesem Aspekt betrachtet, einmal mehr verbesserungswürdig.
Mit 5.3 kg Reis pro Kopf und Jahr lagen die österreichischen Verbraucher 1993/94 nach den Italienern (Italien ist der Hauptreiserzeuger der EU) an der Spitze im europäischen Vergleich. Auch seit
dem Beitritt Österreichs zur EU zeigt der Reisverbrauch einen eher konstanten Verlauf in vergleichbarer Größenordnung wie die Verbrauchsdaten davor. Die Versorgungsbilanzen zum Reisverbrauch
von 1996/97 betrugen 4.5 kg pro Kopf und Jahr und machen 2000/01 jedoch nur mehr 3.8 kg pro
Kopf und Jahr aus.
Die deutlichen Verbrauchszuwächse bei den Getreidesorten Körnermais (größter Zuwachs), Gerste und Hafer sind in erster Linie auf die Angleichung an den EU-üblichen Erhebungsmodus zurükkzuführen. Verglichen mit Brotgetreide ist die Rolle dieser Getreidesorten nach wie vor für die menschliche Ernährung von geringerer Bedeutung.
Hülsenfrüchte
Bedingt durch den überdurchschnittlich hohen Verbrauch an Hülsenfrüchten in den Jahren 1987/88
und 1990/91 (1.6 bzw. 1.7 kg/Kopf und Jahr) ist die relative Veränderung in dieser Lebensmittelgruppe in den letzten Jahren sehr hoch. 1996/97 lag der Hülsenfrüchte-Verbrauch bei 0.7 kg/Kopf
und Jahr und damit trotz veränderter Erfassungsmethodik in vergleichbarer Größenordnung wie die
Verzehrsdaten kurz vor dem Beitritt Österreichs zur EU. 2000/01 zeigt sich ein Hülsenfrüchte-Verbrauch von 0.5 kg/Kopf und Jahr. Das bedeutet, dass in Österreich bei einer durchschnittlichen Portionsgröße von etwa 75 g nur einmal in zwei Monaten Leguminosen gegessen werden.
Gemüse und Obst
Erfreulicherweise zeigen sich bei Gemüse Zuwächse, nämlich von etwa 85.8 kg/Kopf und Jahr
seit dem EU-Beitritt auf 100.5 kg/Kopf und Jahr (2001). Im internationalen Vergleich gehört Österreich trotzdem noch zu den Ländern mit mäßigem Gemüseverbrauch. Gemüse ist ernährungsphysiologisch als Quelle für Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe besonders wertvoll. Es weist einen bedeutenden Nährstoffgehalt bei gleichzeitig niedrigem Energiewert auf, woraus sich eine sehr günstige
Nährstoffdichte ergibt. Der Gehalt einzelner Nährstoffe ist bei der großen Vielfalt der heimischen Gemüse sehr unterschiedlich. An dieser Stelle soll lediglich beispielhaft auf den Nährstoffgehalt ausgewählter Sorten hingewiesen werden: "grüne" Blattgemüse (Feldsalat, Mangold, Spinat) sind wichtige
Quellen für Folsäure und außerdem gemeinsam mit den "rot-gelben" Gemüsesorten (Tomaten, Karotten, Kürbis) reich an ß-Carotin (Provitamin A); Paprika und sämtliche Kohlarten sind gute Vitamin
C-, Feldsalat, Schwarzwurzel und Porree sind wertvolle Vitamin B1-Quellen. Eine weitere Steigerung
2
Kapitel 1. Lebensmittelverbrauch
des Gemüseverzehrs in Österreich auf mehr als 250 g Gemüse pro Tag und eine stärkere Einbeziehung von Gemüse als Hauptgerichte in den Speiseplan ist erstrebenswert.
Bei Obst sind ähnliche Tendenzen vorhanden, wenn auch die Zuwächse weniger deutlich als
bei Gemüse ausfallen. 1996/97 lag der Pro-Kopf-Verbrauch von Frischobst (inkl. Zitrusfrüchte) bei
84.6 kg/Jahr und 2000/01 bei 92.8 kg/Jahr. Den Hauptanteil machen Äpfel, Bananen, Birnen und
Orangen aus. Erwähnenswert ist außerdem, dass nicht nur bei Zitrus- und Südfrüchten sondern
auch bei Tafeltrauben ausschließlich importierte Waren verbraucht werden. Obst leistet einen wichtigen Beitrag zur Versorgung mit zahlreichen Nährstoffen, wobei vor allem die Versorgung mit Vitamin C (hier sind in erster Linie bestimmte Apfelsorten, Erdbeeren und schwarze Johannisbeeren
hervorzuheben), ß-Carotin (vor allem die rot-orange gefärbten Sorten) und Kalium zu nennen ist.
Nicht zuletzt tragen Gemüse und Obst auch maßgeblich zur Ballaststoffversorgung bei.
Milch und Milchprodukte
Von den Milchprodukten hat sich der Verbrauch an Käse in den letzten Jahren am deutlichsten
verändert. Bezogen auf den Vergleichszeitraum 1994/95 mit durchschnittlich 14.1 kg/Kopf und Jahr
ist der Verbrauch im Jahr 2000 mit 17.3 kg/Kopf und Jahr um rund ein Fünftel gestiegen. Jedoch
ist der Verbrauch an Milch erneut gesunken. Durch eine Umstellung der statistischen Erfassung für
Milch und Milchprodukte ab 1994/95 mit dem EU Beitritt ist ein effektiver Vergleich der Verbrauchsdaten nur schwer möglich. Jedenfalls lag der Verbrauch an Kuhmilch 1993/94 bei 102.9
l/Kopf und Jahr. Die aktuellsten Verbrauchszahlen nach dem EU-Beitritt stammen aus den Versorgungsbilanzen von 2000. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Trinkmilch (Rohmilch und Konsummilch) betrug damals 92.9 l/Kopf und Jahr und ist im Vergleich zu 1997 wieder gesunken. Verglichen mit der
Situation vor etwa 40 Jahren ist der Verbrauch von Kuhmilch (Frischmilch) in Österreich, wie in allen westlichen Industrieländern, stark zurückgegangen. Dem steht ein höherer Verbrauch an Milchprodukten gegenüber. Daten für Joghurt, Sauermilch- und Buttermilchprodukte scheinen in
den Ernährungsbilanzen nicht gesondert auf, der tendenziell höhere Verbrauch gilt hier wahrscheinlich
ebenso wie für andere Milchprodukte.
Fleisch und Fleischprodukte
Bei Fleisch und Fleischwaren zeichnen sich vor allem Zuwächse für Geflügel ab. Der Geflügelverbrauch stieg von 15.3 kg/Kopf und Jahr (1994/95) auf 17.1 kg/Kopf und Jahr (2000/01). Auch
der Verbrauch an Schweinefleisch stieg im selben Beobachtungszeitraum von etwa 56.8 kg/Kopf
und Jahr auf 60.7 kg/Kopf und Jahr. Steigende Tendenzen im Verbrauch wurden schon vor dem Beitritt zur Europäischen Union festgestellt und halten auch nach dem Beitritt an.
Bis Mitte der 70er Jahre war auch der Verbrauch an Rindfleisch im Steigen begriffen, seit dieser Zeit nimmt er jedoch kontinuierlich ab. Die höchsten Verbrauchszahlen wurden in den 70er Jahren erreicht, das heutige Niveau entspricht etwa jenem, das Ende der 60er Jahre zu beobachten
war. Der Verbrauch an Kalbfleisch ist quantitativ von geringerer Bedeutung und seit den letzten
30 Jahren recht stabil. Seit 1995 erfolgte - wie bereits erwähnt aufgrund der Angleichung an den
EU-Erhebungsmodus - keine getrennte Erfassung des Kalbfleischverbrauchs. Der Verbrauch an Rindund Kalbfleisch lag 1994/95 bei 19.5 kg/Kopf und Jahr und ist im Vergleich zu 2000/01 mit 19.6 kg
so gut wie unverändert geblieben.
Über Auswirkungen der BSE-Fälle in Großbritannien auf den Verbrauch an Rindfleisch können
aufgrund der Veränderung im Erhebungsmodus ab 1994/95 keine Aussagen getroffen werden.
Neben den Hauptbestandteilen Fett, hochwertigem Protein und Wasser enthält Fleisch eine Reihe von Nährstoffen, die in unterschiedlichem Ausmaß zur durchschnittlichen Bedarfsdeckung beitragen (z.B. Eisen und Zink, sowie an Vitaminen der B-Gruppe). Fleisch und Wurst werden jedoch
in wesentlich höherem Umfang konsumiert, als dies aus ernährungsphysiologischen Gründen wünschenswert ist.
Fisch
Der Verbrauch an Fisch erhöhte sich in den vergangenen 10 bis 15 Jahren langsam. Ausgehend
von 4.4 kg/Kopf und Jahr zwischen 1983 und 1987; 5.0 kg/Kopf und Jahr zwischen 1994/95 erreicht der Fischverbrauch im Jahr 2000/01 5.4 kg/Kopf und Jahr. Damit hält der seit Beginn der 80er
Jahre einsetzende Trend weiter an, wenn auch zwischenzeitlich eine Stagnation festzustellen war.
Von der ernährungswissenschaftlichen Seite ist dieser Trend als sehr begrüßenswert einzustufen.
3
Kapitel 1. Lebensmittelverbrauch
Abb. 1.1:
Veränderung
im Verbrauch
einzelner Lebensmittelgruppen
nach dem
EU-Beitritt
(Beobachtungszeitraum
1994/95 bis
2001)
Gerste/Hafer/Mais
Käse
Weizen
Gemüse
Brotgetreide gesamt
Geflügel
Pflanzliche Öle
Obers/Rahm
Fisch
Schweinefleisch
Honig
Frischobst
Fruchtsäfte
Rind-/Kalbfleisch
Nüsse und Kastanien
Wein
Kartoffeln
Butter
Roggen
Zucker
Eier
Bier
Milch
Zitrusfrüchte
Reis
Hülsenfrüchte
54 %
18,5 %
18 %
15 %
15 %
10,5 %
10 %
9,5 %
7%
6%
6%
5%
4%
0,5 %
-0,3 %
-0,5 %
-2 %
-2 %
-2,5 %
-3 %
-5 %
-6 %
-17 %
-24 %
-60 %
-50 %
0%
50 %
Basis der Darstellung sind die Differenzen des mittleren Verbrauchs des Zeitraumes 1994/95
(in der Formel Wert 'B') vom mittleren Verbrauch des Beobachtungszeitraum 2000/01 (in der
Formel Wert 'A'), wobei die prozentuelle Abweichung bezogen auf den Wert 1994/95 dargestellt ist. Formel: ((A - B) / A) * 100 = % Veränderung. Ausnahmen: Der Verbrauch von Eiern
und Wein beruht auf dem Verbrauchsjahr 1999.
Auf die Bedeutung von Fisch für die menschliche Ernährung soll insbesondere in
Zusammenhang mit seiner Funktion als Lieferant der mehrfach ungesättigten n-3
Fettsäuren hingewiesen werden. Weitere bedeutende Inhaltsstoffe sind das hochwertige Eiweiß, Vitamin D und Jod. Die empfohlene Steigerung des Fischverzehrs
könnte die Versorgung an beiden letzteren Nährstoffen beachtlich verbessern. Dem
gestiegenen Fischverbrauch der letzten Jahre sollte insofern Beachtung geschenkt
werden, da diese Entwicklung durch gezielte Aufklärung der Bevölkerung weiter
ausgebaut werden könnte. Die Vorteile von Fischmahlzeiten überwiegen nach derzeitigen Kenntnissen auch gegenüber den Bedenken der Schadstoffbelastung der
Meeresfische durch Pestizide und Schwermetalle. Darüber hinaus können auch
manche heimischen Fische, die eine wesentlich geringere Schadstoffbelastung als
Meeresfische aufweisen, einen nicht unbeträchtlichen Anteil an n-3 Fettsäuren (Forellen), Vitamin D (Aal) und Jod (Zander) liefern. Die Steigerung des Fischkonsums
auf eine bis zwei Fischmahlzeiten pro Woche ist nach Abwägung der genannten
Vor- und Nachteile nach wie vor empfehlenswert. Hinsichtlich des Beitrags von
Fisch zur Versorgung mit wertvollen Inhaltsstoffen sind Fischkonserven ebenfalls
geeignet.
Pflanzenöle
Bei den pflanzlichen Ölen stagnierte der Verbrauch zu Beginn der 80er Jahre
auf einem Niveau von etwa 15.4 kg/Kopf und Jahr. Im Zeitraum zwischen 1988
und 1993 waren Steigerungen auf 17 kg/Kopf und Jahr zu beobachten. Im Zeitraum 1994/95 bis 2000/01 waren erneute Verbrauchszuwächse auf 18.7 kg/Kopf
und Jahr zu verzeichnen.
Ernährungsphysiologisch sind Pflanzenöle wichtige energieliefernde Baustoffe,
Träger und Transportmittel fettlöslicher Vitamine sowie Lieferanten der essentiellen Fettsäuren.
In Österreich ist neben der zu hohen Fettaufnahme auch die Zusammensetzung der verbrauchten Fette ungünstig. Im Rahmen der ÖSES (Österreichische
Studie zum Ernährungsstatus) durchgeführte Verzehrserhebungen zeigen, dass der
Konsum tierischer Fette (aus Fleisch und Fleischwaren, fettreichen Milchprodukten, Butter, Rahm etc.) den Anteil an Pflanzenölen, die reich an ungesättigten Fett-
4
Kapitel 1. Lebensmittelverbrauch
säuren sind, nach wie vor deutlich übersteigt. Auch würde die richtige Auswahl der Öle die Zufuhr
an Polyenfettsäuren verbessern und die Relation n-6/n-3 Fettsäuren dem empfohlenen Verhältnis
von 5:1 näher bringen (aktuell ist es 8:1). Die Änderung des Fettkonsums sollte daher quantitativ
in Richtung einer Reduktion der Gesamtfettaufnahme vor allem zu Lasten der tierischen Fette gehen, während gleichzeitig verstärkt auf qualitative Kriterien wie den Gehalt an essentiellen Fettsäuren und Vitaminen bei der Fettauswahl geachtet werden sollte.
5
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Kapitel 2: Ernährungszustand der österreichischen
Bevölkerung
Zusammenfassung
Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung:
Die 1991 begonnene Österreichische Studie zum Ernährungsstatus ÖSES (Austrian Study on Nutritional Status, ASNS) hat zum Ziel, den Ernährungszustand verschiedener Bevölkerungsgruppen in
Österreich zu erheben und zu dokumentieren. Erste umfassende Ergebnisse dazu wurden im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 veröffentlicht. Um die langfristige Entwicklung des Ernährungszustands beschreiben zu können und auch weiterhin international vergleichbare Daten liefern zu können, wurden bei verschiedenen Bevölkerungsgruppen Follow-up-Studien durchgeführt. Aktuelle Erhebungen wurden an 3-6-jährigen Vorschulkindern (erstmals bundesweit), Schulkindern, Lehrlinge
(erstmals erhoben), Erwachsenen, Breitensportlern (erstmals erhoben), Senioren (in privaten Haushalten erstmals erhoben) und Schwangeren durchgeführt.
Nahrungsenergie:
In westlichen Industriegesellschaften und somit auch in Österreich kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die überwiegende Mehrheit der Allgemeinbevölkerung ausreichend mit Nahrungsenergie versorgt ist. Die Energieaufnahmen entsprachen im Mittel bei fast allen Bevölkerungsgruppen lediglich den D-A-CH-Richtwerten für geringe körperliche Aktivität (PAL, Physical Activity Level = 1,4).
Langfristig lässt sich eine adäquate Versorgung mit Nahrungsenergie an einem im Normalbereich
liegenden Körpergewicht ablesen.
Zur Beurteilung des Körpergewichts eignet sich am besten der Body Mass Index (BMI = Körpergewicht in kg/(Körpergröße in m)2 [kg/m2]). Im Rahmen der einzelnen Teilstudien wurde aus den
Angaben der Probanden zu ihrer Körpergröße und ihrem Körpergewicht der BMI ermittelt:
¾ Bei den weiblichen Studienteilnehmern zeigte sich insgesamt häufiger ein BMI im Normbereich
als bei den männlichen.
¾ Mit zunehmendem Alter war ein Anstieg der Prävalenz von Übergewicht (BMI>25 kg/m2) und
Adipositas (BMI>30 kg/m2) feststellbar. Erst ab dem Alter von etwa 65 Jahren ergab sich eine
Umkehr dieses Trends.
¾ Der höchste Anteil an therapiebedürftigem Übergewicht (= Adipositas, BMI>30 kg/m2) wurde
mit 11% bei den männlichen Lehrlingen (15-18 J.) festgestellt.
¾ Bei 41% der männlichen Österreicher zwischen 25 und 54 Jahren wurde ein BMI>25 kg/m2 und
damit Übergewicht festgestellt.
Bei den Freizeitsportlern der selben Altersgruppe lag diese Rate bei nur 23%.
¾ Eine nicht unbedeutende Prävalenz von Untergewicht zeigte sich bei den 7-10-jährigen Mädchen
mit 9% (BMI<9. Perzentile) und bei den über 65-jährigen Frauen und Männern (BMI<24 kg/m2)
mit 18-29%. (für Kinder und Senioren werden andere BMI-Bewertungen verwendet als für Erwachsene zwischen 18-55 J.)
Fette, Fettsäuren, Cholesterin:
Fett bleibt in der Ernährung sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht ein kritischer
Nährstoff. Je nach Bevölkerungsgruppe lag der durchschnittliche Fettverzehr zwischen 35 und 40%
der Gesamtenergiezufuhr. Zwar zeigt sich im Vergleich zum Österreichischen Ernährungsbericht 1998
insgesamt eine fallende Tendenz, dennoch wird in Österreich nach wie vor zu viel Fett aufgenommen. Lediglich bei den 3-6-jährigen Vorschulkindern lag die mittlere Fettzufuhr im Bereich der D-ACH-Richtwerte. Die Art bzw. Zusammensetzung des aufgenommenen Nahrungsfettes ist für die Gesunderhaltung nicht weniger wichtig. In dieser Hinsicht muss die Zufuhr an gesättigten Fettsäuren
als zu hoch (15-20% der Energiezufuhr) und jene an mehrfach ungesättigten Fettsäuren (rund 6%
der Energiezufuhr) insgesamt als zu gering beurteilt werden.
Zu den mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Polyenfettsäuren, PFS) zählen auch die essentiellen
Fettsäuren (n-6 und n-3 Fettsäuren). Zwar kann die Versorgung an essentiellen Fettsäuren als gesichert angesehen werden (Tab. 2.0), wenngleich das Verhältnis von n-6 zu n-3 Fettsäuren von derzeit etwa 8:1 auf 5:1 abgesenkt werden sollte. Diese Empfehlung wäre leicht in die Praxis umzusetzen, wenn sowohl im Haushalt als auch in der Lebensmittelverarbeitung anstelle von n-6-fettsäure-
6
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
reichen Pflanzenölen (z.B. Sonnenblumenöl, Maiskeimöl) vermehrt n-3-fettsäurehaltige Pflanzenöle
(z.B. Rapsöl, Sojaöl) zum Einsatz kämen.
Altersgruppe LS
(g/d)
3-6 J.,
m
w
7-10 J.,
m
w
11-14 J., m
w
15-18 J.*, m
w
19-65 J., m
w
4,9
5,2
6,2
5,6
8,9
7,6
9,7
9
12,6
9,9
α-LS
(%E)1
3,3
3,4
3,4
3,5
4,2
4,1
3,4
4
4,5
4,4
(g/d)
0,8
0,7
0,8
0,7
1,2
1
1,2
1
1,5
1,3
(%E)2
0,5
0,5
0,4
0,4
0,6
0,5
0,4
0,5
0,5
0,6
AS
EPS
DHS
(g/d)
(g/d)
(g/d)
0,1
0,1
0,1
0,1
0,2
0,2
0,2
0,2
0,3
0,3
0,02
0,02
0,02
0,02
0,03
0,03
0,03
0,03
0,08
0,07
0,08
0,08
0,07
0,07
0,1
0,09
0,09
0,1
0,2
0,2
Tab. 2.0:
Mittlere tägliche
Zufuhr an Polyenfettsäuren bei
verschiedenen
Altersgruppen in
Österreich
1 DACH-Referenzwert: 2,5 E%; 2 DACH-Referenzwert: 0,5 E%
E%...Energieprozent; LS...Linolsäure; α-LS...α-Linolensäure; AS...Arachidonsäure;
EPS...Eicosapentaensäure; DHS...Docosahexaensäure; m...männlich; w...weiblich;
*Lehrlinge
Ferner lag die durchschnittliche Cholesterinzufuhr bereits ab der Altersgruppe der Schulkinder
(>12 Jahre) über dem Richtwert von 300 mg pro Tag.
Protein:
Die Proteinversorgung ist mehr als ausreichend, da die Empfehlungen seit vielen Jahren in fast
allen Altersgruppen und bei beiden Geschlechtern deutlich überschritten werden. Lediglich bei den
Höchstbetagten lag die ermittelte Eiweißaufnahme im Durchschnitt nur knapp über den Empfehlungen.
Die hohe Eiweißzufuhr entspricht dem üblichen Ernährungsmuster aller industrialisierten Länder, in denen tierische Produkte (Fleisch, Wurst, Milch- und Milchprodukte) einen großen Stellenwert haben. So stammten in den aktuellen Untersuchungen auch etwa 2/3 der zugeführten Proteine aus tierischen Quellen. Die deutliche Dominanz des tierischen Anteils kann als nachteilig bewertet werden, da die Aufnahme an Protein tierischen Ursprungs generell mit einer gleichzeitigen
Zufuhr an Fett bzw. gesättigten Fettsäuren, Cholesterin und - ausgenommen Ei- und Milchprotein
- auch an Purinen verbunden ist. Eine Erhöhung des Verzehrs pflanzlicher zu Lasten von tierischen
Produkten würde im allgemeinen eine Verbesserung der Nährstoffrelation bedeuten.
Kohlenhydrate, Ballaststoffe:
Als Folge der hohen Fett- und Eiweißaufnahme werden bei fast allen Altersgruppen durchschnittlich zu wenig Kohlenhydrate aufgenommen. Hinsichtlich der Kohlenhydratversorgung werden
vor allem stärkehaltige und ballaststoffreiche Lebensmittel, die auch essentielle Nährstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe enthalten, in zu geringem Umfang verzehrt. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass der Richtwert für die Ballaststoffzufuhr von mindestens 30 g pro Tag im Mittel nur
zu etwa zwei Drittel erreicht wird.
Alkohol:
Der Alkoholkonsum ist im Vergleich zum Österreichischen Ernährungsbericht 1998 vor allem bei
den Frauen stark angestiegen. Bei Männern zwischen 25 und 64 Jahren ergab die aktuelle Erhebung eine Alkoholaufnahme von rund 5% der Gesamtenergiezufuhr und bei den Frauen der gleichen Altersgruppe von rund 3%.
Mikronährstoffe:
Die allgemeine Aufnahme an einigen Mikronährstoffen (Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente) ist innerhalb mehrerer Bevölkerungsgruppen niedriger als empfohlen. In dieser Hinsicht und
7
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
in Bezug auf die Gesundheitsrelevanz, ist es möglich, Kategorien abnehmender Signifikanz vorzuschlagen:
¾ Versorgung ist kritisch, dringender Handlungsbedarf: Bei allen Bevölkerungsgruppen benötigen
Folsäure, Jod und Calcium spezielle Aufmerksamkeit. Außerdem ist die Vitamin D-Zufuhr über Lebensmittel beim Großteil der Bevölkerung unzureichend. Ältere Menschen mit atrophischer Gastritis (Prävalenz bis 30%) sind auch hinsichtlich der Vitamin B12-Versorgung als Risikogruppe anzusehen. Eisen ist speziell für Frauen im gebärfähigen Alter ein kritischer Nährstoff. Bei Stillenden ist zusätzlich die Vitamin A- sowie die Vitamin B6-Versorgung sorgsam zu überwachen. Nicht
zuletzt darf auch die exzessive Natriumaufnahme für gewisse Hochrisikogenotypen nicht außer
Acht gelassen werden.
¾ Versorgung mancher Personengruppen grenzwertig, mittelfristig Verbesserung anzustreben:
Personen >65 J.: Vitamin C, Vitamin E, Vitamin B1 und B2 (weibl.), Magnesium
Personen >86 J.: Zink (männl.)
Schwangere: Vitamin E, Magnesium
Lerhlinge (15-18 J.): Vitamin C (männl.), Vitamin E, Vitamin B1 und B2, Magnesium
¾ Versorgung ausreichend, keine Intervention erforderlich: Niacin, Biotin, Pantothensäure, Kalium,
Phosphor, Mangan, Kupfer
¾ Vorläufig noch nicht exakt bewertet: Vitamin K, Fluorid, Selen, Carotinoide
Lebensmittelverzehrsmengen:
Bei mehreren Bevölkerungsgruppen wurden auch die Verzehrsmengen von verschiedenen Lebensmittelgruppen erhoben. Dabei zeigte sich, dass vor allem Lebensmittel mit hoher Nährstoffdichte in viel zu geringem Umfang konsumiert wurden (z.B. Gemüse, Brot und Getreideflocken, Milch und
Milchprodukte, etc.). Insgesamt kommt der Verzehr von pflanzlichen Lebensmitteln oft zu kurz. Im
Gegensatz dazu zeigte sich bei allen Altersgruppen ein hoher Verzehr an Fleisch und Wurst, wobei
Männer viel häufiger zu dieser Lebensmittelgruppe greifen. Die dargestellte Nährstoffversorgung ließe sich allgemein weiter optimieren, wenn sich die Lebensmittelauswahl noch mehr an den präventiven Empfehlungen orientieren würde: Gemüse und Obst sollten nicht nur täglich, sondern besser
mehrmals täglich auf dem Speiseplan stehen. Milch und Milchprodukte, bevorzugt fettarme Produkte, sollten täglich verzehrt werden und 1 bis 2mal wöchentlich sollte ein Fischgericht auf den Tisch
kommen. Vollkornprodukte sollten soweit machbar Weißmehlprodukte ersetzen. Dagegen kann der
Konsum von Fleisch und Wurst durchaus auf 2 bis 3mal pro Woche reduziert werden. Diese Empfehlungen gelten besonders für Männer, deren Verzehrsgewohnheiten sich insgesamt ungünstiger
darstellen als jene der Frauen.
Der Richtwert für eine wünschenswerte Getränkezufuhr aus nicht-koffeinhaltigen und nicht-alkoholischen Getränken (1000-1500 ml/d) wurde von den österreichischen Erwachsenen im Mittel erreicht.
8
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
2.1 Allgemeine Einführung
Bereits 1991 hat das Institut für Ernährungswissenschaften damit begonnen, den Ernährungsstatus von verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Österreich zu dokumentieren. Der Ernährungsstatus beschreibt mittels empirischer und laborchemischer Methoden die jeweilige Versorgungslage
mit Nahrungsenergie und einzelnen Nährstoffen. Sämtliche zu diesem Thema durchgeführten Teilstudien werden unter dem Begriff ÖSES – Österreichische Studie zum Ernährungsstatus (= ASNS,
Austrian Study on Nutritional Status) – zsammengefasst. Die ersten Ergebnisse dazu wurden im 1.
Wiener Ernährungsbericht [Elmadfa et al., 1994] sowie im Österreichischen Ernährungsbericht 1998
[Elmadfa et al., 1998] veröffentlicht. Um international weiterhin vergleichbare Daten liefern zu können und um die Entwicklung der Nährstoffversorgung aller Personengruppen unter Berücksichtigung
des aktuellen Lebensmittelangebots beschreiben zu können, wurden zahlreiche Follow-up-Studien bei
verschiedenen Bevölkerungsgruppen durchgeführt. Die Ergebnisse sollen in diesem Ernährungsbericht dargestellt werden.
Eine der Grundsatzfragen in der Interpretation von Nährstoffaufnahmen ist, wie groß der Anteil
jener Individuen in einer Bevölkerungsgruppe ist, deren Aufnahme an einem bestimmten Nährstoff
unter dem Bedarf für diesen Nährstoff liegt. Dadurch sollte es möglich sein, etwaige "Risikonährstoffe", also Nährstoffe mit einer hohen Prävalenz einer unzureichenden Zufuhr, zu identifizieren. Dass
diese Frage nicht einfach zu beantworten ist, liegt auf der Hand. Einzelne Personen einer Bevölkerungsgruppe unterscheiden sich sowohl hinsichtlich der Nährstoffzufuhr als auch im diesbezüglichen
Nährstoffbedarf. Dabei gilt für den Großteil der Nährstoffe, dass die Aufnahmemengen einer größeren Streuung unterliegen als der Bedarf [IOM, 2000]. Als Konsequenz muss die durchschnittliche
Nährstoffzufuhr einer Gruppe die korrespondierende Empfehlung großzügig übertreffen, um bei möglichst allen Individuen des betrachteten Kollektivs eine dem Bedarf entsprechende Nährstoffaufnahme zu gewährleisten. Liegen alle Individuen eines Kollektivs in ihrer Nährstoffaufnahme oberhalb der
empfohlenen Zufuhr für diesen Nährstoff, ist eine Unterversorgung sehr unwahrscheinlich. Je weiter
jedoch die mittlere Aufnahme an einem Nährstoff innerhalb des untersuchten Kollektivs unterhalb
des Referenzwerts liegt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei Einzelpersonen eine mangelnde Versorgung vorliegt. Der tatsächliche Versorgungszustand einzelner Personen muss jedoch
mit anderen Methoden überprüft werden. Wiederholte Verzehrserhebungen mit Wiegeprotokollen und
laborchemische Untersuchungen ermöglichen letztendlich eine viel genauere Definition von Risikogruppen. Außerdem sind die wissenschaftlichen Kenntnisse über den Bedarf des Menschen noch nicht
für jeden Nährstoff ausreichend, um eindeutige Empfehlungen (= Recommended Dietary Allowance,
RDA) auszusprechen. In diesen Fällen wurden Schätzwerte für eine angemessene und gesundheitlich unbedenkliche Zufuhr festgesetzt [DACH, 2000].
Die Interpretation von Verzehrsdaten anhand von Schätzwerten ist somit noch schwieriger. Grundsätzlich wird ein Schätzwert (= Adequate Intake, AI) für die angemessene Zufuhr eines Nährstoffs
dann festgelegt, wenn der Bedarf noch nicht mit der wünschenswerten Genauigkeit bestimmt werden kann. Die Werte sind experimentell gestützt und meist aus dem Verzehr gesunder, adäquat ernährter Personengruppen abgeleitet. Liegt nun die mittlere Zufuhr eines Nährstoffs über dem entsprechenden Schätzwert, kann für das betrachtete Kollektiv ein geringes Risiko einer Unterversorgung erwartet werden. Liegt sie jedoch unter diesem Schätzwert, so sind keinerlei Aussagen über
die Versorgungslage möglich [IOM, 2000].
Die in den Tabellen angeführten D-A-CH-Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr sind als Orientierungshilfe für die Beurteilung der Nährstoffaufnahme gedacht. Sie geben weder den durchschnittlichen individuellen Nährstoffbedarf noch den Mindestbedarf eines Nährstoffs an. An dieser Stelle soll
auch auf die Problematik von nutritiven Referenzwerten bei Kindern und Jugendlichen hingewiesen
werden. Die entsprechenden Zahlenwerte sind oft von Erwachsenenkollektiven abgeleitet worden und
aus diesem Grund nicht immer auf die Altersgruppen der Kinder und Jugendlichen anwendbar. Dennoch sind sie als Orientierungspunkte unersetzlich.
Um den Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung zu beschreiben, wurden die in Tab.
2.1 dargestellten Erhebungen durchgeführt.
9
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Tab. 2.1:
Übersicht zu
den durchgeführten Erhebungen zur
Beurteilung
des Ernährungszustands der
österreichischen Bevölkerung
Personengruppen
BMI
Vorschulkinder (3-6 n=441
J.)
Nahrungszufuhr
ErnähErnähErnährungswis- rungsver- rungssen
halten
status
3-d-Wiegeprotokoll
n=151
FFQ
n=346
Volksschulkinder (7- n=11661 7-d-Wiegepro- n=1171
9 J.)
tokoll
n=423
FFQ
n=1171
Mittelschulkinder
(10-14 J.)
7-d-Wiegeprotokoll
n=313
FFQ
n=549
Lehrlinge
(15-18 J.)
n=100
3-d-Wiegepro- n=151
tokoll
n=110
FFQ
n=151
Erwachsene
(19->65 J.)
n=2059
24-h-Recall
n=2581
FFQ
n=887
Senioren
(55->84 J.)2
n=627
24-h-Recall
n=643
Schwangere
n=240
24-h-Recall
n=262
n=260
3-d-Wiegeprotokoll
n=39
n=198
24-h-Recall
n=198
Stillende3
Breitensportler4
(19-65 J.)
Trinkverhalten
n=887
FFQ
n=444
24-hRecall,
FFQ
n=826
n=226
leere Felder bedeuten, dass die entsprechenden Daten nicht erhoben wurden; 1 Niederösterreichisches Kollektiv; 2 Wiener Kollektiv; 3 Neubeurteilung der Daten aus dem Ernährungsbericht 1998, Wiener Kollektiv; 4 Ostösterreichisches Kollektiv, FFQ...Food Frequency Questionnaire
2.2 Body Mass Index (BMI) verschiedener Personengruppen
Zusammenfassung
Bei der Beurteilung des Körpergewichts zeigte sich bei Männern häufiger ein
über der Norm liegender Body Mass Index (BMI) als bei Frauen. Mit zunehmendem
Alter konnte ein Ansteigen der Prävalenz von Übergewicht und Adipositas festgestellt werden. Eine Umkehr dieses Trends ergab sich in etwa ab dem Alter von 65
Jahren. Der höchste Anteil an therapiebedürftigem Übergewicht (BMI >30 kg/m2)
wurde mit 11% bei den männlichen Lehrlingen (15-18 J.) festgestellt. Über einem
BMI von 25 kg/m2 lagen insgesamt 24% dieser Personengruppe. Bei 41% des männlichen Kollektivs zwischen 20 und 54 Jahren wurde ein BMI über 25 kg/m2 und damit Übergewicht festgestellt. Im Vergleich dazu wiesen nur rund 23% der Freizeitsportler derselben Altersgruppe einen BMI über 25 kg/m2 auf.
Eine nicht unbedeutende Prävalenz von Untergewicht zeigte sich bei den über
65-jährigen Frauen und Männern.
Allgemeines
Anhand anthropometrischer Messungen ist es möglich, Angaben über langfristige Wirkungen der Ernährung und somit auch über den Ernährungszustand zu
10
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
machen. So stellen das Körpergewicht und die Körpergröße unter anderem die Grundlage der Klassifizierung von Unter-, Normal- und Übergewicht dar.
Bekanntlich gibt es zahlreiche Indizes (z.B. Nomogramme, BROCA-Index), um die Relation von
Körpergewicht und Körpergröße zueinander zu bestimmen, jedoch hat sich der BMI [BMI = Körpergewicht/ Körperhöhe2 (kg/m2)] über alle Altersstufen hinweg als bester Index erwiesen. Der BMI berücksichtigt die unterschiedlichen Körperlängen besser und es besteht ein engerer Zusammenhang
mit der Körperfettmasse [Schneider, 1997]. Letzteres ist besonders wichtig, da nur von einem hohen
Körperfettgehalt ein erhöhtes Gesundheitsrisiko ausgeht.
Seine Anwendung für die Bewertung von Übergewicht und Adipositas wird somit auch bei Kindern und Jugendlichen empfohlen [Kromeyer-Hauschild et al., 2001]. Jedoch eignet sich der BMI
nicht, um das Körpergewicht von Personen mit besonders ausgeprägter Muskulatur (z.B. Kraftsportler) oder von Schwangeren zu beurteilen.
Im Rahmen der Aktualisierung der Daten zum Ernährungsstatus von ausgewählten Bevölkerungsgruppen in Österreich (ÖSES), wurde zusätzlich auch der Body Mass Index ermittelt. Dieser beruht auf den eigenen Angaben der Probanden zum Körpergewicht bzw. zur Körpergröße. Bei den Vorschulkindern wurden die Körpermaße mittels geeichter Waage und Maßband bestimmt. Die Ergebnisse aus den Selbstangaben sind zwar nicht so exakt wie Messungen mit Waage und Maßband, aber
sie sind dennoch geeignet, einen Eindruck über die Versorgung mit Nahrungsenergie in Österreich
zu liefern.
2.2.1 BMI von Vorschulkindern
In der Altersgruppe der 3-6-jährigen Vorschulkinder (n=441) konnten anthropometrische Messungen (Körpergewicht und Körpergröße) durchgeführt werden. Aus den ermittelten Messwerten wurde der BMI errechnet.
Anders als bei Erwachsenen können bei Kindern und Jugendlichen im Wachstum keine festen
Klassifikationsgrenzen für die Beurteilung des Körpergewichts angesetzt werden, was die Interpretation der BMI-Werte erschwert. Es ist daher notwendig, entsprechende Referenzwerte zur Verfügung zu haben. Dazu wurden bis dato für Länder, in denen keine national repräsentativen Daten zur
Verfügung standen, die BMI-Normtabellen von Rolland-Cachera et al. [1982; 1991] herangezogen.
Vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien wurden ebenfalls solche Standards für Kinder und Jugendliche erstellt [Zarfl und Elmadfa, 1995]. Im Rahmen der ÖSES (Österreichische Studie zum Ernährungsstatus) wurden dabei an 5145 Kindern und Jugendlichen in ganz
Österreich anthropometrische Daten (Gewicht, Größe, Körperzusammensetzung) erhoben. Als Grenze zum Übergewicht wurde die Verwendung der 85. Perzentile vorgeschlagen, welche eine relativ gute Übereinstimmung mit den etablierten Bewertungen auf der Basis von alters- und größenspezifischen Gewichtsreferenzen ergab.
Mittlerweile sind von der Arbeitsgemeinschaft "Adipositas im Kindes- und Jugendalter" (AGA) BMIReferenzwerte für deutsche Kinder und Jugendliche erarbeitet worden. Gemeinsam mit der European Childhood Obesity Group (ECOG) wird empfohlen, diese BMI-Perzentilen zumindest in Mitteleuropa zur Definition von Übergewicht und Adipositas heranzuziehen. Laut diesen Empfehlungen wird die
90. Perzentile (90. P.) als Grenze für die Definition von Übergewicht und die 97. Perzentile als Grenzwert für die Definition von Adipositas verwendet. Von einem klinisch relevanten Untergewicht spricht
man bei einem BMI unterhalb der 3. Perzentile und der Normalbereich liegt zwischen der 10. und der
90. BMI-Perzentile [Kromeyer-Hauschild et al., 2001].
Aufgrund der genannten Normwerte ergab sich die in Abb. 2.1 dargestellte BMI-Klassifikation für
3-6-jährige Mädchen (n=227) und Buben (n=214) in Österreich. Demnach waren 10% des untersuchten Kollektivs als übergewichtig (>90. P.) und darüber hinaus noch 5% als stark übergewichtig
(adipös) einzustufen, d.h. 15% der Vorschulkinder wiesen ein Körpergewicht oberhalb der empfohlenen Grenzen auf.
Wachstum ist ein dynamischer und komplexer Prozess, der einerseits von genetischen Voraussetzungen, andererseits von der Umwelt, z.B. Ernährung, beeinflusst wird [Wachtl, 1994]. Da Übergewicht als Gesundheitsrisiko eingeschätzt wird, ist eine Vorbeugung schon im Kindesalter wichtig.
2.2.2 BMI von Schulkindern
Für die Personengruppe der Schulkinder (7-14 J.) liegen keine aktuellen für Gesamtösterreich repräsentativen, verwertbaren Daten zu Körpergröße und Körpergewicht vor. Im Rahmen der Untersuchung "Ernährungsphysiologische Beurteilung der Schuljausen an gesundheitsfördernden Volks-
11
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
schulen in Niederösterreich" [Gschaider, 2002] war jedoch die Ermittlung der BMIIndizes und die daraus resultierende Körpergewichtsbeurteilung der Probanden ein
Teilaspekt. Im Sommersemester des Schuljahres 1998/99 wurden in ganz Niederösterreich 1737 Fragebögen an Volksschulkinder der 2.-4. Klassen (7-10 Jahre) verteilt, von denen 1166 Fragebögen (67%) ausgewertet werden konnten. Diese Erhebung erfolgte mittels anonymer Selbstausfüller-Fragebögen im Rahmen des Projekts "Bewegte Klasse" des Gesundheitsforums Niederösterreichs.
Die Bewertung des Körpergewichts basiert wie bei den Vorschulkindern auf
den Perzentilen der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter
(AGA). Daraus ergab sich die in Abb. 2.2 dargestellte Gewichtsverteilung. Demnach waren insgesamt rund 16% der Buben bzw. 14% der Mädchen als übergewichtig (>90. P.) zu beurteilen. Nicht unbedeutend scheint die Prävalenz von Untergewicht bei den Volksschulkindern zu sein. 9% des befragten Kollektivs lagen unter der 9. Perzentile. Der BMI ist jedoch als Indikator für Untergewicht nicht so
gut geeignet wie für Übergewicht, da zwischen dem BMI und dem Körperfett ein
besserer Zusammenhang besteht [Zarfl und Elmadfa, 1995]. Wie bereits erwähnt,
wurden vor etwa 10 Jahren anthropometrische Messungen an 5145 Kindern und
Jugendlichen zwischen 5 und 18 Jahren durchgeführt. Dabei wurden österreichische BMI-Perzentilen erstellt und der Prozentsatz der Kinder und Jugendlichen in
den Jahrgängen ermittelt, deren BMI-Werte über den jeweiligen Perzentilen lagen
[Zarfl und Elmadfa, 1995].
Damals lagen durchschnittlich 15% der Mädchen und 11% der Buben in der
Altersgruppe von 7-10 Jahren über der 90. Perzentile. Nach diesem Vergleich wäre es bei den Buben zu einer starken Zunahme der Übergewichtigen gekommen
und bei den Mädchen wäre der Anteil an Übergewichtigen gleich geblieben bzw.
leicht zurückgegangen.
An dieser Stelle soll nochmals angemerkt werden, dass die Ergebnisse der aktuellen Erhebung auf eigenen Angaben der Kinder beruhen und lediglich im Raum
Niederösterreich durchgeführt wurden. Verzerrungen können in diesem Fall nicht
ausgeschlossen werden.
2.2.3 BMI von Lehrlingen
Aus den Angaben einer Stichprobe von Lehrlingen (n=100) zum eigenen Körpergewicht und Körpergröße konnte der BMI dieser Personengruppe (15-18 J.) errechnet werden. Die Bewertung des Körpergewichts basiert wie bei den Vorschulkindern und Schülern auf den Perzentilen der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im
90
79
80
80
< 9. Perzentile
10-90. Perzentile
> 90. Perzentile
> 97. Perzentile
70
60
Abb. 2.1:
BMI-Bewertung bei
österreichischen Vorschulkindern
(3-6 J.),
getrennt
nach Geschlecht (Angaben in %)
%
50
40
Untergewicht
Normalgewicht
Übergewicht
Adipositas
30
20
10
5
10
7
10
6
3
0
UG
NG
Buben 3-6 J.
ÜG
Mädchen 3-6 J.
UG...Untergewicht; NG...Normalgewicht; ÜG...Übergewicht
12
Adipositas
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
90
75
80
77
70
< 9. Perzentile
10-90. Perzentile
> 90. Perzentile
> 97. Perzentile
60
50
% 40
Untergewicht
Normalgewicht
Übergewicht
Adipositas
30
20
10
9
11
9
10
5
4
0
UG
NG
Buben 7-10 J.
ÜG
Adipositas
Abb. 2.2:
BMI-Bewertung bei
niederösterreichischen
Volksschulkindern (710 J.),
getrennt
nach Geschlecht (Angaben in %)
Mädchen 7-10 J.
UG...Untergewicht; NG...Normalgewicht; ÜG...Übergewicht
Kindes- und Jugendalter (AGA). Daraus resultierte die in Abb. 2.3 dargestellte Gewichtsverteilung.
Der Anteil der übergewichtigen und adipösen Mädchen war mit 10% gegenüber dem der männlichen Lehrlinge (24%) wesentlich geringer. Diese Daten müssen allerdings nicht unbedingt bedeuten, dass bei männlichen Jugendlichen generell der Anteil der Übergewichtigen und Adipösen höher liegt. Dieses Ergebnis könnte auch darauf zurückzuführen sein, dass übergewichtige Mädchen gerade in diesem Alter sich oft sehr für ihr Äußeres schämen und daher erst gar nicht an der
Studie teilgenommen haben.
Der Anteil der Jugendlichen, die als untergewichtig einzustufen sind, lag bei
5%. Dabei ist das Verhältnis zwischen den Geschlechtern ähnlich. Auf die Frage
nach der Zufriedenheit mit dem eigenen Körpergewicht zeigte sich ein geschlechtsspezifisch höchst signifikanter Unterschied (p < 0,001). 30% der männlichen Lehrlinge machten sich darüber keine Gedanken bzw. 20% waren mit ihrem
Körpergewicht zufrieden. 50% der weiblichen Studienteilnehmer fanden sich zwar
nicht dick, wollten aber trotzdem gerne abnehmen.
Im Vergleich mit der bereits im Kapitel der Schulkinder zitierten Studie [Zarfl
und Elmadfa, 1995] zeigen sich vor allem im männlichen Kollektiv der 15-18-Jährigen auffallend große Unterschiede. Damals lagen durchschnittlich nur 10% der
männlichen 15-18-Jährigen über der 90. BMI-Perzentile, wobei es in der aktuellen
Lehrlingsstudie 24% waren. Bei den weiblichen Jugendlichen (15-18 J.) waren es
damals rund 7% und aktuell 10%.
Es darf bei diesem Vergleich allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass
das Kollektiv der Lehrlinge einem anderen soziokulturellen Hintergrund zuzuord-
84
90
80
72
70
< 9. Perzentile
10-90. Perzentile
> 90. Perzentile
> 97. Perzentile
60
50
% 40
Untergewicht
Normalgewicht
Übergewicht
Adipositas
30
20
10
13
4
6
11
6
4
0
UG
NG
männlich
ÜG
Adipositas
weiblich
UG...Untergewicht; NG...Normalgewicht; ÜG...Übergewicht
13
Abb. 2.3:
BMI-Bewertung bei
österreichischen Lehrlingen (1518 J.), getrennt nach
Geschlecht
(Angaben in
%)
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
nen ist und die errechneten BMI-Werte auf eigenen Angaben zu Körpergewicht
und Körpergröße der Probanden beruhen.
2.2.4 BMI von Erwachsenen
In der aktuellen Follow-up-Studie über den Ernährungszustand von Erwachsenen in Österreich wurde auch das Körpergewicht und die Körpergröße erfragt (n
= 2059). Dazu soll angemerkt werden, dass Selbstangaben oftmals von entsprechenden Messungen abweichen. So wird von älteren Menschen häufig ihre Körpergröße überschätzt, Untergewichtige überschätzen, Übergewichtige dagegen
unterschätzen ihr Körpergewicht eher [Schneider, 1997]. Es ist daher davon auszugehen, dass mit den untenstehenden Angaben (Abb. 2.4) die Häufigkeit von
Übergewicht in Österreich eher unterschätzt wird.
Demnach war ein gravierend größerer Anteil der Männer als übergewichtig einzustufen als Frauen. Umgekehrt war das Verhältnis bei den Untergewichtigen. Starkes Übergewicht (BMI>30) war bei beiden Geschlechtern gleich häufig festzustellen.
In der Untersuchung wurde außerdem festgestellt, dass Frauen weitaus häufiger mit ihrem Körpergewicht unzufrieden waren als Männer. Die Unzufriedenheit
mit dem eigenen Körpergewicht stieg mit dem Lebensalter an. In der Altersklasse
der 20-29-Jährigen waren es nur 13% Frauen, die sich selbst als zu dick bezeichneten. Diese Zahl nahm stetig zu und war bei Frauen ab 60 Jahren am höchsten
(37,5%). Prinzipiell waren nur 38% der Frauen, aber immerhin 43% der Männer
mit ihrem derzeitigen Körpergewicht zufrieden. Die Unzufriedenheit drückte sich
aus, indem sich 3% der Männer (2% der Frauen) zu dünn, aber 18% bzw. 25%
zu dick fühlten und 24% der Österreicher bzw. 31% der Österreicherinnen sich als
nicht zu dick klassifizierten, aber trotzdem Gewicht verlieren wollten. In diesem
Zusammenhang sollte auch erwähnt werden, dass signifikant mehr Frauen (5,6%)
angaben, zu Laxantien zu greifen als Männern (1,2%). Alter, Bildungsgrad und BMI
hatten hier keinen merklichen Einfluss.
Im Vergleich zu den im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 dargestellten Ergebnissen, hat sich der Anteil an stark Übergewichtigen (6% bei den Männern sowie 5% bei den Frauen) kaum geändert. Gleichgeblieben ist auch der Anteil der übergewichtigen Männer. Allerdings ist unter den österreichischen Frauen
der Anteil der Übergewichtigen in den letzten Jahren von 16% auf 20% angestiegen.
2.2.5 BMI von Freizeitsportlern
Aufgrund der Angaben der befragten Sporttreibenden zu Körpergewicht und
Körpergröße konnte der BMI ermittelt werden. Die Ergebnisse sind in Abb. 2.5 dargestellt. Die Unterschiede im BMI der Sportler einzelner Sportkategorien waren lediglich geringfügig.
2
66
70
kg/m
Untergewicht
Normalgewicht
Übergewicht
Adipositas
55
60
50
Abb. 2.4:
BMI-Bewertung bei
österreichischen Erwachsenen,
getrennt
nach Geschlecht (Angaben in %)
%
35
40
30
20
20
10
4
8
6
6
0
UG
NG
ÜG
männlich
Adipositas
weiblich
UG...Untergewicht; NG...Normalgewicht; ÜG...Übergewicht
14
Männer
<20
20-25
25-30
>30
Frauen
<19
19-24
24-30
>30
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
75
80
2
kg/m
Untergewicht
Normalgewicht
Übergewicht
Adipositas
71
70
60
50
Männer
<20
20-25
25-30
>30
Frauen
<19
19-24
24-30
>30
% 40
30
20
21
20
10
2
6
3
2
Abb. 2.5:
BMI-Bewertung bei
Freizeitsportlern, getrennt nach
Geschlecht
(Angaben in
%)
0
UG
NG
ÜG
männlich
Adipositas
weiblich
UG...Untergewicht; NG...Normalgewicht; ÜG...Übergewicht;
Drei Viertel und demnach ein höherer Anteil als bei der Allgemeinbevölkerung
zeigte einen BMI im Normalbereich. Ein BMI >30 (adipös) ergab sich nur bei rund
2,5% des untersuchten Kollektivs. Außerdem können Sportler aufgrund ihres zu
erwartenden höheren Muskelanteils, leicht einen BMI über 25 bzw. 24 und dennoch einen Körperfettgehalt im Normalbereich haben. Um exaktere Informationen
über die Körperzusammensetzung zu erhalten, müsste deshalb vor allem bei Sportlern zusätzlich der Körperfettanteil bestimmt werden (z.B. mit Kaliper).
Immerhin gaben über 50% der Befragten an, mindestens 1mal pro Woche ihr
Körpergewicht zu kontrollieren und rund 20% des Kollektivs kannte nach eigenen
Angaben den persönlichen BMI.
Männliche Freizeitsportler waren mit ihrem Körpergewicht eher zufrieden, als
weibliche. 58% der Männer aber nur 49% der Frauen fühlten sich mit dem aktuellen Körpergewicht wohl. Mehr als die Hälfte aller Sportlerinnen gab an, abnehmen zu wollen.
2.2.6 BMI von Senioren
Zur Beschreibung des Ernährungszustands wurden von den Studienteilnehmern die Körpergröße und das Körpergewicht erfragt, um daraus den BMI zu berechnen. Jedoch nimmt die Validität dieses Vohersageindikators für ernährungsbezogene Krankheiten mit dem Alter ab [Bates et al., 2001]. Vermutlich ist bei Personen im fortgeschrittenen Lebensalter das Körpergewicht bzw. der BMI anders zu
bewerten als bei jüngeren Erwachsenen. Die prognostische Bedeutung des Körpergewichts ändert sich und höhere BMI-Werte sind bei Älteren im Gegensatz zu
jüngeren Personen mit einem geringeren Mortalitätsrisiko verbunden als bei jün-
BMI
(MW ± SD)
Untergewicht Normalge1
wicht2
Übergewicht/
Adipositas3
55-64 J (n=194)
27,3 ± 4,2
10
59
31
65-74 J (n=142)
27,1± 4,2
18
57
25
75-84 J (n=180)
26,6 ± 4,2
25
58
17
>84 J (n=107)
25,4 ± 3,5
29
60
11
Gesamt (n=627)
26,7 ± 4,1
22
57
21
1BMI <23 (55-64 J); BMI <24 (ab 65 J) 2BMI 23-28 (55-64 J); BMI 24-29 (ab 65 J) 3BMI>28
(55-64 J); BMI >29 (ab 65 J) nach NRC [1989]
15
Tab. 2.2:
BMI des Gesamtkollektivs sowie
Verteilung
(Angaben in
%) von Unter-, Normalund Übergewicht innerhalb der Altersgruppen
von Senioren
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Abb. 2.6:
BMI-Bewertung bei Wiener Senioren, getrennt
nach Altersgruppen (Angaben in %)
100%
80%
60%
40%
20%
0%
55-64 J
65-74 J
Untergew icht
Tab. 2.3:
Körperlänge,
Gewicht und
BMI (MW ±
SD) der
männlichen
und weiblichen Studienteilnehmer
75-84 J
Norm algew icht
>84 J
Übergew icht/Adipositas
Männer
Körpergröße (cm)
Gewicht (kg)
BMI
55-64 J (n=21)
174,1 ± 8,2
84 ± 15
27,7 ± 2,9
65-74 J (n=22)
174,1 ± 7,1
77 ± 20
25,5 ± 6,9
75-84 J (n=22)
172,0 ± 5,9
76 ± 11
25,5 ± 2,8
>84 J (n=22)
152,9 ± 5,7
68 ± 26
26,0 ± 3,7
55-64 J (n=180)
162,5 ± 18,6
74 ± 13
27,3 ± 4,3
65-74J (n=121)
163,0 ± 5,6
72 ± 12
27,1 ± 4,1
75-84 J (n=160)
159,5 ± 6,0
67 ± 13
26,5 ± 4,8
>84 J (n=93)
156,1 ± 17,5
61 ± 14
24,3 ± 5,7
Frauen
geren Personen [DGE, 2000]. Dieser Umstand wurde in den altersabhängigen Normbereichen des National Research Council (NRC) berücksichtigt [NRC, 1989].
Die Ergebnisse sind in den Tab. 2.2 und 2.3 dargestellt. Demnach wurden mit
zunehmendem Alter bei Männern und Frauen geringere Werte für Größe, Gewicht
und BMI gemessen. Der durchschnittliche BMI lag für das Gesamtkollektiv bei 26,7
kg/m2. Insgesamt lagen 57% der untersuchten Männer und Frauen im Normbereich des NRC. 22% waren als untergewichtig und 21% als übergewichtig einzustufen.
Ein Vergleich zwischen Bewohnern von Pensionistenwohnhäusern (PWH) und
selbstständig Lebenden zeigte hinsichtlich der Häufigkeit des Auftretens von Untergewicht (PWH 18,5% und Wohnung 18%) und Übergewicht (PWH 18,5% und
Wohnung 19,3%) keine Unterschiede.
Große Unterschiede bestanden zwischen den Altersgruppen. Die Prävalenz von
Untergewicht war bei den über 84-Jährigen rund 3mal so hoch wie bei den 55-64Jährigen. Umgekehrt verhielt es sich in der Prävalenz des Übergewichts. Aus der
hohen Prävalenz von Untergewicht bei den über 65-Jährigen kann auf eine negative Energiebalance geschlossen werden. Generell neigt bei Älteren das Körpergewicht selbst bei gesunden Individuen zu einem Absinken [Bates et al., 2001].
16
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
2.3 Kinder und Jugendliche
Allgemeines
"Richtige" Ernährung drückt sich im Allgemeinen in einem zufriedenstellenden Ernährungszustand
aus, dem bei Kindern und Jugendlichen eine besondere Bedeutung zukommt. Ein partieller Nährstoffmangel bzw. jegliche Form der Fehlernährung über einen längeren Zeitraum bedingen, besonders
im sich entwickelnden Organismus, gesundheitliche Beeinträchtigungen, physiologische Störungen
und Leistungsverminderung. Der überwiegende Teil der durch chronische Über- und Fehlernährung
bedingten sogenannten Zivilisationskrankheiten, wird zwar erst im Erwachsenenalter klinisch relevant, die ursächlichen fehlerhaften Ernährungsgewohnheiten bestehen aber meist schon von Kindesalter an.
Der Österreichischen Ernährungsbericht 1998 [Elmadfa et al., 1998] enthielt noch keine Angaben zur Ernährungssituation 3-6-jähriger Kinder in Österreich. In einer aktuellen Fortführung der Studie zum Ernährungsstatus in Österreich wurde in einer Teilstudie nun auch die Gruppe der Vorschulkinder (3-6 Jahre) bundesweit untersucht. Damit kann die "Lücke" zur Altersgruppe der Schulkinder
und Jugendlichen geschlossen werden. Es soll primär dargestellt werden, in welche Richtung sich das
Ernährungsverhalten und die Nährstoffaufnahme aller österreichischen Kinder und Jugendlichen entwickelt. Die Stichprobe wurde so ausgewählt, dass eventuelle regionale (Nord/Süd/West/Ost) Unterschiede aufgezeigt und jene Personengruppen herausgefunden werden können, bei denen eine besonders ungünstige Ernährungsweise vorliegt (Risikogruppen).
2.3.1 Vorschulkinder (3-6 J.)
Zusammenfassung
Eine Österreichweit durchgeführte Analyse der Ernährungssituation von Vorschulkindern zeigt ein
weitgehend zufriedenstellendes Bild. Einige Punkte stellen sich dennoch als verbesserungswürdig dar.
Die energieliefernden Hauptnährstoffe (Kohlenhydrate 54%, Proteine 13%, Fette 33%) sind in
guter Relation an der Energiezufuhr beteiligt. Eine detaillierte Analyse weist jedoch auf eine ungünstige Lebensmittelauswahl hin. Die Zufuhr an gesättigten Fettsäuren ist zu hoch hingegen die an
mehrfach ungesättigten Fettsäuren, zu denen auch die essentiellen Fettsäuren zählen, ist zu gering.
Bei den Kohlenhydraten sollte der Schwerpunkt der Versorgung auf stärkehaltige und ballaststoffreiche Lebensmittel (Nudel, Reis, Getreideflocken, Vollkornbrot etc.) gelegt und der Zuckerkonsum eingeschränkt werden.
Bei den Mikronährstoffen ist die Versorgung mit Nahrungsfolat, Jod und Calcium unzureichend.
Auch die Vitamin D-Aufnahme über Lebensmittel ist nicht zufriedenstellend.
Auf Grund der Lebensmittelgruppenauswertung wird ersichtlich, dass vor allem Mehlspeisen und
Süßigkeiten aber auch Fleisch und Wurst im überhöhten Ausmaß gegessen werden. Damit hängt die
hohe Aufnahme an Saccharose, Proteinen sowie gesättigten Fettsäuren und die geringe Ballaststoffzufuhr zusammen.
Vergleicht man die tatsächlich verzehrten Lebensmittel mit den lebensmittelbasierten Empfehlungen für diese Altersgruppe, schneiden Gemüse, Fisch, Brot und Getreideflocken, Nudeln sowie
Reis am schlechtesten ab. Würden Österreichs Vorschulkinder mehr von diesen Lebensmittel zu Lasten von Mehlspeisen und Süßigkeiten verzehren, könnte sicher auch die Versorgungslage mit den
"Schlusslichtern" unter den Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen entscheidend verbessert
werden.
Allgemeines
Der Begriff "Vorschulalter" bzw. "Vorschulkinder" bezieht sich in weiterer Folge auf Kinder der Altersgruppe von 3-6 Jahren.
Die Datenerhebung bei Vorschulkindern ist oftmals schwierig, da die Kinder auf der einen Seite
die Fragebögen noch nicht selbst ausfüllen können, auf der anderen Seite aber, abgesehen von ihren Eltern, auch noch von anderen Personen betreut werden (z.B. Großeltern, Kindergärtner/innen)
[Stein et al., 1992].
Der bundesweite Studienteil zu den Ernährungsgewohnheiten von Vorschulkindern wurde vom
Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien im Nord-Osten, im Süd-Osten und im
Westen von Österreich durchgeführt. Die Durchführung der Fragebogenerhebungen in den ange-
17
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Tab. 2.4:
Stichprobenzahl (n=151)
der Wiegeprotokolle
gegliedert
nach Regionen
Region
Bundesländer
Anzahl
(n)
51
führten Regionen fiel in die Periode Januar bis Juni 2001. Die Endzahl der
NordWien und OberStichprobe belief sich auf insgesamt
Osten
österreich
151 Kinder.
Zur Erfassung der Energie- und
SüdBurgenland und 42
Nährstoffzufuhr diente ein 3-Tage-WieOsten
Südsteiermark
geprotokoll. Die Auswertung der insgeSüden
Graz und Kärnten 23
samt 151 Verzehrsprotokolle erfolgte
mit Hilfe des ErnährungswissenschaftWesten Tirol und Vorarl- 35
lichen Programms EWP 2.5 und einer
berg
vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien entwikkelten Access-Datenbank auf Basis des Bundeslebensmittelschlüssels II.3. In den
Tab. 2.5-2.8 sind jeweils die Mittelwerte der drei Erhebungstage dargestellt. Um
Unterschiede in der Nährstoffzufuhr innerhalb von Österreich feststellen zu können, wurden die Protokolle der Kinder nach Regionen und Geschlecht getrennt ausgewertet.
Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei Vorschulkindern
Tab. 2.5 zeigt die mittels Wiegeprotokollen ermittelten durchschnittlichen Aufnahmen an Energie, Eiweiß, Kohlenhydraten, Fett, Cholesterin und Ballaststoffen
sowie die korrespondierenden D-A-CH-Referenzwerte.
Buben
gesamt
Westen
Nord/
Osten
Süd/
Osten
Süden
D-A-CH
Energie (MJ)
5,7 ± 1,5 6,3 ± 1,0 6,1 ± 1,3 4,6 ± 1,3 5,8 ± 2,3 6,4
E% Eiweiß
13 ± 2
13 ± 2
13 ± 3
12 ± 2
13 ± 3
10-15
E% KH
55 ± 6
55 ± 6
54 ± 6
56 ± 7
55 ± 6
>50
davon Zucker
15 ± 5
16 ± 6
14 ± 4
15 ± 4
12 ± 4
-
Ballaststoffe (g)
12 ± 5
13 ± 4
13 ± 5
10 ± 4
13 ± 8
-
E% Fett
32 ± 5
32 ± 6
33 ± 3
32 ± 6
32 ± 4
30-35
davon GFS
16 ± 2
17 ± 3
17± 2
16 ± 2
17 ± 1
max. 10
davon MFS
12 ± 1
11 ± 2
12 ± 1
12 ± 2
11 ± 1
13
davon PFS
4±2
4±2
4±1
4±2
4±3
7
Cholesterin (mg)
220 ± 102 248 ± 110 250 ± 84 154 ± 78 238 ± 124 max. 300
Mädchen
Tab. 2.5:
Mittlere tägliche Zufuhr
(MW ± SD)
an Energie
und Makronährstoffen
bei österreichischen
Vorschulkindern (3-6 J.),
getrennt
nach Geschlecht und
Region
Energie (MJ)
5,6 ± 1,1 5,9 ± 1,4 5,7 ± 1,1 5,2 ± 1,1 5,7 ± 1
5,8
E% Eiweiß
13 ± 3
13 ± 2
13 ± 2
13 ± 3
13 ± 2
10-15
E% KH
54 ± 6
53 ± 6
54 ± 7
54 ± 6
55 ± 5
>50
davon Zucker
15 ± 5
15 ± 5
15 ± 6
13 ± 3
16 ± 5
-
Ballaststoffe (g)
12 ± 4
13 ± 3
13 ± 4
11 ± 4
11 ± 3
-
E% Fett
33 ± 5
34 ± 5
33 ± 6
33 ± 5
32 ± 4
30-35
davon GFS
17 ± 2
17 ± 2
17 ± 3
17 ± 2
17 ± 2
max. 10
davon MFS
12 ± 1
13 ± 2
11 ± 1
12 ± 2
11 ± 1
13
davon PFS
4±2
4±1
5±3
4±2
4±1
7
Cholesterin (mg)
206 ± 89 242 ± 110 218 ± 94 162 ± 66 209 ± 61
max. 300
KH...Kohlenhydrate; GFS...Gesättigte Fettsäuren; MFS...Monoenfettsäuren; PFS...Polyenfettsäuren
18
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Die mittlere Energiezufuhr der
13%
Vorschulkinder in Österreich lag außer
bei den Mädchen in Westösterreich, unter den korrespondierenden Richtwer54%
33%
ten [DACH, 2000]. Betrachtet man die
Energiezufuhr im Detail, so nahmen die
Kohlenhydrate
Fett
Eiweiß
Vorschulkinder aus dem Süd/Osten von
Österreich signifikant weniger Energie
auf als die Kinder in den anderen Regionen. Eine Erklärung dafür liefert jedoch eine genauere Betrachtung der Altersverteilung in der Stichprobe. Viele Kinder (47,5%) aus dem Burgenland bzw. der
Steiermark hatten zum Zeitpunkt der Erhebung gerade erst das 4. Lebensjahr erreicht bzw. standen knapp davor. Somit war ihre Energiezufuhr und auch der tatsächliche Energiebedarf sicherlich geringer als von Sechsjährigen, deren Anteil in
anderen Regionen höher war.
Auch können generell in allen Altersgruppen von Wachsenden infolge der großen unterschiedlichen körperlichen Aktivität große Unterschiede im Energieumsatz
beobachtet werden. Unterschiede in den Arbeitsumsätzen von Gleichaltrigen um
ein Mehrfaches sind keine Seltenheit [Elmadfa und Leitzmann, 1998]. Die für 4-6jährige Kinder angegebenen Richtwerte von 6,4 MJ/d (Buben) bzw. 5,8 MJ/d (Mädchen) [DACH, 2000] beziehen sich auf "mäßige körperliche Aktivität" und dementsprechend wären bei "geringer körperlicher Aktivität" nochmals 12% (entspricht
der zweifachen Standardabweichung) abzuziehen. Allgemein korreliert die Energiezufuhr meist sehr gut mit dem Energiebedarf.
Wie Abb. 2.7 zeigt, deckte sich die ermittelte Relation der Energieträger zueinander sehr gut mit den D-A-CH-Referenzwerten:
Kohlenhydrate: 50-55%
Fett:
30-35%
Eiweiß:
10-15%
Die Relation der energieliefernden Nährstoffe zueinander scheint sich somit in
den letzten Jahren verbessert zu haben. In einer vor 10 Jahren im Raum Wien und
Niederösterreich durchgeführten Erhebung stammten noch etwa 36% der zugeführten Energie aus Fett [Elmadfa et al., 1994; Demitsch-Santner, 1994]. Der Rükkgang des Fettverzehrs der österreichischen Vorschulkinder wurde durch eine wünschenswerte höhere Zufuhr an Kohlenhydraten kompensiert.
Offensichtlich zeigen die Bemühungen der Ernährungswissenschaft und Medizin um eine Reduzierung der Fettzufuhr und einer Erhöhung des Kohlenhydratanteils der Nahrung erste Erfolge. Weitere Anstrengungen sind jedoch nötig um diesen Trend zu stabilisieren.
Nahrungsfett ist nicht nur ein wichtiger Energieträger. Die Menge und die
Qualität des aufgenommenen Fettes hat bereits im Kindesalter einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden.
Das Kollektiv der Vorschulkinder führte im Mittel rund 50 g Fett pro Tag zu sich.
Neben der Information über die quantitative Aufnahme sind jedoch auch Aussagen zur Fettqualität von Bedeutung.
Ein wesentliches Kriterium bei der Charakterisierung der Fettaufnahme ist die
Relation der gesättigten (GFS) zu den einfach (MFS) und mehrfach (PFS) ungesättigten Fettsäuren. Dabei sollten die GFS nicht mehr als 10% der Nahrungsenergie liefern. Der Anteil der PFS sollte etwa 7% der Nahrungsenergie liefern bzw.
bis zu 10%, wenn die Zufuhr an GFS, wie im vorliegenden Fall, 10% der Gesamtenergiezufuhr überschreitet. Damit soll einem Anstieg der Cholesterinkonzentration im Plasma entgegengewirkt werden. MFS decken den Rest der Fettsäurezufuhr ab, d.h. sie können bis 13% der Nahrungsenergie liefern [DACH, 2000].
Das ermittelte Fettsäuremuster entsprach jedoch bei weitem nicht den wünschenswerten Vorgaben. Die viel zu hohe Aufnahme an gesättigten Fettsäuren soll-
19
Abb. 2.7
Anteil der
Hauptenergielieferanten an der
Gesamtenergiezufuhr bei
österreichischen Vorschulkindern
(3-6 J.)
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Abb. 2.8:
Wünschenswerte Höhe
der Fettsäurezufuhr und
die tatsächliche Zufuhr
bei österreichischen
Vorschulkindern (3-6 J.)
Mädchen
Buben
D-A-CH
Linolsäure (n-6) in g
5,2 ± 2,8
4,9 ± 2,3
-
α-Linolensäure (n-3) in g
0,8 ± 0,3
0,7 ± 0,3
-
Linolsäure (n-6) in E%
3,4 ± 1,5
3,3 ± 1,2
2,5
α-Linolensäure (n-3) in E%
0,5 ± 0,2
0,5 ± 0,2
0,5*
n-6 : n-3 Fettsäuren
7:1
7:1
5:1
* Schätzwert
te zugunsten der mehrfach ungesättigten Fettsäuren reduziert werden, d.h. es sollten mehr pflanzliche Öle und Fette in der Ernährung der Vorschulkinder berükksichtigt werden.
Die erhöhte Aufnahme der gesättigten Fettsäuren ging eindeutig zu Lasten der
mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Vorschulkinder aus dem Nord/Osten wiesen
eine geringfügig höhere Polyenfettsäurezufuhr auf, als ihre Altersgenossen in anderen Teilen Österreichs.
Fett ist neben seiner Aufgabe als wichtiger Energielieferant vor allem als Träger der essentiellen Fettsäuren wichtig. Für den menschlichen Organismus sind n6 Fettsäuren (Linolsäure und die aus ihr gebildeten längerkettigen Fettsäuren Arachidon- und Eicosatriensäure) und n-3 Fettsäuren (α-Linolensäure und ihre längerkettigen Derivate, wie z.B. Docosahexaen- und Eicosapentaensäure) essentielle Nährstoffe. Sie werden hauptsächlich für die Synthese von Strukturlipiden und
von Eicosanoiden benötigt. Ihrem empfindlichen biochemischen Gleichgewicht und
der diätetischen Beeinflussbarkeit kommt eine große Bedeutung in der Prävention
zu [Arbeitskreis OMEGA-3, 2002].
Tab. 2.6 zeigt die Ergebnisse zur Aufnahme an diesen Fettsäuren getrennt nach
dem Geschlecht.
In den D-A-CH-Referenzwerten wird für die Linolsäurezufuhr (n-6) eine Empfehlung von rund 2,5% der Gesamtenergiezufuhr angegeben. Im Durchschnitt wurde dieses Kriterium sowohl von den Mädchen als auch von den Buben erreicht. Für
die wünschenswerte Zufuhr an α-Linolensäure (n-3) konnte der D-A-CH-Referenzwert (Schätzwert) von 0,5% der Gesamtenergiezufuhr angegeben werden. Im
Bereich dieses Werts lag auch die mittlere Aufnahme im untersuchten Kollektiv. Da
eine höhere Zufuhr an α-Linolensäure mit protektiven Effekten in Bezug auf koro-
% der Gesamtenergiezufuhr
Tab. 2.6 :
Mittlere tägliche Zufuhr
(MW ± SD)
an Linolsäure
und α-Linolensäure in g
und Energie% bei
österreichischen Vorschulkindern
(3-6 J.)
20
15
10
5
0
PFS
GFS
Soll (DACH)
20
MFS
Ist (Vorschulkinder)
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
nare Herzerkrankungen in Verbindung gebracht wird [HCN, 2001], wäre eine Verbesserung der Zufuhr an α-Linolensäure bzw. n-3 Fettsäuren im Allgemeinen wünschenswert.
Als weiteres Kriterium, nach dem die Qualität der Aufnahme von Fett beurteilt werden kann, gilt
das Verhältnis von n-6 zu n-3 Fettsäuren. Die D-A-CH-Referenzwerte ergeben ein Verhältnis von weniger als 5:1 als Richtwert. Das tatsächliche Verhältnis lag bei 7:1. Somit wäre auch anhand dieses
Maßstabs eine höhere Zufuhr an α-Linolensäure bzw. ein "Austausch" von Linolsäure zugunsten von
α-Linolensäure anzustreben. Diese Empfehlung wäre leicht in die Praxis umzusetzen, wenn sowohl
im Haushalt als auch in der Lebensmittelverarbeitung anstelle von n-6-fettsäurereichen Pflanzenölen
(z.B. Sonnenblumenöl, Maiskeimöl) vermehrt n-3-fettsäurehältige Pflanzenöle (z.B. Rapsöl, Sojaöl)
zum Einsatz kämen.
Obwohl die Assoziation zwischen der Höhe der Serumcholesterinspiegel und der Höhe des Nahrungscholesterins nicht immer belegt werden konnte, besteht der Richtwert, dass im Durchschnitt
maximal 300 mg Cholesterin pro Tag konsumiert werden sollten. Bei den Mädchen lag die durchschnittliche Cholesterinaufnahme bei 206 mg/d und bei den Buben bei 220 mg/d. Somit wurde der
als Obergrenze formulierte Richtwert im Mittel nicht überschritten. Signifikante Unterschiede gab es
in der Cholesterinaufnahme der Kinder (beide Geschlechter) in der Region Süd-Osten und der im
Westen bzw. Osten. Vorschulkinder im Süd-Osten, aber auch im Süden, verzehrten weniger Cholesterin als Kinder ihrer Altersgruppe in anderen Teilen von Österreich. Allerdings hängt dies wahrscheinlich auch mit der zu Beginn besprochenen Altersverteilung zusammen.
Die mittlere Eiweißdichte (Nährstoffdichte wird definiert als der Quotient aus dem Nährstoffgehalt (µg, mg, g) und dem Brennwert (MJ)) betrug bei den Mädchen 7,6 g/MJ und bei den Buben
7,4 g/MJ. Geschlechts- bzw. regionalspezifische Unterschiede waren lediglich geringfügig. Die empfohlene Proteindichte für Mädchen beträgt 2,9 g/MJ und für Buben 2,8 g/MJ. Wie zu erkennen ist, lagen die Werte beträchtlich über den jeweiligen D-A-CH-Empfehlungen, wonach von einer sehr guten
Eiweißversorgung ausgegangen werden kann. Bezogen auf die Gesamtenergiezufuhr lag der Eiweißanteil mit 13% aber noch im Bereich der Richtwerte. Die Aufnahme an Protein aus tierischen Quellen war in allen Regionen Österreichs höher (61%) als aus pflanzlichen Lebensmitteln (39%). Die
deutliche Dominanz des tierischen Anteils kann als nachteilig bewertet werden, da die Aufnahme an
Protein tierischen Ursprungs generell mit einer gleichzeitigen Zufuhr an Fett bzw. gesättigten Fettsäuren, Cholesterin und – ausgenommen Ei- und Milchprotein – auch an Purinen verbunden ist [DACH,
2000]. Eine Erhöhung des Verzehrs pflanzlicher zu Lasten von tierischen Produkten würde im Allgemeinen eine Verbesserung der Nährstoffrelation bedeuten.
Der Kohlenhydratanteil an der gesamten Energiezufuhr betrug über 50% und lag somit in einem wünschenswerten Bereich. Im Detail überwog jedoch die Zufuhr an niedermolekularen Kohlenhydraten (Mono- bzw. Disacchariden) gegenüber der an Polysacchariden.
Die Saccharosezufuhr (isolierter Rohr-/Rübenzucker bzw. Haushaltszucker) lag im Mittel bei 47
g/d. Das entspricht rund 15% der Gesamtenergieaufnahme. Betrachtet man den Zucker isoliert, so
liefert er ausschließlich schnell umsetzbare Energie und keine Vitamine und Mineralstoffe. Zucker wird
nur selten pur gegessen und hebt bei vielen Speisen den Genusswert. Je niedriger jedoch der Gesamtenergieverbrauch (z.B. aufgrund geringer körperlicher Aktivität) ist, desto sorgsamer muss auf
eine hohe Nährstoffdichte geachtet werden, um ausreichend mit allen essentiellen Mikronährstoffen
versorgt zu sein.
Im Sinne einer präventiven Ernährung sollte deshalb insbesondere bei Kindern der Schwerpunkt
der Versorgung mit Kohlenhydraten auf stärkehaltige und ballaststoffreiche Lebensmittel, die auch
essentielle Nährstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe enthalten, gelegt werden.
Bezüglich der Ballaststoffzufuhr wird auch für Kinder ein Richtwert von 2,4 g/MJ als erstrebenswert erachtet [DACH, 2000]. Dem gegenüber lag die Ballaststoffzufuhr der Buben und Mädchen
bei durchschnittlich 2,2 g/MJ. Eine Erhöhung der Zufuhr wäre wünschenswert, welche durch einen
erhöhten Verzehr von Vollkorngetreideprodukten, Hülsenfrüchten, Kartoffeln und Gemüse leicht erreicht werden könnte.
Zufuhr an Mikronährstoffen bei Vorschulkindern
In Tab. 2.7 und 2.8 sind die anhand der 3-d-Wiegeprotokolle ermittelten durchschnittlichen Aufnahmen an Mikronährstoffen sowie die korrespondierenden D-A-CH-Referenzwerte im Detail dargestellt.
Die mittleren Aufnahmemengen an Nahrungsfolat und Vitamin D lagen im untersuchten Kollektiv der Vorschulkinder beträchtlich unter den korrespondierenden D-A-CH-Empfehlungen. Dem-
21
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Tab. 2.7:
Mittlere tägliche Vitaminzufuhr (MW
± SD) bei
österreichischen Vorschulkindern
(3-6 Jahre),
getrennt
nach Geschlecht und
Region
Buben
gesamt
Westen
Vitamin A1 (mg)
Nord/
Süd/
Süden
D-A-CH
Osten
Osten
0,8 ± 0,5 0,9 ± 0,6 0,8 ± 0,5 0,6 ± 0,4 0,8 ± 0,6 0,7
β-Carotin2 (mg)
1,6 ± 1,4 2,0 ± 1,6 1,8 ± 1,5 1,2 ± 1,1 1,4 ± 0,8 2-4
Vitamin D (µg)
2,1 ± 2,2 2,1 ± 2,1 2,5 ± 2,3 1,5 ± 1,7 2,8 ± 3,5 5
Vitamin E3 (mg)
5,8 ± 2,5 5,7 ± 2,8 6,3 ± 2,6 5,4 ± 2,4 5,4 ± 2,2 8
Vitamin B1 (mg)
0,9 ± 0,4 1,0 ± 0,3 1,0 ± 0,4 0,6 ± 0,4 1,1 ± 0,3 0,8
Vitamin B2 (mg)
1,2 ± 0,5 1,4 ± 0,4 1,4 ± 0,7 1,0 ± 0,4 1,2 ± 0,2 0,9
Niacin4 (mg)
16 ± 6
17 ± 5
19 ± 6
13 ± 5
16 ± 4
10
Pantothens. (mg) 3,7 ± 1,5 4,1 ± 1,3 4,2 ± 1,6 2,7 ± 1,2 3,6 ± 1,1 4
Vitamin B6 (mg)
1,1 ± 0,4 1,1 ± 0,4 1,3 ± 0,5 0,9 ± 0,4 1,2 ± 0,4 0,5
Biotin (µg)
35 ± 22
Folsäure5 (µg)
155 ± 57 165 ± 52 165 ± 59 132 ± 57 160 ± 55 300
39 ± 12
46 ± 33
22 ± 6
29 ± 12
10-15
Vitamin B12 (µg) 2,7 ± 1,3 2,9 ± 0,8 3,0 ± 1,8 2,2 ± 1,3 2,3 ± 0,6 1,5
Vitamin C (mg)
105 ± 71 123 ± 73 112 ± 93 78 ± 40
110 ± 37 70
Mädchen
Vitamin A1 (mg)
0,7 ± 0,5 0,8 ± 0,3 0,9 ± 0,6 0,5 ± 0,3 0,7 ± 0,5 0,7
ß-Carotin2 (mg)
1,8 ± 1,7 1,8 ± 1,0 2,2 ± 1,9 1,3 ± 0,9 2,4 ± 0,6 2-4
Vitamin D (µg)
1,9 ± 2,1 2,3 ± 2,9 2,5 ± 2,6 1,3 ± 0,9 1,3 ± 0,5 5
Vitamin E3 (mg)
5,9 ± 2,7 5,5 ± 1,3 6,5 ± 3,3 5,3 ± 2,5 5,9 ± 2,5 8
Vitamin B1 (mg)
0,9 ± 0,3 0,8 ± 0,3 0,9 ± 0,4 0,8 ± 0,3 0,9 ± 0,2 0,8
Vitamin B2 (mg)
1,2 ± 0,5 1,1 ± 0,4 1,3 ± 0,5 1,2 ± 0,5 1,2 ± 0,4 0,9
Niacin4 (mg)
16 ± 5
15 ± 3
16 ± 6
16 ± 5
16 ± 4
10
Pantothens. (mg) 3,6 ± 1,3 3,4 ± 1,0 3,8 ± 1,4 3,4 ± 1,3 3,5 ± 1,1 4
Vitamin B6 (mg)
1,1 ± 0,4 0,9 ± 0,2 1,2 ± 0,5 1,1 ± 0,4 1,1 ± 0,4 0,5
Biotin (µg)
35 ± 19
Folsäure5 (µg)
172 ± 118 148 ± 49 196 ± 167 140 ± 46
32 ± 12
41 ± 28
31 ± 12
35 ± 10
10-15
196 ± 121 300
Vitamin B12 (µg) 2,5 ± 1,2 2,9 ± 1,5 2,3 ± 1,0 2,8 ± 1,4 2,3 ± 1,1 1,5
Vitamin C (mg)
95 ± 60
102 ± 52 94 ± 80
86 ± 47
102 ± 42 70
1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin;
2 dieser Wert mal 0,16 ist in den Retinol-Äquivalenten enthalten;
3 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 +
mg γ-Tocopherol x 0,25 + mg α-Tocotrienol x 0,33;
4 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan;
5 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA)
nach sind bei diesen beiden Vitaminen die höchsten Prävalenzen einer unzureichenden Zufuhr zu erwarten.
Obwohl eine regelmäßige Sonnenexposition zur Bedarfsdeckung an Vitamin D
beiträgt, kann nicht bei allen Kindern vorausgesetzt werden, dass sie immer genügend Sonnenlicht ausgesetzt sind. Deshalb sollte im Hinblick auf die Knochengesundheit auch auf eine ausreichende alimentäre Zufuhr geachtet werden.
Bei Vitamin A und Vitamin B1 lagen die mittleren Aufnahmen der Studienpopulation nur knapp über den entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen. Die Versorgungslage ist demnach auch bei diesen beiden Vitaminen verbesserungswür-
22
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Buben
Gesamt
Westen
Calcium (mg)
Nord/
Süd/
Süden
D-A-CH
Osten
Osten
646 ± 302 726 ± 139 728 ± 430 477 ± 193 637 ± 264 700
Kalium (g)
1,6 ± 0,5
1,7 ± 0,4 1,8 ± 0,5 1,2 ± 0,4
1,8 ± 0,7
Magnesium (mg) 200 ± 73
222 ± 51 220 ± 60 146 ± 46
229 ± 135 120
Natrium (g)
1,5 ± 0,6
1,6 ± 0,5 1,6 ± 0,5 1,4 ± 0,7
1,7 ± 0,6
0,41
Eisen (mg)
8,6 ± 2,8
9,7 ± 2,5 9,1 ± 2,3 7,0 ± 2,8
8,6 ± 3,3
8
Zink (mg)
6,5 ± 2,1
7,5 ± 1,9
6,8 ± 1,5 4,9 ± 1,7
6,8 ± 3,4
5
Jod (µg)
67 ± 24
80 ± 22
67 ± 24
74 ± 31
120
50 ± 15
1,4
Mädchen
Calcium (mg)
663 ± 259 589 ± 235 710 ± 279 649 ± 219 672 ± 299 700
Kalium (g)
1,6 ± 0,5
1,6 ± 0,4 1,7 ± 0,5 1,5 ± 0,4
1,7 ± 0,6
1,4
Magnesium (mg) 193 ± 56
174 ± 38 203 ± 55 178 ± 46
214 ± 74
120
Natrium (g)
1,5 ± 0,5
1,9 ± 0,6 1,2 ± 0,4 1,5 ± 0,6
1,5 ± 0,5
0,41
Eisen (mg)
7,9 ± 2,4
7,0 ± 1,4
8,3 ± 2,8 7,4 ± 1,8
9,0 ± 2,8
8
Zink (mg)
6,2 ± 1,6
6,3 ±1,4
6,3 ±1,5
5,7 ±1,5
6,4 ±2,1
5
Jod (µg)
69 ± 25
70 ± 15
73 ± 26
62 ± 29
70 ± 26
120
dig, da aufgrund dieser Verzehrsdaten unzureichende Zufuhrmengen nicht bei allen Kindern ausgeschlossen werden können.
Hingegen waren die Verzehrsdaten bei Vitamin B2, Vitamin C, Niacin, Vitamin B12 und Vitamin B6 weitgehend zufriedenstellend. Insbesondere bei Vitamin B6, Vitamin B12 und Niacin ist eine sehr gute Versorgungslage zu erwarten.
Bezüglich einer bedarfsdeckenden Zufuhr an Vitamin E, Biotin und Pantothensäure werden lediglich Schätzwerte angeführt [DACH, 2000]. Vor allem bei
Vitamin E ist es daher schwierig, die Versorgungslage ohne laborchemische Analysedaten abzuschätzen. Jedenfalls lag die mittlere Vitamin E-Zufuhr der Probanden unterhalb des D-A-CH-Schätzwerts. Durch eine wünschenswert höhere Zufuhr
an pflanzlichen Ölen im Austausch gegen tierische Fette würde sich auch die Vitamin E-Versorgung verbessern.
Die Pantothensäurezufuhr lag im Mittel ebenfalls unterhalb des Schätzwerts.
Jedoch sind Mangelerscheinungen bei diesem Vitamin sehr selten und wurden lediglich nach Verabreichung von Vitamin-Antagonisten oder bei pantothensäurearmer künstlicher Ernährung beobachtet [DACH, 2000].
Die durchschnittliche Biotinaufnahme lag hingegen über dem entsprechenden
Schätzwert, womit eine Unterversorgung unwahrscheinlich ist.
Aus β-Carotin (Provitamin A) kann einerseits Vitamin A entstehen, was in den
Angaben zur mittleren Vitamin A-Aufnahme (Retinol-Äquivalente) auch berükksichtigt wurde. Andererseits kann β-Carotin wie nahezu alle anderen Carotinoide
vor oxidativen Schäden schützen. Über die wünschenswerte Höhe der Aufnahme
an β-Carotin bestehen bis dato aber nur unsichere Vorstellungen. Somit wird in
den D-A-CH-Referenzwerten lediglich ein Schätzwertbereich von 2-4 mg pro Tag
angeführt. Die beobachtete mittlere Zufuhr an β-Carotin lag unter diesem Bereich
und ist demnach verbesserungswürdig. β-Carotin gilt auch als "Marker" einer wünschenswert gemüse- und obstreichen Ernährung.
Die Jodaufnahme der Vorschulkinder ist als unzureichend einzustufen. Die Jodaufnahme aus Jodsalz wurde in den Berechnungen berücksichtigt und trotz der relativ hohen Kochsalzzufuhr (durchschnittlich 4 g/d) lag die mittlere Jodaufnahme
nur bei knapp 50% der D-A-CH-Empfehlungen. Eine weitere Steigerung des Salzkonsums bei Vorschulkindern ist nicht wünschenswert, da ein Verstärken des an
sich nicht vorhandenen Bedürfnisses, Speisen stark zu salzen, zu überhöhter Na-
23
Tab. 2.8:
Mittlere tägliche Zufuhr
(MW ± SD)
an Mineralstoffen und
Spurenelementen bei
österreichischen Vorschulkindern
(3-6 Jahre),
getrennt
nach Geschlecht und
Region
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Abb. 2.9:
Abweichung
(in %) der
mittleren
täglichen Vitaminzufuhr
von den D-ACH-Referenzwerten bei
österreichischen Vorschulkindern
(3-6 J.)
150
Buben
Mädchen
100
50
D-A-CH
0
-50
-100
B6
B12
Niacin
Vit. C
B2
B1
Vit. A
Vit. E
Folat
Vit. D
Vitamin K wurde noch nicht exakt bewertet
triumzufuhr führt, die unter anderem zur Manifestation von Bluthockdruck im späteren Leben beitragen kann. Die Jodversorgung ließe sich sehr gut durch einen
häufigeren Verzehr von Seefisch (2 Portionen pro Woche) verbessern.
Im Mittel wurden auch bei Calcium die entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen um etwa 10% nicht erreicht. Jod und Calcium sind daher unter den Mineralstoffen und Spurenelementen als Risikonährstoffe anzusehen.
Die durchschnittliche Eisenaufnahme lag zwar im Bereich der Empfehlungen,
aber eine Verbesserung der Zufuhr wäre dennoch wünschenswert.
Hingegen war die Zink- und Magnesiumzufuhr im Mittel zufriedenstellend.
Für Kalium wird in den D-A-CH-Referenzwerten lediglich ein Schätzwert für
eine minimale Zufuhr angeführt. Da die durchschnittliche Zufuhr im Kollektiv der
Vorschulkinder über diesem Schätzwert lag, ist eine Unterversorgung unwahrscheinlich. Die Buben im Süd/Osten lagen in ihrer mittleren Zufuhr jedoch knapp
unter diesem Referenzwert.
Wie Tab. 2.7 und 2.8 sowie Abb. 2.9 und 2.10 sehr gut verdeutlichen, sind die
geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Aufnahme der Mikronährstoffe nur
marginal. Auf den ersten Blick fallen hingegen die durchgehend niedrigere Mikronährstoffzufuhr bei Kindern in der Region Süd/Osten auf. Allerdings dürfte das mit
der eingangs erwähnten Besonderheit in der Altersverteilung der Stichprobe zusammenhängen. Auf Basis der Nährstoffdichte zeigen sich auch kaum regionalspezifische Unterschiede in der Versorgung der Vorschulkinder. Ebenso verhält es
sich hinsichtlich der Relation der energieliefernden Hauptnährstoffe.
Da für die Bevölkerungsgruppe der Vorschulkinder erstmals bundesweite Verzehrserhebungen durchgeführt wurden, können über die Entwicklung der NährAbb. 2.10
Abweichung
(in %) der
mittleren
täglichen Zufuhr an Mineralstoffen
bzw. Spurenelementen
von den D-ACH-Referenzwerten bei
österreichischen Vorschulkindern
(3-6 J.)
80
60
Buben
Mädchen
Calcium
Jod
40
20
0
D-A-CH
-20
-40
-60
Magnesium
Zink
Kalium
Eisen
Phosphor, Chlorid, Kupfer, Mangan: Unterversorgung unwahrscheinlich;
Fluorid, Selen, Chrom: noch nicht exakt bewertet
24
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Lebensmittelgruppe
Empfohle- Studiener- % der
ne Mengen gebnis
Empfehlungen
Mehlspeisen, Süßigkeiten (g/d)
Max. 50
106
212%
Fleisch, Wurst (g/d)
45
50
111%
Getränke (ml/d)
800
680
85%
Milch, Milchprodukte (ml/d)
350
281
80%
Obst (exkl. Fruchtsäfte) (g/d)
180
113
63%
Nudeln, Reis, Kartoffel, Getreide (g/d)
120
74
62%
Fette, Öle, Butter (g/d)
25
13
52%
Eier (Stück/Woche)
2
1
50%
Brot und Getreideflocken (g/d)
170
81
47%
Fisch (g/Woche)
100
36
36%
Gemüse (g/d)
180
49
27%
stoffzufuhr keine definitiven Aussagen gemacht werden. Ein grober Vergleich kann
mit den Zahlenwerten des 1. Wiener Ernährungsberichts von 1994 [Elmadfa et al.,
1994] angestellt werden. Dabei wurde bei 75 Wiener Kindergartenkindern die Nährstoffzufuhr mittels 7-Tage-Wiegeprotokoll ermittelt. Im Vergleich dazu ist durchaus
ein allgemein positiver Trend zu verzeichnen. Einerseits hat sich die Relation der
energieliefernden Nährstoffe zueinander in eine wünschenswerte Richtung entwickelt (Fettenergie um 3% weniger) und andererseits hat sich auch die Zufuhr
an Mikronährstoffen teilweise verbessert. Eine exaktere Trendanalyse wird aber
erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich sein, wenn auch für die Gruppe der Vorschulkinder bundesweite Folgeuntersuchungen vorliegen.
Lebensmittelverzehrsmengen von Vorschulkindern
Mit Hilfe einer vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien
entwickelten Access-Datenbank (auf Basis des Bundeslebensmittelschlüssels II.3)
konnte eine Menükomponentenanalyse durchgeführt werden.
Die berechneten mittleren Verzehrsmengen der Vorschulkinder wurden mit
wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen der "Optimierten Mischkost" (OptimiX) [Alexy und Kersting, 1999] für 3-6-Jährige verglichen. OpitimiX wurde vom
Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund entwickelt und soll einerseits
den Nährstoffbedarf von Heranwachsenden decken und andererseits auch präventive Aspekte in der Ernährung berücksichtigen. In diesem Ernährungskonzept
werden die in Deutschland üblichen Ernährungsgewohnheiten, die Verfügbarkeit
und die Kosten der Lebensmittel ebenso berücksichtigt wie Essensvorlieben und abneigungen von Kindern. Es ist realistisch und ausreichend, wenn die Verzehrsmengen im Durchschnitt innerhalb einer Woche erreicht werden.
Tab. 2.9 zeigt, dass vor allem Gemüse, Fisch und auch Getreideprodukte in viel
zu geringem Umfang konsumiert wurden. Die Aufnahme von Milch- bzw. Milchprodukten sowie der Getränkekonsum sollte ebenfalls gesteigert werden.
Hingegen lag der Verzehr von Mehlspeisen und Süßigkeiten weit über dem veranschlagten moderaten Konsum von ca. 50 g pro Tag.
Streichfette und Fette/Öle für die Zubereitung von Speisen wurden anscheinend in geringem Ausmaß aufgenommen. Durch die Art der Protokollierung kann
jedoch oft nicht auf die verzehrte Menge geschlossen werden, da Rezepturen nicht
erfragt wurden.
Wie die Menükomponentenanalyse veranschaulicht, nahmen die Kinder reichlich Fleisch- und Wurstwaren, aber zuwenig Fisch zu sich. Dieses Ernährungsverhalten, welches "typisch für Mitteleuropa" ist, bedarf einer Korrektur. Mit dem ho-
25
Tab. 2.9:
Vergleich der
wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen (Optimierte
Mischkost)
mit tatsächlichen Verzehrsdaten
(3-d-Wiegeprotokoll,
n=151) bei
österreichischen Vorschulkindern
(3-6 J.)
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
hen Verzehr von Mehlspeisen und Süßigkeiten, aber auch Fleisch und Wurst, geht
die oben dargestellte hohe Aufnahme an Haushaltszucker, Fett, gesättigten Fettsäuren und Proteinen sowie die geringe Ballaststoffzufuhr einher.
Kinderfragebogen – Allgemeines Ernährungsverhalten von Vorschulkindern
Im Rahmen der Studie wurden auch Fragen an die Kinder selbst gestellt. Dabei sollten allgemeine Ernährungseinstellungen und Lebensmittelpräferenzen der
Vorschulkinder erfragt werden. Da man durch die gewonnenen Erfahrungen aus
den Kindergärten im Osten bereits wusste, dass der Food Frequency Questionnaire das Maß der Konzentrationsfähigkeit der Kinder übersteigt, wurde der Kinderfragebogen kürzer und allgemeiner gehalten. Ziele der Diskussion waren die subjektiven Angaben der Vorschulkinder zu ihren Lebensmittelpräferenzen, Lieblingsspeisen und Essgewohnheiten.
Über 90% der befragten Kinder in Graz, Burgenland und Wien gaben an, regelmäßig zu frühstücken. In Kärnten waren es nur 75%. Ähnlich war die Situation
in den westlichen Bundesländern. Hier gaben 63% der Vorschulkinder an, regelmäßig zu frühstücken. Nur rund 40% der Kinder aus Oberösterreich frühstücken
regelmäßig, was unter Umständen damit zusammenhängt, dass viele Kinder morgens das Haus sehr zeitig verlassen müssen. Insgesamt kann gesagt werden, dass
ein recht hoher Prozentsatz (75%) der Kinder regelmäßig frühstückt. Generell kann
eine Tendenz im Frühstücksverhalten der Kinder beobachtet werden: Je urbaner
das Gebiet umso häufiger wird gefrühstückt.
Auf die Frage "hast du immer eine Jause eingesteckt" kam es zu sehr unterschiedlichen Aussagen. Da es sich bei den untersuchten Kindergärten in Kärnten
um Halbtageskindergärten handelt, die keine Jause zur Verfügung stellen, hatten
fast alle Kinder eine Jause dabei. In Wien dagegen bekamen nur 64% der Kinder
eine Jause von zu Hause mit. Der Grund dafür ist, dass Brot, Obst und Gemüse
oft in den Kindergärten zur Verfügung gestellt werden. In Graz hatten 87% der
Kinder eine Jause mit. In Oberösterreich hingegen, wo keine Jause im Kindergarten ausgeteilt wird und viele Kinder zu Mittag die Betreuungsstätte verlassen, hatten mindestens 9 von 10 Kindern eine Jause dabei. Auch in den westlichen Bundesländern hatte der Großteil der Kinder (91%) immer eine Jause mit.
Für Kinder in diesem Alter (3-6 Jahre) scheint es noch schwierig zu sein, selbst
eine Lieblingsspeise zu nennen. Dennoch wurden Nudeln und Nudelgerichte häufig als "Leibspeise" genannt. Rund ein Viertel aller Kinder gaben an, am liebsten
Nudeln und Nudelgerichte aller Art zu essen, gefolgt von Mehlspeisen und Fleischund Fleischprodukten (rd. 20%) und Fast Food (rd. 14%). Nur wenige Kinder –
Österreichweit betrachtet – nannten Obst und/oder Gemüse als eine ihrer Lieblingsspeisen (rd. 2%). Konzentriert man sich auf den westlichen Teil von Österreich (Vorarlberg und Tirol) so zeigte sich, dass immerhin je 7% der Vorschulkinder Obst und Gemüse als eines ihrer Lieblingsgerichte nannten. Obst hat bei Vorschulkindern jedenfalls einen höheren Beliebtheitsgrad als Gemüse, was bestimmt
auf den süßen Geschmack der Früchte zurückzuführen ist.
Fleisch/-produkte
Abb. 2.11
Lebensmittelpräferenzen der
österreichischen Vorschulkinder
(3-6 J.)
Milch/-produkte
Obst/Gem üse
Mehlspeisen
Getreide/-produkte
Knabbereien
0%
10%
20%
30%
40%
50%
mag ich gerne
26
60%
70%
mag ich nicht
80%
90%
100%
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Abb. 2.11 zeigt die Ergebnisse zur Frage der Lebensmittelpräferenzen der Vorschulkinder in Österreich. Es scheint, als hätten alle 3-6-jährigen Kinder Österreichs eine ähnliche Meinung zu dem, was
sie gerne mögen bzw. was sie nicht essen wollen. Es konnten kaum regionalen Unterschiede festgestellt werden.
Auf die Frage nach der Beliebtheit von Milch und Milchprodukten unterschieden sich die Antworten der Kinder aus Kärnten bzw. Oberösterreich von jenen der übrigen Bundesländer. In Kärnten und
Oberösterreich gaben nur rund 70% der Kinder an, Milch und Milchprodukte gerne zu essen. In Wien,
im Westen von Österreich und in Graz waren es hingegen über 90%.
Auf die Frage, ob gerne Fleisch gegessen wird, antworteten 72% der Kinder aus dem Osten und
75% der Kinder aus dem Westen Österreichs mit "Ja". Etwa 80% der Kinder aus der Stadt Graz gaben zu Protokoll, gerne Fleisch zu essen.
Insgesamt scheint es kaum ausgeprägte Abneigungen gegen bestimmte Lebensmittelgruppen zu
geben. Ernährungspsychologisch wäre es daher sinnvoll, mit einer gesunden vielseitigen Ernährung
so früh wie möglich zu beginnen. Kinder sind sehr flexibel und lernbereit, diese Chance sollte in der
Ernährungserziehung genutzt werden. Dabei kommt der Vorbildfunktion der Eltern besondere Bedeutung zu, denn gerade in der Zeit vom 3. bis zum 6. Lebensjahr kennt der Nachahmungstrieb der
Kinder keine Grenzen und sie nehmen Wissen vorurteilsfrei auf [Pudel und Westenhöfer, 1998].
27
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
2.3.2 Schulkinder (7-14 J.)
Zusammenfassung
Eine Follow-up-Studie zum Ernährungszustand von 7-14-jährigen Schülern in Österreich zeigte
zwar einen Rückgang des Fettverzehrs, jedoch ist dieser mit durchschnittlich 36% der Nahrungsenergieaufnahme immer noch sehr hoch. Ein erhöhter Fettverzehr und ein geringer Kohlenhydratkonsum
spielt bereits im Kindesalter eine wichtige Rolle in der Manifestation von Übergewicht und Adipositas.
Erhöhtes Augenmerk ist auch auf die Qualität des konsumierten Fettes und der Kohlenhydrate zu legen. Unter den Mikronährstoffen ergab sich vor allem bei Folsäure, Vitamin D, Calcium und Jod eine
nicht zufriedenstellende Aufnahme. Die beim Teilkollektiv der 7-9-Jährigen ermittelten Lebensmittelverzehrsmengen bestätigen die Ergebnisse der Nährstoffanalyse. Eine ausgewogenere Lebensmittelauswahl könnte u.a. die Versorgungslage an den genannten Vitaminen und Mineralstoffen/Spurenelementen merklich verbessern.
Allgemeines
Die Schulzeit ist durch stetiges körperliches Wachstum und geistige Entwicklung gekennzeichnet.
In dieser Zeit bilden sich auch bestimmte Ernährungsgewohnheiten, wie Vorlieben oder Abneigungen
für bestimmte Lebensmittel oder das Weglassen von Mahlzeiten. Das Ernährungsverhalten hat großen
Einfluss auf die Nährstoffversorgung und damit nicht zuletzt auch auf die schulischen Leistungen. Ernährungsgewohnheiten eines Menschen werden bereits in den ersten Lebensjahren geprägt und beeinflussen das Ernährungsverhalten eines Menschen bis ins hohe Alter. Es ist daher wesentlich mit Ernährungserziehung bereits im Kleinkindalter zu beginnen. Ernährungserziehung richtet sich somit vorwiegend an Kinder bis zum Beginn des Jugendalters und sollte in der Familie, im Kindergarten und in
der Schule angewendet werden. Mit dem Besuch der Volksschule beginnt eine andere Art der Sozialisation und außerfamiliäre Erfahrungen werden zunehmend wichtiger. Der Beginn der Pubertät bringt
meist auch Veränderungen in den Ernährungsgewohnheiten mit sich. Geschlechtsspezifische Unterschiede kommen in diesem Alter immer mehr zum Tragen.
Im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 wurde der Ernährungsstatus von Kindern und Jugendlichen in Österreich erstmals ausführlich dokumentiert. Um die Entwicklung der Nährstoffzufuhr
bzw. der Ernährungsgewohnheiten Österreichischer Kinder beurteilen und international weiterhin vergleichbare Daten liefern zu können, wurde im Rahmen der ÖSES (ASNS) in Follow-up-Studien die Gruppe der Volks- bzw. Mittelschüler (Altersgruppe von 7-14 Jahren) neuerlich untersucht. Die Ernährungserhebungen im Osten und Westen Österreichs wurden in den Jahren 2001/2002 durchgeführt.
Diese Studien sollen auch dazu dienen, eventuelle regionale Unterschiede im Ernährungsverhalten
Österreichischer Schulkinder aufzuzeigen.
Zur Erfassung der Energie- und Nährstoffzufuhr diente ein 7-d-Wiegeprotokoll. Insgesamt wurden
736 Protokolle von 338 Buben und 398 Mädchen gesammelt. Mit Hilfe des Ernährungswissenschaftlichen Programms EWP 2.5 und der vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien
entwickelten Access-Datenbank (Basis des Bundeslebensmittelschlüssels II.3) konnten die Daten entsprechend ausgewertet werden. In den Tab. 1,3,4 und 6 sind jeweils die Mittelwerte der sieben Erhebungstage dargestellt. Um etwaige Unterschiede in der Nährstoffzufuhr innerhalb von Österreich
feststellen zu können, wurden die Protokolle der Kinder nach Region, Alter und Geschlecht getrennt
ausgewertet. Die Alterseinteilung entspricht der Einteilung in den D-A-CH-Referenzwerten.
Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei Schulkindern
In diesem Abschnitt soll die Zufuhr an Nahrungsenergie bzw. der energieliefernden Nährstoffe,
Ballaststoffen sowie Cholesterin interpretiert werden. Tab. 2.10 zeigt die mittels 7-d-Wiegeprotokoll
ermittelten Ergebnisse zur Energie- und Makronährstoffaufnahme von österreichischen Schulkindern
(7-14 Jahre). Da alkoholische Getränke erst bei den 15-18-Jährigen in nennenswerten Mengen getrunken werden, setzt sich die zugeführte Energie bei den 7-14-jährigen Kindern primär aus Kohlenhydraten, Fett und Eiweiß zusammen.
Die Schulkinder in Westösterreich nahmen durchschnittlich weniger Energie auf als ihre Altersgenossen in Ostösterreich. Außer bei den 7-9-jährigen Mädchen in Ostösterreich lag die Energiezufuhr des untersuchten Kollektivs im Mittel unter den korrespondierenden D-A-CH- Richtwerten. Aus
folgenden Überlegungen ist dennoch keine energetische Unterversorgung der Kinder zu befürchten:
Wie bereits in der Altersgruppe der Vorschulkinder erwähnt, können in allen Altersgruppen von
Wachsenden infolge der großen unterschiedlichen körperlichen Aktivität generell große Unterschiede
28
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Buben
Westen
7-9 Jahre
10-12
Jahre
Osten
13-14
Jahre
7-9 Jahre
10-12
Jahre
D-A-CH
13-14
Jahre
Energie (MJ)
6,3 ± 1,8 6,7 ± 1,6 8,0 ± 2,8 7,8 ± 1,4
8,9 ± 2,3 8,9 ± 2,5 7,9-11,21
E% Eiweiß
15 ± 3
15 ± 3
16 ± 4
15 ± 3
15 ± 3
16 ± 4
10-15
E% KH
51 ± 7
49 ± 7
47 ± 5
50 ± 7
52 ± 6
53 ± 6
>50
10 ± 4
11 ± 3
9±4
13 ± 4
11 ± 3
14 ± 5
-
Ballaststoffe (g)
davon Zucker
13 ± 5
11 ± 3
16 ± 7
14 ± 4
17 ± 5
15 ± 5
-
E% Fett
34 ± 5
36 ± 6
37 ± 6
35 ± 6
33 ± 5
31 ± 6
30-35
davon GFS
16 ± 2
17 ± 1
17 ± 2
17 ± 2
15 ± 2
15 ± 2
max. 10
davon MFS
13 ± 1
13 ± 2
14 ± 2
13 ± 1
12 ± 1
11 ± 2
13
davon PFS
5±1
6±3
6±2
5±2
5±2
5±2
7
242 ± 96
233 ± 94
304 ± 116 350 ± 142 350 ± 119 409 ± 371 max. 300
Cholesterin (mg)
Mädchen
Energie (MJ)
4,9 ± 1,6 6,7 ± 1,5 6,7 ± 2,5 7,2 ± 1,2
7,4 ± 2,4
7,5 ± 2,3
7,1-9,41
E% Eiweiß
14 ± 2
15 ± 3
14 ± 2
14 ± 3
15 ± 3
15 ± 3
10-15
E% KH
50 ± 2
50 ± 7
52 ± 6
50 ± 6
54 ± 7
51 ± 6
>50
11 ± 5
10 ± 4
12 ± 6
13 ± 4
13 ± 5
11 ± 4
-
Ballaststoffe (g)
8±4
13 ± 5
13 ± 6
14 ± 3
16 ± 6
15 ± 5
-
E% Fett
36 ± 5
35 ± 5
34 ± 6
36 ± 6
31± 5
34 ± 6
30-35
davon GFS
18 ± 2
16 ± 2
17 ± 3
17 ± 2
15 ± 2
17 ± 2
max. 10
davon MFS
13 ± 1
13 ± 1
12 ± 2
13 ± 2
11 ± 2
12 ± 2
13
davon PFS
5±2
6±2
5±3
6±2
5±2
5±2
7
davon Zucker
Cholesterin (mg)
212 ± 115 245 ± 139 234 ± 140 314 ± 205 293 ± 149 299 ± 128 max. 300
E%...Energieprozent; KH...Kohlenhydrate; GFS...Gesättigte Fettsäuren; MFS...Monoenfettsäuren; PFS...Polyenfettsäuren;
1 Mittelwerte der Altersgruppe, BMI im Normbereich, mäßige körperliche Aktivität
im Energieumsatz beobachtet werden. Unterschiede in den Arbeitsumsätzen von
Gleichaltrigen um ein Mehrfaches sind keine Seltenheit [Elmadfa und Leitzmann,
1998]. Die angeführten Richtwerte beziehen sich auf "mäßige körperliche Aktivität"
und dementsprechend wären bei "geringer körperlicher Aktivität" nochmals 12%
(entspricht der zweifachen Standardabweichung) abzuziehen. Letztendlich entspricht die Energiezufuhr meist auch dem Energiebedarf.
Abb. 2.12 zeigt den jeweiligen Anteil der einzelnen Energieträger an der Gesamtenergiezufuhr bei den 7-14-Jährigen. Die ermittelte Relation deckt sich nicht
mehr so gut mit den D-A-CH-Richtwerten wie es noch bei den 3-6-jährigen Kindern
der Fall war.
Nahrungsfett hat neben seiner Funktion als Energieträger bereits im Kindesalter einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit. Für letzteres ist vor allem
die aufgenommene Fettmenge und Fettqualität von entscheidender Bedeutung.
Die mittlere Fettzufuhr des untersuchten Kollektivs der Schulkinder überschritt
mit 36% der Gesamtenergiezufuhr die oberen Grenze der Richtwerte. Bei einzelnen Untergruppen der Schulkinder machte der Anteil von Fett an der Gesamtenergiezufuhr sogar mehr als 36% aus, wie beispielsweise bei den 13-14-jährigen Buben in Westösterreich (37%). Die Fettzufuhr der 10-14-jährigen Buben und Mädchen im Osten von Österreich war tendenziell geringer (rund 33%). Leider wurde
29
Tab. 2.10:
Mittlere tägliche Zufuhr
(MW ± SD)
an Energie
und Makronährstoffen
bei österreichischen
Schulkindern
(7-14 J.),
getrennt
nach Alter,
Geschlecht
und Region
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Abb. 2.12
Anteil der
Hauptenergielieferanten an der
Gesamtenergiezufuhr
bei österreichischen
Schulkindern
(7-14 J. )
Kohlenhydrate:
Fett:
Eiweiß:
50-55%
30–35%
10–15%
14%
50%
36%
Kohlenhydrate
Fett
Eiweiß
Abb. 2.13:
Wünschenswerte Höhe
der Fettsäurezufuhr und
die
tatsächliche
Zufuhr bei
österreichischen Schulkindern (714 J.)
% der Gesamtenergiezufuhr
diese "Energielücke" nicht durch eine wünschenswert höhere Kohlenhydrataufnahme kompensiert, sondern durch eine erhöhte Eiweißzufuhr.
Neben der Information über die quantitative Aufnahme an Fett sind jedoch auch
Aussagen zur Fettqualität von Bedeutung. Ein wesentliches Kriterium dabei ist die
Relation der gesättigten (GFS) zu den einfach (MFS) bzw. mehrfach (PFS) ungesättigten Fettsäuren zu einander. Die Aufnahme gesättigter Fettsäuren, welche
hauptsächlich tierischen Ursprungs sind, sollte so gering wie möglich sein. Jedenfalls maximal 10% der Gesamtenergiezufuhr. Dass dieses Kriterium bei weitem nicht
erfüllt wurde, zeigt Abb. 2.13. Der Anteil der GFS an der Energiezufuhr lag im Mittel
sogar bei 17%. Hingegen war die Aufnahme an PFS zu gering (knapp über 5%).
Wie schon bei den 3-6-jährigen Kindern sollte auch bei den Kindern der Altersgruppe von 7-14 Jahren die viel zu hohe Aufnahme an gesättigten zugunsten der
mehrfach ungesättigten Fettsäuren reduziert werden.
Die Schulkinder in Ostösterreich nahmen um durchschnittlich 100 mg pro Tag
mehr Cholesterin auf als ihre Altersgenossen im Westen von Österreich. Der vorgegebene Richtwert von maximal 300 mg pro Tag wurde dabei von den ostösterreichischen Kindern überschritten. Zwar konnte die Assoziation zwischen der Höhe
der Serumcholesterinspiegel und der Höhe des Nahrungscholesterins nicht immer
belegt werden, doch kann die Höhe der Cholesterinzufuhr (<300 mg/d) als "Marker" für eine insgesamt ausgewogene Kost gesehen werden.
Die berechnete durchschnittliche Eiweißdichte lag bei den 7-9-jährigen Kindern in Österreich bei etwa 8 g/MJ und bei den 10-14-jährigen sogar bei über 9
g/MJ. Geschlechts- bzw. regionalspezifische Unterschiede waren lediglich geringfügig. Die entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen betragen für Mädchen dieser Altersgruppen 3,4 g/MJ und für Buben 3,0 g/MJ. Wie zu erkennen ist, liegen die Wer-
20
15
10
5
0
PFS
GFS
Soll (DACH)
MFS
Ist (Volksschulkinder)
PFS…Polyenfettsäuren; GFS…Gesättigte Fettsäuren; MFS…Monoenfettsäuren
30
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Buben Mädte beträchtlich über den Empfehlungen,
chen
womit eine mehr als ausreichende Eiweißversorgung aller Mädchen und Bu↓↓
↓↓
Energie
ben sichergestellt ist. Bezogen auf die
↑↑
↑
Eiweiß
Gesamtenergiezufuhr lag die Eiweißauf↔
↔
Kohlenhydrate
nahme mit rund 15% noch im oberen
Bereich der Richtwerte. Die Proteinzu↔
↔
Ballaststoffe
fuhr aus tierischen Quellen war in allen
↓↓
↓
Fett
Regionen Österreichs höher (2/3) als aus
pflanzlichen Lebensmitteln (1/3). Die
↔
↔
Gesättigte Fettsäuren
deutliche Dominanz des tierischen Proteins kann als nachteilig bewertet wer↔
↔
Monoenfettsäuren
den, da die Aufnahme an tierischem Pro↔
↔
Polyenfettsäuren
tein generell mit einer gleichzeitigen hohen Zufuhr an Fett bzw. gesättigten Fett↓↓
↓↓
Cholesterin
säuren, Cholesterin und – ausgenom↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9%,
↔ nahezu unverändert (< 5%),
men Ei- und Milchprotein – auch an Pu↑(↓) höher (niedriger) um weniger als 9%
rinen verbunden ist [DACH, 2000]. Eine
Erhöhung des Verzehrs pflanzlicher zu
Lasten von tierischen Produkten würde
im allgemeinen eine Verbesserung der Nährstoffrelation nach sich ziehen.
Die mittlere Kohlenhydrataufnahme der Schulkinder erreichte mit einem Anteil von knapp 50% der Energiezufuhr die D-A-CH-Richtwerte. Die Detailanalyse der
einzelnen Kohlenhydratkomponenten ergab ein eher ungünstiges Bild: Es fiel die
relativ hohe Zufuhr an niedermolekularen Kohlenhydraten (Mono- bzw. Disaccharide) zu Lasten der Zufuhr an verwertbaren Polysacchariden auf. Bezogen auf die Gesamtenergiezufuhr lag der Saccharoseanteil (isolierter Rohr-/Rübenzucker bzw.
Haushaltszucker) bei insgesamt rund 12%, wobei die Kinder in Ostösterreich tendenziell mehr Zucker aufnahmen.
Betrachtet man den Zucker für sich, so liefert er ausschließlich schnell umsetzbare Energie und keine Vitamine und Mineralstoffe. Je niedriger jedoch der Gesamtenergieverbrauch (z.B. aufgrund geringer körperlicher Aktivität) ist, desto sorgsamer muss auf eine hohe Nährstoffdichte der Lebensmittel geachtet werden, um
ausreichend mit allen essentiellen Mikronährstoffen versorgt zu sein. Somit gilt auch
für Schulkinder, dass im Sinne einer präventiven Ernährung der Schwerpunkt der
Versorgung mit Kohlenhydraten auf stärkehaltige und ballaststoffreiche Lebensmittel, die auch essentielle Nährstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe enthalten, gelegt werden soll [DACH, 2000].
Bezüglich der Ballaststoffzufuhr wird auch für Kinder ein Richtwert von 2,4
g/MJ als erstrebenswert erachtet [DACH, 2000]. Dem gegenüber lag die durchschnittliche Ballaststoffzufuhr der 7-14-jährigen Buben und Mädchen bei knapp 2,0
g/MJ. Eine Erhöhung der Zufuhr wäre wünschenswert, welche durch einen erhöhten Verzehr von Vollkorngetreideprodukten, Hülsenfrüchten, Kartoffeln und Gemüse leicht erreicht werden könnte.
Vergleicht man die aktuell ermittelten Aufnahmen an Energie und Makronährstoffen mit den Zahlen des Österreichischen Ernährungsberichtes 1998, so zeigen
sich die in Tab. 2.11 dargestellten Veränderungen. Auf die Differenzierung in Altersgruppen wurde verzichtet, da diesbezügliche Unterschiede lediglich gering waren.
Die Energiezufuhr der 7-14-Jährigen ist demnach gesunken. Ohne Daten zur
körperlichen Aktivität, ist dieser Vergleich jedoch problematisch. Da beim Großteil
der Schulkinder in Österreich keine energetische Unterversorgung zu befürchten
ist, kann eher auf eine geringe körperliche Aktivität geschlossen werden.
Die Proteinzufuhr ist angestiegen und erreicht nun bei den Schulkindern sogar
mehr als das Doppelte der empfohlenen Aufnahme.
Hinsichtlich der Fett- und Cholesterinzufuhr zeigt sich eine abfallende Tendenz.
Dennoch ist Fett in der Ernährung weiterhin als kritische Größe anzusehen. Vor al-
31
Tab. 2.11:
Trends (Beobachtungszeitraum
1998-2002)
in der Energie- und
Makronährstoffzufuhr
bei österreichischen
Schulkindern (7-14
J.)
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Buben
Westen
7-9 J.
10-12 J.
Osten
13-14 J.
7-9 J.
10-12 J.
D-A-CH
13-14 J.
Vitamin A1 (mg)
0,7 ± 0,4 0,9 ± 0,7 0,8 ± 0,4 1,0 ± 0,8 0,8 ± 0,4 0,7 ± 0,5 0,8-1,1
β-Carotin2
1,5 ± 1,3 1,4 ± 0,9 1,8 ± 1,7 2,0 ± 1,9 2,0 ± 1,2 1,5 ± 0,8 2-4
Vitamin D (µg)
1,6 ± 1,1 1,4 ± 0,7 1,5 ± 0,8 1,8 ± 1,1 2,1 ± 1,9 1,7 ± 1,2 5
Vitamin E3 (mg)
7,2 ± 2,6 9,0 ± 3,4 10,5 ± 4,0 8,5 ± 3,1 8,0 ± 3,2 7,4 ± 2,9 10-14
Vitamin B1 (mg)
1,0 ± 0,6 1,0 ± 0,4 1,2 ± 0,5 1,3 ± 2,0 1,4 ± 0,6 1,1 ± 0,5 1,0-1,4
Vitamin B2 (mg)
1,2 ± 0,6 1,2 ± 0,5 1,2 ± 0,6 1,5 ± 0,4 1,5 ± 0,5 1,3 ± 0,5 1,1-1,6
Niacin4 (mg)
19 ± 9
20 ± 7
25 ± 8
26 ± 4
28 ± 9
29 ± 12
12-18
Pantothensäure (mg) 3,6 ± 2,2 3,5 ± 1,6 3,9 ± 1,4 4,8 ± 1,6 4,7 ± 1,6 4,0 ± 1,7 5-6
Vitamin B6 (mg)
1,2 ± 0,8 1,2 ± 0,5 1,4 ± 0,7 1,7 ± 0,6 1,5 ± 0,6 1,5 ± 1,0 0,7-1,4
Biotin (µg)
28 ± 25
Folsäure5 (µg)
169 ± 91 152 ± 81 152 ± 61 207 ± 63 222 ± 80 203 ± 62 300-400
Vitamin B12 (µg)
3,5 ± 1,6 4,2 ± 2,2 4,5 ± 1,7 4,4 ± 2,6 4,2 ± 1,5 4,9 ± 3,1 1,8-3,0
Vitamin C (mg)
85 ± 55
30 ± 14
70 ± 42
33 ± 13
81 ± 45
40 ± 20
39 ± 11
34 ± 11
130 ± 77 119 ± 65 71 ± 45
15-35
80-100
Mädchen
Vitamin A1 (mg)
0,7 ± 0,5 0,7 ± 0,3 0,6 ± 0,3 0,8 ± 0,7 0,7 ± 0,5 0,8 ± 0,6 0,8-1,0
β-Carotin2
1,3 ± 1,2 1,5 ± 1,0 1,4 ± 1,2 1,8 ± 1,7 1,9 ± 1,1
Vitamin D (µg)
1,3 ± 0,8 1,4 ± 1,0 1,3 ± 0,8 1,9 ± 1,2 1,5 ± 1,1 1,5 ± 0,8 5
Vitamin E3 (mg)
5,9 ± 3,0 9,9 ± 3,4 9,2 ± 5,9 8,0 ± 3,0 7,1 ± 2,9 6,5 ± 2,3 10-14
Vitamin B1 (mg)
0,8 ± 0,4 1,1 ± 0,5 0,9 ± 0,3 1,1 ± 0,4 1,1 ± 0,5 1,1 ± 0,5 1,0-1,1
Vitamin B2 (mg)
0,9 ± 0,4 1,2 ± 0,5 1,0 ± 0,3 1,3 ± 0,4 1,3 ± 0,5 1,2 ± 0,5 1,1-1,3
Niacin4 (mg)
14 ± 6
20 ± 7
18 ± 7
23 ± 6
25 ± 15
2,1 ± 2,0 2-4
24 ± 10
12-15
Pantothensäure (mg) 2,9 ± 1,3 3,5 ± 1,2 3,1 ± 1,1 4,2 ± 1,4 4,1 ± 2,9 3,7 ± 1,4 5-6
Vitamin B6 (mg)
1,0 ± 0,4 1,3 ± 0,6 1,1 ± 0,5 1,5 ± 0,5 1,6 ± 2,6 1,3 ± 0,6 0,7-1,4
Biotin (µg)
23 ± 10
Folsäure5 (µg)
132 ± 68 169 ± 86 151 ± 61 189 ± 51 196 ± 73 183 ± 60 300-400
Vitamin B12 (µg)
2,9 ± 1,6 3,2 ± 1,4 2,8 ± 1,0 4,1 ± 3,1 3,8 ± 4,5 3,9 ± 2,5 1,8-3,0
Vitamin C (mg)
63 ± 33
32 ± 16
77 ± 35
29 ± 12
85 ± 50
37 ± 17
33 ± 12
33 ± 11
115 ± 66 102 ± 66 99 ± 73
15-35
80-100
1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin;
2 dieser Wert mal 0,16 ist in den Retinol-Äquivalenten enthalten;
3 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 +
mg γ-Tocopherol x 0,25 + mg α-Tocotrienol x 0,33;
4 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan;
5 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA)
Tab. 2.12
Mittlere tägliche Vitaminzufuhr (MW ± SD) bei österreichischen Schulkindern (7-14 J.),
getrennt nach Alter, Geschlecht und Region
lem auch hinsichtlich der Qualität des aufgenommenen Fettes, da die Zufuhr an
gesättigten Fettsäuren unverändert hoch ist.
Als Folge der hohen Zufuhr an Fett und Protein blieb die Kohlenhydrataufnahme auf einem niedrigen Niveau. Letztendlich wurde auch der Richtwert für die
Ballaststoffaufnahme weiterhin nicht erreicht.
32
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Zufuhr an Mikronährstoffen bei Schulkindern
Tab. 2.12 und 2.13 zeigen die anhand von Verzehrsprotokollen (7-d-Wiegeprotokoll) ermittelte Mikronährstoffaufnahme (MW ± SD) von österreichischen Schulkindern (7-14 Jahre). Die Einteilung nach Altersgruppen entspricht wiederum derselben Einteilung wie in den D-A-CH-Referenzwerten. Damit soll die Bewertung der
ermittelten Zahlenwerte erleichtert bzw. überhaupt erst ermöglicht werden.
Generell zeigte sich bei den österreichischen Schulkindern eine sehr uneinheitliche Zufuhr an Mikronährstoffen. Dabei scheint die Vitaminversorgung in Ostösterreich insgesamt besser zu sein als in Westösterreich. Vermutlich hängt diese
Beobachtung mit der erwähnt höheren Nahrungsenergieaufnahme der Schulkinder
im Osten des Bundesgebietes zusammen. Differenziert man die Mikronährstoffaufnahme nach dem Geschlecht, waren die Buben tendenziell besser versorgt als die
Mädchen derselben Altersklasse. Davon auszunehmen waren jedoch die 10-12-jährigen Buben in Westösterreich. Das Kollektiv der 13-14-Jährigen war unter den
Schulkindern relativ zu den D-A-CH-Referenzwerten am schlechtesten versorgt. Eine Erklärung dafür sind sicher die hoch angesetzten Referenzwerte der Nährstoffe
für diese Altersgruppe, die teilweise über den Erwachsenenwerten liegen. Da jedoch auch die Richtwerte für die Energiezufuhr entsprechend hoch sind, sollten die
Vorgaben dennoch zu erreichen sein. Voraussetzung dafür ist eine Lebensmittelauswahl mit entsprechend hoher Nährstoffdichte, wie sie z.B. Vollkornprodukte, fettarme Milchprodukte, Gemüse und Obst aufweisen.
Im Vergleich zu den D-A-CH-Referenzwerten ergab sich bei Vitamin D und bei
Nahrungsfolat eine deutlich zu geringe Aufnahme durch die Nahrung. Demnach
sind bei diesen beiden Vitaminen die höchsten Prävalenzen einer unzureichenden
Versorgung zu erwarten.
Bei Vitamin D reichen zwar bereits 15-30 Minuten Sonnenexposition von Hand
und Gesicht um den täglichen Vitamin D-Bedarf zu decken [HCN, 2000], allerdings
erreicht in unseren Breiten die maßgebliche UVB-Strahlung zwischen November und
April nicht die Erdoberfläche [Zittermann, 2003]. Bei den heute üblichen Lebensgewohnheiten der Kinder kann auch nicht immer vorausgesetzt werden, dass alle
Kinder genügend oft der Sonne ausgesetzt sind. Deshalb sollte vor allem im Hinblick auf die Knochengesundheit auch auf eine adäquate Vitamin D-Zufuhr über Lebensmittel geachtet werden.
Buben
Westen
Osten
Tab. 2.13:
Mittlere tägliche Zufuhr
(MW ± SD)
an Mineralstoffen und
Spurenelementen bei
österreichischen Schulkindern (714 J.), getrennt nach
Alter, Geschlecht und
Region
D-A-CH
Calcium (mg)
7-9 Jahre 10-12
13-14
7-9
10-12
13-14
Jahre
Jahre
Jahre
Jahre
Jahre
718 ± 384 611 ± 240 632 ± 290 742 ± 253 819 ± 308 733 ± 296 900-1200
Kalium (g)
1,7 ± 0,7 1,6 ± 0,5 2,0 ± 0,7 2,1 ± 0,5 2,3 ± 0,6 2,1 ± 0,8 1,6-1,9
Magnesium (mg) 241 ± 94 192 ± 56 240 ± 103 243 ± 55 292 ± 82 297 ± 125 170-310
Eisen (mg)
10,0 ± 4,2 8,9 ± 2,6 11,3 ± 4,8 11,5 ± 2,7 12,0 ± 3,6 12,6 ± 3,7 10-12
Zink (mg)
7,7 ± 2,8
7,6 ± 2,7
10,1 ± 3,6 8,1 ± 1,6 10,5 ±3
11,1 ± 3,8 7,0-9,5
Jod (µg)
90 ± 55
85 ± 33
99 ± 27
100 ± 50 140-200
102 ± 39 96 ± 41
Mädchen
Calcium (mg)
560 ± 215 628 ± 172 645 ± 303 664 ± 214 667 ± 254 688 ± 276 900-1200
Kalium (g)
1,6 ± 0,4 1,7 ± 0,4 1,7 ± 0,6 1,9 ± 0,5 2,0 ± 0,7 2,0 ± 0,6 1,6-1,9
Magnesium (mg) 186 ± 58 202 ± 64 200 ± 67 224 ± 52 255 ± 83 255 ± 85 170-310
Eisen (mg)
8,4 ± 2,7 9,5 ± 3,8 8,4 ± 2,8 10,1 ± 2,6 10,4 ± 3,7 10,7 ± 3,4 10-15
Zink (mg)
6,6 ± 1,8 7,5 ± 2,6 7,4 ± 2,7
7,9 ± 1,7
8,5 ± 3,1 9,1 ± 3,4 7,0
Jod (µg)
84 ± 32
98 ± 36
88 ± 45
87 ± 26
89 ± 46
33
91 ± 39
140-200
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Tab. 2.14
Trends (Beobachtungszeitraum
1998-2002)
in der Mikronährstoffzufuhr bei
österreichischen Schulkindern (714 J.)
Buben
Mädchen Buben
7-9 J.
Mädchen Buben
10-12 J.
Mädchen
13-14 J.
Vitamin A1
↑↑
Vitamin D
↔
↔
↓
↓
↓
↓
Vitamin E2
↓
↓↓
↔
↔
↓↓
↓↓
Vitamin B1
↑↑
↑↑
↑↑
↑↑
↔
↔
Vitamin B2
↔
↔
↔
↑
↓↓
↓↓
Vitamin B6
↑↑
↑↑
↑
↑↑
↔
↔
Folsäure3
↑
↔
↔
↑
↓↓
↓↓
Vitamin B12
↓↓
↑
↔
↔
↔
↓↓
Calcium
↔
↓
↓↓
↓
↓↓
↓↓
Kalium
↓↓
↓↓
↓↓
↓↓
↓↓
↓↓
Magnesium
↔
↓
↓↓
↔
↓↓
↓↓
↑↑
↑↑
↑↑
↔
↓
Eisen
↔
↔
↓
↔
↓
↓↓
Jod
↓↓
↓↓
↓↓
↓↓
↓↓
↓↓
Zink
↔
↔
↔
↔
↔
↓
1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin;
2 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γ-Tocoph-
erol x 0,25 + mg α-Tocotrienol x 0,33;
3 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA)
↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9%, ↔ nahezu unverändert (<5%);
↑ (↓) höher (niedriger) um weniger als 9%;
Vitamin C-Aufnahme wurde 1998 nicht bewertet
Bei den Vitaminen B1, B2, A und C lag die durchschnittliche Zufuhr der Studienpopulation großteils im Bereich der entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen. Einzelne Subgruppen lagen jedoch auch darunter. Die Versorgungslage ist demnach
auch bei den genannten Vitaminen verbesserungswürdig, da aufgrund der Verzehrsdaten unzureichende Aufnahmen nicht bei allen Kindern ausgeschlossen werden können.
Bei Vitamin B12, Niacin und großteils auch bei Vitamin B6 ist hingegen eine
gute Versorgungslage zu erwarten. Die mittleren Aufnahmemengen des Kollektivs
lagen großzügig über den jeweiligen D-A-CH-Empfehlungen.
Die mittlere Vitamin E-Aufnahme des Gesamtkollektivs lag unter den korrespondierenden D-A-CH-Schätzwerten. Aussagen über die Versorgungslage sind jedoch schwierig, da der Vitamin E-Bedarf nicht ausreichend genau bestimmt werden kann. Eine Verbesserung der Vitamin E-Versorgung könnte relativ einfach durch
eine wünschenswert höhere Zufuhr an pflanzlichen Ölen, im Austausch gegen tierische Fette, erreicht werden.
Im Mittel lag auch die Pantothensäureaufnahme der Kinder unter dem D-ACH-Schätzwert, jedoch kommen Mangelerscheinungen an diesem Vitamin nur sehr
selten vor.
Bei Biotin ist eine Unterversorgung ebenfalls unwahrscheinlich, da die mittleren täglichen Aufnahmen an diesem Vitamin durchwegs oberhalb des Schätzwertbereichs der D-A-CH-Referenzwerte lagen.
Hinsichtlich der Zufuhr an Mineralstoffen bzw. Spurenelementen zeigte sich weitgehend der gleiche Trend wie bei den Vitaminen, nämlich höhere Aufnahmemengen der Kinder in Ostösterreich. Zum Teil kann die geringere Mikronährstoffzufuhr
im Westen des Bundesgebietes sicher mit der ebenfalls geringeren Nahrungsenergiezufuhr erklärt werden.
34
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Beurteilt man nun die Versorgungslage der Schulkinder an Mineralstoffen und
Spurenelementen anhand der korrespondierenden D-A-CH-Referenzwerte so ist diese insgesamt nicht sehr zufriedenstellend.
Vor allem hinsichtlich der durchschnittlichen Calcium- und Jodaufnahme wurden die D-A-CH-Referenzwerte bei weitem nicht erreicht. Die Calcium- und Jodversorgung der Schulkinder ist demnach unzureichend.
Auch bei Magnesium, Zink und Eisen muss aufgrund der Verzehrsdaten mit
entsprechend hohen Prävalenzen unzureichender Aufnahmen gerechnet werden.
Die Kaliumversorgung kann hingegen als weitgehend zufriedenstellend beurteilt werden.
Tab. 2.14 zeigt die relativen Veränderungen in der Mikronährstoffzufuhr im Vergleich zu den Daten des Österreichischen Ernährungsberichtes 1998.
Die Empfehlungen für die Folsäurezufuhr wurden auch für Kinder und Jugendliche erhöht, da der Einfluss von Folsäure auf die Homocysteinkonzentration im Plasma mit berücksichtigt worden ist [DACH, 2000]. Die Versorgung mit diesem wichtigen Vitamin ist nach wie vor nicht ausreichend und sinkende Aufnahmen zeigten
sich vor allem im Kollektiv der 13-14-jährigen Kinder. Ein ähnlicher Trend ergibt sich
hinsichtlich der Vitamin D-Versorgung. Da Vitamin D neben anderen Nährstoffen eine hervorragende Rolle in der Knochentwicklung von Kindern zukommt, sollte einerseits auf häufige körperliche Aktivität im Freien und andererseits auch auf eine
ausreichende alimentäre Vitamin D-Zufuhr geachtet werden. Eine ungünstige Entwicklung lässt sich auch bezüglich der Vitamin E-Versorgung beobachten sowie generell bei den Mineralstoffen und Spurenelementen (außer Zink).
Lebensmittelverzehrsmengen von Schulkindern
Für das Teilkollektiv der Volksschulkinder (7-9 J.) wurde eine Menükomponentenanalyse durchgeführt. Die berechneten mittleren Verzehrsmengen der 7-9-jährigen Buben und Mädchen wurden mit wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen der "Optimierten Mischkost" (OptimiX) [Alexy und Kersting, 1999] für 7-9-Jährige verglichen. Wie bereits erwähnt, soll OpitimiX die Ernährungsbedürfnisse von
Heranwachsenden optimal berücksichtigen. Dabei ist es realistisch und ausreichend,
wenn die Verzehrsmengen im Durchschnitt innerhalb einer Woche erreicht werden.
Das Ergebnis der Berechnungen zeigt eine insgesamt sehr unausgewogene Zusammenstellung der Kost (Tab. 2.15). Vor allem Gemüse, Getreideprodukte und
auch Fisch wurden in viel zu geringem Umfang konsumiert. Der Verzehr von Obst,
Milchprodukten (bevorzugt fettarme Varianten) sowie der Getränkekonsum sollte
ebenfalls gesteigert werden. Zu diesen genannten Gruppen zählen durchwegs Lebensmittel mit einem hohen Gehalt an essentiellen Nährstoffen sowie anderen für
Lebensmittelgruppe
Empfohlene StudienerMengen
gebnis
% der Empfehlungen
Fleisch, Wurst (g/d)
50
130
260 %
Mehlspeisen, Süßigkeiten (g/d)
Max. 60
70
117 %
Getränke (ml/d)
900
789
88 %
Milch, Milchprodukte (ml/d)
400
283
71 %
Obst (exkl. Fruchtsäfte) (g/d)
220
130
59 %
Fisch (g/Woche)
150
84
56 %
Nudeln, Reis, Kartoffel, Getreide (g/d)
150
82
55 %
Brot und Getreideflocken (g/d)
200
110
55 %
Eier (Stück/Woche)
2
1
50 %
Gemüse (g/d)
220
96
44 %
35
Tab. 2.15:
Vergleich der
wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen (Optimierte
Mischkost)
mit tatsächlichen Verzehrsdaten
(7-d-Wiegeprotokoll,
n=326)
bei österreichischen
Schulkindern
(7-9 J.)
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Gesundheit und Wohlbefinden zuträglichen Inhaltsstoffen. Da sich diese Lebensmittel auch durch einen relativ geringen Energiegehalt und somit hoher Nährstoffdichte auszeichnen, wäre eine Steigerung des aktuellen Verzehrs sehr wünschenswert. Gleichzeitig könnte der Konsum von Fleisch, Wurst
und Süßigkeiten ohne weiteres um die Hälfte reduziert werden. Dieses Ernährungsverhalten der Volksschulkinder ähnelt bereits dem der Erwachsenen, welches "typisch für Mitteleuropa" ist. Mit dem hohen Verzehr von Fleisch, Wurst, Mehlspeisen und Süßigkeiten geht die vorhin beschriebene hohe Aufnahme an Haushaltszucker, Fett, gesättigten Fettsäuren und Proteinen sowie die geringe Ballaststoffzufuhr einher. Von Kindheit an geübte ungünstige Ernährungsgewohnheiten werden im Erwachsenenalter meist nur noch schwer abgelegt. Die Ernährungs- und Gesundheitsaufklärung an den Schulen sollte jedenfalls weiter verstärkt werden.
36
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
2.3.3 Lehrlinge (15-18 J.)
Zusammenfassung
Zusammengefasst zeigt die erste in Österreich durchgeführte Untersuchung des Ernährungszustands von Lehrlingen in einigen Belangen eine verbesserungswürdige Situation. Mengenmäßig entsprachen die Kohlenhydrat-, Fett- und Proteinaufnahmen weitgehend den D-A-CH-Richtwerten. Die
Auswertung der Wiegeprotokolle zeigte jedoch einige qualitative Mängel auf. Ungünstige Ernährungsgewohnheiten führten vor allem zu einer hohen Aufnahme an gesättigten Fettsäuren und im
Gegensatz dazu wurden zu wenig mehrfach ungesättigte Fettsäuren aufgenommen. Ein besonderes
Augenmerk ist auf die Versorgung mit α-Linolensäure zu legen. Die mittlere Aufnahme lag im Kollektiv der Lehrlinge unter dem D-A-CH-Schätzwert. Weitere Risikonährstoffe sind Folsäure, Vitamin D
(bei nicht ausreichender Sonnenexposition), Jod, Calcium, Magnesium sowie Eisen bei den weiblichen
Lehrlingen. Lehrlinge scheinen eine besondere Vorliebe für Fleisch, Wurst und Süßigkeiten zu haben.
Das führte dazu, dass bis zu 18% der Energiezufuhr aus Zucker stammte und die Ballaststoffzufuhr
lediglich bei 50% der Richtwerte lag. Außerdem war trotz hoher Energieaufnahme die Versorgung
mit Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen insgesamt nicht sehr zufriedenstellend. Es sind
somit verstärkt Interventionsprogramme nötig, um das Ernährungsverhalten dieser wichtigen Bevölkerungsgruppe zu verbessern.
Allgemeines
Die Untersuchung zum Ernährungszustand von 110 österreichischen Lehrlingen (15-18 Jahre)
wurde in einem Wiener Lehrlingsheim durchgeführt. Die Lehrlinge kamen aus acht österreichischen
Bundesländern und besuchten für 10 Wochen die Berufsschule in Wien. Die Erhebung war in zwei
Teilbereiche gegliedert. Im ersten Teil wurden mittels Fragebogen die allgemeinen Rahmendaten, Daten zum Thema Körper und Gesundheit sowie das Ernährungswissen erhoben. Im zweiten Teil wurde mittels Food Frequency Questionnaire (FFQ) sowie einem 3-Tage-Wiegeprotokoll die Ernährungsgewohnheiten und die Energie- bzw. Nährstoffaufnahme ermittelt. Der Großteil der Lehrlinge (n=73)
wurde ersucht, auch einen 4. Tag Protokoll zu führen. Dabei handelte es sich um einen Tag am Wochenende, um dadurch etwaige Abweichungen zu erfassen. Die entsprechenden Ergebnisse sind in
die Auswertung eingeflossen, wobei die Abweichungen zum 3-Tages-Protokoll allerdings nur marginal waren. Die Studie trägt im Rahmen der ÖSES (Österreichische Studie zum Ernährungsstatus) dazu bei, eine möglichst umfassende Beschreibung des Ernährungszustands einzelner Bevölkerungsgruppen in Österreich zu liefern.
110 Lehrlinge aus vier verschiedenen Berufsgruppen wurden befragt. Der Erfassungszeitraum erstreckte sich von Ende Oktober 2001 bis Mitte Januar 2002. 102 Fragebögen und Protokolle konnten
für die statistische Auswertung verwendet werden. 45% der Studienteilnehmer waren männlich und
55% weiblich. Da die Studie in einem Lehrlingsheim in Wien durchgeführt wurde, in dem ausschließlich
Lehrlinge aus den Bundesländern wohnten, wurden keine Wiener Lehrlinge berücksichtigt. Diese Personengruppe wird zu einem späteren Zeitpunkt gesondert untersucht.
Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei Lehrlingen
Tab. 2.16 zeigt die mittels 3-d-Wiegeprotokoll ermittelten Ergebnisse zur Energie- und Makronährstoffaufnahme von österreichischen Lehrlingen (15-18 Jahre). Als Orientierungshilfe sind die jeweils korrespondierenden D-A-CH-Referenzwerte angeführt.
Erwartungsgemäß war die Energieaufnahme der männlichen Lehrlinge mit durchschnittlich 11
MJ pro Tag (2630 kcal/d) signifikant höher als die der weiblichen (p<0,001). Die mittlere tägliche
Energieaufnahme der Mädchen lag bei 8,6 MJ (2064 kcal). Damit lag sowohl das männliche als auch
das weibliche Kollektiv unter den entsprechenden D-A-CH-Richtwerten. Wie jedoch schon mehrmals
erwähnt, ist es grundsätzlich problematisch hinsichtlich der Energiezufuhr, einen einheitlichen Richtwert für ein Kollektiv zugrunde zu legen. Für die Energiebilanz ist neben der Energiezufuhr auch der
Energieverbrauch durch körperliche Aktivität entscheidend. Zudem können große physiologische
Unterschiede, z.B. in der fettfreien Körpermasse und im Grundumsatz auch innerhalb derselben Bevölkerungsgruppe bestehen. Diese Faktoren erschweren die Bewertung der Energiebilanz. Außerdem
beziehen sich die D-A-CH-Richtwerte auf Personen mit einem wünschenswerten Normalgewicht (BMI
im Normbereich) und einer wünschenswerten körperlichen Aktivität.
Da die Energiezufuhr im Allgemeinen sehr gut mit dem Energieverbrauch korreliert [IOM, 2000],
lässt die geringe Energieaufnahme eher auf eine geringe körperliche Aktivität schließen. Letztendlich
37
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Tab. 2.16
Mittlere tägliche Zufuhr
(MW ± SD)
an Energie
und Makronährstoffen
bei österreichischen
Lehrlingen
(15-18 J.)
männlich
weiblich
D-A-CH
m
w
13
10,5
Energie (MJ)
11,0 ± 2,7
8,6 ± 1,7
E% Eiweiß
16 ± 3
15 ± 3
10-15
E% KH
49 ± 6
51 ± 7
>50
davon Zucker
16 ± 6
18 ± 6
-
Ballaststoffe (g)
14 ± 5
15 ± 5
>30
E% Fett
31 ± 6
34 ± 6
30-35
davon GFS
15 ± 2
16 ± 3
max. 10
davon MFS
11 ± 2
12 ± 1
13
davon PFS
5±2
6±2
Cholesterin (mg)
367 ± 131
262 ± 93
max. 300
7
E% Alkohol
4,5 ± 5,6
0,7 ± 1,6
-
E%...Energieprozent; KH...Kohlenhydrate; GFS...Gesättigte Fettsäuren; MFS...Monoenfettsäuren; PFS...Polyenfettsäuren
Tab. 2.17:
Mittlere tägliche Zufuhr
an Linolsäure
und
α-Linolensäure (MW ±
SD) in g und
Energie% bei
österreichischen Lehrlingen (1518 J.)
kann der tatsächliche Energiebedarf einer Person am besten durch regelmäßige
Gewichtskontrollen beurteilt werden.
Die durchschnittliche Proteinzufuhr betrug bei den männlichen Lehrlingen 99
g und bei den weiblichen 72 g pro Tag. Damit lag das männliche Kollektiv um mehr
als 60% über den Empfehlungen und das weibliche um etwa 50%. In Bezug zur
Gesamtenergiezufuhr wurde der D-A-CH-Richtwert von maximal 15% von den
männlichen Lehrlingen knapp überschritten. Etwa zwei Drittel des aufgenommenen Proteins stammte aus tierischen Quellen, wobei es diesbezüglich keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern gab.
Diese deutliche Dominanz des tierischen Anteils kann als nachteilig bewertet
werden, da die Aufnahme an Protein tierischen Ursprungs generell mit einer gleichzeitigen Zufuhr an Fett bzw. gesättigten Fettsäuren, Cholesterin und – ausgenommen Ei- und Milchprotein – auch an Purinen verbunden ist [DACH, 2000]. Eine Hebung des Verzehrs pflanzlicher zu Lasten von tierischen Produkten würde im
Allgemeinen eine Verbesserung der Nährstoffrelation bewirken.
In quantitativer Hinsicht entsprach die durchschnittliche Fettaufnahme der
Lehrlinge den Richtwerten.
Jedoch spielt auch die Art bzw. Qualität des zugeführten Fettes eine wesentliche präventive Rolle in der Gesunderhaltung. Leider wurden die diesbezüglichen
Vorgaben, wie auch schon bei anderen Bevölkerungsgruppen, nicht erreicht. Bei
den männlichen Lehrlingen lag der Anteil der gesättigten Fettsäuren (GFS) an der
Gesamtenergiezufuhr bei 14% bzw. bei den weiblichen Lehrlingen bei über 15%.
Hingegen sollte die Zufuhr gesättigter Fettsäuren 10% der Gesamtenergiezufuhr nicht überschreiten. Der Richtwert für die Aufnahme an mehrfach ungesätmännlich
weiblich
D-A-CH
Linolsäure (n-6) in g
9,7 ± 3,9
9,0 ± 3,0
-
α-Linolensäure (n-3) in g
1,2 ± 0,6
1,0 ± 0,4
-
Linolsäure (n-6) in %
3,4 ± 1,3
4,0 ± 1,3
2,5
α-Linolensäure (n-3) in %
0,42 ± 0,21
0,45 ± 0,17
0,5*
n-6 : n-3 Fettsäuren
8:1
9:1
5:1
* Schätzwert
38
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
männlich weiblich
tigten Fettsäuren (PFS) wird mit etwa
7% der Energiezufuhr angegeben
Alkohol (g/d)
18 ± 27 2 ± 4
[DACH, 2000]. Diese Aufnahmemenge
E% Alkohol
4,5 ± 5,6 0,7 ± 1,6
wurde wiederum weder von den weibE%...Energieprozent
lichen noch von den männlichen Jugendlichen erreicht. Die Zufuhr an einfach ungesättigten Fettsäuren (MFS)
entsprach hingegen den D-A-CH-Richtwerten.
Bei den PFS hat das Verhältnis zwischen n-6 Fettsäuren (Linolsäure) und n-3
Fettsäuren (α-Linolensäure) Priorität.
Die Relation von n-6 zu n-3 Fettsäuren sollte bei 5:1 liegen [DACH, 2000]. Laut
den aktuellen Verzehrsdaten ergab sich bei männlichen Lehrlingen jedoch ein Verhältnis von 8:1 und bei den weiblichen von 9:1 (Tab. 2.17).
Für Linolsäure wird in den D-A-CH-Referenzwerten eine Aufnahme von etwa
2,5% der Gesamtenergiezufuhr empfohlen. Wie obige Tabelle zeigt, lag die berechnete mittlere Zufuhr der Lehrlinge in einem Bereich, der eine gute Versorgungslage an Linolsäure erwartet lässt.
Hingegen sollte die Zufuhr an α-Linolensäure höher sein. Die durchschnittliche tägliche Aufnahme lag unter dem D-A-CH-Schätzwert von 0,5 Energie%. α-Linolensäure wird neben dem essentiellen Mindestbedarf auch eine bedeutende Rolle in der Prävention ernährungsabhängiger Erkrankungen (insbesondere KHK) zugeschrieben [HCN, 2001].
Die mittlere Cholesterinaufnahme der männlichen Lehrlinge lag bei 367 mg pro
Tag und überschritt somit den als Obergrenze formulierten Richtwert von 300 mg/d
[DACH, 2000]. Die weiblichen Lehrlinge lagen mit einer durchschnittlichen Cholesterinzufuhr von 262 mg pro Tag unter diesem Wert. Die hohe Cholesterinzufuhr
der männlichen Probanden, lässt auf einen höheren Konsum von tierischen Lebensmitteln schließen. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Cholesterinaufnahme waren signifikant (p<0,01). Unabhängig vom Geschlecht korrelierte
die Cholesterinaufnahme hoch signifikant positiv mit der Höhe der Energieaufnahme, mit der Proteinzufuhr (insbesondere von tierischen Proteinen) und dem
Konsum gesättigter Fettsäuren (p<0,001).
Die durchschnittliche Kohlenhydratzufuhr lag im Kollektiv der Lehrlinge bei
knapp 50% der Gesamtenergieaufnahme. Damit wurde der Richtwert mehr oder
weniger erreicht. Ein sehr großer Anteil davon stammte jedoch aus dem Verzehr
von Saccharose (Haushaltszucker). Vor allem weibliche Lehrlinge nahmen durchschnittlich 18% der Gesamtenergiezufuhr in Form von Zucker auf. Betrachtet man
den Zucker isoliert, so liefert er ausschließlich schnell verwertbare Energie und keine Vitamine und Mineralstoffe.
Bei entsprechend hohem Zuckerkonsum ist deshalb mit einer geringeren Versorgung an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen zu rechnen [IOM,
2002].
Die mittlere tägliche Aufnahme an Ballaststoffen lag um 50% unter dem DA-CH-Referenzwert von mindestens 30 g/d. Die geringe Ballaststoffaufnahme in
dieser Studie zeigt, dass der Verzehr von Getreide, Vollkornprodukten, Obst, Gemüse, Kartoffeln und Hülsenfrüchten in dieser Altersgruppe zu niedrig ist. Das Ergebnis spiegelte sich auch in der Auswertung des Food Frequency Questionnaire
(FFQ) wider.
Insbesondere bei männlichen Lehrlingen trug Alkohol mit einem Anteil von
durchschnittlich etwa 4,5% nicht unwesentlich zur täglichen Gesamtenergiezufuhr
bei. Weibliche Lehrlinge nahmen sowohl absolut als auch relativ zur Gesamtenergiezufuhr signifikant (p<0,05) weniger Alkohol zu sich (Tab. 2.18). Der Alkoholkonsum war durch große Schwankungen innerhalb des Kollektivs gekennzeichnet.
So nahmen manche Lehrlinge gar keinen Alkohol zu sich und andere wieder täglich. Die Auswertung des FFQ ergab, dass 13% der männlichen Jugendlichen fast
täglich und über 50% ein- bis dreimal pro Woche Bier oder Wein tranken, während es bei den weiblichen Lehrlingen deutlich weniger waren.
39
Tab. 2.18
Mittlere tägliche Alkoholzufuhr (MW
± SD) bei
österreichischen Lehrlingen (1518 J.)
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Tab. 2.19
Vergleich der
mittleren
täglichen
Energie- und
Makronährstoffzufuhr
bei österreichischen
Lehrlingen
(15-18 J.)
mit den Zufuhrdaten
gleichaltriger
Schüler
(Österreichischer Ernährungsbericht
1998)
männ- weiblich
lich
Energie
↓
↔
Eiweiß
↑
↑↑
Kohlenhydrate
↓
↔
Fett
↓↓
↔
Alkohol
↑↑
↑↑
Cholesterin
↔
↓↓
Ballaststoffe
↓↓
↓↓
Gesättigte Fettsäuren
↔
↔
Monoenfettsäuren
↔
↔
Polyenfettsäuren
↔
↔
↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9%,
↔ nahezu unverändert (< 5%),
↑ (↓) höher (niedriger) um weniger als 9%
Tab. 2.19 vergleicht die aktuellen
Aufnahmemengen an Energie und Makronährstoffen Österreichischer Lehrlinge mit den im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 dokumentierten
Aufnahmedaten von Schülern derselben Altersgruppe. Die aufgezeigten
Unterschiede können jedoch sowohl
auf veränderte Verzehrsgewohnheiten
als auch auf die unterschiedliche sozioökonomische Struktur (Lehrlinge vs.
Schüler) des Kollektivs zurückzuführen
sein. Wie dieser Vergleich erkennen
lässt, ergibt sich aus dem Ernährungsverhalten der Lehrlinge ein sehr ungünstiges Verzehrsmuster. Mit Ausnahme der Cholesterinzufuhr bei den weiblichen Lehrlingen ist die Charakteristik
der Zufuhr an Makronährstoffen deutlich schlechter als sie 1998 im Kollektiv
der gleichaltrigen Schüler war.
Zufuhr an Mikronährstoffen bei Lehrlingen
Im folgenden Abschnitt wird die anhand von Wiegeprotokollen ermittelte Mikronährstoffaufnahme von österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) beschrieben. Durch
den Bezug zu den korrespondierenden D-A-CH-Referenzwerten sollen Nährstoffe
mit etwaiger ungenügender Zufuhr identifiziert werden (Tab. 2.20).
Die Zufuhr an Nahrungsfolat muss aufgrund der vorliegenden Daten als unzureichend charakterisiert werden. Die entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen
wurden vom Kollektiv der Lehrlinge im Mittel nicht einmal zu 50% erreicht.
Tab. 2.20
Mittlere tägliche Zufuhr
(MW ± SD)
an Vitaminen
bei österreichischen
Lehrlingen
(15-18 J.)
männlich
weiblich
Vitamin A1 (mg)
0,9 ± 0,5
0,9 ± 0,5
D-A-CH
m
w
1,1
0,9
β-Carotin2 (mg)
1,6 ± 1,7
2,1 ± 2,2
2-4
Vitamin D (µg)
1,3 ± 0,7
1,5 ± 1,0
Vitamin E3 (mg)
9,9 ± 4,3
10,9 ± 4,6
15
12
Vitamin B1 (mg)
1,4 ± 0,4
1,1 ± 0,4
1,3
1,0
Vitamin B2 (mg)
1,4 ± 0,5
1,3 ± 0,5
1,5
1,2
Niacin4 (mg)
38 ± 16
25 ± 6
Pantothensäure (mg)
5,7 ± 3,4
4,3 ± 1,8
Vitamin B6 (mg)
2,0 ± 1,0
1,6 ± 0,9
Biotin (µg)
41 ± 23
42 ± 38
30-60
Folsäure5 (µg)
175 ± 61
164 ± 62
400
Vitamin B12 (µg)
5,2 ± 1,9
3,5 ± 1,4
3,0
Vitamin C (mg)
88 ± 56
109 ± 80
100
5
17
13
6
1,6
1,2
1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin;
2 dieser Wert mal 0,16 ist in den Retinol-Äquivalenten enthalten;
3 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γ-Tocoph-
erol x 0,25 + mg α-Tocotrienol x 0,33;
4 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan;
5 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA)
40
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
männlich
weiblich
Auch die Vitamin D-Aufnahmen
waren nicht zufriedenstellend. Die Stu↓↓
↔
Vitamin A1
dienteilnehmer
erreichten
durch↓↓
↓↓
Vitamin
D
schnittlich nur etwa 25% der empfohlenen Menge [DACH, 2000]. Allerdings
↓
↑
Vitamin E2
ist die notwendige Vitamin D-Zufuhr
Vitamin B1
↓
↔
insbesondere
im
Wachstumsalter
Vitamin B2
↓↓
↓
wegen der bedarfsdeckenden Eigensynthese bei ausreichender UV-ExposiVitamin B6
↔
↔
tion schwer festzustellen. Der Vitamin
↔
↔
Folsäure3
D-Status kann deshalb nur anhand von
Vitamin B12
↓↓
↓↓
laborchemischen Messungen verlässlich bestimmt werden. Durch die Mes1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg
sung des im Blut zirkulierenden Hauptall-trans-β-Carotin;
2 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tometaboliten (25-Hydroxy-Cholecalcifcopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γerol) wird nämlich sowohl die endogeTocopherol x 0,25 + mg α-Tocotrienol x
ne Synthese als auch die alimentäre Zu0,33;
3 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfofuhr berücksichtigt.
lat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure
Nur sehr wenige Lebensmittel wie
(PGA)
z.B. fettreiche Fische (Hering, Makre↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9%,
le), Lebertran, Leber, Margarine (ange↔ nahezu unverändert (<5%);
reichert) und Eigelb enthalten Vitamin
↑ (↓) höher (niedriger) um weniger als 9%;
Vitamin C-Aufnahme wurde 1998 nicht beD in nennenswerten Mengen [DACH,
wertet
2000]. Dies macht deutlich, dass eine
Deckung des Bedarfs durch eine übliche Mischkost nur schwer möglich ist.
Bei Vitamin B2, Vitamin C und Vitamin A lagen die durchschnittlichen Aufnahmen der weiblichen Probanden über den jeweiligen D-A-CH-Referenzwerten
und die der männlichen knapp darunter. Somit ist die Wahrscheinlichkeit, dass Einzelpersonen unzureichend mit diesen Vitaminen versorgt sind, bei den männlichen
Lehrlingen größer. Verbesserungswürdig sind die Zufuhrmengen jedoch auch bei
den weiblichen Lehrlingen.
Im Mittel lagen die Vitamin B6-, B12- und B1-Aufnahmen der Studienteilnehmer über den entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen. Die Versorgung sollte
somit beim Großteil der Lehrlinge ausreichend sein. Bei den männlichen Lehrlingen ist vor allem eine sehr gute Vitamin B12-Versorgung zu erwarten.
Die durchschnittliche Niacinzufuhr des Gesamtkollektivs lag sogar rund 100%
über der korrespondierenden D-A-CH-Empfehlung. Die Niacinversorgung kann
demnach als sehr zufriedenstellend beurteilt werden.
Die mittlere Vitamin E-Aufnahme lag insbesondere bei den männlichen Lehrlingen weit unter dem D-A-CH-Schätzwert. Aussagen über die Versorgungslage sind
jedoch schwierig, da der Vitamin E-Bedarf nicht ausreichend genau bestimmt werden kann. Vitamin E wird hinsichtlich chronischer Erkrankungen als möglicherweise
präventiv wirksam diskutiert, deshalb wäre schon alleine unter diesem Aspekt eine höhere Vitamin E-Zufuhr wünschenswert.
Im Mittel lag die Pantothensäureaufnahme zwar auch unter dem D-A-CHSchätzwert, jedoch kommt ein Pantothensäuremangel generell nur sehr selten vor,
da der Mindestbedarf offenbar immer gedeckt wird [DACH, 2000].
Bei Biotin ist eine Unterversorgung ebenfalls unwahrscheinlich. Der in den DA-CH-Referenzwerten angegebene Schätzwertbereich wurde aus der durchschnittlichen Zufuhr adäquat ernährter Bevölkerungsgruppen abgeleitet und die
mittlere Biotinzufuhr der Lehrlinge lag zumindest innerhalb dieses Bereichs.
Tab. 2.21 vergleicht die aktuelle Vitaminzufuhr des Lehrlingskollektivs (15-18
J.) mit den im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 dargestellten Aufnahmemengen gleichaltriger Schüler. Außer bei Folsäure und Vitamin B6 sind die Vitaminaufnahmen der Lehrlinge demnach schlechter als sie 1998 bei den 15-18-jäh-
41
Tab. 2.21
Vergleich der
mittleren
täglichen Vitaminzufuhr
bei österreichischen
Lehrlinge
(15-18 J.)
mit den Zufuhrdaten
gleichaltriger
Schüler
(Österreichischer Ernährungsbericht
1998)
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Abb. 2.14
Abweichung
(in %) der
mittleren
täglichen Vitaminzufuhr
von den D-ACH-Referenzwerten bei
österreichischen Lehrlingen (1518 J.)
100
75
männlich
weiblich
50
25
D-A-CH0
-25
-50
-75
-100
Niacin
B12
B6
B1
B2
Vit. C
Vit. A
Vit. E
Folat
Vit. D
Vitamin K wurde noch nicht exakt bewertet
Tab. 2.22
Mittlere tägliche Zufuhr
(MW ± SD)
an Mineralstoffen/Spurenelementen bei
österreichischen Lehrlingen (1518 J.)
Tab. 2.23
Vergleich der
mittleren
täglichen Zufuhr an Mineralstoffen/Sp
urenelementen bei
österreichischen Lehrlingen (1518 J.)
mit den Zufuhrdaten
gleichaltriger
Schüler
(Österreichischer Ernährungsbericht
1998)
männlich
weiblich
Calcium (mg)
675 ± 277
718 ± 276
D-A-CH
m
w
1200
Kalium (g)
2,3 ± 0,7
2,1 ± 0,7
2
Magnesium (mg)
289 ± 102
245 ± 73
400
350
Eisen (mg)
12,2 ± 3,2
10,0 ± 2,5
12
15
Zink (mg)
11,0 ± 2,8
9,0 ± 2,1
10
Jod (µg)
106 ± 32
106 ± 376
7
200
rigen Schülern waren. Die Mineralstoff- und Spurenelementzufuhr der Lehrlinge
war generell nicht sehr zufriedenstellend (Tab. 2.22).
Insbesondere sind die mit der Nahrung aufgenommenen Mengen an Magnesium, Calcium und Jod als unzureichend zu charakterisieren. Die durchschnittliche Zufuhr an diesen Mikronährstoffen lag beträchtlich unter den korrespondierenden D-A-CH-Empfehlungen.
Hinsichtlich der Eisenversorgung sind vor allem die weiblichen Lehrlinge als
Risikogruppe einzustufen, da die mittlere Eisenzufuhr des weiblichen Kollektivs bei
lediglich zwei Drittel der empfohlenen Menge lag [DACH, 2000].
Die durchschnittliche Zinkaufnahme der Studiengruppe lag über dem D-A-CHReferenzwert. Dementsprechend sollte die Prävalenz einer unzureichenden Zinkversorgung gering sein.
Die Kaliumzufuhr wurde anhand des D-A-CH-Schätzwerts bewertet. Im Mittel
wurde dieser Schätzwert für eine minimale Zufuhr von den Lehrlingen erreicht bzw.
leicht überschritten. Die Kaliumversorgung ist demnach ausreichend.
Allgemein sind für Kinder und Jugendliche bei einer mitteleuropäischen gemischten Kost, Kaliumaufnahmen im Bereich von 2 bis 3g/d zu erwarten.
Die durchschnittliche Mineralstoffund Spurenelementzufuhr stellte sich
männlich
weiblich
bei den österreichischen Lehrlingen
↓↓
↓↓
Calcium
(15-18 Jahre) im Vergleich zu gleichaltrigen Schülern (Österreichischer Er↓↓
↓↓
Kalium
nährungsbericht
1998)
generell
↓↓
↓↓
Magnesium
schlechter dar (Tab. 2.23). Wie bereits
erwähnt, können diese Beobachtungen
↓↓
↔
Eisen
einerseits auf veränderte Verzehrsge↓↓
↓↓
Zink
wohnheiten oder andererseits auch auf
↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9%,
die unterschiedliche sozioökonomische
↔ nahezu unverändert (< 5%),
Struktur (Lehrlinge vs. Schüler) des Kol↑ (↓) höher (niedriger) um weniger als 9%
lektivs zurückzuführen sein.
42
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
50
m ännlich
w eiblich
25
D-A-CH0
-25
-50
Zink
Kalium
Eisen
Mg
Ca
Jod
Phosphor, Chlorid, Kupfer, Mangan: Unterversorgung unwahrscheinlich;
Fluorid, Selen, Chrom: noch nicht exakt bewertet
Abb. 2.15
Abweichung
(in %) der
mittleren
täglichen Zufuhr an Mineralstoffen/Sp
urenelementen von den
D-A-CH-Referenzwerten
bei österreichischen
Lehrlingen
(15-18 J.)
Ernährungswissen von österreichischen Lehrlingen
Das Ernährungsverhalten wird unter anderem durch das eigene Ernährungswissen beeinflusst. Zwar spielen vor allem im Jugendalter auch sozialökologische
Einflüsse, wie z.B. Elternhaus, peer-groups und Arbeitsplatz eine bedeutende Rolle in der Lebensmittelauswahl, jedoch stellt die Förderung des individuellen Ernährungswissens eine grundlegende Möglichkeit dar, das Ernährungsverhalten zu
verbessern.
Das Ernährungswissen der Lehrlinge wurde anhand der Anzahl richtiger Antworten aus einem eigens für diesen Zweck entwickelten Fragebogen beurteilt und
anschließend mit dem subjektiven Ernährungswissen des Kollektivs verglichen. Die
Bewertung des tatsächlichen Wissens erfolgte anhand eines Punktesystems, wobei für jede richtige Antwort ein Punkt vergeben wurde:
- gut (25-32 Punkte)
- befriedigend (16-24 Punkte)
- mangelhaft (0-15 Punkte)
Bei der Einschätzung des eigenen Wissens (subjektives Ernährungswissens)
konnte ebenfalls zwischen gut, befriedigend und mangelhaft gewählt werden. Die
Auswertung ergab insgesamt ein nicht sehr zufriedenstellendes Bild (Abb. 2.16),
wobei sich signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern (p<0,05) zeigten.
Über der Hälfte der männlichen Lehrlinge konnte lediglich ein mangelhaftes
Ernährungswissen attestiert werden. Bei den weiblichen Lehrlingen waren es 21%.
Über ein gutes Ernährungswissen verfügten lediglich knapp 4% der weiblichen Studienteilnehmer und keiner der männlichen!
Unterschiede im Ernährungswissen zeigten sich auch hinsichtlich des höchsten
Schulabschlusses vor der Lehre. Absolventen einer Haushaltungsschule oder landwirtschaftlichen Fachschule schnitten besser ab als Lehrlinge, die als 9. Schulstufe einen Polytechnischen Lehrgang absolvierten.
Die größte Übereinstimmung zwischen dem tatsächlichen Ernährungswissen
und der subjektiven Einschätzung fand
man sowohl bei männlichen als auch bei
100%
weiblichen Lehrlingen mit befriedigen80%
den Ernährungskenntnissen. 62% der
m angelhaft
60%
männlichen bzw. 74% der weiblichen
befriedigend
Lehrlinge schätzten ihr Ernährungswis40%
gut
sens als befriedigend ein und zeigten tat20%
sächlich ein solches Ernährungswissen.
0%
Bei jenen, die ein mangelhaftes Ernähm ännlich w eiblich
rungswissen aufwiesen, stimmte die
43
Abb. 2.16
Ernährungswissen
Österreichischer Lehrlinge (15-18
Jahre), (Angaben in %)
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
subjektive Einschätzung bei 20% der männlichen Jugendlichen und bei 8% der weiblichen Jugendlichen überein.
"Milchprodukte sind wichtig für unsere Ernährung, weil sie reich an Calcium sind", wurde von
64% aller Studienteilnehmer richtig beantwortet. 24% gaben eine falsche Antwort und 12% kreuzten die Möglichkeit "weiß nicht" an.
Bei der Beantwortung dieser Frage bestand zwischen männlichen und weiblichen Lehrlingen ein
signifikanter Unterschied (p<0,05). Mehr junge Frauen als Männer konnten die richtige Antwort geben.
Auf die Fragestellung "welche der folgenden Nahrungsmittel enthalten deiner Meinung nach nennenswerte Mengen an Vitamin C?" wussten über 80% der Teilnehmer, dass Zitrusfrüchte sehr reich
an Vitamin C sind. Grüner Paprika wurde nur von 37% der männlichen und von immerhin 71% der
weiblichen Lehrlinge als Vitamin C-haltiges Nahrungsmittel richtig erkannt. 15% der männlichen Lehrlinge hielten aber auch Milchprodukte fälschlicherweise für reich an Vitamin C.
Knapp 60% der Lehrlinge wussten nicht, dass man unter Kilokalorien (kcal) den Energiegehalt
der Nahrung versteht. Die meisten Lehrlinge verstanden darunter den "Fettgehalt der Nahrung".
Die Bedeutung der Ballaststoffe für das Sättigungsgefühl und für die Verdauung wurde von über
zwei Drittel der weiblichen Lehrlinge (70%) und von einem etwas geringeren Prozentsatz der männlichen Lehrlinge (60%) richtig erkannt. Die dritte zutreffende Antwort (Prävention von Darmkrankheiten) wurde von etwa einem Drittel der weiblichen Lehrlinge und einem Viertel der männlichen
Lehrlinge richtig bewertet.
Butter wurde von mehr als der Hälfte der Studienteilnehmer richtig als cholesterinreiches Nahrungsmittel erkannt, während es bei den Innereien nur etwa ein Fünftel war. Eigelb wurde vom weiblichen Kollektiv zu über 50% und vom männlichen zu 37% als Nahrungsmittel mit einem relativ hohen Cholesteringehalt bewertet. 40% der weiblichen Lehrlinge kreuzten auch Nüsse fälschlicherweise
als cholesterinreiches Lebensmittel an. Mehr als ein Drittel aller Befragten schätzten fälschlicherweise
auch Alkohol als cholesterinreich ein.
Auf die Frage: "Wie häufig informierst du dich bewusst über Ernährung?" zeigte sich ein ernüchterndes Ergebnis: 54% bzw. 39% der männlichen Lehrlinge meinten, sie informieren sich selten
bzw. nie bewusst über Ernährung. Bei den Mädchen informierten sich 70% selten und 20% nie.
Zu den wichtigsten Ernährungsinformationsquellen für Lehrlinge zählten in erster Linie Berichte
und Sendungen im Fernsehen (49,5%), gefolgt von Informationen aus dem Kreis der Familie/Bekannten/Freunde (47,5%) und Artikeln aus Zeitschriften und Illustrierten (41,5%). Das Internet (6%)
und die Werbung aus Radio (10%) und Tageszeitungen (14%) spielten für Jugendliche als Informationsquellen keine Rolle.
Die befragten Lehrlinge weisen großteils erhebliche Defizite im Ernährungswissen auf. Demnach
besteht großer Handlungsbedarf, um österreichische Lehrlinge verstärkt über Ernährungsthemen aufzuklären bzw. zu informieren. Lehrlingsausbildungsstätten und Berufsschulen können als ideale Stätten angesehen werden, um Aufgaben in diesem Bereich zu übernehmen. Insbesondere im Jugendalter finden Entwicklungsprozesse statt, die gegenwärtige und zukünftige Ernährungsgewohnheiten
entscheidend prägen können. Somit sollte auch in Berufsschulen die Chance genützt werden, auf diese Prozesse positiv einzuwirken. Ohne Zweifel könnte damit ein wesentlicher Beitrag zur Gesundheitsförderung der Bevölkerung geleistet werden.
Ernährungsverhalten und -gewohnheiten von Lehrlingen
Das Ernährungsverhalten wird zusammenfassend als die Art und Weise der individuellen Nahrungsauswahl, -zubereitung und -aufnahme beschrieben. Ernährungsbezogene Verhaltensweisen sind
die Folge des Zusammenspiels von anlage- und umweltbedingten Einflussfaktoren [BECKER, 1992].
Fast ein Fünftel der männlichen Lehrlinge gab an, nicht regelmäßig zu frühstücken. Bei den weiblichen Lehrlingen waren es nur knapp 9%. Der Großteil (78% bzw. 75%) nahm das Frühstück zu
Hause bzw. im Heim ein. 16% der jungen Frauen aßen ihr Frühstück erst am Arbeitsplatz bzw. in der
Berufsschule.
Die Vormittagsjause wurde von fast einem Viertel der männlichen Lehrlinge und von fast der Hälfte (45 %) der weiblichen Lehrlinge regelmäßig ausgelassen.
Das Mittagessen fand bei den meisten männlichen Lehrlingen entweder zu Hause/im Heim oder
am Arbeitsplatz/in der Berufsschule statt. Bei den weiblichen Lehrlingen waren die häufigsten Antworten Arbeitsplatz/Schule und Restaurant/Gasthaus. Immerhin ein Zehntel der Mädchen nahm das
44
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Lebensmittelgruppe
Empfohlene StudienerMengen
gebnis
% der Empfehlungen
Fleisch, Wurst (g/d)
90
151
168 %
Mehlspeisen, Süßigkeiten (g/d)
Max. 80
110
138 %
Getränke (ml/d)
1400
1526
109 %
Fette, Öle, Butter (g/d)
35
28
80 %
Nudeln, Reis, Kartoffeln, Getreide (g/d)
250
157
63 %
Obst (exkl. Fruchtsäfte) (g/d)
300
135
45 %
Milch, Milchprodukte (ml/d)
500
193
39 %
Brot und Getreideflocken (g/d)
300
116
39 %
Eier (Stück/Woche)
3
1
33 %
Gemüse (g/d)
300
77
26 %
Fisch (g/Woche)
200
41
21 %
Mittagessen bei einem Schnellimbiss oder einer Würstelbude ein, bei den Jungen
lag der Anteil unter 5%.
Das Abendessen wurde von 87% der männlichen und von 96% der weiblichen
Lehrlinge entweder zu Hause oder im Heim gegessen. Wurde eine Spätmahlzeit
verzehrt, so geschah dies zum größten Teil auch zu Hause. Allerdings suchten dafür auch rund 11% der männlichen Lehrlinge einen Schnellimbiss oder eine Würstelbude auf.
Etwa drei Viertel der Studienteilnehmer bezeichneten ihre Ernährungsform als
gemischte Normalkost. Der Anteil der männlichen Lehrlinge war hier um etwa 20%
höher. 20% der weiblichen Lehrlinge bevorzugten eine gemischte Kost unter Berücksichtigung von Gesundheitsaspekten, und weitere 16% der weiblichen Teilnehmer gaben an, vor allem Gemüse, Obst, Vollkornprodukte, aber wenig Fleisch
zu essen. Bei den Jungen lag der Anteil an den beiden letzt genannten Ernährungsformen unter 10%. Vegetarisch ernährte sich keiner der befragten Lehrlinge.
Über die Hälfte der Studienteilnehmer meinten selbst, täglich zu wenig Vollkornprodukte zu essen, und über 40% waren der Ansicht, dass ihr Fischkonsum
zu gering sei. Betreffend Gemüse- und Obstkonsum meinten besonders die männlichen Jugendlichen, dass ihre Verzehrshäufigkeit ungenügend sei (38% für Gemüse und Salate / 42% für Obst). Ein Drittel der jungen Frauen schätzte den täglichen Konsum von Milch- und Milchprodukten als zu gering ein. Dieser Meinung
waren hingegen nur 15% der jungen Männer. 40% der weiblichen Lehrlinge meinten, nicht genügend Flüssigkeit aufzunehmen, bei den männlichen Lehrlingen waren es rund 10%.
Lebensmittelverzehrsmengen von Lehrlingen
Mithilfe einer vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien
entwickelten Access-Datenbank (auf Basis des Bundeslebensmittelschlüssels II.3)
konnte eine Menükomponentenanalyse durchgeführt werden. Die berechneten
mittleren Verzehrsmengen der Lehrlinge wurden mit wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen der "Optimierten Mischkost" (OptimiX) [ALEXY und KERSTING, 1999] für 15-18-Jährige verglichen (Tab. 2.24). OpitimiX wurde vom Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund entwickelt und soll einerseits den
Nährstoffbedarf von Heranwachsenden decken und andererseits auch präventive
Aspekte in der Ernährung berücksichtigen. In diesem Ernährungskonzept werden
die in Deutschland üblichen Ernährungsgewohnheiten, die Verfügbarkeit und Kosten der Lebensmittel ebenso berücksichtigt wie Essensvorlieben und -abneigungen von Heranwachsenden. Dabei ist es realistisch und ausreichend, wenn die Verzehrsmengen im Durchschnitt innerhalb einer Woche erreicht werden.
45
Tab. 2.24:
Vergleich der
wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen (Optimierte
Mischkost)
mit den tatsächlichen
Verzehrsdaten (3-dWiegeprotokoll, n=110)
bei österreichischen
Lehrlingen
(15-18 J.)
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Die Berechnungen ergaben eine unausgewogene Lebensmittelauswahl. Lebensmittel mit hoher
Nährstoffdichte, wie z.B. Gemüse, Obst, Milchprodukte und vor allem auch Fisch wurden in viel zu
geringem Umfang konsumiert.
Diese Ergebnisse bestätigen die anhand der Wiegeprotokolle ermittelten unzureichenden Aufnahmen an Nahrungsfolat, Vitamin D, Calcium und Jod.
Anzustreben und wünschenswert wäre eine Annäherung der Verzehrsgewohnheiten an die empfohlenen Verzehrsmengen. Dadurch würde sich u. a. die Versorgung mit Ballaststoffen, Vitaminen,
Mineralstoffen und auch sekundären Pflanzenstoffen entscheidend verbessern.
Der hohe Fleisch- und Wurstkonsum führte im Wesentlichen zur überhöhten Zufuhr an Fett, gesättigten Fettsäuren und Cholesterin. Bei der Vorliebe für Fleisch und Wurst ergab sich ein signifikanter (p<0,001) Unterschied zwischen den Geschlechtern, wobei männliche Lehrlinge durchschnittlich
188 g/d und weibliche Lehrlinge 120 g/d verzehrten.
In der "Optimierten Mischkost" gehören Kuchen, Torten und Süßigkeiten in die Gruppe der "geduldeten Lebensmittel". Die Vorliebe der Lehrlinge gerade für diese Lebensmittel spiegelt sich im hohen Verzehr von durchschnittlich 110 g pro Tag wider.
Die Getränkeaufnahme kann aufgrund der berechneten Gesamttrinkmenge (durchschnittlich 1500
ml pro Tag) positiv beurteilt werden. Allerdings müssen die Qualität betreffend auch hier Einschränkungen gemacht werden, da der Anteil von alkoholischen Getränken (durchschnittlich 203 ml pro Tag)
und Colagetränken (durchschnittlich 250 ml pro Tag) an der Gesamttrinkmenge sehr hoch war.
46
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
2.4 Erwachsene
Zusammenfassung
Fett ist in der Ernährung der erwachsenen Bevölkerung in Österreich nach wie vor als kritischer Nährstoff anzusehen. Je nach Altersgruppe lag die Fettzufuhr des untersuchten Kollektivs zwischen 35 und
39% der Nahrungsenergieaufnahme. Im Vergleich zu den im Österreichischen Ernährungsbericht 1998
dokumentierten Daten, ist der Fettverzehr auch lediglich tendenziell gesunken. Neben der zugeführten
Fettmenge ist die Fettqualität für die Gesunderhaltung ebenso bedeutend. In dieser Hinsicht muss die Zufuhr an gesättigten Fettsäuren nach wie vor als zu hoch beurteilt werden. Im Gegensatz dazu wäre eine
höhere Zufuhr an mehrfach ungesättigten Fettsäuren (PFS) wünschenswert. Für die praktische Umsetzung bedeutet das, dass weniger tierische Fette (Wurst, Fleisch, fettreiche Milchprodukte...) verzehrt werden sollten und stattdessen mehr Pflanzenöle, wobei solche mit einem hohen Gehalt an α-Linolensäure
(z.B. Raps-, Soja- und Walnussöl) zu bevorzugen sind. Die richtige Auswahl der Öle würde auch die Relation der aufgenommenen PFS dem empfohlenen Verhältnis n-6 zu n-3 Fettsäuren von 5:1 näher bringen (aktuell ist es 8:1).
Als Folge der hohen Fett- und Proteinaufnahme war die Kohlenhydratzufuhr der Studienpopulation zu gering. Reis, Nudeln, Vollkorngetreide, Kartoffel etc. sind stärkehaltige und ballaststoffreiche
Kohlenhydratlieferanten, die sich durch einen hohen Vitamin- und Mineralstoffgehalt und eine geringe Energiedichte auszeichnen. Ein höherer Verzehr von Gemüse, Obst, fettarmen Milchprodukten
und Fisch, würden zusammen mit den zuvor genannten Lebensmitteln auch die Versorgungslage an
den Risikonährstoffen Folsäure, Vitamin D, Jod und Calcium sowie Eisen bei Frauen im gebärfähigen
Alter, entscheidend verbessern.
Allgemeines
Der Österreichische Ernährungsbericht von 1998 stellte erstmals eine Situationsanalyse des Ernährungszustands der Erwachsenen in Österreich dar. Um international weiterhin vergleichbare Daten zu liefern und die Entwicklung des Ernährungszustands beurteilen zu können, wurden im Zeitraum von 1998 bis 2001 abermals Ernährungsprotokolle von Erwachsenen in Österreich gesammelt
und ausgewertet. Zusätzlich wurde mit Hilfe von Strukturfragebögen das Ernährungswissen, die Quellen der Ernährungsinformation sowie das allgemeine Ernährungsverhalten erfasst. Nicht zuletzt konnte aus den Angaben der Probanden zu Körpergewicht und Körpergröße auch der Body Mass Index
(BMI) errechnet werden. Ein Ziel ist die Suche und Erfassung von Risikogruppen. In der Folge soll
durch verbesserte lebensmittelbasierte Empfehlungen möglichst die gesamte Bevölkerung sowohl
vor einer Unterversorgung als auch vor einer Überversorgung an einzelnen Nährstoffen im Sinne der
Prävention vor Krankheiten geschützt werden.
Auch diesmal bildete die Evaluation der 24-h-Verzehrsprotokolle die Basis, um die Nährstoffversorgung zu beurteilen. Die Ergebnisse der 24-h-Recalls haben zwar nicht dieselbe Genauigkeit wie
Wiegeprotokolle, jedoch eignet sich dieses Instrument sehr gut, um die tägliche Versorgung mit
Mikro- und Makronährstoffen von größeren Bevölkerungsgruppen abzuschätzen bzw. Trends in der
Nährstoffzufuhr zu beobachten.
In den folgenden Abschnitten soll die Energie- und Nährstoffversorgung der österreichischen Erwachsenen beschrieben werden. Für die Darstellung der Ergebnisse wurden zwei Betrachtungsweisen gewählt. Zunächst wurde die Aufnahme nach Geschlechts- und Altersgruppen getrennt bewertet (Absolutaufnahmen und Vergleich mit den D-A-CH-Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr). Anschließend fand eine Differenzierung nach Ernährungsformen statt, um eventuelle Unterschiede bezüglich Energie- und Nährstoffaufnahmen erkennen zu können.
Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei Erwachsenen
Tab. 2.26 zeigt die mittels 24-h-Recall ermittelten Ergebnisse zur Energie- und Hauptnährstoffaufnahme bei Erwachsenen. Als Orientierungshilfe sind die jeweils korrespondierenden D-A-CH-Referenzwerte angeführt.
Erwartungsgemäß war die durchschnittliche Energieaufnahme der Männer mit rund 11 MJ (2540
kcal) pro Tag höher als die der Frauen (8 MJ / 2000 kcal pro Tag). Beinahe alle betrachteten Bevölkerungsgruppen lagen unter den jeweiligen D-A-CH-Referenzwerten. Aus folgenden Überlegungen
ist dennoch keine energetische Unterversorgung der österreichischen Bevölkerung zu befürchten:
47
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Tab. 2.25
Charakteristik der
Stichprobe
(n=2581)
Geschlecht
Altersverteilung
weiblich
männlich
≤ 24 J.
25 - 50 J. 51 - 64 J. ≥ 65 J.
n=2581
1568
1013
560
1280
620
113
%
60,8
39,2
21,7
49,9
24
4,4
Grundsätzlich ist es problematisch, hinsichtlich der Energiezufuhr für ein Kollektiv einen einheitlichen Richtwert festzulegen. Für die Energiebilanz ist neben der
Energiezufuhr auch der Energieverbrauch durch körperliche Aktivität entscheidend.
Zudem können große physiologische Unterschiede, z.B. in der fettfreien Körpermasse und im Grundumsatz auch innerhalb derselben Bevölkerungsgruppe bestehen. Diese Faktoren erschweren die Bewertung der Energiebilanz. Außerdem
beziehen sich die D-A-CH-Richtwerte auf Personen mit einem wünschenswerten
Normalgewicht (BMI im Normbereich, 20-24 kg/m2) und einer wünschenswerten
körperlichen Aktivität (PAL = 1,6-1,75, je nach Altersgruppe).
Tab. 2.26:
Mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Energie und Makronährstoffen bei österreichischen Erwachsenen, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht
Frauen
gesamt
=24 J.
25-50 J.
51-64 J.
=65 J.
D-A-CH
Energie (MJ)
8,4 ± 2,9
8,8 ± 2,9
8,4 ± 2,9
8,5 ± 2,7
6,7 ± 2,4
7,5-10*
E% Eiweiß
15 ± 4
14 ± 4
15 ± 5
15 ± 5
17 ± 5
10-15
E% KH
46 ± 11
48 ± 11
45 ± 11
44 ± 10
44 ± 10
>50
davon Zucker
11 ± 7
12 ± 7
11 ± 6
10 ± 6
7±4
-
Ballaststoffe (g)
19 ± 9
19 ± 8
19 ± 9
19 ± 8
17 ± 8
>30
E% Fett
36 ± 10
36 ± 10
36 ± 10
38 ± 9
37 ± 9
30
davon GFS
16 ± 5
16 ± 5
17 ± 5
17 ± 3
18 ± 5
max. 10
davon MFS
14 ± 4
14 ± 5
13 ± 4
15 ± 3
13 ± 3
13
davon PFS
6±3
6±3
6±3
6±3
6±4
7
Cholesterin (mg)
317 ± 203
323 ± 212
306 ± 204
333 ± 187
338 ± 218
max. 300
E% Alkohol
3±5
2±5
4±5
3±5
2±5
-
Energie (MJ)
10,6 ± 4,0
11,3 ± 4,7
10,7 ± 3,9
10,6 ± 3,7
8,0 ± 2,9
9,5-12,5*
E% Eiweiß
15 ± 5
15 ± 5
15 ± 5
15 ± 5
18 ± 7
10-15
E% KH
43 ± 10
45 ± 11
43 ± 10
41 ± 9
41 ± 11
>50
Männer
davon Zucker
10 ± 7
10 ± 7
10 ± 7
9±6
6±5
-
Ballaststoffe (g)
20 ± 9
19 ± 9
20 ± 9
21 ± 9
19 ± 10
>30
E% Fett
37 ± 10
36 ± 10
37 ± 10
39 ± 9
35 ± 11
30
davon GFS
17 ± 5
17 ± 5
17 ± 5
18 ± 4
16 ± 6
max. 10
davon MFS
14 ± 4
13 ± 4
14 ± 4
15 ± 4
13 ± 5
13
davon PFS
6±3
6±4
6±3
6±5
6±2
7
Cholesterin (mg)
429 ± 328
411 ± 286
436 ± 383
440 ± 257
366 ± 181
max. 300
E% Alkohol
5±6
4±7
5±6
5±6
6±7
-
E%...Energie%; KH…Kohlenhydrate; GFS…Gesättigte Fettsäuren; MFS…Monoenfettsäuren; PFS…Polyenfettsäuren;
* Richtwerte für die durchschnittliche Energiezufuhr in MJ bei Personen mit einem BMI im Normbereich und mit altersangepasster habitueller körperlicher Aktivität, PAL zwischen 1,6-1,75
48
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
% der Gesamtenergiezufuhr
Männer
Frauen
Da die Energiezufuhr im Allgemeinen sehr gut mit dem Energieverbrauch
tierisches
59 ± 30
44 ± 25
korreliert [IOM, 2000], lässt die gerinProtein (g)
ge Energieaufnahme eher auf eine gepflanzliches 31 ± 14
26 ± 11
ringe körperliche Aktivität schließen.
Protein (g)
Letztendlich kann der tatsächliche
Gesamt (g) 90 ± 35
70 ± 27
Energiebedarf einer Person am besten
durch regelmäßige Gewichtskontrollen
beurteilt werden.
Österreichische Erwachsene führten im Mittel ca. 1,2 g Protein pro kg Körpergewicht und Tag zu sich. Damit lag die Proteinzufuhr etwa 50% über den Empfehlungen (0,8 g pro kg Körpergewicht und Tag). Bezogen auf die Gesamtenergiezufuhr lag der Proteinanteil bei etwa 15% und somit noch im Bereich der Richtwerte. Personen die bereits das 65. Lebensjahr erreicht hatten, nahmen mit ihrer
täglichen Nahrung rund 17,5% der Gesamtenergiezufuhr in Form von Eiweiß zu
sich. Frauen in dieser Altersgruppe konsumierten bezogen auf die Gesamtenergiezufuhr etwas weniger Eiweiß als Männer. Der prozentuelle Anteil von Eiweiß an
der Energiezufuhr der erwachsenen Bevölkerung ist während der letzen Jahre nahezu unverändert geblieben und entspricht dem üblichen Ernährungsmuster aller
industrialisierten Länder, in denen tierische Produkte (Fleisch, Milch- und Milchprodukte, Wurst) einen großen Stellenwert haben. So stammten in der aktuellen
Untersuchung auch etwa 2/3 der zugeführten Proteine aus tierischen Quellen.
Ebenfalls hoch war die Fettzufuhr. Für Erwachsene mit leichter bis mittelschwerer Arbeit nennen die D-A-CH-Referenzwerte eine Fettzufuhr von 30% der
Gesamtenergiezufuhr als Richtwert (bei hohem Energiebedarf bis 35 Energie%).
Jedoch lag der mittlere Fettverzehr der Erwachsenen bei rund 37%. Das entspricht
den Richtwerten für Schwerstarbeiter.
Neben der Fettmenge ist die Art bzw. die Qualität des zugeführten Fettes eine wesentliche präventive Maßnahme zur Gesunderhaltung.
In diesem Sinne sollten gesättigte Fettsäuren (GFS) nicht mehr als 10% der
Gesamtenergiezufuhr liefern, der Anteil der mehrfach ungesättigten Fettsäuren
(PFS) sollte bei etwa 7% liegen und die verbleibende Fettzufuhr sollte von einfach
ungesättigten Fettsäuren (MFS) gedeckt werden. Die MFS sollen den Hauptanteil
ausmachen und können je nach Energiebedarf auch bis zu 13% zur Gesamtenergiezufuhr beitragen. Insgesamt wäre ein Verhältnis der Summe der ungesättigten
Tab. 2.27
Mittlere tägliche Proteinzufuhr (MW
± SD) bei
österreichischen Erwachsenen
(Angaben in
g)
20
15
10
5
0
PFS
GFS
Soll (DACH)
MFS
Ist (Kollektiv)
PFS…Polyenfettsäuren; GFS…Gesättigte Fettsäuren;
MFS…Monoenfettsäuren
49
Abb. 2.17
Wünschenswerte Höhe
der Fettsäurezufuhr für
Personen mit
leichter und
mittelschwerer Arbeit
und die tatsächliche Zufuhr bei
österreichischen Erwachsenen
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Tab. 2.28
Mittlere tägliche Aufnahme an Linolsäure und αLinolensäure
(MW ± SD)
in g und
Energie% bei
österreichischen Erwachsenen
Männer
Frauen
D-A-CH
Linolsäure (n-6) in g
12,5 ± 8,6
9,8 ± 7,2
-
α-Linolensäure (n-3) in g
1,5 ± 0,8
1,3 ± 0,8
-
Linolsäure (n-6) in %
4,5 ± 2,7
4,4 ± 2,8
2,5
α-Linolensäure (n-3) in %
0,54 ± 0,21
0,58 ± 0,24
0,5*
n-6 : n-3 Fettsäuren
8:1
8:1
5:1
* Schätzwert
zu gesättigten Fettsäuren von mindestens 2:1 wünschenswert, wobei der Quotient
PFS/GFS etwa 0,7 beträgt [DACH, 2000].
Wie in Abb. 2.17 leicht zu erkennen ist, wurden die wünschenswerten Vorgaben vom untersuchten Kollektiv bei weitem nicht erreicht. Der hohe Anteil an GFS
an der Gesamtenergieaufnahme (16-18%) in allen Alters- und Geschlechtsgruppen, sowie die überhöhte Cholesterinzufuhr, insbesondere bei den Männern, bestätigten den hohen Verzehr von tierischen Produkten.
Bei den PFS hat das Verhältnis zwischen n-6 Fettsäuren (Linolsäure) und n-3
Fettsäuren (α-Linolensäure) Priorität. Die Relation von n-6 zu n-3 Fettsäuren sollte laut D-A-CH-Referenzwerten weniger als 5:1 betragen. Aufgrund der aktuellen
Verzehrsdaten ergab sich jedoch ein Verhältnis von 8:1 (Tab. 2.28).
Für Linolsäure wird in den D-A-CH-Referenzwerten eine Aufnahme von etwa
2,5% der Gesamtenergiezufuhr empfohlen. Da die beobachtete mittlere Zufuhr bei
4,5% lag, darf eine gute Versorgungslage an Linolsäure erwartet werden. Hingegen könnte die Zufuhr an α-Linolensäure höher sein. Die durchschnittliche tägliche Aufnahme lag mit 0,5% der Gesamtenergiezufuhr knapp über dem Schätzwert, womit keine Mangelsymptome zu erwarten sind.
Jedoch wird eine höhere α-Linolensäurezufuhr mit protektiven Effekten in Bezug auf koronare Herzkrankheiten (KHK) in Verbindung gebracht [HCN, 2001].
Für die praktische Umsetzung bedeuten diese Ergebnisse, dass in der Speisenzubereitung mehr Pflanzenöle verwendet werden sollten, wobei solche mit einem hohen α-Linolensäureanteil zu bevorzugen sind. Dazu zählen z.B. Raps-, Soja-, Walnuss- und Leinsamenöl. Um aber die Gesamtfettaufnahme nicht zu erhöhen, sollten stattdessen weniger tierische Fette (Wurst, Fleisch, fettreiche Milchprodukte...), verzehrt werden. Der zuvor dargestellte hohe Eiweiß- und Fettanteil
in der Ernährung der Erwachsenen in Österreich ging zu Lasten des Kohlenhydratanteils. Kohlenhydrate machten bei den Frauen im Durchschnitt etwa 46%
der Gesamtenergiezufuhr und bei den Männern nur etwa 43% aus. Der Richtwert
Kohlenhydrate:
Fett:
Eiweiß:
Alkohol:
Abb. 2.18:
Anteil der
Hauptenergielieferanten an der
Gesamtenergiezufuhr bei
österreichischen Erwachsenen
15%
mind. 50%
max. 30%*
max. 15%
4%
44%
37%
KH
Fett
Eiweiß
Alkohol
KH...Kohlenhydrate; * für Personen mit leichter und mittelschwerer Arbeit
50
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Männer Frauen
für die Kohlenhydratzufuhr ist in den DA-CH-Referenzwerten mit über 50%
Saccharose (g/d) 59 ± 48 52 ± 39
der Nahrungsenergie angegeben. DieSaccharose E% 10 ± 7
11 ± 7
ser Wert zielt darauf ab, die Fettzufuhr
E%...Energieprozent
zu bilanzieren bzw. zu vermindern.
Wie aus Abb. 2.18 hervorgeht, sollte die Fettzufuhr zugunsten der Kohlenhydratzufuhr reduziert werden. Um den Kohlenhydratverzehr zu erhöhen, sind
stärkehaltige und ballaststoffreiche Lebensmittel, die auch essentielle Nährstoffe
und sekundäre Pflanzenstoffe enthalten, zu bevorzugen [DACH, 2000].
Zur Senkung der Energiedichte wird ein "moderater Umgang" mit Saccharose (Haushaltszucker) empfohlen.
Frauen nahmen relativ gesehen signifikant mehr (p<0,05) Haushaltszucker auf
als Männer. Es zeigte sich, dass der Kohlenhydratanteil an der Gesamtenergiezufuhr mit steigendem Lebensalter abnahm. Nur Männer ab dem 65. Lebensjahr hatten eine etwas höhere Aufnahme, als beispielsweise Männer im Alter von 51 bis
64 Jahren.
Die D-A-CH-Referenzwerte beinhalten auch Richtwerte für die Ballaststoffzufuhr. Die physiologische Bedeutung liegt in der Prävention zahlreicher Ernährungsassoziierter Krankheiten. Der Richtwert von mindestens 30 g Ballaststoffen
(Nahrungsfasern) pro Tag wurde vom untersuchten Kollektiv jedoch nur zu etwa
zwei Drittel erreicht und lag im Mittel bei 20 g/d.
Die durchschnittliche Alkoholzufuhr lag bei den männlichen Erwachsenen bei
4,7 Energieprozent und leistete damit einen wesentlichen Beitrag zur täglichen Gesamtenergiezufuhr. In absoluten Mengen war der Alkoholkonsum mit durchschnittlich 20 g pro Tag (entsprechen ca. 0,5 l Bier) vor allem in der Altersgruppe
der 51-65-jährigen Männer relativ hoch. Frauen nahmen sowohl absolut als auch
relativ zur Gesamtenergiezufuhr signifikant (p<0,05) weniger Alkohol zu sich (Tab.
2.30). Die gesundheitlich verträgliche Dosis wird für die stoffwechselgesunde Frau
auf lediglich 10 g geschätzt, die auch nicht täglich konsumiert werden sollte. Für
Männer werden 20 g (nicht täglich konsumiert) als gesundheitlich verträglich angegeben. Bei Frauen steigt das Risiko für Organschäden und Brustkrebs im Vergleich zum Mann bereits bei der halben Dosis an [DACH, 2000].
Tab. 2.31 vergleicht die aktuelle Energie- und Makronährstoffaufnahme von
österreichischen Erwachsenen mit den korrespondierenden Daten aus dem Österreichischen Ernährungsbericht 1998. Langfristige Trends im Ernährungsverhalten
sollen dadurch aufgezeigt werden.Demnach ist die Energiezufuhr im Mittel leicht
angestiegen, wobei sich aber in der Relation der Hauptenergielieferanten zueinander kaum etwas geändert hat. Ohne nähere Informationen über das Ausmaß
der körperlichen Aktivität, ist der Trend hinsichtlich der Energieaufnahme jedoch
schwer zu interpretieren. Auffallend ist der in allen Altersgruppen der Erwachsenen zu verzeichnende Anstieg des durchschnittlichen Alkoholkonsums. Vor allem
bei den Frauen scheint sich dieser in den letzten Jahren verdoppelt zu haben. In
der Relation der Hauptenergielieferanten (Kohlenhydrate, Fett, Protein) zueinander sind kaum Veränderungen bemerkbar. Obschon tendenziell eine Entwicklung
in eine wünschenswerte Richtung vorhanden (mehr Kohlenhydrate, weniger Fett)
ist.
Nahezu unverändert hoch (16-17 Energie%) ist die Aufnahme an gesättigten
Fettsäuren. Die Ballaststoffzufuhr ist zwar angestiegen, liegt aber immer noch weit
unter der wünschenswerten Mindestzufuhr von 30 g pro Tag. Der Verzehr von Haushaltszucker (Saccharose) ist beim weiblichen Kollektiv leicht zurückgegangen und
Gesamt
=24 J.
25-50 J.
51-64 J.
=65 J.
D-A-CH
Männer (g)
17 ± 23
15 ± 26
16 ± 23
20 ± 23
17 ± 22
20*
Frauen (g)
9 ± 14
6 ± 13
10 ± 15
9 ± 14
5±9
10*
*maximal und nicht täglich
51
Tab. 2.29
Mittlere tägliche Aufnahme
(MW ± SD)
an Saccharose bei
österreichischen Erwachsenen
Tab. 2.30:
Mittlere tägliche Alkoholzufuhr (MW
± SD) bei
österreichischen Erwachsenen
(in g)
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Tab. 2.31
Trends (Beobachtungszeitraum
1998-2002)
in der Zufuhr
an Energie
und Makronährstoffen
bei österreichischen Erwachsenen
weiblich
Energie
männlich
↑
↑
↔
↓
im Gegensatz dazu bei den Männern
stark angestiegen.
Zufuhr an Mikronährstoffen bei
Erwachsenen
↔
↑
Kohlenhydrate
Im folgenden Abschnitt wird die anhand von 24-h-Recalls ermittelte Auf↓
↑↑
Zucker
nahme an Mikronährstoffen verschie↑
↑↑
Ballaststoffe
dener Altersgruppen der Erwachsenen
↓
↓
Fett
in Österreich dargestellt. Durch den Bezug zu den korrespondierenden D-A↓
↑
Gesättigte Fettsäuren
CH-Referenzwerten sollen Risikogrup↔
↔
Cholesterin
pen mit ungünstiger Versorgung an
Mikronährstoffen identifiziert werden.
↑↑
↑
Alkohol
Die durchschnittliche Zufuhr an
↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9%
Nahrungsfolat lag beträchtlich unter
↑ (↓) höher (niedriger) um weniger als 9%
↔ nahezu unverändert (< 5%)
den D-A-CH-Empfehlungen. Demnach
muss bei den Erwachsenen mit entsprechend hohen Prävalenzen einer unzureichenden Folsäureversorgung gerechnet werden.
Die mittlere Vitamin D-Zufuhr über Lebensmittel war ebenfalls unzureichend.
Allerdings ist eine Beurteilung der Vitamin D-Versorgung nur aufgrund von Zufuhrwerten alleine nicht möglich. Bekanntlich kann Vitamin D nach UV-Bestrahlung
der Haut auch endogen gebildet werden. Das Ausmaß der Synthese wird aber von
vielen Faktoren limitiert (Jahreszeit, Wetterbedingungen, Hautpigmentierung, mit
der Kleidung oder Sonnenschutzmittel bedeckte Haut etc.). Deshalb sollte ein möglichst großer Anteil des Bedarfs durch die Nahrung gedeckt werden. In diesem Zusammenhang sind besonders Frauen der Altersgruppe über 65 hervorzuheben,
welche hinsichtlich der Vitamin D-Aufnahme lediglich 26% der empfohlenen Zufuhr erreichten.
Mit zunehmendem Alter nimmt die Kapazität der Haut dieses "hormonähnliche" Vitamin endogen zu synthetisieren auch immer mehr ab [Need et al., 1993]
und meist halten sich ältere Menschen weniger oft im Freien auf (z.B. Heimbewohner). Um dem erhöhten Knochenabbau im Alter Rechnung zu tragen, sollte somit unbedingt auf eine ausreichende alimentäre Vitamin D-Zufuhr (z.B. fettreiche
Meeresfische) und/oder auf eine entsprechende UV-Exposition durch längere Aufenthalte im Freien geachtet werden.
Die mittleren Aufnahmemengen der Vitamine B1, B2, B6, A und C lagen um
einige Prozentpunkte über den entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen, womit eine weitgehend zufriedenstellende Versorgungslage zu erwarten ist. Hervorzuheben ist jedoch die Bevölkerungsgruppe der über 65-Jährigen, welche im Vergleich
zu den anderen Altersgruppen eine weit geringere Zufuhr insbesondere an den Vitaminen B1, B2, B6 und C aufwies. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei Einzelpersonen dieser Gruppe eine mangelnde Versorgung an den genannten Vitaminen vorliegt, ist demnach entsprechend größer.
Eine äußerst gute Versorgung ist für männliche Erwachsene bei Vitamin B12
(Cobalamin) zu erwarten. Männer nahmen über die Nahrung signifikant (p<0,05)
mehr Cobalamin auf als Frauen. Aber auch bei Frauen unter 65 Jahren zeigte sich
eine im Mittel ausreichende Vitamin B12-Zufuhr. Bei älteren Personen muss jedoch
allgemein mit höheren Prävalenzen einer unzureichenden Cobalaminversorgung
gerechnet werden, da im Alter häufiger Absorptionsstörungen zu beobachten sind
als in jungen Jahren.
Bei Niacin lag die mittlere Zufuhr bei beiden Geschlechtern um rd. 100% über
den entsprechenden Empfehlungen. Dementsprechend kann bei diesem Vitamin
eine Unterversorgung der Erwachsenen in Österreich ausgeschlossen werden. Eine in Form von Supplementen aufgenommene Niacinmenge von 35 mg/Tag [DACH,
2000; IOM, 1998] sollte jedoch nicht überschritten werden, da die Einnahme hoEiweiß
52
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Frauen
gesamt
=24 J.
25-50 J.
51-64 J.
=65J.
D-A-CH
Vitamin A1 (mg)
1,2 ± 1,1
1,2 ± 0,9
1,3 ± 1,2
1,3 ± 1,3
0,9 ± 0,7
0,8
β-Carotin2 (mg)
3,6 ± 3,8
3,3 ± 3,3
3,8 ± 4,1
3,5 ± 3,6
2,6 ± 2,1
2-4
Vitamin D (µg)
3,7 ± 5,0
3,3 ± 4,0
3,7 ± 5,1
4,1 ± 5,8
2,6 ± 2,5
5/10*
Vitamin E3 (mg)
12,5 ± 8,1 12,7 ± 8,1 12,9 ± 8,5 12,3 ± 7,6 8,2 ± 4,6
12/11*
Vitamin B1 (mg)
1,3 ± 0,8
1,3 ± 0,9
1,3 ± 0,8
1,2 ± 0,7
0,9 ± 0,4
1,0
Vitamin B2 (mg)
1,7 ± 1,0
1,7 ± 1,1
1,7 ± 0,9
1,6 ± 0,9
1,2 ± 0,5
1,2
Niacin4 (mg)
29 ± 13
29 ± 14
30 ± 14
29 ± 12
25 ± 11
13
Pantothensäure (mg) 5,5 ± 3,2
5,7 ± 3,3
5,7 ± 3,4
5,3 ± 2,8
3,9 ± 1,5
6
Vitamin B6 (mg)
1,8 ± 1,4
1,9 ± 1,6
1,9 ± 1,5
1,7 ± 0,9
1,3 ± 0,6
1,2
Biotin (µg)
58 ± 54
61 ± 55
62 ± 59
51 ± 42
36 ± 17
30-60
Folsäure5 (µg)
255 ± 115 256 ± 110 264 ± 120 247 ± 112 199 ± 91
400
Vitamin B12 (µg)
5±6
3
Vitamin C (mg)
131 ± 110 127 ± 106 138 ± 114 126 ± 111 98 ± 84
Männer
gesamt
=24 J.
25-50 J.
51-64 J.
=65J.
Vitamin A1 (mg)
1,4 ± 1,2
1,4 ± 1,5
1,3 ± 1,0
1,4 ± 1,2
1,3 ± 2,0
1,0
β-Carotin2 (mg)
3,5 ± 3,5
3,1 ± 2,8
3,5 ± 3,5
3,9 ± 4,0
2,7 ± 2,6
2-4
Vitamin D (µg)
4,2 ± 5,8
3,3 ± 4,1
4,1 ± 5,7
4,9 ± 6,5
5,4 ± 7,0
5/10*
Vitamin E3 (mg)
13,8 ± 9,1 14,3 ± 10,3 14,1 ± 9,2 13,8 ± 8,7 9,0 ± 4,6
15/14/13/12*
Vitamin B1 (mg)
1,6 ± 0,9
1,7 ± 0,9
1,6 ± 1,1
1,5 ± 0,7
1,1 ± 0,5
1,3/1,2/1,1/1,0*
Vitamin B2 (mg)
2,0 ± 1,2
2,1 ± 1,5
2,0 ± 1,2
1,9 ± 1,1
1,3 ± 0,6
1,5/1,4/1,3/1,2*
Niacin4 (mg)
38 ± 17
42 ± 21
39 ± 17
36 ± 15
30 ± 9
17/16/15/13*
Pantothensäure (mg) 6,5 ± 4,0
7,2 ± 5,3
6,7 ± 4,0
6,1 ± 3,2
4,4 ± 1,7
6
Vitamin B6 (mg)
2,2 ± 1,6
2,6 ± 2,3
2,3 ± 1,6
2,0 ± 1,0
1,5 ± 0,5
1,5/1,4*
Biotin (µg)
64 ± 63
66 ± 72
69 ± 72
56 ± 37
39 ± 19
30-60
Folsäure5 (µg)
Vitamin B12 (µg)
284 ± 137 286 ± 152 294 ± 138 277 ± 123 217 ± 115 400
Vitamin C (mg)
151 ± 132 161 ± 154 156 ± 130 142 ± 123 108 ± 107 100
7 ± 13
5±5
8±9
5±4
7±8
5±7
7±7
4±3
8 ± 10
100
3
1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin;
2 dieser Wert mal 0,16 ist in den Retinol-Äquivalenten enthalten;
3 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γ-Tocopherol x 0,25 + mg
Tocotrienol x 0,33;
4 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan;
5 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA)
* D-A-CH-Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr für Senioren ab dem 65. Lebensjahr
α-
Tab. 2.32
Mittlere tägliche Vitaminzufuhr (MW ± SD) bei österreichischen Erwachsenen, getrennt
nach Altersgruppen und Geschlecht
her Niacinmengen nämlich zum sogenannten "Flushing" (brennendes, prickelndes,
juckendes Hitzegefühl im Gesicht, an den Händen und Oberkörper) führen kann.
Vor etwa einem Jahr wurde vom wissenschaftlichen Lebensmittelausschuss (SCF)
der EU-Kommission ebenfalls ein Tolerable Upper Intake Level (UL) für Nicotinsäure und Nicotinamid formuliert. Beide biologisch aktiven Vitaminformen werden
unter dem Begriff Niacin zusammengefasst. Das zuvor beschriebene Flushing wird
jedoch nur durch Nicotinsäure ausgelöst. Daher wird der UL für Nicotinsäure vom
53
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
SCF mit 10 mg/d (Erwachsene) angegeben und der für Nicotinamid mit 900 mg/d
(Erwachsene) [SCF, 2002a]. Über die Aufnahme an Nicotinsäure aus Lebensmitteln, wo es hauptsächlich in gebundener Form vorliegt, wurden keine negativen
Effekte beschrieben.
Bei Frauen der Altersgruppe bis 64 Jahren lag die mittlere Vitamin E-Zufuhr
erfreulicherweise knapp über dem D-A-CH-Schätzwert. Bei Frauen ab 65 und dem
männlichen Kollektiv erreichte die Vitamin E-Aufnahme im Mittel nicht die jeweiligen Schätzwerte. Da der Vitamin E-Bedarf nicht genau bestimmt werden kann,
sind Aussagen über die Versorgungslage schwierig. Durch einen wünschenswert
höheren Konsum von pflanzlichen Ölen (Raps-, Oliven-, Soja-, Maiskeimöl etc.) ließe sich jedoch die Vitamin E-Versorgung relativ einfach verbessern. Wie bereits erwähnt, sollten allerdings stattdessen vor allem weniger gesättigte tierische Fette
(Schmalz, Butter, Wurst, Fleisch,...) verzehrt werden, um die Gesamtfettzufuhr nicht
zu erhöhen.
Die mittlere Pantothensäurezufuhr lag beim männlichen Kollektiv bis 64 Jahren über dem D-A-CH-Schätzwert. Die anderen Personengruppen lagen knapp darunter. Generell kann gesagt werden, dass ein Pantothensäuremangel nur sehr selten vorkommt, da der Mindestbedarf offenbar immer gedeckt wird [DACH, 2000].
Da die durchschnittliche Biotinaufnahme der Erwachsenen zumindest innerhalb des entsprechenden Schätzwertbereichs lag, ist eine Unterversorgung an diesem Vitamin ebenfalls unwahrscheinlich.
Tab. 2.33 vergleicht die aktuellen Vitaminaufnahmen Erwachsener in Österreich mit den korrespondierenden Verzehrsdaten des Österreichischen Ernäh80
Frauen
60
40
20
bis 24J.
25-50J.
D-A-CH0
51-64J.
ab 65J.
-20
-40
-60
-80
B12
Vit. A
B6
B2
Vit.C
B1
Vit. E
Folat
Vit. D
100
Männer
80
60
Abb. 2.19
Abweichung
(in %) der
mittleren
täglichen Vitaminzufuhr
von den D-ACH-Referenzwerten bei
österreichischen Erwachsenen
40
bis 24J.
25-50J.
20
51-64J.
D-A-CH0
ab 65J.
-20
-40
-60
-80
B12
B6
Vit.C
Vit. A
Vitamin K wurde noch nicht exakt bewertet
54
B2
B1
Vit. E
Vit. D
Folat
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Frauen
Männer
rungsberichts 1998. Demnach hat sich
die Vitaminversorgung bei den Er↔
↑
Vitamin A1
wachsenen in den letzten fünf Jahren
↔
↓
Vitamin D
tendenziell verbessert. Davon ausgenommen ist jedoch Nahrungsfolat.
↑
↑
Vitamin E2
Die Empfehlungen für die FolsäuVitamin B1
↔
↔
rezufuhr wurden auf 400 µg Folat (FoVitamin B2
↑
↑
lat-Äquivalente) pro Tag erhöht, da der
Einfluss von Folsäure auf die Homo3
↑
↑
Niacin
cysteinkonzentration im Plasma mit be↑
↑
Pantothensäure
rücksichtigt worden ist [DACH, 2000].
Ein erhöhter Homocysteinspiegel im
Vitamin B6
↑
↑
Blut gilt als Risikofaktor für die Entste↑↑
↑↑
Biotin
hung der Koronarsklerose. Die Versor↓
↓
gung mit diesem wichtigen Vitamin ist
Folsäure4
in Österreich nicht ausreichend. Auch
Vitamin B12
↑
↑
die Vitamin D-Aufnahme über Lebens↑↑
↑↑
Vitamin C
mittel bleibt auf einem riskant niedri1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg
gen Niveau und ist bei den Männern soall-trans-β-Carotin;
gar leicht gesunken. Hingegen ist die
2 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-ToBiotin- und Vitamin C-Zufuhr deutlich
copherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γangestiegen.
Tocopherol x 0,25 + mg α-Tocotrienol x
Die durchschnittlichen täglichen
0,33;
3 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg
Aufnahmemengen an einzelnen MineTryptophan; Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg
ralstoffen bzw. Spurenelementen sind
Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutain Tab. 2.34 im Detail dargestellt. Als
minsäure (PGA)
"Maßstab" sind wiederum die entspre↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9%
↔ nahezu unverändert (<5%)
chenden D-A-CH-Referenzwerte ange↑ (↓) höher (niedriger) um weniger als 9%
führt. Bei Jod zeigte sich eine deutlich
zu geringe Aufnahme durch Lebensmittel und Jodsalz. Besonders geringe
Aufnahmemengen ergaben sich generell bei Frauen und bei über 65-Jährigen. Die
Jodversorgung ist in Österreich nach wie vor als unzureichend zu charakterisieren.
In den österreichischen Haushalten wird jodiertes Speisesalz verwendet, was auch
in der Auswertung der Protokolle berücksichtigt wurde. Jedoch wird bei der Herstellung von Lebensmitteln in der Industrie und durch das Lebensmittelgewerbe in
den seltensten Fällen mit Jodsalz gewürzt. Abgesehen von einem vermehrten Seefischkonsum (1-2mal pro Woche) wäre in einer umfassenden Verwendung von Jodsalz in der Lebensmittelproduktion ein großes Potential für die Verbesserung der
Jodversorgung in Österreich vorhanden. Nach Schätzungen beträgt der Anteil der
Natriumchloridaufnahme aus dem Verzehr von industriell/gewerblich be- und verarbeiteten Lebensmitteln beachtliche 70%. Die Zubereitung von Lebensmitteln im
Haushalt und das individuelle Nachsalzen bei Tisch tragen lediglich zu etwa 16%
zur Gesamtsalzaufnahme bei [Hötzel et al., 1992].
Die Möglichkeiten zur Verbesserung des Jodstatus über die Verwendung von
Jodsalz im Haushalt sind bereits voll ausgeschöpft. Das zeigte sich vor allem an den
hohen Aufnahmemengen an Natriumchlorid (Speisesalz), welche bei den männlichen Erwachsenen bei rund 8 g pro Tag und bei den weiblichen Erwachsenen bei
rund 6 g pro Tag lagen. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern war signifikant (p<0,05). Unter den Lebensbedingungen in Mitteleuropa ist für Erwachsene
eine Speisesalzzufuhr von 6 g pro Tag ausreichend. Von einer höheren Zufuhr sind
eher Nachteile zu erwarten (Hypertonie, Knochenstoffwechsel, Gastritis etc.).
Bei der Auswertung des Fragebogens zum allgemeinen Ernährungsverhalten
zeigten sich hinsichtlich der Salz- bzw. Nachsalzgewohnheiten geschlechtsspezifische Unterschiede. Es salzen signifikant weniger Frauen (13,4%) regelmäßig ihre
Speisen nach als Männer (26,7%). Alter, Bildungsgrad und BMI hatten keinen ersichtlichen Einfluss auf das Verlangen nach mehr Salz (Nachsalzen).
55
Tab. 2.33:
Trends (Beobachtungszeitraum
1998-2002)
in der Vitaminzufuhr
bei österreichischen Erwachsenen
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Frauen
gesamt
=24 J.
25-50 J.
51-64 J.
=65J.
D-A-CH
Calcium (mg)
889 ± 469
938 ± 461
900 ± 474
844 ± 467
727 ± 433
1000
Kalium (g)
2,6 ± 1,0
2,5 ± 0,9
2,7 ± 1,0
2,6 ± 0,9
2,3 ± 0,9
2
Magnesium (mg)
315 ± 112
313 ± 110
323 ± 117
307 ± 100
268 ± 104
300
Eisen (mg)
13,3 ± 6,8
13,1 ± 7,2
13,7 ± 7,0
13,0 ± 5,5
11,1 ± 4,5
10/15*
Zink (mg)
10,2 ± 3,7
10,3 ± 3,6
10,2 ± 3,8
10,3 ± 3,7
9,8 ± 3,7
7
Jod (µg)
131 ± 76
127 ± 73
137 ± 80
128 ± 70
103 ± 68
180
Mangan (mg)
4,6 ± 2,4
4,5 ± 2,5
4,6 ± 2,4
4,5 ± 2,3
5,1 ± 2,9
2-5
Kupfer (mg)
2,0 ± 0,7
2,0 ± 0,7
2,1 ± 0,7
2,1 ± 0,7
1,8 ± 0,7
1-1,5
Männer
gesamt
=24 J.
25-50 J.
51-64 J.
=65J.
D-A-CH
Calcium (mg)
987 ± 570
1045 ± 588 1000 ± 582 981 ± 528
661 ± 504
1000
Kalium (g)
3,0 ± 1,5
3,0 ± 1,4
3,1 ± 1,7
3,0 ± 1,1
2,4 ± 0,8
2
Magnesium (mg)
371 ± 150
385 ± 169
379 ± 154
362 ± 129
286 ± 95
350
Eisen (mg)
15,4 ± 7,1
15,6 ± 6,7
15,5 ± 7,8
15,6 ± 6,4
12,9 ± 4,4
10
Zink (mg)
12,7 ± 4,9
13,3 ± 5,5
12,5 ± 4,9
12,8 ± 4,9
11,7 ± 4,0
10
Jod (µg)
154 ± 211
160 ± 234
165 ± 254
135 ± 74
109 ± 59
180
Mangan (mg)
4,6 ± 2,4
4,5 ± 2,6
4,6 ± 2,3
4,7 ± 2,3
4,8 ± 2,4
2-5
Kupfer (mg)
2,3 ± 0,8
2,3 ± 0,9
2,3 ± 0,8
2,3 ± 0,8
2,1 ± 0,8
1-1,5
* Frauen von 15-50 Jahren
Tab. 2.34:
Mittlere tägliche Aufnahme (MW ±
SD) an Mineralstoffen/
Spurenelementen bei
österreichischen Erwachsenen,
getrennt
nach Altersgruppen und
Geschlecht
Unter den Mineralstoffen und Spurenelementen ist neben Jod auch Calcium
ein kritischer Nährstoff. Im Vergleich zu den D-A-CH-Referenzwerten war die durchschnittliche Calciumaufnahme in allen Altersgruppen der Männer und Frauen zu
niedrig. Die geringsten Aufnahmemengen zeigten sich im Kollektiv der Frauen und
im Kollektiv der über 65-Jährigen.
Hinsichtlich der Eisenversorgung ist generell auf menstruierende Frauen ein
besonderes Augenmerk zu legen. Da diese Personengruppe die durch die Monatsblutung bedingten zusätzlichen Eisenverluste (etwa 15 g pro Monat) kompensieren muss, sind die entsprechenden Empfehlungen auch höher als für Männer
(w/m: 15/10 mg) [DACH, 2000]. Nun zeigten sich gerade bei dieser Personengruppe niedrige Eisenaufnahmen. Demnach muss davon ausgegangen werden,
dass bei einem Großteil der Frauen im gebärfähigen Alter der physiologisch bedingte, erhöhte Bedarf an Eisen nicht gedeckt ist. Hingegen lag die durchschnittliche Eisenaufnahme bei den Männern um rund 50% über den korrespondierenden Empfehlungen.
Die Hypothese, dass zwischen einer hohen Eisenzufuhr und dem Risiko HerzKreislauf-Erkrankungen zu entwickeln, ein Zusammenhang bestünde, konnte bis
dato nicht bestätigt werden [IOM, 2002].
Die durchschnittliche Magnesiumzufuhr lag zwar im Bereich der Empfehlungen, jedoch wäre eine Verbesserung der Aufnahme dennoch wünschenswert, da
vor allem das Kollektiv der über 65-Jährigen im Mittel sogar unter den D-A-CHEmpfehlungen lag.
Die durchschnittliche tägliche Zinkaufnahme lag in allen Altersgruppen der
Frauen um rund 40% über den entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen. Tendenziell schlechter und damit verbesserungswürdig war die Zinkaufnahme bei den Männern.
Bei Kalium, Mangan und Kupfer ist aufgrund der Verzehrsdaten eine Unterversorgung unwahrscheinlich. Wie Tab. 2.35 zeigt, hat sich mit Ausnahme von Jod
die Aufnahme an Mineralstoffen bzw. Spurenelementen gegenüber den letzten Verzehrserhebungen allgemein verbessert. Hat sich die Jodaufnahme bereits aufgrund
56
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Frauen
Männer
50
50
25
bis 24 J.
25
25-50 J.
0
D-A-CH
51-64 J.
0
D-A-CH
ab 65 J.
-25
-25
-50
-50
Zn
K
Mg
Fe
Ca
J
Fe
K
Zn
Mg
Ca
J
Zn...Zink; K...Kalium; Mg...Magnesium; Fe...Eisen; Ca...Calcium; J...Jod
Phosphor, Chlorid: Unterversorgung unwahrscheinlich; Fluorid, Selen, Chrom: noch nicht exakt bewertet
der 1998 publizierten Daten als verbesserungswürdig dargestellt, so steht dies nach
den Ergebnissen der aktuellen Erhebung außer Frage.
Allgemeines Ernährungsverhalten Erwachsener
In einer Österreichweiten Untersuchung des Instituts für Ernährungswissenschaften der Universität Wien wurde das allgemeine Ernährungsverhalten, das Ernährungswissen sowie die Quellen der Ernährungsinformation von österreichischen
Erwachsenen ab dem 20. Lebensjahr (n=887) erhoben. Als statistisches Instrumentarium wurde der Chi-Quadrat-Test nach Pearson eingesetzt. Das Signifikanzniveau lag bei p=0,05.
Die Ernährungsform hat einen wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit. Unter anderem kann sie über eine optimale Zufuhr an Nährstoffen präventiv dazu
beitragen, ernährungsbedingte Risikofaktoren zu minimieren und nicht ernährungsbedingte Risikofaktoren zu kompensieren.
Das "allgemeine Ernährungsverhalten" hat sich im Vergleich zum Österreichischen Ernährungsbericht 1998 [ELMADFA et al., 1998] nicht wesentlich geändert.
Nach wie vor gaben signifikant mehr Männer (72%) als Frauen (52%) an, dass sie
einer gemischten Normalkost (österreichische Hausmannskost) den Vorzug geben.
Ein Viertel der Frauen und rund 19% der Männer essen eine österreichische Standardkost mit Gesundheitsaspekten (weniger Fleisch, mehr Gemüse, Obst und Vollkornprodukte). Vegetarisch ernähren sich insgesamt hingegen nur etwa 3%.
Hinsichtlich der bevorzugten Ernährungsform zeigten sich signifikante geschlechts- und bildungsspezifische Unterschiede (p<0,05). Frauen griffen häufiger
zu Obst und Gemüse und ernährten sich fleischärmer als Männer. Betrachtet man
den Einfluss des Bildungsgrades, zeigte sich, dass die Normalkost bzw. "Hausmannskost" vor allem von der Gruppe
mit niedriger Bildung bevorzugt wird.
Frauen
Männer
Bei Personen der Gruppe mit höherer
Bildung wird eher einer fleischärmeren
↑↑
↑↑
Calcium
Ernährungsweise mit viel Gemüse und
↑
↑
Kalium
Obst der Vorzug gegeben. Nach eige↑
↑
Magnesium
ner Einschätzung nannte das befragte
Kollektiv vor allem Vollkornprodukte,
↑
↑
Eisen
Obst, Fisch, Gemüse und Salat, als zu
↔
↔
Zink
wenig konsumierte Nahrungsmittelgruppen.
↓↓
↓↓
Jod
Der Großteil der Frauen und Män↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9%
ner gaben an, regelmäßig sowohl ein
↑ (↓) höher (niedriger) um weniger als 9%
↔ nahezu unverändert (<5%)
Frühstück (90% der Frauen; 87% der
57
Abb. 2.20:
Abweichung
(in %) der
mittleren
täglichen Zufuhr an Mineralstoffen
und Spurenelementen
von den D-ACH-Referenzwerten bei
österreichischen Erwachsenen
Tab. 2.35:
Trends (Beobachtungszeitraum
1998-2002)
in der Zufuhr
an Mineralstoffen/Spurenelementen
bei österreichischen Er-
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Abb. 2.21:
Allgemeines
Ernährungsverhalten bei
österreichischen Erwachsenen,
getrennt
nach Bildungsgrad
und Geschlecht (Angaben in %)
80
70
60
50
40
30
20
10
0
Frauen
Männer
hohe Bildung
mittlere Bildung niedrige Bildung
Normalkost
Normalkost, mit Gesundheitsaspekten
viel Obst und Gemüse, wenig Fleisch
vegetarisch, vegan
Männer), ein Mittagessen (93% der Frauen; 91% der Männer) als auch ein Abendessen (94% der Frauen; 96% der Männer) einzunehmen. Der Anteil jener Personen, die regelmäßig frühstücken, nahm proportional mit dem Alter zu.
Unterschiede zur Energie- und Nährstoffversorgung bei verschiedenen
Ernährungsformen
Mit Hilfe der Fragebogenerhebung zum allgemeinen Ernährungsverhalten von
österreichischen Erwachsenen (n=886) wurden auch die Anteile der verschiedenen Ernährungstypen ("Normalkost", "Normalkost mit Gesundheitsaspekten", "bewusst gemischt mit viel Obst/Gemüse und wenig Fleisch" und "vegetarische Kost")
ermittelt (Abb. 2.21).
Bei einem Teilkollektiv (n=376) wurde die Energie- und Nährstoffaufnahme
(Mittelwerte), getrennt nach Kostform, errechnet (Tab. 2.36). Die Ergebnisse dürfen allerdings nicht überbewertet werden, da die Stichprobengröße, insbesondere
bei den Vegetariern, nicht sehr groß war.
In Abb. 2.22 sind die relativen Unterschiede zwischen der "Normalkost" (57%
des Teilkollektivs), welche der österreichischen Hausmannskost gleichzusetzen ist,
und der "bewusst gemischten Kost mit viel Obst/Gemüse und wenig Fleisch" (15%
des Teilkollektivs) nochmals verdeutlicht. Letztere Kostform wurde für den Vergleich gewählt, da sie der vegetarischen Ernährung am nächsten kommt und die
Stichprobe größer und somit aussagekräftiger als die der Vegetarier war. Abb. 2.22
Abb. 2.22:
Relative Abweichungen
in der Energie- und
Nährstoffaufnahme einer
"bewusst gemischten
Kostform"
zur österreichischen
"Normalkost"
(= Hausmannskost)
bei österreichischen Erwachsenen
beta-Carotin
Ballaststoffe
Vitamin A
Jod
Vitamin E
Kohlenhydrate
Calcium
Pflanzliches EW
Folsäure
Vitamin C
Magnesium
Kalium
Vitamin B6
Pantothensäure
Eisen
Zucker
GFS
PFS
Fett
Protein ges.
Vitamin B2
Cholesterin
Niacin
Biotin
Zink
Energie
Vitamin B1
Tierisches EW
Vitamin B12
Vitamin D
Alkohol
24 %
24 %
18 %
14 %
11 %
10 %
9%
4%
4%
4%
3%
-3 %
-6 %
-7 %
-7 %
-7 %
-8 %
-9 %
-10 %
-17 %
-21 %
-23 %
-25 %
-40 %
-40 %
-20 %
0%
20 %
EW...Eiweiß; GFS...Gesättigte Fettsäuren; PFS...Polyenfettsäuren; MFS...Monoenfettsäuren
bewusst gemischt = vor allem Gemüse, Obst, Vollkornprodukte, aber nur wenig Fleisch
mittlere Abweichung lag bei ±10% = gestrichelte senkrechte Linien
58
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Normalkost
Normalkost mit bewusst ge(n=216=57%) Gesundheitsmischt
aspekten
(n=58=15%)
(n=97=26%)
vegetarisch
(n=5=2%)
D-A-CH
Energie (MJ)
8,4 ± 3,2
7,9 ± 7,6
7,6 ± 2,8
6,0 ± 2,5
7,5-10
E% Eiweiß
16 ± 6
15 ± 7
15 ± 7
12 ± 3
10-15
davon tier. (g)
52 ± 26
46 ± 28
41 ± 26
15 ± 12
-
davon pfl. (g)
26 ± 14
26 ± 12
27 ± 14
22 ± 10
-
42 ± 19
46 ± 20
46 ± 22
56 ± 21
>50
davon Zucker
8±8
8±6
8±7
8±4
-
Ballaststoffe (g)
17 ± 9
21 ± 10
21 ± 8
20 ± 11
>30
E% Fett
37 ± 19
36 ± 16
36 ± 16
30 ± 17
30
davon GFS
18 ± 9
17 ± 7
18 ± 7
12 ± 5
max. 10
davon MFS
14 ± 7
13 ± 5
13 ± 6
11 ± 6
13
davon PFS
5±3
6±4
5±3
7±6
7
Cholesterin (mg)
387 ± 246
338 ± 175
359 ± 339
138 ± 172
max. 300
E% Alkohol
5±9
3±5
3±4
2 ± 19
-
Vit. A1 (mg)
1,1 ± 1,2
1,4 ± 1,8
1,3 ± 1,3
0,8 ± 0,4
0,9
β-Carotin2 (mg)
2,5 ± 2,9
3,3 ± 3,4
3,1 ± 2,5
3,0 ± 2,5
2-4
Vit. D (µg)
5,1 ± 8,2
3,4 ± 3,4
3,8 ± 5,2
4,8 ± 6,3
5
Vit. E3 (mg)
8,5 ± 5,5
9,5 ± 5,7
9,4 ± 5,1
9,3 ± 6,6
12,5
Vit. B1 (mg)
1,2 ± 0,6
1,1 ± 0,6
1,0 ± 0,5
0,8 ± 0,3
1,0
Vit. B2 (mg)
1,4 ± 0,6
1,4 ± 0,5
1,3 ± 0,8
1,2 ± 0,4
1,3
Niacin4 (mg)
30 ± 12
28 ± 14
28 ± 21
18 ± 8
14
Pantothens. (mg)
Vit. B6 (mg)
4,6 ± 2,1
4,5 ± 1,8
4,6 ± 3,9
4,3 ± 2,1
6
1,6 ± 0,8
1,5 ± 0,7
1,6 ± 2,4
1,3 ± 0,4
1,4
Biotin (µg)
44 ± 32
44 ± 25
41 ± 19
52 ± 26
30-60
Folsäure5 (µg)
Vit. B12 (µg)
214 ± 91
235 ± 99
222 ± 79
240 ± 70
400
5,3 ± 4,1
4,4 ± 3,8
4,1 ± 3,3
1,9 ± 1,9
3
Vit. C (mg)
125 ± 123
138 ± 136
130 ± 94
117 ± 54
100
Calcium (mg)
760 ± 450
785 ± 385
826 ± 429
606 ± 197
1000
Kalium (g)
2,5 ± 1,1
2,5 ± 1,0
2,5 ± 1,0
2,4 ± 0,6
2
Magnesium (mg)
298 ± 126
301 ± 115
306 ± 138
280 ± 106
325
Eisen (mg)
12 ± 5,0
13 ± 5,5
12 ± 4,2
11 ± 3,2
10/15
Zink (mg)
11 ± 4,5
11 ± 4,4
10 ± 3,7
6 ± 2,1
8,5
Jod (µg)
121 ± 81
122 ± 78
138 ± 128
117 ± 29
180
E% KH
E%...Energieprozent; EW...Eiweiß; KH...Kohlenhydrate; GFS...Gesättigte Fettsäuren; MFS...Monoenfettsäuren;
PFS...Polyenfettsäuren; 1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin; 2 dieser Wert mal 0,16 ist
in den Retinol-Äquivalenten enthalten; 3 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x
0,5 + mg γ-Tocopherol x 0,25 + mg α-Tocotrienol x 0,33; 4 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan; 5 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA)
Normalkost = österreichische Hausmannskost; Normalkost mit Gesundheitsaspekten = österreichische Hausmannskost mit bewusst weniger Fleisch und mehr Gemüse, Obst und Vollkornprodukten; bewusst gemischt = vor
allem Gemüse, Obst, Vollkornprodukte, aber nur wenig Fleisch; vegetarisch = ohne Trennung zwischen vegan/ovolacto-vegetarisch)
Tab. 2.36 Mittlere tägliche Nährstoffzufuhr (MW ± SD) bei österreichischen Erwachsenen (n=376), getrennt nach Kostform
zeigt für das Kollektiv mit der "bewusst gemischten" Ernährung (Gruppe A) gegenüber der "Normalkost"-Gruppe (Gruppe B) eine durchschnittlich höhere Kohlenhydrat- und Ballaststoffaufnahme. Die Gesamtenergiezufuhr war etwas geringer und
der Anteil von Eiweiß, insbesondere von Eiweiß tierischem Ursprungs, war zugunsten des Kohlenhydratanteils niedriger. Der beachtlich geringere Alkoholkonsum
59
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Abb. 2.23
Ernährungswissen (in
%) von
österreichischen Erwachsenen
100%
80%
m angelhaft
60%
befriedigend
40%
gut
20%
0%
m ännlich
w eiblich
der Gruppe A kann wahrscheinlich auf ein höheres Gesundheitsbewusstsein zurückzuführen sein. Hinsichtlich des Fettkonsums zeigten sich weder quantitativ
noch qualitativ Unterschiede.
Die höhere Aufnahme an β-Carotin der Gruppe A lässt auf eine gemüse- und
obstreiche Ernährung schließen und bestätigt dadurch die subjektiven Angaben
der Probanden. Die Versorgung mit den Vitaminen A und E sowie Jod war in der
Gruppe A ebenfalls wesentlich besser. Hingegen waren die Aufnahmen an den Vitaminen D, B1 und B12 geringer.
Für den Großteil der anderen Nährstoffe waren die Unterschiede zwischen den
beiden Ernährungsformen allerdings nicht mehr so stark ausgeprägt. Insgesamt
kam jedoch die Gruppe mit der "bewusst gemischten Kostform" den D-A-CH-Referenzwerten näher als das Kollektiv, welches die "Hausmannskost" bevorzugte.
Aufgrund der geringen Stichprobengröße soll dieser Vergleich lediglich dazu
dienen, einen groben Überblick über potentielle Unterschiede hinsichtlich der Energie- und Nährstoffversorgung bei unterschiedlichen Kostformen zu geben. Die Ergebnisse dürfen nicht überbewertet werden.
Ernährungswissen von österreichischen Erwachsenen
Das Ernährungsverhalten wird zwar nicht nur durch das eigene Ernährungswissen beeinflusst, dennoch ist es aber eine Voraussetzung für die Anwendung einer bedarfsgerechten Ernährung. Ungünstige Ernährungsmuster in der Bevölkerung können zum Teil auch auf mangelndes Wissen zurückgeführt werden. Im folgenden Abschnitt soll das Ernährungswissen von Österreichischen Erwachsenen
näher beleuchtet werden. Die Beurteilung erfolgte anhand der Anzahl richtiger Antworten aus einem eigens für diesen Zweck entwickelten Fragebogen. Für jede richtige Antwort wurde ein Punkt vergeben, für mehr oder weniger richtige Antworten ein halber. In Summe konnten 38 Punkte erzielt werden:
- gut (30-38 Punkte)
- befriedigend (20-29,5 Punkte)
- mangelhaft (0-19 Punkte)
Antwortmöglichkeiten richtig %
Antwortmöglichkeiten falsch %
Frauen Männer
Verdauungsfördernd
Tab. 2.37:
Ernährungswissen: Antworthäufigkeiten (in %)
auf die Frage
nach der
Wirkung von
Ballaststoffen
Frauen Männer
90
81
Entziehen Vitamine
1
2
Heben das Sättigungs- 67
gefühl
64
Führen zu Verstopfung
3
4
Beugen Darmkrankhei- 60
ten vor
62
Machen dick
3
4
Belasten den Kreislauf 1
2
Bewirken nichts
1
Mehrfachangaben waren möglich
60
0,5
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
BMI
Ernährungswissen
Gut
Befriedigend
Mangelhaft
Männer
Wien
Bundesland
Wien
Bundesland
Wien
Bundesland
<20
0
50
67
17
33
33
20-25
22
16
57
70
21
14
25-30
22
30
62
54
17
16
>30
31
19
62
38
8
44
<19
24
22
71
61
5
17
19-24
26
30
63
60
11
10
25-30
34
27
54
63
12
10
>30
33
21
56
64
11
14
Frauen
Wie aus Abb. 2.23 hervorgeht, war das Ernährungswissen der weiblichen Studienteilnehmer besser als jenes der männlichen. Außerdem übte das Lebensalter
einen signifikanten Einfluss auf das Ernährungswissen aus. Über ein gutes bzw.
mangelhaftes Ernährungswissen verfügten 28 bzw. 11% der Frauen und nur 22,5
bzw. 18,5% der Männer.
Der Anteil der Österreicher, die ein gutes Ernährungswissen hatten, stieg proportional mit dem Lebensalter an und sank ab dem 60. Lebensjahr wieder ab. So
hatten Frauen und Männer, die jünger als 20 Jahre waren ein schlechteres Ernährungswissen als ältere Personen (<60 Jahre) innerhalb ihrer Geschlechtsgruppe.
Rund ein Drittel der Befragten konnte den persönlichen täglichen Energiebedarf richtig einschätzen. Signifikant mehr Frauen (37%) als Männer (29%) stuften
ihren Kalorienbedarf richtig ein. 18% der Männer und 13% der Frauen konnten
den Bedarf hingegen gar nicht schätzen. Erfreulicherweise wussten aber rund 90%
des befragen Kollektivs (86% Männer und 93% der Frauen), dass Milch und Milchprodukte wichtige Calciumlieferanten darstellen. Käse wurde von etwa 88% der
Frauen und Männer als fettreiches Lebensmittel erkannt. 75% der Frauen aber
immerhin rund 80% der Männer (94% aus Wien, 67% aus den Bundesländern)
wussten auch, dass Käse nennenswerte Mengen an Eiweiß enthält. Mehr Männer
als Frauen wussten, dass Fleisch fettreich sein kann. Beim Eiweißgehalt verhält es
sich umgekehrt, hier wussten Frauen besser Bescheid. Das Ernährungswissen zum
Eiweißgehalt von Fisch war innerhalb beider Geschlechter ungefähr gleich gut.
Fast alle Frauen und Männer wussten, dass man pro Tag mindestens einen Liter Flüssigkeit trinken soll. Rund 70% der Männer und Frauen in Österreich waren
sich einig, dass der tägliche Flüssigkeitsbedarf etwa zwei bis drei Liter beträgt; ein
Viertel war der Meinung, dass er ein bis zwei Liter pro Tag ausmachen soll. Rund
4% überschätzten die tägliche Flüssigkeitszufuhr (>3 Liter).
Verschimmeltes Brot ist nicht zum Verzehr geeignet, da sich unter den Schimmelpilzen auch solche mit sehr gesundheitsschädigender Wirkung befinden können. Das wusste der Großteil der österreichischen Erwachsenen (95% der Frauen
und 93% der Männer).
Ein großer Teil der österreichischen Erwachsenen wusste auch über die Wirkung von Ballaststoffen im menschlichen Organismus Bescheid. Aus einer Anzahl
von Antwortmöglichkeiten durften max. drei als richtig ausgewählt werden (Tab.
2.38). Insgesamt zeigten Personen mit einem höheren BMI ein relativ gutes Ernährungswissen. Jedoch hatten adipöse Männer (BMI >30 kg/m2) aus den einzelnen Bundesländern Österreichs ein signifikant schlechteres Ernährungswissen
als das weibliche Kollektiv. Bei den Frauen zeigten sich keine signifikanten Unterschiede innerhalb der einzelnen BMI-Gruppen. In Wien war der Anteil der Männer
mit einem schlechten Wissen indirekt proportional mit der Höhe des BMI, genau
61
Tab. 2.38
Einfluss des
BMI auf das
Ernährungswissen getrennt nach
BMI-Klassen
bzw. Geschlecht (in
%)
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Abb. 2.24:
Quellen der
Ernährungsinformation
von österreichischen Erwachsenen
(in %)
Apotheke
FC
TZ/Inser.
Arzt
GZS/FB
ZS
Radio
TZ/RB
TV
FFB
0
10
20
30
Frauen
FFB...
TZ/RB..
ZS...
FC...
Freunde, Familie, Bekannte
Tageszeitung, red. Beiträge
Zeitschriften, red. Beiträge
Fitness Center
40
50
60
Männer
TV...
Reportagen, Beiträge im Fernsehen
Radio...
Berichte, Beiträge
GZS/FB... Gesundheitszeitschriften/-bücher
Apotheke/Reformhaus
umgekehrt verhielt es sich bei den Frauen. Zwischen dem Bildungsgrad der Österreicher und dem Ernährungswissen ließen sich keine signifikanten Zusammenhänge
erkennen.
Ernährungsinformation bei Erwachsenen
In der Gesundheitspolitik versucht man heute zunehmend die Prävalenz ungünstigen Ernährungsverhaltens und ernährungsabhängiger Erkrankungen durch
Intervention, wie beispielsweise Information, zu verringern. Im Hinblick auf Ernährungsaufklärung und Ernährungsinformation war das Interesse bei Männern
und Frauen verschieden. So informierten sich mehr als ein Drittel der österreichischen Frauen regelmäßig über aktuelle Ernährungsthemen und mehr als die Hälfte der Frauen informierte sich zumindest gelegentlich. Lediglich 9% der Frauen informierten sich nie. Im Gegensatz dazu erklärten 16% der befragten Männer, sich
nie bewusst mit Ernährungsinformationen auseinander zu setzen.
Männer und Frauen griffen zum Teil auch auf unterschiedliche Informationsquellen zurück. Für Männer waren die Familie, Freunde und Bekannte die wichtigsten Ratgeber in Sachen Ernährung. Für Frauen war das Fernsehen (Reportagen,
Beiträge, Berichte etc.) die wichtigste Informationsquelle, gefolgt von Gesundheitszeitschriften und/oder Fachbüchern. Während nur ein geringer Prozentsatz
der Männer ihre Ernährungsinformationen aus Apotheken bzw. Reformhäusern holte, taten dies mehr als 20% der Frauen.
Lebensmittelwahl von österreichischen Erwachsenen
Tab. 2.39 zeigt, in welchem Ausmaß österreichische Erwachsene neun vorgegebene Kriterien bei der Auswahl von Lebensmitteln beachten.
Sowohl bei Männern als auch bei Frauen war der gute Geschmack bzw. Genusswert der Lebensmittel das wichtigste Auswahlkriterium. Betrachtete man die
Kollektive differenziert nach ihrem BMI, so fand man unter Übergewichtigen und
Adipösen den größten Anteil des Gesamtkollektivs, der auf den Genuss großen
Wert legt. Frauen achteten signifikant häufiger auf die Zusammensetzung bzw. die
Inhaltsstoffe von Lebensmitteln als Männer.
Für Verpackung und Aufmachung der Lebensmittel war kaum Interesse vorhanden. Auch Image und Bekanntheitsgrad waren bei der Auswahl der täglichen
Lebensmittel nicht von großer Bedeutung. Etwa die Hälfte der Befragten gab an,
selten darauf zu achten. Der Einfluss des Images machte sich beim Einkauf bei
Personen, die eine niedrigere Bildung aufweisen, eher bemerkbar als bei höher Gebildeten.
62
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Frauen
Männer
Signifikant mehr Frauen als Männer
achteten beim Einkauf auf möglichst
wenig Zusatzstoffe in ihren Lebensmitguter Geschmack guter Geschmack
teln. Der Anteil der Personen, der bei
94%
94,5%
der Lebensmittelwahl auf den Gehalt
MindesthaltbarMindesthaltbarvon Zusatzstoffen achtete, stieg prokeitsdatum
keitsdatum
portional mit dem Alter an. Das ge81,5%
72,8%
ringste Interesse zeigte sich innerhalb
ZusammensetPreis
des Kollektivs der Adipösen. Es zeigten
zung/Inhaltsstoffe
48,1%
sich keine geschlechtsspezifischen
62,3%
Unterschiede im Interesse an der
Schnelligkeit bei der Speisenzubereimöglichst wenige Ursprungs-/Hertung. Männer und Frauen aus Wien achZusatzstoffe
stellungsland
59,5%
45,6%
teten häufiger auf eine schnelle Küche
(41%) als das Kollektiv aus anderen
Ursprungs-/HerZusammensetBundesländern (25%). Je älter das
stellungsland
zung/Inhaltsstoffe
männliche Kollektiv, desto weniger
51,9%
38,7%
Interesse an einer möglichst schnellen
Preis
möglichst wenig
Zubereitung war vorhanden. Der Bil50% Zusatzstoffe
dungsgrad hatte keinen ersichtlichen
37,4%
Einfluss auf dieses Auswahlkriterium.
schnelle Zuberei- schnelle ZubereiDas Herstellungsland interessierte ettung
tung
wa die Hälfte des Gesamtkollektivs.
34,6%
30,9%
Während fast jeder vierte Mann angab,
nie auf das Herstellungsland der LeImage/BekanntImage/Bekanntbensmittel zu achten, tat dies nicht einheitsgrad
heitsgrad
mal jede sechste Frau.
15,6%
21,2%
Für etwa die Hälfte der Befragten
Verpackung/
Verpackung/
spielte der Preis eine Rolle bei der KaufAufmachung
Aufmachung
entscheidung. Dabei zeigte sich ein al9%
9,5%
tersabhängiger Trend. Vor allem 20- bis
29-Jährige achteten häufig auf den
Preis. Je älter die Befragten waren, umso weniger war der Preis für die Lebensmittelwahl entscheidend.
2.4.1 Trinkverhalten und Flüssigkeitsaufnahme von österreichischen
Erwachsenen
Zusammenfassung
Der menschliche Organismus ist auf eine regelmäßige und mengenmäßig ausreichende Flüssigkeitszufuhr angewiesen. Mit einer vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien durchgeführten Untersuchung sollte das Trinkverhalten und der Getränkekonsum von österreichischen Erwachsenen (n= 826)
erfasst werden. Von Juni bis Oktober 2002 wurden in 5 verschiedenen Regionen
von Österreich Fragebögen verteilt. Die Fragebögen bestanden aus einem allgemeinen Fragenteil, einem Food Frequency Questionnaire sowie aus einem 24-hRecall. Es wurde ausschließlich der Getränkekonsum erfragt.
Zusammengefasst kann das Trinkverhalten und die Flüssigkeitsaufnahme aus
Getränken als sehr zufriedenstellend beurteilt werden. Die durchschnittliche Trinkmenge von nicht-koffeinhaltigen und nicht-alkoholischen Getränken lag im Bereich
von 1,5-1,8 Liter pro Tag und somit über dem Richtwert von 1-1,5 Liter pro Tag
[DACH, 2000]. Leitungswasser und Mineralwasser ergaben sich als die beliebtesten Durstlöscher. Es wird regelmäßig zum Frühstück (neben Kaffee), zu den Hauptmahlzeiten sowie auch zwischen den Mahlzeiten getrunken. Alkoholische Getränke werden vor allem von Männern an den meisten Tagen der Woche konsumiert.
Erfrischung, Geschmack und Gesundheit wurden von den Probanden haupt-
63
Tab. 2.39
Kriterien von
österreichischen erwachsenen
Frauen und
Männern bei
der Lebensmittelwahl
(in %)
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Tab. 2.40
Altersverteilung der
Stichprobe
Altersgruppe
Häufigkeit
(n)
Prozent
(%)
sächlich als Gründe für die Getränkewahl genannt. Frauen nannten auch
=21 Jahre
67
8,1
den Kaloriengehalt und Männer die Gewohnheit als Faktoren.
21-30 Jahre
227
27,5
Nach subjektiver Einschätzung des
31-40 Jahre
166
20,1
befragten Kollektivs wird im Winter (bevorzugt Trinkwasser, Tee) zwischen 1,141-50 Jahre
130
15,7
1,5 Liter pro Tag und im Sommer (be51-60 Jahre
120
14,5
vorzugt Trinkwasser, Fruchtsäfte) zwi>60 Jahre
116
14,1
schen 1,6-2 Liter getrunken. Kaffee
wird signifikant häufiger im Winter geGesamt
826
100
trunken als im Sommer. Bei Alkohol verhält es sich genau umgekehrt.
Bei den älteren Probanden zeigte sich zwar eine etwas geringere Trinkhäufigkeit, welche auch positiv mit der Trinkmenge korrelierte, aber insgesamt zeigte
sich auch bei den über 60-Jährigen ein zufriedenstellendes Trinkverhalten.
Das Studienkollektiv wusste sehr gut über die Bedeutung einer ausreichenden
Wasseraufnahme Bescheid und erfreulicherweise zeigte sich auch ein dem entsprechendes Verhalten.
Allgemein
Wasser ist für alle Lebensformen einer der wichtigsten, wenn nicht der wichtigste, Nährstoff überhaupt. Bekanntlich kann ein Mensch ohne Wasserzufuhr unter optimalen Umgebungstemperaturen etwa eine Woche überleben. Starke Wasserverluste (z.B. bei Durchfall) können unter ungünstigen klimatischen Bedingungen bereits nach wenigen Stunden zum Tod führen. Aber bereits eine geringfügige Dehydratation wirkt sich negativ auf die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit
im Berufsalltag oder bei Freizeitaktivitäten aus. Eine lang anhaltende suboptimale
Flüssigkeitsaufnahme erhöht wahrscheinlich auch das Risiko zur Bildung von Harnsteinen und Entstehung von Krebserkrankungen des Dickdarms und der Harnwege.
Bei durchschnittlichen Klimabedingungen in Mitteleuropa sollten Erwachsene
rund 2650 ml Flüssigkeit pro Tag aufnehmen [DACH, 2000]. Dieser Wert gilt für
19-51-Jährige mit mittlerer körperlicher Aktivität, entsprechend einem PAL (= Physical Activity Level) von etwa 1,7.
Je nach Höhe der Nahrungszufuhr liefern feste Lebensmittel bis zu 1000 ml
Wasser. Oxidationswasser trägt mit ca. 300 ml zur Deckung des täglichen Wasserbedarfs bei. Somit sollten 1000-1500 ml Wasser in Form von nicht-koffeinhaltigen und nicht-alkoholischen Getränken aufgenommen werden.
Studien deuten darauf hin, dass ein beachtlicher Anteil der Bevölkerung die
von Fachgesellschaften empfohlenen Trinkmengen nicht erreicht [Heseker und
Weiss, 2002].
Methode
In einer vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien durchgeführten Untersuchung sollte das Trinkverhalten der österreichischen Bevölkerung über 18 Jahren erhoben werden. Von Interesse waren alle durch Getränke
aufgenommenen Flüssigkeiten, wie Wasser, Säfte, Kaffee, Tee, Alkohol etc. Neben
geschlechts- und altersspezifischen Unterschieden sollten auch saisonale Einflüsse auf die Trinkgewohnheiten aufgezeigt werden.
Im Zeitraum von Ende Juni bis Ende Oktober 2002 wurden insgesamt 977 Fragebögen in fünf Bundesländern (Oberösterreich, Steiermark, Kärnten, Niederösterreich und Wien) verteilt. Bei einer Rücklaufquote von 84,5% konnten 826 Fragebögen ausgewertet (SPSS für Windows 10) werden. Von den 826 Probanden
waren 457 (55,3%) weiblich und 368 (44,6%) männlich, 1 Proband machte keine
Angaben zum Geschlecht. In einem allgemeinen Teil des Fragebogens wurden soziodemographische und anthropometrische Daten (Körpergröße, Körpergewicht)
64
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
<3m al
3-5m al
6-8m al
Abb. 2.25
Trinkhäufigkeit pro Tag
bei österreichischen Erwachsenen
>8m al
60
Prozent
50
40
30
20
10
0
<21 J.
21-30 J.
31-40 J.
41-50 J.
51-60 J.
>60 J.
erfasst. Die Trinkgewohnheiten und der Getränkekonsum wurde durch einen modifizierten Food Frequency Questionnaire sowie ein 24-h-Recall erfragt. Um etwaige
Unterschiede zwischen einer retrospektiven (24-h-Recall) und einer prospektiven
Erhebung aufzuzeigen, wurde zusätzlich ein 1-d-Protokoll ausgegeben.
Allgemeines Trinkverhalten von Erwachsenen
Abb. 2.25 zeigt die ermittelten Trinkhäufigkeiten in Abhängigkeit vom Alter.
Kaffee und Alkohol sind in diese Auswertung nicht miteingeflossen. Sie zählen zu
den Genussmitteln und sind als Durstlöscher eher ungeeignet.
Zwischen den Geschlechtern wurde hinsichtlich der Trinkhäufigkeit kein Unterschied festgestellt. Jüngere griffen jedoch signifikant häufiger zu einem Getränk
als ältere Probanden. D.h. mit zunehmendem Alter wurde weniger oft getrunken.
Die Trinkfrequenz korrelierte dabei positiv mit der Trinkmenge.
Die Akzeptanz von Leitungswasser als Getränk kann aufgrund der Ergebnisse
als sehr hoch eingestuft werden. Immerhin 88% der Befragten konsumieren demnach regelmäßig Leitungswasser und 69% sogar täglich. Dabei gaben signifikant
mehr Frauen (77%) als Männer (58%) an, täglich Leitungswasser zu trinken.
592 Probanden lieferten brauchbare Informationen, um die tägliche Trinkmenge
von Leitungswasser zu errechnen. Demnach konsumierte ein Großteil (88%) täglich zwischen einem halben und zwei Liter Leitungswasser. 6% tranken weniger
als ¼ Liter und nur weitere 6% mehr als zwei Liter dieses Getränks pro Tag.
Die ermittelte Trinkhäufigkeit von Mineral-/Sodawasser ist insgesamt mit der
von Leitungswasser vergleichbar. Im Gegensatz zu Leitungswasser trinken mehr
Männer (57%) als Frauen (41%) täglich Mineralwasser oder Soda.
Die Trinkhäufigkeit von alkoholischen Getränken wurde separat erfragt. Wie
aus Abb. 2.26 hervorgeht, greifen Männer insgesamt häufiger zu alkoholischen Getränken als Frauen.
Da Wasser auch ein "Kühlmittel" für den Körper ist (Schwitzen), besteht bei
sommerlichen Umgebungstemperaturen ein erhöhter Flüssigkeitsbedarf. 86% des
befragten Kollektivs waren auch der Meinung, im Sommer mehr zu trinken als im
Prozent
Frauen
Männer
50
40
30
20
10
0
täglich
3-6mal 1-2mal
pro
pro
Woche Woche
65
selten
nie
Abb. 2.26
Trinkhäufigkeit alkoholischer Getränke bei
österreichischen Erwachsenen
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Som m er
Winter
40
Prozent
Abb. 2.27:
Subjektive
Einschätzung
der täglichen
Trinkmenge
bei österreichischen Erwachsenen
30
20
10
0
<1 l
Tab. 2.41:
Gründe für
die Getränkewahl bei
österreichischen Erwachsenen
(Mehrfachnennungen
waren möglich)
1,1-1,5 l
1,6-2 l
2,1-2,5 l
>2,6 l
Winter. In Abhängigkeit von der Jahreszeit sollten die Probanden ihren täglichen
Getränkekonsum angeben. Diese subjektive Einschätzung zur täglichen Trinkmenge ist in Abb. 2.27 dargestellt.
Insgesamt schätzte die Mehrheit der Probanden den eigenen Flüssigkeitskonsum zwischen einem und zwei Liter pro Tag ein. Immerhin knapp 25% gaben an,
im Winter weniger als 1 Liter täglich zu trinken.
Unterschiede zeigten sich auch hinsichtlich der Art der Getränke. Erwartungsgemäß wurde Wasser bzw. Mineralwasser als bevorzugtes Getränk im Sommer mit
82% der Nennungen am häufigsten genannt. Gefolgt von Fruchtsäften und Limonaden. Ebenso wenig ist es überraschend, dass Tee (56%) im Winter nahezu gleich
häufig als bevorzugtes Getränk genannt wird wie Wasser bzw. Mineralwasser (58%).
Kaffee wird signifikant häufiger im Winter getrunken als im Sommer. Bei Alkohol
verhält es sich genau umgekehrt.
93% der Befragten gaben an, regelmäßig zum Frühstück etwas zu trinken. Dabei gab es auch so gut wie keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern und
Altersgruppen. Auf die Frage nach der Art der konsumierten Getränke, wurden Kaffee (61%), Tee (37%), Wasser (24%) und Fruchtsäfte (18%) am häufigsten genannt (Mehrfachangaben waren möglich).
Insgesamt 91% beantworteten die Frage nach dem Getränkekonsum zu den
Hauptmahlzeiten mit "ja". Dabei zeigte sich jedoch, dass Personen ab 51 Jahren
deutlich häufiger keine Getränke zu den Hauptmahlzeiten konsumieren.
Weitaus am häufigsten wurde Wasser bzw. Mineralwasser (70%) als Getränk
genannt. Gefolgt von Fruchtsäften (34%) und Alkohol rangiert mit 25% der Nennungen bereits an dritter Stelle. Männer gaben signifikant häufiger an, Alkohol zu
den Hauptmahlzeiten zu trinken als Frauen. Frauen bevorzugen Wasser bzw. Mineralwasser.
Die überwiegende Mehrheit des
Kollektivs (93%) trinkt auch zwischen
Prozent (%)
den Mahlzeiten. Wasser bzw. Mineralwasser (80%) sowie Fruchtsäfte (26%)
Erfrischung
79
lagen an erster und zweiter Stelle der
Geschmack
61
Nennungen. Auch dabei ließen sich signifikante Unterschiede zwischen den
Gesundheit
58
Geschlechtern feststellen. Frauen trinKaloriengehalt
27
ken demnach zwischendurch häufiger
Gewohnheit
25
Wasser und Tee, während Männer alkoholische Getränke und Limonaden
Nährstoffgehalt
22
bevorzugen.
Preis
16
Kohlensäuregehalt
14
Alkoholgehalt
5
Verpackung
3
Überlegungen Erwachsener zur
Getränkewahl
Die Probanden hatten beim Ausfüllen des Fragebogens 10 Punkte zur
66
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Prozent
Auswahl, von denen sie jene ankreuzen
(%)
sollten, welche für die Getränkewahl
Probiotische Getränke
55
von Bedeutung sind. Die Auswertung
ist in Tab. 2.41 aufgeschlüsselt.
Tee-Fruchtsaftgetränke
50
Aus den 10 Faktoren wurden 5 ausWellness-Getränke
43
gewählt, bei denen die Unterschiede
zwischen den Geschlechtern am auSportgetränke, Isotonische 35
genscheinlichsten waren. Mehr als
Getränke
doppelt so viele Frauen als Männer
ACE-Getränke
24
nannten den Kaloriengehalt der GeLight-Getränke
21
tränke als mitentscheidend für den Konsum. Außerdem war für Frauen der Gesundheitsaspekt wichtiger als der Geschmack.
Der Faktor Erfrischung blieb in jeder Altersgruppe an erster Stelle der Nennungen. Hingegen nahm die Bedeutung des Geschmacks mit zunehmendem Alter
ab. Nahezu im gleichen Ausmaß stieg die Wichtigkeit der Gesundheit für die Getränkewahl an.
79% der Befragten waren der Meinung, sich nicht von Trends in ihrem Trinkverhalten beeinflussen zu lassen. Das Alter übte bei diesem Punkt wieder einen
signifikanten Einfluss aus. Je älter die Probanden, desto weniger war die Meinung
vorherrschend, sich von der Werbung oder Modeerscheinungen beeinflussen zu
lassen.
Diejenigen, welche angaben, sich auch nach Trends zu richten, nannten die in
Tab. 2.42 angeführten Trendgetränke am häufigsten. Außerdem war von Interesse, wie viele der Befragten häufig ihr Durstgefühl unterdrücken. Das schien unter
anderem im Hinblick auf das Trinkverhalten von älteren Menschen von Bedeutung
zu sein, da besonders im fortgeschrittenen Alter schnell Störungen im Wasserhaushalt auftreten können. Die Reabsorption von Wasser in der Niere ist beeinträchtigt und das Durstempfinden der Senioren ist abgeschwächt.
81% des Gesamtkollektivs antworteten mit "nein", sie würden ihr Durstgefühl
nicht unterdrücken. Speziell die Probanden aus den älteren Altersgruppen gaben
sogar weniger häufig an, ihr Durstgefühl zu unterdrücken. Wahrscheinlich dürfte
die große Bedeutung einer ausreichenden Flüssigkeitsaufnahme in jedem Lebensalter, durch verschiedene Aufklärungsmaßnahmen, schon vielen älteren Menschen
geläufig sein. Bei körperlicher Aktivität, wie z.B. bei Sport, erhöht sich aufgrund
der Flüssigkeitsverluste durch schwitzen der Wasserbedarf.
Erstaunliche 439 der 826 Befragten gaben an, regelmäßig Sport zu betreiben
(2mal pro Woche 45 min). 87% dieser körperlich aktiven Personen beantworteten
die Frage, ob sie während oder nach dem Sport mehr trinken, mit "ja". Obwohl die
Mehrheit beider Geschlechter beim Sport mehr trinkt, neigten signifikant mehr
Frauen als Männer dazu, trotz Bewegung nicht mehr zu trinken als sonst.
Mineralwasser als Trendgetränk
Der österreichische Mineralwassermarkt "boomt". Insgesamt wurden laut Industrieerhebung eines Marktforschungsinstituts in den ersten 5 Monaten des Jahres 2003 488 Millionen Liter reines natürliches Mineralwasser Österreichischer Herkunft in Österreich abgefüllt. Davon nimmt die Vöslauer AG mit 38,3% den Löwenanteil in Anspruch, gefolgt von Top-Konkurrent Römerquelle (mit einem Marktanteil von 17,2%) und den "Sonstigen" (12,3%), darunter auch Importmineralwässer. Platz vier gehört dem burgenländischen Abfüller Waldquelle (9,7%). Dahinter kommen die Marken Gasteiner, Juvina (Fa. Starzinger) und Astoria (Zweitmarke von Alpquell), mit einem Marktanteil zwischen 3-4%. Im Gastro-Geschäft
hingegen dominiert Römerquelle klar vor Gasteiner und Vöslauer. Mineralwasser
liegt als voll im "Trend".
Der Mineralwasser-Absatz stieg in den letzten 10 Jahren nahezu kontinuierlich
an. Beispielsweise betrug der Jahresabsatz im Jahr 2002 rund 723 Millionen Liter
67
Tab. 2.42
Konsumhäufigkeiten von
Trendgetränken bei
österreichischen Erwachsenen
(Mehrfachnennungen
waren möglich)
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Tab. 2.43:
Mittlere tägliche Getränkezufuhr bei
österreichischen Erwachsenen
Getränk (ml/d)
Trinkmenge
(MW ± SD)
Leitungswasser
711 ± 787
Mineralwasser
442 ± 572
Kaffee
261 ± 259
alkoholische Getränke
204 ± 352
Tee
190 ± 321
sonstige Getränke*
150 ± 239
und ist damit im Vergleich zu 2001 um
12,6% angestiegen. Der Pro-KopfVerbrauch für den gleichen Beobachtungszeitraum ist von 85 Liter im Jahr
2001 auf 90 Liter im Jahr 2002 (Basis jeweils: 8,06 Mio. Einwohner) angestiegen [ÖSTAT, 2002].
Trinkmenge und Energiezufuhr
von Erwachsenen
Wie eingangs erwähnt, sollte von
Limonaden
114 ± 264
den Probanden auch ein 24-h-Recall
Obst-/Gemüsesäfte
102 ± 242
sowie ein 1-d-Protokoll ausgefüllt
werden. Bei beiden Protokollen wurMilch/Milchgetränke
36 ± 109
de ausschließlich nach den konsuLight-Limonaden
7 ± 56
mierten Getränken gefragt.
Generell konnte bei keiner VariaSirup
6 ± 22
blen ein Unterschied zwischen den
* z.B. Wellness-Getränke, Sportgetränke,
beiden Protokollarten festgestellt
Energy-Drinks
werden. Zur weiteren Datenanalyse
wurde daher ausschließlich der 24-hRecall verwendet, da die Rücklaufquote entsprechend höher war (n=746 bzw.
76,4%). Die Gesamttrinkmenge des Studienkollektivs lag im Mittel bei rund 2,3
Liter pro Tag. Darin enthalten sind jedoch auch Kaffee, Alkohol und Milch, also
Getränke welche nicht zu den "echten" Durstlöschern zu zählen sind. Koffeinhaltige und alkoholische Getränke erhöhen die Wasserausscheidung und bedingen dadurch sogar einen höheren Wasserbedarf. Tee wurde nicht in koffeinhaltig und nicht-koffeinhaltig aufgeschlüsselt.
Insgesamt kann die Flüssigkeitszufuhr als sehr zufriedenstellend beschrieben
werden. Die höchsten Trinkmengen ergaben sich bei Wasser (Leitungswasser und
Mineralwasser). Signifikante Unterschiede in der Gesamttrinkmenge zeigten sich
unter anderem hinsichtlich des Geschlechts und der Altersgruppen. Männer trinken mehr als Frauen, 21-40-Jährige trinken deutlich mehr als die anderen Altersgruppen und die Gruppe der über 60-Jährigen nimmt am wenigsten Flüssigkeit in Form von Getränken zu sich.
Die Gesamtenergiezufuhr aus den Getränken betrug durchschnittlich 385 kcal
pro Tag. Der Großteil der Energieaufnahme stammte dabei aus Alkohol und Limonaden (je rund 113 kcal/d).
Wissen Erwachsener über das Trinken
Das Ernährungsverhalten bzw. in diesem speziellen Fall das Trinkverhalten
wird zwar nicht nur durch das eigene Wissen darüber beeinflusst, dennoch ist es
aber eine Voraussetzung für die Anwendung einer bedarfsgerechten Flüssigkeitszufuhr.
Alkoholgehalt
Kalorien
Abb. 2.28
Gründe für
die Getränkewahl bei
österreichischen Erwachsenen
Frauen
Gewohnheit
Männer
Gesundheit
Geschmack
0
20
40
68
60
80
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Trinken und Durststillung sind extrem variable Verhaltensweisen, die eine Kombination aus angeborenen und erlernten Mechanismen beinhalten. Üblicherweise wird ohne offensichtliche Notwendigkeit getrunken und das physiologisch benötigte Wasser wird meist schon im Voraus, d.h. bevor sich ein starkes Durstgefühl einstellt, aufgenommen [Schmidt et al., 2000].
Einige kurze Wissensfragen sollten darüber Aufschluss geben, in wie weit sich die Befragten bisher mit dem Thema "Trinken" auseinander gesetzt haben.
Wie viel, denken Sie, sollten Sie mindestens täglich trinken? Aus den drei vorgegebenen Antwortmöglichkeiten auf diese Fragen wählten 0,6% der Befragten "ungefähr 1 Liter".
24,4% meinten, dass die tägliche Trinkmenge 1-2 Liter betragen soll und die verbleibenden 75%
waren sogar der Ansicht, "mehr als 2 Liter" pro Tag sei die richtige Antwort.
Zwischen den Geschlechtern gab es keine signifikanten Unterschiede. Jüngere waren jedoch eher
der Meinung, mehr trinken zu müssen als ältere Probanden.
Ein Großteil des Studienkollektivs wusste auch über die Funktionen einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr Bescheid. Aus 8 vorgegebenen Antwortmöglichkeiten fielen 89% der Nennungen (Mehrfachantworten waren möglich) auf die Wichtigkeit für die Nierenfunktion und 70% auf die Aufrechterhaltung der Herz-Kreislauffunktionen.
Etwa zwei Drittel der Probanden gaben an, auch ohne Durstgefühl zu trinken. Frauen signifikant
häufiger als Männer.
Schlussbetrachtung
Der Großteil des befragten Kollektivs gab an, zwischen 3-8mal pro Tag ein Getränk zu sich zu
nehmen. Jüngere Erwachsene unter 30 Jahren jedoch signifikant häufiger als über 30-Jährige. Mit
zunehmendem Alter nahm sowohl die Trinkfrequenz (unter 5mal pro Tag) als auch die Trinkmenge
ab.
Die Akzeptanz von Leitungswasser ist sehr hoch. 77% der Frauen und 58% der Männer gaben
an, täglich Leitungswasser zu trinken. Mineral-/Sodawasser erreicht eine insgesamt ähnliche Trinkhäufigkeit, wobei jedoch mehr Männer als Frauen Mineral-/Sodawasser bevorzugen. Auch Alkohol
wird vom männlichen Kollektiv signifikant häufiger getrunken, über 40% konsumieren demnach fast
täglich Alkohol und die Mehrheit zumindest 1-2mal pro Woche. Hingegen meinten fast 50% der Frauen, nur selten Alkohol zu trinken.
Nach subjektiver Einschätzung der Probanden wird im Sommer deutlich mehr getrunken als im
Winter. Die Mehrheit war der Meinung im Sommer über 1,6 Liter täglich zu trinken und während der
kalten Jahreszeit zwischen 1,1-1,5 Liter.
Jeweils über 90% der Befragten gaben an sowohl zum Frühstück, als auch zu den Hauptmahlzeiten sowie dazwischen regelmäßig zu trinken. Das beliebteste Frühstücksgetränk ist eindeutig Kaffee, gefolgt von Tee und Wasser. Bei den Hauptmahlzeiten dominierten Wasser, Fruchtsäfte und alkoholische Getränke. Zwischen den Mahlzeiten werden wiederum Wasser sowie Fruchtsäfte bevorzugt.
Erfrischung, Geschmack sowie gesundheitliche Überlegungen wurden vom Kollektiv als Hauptgründe für die Getränkewahl genannt. Frauen achten auch häufig auf den Kaloriengehalt und bei den
Männern spielt die Gewohnheit eine Rolle bei der Trinkentscheidung.
Als beliebteste Trend-Getränke wurden probiotische Getränke und Tee-Fruchtsaftgetränke (je
über 50% der Nennungen) genannt. Der Großteil (79%) war jedoch der Meinung, sich nicht von
Trends beeinflussen zu lassen.
Erfreulicherweise wird das Durstgefühl nur selten unterdrückt und wider Erwarten ließ sich diesbezüglich auch bei den älteren Erwachsenen kein ansteigender Trend feststellen.
Die mittels 24-h-Recall ermittelte Gesamttrinkmenge (rund 2,3 Liter pro Tag) ist sehr zufriedenstellend. Zwar können koffein- und alkoholhältige Getränke nicht zu den Durstlöschern gezählt werden, der D-A-CH-Richtwert von 1-1,5 Liter Flüssigkeitsaufnahme aus geeigneten Getränken wurde
im Mittel mit ca. 1,8 Liter pro Tag übertroffen.
In einer Multiple-Choice Frage wurde die Trinkmenge von drei Viertel der Befragten zwar überschätzt, sie meinten "mehr als 2 Liter pro Tag" sei die richtige Antwort, jedoch zeigt diese Antwort
und das Ergebnis der Studie insgesamt, dass die Bedeutung einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr
über Getränke dem befragten Kollektiv sehr bewusst ist.
69
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
2.5 Senioren
Zusammenfassung
Der Gesundheitszustand bzw. die körperliche Verfassung österreichischer Seniorinnen und Senioren, die im Rahmen einer Studie untersucht wurden, kann als gut beurteilt werden. Im Pensionistenwohnhaus (PWH), wo die Altersstruktur des untersuchten Kollektivs wesentlich höher war als im
Eigenheim, wurde der Gesundheitszustand ebenfalls von den meisten Senioren als "gut dem Alter
entsprechend" eingeschätzt. Befindlichkeitsstörungen wie Müdigkeit und Appetitlosigkeit hatten im
PWH mehr Bedeutung als bei den zuhause Wohnenden. Die Medikamenteneinnahme war folglich bei
Heimbewohnern ebenso höher. Probleme bei der Nahrungsaufnahme wie Schwierigkeiten beim Kauen, Schlucken und Schneiden waren ebenso unter Heimbewohnern verbreiteter als bei zuhause Wohnenden. Ihr Ernährungszustand zeigte bis etwa zum 65. Lebensjahr einen Trend zu Übergewicht, der
mit zunehmendem Alter jedoch geringer wurde. Im Gegensatz dazu war mit zunehmendem Alter ein
Anstieg der Prävalenz von Untergewicht zu verzeichnen. Insgesamt zeigte sich bei etwa 60% der Senioren ein BMI im Normalgewichtsbereich. Der Anteil an Untergewichtigen war bei Personen aus dem
PWH gegenüber zuhause lebenden Senioren höher.
Die Verzehrsmuster, ermittelt durch die Auswertung des Food Frequency Questionnaire (FFQ),
zeigten einen hohen Verzehr von tierischen Produkten, wie Fleisch bzw. Wurst. Der Konsum von Lebensmitteln mit erwünscht hoher Nährstoffdichte wie Gemüse, Obst, fettarmen Milchprodukten und
Getreideprodukten musste hingegen als zu gering beurteilt werden. Der Fischverzehr ließ insgesamt
ebenfalls zu wünschen übrig, wobei Heimbewohner noch signifikant häufiger Fisch in ihren Speiseplan integrierten.
Die Auswertung des 24-h-Verzehrsprotokolls belegte eine zu hohe Zufuhr an Fett und damit verbunden eine zu geringe Kohlenhydrat- und Ballaststoffaufnahme. Da durch den starken Überhang
von tierischen Lebensmitteln auch die Aufnahme an gesättigten Fettsäuren sehr hoch war (bis 20%
der Energiezufuhr), ist Fett sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht als kritischer Nährstoff anzusehen. Als weitere Risikonährstoffe sind Folsäure, Vitamin D, Calcium, Jod und Magnesium
einzustufen. Bei den Höchstbetagten ist vor allem auch mit einer schlechten Vitamin C-Versorgung
zu rechnen.
Aussagekräftige Unterschiede in der Nährstoffversorgung zwischen Senioren im Wohnheim und
in Privathaushalten ergaben sich primär hinsichtlich der Aufnahme an Makronährstoffen. Senioren im
Privathaushalt nahmen signifikant mehr Ballaststoffe sowie Kohlenhydrate auf und signifikant weniger Eiweiß (p<0,05). Ferner zeigten die selbstständig Lebenden einen signifikant besseren Vitamin
D-Status als Heimbewohner und die Flüssigkeitsaufnahme aus Lebensmitteln und Getränken war beim
Kollektiv der selbstständig lebenden Älteren signifikant höher als bei den Bewohnern von PWH.
Die vorliegenden Ergebnisse liefern wichtige Basisinformationen über den Ernährungszustand von
Senioren. Da diese jedoch nicht für ganz Österreich repräsentativ sind, besteht nach wie vor erheblicher Forschungsbedarf über die Ernährungssituation von älteren Menschen in Österreich.
Allgemeines
Derzeit ist jeder fünfte Österreicher älter als 60 Jahre, d.h. in Österreich leben rund 1,67 Mio. Senioren. Dieser Trend hält weiter an und nach Schätzungen soll im Jahr 2050 bereits jeder Dritte älter als 60 Jahre sein [Statistik Austria, 2000]. Wohlbefinden und Vitalität sind wesentliche Voraussetzungen für die Lebensqualität bis ins hohe Alter. Während des Alterungsprozesses trägt eine adäquate Ernährung zur Aufrechterhaltung der Gesundheit und des Wohlbefindens bei. Älteren Menschen
fällt es aber häufig schwer, ausgewogen zu essen und zu trinken, denn mit zunehmendem Alter können Appetit, Durstgefühl und Geschmacksempfinden nachlassen. In der Folge kommt es häufig zur
Entwicklung bzw. Weiterentwicklung von Krankheiten.
In diesem Zusammenhang ist auch die Heterogenität der älteren Bevölkerung hervorzuheben.
Verschiedene Menschen altern unterschiedlich schnell und chronologisches Alter kann nicht immer
mit dem biologischen Alter gleichgesetzt werden [Bates et al., 2001]. Es kann nicht oft genug betont
werden, dass sich eine bedarfsdeckende vielseitige Ernährung positiv auf die Gesundheit und ein längeres Leben auswirken. Aber nicht nur die altersbedingten Veränderungen des Körpers bestimmen
den Ernährungszustand von betagten Menschen. Auch soziale und psychosoziale Faktoren wie die
Lebenssituation, das Einkommen, das soziale Umfeld, die Wohnsituation und vieles mehr, nehmen
Einfluss auf den Ernährungsstatus.
70
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
männ- weiblich Gesamtkollektiv
In einer vom Institut für Ernählich
rungswissenschaften der Universität
n= 88
557
643
Wien veröffentlichten Studie [ELMADFA et al., 1996] wurden erste indivi%
14
86
100
duelle Anamnesen zu ErnährungsgePensionistenPrivathaushalt
wohnheiten, Nahrungsaufnahme und
wohnhaus
(PHH) (m/w)
Versorgungszustand mit Mikronähr(PWH) (m/w)
stoffen bei älteren Menschen in Wiener
n= 233 (28/205)
410 (59/351)
Pensionistenwohnhäusern (PWH) erhoben. In diese Untersuchung wurden je%
36 (12/82)
64 (14/86)
doch keine selbstständig zuhause lebenden Senioren mit einbezogen. In
Män- 55-64 65-74 75-84 >84 J GeZusammenarbeit mit dem Kuratorium
ner J
J
J
samt
Wiener Pensionistenwohnhäuser und
n=
21
22
22
22
87
der MA38 – Lebensmitteluntersuchungsanstalt und MA15 der Stadt Wien
%
25
25
25
25
100
wurde deshalb vom Institut für ErnähFraurungswissenschaften der Universität
en
Wien eine neue Studie durchgeführt.
n=
180 121 160 93
554
Erstmals wurden Wiener Pensionisten
in Privathaushalten (PHH) und PWH be%
32
22
29
17
100
fragt. Diese Daten sind wichtige Basisinformationen zur Beurteilung des Ernährungszustands von Älteren, sind jedoch nicht repräsentativ für ältere Personen
in ganz Österreich. Instrumente der Studie waren:
- Blut- und Harnuntersuchungen zur Ermittlung des Ernährungsstatus
- Fragebogenunterstützte Interviews
- 24-Stunden-Protokoll (24-h-Recall) zur Erfassung der Nahrungsaufnahme
In diesem Kapitel werden die wichtigsten Ergebnisse dieser durchgeführten
Evaluation besprochen. Tab. 2.44 und 2.45 sowie Abb. 2.29 beschreiben das Studienkollektiv.
Zufuhr an Energie und Makronährstoffen älterer Menschen
Bei Erhebungen mit älteren Menschen ist es häufig sehr schwierig, ein geeignetes Instrumentarium zu finden. Speziell bei Senioren kommt es bei der Verwendung eines 24-h-Erinnerungsprotokolls (24-h-Recall) häufig zu einer deutlichen
Unterschätzung der tatsächlichen Nahrungsaufnahme. Dieses Phänomen des "Underreportings", wo bewusst oder unbewusst nicht alle bzw. die gesamte Menge
der verzehrten Lebensmittel protokolliert wird, muss bei der Beurteilung unbedingt
mitberücksichtigt werden [vam Staveren et al., 1994]. Aus diesem Grund wurde
für das Kollektiv der individuelle Grundumsatz (=basal metabolic rate) nach Schofield [1985] berechnet, um Underreporting festzustellen. Underreporting liegt dann
vor, wenn die Energieaufnahme kleiner als der errechnete individuelle Grundum-
Frauen
Tab. 2.45:
Charakteristik der Studienpopulation, getrennt nach
Altersgruppen und Geschlecht
Abb. 2.29:
Anteil der
Studienteilnehmer, die
in Pensionistenwohnhäusern oder
im Privathaushalt leben, getrennt nach
Altersgruppen und Geschlecht
Männer
>84 J.
>84 J.
PWH
75-84 J.
Privat
65-74 J
bis 65 J.
0%
Tab. 2.44
Charakteristik der Studienpopulation, getrennt nach
Geschlecht
und Wohnsituation
75-84 J.
65-74 J
bis 65 J.
20%
40%
60%
80%
100%
0%
71
50%
100%
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Frauen
gesamt
55-64 J
65-74 J
75-84 J
>84 J
D-A-CH
Energie (MJ)
7,4 ± 2,1
7,5 ± 2,3
7,5 ± 2,0
7,4 ± 1,9
7,1 ± 2,0
8,5 / 7,5*
E% Eiweiß
16 ± 4
16 ± 4
16 ± 5
16 ± 5
16 ± 4
10-15
E% KH
46 ± 9
47 ± 9
46 ± 8
45 ± 9
43 ± 9
>50
davon Zucker
9±5
9±5
9±5
9±5
9±5
-
Ballaststoffe (g)
19 ± 7
21 ± 8
20 ± 7
18 ± 7
16 ± 6
>30
E% Fett
37 ± 8
36 ± 9
37 ± 7
38 ± 8
40 ± 8
30-35
davon GFS
18 ± 3
17 ± 4
17 ± 3
19 ± 4
20 ± 3
max. 10
davon MFS
14 ± 2
14 ± 3
14 ± 2
14 ± 2
15 ± 2
13
davon PFS
5±3
5±3
6±2
5±2
5±2
7
Cholesterin (mg)
309 ± 168
299 ± 172
325 ± 222
300 ± 130
337 ± 225
max. 300
E% Alkohol
1,2 ± 2,9
1,4 ± 4,0
1,2 ± 2,2
0,8 ± 1,9
0,8 ± 2,1
-
Energie (MJ)
8,4 ± 2,6
9,0 ± 3,2
8,7 ± 2,3
8,7 ± 2,3
7,4 ± 2,4
10,5 / 9,5**
E% Eiweiß
15 ± 5
16 ± 5
16 ± 5
16 ± 4
14 ± 5
10-15
E% KH
44 ± 9
45 ± 9
46 ± 10
42 ± 6
44 ± 11
>50
Männer
davon Zucker
9±8
8±5
8±4
7±3
11 ± 15
-
Ballaststoffe (g)
20 ± 8
20 ± 7
23 ± 9
22 ± 9
15 ± 5
>30
E% Fett
38 ± 7
36 ± 6
36 ± 7
40 ± 6
40 ± 8
30-35
davon GFS
18 ± 3
16 ± 2
17 ± 3
20 ± 3
20 ± 3
max. 10
davon MFS
15 ± 2
15 ± 2
14 ± 2
15 ± 2
15 ± 2
13
davon PFS
5±2
5±2
5±2
5±2
5±2
7
Cholesterin (mg)
378 ± 166
466 ± 232
323 ± 113
377 ± 119
354 ± 155
max. 300
E% Alkohol
2,6 ± 3,8
3,4 ± 4,9
2,0 ± 3,6
2,3 ± 2,6
2,0 ± 3,3
-
E%...Energieprozent; KH…Kohlenhydrate; GFS…Gesättigte Fettsäuren; MFS…Monoenfettsäuren; PFS…Polyenfettsäuren; * 7,5 MJ/Tag gelten für über 65-jährige Frauen mit einem BMI im Normbereich
und PAL von 1,6; ** 9,5 MJ/Tag gelten für über 65-jährige Männer mit einem BMI im Normbereich und
PAL von 1,6
Tab. 2.46
Mittlere tägliche Zufuhr
(MW ± SD)
an Energieund Makronährstoffen
bei Wiener
Senioren,
getrennt
nach Altersgruppen und
Geschlecht
satz ist. Eine Energieaufnahme die kleiner als der eigene Grundumsatz war, wurde bei weniger als 1/5 der Studienpopulation festgestellt.
Zur Erfassung der täglichen Lebensmittelzufuhr bzw. der daraus ermittelten
Energie- und Nährstoffaufnahme diente ein 24-h-Verzehrsprotokoll (24-h-Recall),
das die Probanden nach ausführlichen Instruktionen selbst oder auf Wunsch mit
geschultem Personal ausfüllten. Zur Beurteilung des allgemeinen Ernährungsverhaltens der Senioren wurde ein Food Frequency Questionnaire (FFQ) gewählt.
Erwartungsgemäß war die mittlere Energiezufuhr bei den Männern der Altersgruppe von 55-64 Jahren mit rund 9 MJ pro Tag am höchsten und nahm mit
zunehmendem Alter ab. Im weiblichen Kollektiv lag die mittlere tägliche Energiezufuhr bei 7,4 MJ, wobei sich diese mit zunehmendem Alter kaum änderte. Die DA-CH-Referenzwerte für die Energiezufuhr wurden durchwegs unterschritten. Männer und Frauen über dem 65. Lebensjahr stellen hinsichtlich des Energiebedarfs
eine besonders heterogene Gruppe dar. In dieser Bevölkerungsgruppe finden sich
einerseits Personen, die körperlich noch sehr aktiv sind und andererseits gehören
zu dieser Gruppe Personen, die in ihrer Beweglichkeit deutlich eingeschränkt sind.
Neben der körperlichen Aktivität wird der Energiebedarf auch maßgeblich vom
Grundumsatz beeinflusst. Je nach körperlicher Fitness und dem Anteil der fettfreien Körpermasse am Körpergewicht variiert auch der Grundumsatz entspre-
72
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
chend. Diese Faktoren erschweren die Bewertung der Energieaufnahme. Sicherheitshalber sollten
vor allem Ältere ihr Gewicht regelmäßig kontrollieren oder vom Allgemeinarzt kontrollieren lassen.
Eine unfreiwillige Gewichtsabnahme über einen längeren Zeitraum ist ein geeigneter Indikator
für eine unzureichende Ernährung und/oder eine zehrende Krankheit [Bates et al., 2001]. Eine niedrige Energieaufnahme ist außerdem meist mit einem erhöhten Risiko für eine unzureichende Aufnahme an Mikronährstoffen verbunden. Im Gegensatz zum Energiebedarf ist der Nährstoffbedarf im
Alter nicht vermindert und erfordert daher eine Nahrungsaufnahme mit hoher Nährstoffdichte.
In Relation zur Gesamtenergiezufuhr lag die durchschnittliche Proteinaufnahme der Senioren mit
15% an der Obergrenze der D-A-CH-Richtwerte. Die absolute Eiweißaufnahme lag beim männlichen
Kollektiv bei durchschnittlich 76 g/d und bei den Frauen dieser Altersgruppe bei rund 68 g/d. Die Proteinzufuhr kann somit beim Großteil der Senioren als zufriedenstellend charakterisiert werden. Hervorzuheben ist jedoch die Subgruppe der selbständig lebenden über 84-jährigen Männer, bei denen
die mittlere Proteinaufnahme (53 g/d) nur knapp über der empfohlenen Zufuhr lag. Wie bereits erwähnt, kommt es im späteren Lebensabschnitt häufig zu unfreiwilligen Gewichtsverlusten und das
Risiko für Proteinenergiemangelernährung ist erhöht. Deshalb sollte speziell bei dieser Bevölkerungsgruppe auch auf eine ausreichende Proteinversorgung geachtet werden.
Im Sinne einer präventiven Ernährung sollten maximal 30% der Nahrungsenergie aus Fett stammen [DACH, 2000]. Wie bei jüngeren Bevölkerungsgruppen entsprachen die Verzehrsgewohnheiten
der Senioren diesbezüglich nicht den wünschenswerten Vorgaben. Vor allem bei über 75-Jährigen
wurde durchschnittlich bis zu 40% der Energiezufuhr in Form von Fett aufgenommen. Auf ein sehr
ungünstiges Ernährungsmuster ließ auch die Relation der aufgenommenen Fettsäuren zueinander
schließen. Die D-A-CH-Referenzwerte gehen von weniger als 10% der Gesamtenergiezufuhr in Form
von gesättigten Fettsäuren (GFS) aus. Jedoch lag die aktuelle Zufuhr an GFS im Gesamtkollektiv bei
durchschnittlich 18% und bei den über 75-jährigen Frauen bzw. den über 85-jährigen Männern sogar bei rund 20%. Im Gegensatz dazu war die Aufnahme an mehrfach ungesättigten Fettsäuren
(Polyenfettsäuren, PFS) zu gering. Diese betrug bei den Senioren durchschnittlich 5% der Energiezufuhr. Bei den höchstbetagten Männern im Mittel sogar nur 4%. Da PFS in Form von n-6 Fettsäuren (Linolsäure und die aus ihr gebildeten längerkettigen Fettsäuren) und n-3 Fettsäuren (a-Linolensäure und ihre längerkettigen Derivate) für den menschlichen Organismus essentielle Nährstoffe
darstellen, muss auf eine ausreichende Zufuhr dieser geachtet werden. Der D-A-CH-Richtwert für die
Zufuhr von PFS ist mit 7% der Nahrungsenergie angegeben.
Die Kohlenhydratzufuhr lag mit durchschnittlich 45% der Nahrungsenergiezufuhr unter dem
wünschenswerten Richtwert von mindestens 50% [DACH, 2000]. Mit zunehmendem Alter stieg der
Fettkonsum bei gleichzeitig sinkender Gesamtenergieaufnahme. Der hohe Anteil an Energie aus Fett
bzw. der niedrige Beitrag von Kohlenhydraten an der Energiezufuhr sind Kennzeichen traditioneller
Ernährungsmuster ("Österreichische Hausmannskost").
Bedauerlicherweise war auch die Ballaststoffaufnahme der Senioren verglichen mit dem Richtwert von mindestens 30 g pro Tag zu gering. Die Aufnahme betrug durchschnittlich nur etwa zwei
Drittel des Richtwerts und war bei den über 85-Jährigen noch geringer.
Hingegen betrug der Anteil von Alkohol an der Energiezufuhr bei Männern fast 3% und bei Frauen knapp über 1%.
Die durchschnittliche Cholesterinaufnahme war bei beiden Geschlechtern zu hoch. Mit zunehmendem Alter konnten diesbezüglich keine signifikanten Unterschiede in der täglichen Cholesterinzufuhr beobachtet werden, was mit einer sehr stabilen Beibehaltung von Ernährungstraditionen bzw.
bestimmten Ernährungsmustern erklärt werden kann.
Der menschliche Organismus ist auf eine regelmäßige und mengenmäßig ausreichende Flüssigkeitszufuhr angewiesen. Besonders im fortgeschrittenen Alter können schnell Störungen im Wasserhaushalt auftreten. Die Reabsorption von Wasser in der Niere ist beeinträchtigt und das Durstempfinden der Senioren ist abgeschwächt. Der Richtwert für die Gesamtwasseraufnahme (inklusive aus
fester Nahrung) wird in den D-A-CH-Referenzwerten für ältere Menschen mit über 2 Liter pro Tag
angegeben. Erfreulicherweise lag das untersuchte Kollektiv mit einer Gesamtflüssigkeitsaufnahme
von 2384 ± 794 ml/d im Mittel über diesem Richtwert. Die Aufnahme war für Männer und Frauen
fast gleich. Jedoch nahmen Frauen bzw. Männer aus der ältesten Gruppe signifikant weniger Flüssigkeit zu sich als Frauen aller anderen Altersgruppen bzw. Männer aus der 2. Altersgruppe (65-74
J.). Der Wasserkonsum war demnach für den Großteil der untersuchten älteren Menschen, mit Ausnahme der Personen ab dem 85. Lebensjahr, unproblematisch.
73
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Frauen
gesamt
55-64 J
65-74 J
75-84 J
>84 J
D-A-CH
Vitamin A1 (mg)
1,1 ± 1,0
1,1 ± 0,9
1,2 ± 1,2
1,1 ± 1,1
1,0 ± 1,0
0,8
β-Carotin2 (mg)
2,9 ± 3,0
3,2 ± 2,7
2,7 ± 3,1
2,9 ± 3,5
2,3 ± 2,6
2-4
Vitamin D (µg)
3,7 ± 5,3
3,4 ± 4,4
4,7 ± 6,2
3,6 ± 6,1
3,1 ± 3,5
5/10*
Vitamin E3 (mg)
8,0 ± 4,6
8,6 ± 5,2
9,3 ± 5,5
7,2 ± 3,2
6,3 ± 2,7
12/11*
Vitamin B1 (mg)
1,1 ± 0,5
1,2 ± 0,5
1,1 ± 0,5
1,0 ± 0,4
0,9 ± 0,4
1
Vitamin B2 (mg)
1,4 ± 0,6
1,4 ± 0,6
1,5 ± 0,6
1,4 ± 0,5
1,3 ± 0,6
1,2
Niacin4 (mg)
25 ± 8
25 ± 8
25 ± 10
24 ± 8
23 ± 8
13
Pantothensäure (mg) 4,3 ± 1,7
4,5 ± 1,7
4,6 ± 2,0
4,1 ± 1,5
3,8 ± 1,6
6
Vitamin B6 (mg)
1,3 ± 0,6
1,4 ± 0,6
1,4 ± 0,6
1,3 ± 0,5
1,2 ± 0,5
1,2
Biotin (µg)
39 ± 21
40 ± 16
45 ± 32
36 ± 17
33 ± 14
30-60
Folsäure5 (µg)
201 ± 76
223 ± 88
210 ± 68
189 ± 67
166 ± 60
400
Vitamin B12 (µg)
4,1 ± 2,4
3,9 ± 2,1
4,4 ± 2,9
4,1 ± 2,5
3,9 ± 2,3
3
Vitamin C (mg)
94 ± 68
109 ± 73
98 ± 66
87 ± 63
71 ± 62
100
Männer
gesamt
55-64 J
65-74 J
75-84 J
>84 J
Vitamin A1 (mg)
1,2 ± 1,1
1,5 ± 1,6
1,3 ± 1,1
1,2 ± 0,8
0,9 ± 0,4
1
β-Carotin2 (mg)
2,7 ± 2,1
2,9 ± 2,1
2,8 ± 2,5
3,0 ± 2,1
2,2 ± 1,9
2-4
Vitamin D (µg)
4,2 ± 4,3
5,0 ± 5,7
5,1 ± 5,3
3,4 ± 2,2
3,4 ± 3,1
5/10*
Vitamin E3 (mg)
8,6 ± 3,8
9,9 ± 4,2
9,0 ± 3,1
9,3 ± 4,1
6,2 ± 2,9
13/12*
Vitamin B1 (mg)
1,2 ± 0,5
1,4 ± 0,7
1,2 ± 0,4
1,2 ± 0,4
1,0 ± 0,4
1
Vitamin B2 (mg)
1,4 ± 0,6
1,5 ± 0,8
1,5 ± 0,4
1,4 ± 0,3
1,3 ± 0,5
1,3/1,2*
Niacin4 (mg)
27 ± 10
31 ± 13
27 ± 7
28 ± 8
23 ± 9
15/13*
Pantothensäure (mg) 4,5 ± 1,8
5,0 ± 2,6
4,7 ± 1,5
4,4 ± 1,2
3,7 ± 1,5
6
Vitamin B6 (mg)
1,4 ± 0,5
1,6 ± 0,6
1,4 ± 0,4
1,5 ± 0,5
1,1 ± 0,4
1,5/1,4*
Biotin (µg)
41 ± 19
50 ± 28
43 ± 15
37 ± 13
35 ± 14
30-60
Folsäure5 (µg)
218 ± 79
234 ± 92
232 ± 70
232 ± 80
174 ± 61
400
Vitamin B12 (µg)
4,7 ± 2,6
5,3 ± 3,4
4,9 ± 2,6
5,3 ± 3,2
4,0 ± 1,8
3
Vitamin C (mg)
104 ± 102
97 ± 85
113 ± 104
109 ± 86
93 ± 133
100
* D-A-CH-Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr für Senioren ab dem 65. Lebensjahr;
1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin;
2 dieser Wert mal 0,16 ist in den Retinol-Äquivalenten enthalten;
3 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γ-Tocopherol x 0,25 + mg αTocotrienol x 0,33;
4 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan;
5 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA)
Tab. 2.47:
Mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Vitaminen bei Wiener Senioren, getrennt nach
Altersgruppen und Geschlecht
Zufuhr und Status an Mikronährstoffen bei Senioren
In der Analyse der Mikronährstoffzufuhr wurden zusätzlich eingenommene
Nährstoffsupplemente nicht berücksichtigt. Nach Angaben der Probanden zu ihrem allgemeinen Ernährungsverhalten wurde ersichtlich, dass viele Senioren Vita-
74
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
min- und Mineralstoffpräparate einnahmen. Es ist daher anzunehmen, dass für viele Mikronährstoffe die Versorgungslage besser war, als sie durch das 24-h-Verzehrsprotokoll beschrieben werden kann
(Tab. 2.47).
Die Zufuhr an Nahrungsfolat muss aufgrund der vorliegenden Verzehrsdaten als unzureichend
beurteilt werden. Die durchschnittlichen Aufnahmen erreichten nur rund die Hälfte der D-A-CH-Empfehlungen, wobei die Höchstbetagten die geringsten Zufuhrmengen aufwiesen. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern waren hingegen nur geringfügig. Eine unzureichende Folataufnahme wird
zusammen mit anderen Nahrungsfaktoren (Vitamine B6, B12) mit steigenden Plasmahomozysteinspiegeln assoziiert, welche vermutlich das Arterioskleroserisiko erhöhen.
Die mittlere Vitamin D-Aufnahme war ebenfalls gravierend geringer als die entsprechenden DA-CH-Empfehlungen. Prinzipiell könnte der Vitamin D-Bedarf bei ausreichender Sonnenexposition auch
durch die Eigensynthese des Körpers gedeckt werden.
Mit steigendem Alter sinkt jedoch die Fähigkeit der Haut, Vitamin D zu synthetisieren, selbst wenn
sie dem ultravioletten Licht ausgesetzt wird. Die Nieren älterer Personen sind darüber hinaus weniger fähig, 25-Hydroxyvitamin D (25OHD) in die wirksame Form umzuwandeln. Außerdem kann bei
Älteren häufig eine verminderte Absorption von Vitamin D festgestellt werden [Bates et al., 2001].
Im Hinblick auf die Knochengesundheit unterstreichen alle diese Probleme des Vitamin D-Stoffwechsels die Charakterisierung von Vitamin D als Risikonährstoff bei älteren Menschen.
Zusätzlich zur Vitamin D-Aufnahme wurde bei einem Wiener Kollektiv auch der Plasmaspiegel an
25OHD ermittelt. Anhand dieses Parameters lässt sich die Vitamin D-Versorgung am besten bestimmen.
Der durchschnittliche 25OHD-Spiegel betrug 41,3 ± 18,5 nmol/l, wobei die Heimbewohner signifikant niedrigere Plasmawerte aufwiesen (p<0,05) als die selbstständig Lebenden. Es zeigte sich
ferner eine Altersabhängigkeit, wobei sich der Status mit zunehmenden Alter signifikant (r=-0,231,
p=0,001) verschlechterte.
Die Beurteilung des Vitamin D-Status erfolgte nach Referenzwerten von Sauberlich [1999]. Werte unterhalb 12 nmol pro Liter werden demnach als stark erniedrigt ausgewiesen, zwischen 12 und
25 nmol/l liegen leicht erniedrigte Werte vor und als normal gelten alle Ergebnisse über 25 nmol/l.
20% des Gesamtkollektives wiesen 25OHD-Werte unter 25 nmol/l auf und waren somit nicht adäquat mit Vitamin D versorgt. Bei rund 3% der Frauen wurden sogar 25OHD-Werte unter 12 nmol/l
gefunden.
Bei derart niedrigen Plasmawerten spricht man von einem Vitamin D-Defizit und das Risiko einer
Mangelerkrankung (Osteomalazie) ist entsprechend hoch [Zittermann, 2003].
Spezielle Aufmerksamkeit in der Mikronährstoffversorgung älterer Menschen benötigen auch die
so genannten "antioxidativen" Nährstoffe wie z.B. die Vitamine C und E.
In der Altersgruppe der unter 64-Jährigen lagen die durchschnittlichen Aufnahmen an Vitamin
C noch knapp über den D-A-CH-Empfehlungen. Mit zunehmendem Alter sank aber die Vitamin C-Zufuhr. Demnach ist bei den Höchstbetagten auch mit der größten Prävalenz einer unzureichenden Vitamin C-Versorgung zu rechnen. Geschlechtsunterschiede waren marginal.
Im "Britisch National Diet and Nutrition Survey" wurde Vitamin C als Nährstoff definiert, der für
einen Großteil älterer Menschen einen Risikonährstoff darstellt. Gründe hierfür liegen einerseits in einer inadäquaten Zufuhr andererseits an Faktoren, wie z.B. Rauchen oder Alkohol [Bates et al., 2001].
Um die Vitamin C-Versorgung der Senioren noch exakter beschreiben zu können, wurden neben
den Verzehrserhebungen auch Blutuntersuchungen durchgeführt. Dabei zeigten sich bei den Männern tendenziell niedrigere Vitamin C-Plasmaspiegel, was aber statistisch nicht signifikant war. Es
konnten auch keine Unterschiede zwischen den Lebensweisen festgestellt werden. Insgesamt hatten
rund 30% der Studienteilnehmer leicht erniedrigte Plasmaspiegel (rund 35,7 µmol/l).
Die Normwerte für Senioren wurden aus dem Österreichischen Ernährungsbericht 1998 entnommen. Demnach gelten Werte, kleiner als 17 µmol/l als stark erniedrigt, zwischen 17 µmol/l und 45
µmol/l als marginal und über 45µmol/l wird von einer ausreichenden Vitamin C-Versorgung ausgegangen.
Ältere Männer stellten eine sehr problematische Gruppe dar. Bei 3,4% der stark unterversorgten
Männer traten Plasmaspiegel nahe der Skorbutgrenze auf. Eine Ursache dafür lag sicher im gesunkenen Verzehr von pflanzlichen Produkten und einer an sich sinkenden Nahrungsmenge.
Die Vitamin E-Aufnahme lag bei den Probanden im Mittel unterhalb des entsprechenden D-ACH-Referenzwerts. Da es sich bei diesem Referenzwert lediglich um einen Schätzwert handelt, ist eine Beurteilung der Versorgung ausschließlich anhand von Verzehrsdaten schwierig. Die zusätzlich
75
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Abb. 2.30
Abweichung
(in %) der
mittleren
täglichen Vitaminzufuhr
von den D-ACH-Referenzwerten bei
Senioren,
getrennt
nach Altersgruppen und
Geschlecht
60
Frauen
40
20
bis 64J.
0
D-A-CH
65-74J.
75-84J.
-20
ab 85J.
-40
-60
-80
B12
Vit. A
B2
B6
B1
Vit. C
Vit. E
Folat
Vit. D
80
Männer
60
40
20
bis 64J.
65-74J.
0
D-A-CH
75-84J.
ab 85J.
-20
-40
-60
-80
B12
Vit. A
B1
B2
B6
Vit. C
Vit. E
Folat
Vit. D
Vitamin K-Status wurde im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 als ausreichend beurteilt
Niacin, Biotin, Pantothensäure: Unterversorgung unwahrscheinlich
durchgeführten Blutuntersuchungen waren deshalb für eine aussagekräftige Beurteilung notwendig.
Nach Sauberlich [1999] spricht man bei einer α-Tocopherolkonzentration im
Blutplasma von >7 mg/l (16,3 µmol/l) von einer ausreichenden Versorgung.
Die bei den Wiener Senioren gefunden Werte lagen durchschnittlich bei ca. 40
µmol/l. Einem Plasmaspiegel >30 µmol/l werden präventive Effekte in Bezug auf
koronare Herzerkrankung und Krebsgeschehen zugeschrieben. Rund 80% der
Untersuchten lagen über diesem Wert. Unterschiede zwischen den Geschlechtern
konnten nicht festgestellt werden. Ältere selbstständig lebende Frauen hatten signifikant (p<0,05) höhere Plasmaspiegel als jene im PWH. Bei den Männern konnte diesbezüglich jedoch kein signifikanter Unterschied beobachtet werden. Insgesamt stellte sich somit die Vitamin E-Versorgung beim untersuchten Kollektiv als
sehr zufriedenstellend dar.
Die durchschnittlichen Aufnahmen an den Vitaminen B1, B2, B6 lagen im Bereich der jeweiligen D-A-CH-Empfehlungen. Dennoch kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass ein bestimmter Anteil der Senioren unzureichend mit diesen B-Vitaminen versorgt ist. Mit steigendem Alter sank bei beiden Geschlechtern
die Aufnahme an den genannten Vitaminen. Eine ausreichende Versorgung mit den
76
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Vitaminen B2 und B6 ist im Zusammenhang mit dem Homocystein-Stoffwechsel
von Bedeutung. Vitamin B1 spielt bei alkoholischen Neuropathien und dem Wernicke-Korsakoff-Syndrom ein Rolle [Bates et al., 2001].
Bei Vitamin A wiesen die über 85-jährigen Männer im Mittel die niedrigsten
Zufuhrmengen auf und lagen damit auch unter den entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen. Alle anderen Altersgruppen der Senioren übertrafen in der durchschnittlichen Gruppenzufuhr die Empfehlungen. Aufgrund dieser Verzehrsdaten ist
vor allem für die Altersgruppe der über 85-jährigen Männer mit höheren Prävalenzen einer unzureichenden Zufuhr zu rechnen.
Generell sind Vitamin A und verwandte Retinoide bei älteren Menschen in Verbindung mit einem erhöhten Krebsrisiko von Bedeutung [Bates et al., 2001].
Zur umfassenden Beurteilung der Vitamin A-Versorgung wurden zusätzlich auch
Blutuntersuchungen durchgeführt. Nach Sauberlich [1999] gelten Retinolplasmaspiegel kleiner 0,35 µmol/l als stark erniedrigt, zwischen 0,35 µmol/l und 0,7 µmol/l
als leicht erniedrigt und als normal werden Konzentration größer 0,7 µmol/l angesehen.
Auf Grundlage dieser Normwerte zeigte sich beim untersuchten Kollektiv eine
ausreichende Vitamin A-Versorgung. Kein einziger Befund lag unterhalb von 0,7
µmol/l. Auch der untersuchte Plasmaspiegel an retinolbindendem Protein (RBP)
bewegte sich innerhalb der Referenzbereiche, wobei sich eine signifikante Korrelation mit dem Retinolstatus zeigte.
Der Mittelwert des Plasmaretinolspiegels des untersuchten Kollektivs lag aber
nicht über der als protektiv geltenden Schwelle von 2,5 µmol/l.
Der β-Carotinstatus war hingegen weniger zufriedenstellend. Bewertet wurde ebenfalls nach Normwerten von Sauberlich [1999]. Es zeigte sich, dass fast 60%
der untersuchten Senioren stark erniedrigte Werte (<0,37 µmol/l) aufwiesen und
nur ca. 11% befriedigende Werte (>0,75 µmol/l) hatten. Zwischen den Geschlechtern und der Lebensweise wurden dabei keine signifikanten Unterschiede
festgestellt. ß-Carotin gilt als "Marker" einer wünschenswert gemüse- und obstreichen Ernährungsweise.
Aufgrund der ermittelten durchschnittlichen Vitamin B12-Aufnahme ist beim
gesamten Kollektiv der Senioren eine sehr zufriedenstellende Versorgungslage zu
erwarten. Davon auszunehmen sind jedoch ältere Menschen mit atrophischer Gastritis.
Bei bis zu 30% gesunder älterer Menschen kann diese Symptomatik festgestellt werden [Bates et al., 2001; van Asselt et al., 1998]. Bei atrophischer Gastri-
Tab. 2.48
Mittlere tägliche Zufuhr
(MW ± SD)
an Mineralstoffen/Spurenelementen bei Wiener Senioren, getrennt nach
Altersgruppen und Geschlecht
Frauen
gesamt
55-64 J
65-74 J
75-84 J
>84 J
D-A-CH
Calcium (mg)
778 ± 388
831 ± 409
799 ± 402
780 ± 361
649 ± 351
1000
Kalium (g)
2,4 ± 0,8
2,6 ± 0,9
2,6 ± 0,9
2,3 ± 0,8
2,1 ± 0,8
2
Magnesium (mg)
273 ± 102
286 ± 98
288 ± 101
271 ± 110
235 ± 86
300
Eisen (mg)
11,8 ± 5,8
12,6 ± 6,6
12,3 ± 5,0
11,0 ± 4,1
11,1 ± 7,3
10
Zink (mg)
10,1 ± 3,4
10,4 ± 3,3
10,3 ± 3,7
10,1 ± 3,1
9,2 ± 3,4
7
Jod (µg)
126 ± 54
130 ± 56
135 ± 55
122 ± 56
111 ± 42
180
Männer
gesamt
55-64 J
65-74 J
75-84 J
>84 J
D-A-CH
Calcium (mg)
738 ± 376
635 ± 402
959 ± 400
695 ± 266
642 ± 348
1000
Kalium (g)
2,5 ± 1,0
2,6 ± 1,2
2,8 ± 1,0
2,5 ± 0,8
1,9 ± 0,6
2
Magnesium (mg)
292 ± 113
311 ± 152
341 ± 98
281 ± 85
233 ± 84
350
Eisen (mg)
13,3 ± 5,1
14,2 ± 5,4
14,7 ± 4,3
14,4 ± 6,0
10,0 ± 2,9
10
Zink (mg)
11,5 ± 4,8
12,7 ± 7,1
12,5 ± 3,9
11,8 ± 3,3
9,1 ± 3,3
10
Jod (µg)
120 ± 43
123 ± 52
136 ± 54
119 ± 23
102 ± 34
180
77
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Abb. 2.31
Abweichung
(in %) der
mittleren
täglichen Zufuhr an Mineralstoffen/Sp
urenelementen von den
D-A-CH-Referenzwerten
bei Senioren,
getrennt
nach Altersgruppen und
Geschlecht
Frauen
Männer
50
50
25
bis 64J.
65-74J.
D-A-CH0
75-84J.
25
D-A-CH
0
ab 85J.
-25
-25
-50
-50
Zn
K
Fe
Mg
Ca
J
Fe
K
Zn
Mg
Ca
J
Zn...Zink; K...Kalium; Mg...Magnesium; Fe...Eisen; Ca...Calcium; J...Jod
Kupfer- und Selen-Status war im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 bei rund 20% der Senioren erniedrigt
Phosphor, Chlorid: Unterversorgung unwahrscheinlich; Fluorid, Mangan, Chrom: noch nicht exakt bewertet
tis kommt es zu einer Malabsorption von in der Nahrung vorkommendem proteingebundenen Vitamin B12. Die Bioverfügbarkeit von kristallinem ungebundenen Vitamin B12 ist hingegen unverändert. Deshalb sollte bei Verdacht auf Gastritis nicht
gezögert werden, Vitamin B12 in Form einer Ergänzung oder in angereicherter Form
zu verabreichen. Ein Mangel an diesem Vitamin verursacht einerseits neurologische Schäden und führt andererseits zu höheren Plasmahomocysteinkonzentrationen. Wie bereits erwähnt, bedingt letzteres ein erhöhtes Risiko für vaskuläre Erkrankungen.
Die durchschnittlichen täglichen Aufnahmen an einzelnen Mineralstoffen bzw.
Spurenelementen sind in Tab. 2.48 im Detail dargestellt. Als "Maßstab" sind wiederum die entsprechenden D-A-CH-Referenzwerte angeführt. Jod, Calcium und
Magnesium sind aufgrund der vorliegenden Verzehrsdaten bei Senioren als Risikonährstoffe anzusehen. Da die mittleren Aufnahmemengen der Studienpopulation zum Teil beträchtlich unter den jeweiligen D-A-CH-Empfehlungen lagen, muss
mit entsprechend hohen Prävalenzen einer unzureichenden Versorgung gerechnet
werden. Besondere Bedeutung kommt der Calciumversorgung auch im Alter zu.
Es gibt Hinweise darauf, dass der altersbedingte Knochenverlust durch entsprechend hohe Calciumaufnahmen (über 1000 mg/d) verringert werden kann
[IOM, 1997]. Mit fortschreitendem Alter vermindert sich jedoch die Calciumabsorption, was in erster Linie mit den oben beschriebenen Problemen im Vitamin DStoffwechsel in Zusammenhang gebracht wird.
Die Eisen- und Zinkaufnahme war weitgehend zufriedenstellend. Eine Ausnahme bildeten jedoch die über 85-jährigen Männer. Die durchschnittlichen Aufnahmemengen erreichten in diesem Kollektiv nur knapp die jeweiligen D-A-CHEmpfehlungen bzw. lagen bei Zink im Mittel sogar darunter.
Die Kaliumversorgung kann in Bezug zum D-A-CH-Schätzwert als ausreichend
eingestuft werden. Unterhalb des Schätzwerts und damit verbesserungswürdig war
wiederum die mittlere Gruppenzufuhr im Kollektiv der über 85-jährigen Männer.
Unterschiede in der Energie- und Nährstoffversorgung bei Senioren im
Privathaushalt und Pensionistenwohnhäusern
Ein Ziel dieser Studie war es auch, mögliche Unterschiede in der Nährstoffaufnahme von Senioren, die sich selbst versorgen (Privathaushalt, PHH) und jenen, die in einem Pensionistenwohnhaus (PWH) wohnen, zu untersuchen. Für diesen Vergleich wurden Senioren ab dem 65. Lebensjahr berücksichtigt. Das Kollektiv verminderte sich dadurch auf 376 Frauen und 65 Männer. 201 Seniorinnen und
28 Senioren lebten zum Zeitpunkt der Erhebung in einem Pensionistenwohnhaus
und 175 Frauen und 37 Männer im eigenen Haushalt.
78
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Frauen
gesamt (n=376)
PWH (n=201)
PHH (n=175)
D-A-CH
Energie (MJ)
7,3 ± 2,0
7,4 ± 1,8
7,3 ± 2,2
7,5
E% Eiweiß
16 ± 4
17 ± 4
15 ± 5
10-15
E% KH
45 ± 9
43 ± 9
47 ± 9
>50
davon Zucker
9±5
9±5
8±5
-
Ballaststoffe (g)
18 ± 7
17 ± 6
20 ± 7
>30
E% Fett
38 ± 8
39 ± 7
37 ± 8
30-35
davon GFS
19 ± 3
19 ± 3
18 ± 3
max. 10
davon MFS
14 ± 2
15 ± 2
14 ± 2
13
davon PFS
5±3
5±2
5±3
7
Cholesterin (mg)
313 ± 166
322 ± 127
303 ± 201
max. 300
E% Alkohol
0,9 ± 2,1
0,8 ± 2,0
1,1 ± 2,1
-
Männer
gesamt (n=65)
PWH (n=28)
PHH (n=37)
Energie (MJ)
8,2 ± 2,4
7,6 ± 2,1
8,7 ± 2,5
9,5
E% Eiweiß
15 ± 5
17 ± 5
14 ± 4
10-15
E% KH
44 ± 9
42 ± 9
45 ± 9
>50
davon Zucker
9±9
8±4
9 ± 12
-
Ballaststoffe (g)
20 ± 9
16 ± 5
23 ± 9
>30
E% Fett
39 ± 7
40 ± 7
38 ± 8
30-35
davon GFS
20 ± 3
20 ± 3
19 ± 4
max. 10
davon MFS
15 ± 2
15 ± 2
14 ± 2
13
davon PFS
4±2
5±2
5±2
7
Cholesterin (mg)
351 ± 130
349 ± 109
353 ± 147
max. 300
E% Alkohol
2,1 ± 3,1
1,4 ± 2,2
2,6 ± 4,7
-
E%...Energieprozent; KH…Kohlenhydrate; GFS…Gesättigte Fettsäuren; MFS…Monoenfettsäuren; PFS…Polyenfettsäuren, PWH...Pensionistenwohnhaus; PHH...Privathaushalt
Tab. 2.49
Gegenüberstellung Pensionistenwohnhaus und Privathaushalt: mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Energie und Makronährstoffen bei Wiener Senioren (ab 65 Jahre), getrennt nach Geschlecht
Ältere Menschen, die in Pflegeheimen leben, sind im Allgemeinen vermehrt Gesundheitsstörungen ausgesetzt und werden als "beschleunigt Alternde" angesehen [Bates et al., 2001]. Solange jedoch keine Krankheiten vorhanden sind, gelten hinsichtlich der Nährstoffaufnahme dieselben Referenzwerte wie für selbstständig lebende ältere Menschen.
Insgesamt war die Aufnahme an Makronährstoffen bei selbstständig lebenden
Älteren günstiger als bei Bewohnern von Pensionistenwohnhäusern (Tab. 2.49).
Senioren im Privathaushalt nahmen signifikant mehr Ballaststoffe sowie Kohlenhydrate auf und signifikant weniger Eiweiß (p<0,05). Außerdem war die Energiezufuhr bei männlichen Heimbewohnern auffallend gering. Generell waren vorhandene Unterschiede in der Nährstoffaufnahme beim männlichen Kollektiv stärker
ausgeprägt. Selbstständig lebende ältere Männer nahmen signifikant (p<0,05)
mehr Mikronährstoffe auf als ihre Altersgenossen in Wohnheimen (Tab. 2.50 und
2.51). Hingegen war beim weiblichen Kollektiv nur die Aufnahme an Nahrungsfolat, Magnesium und Eisen höher.
Jedoch dürfen diese beobachteten Unterschiede nicht überinterpretiert wer-
79
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Tab. 2.50:
Gegenüberstellung Pensionistenwohnhaus
und Privathaushalt:
mittlere tägliche Zufuhr
(MW ± SD)
an Vitaminen
bei Wiener
Senioren
(ab 65 Jahre), getrennt
nach Geschlecht
Frauen
PWH (n=201)
PHH (n=175)
D-A-CH
Vitamin A1 (mg)
gesamt
(n=376)
1,2 ± 2,1
1,3 ± 2,7
1,2 ± 1,2
0,8
β-Carotin2 (mg)
2,7 ± 3,1
2,6 ± 2,9
2,8 ± 3,4
2-4
Vitamin D (µg)
3,8 ± 5,7
3,9 ± 6,4
3,8 ± 4,7
10
Vitamin E3 (mg)
7,7 ± 4,2
6,9 ± 3,1
8,6 ± 4,9
11
Vitamin B1 (mg)
1,0 ± 0,5
1,0 ± 0,4
1,1 ± 0,5
1
Vitamin B2 (mg)
1,4 ± 0,6
1,4 ± 0,6
1,4 ± 0,6
1,2
Niacin4 (mg)
24 ± 8
25 ± 8
24 ± 9
13
Pantothensäure (mg)
4,2 ± 1,7
4,0 ± 1,6
4,3 ± 1,8
6
Vitamin B6 (mg)
1,3 ± 0,5
1,3 ± 0,5
1,3 ± 0,6
1,2
Biotin (µg)
38 ± 23
35 ± 20
41 ± 25
30-60
Folsäure5 (µg)
190 ± 68
175 ± 58
207 ± 74
400
Vitamin B12 (µg)
4,9 ± 5,6
5,0 ± 4,4
4,8 ± 6,8
3
Vitamin C (mg)
87 ± 64
82 ± 65
92 ± 63
100
Männer
gesamt (n=65) PWH (n=28)
PHH (n=37)
Vitamin A1 (mg)
1,2 ± 0,8
1,0 ± 0,8
1,3 ± 0,8
1
β-Carotin2 (mg)
2,7 ± 2,2
2,2 ± 2,0
2,9 ± 2,3
2-4
Vitamin D (µg)
4,0 ± 3,8
3,0 ± 1,9
4,7 ± 4,7
10
Vitamin E3 (mg)
8,2 ± 3,6
6,5 ± 2,3
9,4 ± 4,0
12
Vitamin B1 (mg)
1,1 ± 0,4
1,0 ± 0,3
1,2 ± 0,5
1
Vitamin B2 (mg)
1,4 ± 0,4
1,3 ± 0,4
1,5 ± 0,4
1,2
Niacin4 (mg)
26 ± 8
26 ± 8
26 ± 8
13
Pantothensäure (mg)
4,3 ± 1,4
3,8 ± 1,3
4,7 ± 1,4
6
Vitamin B6 (mg)
1,3 ± 0,4
1,2 ± 0,3
1,4 ± 0,5
1,4
Biotin (µg)
39 ± 14
34 ± 12
42±15
30-60
Folsäure5 (µg)
212 ± 75
171 ± 65
244 ± 67
400
Vitamin B12 (µg)
5,2 ± 4,4
4,8 ± 2,8
5,4 ± 5,4
3
Vitamin C (mg)
105 ± 108
71 ± 60
133 ± 129
100
PWH...Pensionistenwohnhaus; PHH...Privathaushalt;
1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin;
2 dieser Wert mal 0,16 ist in den Retinol-Äquivalenten enthalten;
3 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γ-Tocopherol
x 0,25 + mg α-Tocotrienol x 0,33;
4 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan;
5 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA)
den. Vor allem bei den Männern muss die geringe Fallzahl (n=65) in Verbindung
mit der Erhebungsmethode (24-h-Recall) erwähnt werden.
Ein 24-h-Verzehrsprotokoll stellt nur eine "Momentaufnahme" dar und ist besonders bei Gruppen mit kleinen Fallzahlen nicht immer aussagekräftig [Schneider,
1997]. Außerdem kann es auch aufgrund der unterschiedlichen Altersverteilung
zwischen intern und extern lebenden Senioren (es leben größtenteils betagte Personen im PWH) zu signifikanten Abweichungen in der Nährstoffzufuhr kommen.
Eine zu geringe Flüssigkeitsaufnahme ist ein weiteres Problem bei älteren Menschen. Vor allem Heimbewohner trinken häufig zu wenig [Bates et al., 2001]. Diese Beobachtung zeigte sich auch in der vorliegenden Studie. Die Flüssigkeitsauf-
80
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Frauen
gesamt
(n=376)
PWH (n=201)
PHH (n=175)
D-A-CH
Calcium (mg)
754 ± 376
743 ± 363
767 ± 392
1000
Kalium (g)
2,3 ± 8,1
2,3 ± 0,8
2,4 ± 8,2
2
Magnesium (mg)
268 ± 103
260 ± 101
276 ± 106
300
Eisen (mg)
11,5 ± 5,3
11,1 ± 5,5
11,8 ± 5,2
10
Zink (mg)
9,9 ± 3,4
10,0 ± 3,3
9,9 ± 3,5
7
Jod (µg)
124 ± 53
122 ± 48
126 ± 58
180
Männer
gesamt (n=65) PWH (n=28)
PHH (n=37)
Calcium (mg)
765 ± 365
636 ± 369
867 ± 339
1000
Kalium (g)
2,4 ± 0,9
2,0 ± 0,6
2,7 ± 1,0
2
Magnesium (mg)
285 ± 98
235 ± 64
323 ± 104
350
Eisen (mg)
13,0 ± 5,0
11,2 ± 3,7
14,1 ± 5,6
10
Zink (mg)
11,1 ± 3,8
10,3 ± 3,6
11,6 ± 3,9
10
Jod (µg)
119 ± 41
115 ± 47
123 ± 37
180
Tab. 2.51:
Gegenüberstellung Pensionistenwohnhaus
und Privathaushalt:
mittlere tägliche Zufuhr
(MW ± SD)
an Mineralstoffen/Spurenelementen bei Wiener Senioren
(ab 65 Jahre), getrennt
nach Geschlecht
PWH...Pensionistenwohnhaus; PHH...Privathaushalt
nahme aus Lebensmitteln und Getränml/d Pensioni- Privathaus- D-Aken war beim gesamten Kollektiv der
stenwohn- halt
CHselbstständig lebenden Älteren signifihaus
Richtkant höher als bei jenen Älteren, die in
wert
einem PWH leben (Tab. 2.52). Im FalFrauen
2236
±
2475
±
2250
le von erhöhten Flüssigkeitsverlusten
771
787
(Krankheiten mit Fieber, Durchfällen
Män- 2141 ±
2504 ±
2250
etc.) tragen somit die Älteren im PWH
ner
740
852
ein höheres Risiko für Austrocknungszustände. 1996 [Elmadfa et al., 1996]
wurde im Rahmen des WHO-Projekts
"Wien gesunde Stadt" die Ernährungssituation in Wiener Pensionistenwohnhäusern erhobenen. Tab. 2.53 und 2.54 vergleichen die damals ermittelte Energie- und
Nährstoffaufnahme mit den aktuellen Verzehrsdaten der in PWH lebenden Senioren. Erfreulich sind die fallende Tendenz in der Fett- und Alkoholzufuhr sowie der
leicht steigende Kohlenhydratkonsum. Leider zeigt sich hinsichtlich der aufgenommen Fettsäuren ein ungünstiger Trend. So ist die Aufnahme an gesättigten Fettsäuren weiter angestiegen und die von mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Polyenfettsäuren) gesunken. Bei den Mikronährstoffen zeigt sich lediglich bei Vitamin
D, Vitamin B6 und Zink eine Verbesserung der Zufuhr. Allerdings muss dazu angemerkt werden, dass diese Daten mit aller Vorsicht bewertet werden müssen, da
die Verzehrserhebung 1996 mit einem 7-Tage-Wiegeprotokoll durchgeführt wurde
und die aktuellen Zahlenwerte mittels 24-h-Recall ermittelt wurden.
Gesundheitszustand und allgemeines Ernährungsverhalten älterer
Menschen
Im PWH, wo die Altersstruktur wesentlich höher war als im Eigenheim, wurde
der Gesundheitszustand ebenfalls von den meisten Senioren als "gut, dem Alter
entsprechend" eingeschätzt. 81% des Kollektivs aus den Privathaushalten und 76%
aus den Wohnheimen fühlten sich ihrem Alter entsprechend wohl. Es zeigte sich,
81
Tab. 2.52:
Unterschiede
in der Flüssigkeitszufuhr (MW ±
SD), inklusive aus fester
Nahrung,
zwischen älteren Menschen (ab 65
Jahren) in
Pensionistenwohnhäusern
und Privathaushalten
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Tab. 2.53
Trends (Beobachtungszeitraum
1996-2002)
in der Energie- und Makronährstoffzufuhr bei
Wiener Senioren in
Pensionistenwohnhäusern
Tab. 2.54:
Trends (Beobachtungszeitraum
1996-2002)
in der Mikronährstoffzufuhr bei Wiener Senioren
in Pensionistenwohnhäusern
Pensionistenwohnhaus
dass die Anzahl der Personen mit "sehr
gutem" Gesundheitszustand mit zu(n=233)
nehmendem Alter abnahm.
Auch die Mikrozensusergebnisse
↔
Energie
von 1998 bestätigen, dass mit anstei↑↑
Eiweiß
gendem Alter die günstigen Beurteilungen zum eigenen Wohlbefinden im↑
Kohlenhydrate
mer mehr abnehmen und die schlech↔
Ballaststoffe
teren analog zunehmen [Statistik
↓↓
Austria, 2000].
Fett
Im Vergleich zur Erhebung mit Se↑↑
Gesättigte Fettsäuren
nioren im PWH von 1995, fühlten sich
↔
Monoenfettsäuren
heute mehr Wiener Senioren im Wohnheim gesünder [Beer, 1995].
↓↓
Polyenfettsäuren
An Befindlichkeitsstörungen litt et↔
Cholesterin
wa ein Drittel des Befragten. Die allge↓↓
Alkohol
mein vermehrte Häufigkeit von gesundheitlichen Beschwerden im PWH
↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9%
↔ nahezu unverändert (< 5%)
lässt sich meist auf das höhere Alters↑ (↓) höher (niedriger) um weniger als 9%
profil der Heimbewohner zurückführen.
Müdigkeit war die am häufigsten genannte Befindlichkeitsstörung. DepresPensionistenwohnhaus
sionen führten 10% der Senioren an.
(n=233)
Die Medikamenteneinnahme war
↓↓
bei Heimbewohnern höher. 96% aller
Vitamin A1
PWH-Bewohner konsumierten täglich
↑↑
Vitamin D
Medikamente und 84% der Senioren
↓↓
Vitamin E2
aus dem Privathaushalt. Mit zunehmendem Alter (Abb. 2.23) stieg nicht
Vitamin B1
↓
nur die Anzahl der Personen, die MediVitamin B2
↔
kamente einnehmen, sondern gleichVitamin B6
↑
zeitig auch die Anzahl der eingenommenen Medikamente. Die bei den
3
↓↓
Folsäure
Heimbewohnern beobachteten ErgebVitamin B12
↓↓
nisse zur Verzehrsfrequenz von Medikamenten sind denen der Untersu↔
Calcium
chung von Beer [1995] sehr ähnlich.
↔
Kalium
Die Häufigkeit des Medikamentenkon↔
Magnesium
sums muss im Zusammenhang mit
möglichen Wechselwirkungen zu Nähr↓↓
Eisen
stoffen betrachtet werden.
↓↓
Jod
Multipler
Medikamentenkonsum
kann außerdem zur Beeinträchtigung
↑↑
Zink
des Appetits, des Geschmacks- und Ge1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg
ruchssinns sowie zu Übelkeit und Erall-trans-ß-Carotin; 2 RRR-a-Tocopherol-Äquivalent = mg a-Tocopherol + mg ß-Tocopherbrechen führen. Ernährungsdefizite
ol x 0,5 + mg ?-Tocopherol x 0,25 +
können die Folge sein [Volkert, 1997].
mg a-Tocotrienol x 0,33; 3 Folat-Äquivalent
Die Minderung des Appetits durch
(FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmultiplen Medikamentenkonsum geht
monoglutaminsäure (PGA)
↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9%,
auch aus Abb. 2.23 hervor.
↔ nahezu unverändert (<5%), ↑ (↓) höher
Appetitlosigkeit zeigte sich erst bei
(niedriger) um weniger als 9%
den über 75-Jährigen. Aufgrund dieser
Altersabhängigkeit machte sich Appetitlosigkeit als Einflussgröße des Wohlbefindens bei nur 1% der zuhause Lebenden
bemerkbar; jedoch bei 7% der Pensionisten aus den PWH. Auf die Frage "Haben
Sie Appetit?" antworteten mehr als ein Viertel der Heimbewohner aber nur 3% der
Pensionisten im Privathaushalt dezidiert mit "nein". Dieser signifikante Unterschied
82
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
>6 am Tag
4-6 am Tag
Appetit
2-3 am Tag
appetitlos
1 am Tag
0%
20%
40%
60%
80%
100%
0%
20%
40%
60%
80%
55-64 J.
65-74 J.
1 Med/Tag
2-3 Med/Tag
75-84 J.
> 84 J.
4-6 Med/Tag
> 6 Med/Tag
100%
blieb im Vergleich mit dem Alter der intern und extern lebenden Teilnehmer bestehen. Senioren im PWH zeigten demnach weniger Appetit als zuhause Lebende.
Ein weiterer Einflussfaktor könnte auch das soziale Umfeld sein, denn die Mahlzeiteneinnahme im Freundes- oder Familienkreis kann einen positiven Einfluss auf
die Nahrungsaufnahme haben [Volkert, 1997]. Auch aus Ergebnissen einer Studie
mit Deutschen Senioren geht hervor, dass Appetitlosigkeit im Privathaushalt vernachlässigbar selten vorkommt [Stehle et al., 2000].
Insgesamt verspürten nur 62% der Senioren das Bedürfnis zu trinken. Senioren aus dem PWH hatten genauso oft Durst wie selbständig lebende. Sowohl drei
Viertel der Senioren im PWH als auch im eigenen Haushalt tranken regelmäßig.
Mehr männliche Senioren (77%) als weibliche (59%) empfanden ein regelmäßiges Durstgefühl und auch 88% der Männer, aber nur 77% der Frauen tranken regelmäßig.
Dieses Ergebnis zeigt, dass Senioren durchaus über die Wichtigkeit einer adäquaten Flüssigkeitszufuhr Bescheid wissen, da mehr Personen angaben regelmäßig zu trinken, als Durst empfunden wurde. Im Durchschnitt wurde von intern und
extern lebenden Betagten gleich viel und gleich oft getrunken.
Probleme bei der Nahrungsaufnahme wie Schwierigkeiten beim Kauen, Schlukken und Schneiden waren unter Heimbewohnern (29%) verbreiteter als bei zuhause Wohnenden (12%). Einwandfreie Kautätigkeit ist ein wesentlicher Faktor bei
der Nahrungsaufnahme. Kauschwierigkeiten waren bei drei Viertel der Personen
der Grund für ihre Probleme beim Essen.
Das Einhalten althergebrachten und traditionellen Essverhaltens der Senioren
spiegelte sich in der wichtigsten Hauptmahlzeit, nämlich dem Mittagessen, wider.
Das Mittagessen war sowohl bei Teilnehmern im PWH als auch im Eigenheim die
wichtigste Mahlzeit, obwohl sich auch hier Unterschiede zwischen den beiden Kollektiven aufzeigen ließen. 86% der Heimbewohner, aber nur 67% der zuhause Lebenden aßen zu Mittag am meisten. Hingegen spielte Frühstück und Abendessen
für zuhause Lebende eine größere Rolle.
Etwa zwei Drittel der Senioren im PWH jedoch mehr als zwei Drittel im eigenen Haushalt nahmen zwischen den Hauptmahlzeiten etwas zu sich. Unter Berükksichtigung des Lebensalters blieb dieser Unterschied nur mehr bei den 55- bis 64-
schlecht
Appetit
gut
appetitlos
sehr gut
0%
50%
100%
83
Abb. 2.32:
Medikamentenkonsum
in Bezug
zum Alter
und Einfluss
der Anzahl
der Medikamente auf
den Appetit
bei Wiener
Senioren in
Pensionistenwohnhäusern
und im eigenen Haushalt
Abb. 2.33
Zusammenhang zwischen subjektivem Gesundheitsempfinden
und Appetit
bei Wiener
Senioren im
Pensionistenwohnhaus
und im eigenen Haushalt
(Angaben in
%)
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Jährigen bestehen. In der Altersgruppe der >84-Jährigen nahmen nur mehr die
Hälfte der Befragten Zwischenmahlzeiten auf.
Deutsche Studien mit Senioren belegen, dass Zwischenmahlzeiten eine eher
untergeordnete Rolle spielen [Becker et al., 1990]. Signifikant mehr Frauen (75%)
als Männer (56%) konsumierten etwas zwischen den Hauptmahlzeiten. Obst war
das beliebteste Zwischengericht. Beinahe jeder Pensionist, der eine Zwischenmahlzeit zu sich nahm, konsumierte Obst. Zu Milchprodukten griff etwa die Hälfte. Kompott wurde im PWH knapp doppelt so oft (31%) als Zwischenmahlzeit verzehrt wie im Privathaushalt (17%). Jedoch waren Mehlspeisen und Süßigkeiten bei
den Befragten im eigenen Haushalt (49%) beliebter als bei den Heimbewohnern
(30%).
Der Außer-Haus-Verzehr hatte bei Bewohnern von PWH kaum Bedeutung: 60%
der Senioren im PWH aßen nie "auswärts". Knapp drei Viertel (72%) der Befragten zuhause und 39% im PWH gingen somit gelegentlich auswärts essen. Dieser
signifikante Unterschied war jedoch altersabhängig und zeigte sich bei den über
84-Jährigen nicht mehr. Es konnte beobachtet werden, dass sich mit zunehmendem Alter weniger Teilnehmer außer Haus verpflegen.
Dieser Trend wird von Ergebnissen anderer Untersuchungen bestätigt, wo der
Anteil des Außer-Haus-Verzehrs durch den Ausstieg aus dem Berufsleben ebenfalls
kontinuierlich abnimmt [Stehle et al., 2000; Becker et al., 1990].
Körperliche Aktivität kann in engem Zusammenhang mit Ernährung, Appetit
und dem Stoffwechsel der Nährstoffe betrachtet werden und ist daher ein weiterer wichtiger Parameter bei der Beurteilung des Gesundheitszustands.
Körperliche Aktivität an der frischen Luft kann sich positiv auf den Appetit, auf
die Nährstoffversorgung und die Erhaltung der körperlichen Funktionen der Senioren auswirken [Volkert, 1997]. In Punkto "körperliche Ertüchtigung", worunter
bereits ein täglicher schneller Spaziergang von einer halben Stunde zu verstehen
ist, standen Heimbewohner den Senioren aus dem Privathaushalt um nichts nach.
86% der Senioren machten bewusst Bewegung. Drei Viertel aller Teilnehmer waren täglich aktiv. In dem 1995 untersuchten Kollektiv war die sportliche Betätigung
des Gesamtkollektives ebenfalls sehr hoch [Beer, 1995].
Soziale Isolation, Einsamkeit sowie persönliche Motivationsfähigkeit sind entscheidende Parameter für das Auftreten von Mangelernährung. Soziale Kontakte
und Integration in die Gesellschaft beeinflussen die Lebensqualität der Senioren.
Mehr als die Hälfte der Senioren hielten sich den halben Tag in den eigenen Räumlichkeiten auf. Mehr als doppelt so viele der zuhause Wohnenden (9 %) wie Senioren im PWH (22 %) waren fast den ganzen Tag nicht in der Wohnung bzw. am
Zimmer. Die Aufenthaltsdauer am Zimmer bzw. in der Wohnung nahm mit steigendem Lebensalter zu. Geschlechtsspezifische Unterschiede waren keine zu er-
Nudeln/Brot
Süßspeisen
Fleisch
Gemüse
Abb. 2.34
Veränderungen in den
Verzehrsgewohnheiten
seit Eintritt in
ein Pensionistenwohnhaus
Kartoffeln
Salat
Obst
Milchprodukte
Fisch
0%
20%
40%
häufiger
84
genauso oft
60%
seltener
80%
100%
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
kennen. 1995 gaben Senioren im PWH [Beer, 1995] häufiger an den halben bzw. ganzen Tag am Zimmer zu verbringen. Man spricht heute wahrscheinlich nicht zu Unrecht von den sogenannten "jungen
Alten".
Knapp drei Viertel der Senioren, die zum Zeitpunkt der Erhebung im PWH lebten, protokollierten,
dass sich ihre Essgewohnheiten seit dem Eintritt in das Heim verändert hätten. Für mehr als die Hälfte (55 %) der Heimbewohner war das Speisenangebot im PWH abwechslungsreicher als zu Hause,
jedoch führte jeder zweite an, dass markante Unterschiede im Geschmack durch Gewürze bestünden. Um die veränderte Ernährungsweise der Senioren seit ihrem Umzug ins PWH besser dokumentieren zu können, wurde nach der Verzehrsfrequenz einzelner Lebensmittelgruppen gefragt. Die größten Veränderungen zeichneten sich bei Fisch ab. 45% der Befragten aus dem PWH protokollierten,
dass sie Fisch seit dem Eintritt ins PWH häufiger verzehren würden. Der Obstkonsum blieb bei der
Hälfte der befragten Pensionistenwohnhausbewohner unverändert, aber immerhin jeder Dritte gab
an, seit dem Umzug ins PWH häufiger Obst zu essen. Hinsichtlich der Verzehrsfrequenz von Gemüse
und Fleisch ergaben sich durch den Eintritt in ein Pensionistenwohnhaus keine Veränderungen (Abb.
2.34).
85
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
2.6 Schwangere
Zusammenfassung
Eine angepasste Lebensführung und eine optimale Nährstoffversorgung sind bedeutende Voraussetzungen für einen ungestörten Schwangerschaftsverlauf. Bei der Beurteilung der Nährstoffaufnahme österreichischer Schwangerer wurde die Aufnahme an nährstoffangereicherten Lebensmitteln,
nicht aber der Supplemente, mit berücksichtigt. Die Daten spiegeln somit die tatsächliche Aufnahme
an Makronährstoffen, Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen über Lebensmittel wider. Zusammengefasst zeigte sich dabei ein nicht in allen Belangen zufriedenstellendes Ernährungsmuster.
Aufgrund des hohen Anteils an tierischen Produkten in der Ernährung der Schwangeren, werden
zu viele gesättigte Fettsäuren, Cholesterin und insgesamt zu viel Fett aufgenommen. Im Gegensatz
dazu ist die Zufuhr an mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die hauptsächlich in pflanzlichen Ölen vorkommen, zu gering. Bei Schwangeren steigt der Mikronährstoffbedarf stärker an als der Energiebedarf. Deshalb sollte bei der Versorgung mit Kohlenhydraten auf stärkehaltige und ballaststoffreiche
Lebensmittel, die auch essentielle Nährstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe enthalten, Wert gelegt
werden. Bei den Mikronährstoffen ist vor allem die Folsäure-, Vitamin D-, Eisen-, Jod- und Calciumaufnahme über Lebensmittel unzureichend. Da 92% der Schwangeren zu Nahrungsergänzungsmitteln greifen, ist die Versorgungslage an den genannten essentiellen Nährstoffen allerdings mit Sicherheit besser, als sie durch das 24-h-Verzehrsprotokoll dargestellt werden kann. Dennoch lassen
sich ungünstige Ernährungsgewohnheiten nicht durch die Einnahme von Supplementen ausgleichen.
Die Lebensmittelgruppenauswertung ergab einen im Mittel zu geringen Verzehr von Gemüse, Obst,
Vollkornprodukten, Joghurt und Sauermilch sowie Fisch. Diese Lebensmittel zeichnen sich neben einem hohen Gehalt an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen auch durch zahlreiche andere präventiv wirksame Inhaltsstoffe (sekundäre Pflanzenstoffe, Ballaststoffe, langkettige Fettsäuren,
etc.) aus.
Allgemeines
Die Schwangerschaft einer Frau lässt sich als Lebensabschnitt beschreiben, in dem es zu einer
Reihe tiefgreifender physiologischer, aber auch psychologischer Veränderungen kommt. Sie dienen
der Vorbereitung bzw. dem Aufbau der Schwangerschaft, der Förderung von Wachstum und Entwikklung des Fötus sowie der Erhaltung der Gesundheit von Mutter und Kind. Für einen optimalen Verlauf der Schwangerschaft ist die angepasste Lebensführung der werdenden Mutter eine Grundvoraussetzung. Um den physiologischen Veränderungen des Stoffwechsels für Mutter und Fötus gerecht
zu werden, ist eine höhere Zufuhr an bestimmten Nährstoffen notwendig. Die Bedeutung einer ausgewogenen Ernährung als Voraussetzung für einen optimalen Schwangerschaftsverlauf und die fetale Entwicklung ist zwar hinreichend bekannt, dennoch ergeben sich in der Praxis häufig beachtliche Diskrepanzen zwischen der tatsächlichen Nährstoffaufnahme und der als wünschenswert erachteten Zufuhrhöhe der einzelnen Nährstoffe.
Im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 wurden erste Basisdaten über die Energie- und Nährstoffversorgung in der Schwangerschaft veröffentlicht. Eine Follow-up-Studie (Verzehrserhebung) wurde im Jahr 2002 bundesweit durchgeführt. Damit sollen einerseits weiterhin international vergleichbare Daten geliefert werden und andererseits sollen Trends in der Nährstoffversorgung von Schwangeren aufgezeigt werden.
Die Studie wurde im Osten Österreichs (Raum Wien), Oberösterreich und Tirol durchgeführt. Dabei handelte es sich um eine Erhebung mit schwangeren Frauen, die sich in unterschiedlichen Stadien ihrer Schwangerschaft befanden. Voraussetzung für die Beteiligung an der Untersuchung waren
die Vollendung der 21. Schwangerschaftswoche und es durften keine Risikoschwangerschaft, kein Diabetes oder andere Stoffwechselerkrankungen vorliegen. In der Erhebung wurde auf eine mögliche
Mehrlingsschwangerschaft nicht eingegangen, da eine solche Schwangerschaft keine besonderen diätetischen Maßnahmen erfordert und auch keine wesentlichen Unterschiede im Energie- und Eiweißbedarf im Vergleich zu Einlingsschwangerschaften bestehen [Quaas, 1999].
Die Nährstoffaufnahme wurde über 24-h-Verzehrsprotokolle (24-h-Recall) ermittelt. Die Einnahme von Supplementen wurde zwar erfragt, da aber keine näheren Angaben zu den verwendeten Präparaten (Marke, Dosierung) gemacht wurden, konnten diese in der Berechnung der Nährstoffaufnahme nicht berücksichtigt werden. Es ist daher anzunehmen, dass für viele Mikronährstoffe die Versorgungslage besser war, als sie durch das 24-h-Verzehrsprotokoll beschrieben werden kann. Nährstoffangereicherte Lebensmittel flossen aber in die Berechnung ein.
86
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
21.-30. 31.-40
GesamtZufuhr an Energie und MakroSW
SW
kollektiv
nährstoffen Schwangerer
n=
108
146
254
Tab. 2.56 zeigt die mittels 24-h-Recall ermittelten Ergebnisse zur Energie%
42,5
57,5
100
und
Hauptnährstoffaufnahme
bei
Alter
<
25
J.
25-35
J.
36-45 J.
Schwangeren. Als Orientierungshilfe
sind die jeweils korrespondierenden Dn=
63
158
29
A-CH-Referenzwerte angeführt. Hin%
25
63
12
sichtlich der Aufnahme an NahrungsSW...Schwangerschaftswoche
energie und Makronährstoffen waren
zwischen schwangeren Frauen verschiedener Altersgruppen keine signifikanten Unterschiede feststellbar. Auch unter Berücksichtigung des Schwangerschaftszeitraumes konnten keine gravierenden Unterschiede gesehen werden.
Aufgrund der Neubildung von Körpergewebe erhöht sich während einer
Schwangerschaft der Energiebedarf um etwa 1,1 MJ (255 kcal) pro Tag [DACH,
2000]. Die in der Tabelle angeführten D-A-CH-Richtwerte berücksichtigen diesen
Mehrbedarf. Wie aus den ermittelten Verzehrsdaten hervorgeht, lag das Kollektiv
der Schwangeren im Mittel unter diesen Richtwerten. Wie auch bei anderen Bevölkerungsgruppen, ist es jedoch schwierig, für alle Schwangeren einen einheitlichen Wert für den Energiebedarf zugrunde zu legen. Deshalb sind die D-A-CHRichtwerte für die Energiezufuhr auch lediglich als Rechengrößen gedacht und setzen außerdem eine wünschenswerte körperliche Aktivität voraus. Ursachen für die
Differenzen können aber auch in der Methode (einmalige Erhebung mittels 24-hRecall) selbst zu suchen sein, da Ungenauigkeiten bei der Protokollführung, Underreporting bzw. Erinnerungsmängel zu niedrigen Absolutergebnissen beitragen
können.
Die aufgenommene Nahrungsenergie sollte auch während der Schwangerschaft
zu ungefähr 55% aus Kohlenhydraten, 30% aus Fett und zu 10-15% aus Eiweiß
stammen. Mit fortschreitender Schwangerschaft (ab 4. Monat) wird eine Anhebung
des Eiweißanteils empfohlen und ein Fettanteil von bis zu 35% toleriert [DACH,
2000].
Im Durchschnitt führte das Kollektiv der Schwangeren täglich 8,5 g Protein/MJ
zu sich und lag damit um rund 34% über dem entsprechenden D-A-CH-Referenzwert. In Relation zur Gesamtenergiezufuhr lag der Proteinanteil bei 15 Energie%.
Die Eiweißversorgung kann demnach als zufriedenstellend angesehen werden. We-
Energie (MJ)
gesamt
(n=250)
8,5 ± 2,6
E% Eiweiß
15 ± 4
< 25 Jahre 25-35 Jah- 36-45 Jah- D-A-CH
(n=63)
re (n=158) re (n=27)
8,9 ± 3,0 8,4 ± 2,5 7,8 ± 2,3 11,1 bzw.
10,6
15 ± 4
15 ± 5
16 ± 4
10-15
E% Kohlenhydrate
50 ± 9
51 ± 7
50 ± 9
47 ± 6
55
davon Zucker
14 ± 7
14 ± 8
14 ± 8
13 ± 6
-
Ballaststoffe (g)
21 ± 10
19 ± 8
22 ± 11
20 ± 8
>30
E% Fett
35 ± 7
34 ± 7
35 ± 8
37 ± 5
30-35
davon GFS
16 ± 3
16 ± 3
16 ± 3
17 ± 2
max. 10
davon MFS
13 ± 2
13 ± 2
13 ± 2
14 ± 2
13
davon PFS
6±3
5±2
6±3
6±2
7
Cholesterin (mg)
340 ± 262 394 ± 347 327 ± 234 298 ± 176 max. 300
E% Alkohol
0,2 ± 0,7
0,1 ± 0,2
0,2 ± 0,8
0,3 ± 0,9
-
E%...Energieprozent; GFS...Gesättigte Fettsäuren; MFS...Monoenfettsäuren; PFS...Polyenfettsäuren
87
Tab. 2.55:
Alter und
Schwangerschaftswoche
der untersuchten
schwangeren
Frauen
Tab. 2.56:
Mittlere tägliche Zufuhr
(MW ± SD)
an Energie
und Makronährstoffen
bei schwangeren Frauen
in Österreich,
getrennt
nach Altersgruppen
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Tab. 2.57:
Trends (Beobachtungszeitraum
1998-2002)
in der Zufuhr
an Energieund Makronährstoffen
bei Schwangeren
Schwangere
niger wünschenswert ist jedoch die Beobachtung, dass der überwiegende Teil
des aufgenommenen Proteins aus tie↑↑
Eiweiß
rischen Quellen stammte und nur ein
↔
Drittel pflanzlichen Ursprungs war.
Kohlenhydrate
Der Fettanteil an der Gesamtener↔
Ballaststoffe
gieaufnahme der Schwangeren lag bei
↓
Fett
durchschnittlich 35%. Die Energiezufuhr aus Fett stieg jedoch mit zuneh↓↓
Cholesterin
mendem Alter der untersuchten
↓↓
Alkohol
Schwangeren an. In der Altersgruppe
↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9%
der über 35-Jährigen stammten 37%
↔ nahezu unverändert (< 5%)
der aufgenommenen Nahrungsenergie
↑ (↓) höher (niedriger) um weniger als 9%
aus Fett.
Ebenso wie bei anderen Bevölkerungsgruppen war auch bei Schwangeren die mittlere Aufnahme an gesättigten
Fettsäuren (GFS) mit rund 15% der Energiezufuhr zu hoch. Die Zufuhr an GFS sollte so niedrig wie möglich sein und möglichst 10% der Nahrungsenergiezufuhr nicht
überschreiten. Im Gegensatz dazu war die Aufnahme an mehrfach ungesättigte
Fettsäuren (PFS) im Mittel mit 6% der Energiezufuhr zu gering.
Sehr hoch war die Cholesterinaufnahme. Diese lag bei durchschnittlich 340 mg
pro Tag und damit über dem als Obergrenze formulierten Richtwert von 300 mg
[DACH, 2000].
Energie
↓
50% der Energiezufuhr wurden von den Schwangeren in Form von Kohlenhydraten aufgenommen. Mindestens 50% der zugeführten Nahrungsenergie sollten aus Kohlenhydraten stammen, wobei der Anteil zugesetzter Einfachzucker möglichst gering sein sollte, da diese zur Unterversorgung an essentiellen Nährstoffen
beitragen können [DACH, 2000]. Die Zuckeraufnahme war jedoch relativ hoch
und die Aufnahme an hochmolekularen Kohlenhydraten zu gering. Dementsprechend wurden zu wenige Ballaststoffe aufgenommen. Je höher die Kohlenhydrataufnahme eines Kollektivs ist, desto höher ist gewöhnlich auch die Ballaststoffzufuhr. Dieser Zusammenhang war jedoch nicht besonders ausgeprägt (r =
0,505).
Die Alkoholzufuhr lag bei durchschnittlich 0,2 Energieprozent. Verglichen mit
Untersuchungen an nicht schwangeren Frauen und den 1997 mit Schwangeren
durchgeführten Erhebungen [Szallai, 1997], zeigte sich eine deutlich geringere Alkoholaufnahme. Vermutlich hat sich das Wissen um die Konsequenzen des Alkoholkonsums und bestehender Schwangerschaft inzwischen etwas gebessert und
führt zu einem abstinenteren Verhalten.
Tab. 2.57 vergleicht die aktuelle Energie- und Makronährstoffaufnahme von
Schwangeren mit den korrespondierenden Aufnahmedaten aus dem Österreichischen Ernährungsbericht 1998. Langfristige Trends im Ernährungsverhalten sollen
dadurch aufgezeigt werden.
Demnach ist die Energie- und Fettzufuhr im Mittel leicht zurückgegangen. Hingegen ist die Eiweißaufnahme von durchschnittlich 13% auf 15% der Energiezufuhr angestiegen. Hinsichtlich der Alkohol- und Cholesterinaufnahme zeigt sich eine fallende Tendenz, wobei letztere im Mittel immer noch hoch ist.
Zufuhr an Mikronährstoffen bei Schwangeren
In der Schwangerschaft steigt der Bedarf an den meisten Vitaminen und Mineralstoffen im Vergleich zum Mehrbedarf an Energie erheblich an. Daher sollten
verstärkt Lebensmittel mit hoher Nährstoffdichte in den Speiseplan eingebaut werden.
Die im Körper befindlichen Reserven sind begrenzt und reichen insbesondere
für wasserlösliche Vitamine (Ausnahme: Vitamin B12) nur sehr kurze Zeit zur adäquaten Versorgung von Mutter und Fötus [Bung, 2000]. Tab. 2.58 zeigt die aus
88
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
gesamt
< 25 Jahre
25-35 Jahre 36-45 Jahre D-A-CH
(n=250)
(n=63)
(n=158)
(n=27)
Vitamin A1 (mg)
1,3 ± 1,3
1,3 ± 1,0
1,2 ± 1,2
1,5 ± 1,5
1,1
β-Carotin2 (mg)
4,0 ± 4,6
3,8 ± 4,8
3,9 ± 4,4
3,3 ± 3,7
2-4
Vitamin D (µg)
2,2 ± 2,4
2,1 ± 2,2
2,3 ± 2,6
2,5 ± 2,3
5
Vitamin E3 (mg)
12,7 ± 8,4
12,6 ± 8,6
12,7 ± 8,9
12,2 ± 5,9
13
Vitamin B1 (mg)
1,3 ± 0,7
1,3 ± 0,7
1,2 ± 0,7
1,3 ± 0,5
1,2
Vitamin B2 (mg)
1,7 ± 0,9
1,8 ± 1,0
1,6 ± 0,8
1,7 ± 0,8
1,5
Niacin4 (mg)
28 ± 12
29 ± 12
27 ± 12
26 ± 9
15
Vitamin B6 (mg)
1,8 ± 1,0
1,9 ± 1,0
1,7 ± 0,9
1,6 ± 0,7
1,9
Biotin (µg)
54 ± 42
49 ± 27
54 ± 42
46 ± 22
30-60
Folsäure5 (µg)
250 ± 118
253 ± 112
245 ± 107
237 ± 113
600
Vitamin B12 (µg) 4,4 ± 6,0
4,1 ± 2,3
3,8 ± 2,5
4,6 ± 2,6
3,5
Vitamin C (mg)
144 ± 107
137 ± 109
140 ± 136
110
143 ± 122
1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin;
2 dieser Wert mal 0,16 ist in den Retinol-Äquivalenten enthalten;
3 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γ-Tocopherol
x 0,25 + mg α-Tocotrienol x 0,33;
4 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan;
5 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA)
den 24-h-Verzehrsprotokollen errechnete Zufuhr an Vitaminen sowie die korrespondierenden D-A-CH-Referenzwerte.
Während der Schwangerschaft besteht aufgrund der beschleunigten Zellvermehrung (Uterus, Plazenta, Brustgewebe, Föten) ein beträchtlicher Mehrbedarf
an Folsäure [Elmadfa und Leitzmann, 1998]. Deshalb wird Schwangeren im Vergleich zu nicht Schwangeren eine Mehraufnahme von 200 µg Nahrungsfolat pro
Tag empfohlen [DACH, 2000]. Im Mittel erreichte das untersuchte Kollektiv nicht
einmal die Hälfte dieser Empfehlung. Die Aufnahme an Nahrungsfolat muss daher als unzureichend charakterisiert werden.
Die empfohlene Vitamin D-Zufuhr von Schwangeren ist gegenüber den altersentsprechenden Referenzwerten nicht erhöht. Dennoch zeigte sich bei den Probandinnen eine deutlich zu geringe Aufnahme durch die Nahrung. Im Mittel lag
diese bei lediglich 44% der Empfehlung [DACH, 2000]. Da eine geringe regelmäßige Sonnenexposition auch zur Bedarfsdeckung beitragen kann, ist eine Interpretation der Vitamin D-Versorgung alleine aufgrund von Verzehrserhebungen jedoch problematisch.
Verbesserungswürdig ist auch die Vitamin B6-Versorgung. In der 2. und 3.
Altersgruppe lag die Aufnahme im Mittel unterhalb der D-A-CH-Referenzwerte.
Die durchschnittliche Vitamin B1-Zufuhr lag im Studienkollektiv zwar knapp
oberhalb der D-A-CH-Referenzwerte, jedoch sollte die Versorgung bei Schwangeren dennoch sorgsam überwacht werden.
Weitgehend zufriedenstellend war die durchschnittliche Zufuhr an Vitamin B2,
Vitamin B12, Vitamin A und Vitamin C. Diese lag um einige Prozentpunkte
oberhalb der entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen.
Durch den Verzehr von Leber von zwei Schwangeren der dritten Altersgruppe
ergab sich bei der Vitamin A-Zufuhr allerdings eine große Streubreite. Dadurch
89
Tab. 2.58
Mittlere
tägliche Zufuhr (MW ±
SD) an Vitaminen bei
schwangeren Frauen
in Österreich, getrennt nach
Altersgruppen
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Abb. 2.35
Abweichung
(in %) der
mittleren
täglichen Vitaminzufuhr
von den D-ACH-Referenzwerten bei
Schwangeren
in Österreich
80
60
<25 J.
25-35 J.
36-45 J.
40
20
0
D-A-CH
-20
-40
-60
-80
Niacin
Vit.C
Vit. A
B12
B2
B1
Vit. E
B6
Vit. D
Folat
Vitamin K-Status war im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 bei 4-7% des
Kollektivs leicht erniedrigt; Pantothensäure: Unterversorgung unwahrscheinlich
Tab. 2.59
Mittlere tägliche Zufuhr
(MW ± SD)
an Mineralstoffen/Spurenelementen bei
schwangeren
Frauen in
Österreich,
getrennt
nach Altersgruppen
wurden die D-A-CH-Referenzwerte um den Faktor 8 überschritten (Tab. 2.61). Diese Personengruppe wurde in Tab. 2.61 noch einmal gesondert dargestellt.
Vitamin A-Mengen über 3 mg Retinol (präformiertes Vitamin A) sollten aufgrund der fruchtschädigenden Wirkung nicht mehrmals wiederholt aufgenommen
werden [DACH, 2000]. Vom wissenschaftlichen Lebensmittelausschuss (SCF) der
EU-Kommission wird die physiologisch tolerierbare obere Grenze der täglichen Zufuhr (Tolerable Upper Intake Level, abgekürzt UL) für Vitamin A ebenfalls mit 3
mg/d angegeben [SCF, 2002b].
Insgesamt erreichten zwei Drittel aller Schwangeren zumindest 80% der empfohlenen Vitamin A-Zufuhr und rund ein Fünftel der Frauen lagen unter 50% der
empfohlenen Zufuhr.
Zur Interpretation der Vitamin E-Zufuhr steht als nutritiver Referenzwert lediglich ein Schätzwert zur Verfügung. Ohne laborchemische Messwerte ist die Versorgungslage deshalb schwierig zu beurteilen. Jedenfalls lag die ermittelte durchschnittliche Vitamin E-Aufnahme der Schwangeren knapp unter dem D-A-CH-Referenzwert. Im Vergleich zu den Daten des Österreichischen Ernährungsberichts
1998, scheint sich die Vitamin E-Aufnahme jedoch verbessert zu haben. Bei der
Statusbestimmung wurden damals auch lediglich bei rund 8% der Schwangeren
Vitamin E-Serumwerte unterhalb des Normalbereichs gemessen [Elmadfa et al.,
1998].
Bei Niacin sowie auch bei Biotin ist eine Unterversorgung der Schwangeren
aufgrund der vorliegenden Verzehrsdaten sehr unwahrscheinlich.
Tab. 2.59 zeigt die aus den 24-h-Verzehrsprotokollen errechneten mittleren
Aufnahmen an Mineralstoffen bzw. Spurenelementen, als Orientierungshilfe sind
wiederum die entsprechenden D-A-CH-Referenzwerte angeführt.
< 25 Jahre
25-35 Jahre 36-45 Jahre D-A-CH
(n=250)
gesamt
(n=63)
(n=158)
(n=27)
Calcium (mg)
893 ± 433
937 ± 483
872 ± 391
890 ± 517
1000
Kalium (g)
2,7 ± 1,0
2,7 ± 0,9
2,6 ± 1,0
2,8 ± 1,3
2
Magnesium (mg)
307 ± 112
296 ± 103
309 ± 113
287 ± 103
310
Eisen (mg)
13,6 ± 5,2
13,2 ± 4,5
13,4 ± 5,3
13,6 ± 5,8
30
Zink (mg)
10,8 ± 3,6
11,1 ± 3,4
10,6 ± 3,7
10,7 ± 3,7
10
Jod (µg)
149 ± 74
156 ± 71
150 ± 79
133 ± 57
230
90
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
50
<25 J.
25
25-35 J.
36-45 J.
0
D-A-CH
-25
-50
-75
K
Zn
Mg
Ca
Jod
Eisen
K...Kalium; Zn...Zink; Mg...Magnesium; Ca...Calcium
Selen-Status war im Österreichischen Ernährungsbericht 1998
bei 13-34% des Kollektivs leicht erniedrigt; Phosphor,
Chlorid: Unterversorgung unwahrscheinlich; Fluorid,
Kupfer, Mangan, Chrom: noch nicht exakt bewertet
Während einer Schwangerschaft ist vor allem der Bedarf an Eisen, Jod und
Zink erhöht. Die Empfehlungen für die tägliche Eisenzufuhr verdoppeln sich in der
Schwangerschaft und lassen sich in der Regel mit der Nahrung nicht erreichen
[DACH, 2000]. Somit war es nicht überraschend, dass die durchschnittlich mit der
Nahrung aufgenommene Eisenmenge im Kollektiv der Schwangeren rund 50%
unter den Empfehlungen lag.
Auch die Jodzufuhr war nicht zufriedenstellend. Die durchschnittlichen Jodaufnahmen lagen ähnlich wie bei Eisen weit unter den D-A-CH-Empfehlungen.
Der Calciumbedarf erhöht sich während der Schwangerschaft zwar nicht, jedoch war die ermittelte Calciumaufnahme in Relation zu den auch für Nichtschwangere geltenden D-A-CH-Empfehlungen im Mittel unzureichend.
Magnesium und Zink werden in der Ernährung von Schwangeren häufig als
kritische Nährstoffe diskutiert. Im untersuchten Kollektiv lag die durchschnittliche
Zinkaufnahme oberhalb der entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen und die Magnesiumzufuhr lag im Mittel knapp darunter.
Aufgrund dieser Verzehrsdaten kann eine unzureichende Aufnahme bei diesen
beiden Mikronährstoffen zwar nicht bei allen Schwangeren ausgeschlossen werden, jedoch ist die Versorgungslage weit besser als sie vergleichsweise bei Eisen
und Jod zu erwarten ist.
Die Kaliumversorgung kann hingegen als zufriedenstellend beurteilt werden.
Die mittlere Kaliumaufnahme des Gesamtkollektivs lag über dem D-A-CH-Referenzwert.
Tab. 2.60 vergleicht die aktuellen Mikronährstoffaufnahmen von Schwangeren
mit den korrespondierenden Verzehrsdaten des Österreichischen Ernährungsberichts 1998.
Demnach hat sich die Mikronährstoffversorgung bei den Schwangeren in den
letzten fünf Jahren großteils verbessert. Bei Vitamin D, Folsäure und Jod zeigten
sich aktuell jedoch deutlich niedrigere Aufnahmemengen.
Wie zuvor erwähnt, verzehrten zwei Probandinnen während der Untersuchung
eine Portion Hühner- bzw. Kalbsleber. Dementsprechend war die Vitamin A-Zufuhr
um einige Größenordnungen höher als beim restlichen Kollektiv. Inwieweit sich die
restliche Nährstoffaufnahme durch den Leberkonsum im Vergleich mit dieser Al-
91
Abb. 2.36
Abweichung
(in %) der
mittleren
täglichen Zufuhr an Mineralstoffen/Sp
urenelementen von den
D-A-CH-Referenzwerten
bei Schwangeren in
Österreich
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Tab. 2.60:
Trends (Beobachtungszeitraum 19982002) in der
Mikronährstoffaufnahme
bei Schwangeren
Schwangere
Vitamin A1
↑↑
Vitamin D
↓↓
Vitamin E2
Vitamin B1
Vitamin B2
↑↑
Niacin3
↑↑
Vitamin B6
↑↑
Biotin
↑↑
Folsäure4
Vitamin B12
↓↓
Calcium
↔
Magnesium
↔
Eisen
↑↑
Zink
↑
Jod
↓↓
↑↑
↑↑
↓
1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg
all-trans-ß-Carotin; 2 RRR-a-Tocopherol-Äqui-
valent = mg a-Tocopherol + mg ß-Tocopherol x 0,5 + mg ?-Tocopherol x 0,25 +
mg a-Tocotrienol x 0,33; 3 Folat-Äquivalent
(FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA)
↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9%,
↔ nahezu unverändert (<5%), ↑ (↓) höher
(niedriger) um weniger als 9%
tersgruppe ohne Leberkonsum abhebt,
soll Tab. 2.61 veranschaulichen.
An dieser Stelle soll auch angemerkt werden, dass Frauen die schwanger werden wollen oder schwanger
sind, generell keine Leber verzehren
sollten [SCF, 2002b]. Der Grund dafür
ist der unkalkulierbar hohe Vitamin AGehalt von Leber und das damit verbundene Risiko einer fruchtschädigenden Wirkung. Wie leicht zu erkennen
ist, gab es nicht nur hinsichtlich der Vitamin A-Aufnahme Unterschiede. Bei
den Schwangeren, die Leber verzehrten, zeigten sich außerdem eine höhere Gesamtenergiezufuhr sowie auch eine höhere Aufnahme an Cholesterin
und Fett. Die alimentäre Zufuhr an Eisen, Jod, und Calcium sowie einiger BVitamine war beim leberessenden Teilkollektiv höher. Die Energiezufuhr des
Teilkollektivs mit Leberverzehr war signifikant (p=0.001) höher als die des Gesamtkollektivs. Die dem Gesamtkollektiv überlegene Energie- und Nährstoffaufnahme (mit wenigen Ausnahmen)
resultierte nicht nur aus dem Leberverzehr, sondern lässt sich auch durch
das übrige allgemeine Essverhalten und
einen höheren Body Mass Index
(BMI~24) der Probandinnen erklären.
Lebensmittelwahl von Schwangeren
Die Empfehlungen für die Ernährung schwangerer Frauen decken sich im Wesentlichen mit jenen für gesunde Erwachsene. Aufgrund der physiologischen Veränderungen während der Schwangerschaft stellen sich jedoch besondere Anforderungen an die Ernährung. Statt (mengenmäßig) für Zwei zu essen, wie es häufig noch angenommen wird, ist es sinnvoller, Lebensmittel mit niedrigem Energiegehalt und hoher Nährstoffdichte zu wählen, z.B. Gemüse, Obst, Vollkornprodukte und fettarme Milchprodukte.
Laut eigenen Angaben achteten nur 4% der Schwangeren nicht auf eine ausgewogene und bedarfsgerechte Ernährung. 41% taten das immer und mehr als
die Hälfte versuchten sich wenigstens bewusst zu ernähren. Hier konnten signifikante Unterschiede (p<0,01) unter Berücksichtigung der Schulbildung festgestellt
werden. Werdende Mütter mit hoher Schulbildung achteten häufiger auf eine ausgewogene Ernährung als solche, die beispielsweise eine Lehre absolviert haben.
Mithilfe einer vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien
entwickelten Access-Datenbank (auf Basis des Bundeslebensmittelschlüssels II.3)
wurde eine Menükomponentenanalyse durchgeführt. Dabei konnte nicht bei allen
Lebensmittelgruppen eine Anpassung der Ernährungsgewohnheiten an den geänderten Bedarf von Schwangeren festgestellt werden. In Tab. 2.62 ist der Verzehr
der einzelnen Lebensmittelgruppen für das gesamte Kollektiv zusammengefasst.
Insgesamt gesehen, wurden vor allem Lebensmittel mit hoher Nährstoffdichte (Gemüse, Salat, Obst...) in zu geringem Umfang verzehrt. Der Fischkonsum erreichte
ebenfalls nur rund die Hälfte der empfehlenswerten Menge. Täglich sollten rund
250 g Brot gegessen werden. Diese Empfehlung wurde nur zu rund 60% erreicht.
92
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Mit Leber
Ohne Leber
(n=2)
(n=27)
Energie (MJ)
11,5 ± 0,3
7,8 ± 2,3
11 bzw. 10,6
E% Eiweiß
14 ± 4
16 ± 4
10-15
E% Kohlenhydrate 47 ± 7
47 ± 6
55
Ballaststoffe g/d
26 ± 19
20 ± 8
>30
E% Fett
39 ± 7
37 ± 5
30-35
Cholesterin mg/d
872 ± 33
298 ± 176
max. 300
E% Alkohol
0,2 ± 0,7
0,3 ± 0,9
-
Vitamin A1 (mg)
8,8 ± 2,0
1,5 ± 1,5
1,1
Vitamin D (µg)
2,2 ± 0,2
2,3 ± 2,5
5
Vitamin E2 (mg)
Vitamin B1 (mg)
16,0 ± 6,3
12,2 ± 5,9
13
1,8 ± 0,5
1,3 ± 0,5
1,2
Vitamin B2 (mg)
6,0 ± 1,0
1,7 ± 0,8
1,5
Niacin3 (mg)
50 ± 2
26 ± 9
15
Vitamin B6 (mg)
2,9 ± 0,2
1,6 ± 0,7
1,9
Biotin (µg)
242 ± 146
46 ± 22
30-60
Folsäure4 (µg)
Vitamin B12 (µg)
742 ± 111
237 ± 113
600
61,0 ± 35,6
4,6 ± 2,6
3,5
Vitamin C (mg)
99 ± 32
140 ± 136
110
Calcium (mg)
1197 ± 648
890 ± 517
1000
Kalium (g)
4,0 ± 0,3
2,8 ± 1,3
2
Magnesium (mg)
449 ± 53
287 ± 103
310
Eisen (mg)
26,0 ± 1,2
13,6 ± 5,8
30
Zink (mg)
13,9 ± 2,3
10,7 ± 3,7
10
Jod (µg)
163 ± 23
133 ± 57
230
Tab. 2.61
Gegenüberstellung der
Energie- und
Nährstoffzufuhr der Probandinnen
mit und ohne
Leberkonsum
D-A-CH
1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin;
2 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg
γ-To-
copherol x 0,25 + mg α-Tocotrienol x 0,33;
3 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan;
4 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA)
Bei den genannten Lebensmittelgruppen wäre demnach eine Verdopplung des Verzehrs durchaus wünschenswert. Dagegen war die Aufnahme anderer kohlenhydratreicher Lebensmittel wie Nudeln oder Reis einigermaßen zufriedenstellend.
Milch- und Milchprodukte scheinen in ausreichenden Mengen verzehrt zu werden,
wenn auch die Empfehlungen im Mittel nicht zu 100% erreicht wurden. Der D-ACH-Richtwert für die Gesamtwasseraufnahme (ca. 2,7 l/d) wurde im Mittel auch
nicht erreicht. Die Flüssigkeitsaufnahme (inklusive aus fester Nahrung) des Kollektivs lag bei rund 2,5 Liter pro Tag.
Nährstoffangereicherte Lebensmittel in der Ernährung Schwangerer
Zur Deckung des täglichen Nährstoffbedarfs sollten Schwangere vor allem Lebensmittel mit günstigem Nährstoff-Energieverhältnis konsumieren. Daneben besteht noch die Alternative des Verzehrs von nährstoffangereicherten Lebensmitteln.
93
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Tab. 2.62:
Vergleich der
wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen mit
tatsächlichen
Verzehrsdaten (3-dWiegeprotokoll, n=151)
bei Schwangeren
Lebensmittelgruppe
Soll
Ist (MW ± SD) pro
Tag
Brot
200 - 250 g täglich
120 ± 74 g
Nudeln, Reis, Kartoffeln...
150 - 300 g 4 - 6x / Woche 157 ± 119 g
Gemüse, Salat
430 - 570 g täglich
176 ± 150 g
Obst
250 - 350 g täglich
191 ± 187 g
Wasser
1,5 - 2 Liter täglich
1,0 ± 0,7 l
Milch, Joghurt, Sauermilch... 300 - 400 g täglich
260 ± 243 g
Käse
30 - 60 g
täglich
26 ± 41 g
Fleisch
100-150 g
2 - 3x / Woche 62 ± 75 g
Wurst/Schinken
Portion
Fisch
rd. 150 g
3 - 5x / Woche 42 ± 54 g
wöchentlich
12 ± 39 g
Aus diesen Überlegungen heraus galt es zu prüfen, ob Schwangere aufgrund
ihrer Situation bewusst und in welchem Ausmaß zu solchen Erzeugnissen greifen.
Mehr als 2/3 der befragten schwangeren Frauen protokollierten, dass sie (bewusst) nährstoffangereicherte Lebensmittel kaufen. Demnach nimmt während einer Schwangerschaft das Interesse an einer nährstoffreichen Ernährung deutlich
zu. 70% der Schwangeren, die angaben, früher nie auf eine ausgewogene Ernährung geachtet zu haben, führten den Kauf von angereicherten Produkten an. Dies
taten sogar 63% der Schwangeren, die sich immer ausgewogen ernährt haben.
Von jüngeren Frauen wurden tendenziell häufiger nährstoffangereicherte Produkte gekauft als von älteren. In erster Linie wurden diese Lebensmittel aus Gesundheitsgründen (41% der Käuferinnen) erworben. Seit dem Beginn der Schwangerschaft erstanden 28% der Konsumentinnen vermehrt solche Produkte und für ein
Drittel war die vorherrschende Schwangerschaft mitausschlaggebend für den Kauf
von angereicherten Produkten. 55% der Schwangeren, die angereicherte Lebensmittel verzehren, taten dies regelmäßig zum Ausgleich eines sonst möglicherweise
bestehenden Nährstoffdefizits. Rund drei Viertel aller befragten Schwangeren könnten sich vorstellen, gezielt an den Nährstoffbedarf Schwangerer angepasste Le70
% Verzehrshäufigkeit
60
50
40
30
20
10
0
Säfte
Milch
Cerealien
Tees
Instant
angereicherte Produkte
Abb. 2.37
Verzehrshäufigkeit ausgewählter
angereicherter Produkte
täglich/wöchentlich
Säfte...
Milch...
Cerealien...
Tees...
Instant...
selten
nie
Multivitaminsäfte, ACE-Limonaden, ...
angereicherte Joghurts, Milchmischgetränke, ...
angereicherte Müslis, Cornflakes, ...
angereicherte Früchtetees, ...
div. Instant-Kakao-Getränke, Getränkepulver, ...
94
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
ein Supplement
32%
nicht
supplementiert
9%
91% verwendeten
Supplemente
zwei Supplemente
44%
drei Supplemente
18%
Abb. 2.38:
Supplementierung und
Anzahl der
eingenommenen Supplemente
vier Supplemente
6%
bensmittel zu kaufen. Zu den am häufigsten konsumierten angereicherten Lebensmitteln zählten laut Food Frequency Questionnaire Fruchtsäfte, Früchtetees,
Milchprodukte, Cerealien und Kakaogetränke (Abb. 2.37). Die Auswertung der 24h-Recalls bestätigte diese Ergebnisse.
Einnahme an Supplementen (Nahrungsergänzungsmittel) bei Schwangeren
Bei einzelnen Mikronährstoffen ist es während einer Schwangerschaft oft nicht
möglich, den erhöhten Bedarf über Lebensmittel zu decken. Zur Optimierung der
Nährstoffversorgung von Mutter und Fötus ist daher eine gezielte Ernährungsberatung und häufig eine individuell abgestimmte Supplementierung notwendig.
92% der werdenden Mütter gaben bei dieser Erhebung an, dass sie Supplemente nehmen, und 81%, dass sie dies täglich tun. Mehr jüngere als ältere Frauen (p<0,05) griffen zum individuellen Ausgleich ihrer Nährstoffdefizite zu Supplementen. 97% der 19- bis 25-jährigen, 91% der 26- bis 35-jährigen und 90% der
36- bis 45-jährigen Frauen verwendeten sie.
Aus Abb. 2.38 ist ersichtlich, dass mehr als 90% der Schwangeren Nahrungsergänzungsmittel einnahmen. Außerdem wurden gleichzeitig mehrere Präparate
konsumiert. In erster Linie waren es Multivitamin- und Magnesiumpräparate.
Mit fortschreitender Schwangerschaft griffen mehr Frauen zu Supplementen.
Zwischen der 31. und 40. Schwangerschaftswoche waren es 94%, zwischen der
21. und 30. Woche nur 89% (Abb. 2.39). Gegen Ende der Schwangerschaft wurNahrungsergänzung zwischen 21.-30. Schwangerschaftswoche
(n=107)
Multivitamin 63%
nicht
supplementiert
11%
89% verwendeten
Supplemente*
Eisen 31%
Magnesium 58%
Calcium 5%
Folsäure/Eisen 6%
anderes 17%
Nahrungsergänzung zwischen 31.-40. Schwangerschaftswoche
(n=137)
Multivitamin 58%
nicht
supplementiert
6%
94% verwendeten
Supplemente*
Eisen 49%
Magnesium 74%
Calcium 6%
Folsäure/Eisen 17%
anderes 10%
95
Abb. 2.39
Einnahme
von Nahrungsergänzungsmitteln,
gegliedert in
Schwangerschaftswochen und Art
des Präparats
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
60
% BMI-Gruppe
Abb. 2.40
Sportliche
Betätigung/
Schwangerschaftsgymnastik des
Kollektivs
bewertet
nach dem
präkonzeptionellen BMI
(in %)
häufig
50
selten
nie
40
30
20
10
0
BMI <20
BMI 20-25
BMI >25
den vor allem mehr Magnesium- und Eisenpräparate bzw. auch Folsäure oder
Kombinationspräparate mit Eisen konsumiert. Nur ein Bruchteil der werdenden
Mütter (3%) benannte den regelmäßigen Konsum von Nahrungsergänzungsmitteln als Möglichkeit einer Vorsorge für eine adäquate Ernährung. Weniger als 5%
setzten die schon vor der Schwangerschaft übliche Supplementation fort. In erster Linie konsumierten Schwangere (94%) Nahrungsergänzungsmittel auf Anraten des betreuenden Arztes.
Ernährungswissen und Sportverhalten/Schwangerschaftsgymnastik
Körperliche Aktivität bis hin zu sportlicher Betätigung wird heute während einer bestehenden Schwangerschaft als durchaus sinnvoll und positiv anerkannt
[Hartmann und Bung, 1999]. Durch die Schwangerschaft hervorgerufene physiologische Veränderungen müssen natürlich berücksichtigt werden.
Trotz dieser Erkenntnisse gaben 43% der Probandinnen an, sich nicht sportlich zu betätigen. Lediglich 19% der Schwangeren waren regelmäßig körperlich
aktiv und 38% gelegentlich.
Mit fortschreitender Schwangerschaft betrieben Frauen häufiger Sport. Zwischen der 31. und 40. Schwangerschaftswoche waren es 23% und zwischen der
21. und 30. Woche 14%. Grund dafür war mit Sicherheit der Geburtsvorbereitungskurs, der in der Regel erst am Ende der Schwangerschaft abgehalten wird.
Unterschiede (nicht signifikant) ergaben sich auch zwischen dem präkonzeptionellen Body Mass Index (BMI) und dem Sportverhalten während der Schwangerschaft (Abb. 2.40).
Über einen Mehrbedarf an diversen Nährstoffen wussten die meisten Schwangeren Bescheid. Abb. 2.41 zeigt, bei welchen Vitaminen und Mineralstoffen
Zink
Vit B1
Vit. B2
Vit. D
Abb. 2.41
Überblick
über das
Wissen eines
Mehrbedarfs
der angeführten Vitamine und Mineralstoffe
während der
Schwangerschaft (in %)
Vit. E
Vit. B6
Vit. A
Vit. B12
Jod
Vitamin C
Calcium
Folsäure
Magnesium
Eisen
0
10
20
30
40
96
50
60
70
80
90
100
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Abb. 2.42
Quellen der
Ernährungsinformation
während der
Schwangerschaft
anderes
TV
Verw andte/Bekannte
Arzt
Bücher
Zeitschriften
0
10
20
30
40
50
Antw orten %
schwangere Frauen einen Mehrbedarf vermuteten. Über die Wichtigkeit einer ausreichenden Folsäureversorgung vor und während einer Schwangerschaft wussten
nur knapp 60% des Kollektivs Bescheid. Im Hinblick auf die Prävalenz von Neuralrohrdefekten ist in diesem Punkt ein verstärkter Informationsbedarf vorhanden.
Das hervorragende Wissen um einen erhöhten Magnesiumbedarf kam vermutlich dadurch zustande, dass 67% der Frauen von ihrem betreuenden Arzt gegen
vorzeitige Wehentätigkeiten oder nächtliche Wadenkrämpfe Magnesiumpräparate
verordnet bekamen. Die Hauptinformationsquellen des Kollektivs über eine "schwangerengerechte" Ernährung waren in erster Linie Zeitschriften, Magazine und Sachbücher. 37% der Schwangeren bestätigten, dass auch oder ausschließlich ihr betreuender Arzt über eine adäquate Ernährung während der Schwangerschaft informierte (Abb. 2.42), womit Medizinern eine bedeutende Rolle in der Prävention
ernährungsbedingter Komplikationen während oder nach der Schwangerschaft zukommt.
97
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
2.7 Stillende
Zusammenfassung
Eine Neuauswertung und Neuinterpretation der Studienergebnisse von 1994/1995 im Vergleich
mit den heute gültigen Empfehlungen zeigt folgendes Bild:
Die mittlere Energieaufnahme des untersuchten Kollektivs entspricht den neuen D-A-CH-Richtwerten für geringe körperliche Aktivität (PAL 1,4).
Die Zufuhr an Fett sowie gesättigten Fettsäuren muss auch für Stillende als zu hoch charakterisiert werden. Im Gegensatz dazu sollte die Kohlenhydratzufuhr gesteigert werden. Um gleichzeitig
die Versorgungslage an Mikronährstoffen zu verbessern, sind Quellen für komplexe Kohlenhydrate
(Nudeln, Reis, Getreide, Vollkornprodukte etc.) zu bevorzugen. Folgende Mikronährstoffe sind für stillende Frauen als Risikonährstoffe anzusehen:
Vitamin A, Folsäure, Vitamin B6, Eisen, Magnesium sowie Vitamin D bei nicht ausreichender Sonnenexposition.
Allgemeines
Für die Personengruppe der Stillenden liegen bis dato noch keine neuen Untersuchungsergebnisse zum Ernährungszustand vor. Die Erhebungen von 1994/95, dokumentiert im Ernährungsbericht
1998, wurden mit den D-A-CH-Referenzwerten neu ausgewertet.
Die Nährstoffaufnahme wurde mittels 3-Tage-Wiegeprotokoll ermittelt. Die Aufnahme an Mikronährstoffen aus Supplementen wurde in dieser Erhebung nicht berücksichtigt. Die Studie umfasste
insgesamt vier Untersuchungstermine im Abstand von 4 Wochen (4., 8., 12. und 16. Woche postpartum). Die im folgenden dargestellten Ergebnisse beinhalten in der 4. Woche der Stillzeit Daten
von 39 Frauen, aus der 8. und 12. Laktationswoche fließen Daten von 36 Frauen in die Auswertung
ein, aus der 16. Laktationswoche liegen Daten von 32 Frauen vor.
Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei Stillenden
Die folgende Tabelle zeigt die mittels 3-d-Wiegeprotokoll ermittelten Ergebnisse zur Energie- und
Hauptnährstoffaufnahme von Stillenden. Als Orientierungshilfe sind die jeweils korrespondierenden
D-A-CH-Referenzwerte angeführt.
Der zusätzliche Energiebedarf beim Stillen entspricht der mit der Muttermilch abgegebenen Energie sowie dem Energiebedarf für die Syntheseleistung. Bei ausschließlichem Stillen wird in den ersten
8 Wochen postpartum (pp) eine zusätzliche Energieaufnahme von 2,7 MJ/Tag empfohlen. Wird nach
8 Wochen weiterhin voll gestillt, werden 2,2 MJ/Tag als nötig erachtet, andernfalls beläuft sich der
zusätzliche Energiebedarf nur mehr auf 1,2 MJ/Tag [DACH, 2000]. Je nach Grundumsatz und körperlicher Aktivität (PAL-Wert) ergibt sich daraus der Gesamtenergiebedarf. Die ermittelte durchschnittliche Energiezufuhr der Studienpopulation lag im Bereich der Richtwerte für geringe körperliche Aktivität. Letztendlich ist auch für Stillende das aktuelle Körpergewicht der entscheidende Kontrollparameter für eine adäquate Energieversorgung. Es soll noch darauf hingewiesen werden, dass
eine zu geringe Energiezufuhr zu einer Fetteinschmelzung führt, welche während des Stillens aufgrund der daraus resultierenden Schadstoffbelastung des Säuglings nicht wünschenswert ist.
Die durchschnittliche Eiweißzufuhr der Stillenden lag zu allen Untersuchungszeitpunkten um rund
40% über den D-A-CH-Empfehlungen. Die Versorgungslage ist demnach ausreichend.
Bei Fett lag die durchschnittliche Aufnahme der Probandinnen zwischen 38 und 39 Energieprozent (E%). Zwar wird während der Stillzeit ein höherer Fettanteil an der Gesamtenergieaufnahme toleriert, jedoch sollte dieser 35 E% nicht übersteigen [DACH, 2000].
Auch in qualitativer Hinsicht stellt sich die Fettzufuhr als unbedingt verbesserungswürdig dar. In
erster Linie sollte die hohe Zufuhr an gesättigten Fettsäuren, die zwischen 17 und 18 E% lag, um
fast die Hälfte reduziert werden. Für die Praxis würde das einen geringeren Konsum an tierischen Lebensmitteln, insbesondere von Fleisch und Wurstwaren, voraussetzen. Die ausreichende Versorgung
an essentiellen Fettsäuren (n-3 und n-6 Fettsäuren) kann aufgrund der ermittelten Aufnahmemengen als gesichert angesehen werden. Neben der Menge ist jedoch auch das Verhältnis der konsumierten essentiellen Fettsäuren zueinander bedeutend, welches bei 5:1 liegen sollte [DACH, 2000].
Im Kollektiv der Stillenden lag das Verhältnis bei rund 7:1.
Der Richtwert für eine Aufnahme von maximal 300 mg Cholesterin pro Tag gilt auch während der
Stillzeit. Dieser Richtwert wurde um durchschnittlich 34% überschritten. Die Stillenden liegen somit
mit ihren Cholesterinaufnahmen deutlich höher als die nichtschwangeren, nichtstillenden Frauen (sie-
98
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
4. Woche
pp
8. Woche
pp
12. Woche 16. Woche D-A-CH
pp
pp
Energie (MJ)
9,7 ± 1,9
9,4 ± 1,8
9,7 ± 2,3
9,3 ± 2,2
9,4*
Eiweiß (g/MJ)
8,1 ± 1,6
8,0 ± 1,4
7,8 ± 1,1
7,8 ± 1,2
5,8
E% Kohlenhydrate 47 ± 8
47 ± 6
47 ± 6
46 ± 5
>50
davon Zucker
16 ± 8
16 ± 6
16 ± 7
15 ± 5
-
Ballaststoffe (g)
18 ± 7
18 ± 7
17 ± 6
19 ± 7
mind. 30
E% Fett
38 ± 7
38 ± 5
38 ± 6
39 ± 5
30-35
E% n-6 Fettsäuren 4,1 ± 1,3
4,4 ± 1,3
4,4 ± 1,5
4,7 ± 1,4
2,5
E% n-3 Fettsäuren 0,7 ± 9,2
0,7 ± 0,3
0,7 ± 0,1
0,7 ± 0,2
0,5
Cholesterin (mg)
414 ± 204 409 ± 248 413 ± 161 368 ± 118 max. 300
E% Alkohol
0,8 ± 1,7
1,0 ± 1,8
1,0 ± 1,6
1,1 ± 1,8
-
pp…post partum; E%...Energieprozent; * Richtwerte für die durchschnittliche Energiezufuhr
für Stillende bei geringer körperlicher Aktivität (PAL 1,4)
he Kap. 2.4). Dies ist zwar primär durch die insgesamt höhere Nahrungsaufnahme während der Stillzeit bedingt, der erhöhte Energiebedarf scheint jedoch vor allem über eine Betonung tierischer Lebensmittel gedeckt zu werden.
Der D-A-CH-Richtwert zur Kohlenhydrataufnahme von über 50 E% wurde
von den untersuchten Frauen zu den verschiedenen Zeitpunkten nicht erreicht.
Durchschnittlich wurden 46% der Nahrungsenergie in Form von Kohlenhydraten
aufgenommen. Relativ hoch (rd. 16 E%) war auch die mittlere Saccharosezufuhr
(Haushaltszucker). Diesbezüglich gilt zu bedenken, dass bei einem hohen Konsum
an Haushaltszucker, die Gefahr einer geringeren Versorgung an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen besteht.
In den D-A-CH-Referenzwerten wird auch ein Richtwert für die Ballaststoffzufuhr angeführt. Die physiologische Bedeutung liegt in der Prävention zahlreicher ernährungsabhängiger Krankheiten. Der entsprechende Richtwert von mindestens 30 g Ballaststoffen (Nahrungsfasern) pro Tag wurde vom untersuchten
Kollektiv jedoch nicht erreicht und lag im Mittel bei 18 g/d. Eine mögliche Erklärung für die besonders ballaststoffarme Ernährung in der frühen Stillzeit könnte
die Befürchtung vieler Mütter sein, der Verzehr "blähender" Lebensmittel könne
Blähungen beim Säugling hervorrufen.
Der durchschnittliche Alkoholkonsum lag bei 3,3 g/d oder 1% der Energieaufnahme. Dabei waren große Schwankungen innerhalb des untersuchten Kollektivs feststellbar. Ein Fünftel der befragten Frauen trank überhaupt keinen Alkohol,
was für alle schwangeren und stillenden Frauen wünschenswert wäre. Die Alkoholzufuhr war zwar höher als in der Schwangerschaft, aber noch bedeutend geringer als jene nichtschwangerer, nichtstillender Frauen (siehe Kap. 2.4).
Zufuhr an Mikronährstoffen bei Stillenden
In der Stillzeit ist der Bedarf an verschiedenen Nährstoffen erhöht. Der Mehrbedarf ergibt sich einerseits aus der Nährstoffabgabe über die Muttermilch, andererseits wird teilweise zur Auffüllung der in der Schwangerschaft verminderten
Nährstoffspeicher eine höhere Zufuhr empfohlen. Dieser Nährstoffbedarf wird zum
Teil über die Einnahme von Nahrungssupplementen gedeckt. Wie bereits erwähnt,
wurden für die vorliegende Bewertung der Versorgung mit Mikronährstoffen die
Aufnahmedaten aus 3-d-Wiegeprotokollen gewählt. Im Folgenden soll jedoch kurz
auf Häufigkeit und Art verwendeter Supplemente im Kollektiv der Wiener Stillenden eingegangen werden. Da bei Stillenden keine institutionalisierten Betreuungsmaßnahmen vorhanden sind, erfolgt die Einnahme von Supplementen meist
auf Eigeninitiative.
99
Tab. 2.63
Mittlere tägliche Zufuhr
(MW ± SD)
an Energie
und Makronährstoffen
bei Stillenden, getrennt nach
Stillperiode
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Tab. 2.64:
Überblick
über die Einnahme von
Supplementen bei Stillenden
4. Woche pp (n=39)
Fe
MV
Fe + MV
keine
3 (7.7%)
4 (10.3%)
6 (15.4%)
26 (66.7%)
8. Woche pp (n=36)
5 (13.9%)
5 (13.9%)
26 (72.2%)
12. Woche pp (n=36)
6 (16.7%)
4 (11.2%)
26 (72.2%)
16. Woche pp (n=32)
5 (15.6%)
3 (9.4%)
24 (75%)
Fe…Eisenpräparate bzw. kombinierte Eisen/Folsäure/Vitamin B12-Päparate MV…Multivitamin/Mineralstoffpräparate; pp…post partum
Tab. 2.65
Mittlere tägliche Vitaminzufuhr, bezogen auf die
Energieaufnahme (µg,
mg/MJ) (MW
± SD) bei
Stillenden,
getrennt
nach Stillperiode
Generell wurden Eisenpräparate (bzw. kombinierte Eisen/Folsäure/Vitamin B12Päparate) und Multivitamin/Mineralstoffpräparate eingenommen. Beim untersuchten Kollektiv der Stillenden nahm die Häufigkeit der Einnahme von Nahrungssupplementen über den Untersuchungsverlauf von 33% der Untersuchten auf 25%
ab (Tab. 2.64). Aufgrund der vorliegenden Verzehrsdaten ist Vitamin A als Risikonährstoff für Stillende anzusehen. Die durchschnittliche Vitamin A-Aufnahme des
Kollektivs lag lediglich bei 75% der Empfehlungen. Zwar ergab die laborchemische
Untersuchung eine Plasmaretinolkonzentration im Normbereich, jedoch wird die
Retinolkonzentration im Blut homöostatisch geregelt und fällt erst ab, wenn die Leberreserve fast vollständig verbraucht ist. Eine Veränderung im Blut zeigt dann bereits einen akuten Mangel an. Der Vitamin A-Bedarf von Stillenden ist gegenüber
Nichtstillenden deutlich erhöht.
Zur Deckung des Bedarfs des Säuglings und zur Vermeidung von Defiziten bei
der stillenden Frau wird deshalb eine Zulage von 0,7 mg/Tag empfohlen [DACH,
2000]. Dies gilt vor allem für Frauen, welche länger als 4 Monate stillen.
Die Vitamin D-Aufnahme über Lebensmittel war im Mittel ebenfalls deutlich
geringer als der D-A-CH-Referenzwert. Für stillende Frauen gelten dieselben Empfehlungen wie für die Allgemeinbevölkerung. Da Vitamin D bei ausreichender Sonnenexposition auch endogen gebildet werden kann, ist eine Bewertung der Versorgungslage nur anhand von Verzehrsdaten kaum möglich. Ein wünschenswert
höherer Fischkonsum würde die Vitamin D-Versorgung unabhängig von der körpereigenen Synthese verbessern.
Für Folsäure stehen mit der Version des BLS II.3 verbesserte Analysedaten
zur Verfügung. Zahlreiche Ernährungsfachgesellschaften haben sich vor einigen
Jahren auch auf eine neue Definition für Folat-Äquivalente (FÄ) geeinigt. Die neue
4. Woche pp
8. Woche pp
12. Woche pp 16. Woche pp D-A-CH
Vitamin A1 (mg/MJ)
0,09 ± 0,06
0,10 ± 0,08
0,11 ± 0,08
0,12 ± 0,12
0,14
Vitamin D (µg/MJ)
0,2 ± 0,2
0,4 ± 0,3
0,4 ± 0,3
0,3 ± 0,2
0,5
Vitamin E2 (mg/MJ)
1,3 ± 0,4
1,3 ± 0,4
1,3 ± 0,5
1,4 ± 0,4
1,6
Vitamin B1 (mg/MJ)
0,14 ± 0,04
0,13 ± 0,03
0,13 ± 0,03
0,13 ± 0,04
0,13
Vitamin B2 (mg/MJ)
0,2 ± 0,05
0,2 ± 0,06
0,2 ± 0,05
0,2 ± 0,07
0,15
Niacin3 (mg/MJ)
3,0 ± 0,6
2,9 ± 0,6
2,9 ± 0,5
2,9 ± 0,5
1,6
Vitamin B6 (mg/MJ)
0,17 ± 0,05
0,16 ± 0,03
0,15 ± 0,03
0,16 ± 0,04
0,18
Folsäure4 (µg/MJ)
16 ± 5
14 ± 6
14 ± 4
16 ± 6
-
Vitamin B12 (µg/MJ)
0,57 ± 0,23
0,70 ± 0,94
0,65 ± 0,63
0,68 ± 1,13
0,37
1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin;
2 RRR-a-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γ-Tocopherol x 0,25 + mg
Tocotrienol x 0,33;
3 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan;
4 nach alter Definition : Folat-Äquivalent (FÄ) = Monoglutamat + (0,2 x Polyglutamat)
100
α-
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Calcium (mg/MJ)
4. Woche
pp
8. Woche
pp
12. Woche 16. Woche D-A-CH
pp
pp
117 ± 40
115 ± 38
116 ± 33
118 ± 37
93
Magnesium (mg/MJ) 37 ± 9
36 ± 8
36 ±7
38 ± 10
36
Eisen (mg/MJ)
1,3 ± 0,3
1,4 ± 0,3
1,4 ± 0,3
1,4 ± 0,3
1,9
Jod (µg/MJ)
27 ± 12
26 ± 9
26 ± 8
26 ± 9
24
Zink (mg/MJ)
1,2 ± 0,3
1,2 ± 0,2
1,2 ± 0,2
1,2 ± 0,2
1,0
pp…post partum
Definition lautet jetzt: 1 µg FÄ = 1 µg Nahrungsfolat = oder 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure. Die von Szallai [1997] durchgeführten Verzehrserhebungen für Folsäure (nach alter Definition) sind nach den neuen D-A-CH-Referenzwerten für FÄ
nicht zu interpretieren. Jedenfalls war die durchschnittliche Folsäure-Aufnahme im
Kollektiv der Stillenden in Bezug zu den damals gültigen DGE-Empfehlungen nicht
zufriedenstellend. Dieser Befund bestätigte sich auch bei der Blutuntersuchung.
Ab dem 2. Monat des Stillens lag die mittlere Serumkonzentration an Folsäure unter der wünschenswerten Konzentration von 3 ng/ml (7 nmol/l). Ein solcher Wert
zeigt eine negative Folsäure-Bilanz zum Zeitpunkt der Blutabnahme an [IOM, 1998].
Die Vitamin B6-Versorgung sollte ebenfalls verbessert werden. Die durchschnittliche Zufuhr an diesem Vitamin lag um einige Prozentpunkte unter der korrespondierenden D-A-CH-Empfehlung. Da der Vitamin B6-Gehalt der Muttermilch
stark von der Vitaminaufnahme der Mutter abhängig ist [IOM, 1998], ergibt sich
für Stillende ein entsprechend höherer Bedarf. Die relativ hohen Bedarfsangaben
zielen auch darauf ab, Mangelsymptome beim Säugling zu vermeiden.
Die aufgrund der Verzehrsdaten festgestellte Risikoeinschätzung wurde durch
die Blutanalyse bestätigt [Elmadfa et al., 1998].
Die durchschnittliche Vitamin B1-Aufnahme der Studienpopulation lag im Bereich der D-A-CH-Empfehlungen. Dennoch wäre eine Steigerung der Vitamin B1Zufuhr wünschenswert, da aufgrund dieses ermittelten Durchschnittsverzehrs nicht
bei allen stillenden Frauen eine ausreichende Versorgung gewährleistet scheint.
Einigermaßen zufriedenstellend ist die Vitamin B2-Versorgung. Im Studienkollektiv lag die durchschnittliche Vitamin B2-Zufuhr knapp über den korrespondierenden D-A-CH-Empfehlungen. Die zusätzlichen Blutanalysen bestätigen die Einschätzung, obwohl die Versorgungslage weiterhin sorgsam überwacht werden sollte.
Da die mittlere Niacin- und Vitamin B12-Zufuhr weit oberhalb der entsprechenden D-A-CH-Referenzwerte lag, ist eine Unterversorgung von Stillenden an
diesen beiden Vitaminen unwahrscheinlich.
Zur Beurteilung der Vitamin E-Zufuhr steht als nährstoffbasierter Referenzwert lediglich ein Schätzwert zur Verfügung. Im Kollektiv der Stillenden lag die mittlere Vitamin E-Aufnahme unterhalb dieses D-A-CH-Referenzwerts. Daraus könnte
nun irrtümlich geschlossen werden, dass eine Unterversorgung an diesem Vitamin
vorläge. Auf der Basis von Schätzwerten sind solche Aussagen jedoch kaum zulässig.
Das zeigen auch die zusätzlich zu den Verzehrsdaten durchgeführten Blutanalysen. Die mittlere Vitamin E-Konzentration im Blutplasma der Probandinnen lag
nämlich im Normbereich, was eine ausreichende Vitamin E-Versorgung ausdrückt
[Elmadfa et al., 1998].
Tab. 2.66 zeigt die aus den 3-d-Wiegeprotokollen errechnete durchschnittliche
Aufnahme an Mineralstoffen und Spurenelementen. Die zusätzliche Einnahme von
Nahrungsergänzungsmittel wurde dabei nicht berücksichtigt.
In der Stillzeit ist der Eisenbedarf deutlich erhöht, da die Verluste der Schwangerschaft und die Abgabe über die Muttermilch ausgeglichen werden müssen. Daraus resultieren die relativ hohen Empfehlungen. Dabei wird davon ausgegangen,
dass bei exklusivem Stillen die Menstruation erst wieder nach 6 Monaten einsetzt.
101
Tab. 2.66
Mittlere tägliche Zufuhr
(MW ± SD)
an Mineralstoffen und
Spurenelementen bei
Stillenden,
getrennt
nach Stillperiode
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Im Mittel erreichte das untersuchte Kollektiv lediglich 75% der D-A-CH-Empfehlungen. Die Eisenversorgung von stillenden Frauen muss deshalb als kritisch beurteilt werden.
Die durchschnittliche Magnesium-Zufuhr des Studienkollektivs lag im Bereich der D-A-CH-Empfehlungen. Dennoch muss die Magnesiumversorgung Stillender kritisch betrachtet werden, da die
Blutanalyse eine grenzwertige Versorgungslage ergab.
Die mittlere Serumkonzentration lag bei 0,7 mmol/l [Elmadfa et al., 1998]. Eine Serumkonzentration unter 0,75 mmol/l weist auf eine Magnesiumverarmung hin [IOM, 1997].
Die mittlere Jodaufnahme war in Bezug zu den D-A-CH-Referenzwerten einigermaßen zufriedenstellend. In der Berechnung der durchschnittlichen Zufuhr wurde der Beitrag aus jodiertem Speisesalz berücksichtigt. Dennoch muss die Jodversorgung von stillenden Frauen weiterhin sorgsam
überwacht werden.
Stillende haben gegenüber nicht Stillenden keinen erhöhten Calciumbedarf [DACH, 2000]. Die
durchschnittliche Calciumaufnahme des untersuchten Kollektivs lag um rund 25% über den entsprechenden Empfehlungen. Somit kann von einer weitgehend zufriedenstellenden Calciumversorgung
ausgegangen werden.
Die Zinkversorgung kann aufgrund der überarbeiteten Empfehlungen ebenfalls als zufriedenstellend charakterisiert werden. Im Mittel lag die Zufuhr an diesem Spurenelement um 20% über der
D-A-CH-Empfehlung.
102
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
2.8 Breitensportler
Zusammenfassung
Untersuchungen der Ernährungsgewohnheiten von ostösterreichischen Breitensportlern machen
einige Mängel deutlich. Die Auswertung von 24-h-Verzehrsprotokollen ergab eine zu hohe Fett- und
Eiweißzufuhr. Die mittlere Eiweißaufnahme lag im Gesamtkollektiv sogar über dem bereits hohen
Niveau der Allgemeinbevölkerung. Dagegen ist eine Kohlenhydratzufuhr, die weniger als 50% der
Nahrungsenergie liefert, insbesondere für Sporttreibende zu gering. Auch Alkohol trug beim männlichen Kollektiv nicht unwesentlich zur täglichen Gesamtenergiezufuhr bei (rund 4%). Aber auch bei
den Sportlerinnen war der durchschnittliche Alkoholkonsum höher als bei den Frauen der Allgemeinbevölkerung. Hinsichtlich der Versorgung mit Mikronährstoffen zeigten sich vor allem bei Nahrungsfolat, Vitamin D, Calcium, Eisen (bei Frauen) und Magnesium zu geringe Aufnahmen. Dazu
muss jedoch angemerkt werden, dass der Beitrag aus Nahrungsergänzungsmittel nicht berücksichtig
wurde. Wie erwähnt, griffen immerhin rund ein Drittel der Befragten regelmäßig zu Vitaminpräparaten.
Erwartungsgemäß hoch war das Interesse an Ernährungsfragen, wobei jedoch nur wenige Probanden professionelle Beratung in Anspruch nahmen. Demnach wäre in der Bevölkerungsgruppe
der Breitensportler ein großes Potential für eine Verbesserung des Ernährungsverhaltens vorhanden. So könnte z.B. durch einen vermehrten Konsum von kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln die
Versorgungslage an einigen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen entscheidend verbessert werden.
Allgemeines
In den letzten Jahren gewinnt Sport in unserer westlichen Gesellschaft zunehmend an Bedeutung. Ein regelrechter Fitnessboom ist ausgebrochen. Aufgrund des allgemeinen Bewegungsmangels und der üblicherweise sitzenden Arbeitsweise, suchen Menschen heute vermehrt Ausgleich und
Abwechslung im Sport.
Bedarfsgerechtes Essen und Trinken ist für jeden Sporttreibenden die Voraussetzung für Leistungsfähigkeit und körperliche Fitness. Anhaltende Ernährungsfehler können Ausdauer- und Leistungsschwächen hervorrufen. Generell sind Breitensportler jedoch durch eine vollwertige Mischkost, die sich an den allgemeinen Empfehlungen der Nährstoffzufuhr orientiert, bedarfsgerecht versorgt. Als Grundlage für die Lebensmittelauswahl können sich auch Sportler an der Lebensmittelpyramide bzw. am Ernährungskreis der DGE orientieren.
Die folgende Studie dient der Aktualisierung und Erweiterung der Österreichischen Studie zum
Ernährungsstatus (ÖSES) verschiedener Bevölkerungsgruppen. Einerseits wurde mittels 24-h-Recall die Energie- und Nährstoffversorgung ermittelt und andererseits konnte mit Hilfe eines Strukturfragebogens das allgemeine Ernährungsverhalten und -wissen von Freizeit- bzw. Breitensportlern erfragt werden.
Ziel der Studie ist es auch, eventuelle Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten im Ernährungsverhalten von "Einzelsportlern", "Mannschaftssportlern" und Sportlern in "Turnvereinen oder Fitnesscenter (TV/FC)" aufzuzeigen. Das Gesamtkollektiv (n=198) setzte sich aus 92 Männern und 106
Frauen zusammen, wobei jeweils rund ein Drittel der Sportler und Sportlerinnen den drei angeführten Sportkategorien zugeordnet werden konnte. Für die Studie wurden Probanden gewählt, die
mindestens 15 Jahre alt waren. Der Großteil (etwa 75%) der Breitensportler war zum Zeitpunkt der
Erhebung zwischen 19 und 50 Jahre alt. Die Erhebung wurde in Ostösterreich (hauptsächlich in
Wien und Niederösterreich) durchgeführt.
Zufuhr an Energie- und Makronährstoffen bei Breitensportlern
In den folgenden Abschnitten soll die Versorgung von Breitensportlern mit Energie und den
wichtigsten Makro- bzw. Mikronährstoffen dargestellt werden. Die Ergebnisse aus der Auswertung
der 24-h-Recalls wurden nach Geschlecht und Sportkategorie differenziert. Auf eine Einteilung in
Altersgruppen wurde verzichtet, da das primäre Ziel dieser Untersuchung eine erste Abschätzung
der Energie- und Nährstoffversorgung von Breitensportlern insgesamt sein soll. Die Größe der Stichprobe (n=198) würde auch keine Differenzierung nach Altersgruppen erlauben.
Erwartungsgemäß war die mittlere tägliche Energieaufnahme der männlichen Breitensportler
mit 9,5 MJ (2280 kcal) höher als bei den weiblichen (7,4 MJ/1765 kcal). Sowohl bei den Männern
als auch bei den Frauen war die Energieaufnahme bei den Einzelsportlern am höchsten.
103
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Männer
gesamt
Einzelsportler
Mannschaftssportler
Turnverein/Fit- D-A-CH*
nesscenter
Energie (MJ)
9,5 ± 4,8
10,0 ± 3,6
9,8 ± 6,3
8,1 ± 3,0
12
E% Eiweiß
17 ± 5
16 ± 5
17 ± 5
18 ± 6
10-15
E% KH
46 ± 12
45 ± 12
49 ± 12
42 ± 13
>50
10 ± 7
10 ± 7
11 ± 9
8±6
-
Ballaststoffe (g)
19 ± 11
21 ± 11
17 ± 10
19 ± 11
>30
E% Fett
34 ± 11
35 ± 11
32 ± 10
36 ± 12
30
15 ± 5
16 ± 5
14 ± 5
16 ± 4
max. 10
3,5 ± 7,5
4,1 ± 7,5
2,6 ± 7,2
4,2 ± 7,9
-
Energie MJ/d
7,4 ± 2,9
8,6 ± 4,0
7,5 ± 2,8
6,8 ± 2,1
9,5
E% Eiweiß
16 ± 5
16 ± 6
16 ± 4
16 ± 4
10-15
E% KH
48 ± 10
44 ± 10
49 ± 10
49 ± 9
>50
9±6
9±6
8±5
10 ± 7
-
Ballaststoffe (g)
20 ± 8
20 ± 8
22 ± 8
20 ± 8
>30
E% Fett
35 ± 9
38 ± 10
35 ± 9
33 ± 8
30
16 ± 5
17 ± 6
15 ± 7
15 ± 4
max. 10
1,8 ± 4,3
2,6 ± 5,2
0,3 ± 1,0
2,0 ± 4,5
-
davon Zucker
davon GFS
E% Alkohol
Frauen
davon Zucker
davon GFS
E% Alkohol
E%...Energieprozent; KH…Kohlenhydrate; * D-A-CH-Referenzwerte für die Altersgruppe von 25 -< 51
Tab. 2.67:
Mittlere tägliche Zufuhr
(MW ± SD)
an Energie
und Makronährstoffen
bei ostösterreichischen
Breitensportlern, getrennt nach
Geschlecht
und Sportkategorie
Zur Abschätzung des Energiebedarfs wird üblicherweise vom Grundumsatz und
der körperlichen Aktivität (= Physical Activity Level, PAL) ausgegangen. Bei vielen
Erwerbspersonen mit Berufen, die vorwiegend sitzend ausgeführt werden, kann
ein PAL von 1,4-1,5 angenommen werden. Für sportliche Betätigungen (30-60 Minuten, 4-5mal pro Woche) können zusätzlich pro Tag 0,3 PAL-Einheiten zum beruflichen Arbeitsumsatz addiert werden [DACH, 2000].
Aufgrund der Angaben zum Sportverhalten kann dem untersuchten Kollektiv
näherungsweise ein PAL zwischen 1,6-1,8 zugrunde gelegt werden. Laut
FAO/WHO/UNU-Definition entsprechen diese PAL-Werte der grundlegenden, sozial wünschenswerten und der Erhaltung der Gesundheit dienlichen körperlichen Aktivität.
Die ermittelten durchschnittlichen Energieaufnahmen des sporttreibenden Kollektivs lagen durchwegs unter den entsprechenden D-A-CH-Richtwerten. Ursachen
für diese Differenzen können unter anderem in der Methode (einmalige Erhebung
mittels 24-h-Recall) selbst zu suchen sein, da Ungenauigkeiten bei der Protokollführung, Underreporting bzw. Erinnerungsmängel zu niedrigen Absolutergebnissen beitragen können.
Wie ausreichend die tatsächliche Energieaufnahme einer Person ist, kann nur
durch regelmäßige Gewichtskontrollen beurteilt werden und die Angaben zum Energiebedarf der verschiedenen Personengruppen stellen letztendlich nur Rechengrößen dar.
Die durchschnittliche Eiweißaufnahme lag in Relation zur Gesamtenergiezufuhr im Gesamtkollektiv über dem D-A-CH-Richtwert von maximal 15 Energie%.
Allgemein höher war der Anteil in der männlichen Gruppe, wobei bei Männern in
Turnvereinen/Fitnesscenter durchschnittlich 18% der Energiezufuhr aus Proteinen
stammte. Das entspricht in etwa 1,3 g/kg Körpergewicht.
Zwar ist bei Proteinaufnahmen bis zu einer Höhe von 25% der Gesamtenergiezufuhr mit keinen nachteiligen Effekten auf die Gesundheit zu rechnen [HCN,
2001], allerdings ist eine überhöhte Proteinzufuhr auch nicht mit positiven physio-
104
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
logischen Effekten verbunden. Auch bei erhöhter körperlicher Aktivität konnte kein vermehrter Proteinbedarf festgestellt werden [DACH, 2000]. Ein Proteinanteil in der täglichen Nahrung von 15
Energie% (entspricht 1,2 g Protein/kg Körpergewicht) liegt bereits über der Empfehlung von 0,8 g
Protein/kg Körpergewicht. Der Proteinbedarf von Leistungssportlern im Ausdauersport ist zwar um
bis zu 50% erhöht, jedoch steigt der Proteinbedarf nicht überproportional zum Energiebedarf. Ausdauersportler müssen demnach einfach ausgewogen und vielseitig soviel essen, dass ihr Gewicht
konstant bleibt [DGE, 2001]. Ähnliches gilt für die Proteinzufuhr im Kraftsport. Eine durchschnittliche Mischkost bei sporttreibenden Personen enthält unter Berücksichtigung des zusätzlichen Energiebedarfs etwa 100 g Protein pro Tag. Das ist mehr als selbst unter extremem Training für den
Aufbau von Muskelmasse benötigt wird [DGE, 2001].
Hobby- und Breitensportler, welche viel geringere Trainingsumsätze als Spitzensportler aufweisen, benötigen jedenfalls keine Eiweißzufuhr, die 15% der Gesamtenergiezufuhr überschreitet.
Nicht zuletzt gilt auch zu bedenken, dass die Aufnahme von Protein tierischen Ursprungs mit
einer gleichzeitigen Zufuhr an Fett, Cholesterin und – ausgenommen Ei- und Milchprotein – Purinen verbunden ist.
Ebenfalls hoch war die mittlere Fettzufuhr. Sie lag bei rund 35% der Energiezufuhr. Bei den geschätzten PAL-Werten der Breitensportler sollte der Energiebedarf auch bei einer Fettzufuhr von 30
Energie%, entsprechend dem D-A-CH-Richtwert, problemlos gedeckt werden können. Eine Fettzufuhr in der Höhe von 30% der Nahrungsenergie kann unter der Voraussetzung einer entsprechenden Fettqualität im Rahmen einer vollwertigen Ernährung und in Verbindung mit ausreichender körperlicher Aktivität das Herzinfarktrisiko senken [DACH, 2000].
Der zuvor dargestellte hohe Eiweiß- und Fettanteil in der Nahrung ging zu Lasten der Kohlenhydrataufnahme. Weibliche Breitensportler nahmen im Mittel nur 48% der Gesamtenergie in Form
von Kohlenhydraten auf. Bei Männern betrug der Anteil der Kohlenhydrate an der Energiezufuhr gar
nur 46%. Noch geringer war der Kohlenhydratanteil mit 42 Energie% bei den männlichen Probanden der Sportkategorie "Turnverein bzw. Fitnesscenter".
Für Sportler ist es besonders wichtig, auf eine ausreichende Aufnahme von komplexen Kohlenhydraten, die auch essentielle Nährstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe enthalten, zu achten. Bei
intensiver muskulärer Beanspruchung ist das muskeleigene Glykogen die erste Glucosequelle und
insbesondere bei Ausdauersportarten hängt die Leistungsfähigkeit eng mit den Kohlenhydratreserven bzw. der Kohlenhydratversorgung zusammen. Kohlenhydrate stellen für Sportler eine rasch verfügbare Energiequelle dar, vor allem auch um entleerte Glykogenspeicher rasch wieder aufzufüllen
und damit ein Absinken der Ausdauerleistung zu verhindern [Elmadfa und Leitzmann, 1998]. Außerdem wirken sie dem endogenen Abbau von Körperprotein entgegen.
Die Kohlenhydratzufuhr sollte demnach auf deutlich über 50% der Nahrungsenergie angehoben werden [DGE, 2001].
Hinsichtlich der Ballaststoffzufuhr zeigten sich in der Studienpopulation keine großen Unterschiede. Sie lag bei durchschnittlich 20 g pro Tag. Nimmt man diesen Wert als "Indikator" für das
Ernährungsverhalten der Sportler, so entspricht dieser Wert der üblichen österreichischen Normalkost. Der D-A-CH-Richtwert von mindestens 30 g pro Tag wurde somit auch von den Breitensportlern nicht erreicht.
Die Alkoholzufuhr war bei den männlichen Breitensportlern mit durchschnittlich 3,5% der Energiezufuhr relativ hoch. Bei den Frauen lag der Anteil bei 1,8%. Auffallend waren die großen interindividuellen Schwankungen beim Alkoholkonsum innerhalb des untersuchten Kollektivs. Alkohol
und Sport ist eine denkbar ungünstige Kombination, da Alkohol bereits in kleinen Mengen unter anderem die Gluconeogenese aus Lactat hemmt und sich damit negativ auf die sportliche Leistungsfähigkeit auswirkt.
Zufuhr an Mikronährstoffen bei Breitensportlern
Durch die Auswertung von 24-h-Recalls konnte die durchschnittliche Aufnahme von Mikronährstoffen berechnet werden (Tab. 2.68). Dies soll als erste Abschätzung der Versorgungslage dieser Bevölkerungsgruppe gesehen werden, da keine genaueren Daten wie laborchemische Untersuchungen bzw. Wiegeprotokolle vorliegen.
Aufgrund der vorliegenden Verzehrsdaten, ist beim Großteil der Breitensportler mit unzureichenden Aufnahmen an Nahrungsfolat zu rechnen. Die mittlere Zufuhr erreichte nur knapp zwei
Drittel der entsprechenden D-A-CH-Empfehlung.
105
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Männer
gesamt
Einzelsportler
Mannschaftssportler
Turnverein/Fit- D-A-CH*
nesscenter
Vitamin A1 (mg)
2,0 ± 4,2
2,3 ± 4,8
2,1 ± 4,7
1,1 ± 0,9
1,0
β-Carotin2 (mg)
2,3 ± 1,9
2,4 ± 2,1
2,0 ± 1,6
2,8 ± 2,3
2-4
Vitamin D (µg)
3,5 ± 5,6
4,5 ± 7,3
2,8 ± 4,1
3,1 ± 4,0
5
Vitamin E3 (mg)
11,7 ± 9,3
11,5 ± 6,6
13,1 ± 12,5
9,1 ± 4,5
14
Vitamin B1 (mg)
1,4 ± 0,7
1,5 ± 0,6
1,4 ± 0,9
1,2 ± 0,5
1,2
Vitamin B2 (mg)
1,9 ± 1,5
1,8 ± 0,9
2,0 ± 2,2
1,6 ± 0,5
1,4
Niacin4 (mg)
36 ± 19
35 ± 13
38 ± 25
32 ± 11
16
Pantothensäure (mg) 6,0 ± 5,2
5,9 ± 3,2
6,6 ± 7,3
5,0 ± 1,7
6
Vitamin B6 (mg)
2,0 ± 1,7
1,9 ± 1,0
2,3 ± 2,5
1,8 ± 0,8
1,5
Biotin (µg)
48 ± 29
52 ± 29
48 ± 34
43 ± 15
30-60
Folsäure5 (µg)
Vitamin B12 (µg)
265 ± 171
282 ± 149
257 ± 188
247 ± 178
400
8 ± 11
9 ± 12
7 ± 11
7±5
3,0
Vitamin C (mg)
138 ± 148
133 ± 126
149 ± 186
124 ± 89
100
Vitamin A1 (mg)
0,9 ± 0,7
1,0 ± 0,6
0,9 ± 0,5
0,9 ± 7,6
0,8
β-Carotin2 (mg)
2,9 ± 2,6
2,8 ± 2,8
3,2 ± 2,7
2,9 ± 2,5
2-4
Vitamin D (µg)
2,9 ± 4,0
3,7 ± 3,1
1,8 ± 1,7
3,0 ± 4,9
5
Vitamin E3 (mg)
11,1± 6,1
12,9 ± 5,9
11,8 ± 5,6
9,9 ± 6,2
12
Vitamin B1 (mg)
1,0 ± 0,5
1,2 ± 0,5
1,0 ± 0,4
1,0 ± 0,5
1,0
Vitamin B2 (mg)
1,3 ± 0,6
1,3 ± 0,5
1,3 ± 0,6
1,2 ± 0,6
1,2
Niacin4 (mg)
25 ± 10
Frauen
28 ± 11
24 ± 10
25 ± 10
13
Pantothensäure (mg) 4,2 ± 1,9
4,5 ± 1,8
4,1 ± 1,5
4,0 ± 2,1
6
Vitamin B6 (mg)
1,4 ± 0,7
1,5 ± 0,6
1,4 ± 0,6
1,3 ± 0,7
1,2
Biotin (µg)
41 ± 34
47 ± 38
39 ± 16
38 ± 37
30-60
Folsäure5 (µg)
Vitamin B12 (µg)
239 ± 113
258 ± 112
267 ± 141
217 ± 98
400
3±3
4±3
3±2
3±2
3,0
Vitamin C (mg)
97 ± 87
85 ± 48
101 ± 78
101 ± 105
100
*D-A-CH-Referenzwerte für die Altersgruppe von 25 -< 51;
1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin;
2 dieser Wert mal 0,16 ist in den Retinol-Äquivalenten enthalten;
3 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γ-Tocopherol x 0,25 + mg αTocotrienol x 0,33;
4 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan;
5 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA)
Tab. 2.68
Mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Vitaminen bei ostösterreichischen Breitensportlern, getrennt nach Geschlecht und Sportkategorie
Die mittlere Vitamin D-Aufnahme der Probanden lag ebenfalls weit unter den
D-A-CH-Referenzwerten. Allerdings kann die Vitamin D-Versorgung ausschließlich
anhand von Verzehrsdaten alleine schwer beurteilt werden. Bei ausreichender Sonnenexposition kann ein Großteil des Vitamin D-Bedarfs durch die körpereigene
106
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Synthese gedeckt werden. Theoretisch können Freiluftsportler während der wärmeren Jahreszeiten
(Mai bis Oktober) das Nahrungsdefizit ausgleichen.
Die mittleren Aufnahmemengen an den Vitaminen B1, B2, B6 und C lagen im Bereich der jeweiligen Referenzwerte. Beim weiblichen Kollektiv zeigten sich Aufnahmemengen, die im Durchschnitt
jeweils nur knapp über den D-A-CH-Empfehlungen lagen. Bei der zu erwartenden höheren Varianz
der Zufuhrmengen gegenüber der Varianz des Bedarfs, muss somit vor allem bei den weiblichen Breitensportlern bei den genannten Vitaminen mit einem gewissen Prozentsatz an unterversorgten Individuen gerechnet werden.
Ähnliches trifft für die weiblichen Breitensportler hinsichtlich der Vitamin A- und der Vitamin
B12-Versorgung zu. Hingegen dürften männliche Freizeitsportler sehr gut mit diesen beiden Nährstoffen versorgt sein, da die durchschnittlichen Aufnahmen um rund 100% über den Empfehlungen
lagen. Jedoch muss hinsichtlich der Vitamin A-Zufuhr angemerkt werden, dass einige Männer aus
den Sportkategorien "Einzelsport" und "Mannschaftssport" den Verzehr von Leber (sehr reich an Vitamin A) im 24-h-Recall angeführt hatten. Dadurch sind die im Vergleich zu den Frauen und zur Sportkategorie "Turnverein/Fitnesscenter" doppelt so hohen Vitamin A-Aufnahmen zu erklären. Auch an
Vitamin B12 nahm das männliche Kollektiv rund doppelt so viel auf wie das weibliche. Zum Teil kann
diese Beobachtung auf den höheren Verzehr von tierischen Produkten (insbesondere von Innereinen)
der Männer zurückzuführen sein.
Die Niacinversorgung kann sowohl bei männlichen als auch bei weiblichen Breitensportlern als
sehr gut eingestuft werden, da die mittleren Aufnahmemengen um rund 100% über den Empfehlungen lagen.
Hinsichtlich der Vitamin E-Zufuhr zeigten sich im Kollektiv der Breitensportler kaum Unterschiede.
Die durchschnittlichen Aufnahmemengen lagen jeweils mehr oder weniger knapp unter den D-A-CHSchätzwerten. Ob es sich dabei um eine bedarfsdeckende Versorgung handelt, könnte nur anhand
der Tocopherolkonzentration im Blutplasma sowie in den Blutzellen genauer bestimmt werden.
Bei höheren körperlichen Anstrengungen, wie z.B. beim Sport, entstehen im Körper vermehrt
"freie Radikale". Als Schutz vor oxidativen Schäden werden endogen vermehrt antioxidativ wirksame
Enzyme gebildet. Ob eine exogene Zufuhr von Antioxidantien (Vitamin C, Vitamin E und Carotinoide)
ebenfalls eine protektive Wirkung entfaltet ist nicht geklärt. Eine Leistungssteigerung konnte durch
die Einnahme von Vitamin E-Supplementen jedenfalls nicht belegt werden [SCF, 2000]. Davon abgesehen, könnte eine bessere Vitamin E-Versorgung auch ohne Vitaminpräparate über eine sorgsamere Auswahl von pflanzlichen Ölen sowie über den Verzehr von Nüssen erreicht werden.
Die Pantothensäureaufnahmen lagen teilweise zwar unter den korrespondierenden Schätzwerten, jedoch kommt es bei diesem Vitamin bei üblichen Verzehrsgewohnheiten nur sehr selten zu
einem Mangel [DACH, 2000].
Auch die Biotinversorgung kann als ausreichend beurteilt werden, da die mittlere Aufnahme der
Breitensportler innerhalb des Schätzwertbereichs der D-A-CH-Referenzwerte lag.
Tab. 2.69 zeigt die ermittelten (24-h-Recall) durchschnittlichen Aufnahmen an Mineralstoffen und
Spurenelementen.
Auch bei den Breitensportlern ist Calcium als Risikonährstoff anzusehen. Da die durchschnittlichen Aufnahmen im untersuchten Kollektiv entscheidend unter den D-A-CH-Empfehlungen lagen,
muss mit entsprechend hohen Prävalenzen einer unzureichenden Calciumversorgung gerechnet werden.
Ähnliches gilt für die weibliche Gruppe hinsichtlich der Eisenversorgung. Die Aufnahmen erreichten bei den Frauen im Mittel nur 80% der D-A-CH-Empfehlungen. Hingegen war die Eisenaufnahme bei den Männern im Bezug zur Referenzzufuhr weitaus besser. Auch die durchschnittliche
Magnesiumzufuhr lag unter den entsprechenden Empfehlungen und ist somit verbesserungswürdig. Die Zinkaufnahme der Breitensportler war hingegen einigermaßen zufriedenstellend.
Allgemeines Sport- und Ernährungsverhalten
Männer und Frauen trainierten etwa gleich häufig. Diesbezüglich gab es auch keine Unterschiede innerhalb der einzelnen Sportklassen. 46% der Befragten gaben an, 2 bis 3mal pro Woche Sport
zu betreiben. Einmal pro Woche trainierten 21% des Kollektivs. Insgesamt 5% der Befragten übten
weniger als einmal pro Woche Sport aus. Die differenzierte Betrachtungsweise nach absolvierten Trainingsstunden pro Woche zeigte hingegen signifikante Unterschiede. 56% der Frauen sowie 28% der
Männer betrieben bis zu drei Stunden Sport pro Woche. Drei bis fünf Stunden pro Woche trainierten
39% des männlichen und 23% des weiblichen Studienkollektivs. 33% der Männer und 21% der Frau-
107
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
Männer
gesamt
Einzelsportler
866 ± 419
Mannschaftssportler
913 ± 769
Turnverein/Fit- D-A-CH*
nesscenter
751 ± 471
1000
Calcium (mg)
863 ± 594
Kalium (g)
Magnesium (mg)
2,8 ± 1,3
2,8 ± 0,9
2,9 ± 1,8
2,6 ± 0,9
2
337 ± 159
347 ± 118
345 ± 210
301 ± 93
350
Eisen (mg)
13,8 ± 6,2
14,7 ± 4,8
13,8 ± 8,0
12,1 ± 3,9
10
Zink (mg)
12,7 ± 5,2
13,4 ± 3,9
12,7 ± 6,6
11,2 ± 4,2
10,0
Calcium (mg)
730 ± 403
763 ± 437
803 ± 446
684 ± 366
1000
Kalium (g)
2,4 ± 0,8
2,4 ± 0,7
2,5 ± 1,0
2,3 ± 0,8
2
Magnesium (mg)
291 ± 102
300 ± 109
301 ± 97
282 ± 103
300
Eisen (mg)
12,0 ± 4,7
12,9 ± 4,3
11,4 ± 4,2
11,7 ± 5,0
15
Zink (mg)
10,2 ± 3,6
11,3 ± 3,8
10,1 ± 3,6
9,6 ± 3,5
7,0
Frauen
*D-A-CH-Referenzwert für die Altersgruppe von 25 -< 51
Tab. 2.69
Mittlere tägliche Zufuhr
(MW ± SD)
an Mineralstoffen/Spurenelementen bei ostösterreichischen Breitensportlern,
getrennt
nach Geschlecht und
Sportkategorie
Tab. 2.70
Worauf Breitensportler in
ihrer Ernährung besonders achteten
en versuchten sich mehr als fünf Stunden pro Woche körperlich fit zu halten. Demnach trainierten Männer zwar nicht häufiger als Frauen aber ihre Trainingseinheiten dauerten länger. Signifikante Unterschiede waren auch innerhalb der verschiedenen Sportkategorien zu finden. Personen, welche sich gerne im TV/FC bewegen, trainierten signifikant weniger lang pro Woche, als Mannschaftssportler und
Einzelsportler. Aus präventivmedizinischer Sicht gilt ein Aktivitätsumsatz in der Freizeit von zwei bis drei Sportstunden pro Woche als optimal.
Signifikant mehr Frauen (89%) (p=0.004) als Männer (77%) gaben an, sehr
an Ernährungsfragen interessiert zu sein. Mehr als vier Fünftel der Sportler interessierten sich (sehr) für Ernährung. Weniger als 1% bekundeten kein Interesse an
diesem Thema. Eine individuelle Ernährungsberatung wurde jedoch nur von 15%
der untersuchten Breitensportler in Anspruch genommen. Beraten ließen sich signifikant mehr Frauen (p=0.05) (20%) als Männer (10%). Ebenso war für die befragten Sportlerinnen Ernährung signifikant (p=0.005) wichtiger als für Sportler.
Für die meisten der interviewten Breitensportler mussten ihre täglichen Mahlzeiten "gut schmecken" (61%). Dieses Ergebnis ist nicht verwunderlich, da Essen
in jedem Alter in erster Linie schmecken muss. Ein Großteil des befragten Kollektivs gab jedoch auch an, auf gesundheitsbezogene Aspekte zu achten.
Eine ausgewogene, dem Bedarf angepasste Kost ist Grundlage für körperliche
Höchstleistungen. Man braucht keine besondere Ernährung und keine speziellen
Ergänzungsprodukte. Ein Drittel der Studienpopulation erklärte aber, dass sie ihre
Ernährung seit Beginn der sportlichen Aktivität geändert haben. Mehr Männer als
Gesamtkollektiv (%)
Frauen (%)
Männer (%)
Gut schmecken
61
56
67
Gesund
45,5
54
36
Wenig Fett
21
22
21
Biologische Lebensmittel
19
24,5
12
Nicht dick machen
14
13
15
Viele Kohlenhydrate
10
6
14
Quantität
6
1
12
Proteinreich
4
4
4
Gar nichts
3
3
3
Mehrfachantworten waren möglich
108
Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung
100%
80%
>5 Stunden
60%
4-5 Stunden
40%
2-3 Stunden
1 Stunde
20%
0%
Männer
Frauen
Frauen gaben an, ihr Ernährungsverhalten geändert zu haben. 19% der Befragten verzehrten seit Beginn der regelmäßigen körperlichen Aktivität mehr Gemüse
und Obst, 17% mehr Nudeln und Reis. In erster Linie wurden weniger fettreiche
Produkte (23%), Fleisch und Wurst (21%) oder Alkohol (8%) konsumiert.
Etwa ein Viertel der befragten Sportler ernährte sich an Trainingstagen anders
als üblich. Geschlechtsspezifische Unterschiede gab es dabei nicht. Jedoch aßen
signifikant (p=0.001) mehr Mannschaftssportler (38%) als Einzelsportler (16%)
bzw. Sportler aus Turnvereinen/Fitnesscenter an Tagen der körperlichen Anstrengung anders als gewohnt. An Trainingstagen wurde in erster Linie mehr getrunken und die Zufuhr von Gemüse, Obst und Kohlenhydraten war höher als sonst.
Wasser und Mineralwasser (81%) war der bevorzugte Durstlöscher, aber auch verdünnte Fruchtsäfte (40%) und Tees (31 %) wurden getrunken. Signifikant mehr
Frauen (46%) als Männer (13%) tranken Tee gegen den Durst.
Insgesamt nahm knapp ein Drittel des Kollektivs Vitaminpräparate ein, wobei
mehr Frauen (34%) als Männer (26%) auf diese Supplemente zurückgriffen. Umgekehrt verhielt es sich bei Mineralstoffpräparaten und Elektrolytgetränken. 23%
des Sportkollektivs nahmen diese Präparate ein, jedoch signifikant mehr Männer
(30%) als Frauen (16%). Ebenfalls nahmen signifikant mehr Mannschaftssportler
(34%) als Einzelsportler (19%) oder Fitnesscenterbesucher (16%) Mineralstoffpräparate zu sich. 15% des befragten Kollektivs supplementierten täglich. An Trainingstagen nahmen signifikant mehr Männer (24%) als Frauen (5%) Nahrungsergänzungen zu sich.
109
Abb. 2.43
Trainingsstunden pro
Woche
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Kapitel 3: Lebensmittelqualität
3.1 Die amtliche Lebensmittelüberwachung in Österreich*
Zusammenfassung
Die Europäische Gemeinschaft unternimmt große Anstrengungen, um die amtliche Lebensmittelüberwachung in den Mitgliedstaaten zu harmonisieren. Dazu wird auf der Basis des Weißbuchs für
Lebensmittelsicherheit der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2000 ein Vorschriftenwerk erstellt, das den Rahmen bilden soll, um es den nationalen Behörden zu ermöglichen, in harmonisierter Weise vorzugehen.
Futtermittel werden nunmehr gemeinsam mit den Lebensmitteln in das generelle Kontrollkonzept einbezogen.
Neben amtlichen Kontrollen wird als weiteres Grundprinzip die Verantwortung der Produzenten
und des Handels für ihre Produkte im Sinne der Erfüllung der Anforderungen des Lebensmittelrechts
hervorgehoben.
Zum schnellen Informationsaustausch bezüglich Lebens- und Futtermittel zwischen der Europäischen Kommission und den nationalen Behörden der Mitgliedstaaten besteht ein Schnellwarnsystem, um neben anderen Informationen auch die Vermarktungswege von einzelnen Chargen gesundheitsgefährdender Waren verfolgen zu können.
Aufgaben der Risikobewertung auf wissenschaftlicher Basis werden auf EU-Ebene von der Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (= European Food Safety Authority, EFSA) und auf nationaler Ebene von der "Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH"
(AGES) übernommen.
Die Struktur der amtlichen Lebensmittelüberwachung in Österreich ist im Vergleich zum Zeitpunkt des Ernährungsberichts 1998 unverändert geblieben.
Organisation
Die amtliche Lebensmittelüberwachung in Österreich agiert im Rahmen von europäischen und
nationalen Regelungen zur Lebensmittelsicherheit. Die Tätigkeit der Lebensmittelaufsicht wird von
vielen europaweit harmonisierten Vorschriften berührt. Ihre rechtliche Basis ist das Lebensmittelgesetz 1975 [LMG 75 BGBL. NR. 86/1975]. Dabei ist nach der österreichischen Rechtsordnung die Tätigkeit auf dem Gebiet der Lebensmittelüberwachung aufgeteilt in eine Bundeszuständigkeit und in
eine Zuständigkeit der Bundesländer in Form der mittelbaren Bundesverwaltung.
- Lebensmittelüberwachung
Das Ziel der amtlichen Lebensmittelüberwachung in Europa ist den Verbraucher vor gesundheitlichen Gefahren sowie vor Täuschung zu schützen. Die Art, wie die Lebensmittelüberwachung in der
Praxis durchgeführt wird, ist nach nationalen Gesetzen geregelt. In Österreich sind folgende Behörden und Organisationen im Bereich der amtlichen Lebensmittelüberwachung tätig:
- Bundesministerin für Gesundheit und Frauen (Bundesministerium für Gesundheit und Frauen,
Sektion IV)
- Landeshauptmann in mittelbarer Bundesverwaltung (Organe der Lebensmittelaufsichtsbehörde
des jeweiligen Bundeslandes führen die Lebensmittelüberwachung durch)
- Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Untersuchungslabors der
Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit untersuchen und begutachten die Proben)
- Amtliche Untersuchungsanstalten der Bundesländer Kärnten, Vorarlberg und Wien. (Untersuchen
und begutachten die Proben)
- Agrarmarkt Austria (AMA) für die freiwillige Rindfleischetikettierung
- Biokontrollstellen
Für die Vollziehung des Lebensmittelgesetzes ist das Bundesministerium für Gesundheit und
Frauen zuständig.
* Dr. F. Vojir, Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, Radetzkystrasse 2, 1030 Wien
110
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Dabei sind die wichtigsten Aufgaben des Ministeriums:
-
-
Rechtssetzung (nationales Recht und Umsetzung von europäischen Richtlinien in nationales
Recht)
Koordinierung der von den Ländern durchgeführten Überwachung der im LMG erfassten Waren
Koordinierung mit der Agrarmarkt Austria im Bereich der Rindfleischetikettierung
Koordination der Tätigkeiten der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit und der Lebensmitteluntersuchungsanstalten der Länder auf dem Gebiet der Lebensmitteluntersuchung.
Vertretung Österreichs bei der Europäischen Union in den entsprechenden Gremien
Weiterleitung der Informationen aus dem Schnellwarnsystem (rapid alert system) der Europäischen Gemeinschaft
Warnung der Bevölkerung vor Waren, die ein Gesundheitsrisiko darstellen
Koordinierung der Kommission zur Herausgabe des österreichischen Lebensmittelbuchs (Büro
der Codexkommission)
Im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung obliegt dem Landeshauptmann die Durchführung
der Lebensmittelüberwachungsmaßnahmen im jeweiligen Bundesland. Er bedient sich dabei der von
ihm bestellten Lebensmittelaufsichtsorgane nach §35 LMG. Diese führen Revisionen von Betrieben
durch und ziehen Proben von Waren die dem LMG unterliegen (Lebensmittel, Verzehrprodukte, Zusatzstoffe, Kosmetische Mittel und Gebrauchsgegenstände). Diese Proben werden den örtlich zuständigen Lebensmitteluntersuchungslabors der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit oder den Lebensmitteluntersuchungsanstalten der Länder zur Untersuchung und
Begutachtung überbracht. Die von den Untersuchungslabors erstellten Untersuchungszeugnisse
werden an die zuständigen Lebensmittelaufsichtsbehörden übermittelt. Von hier werden im Falle von
Beanstandungen die Anzeigen an die betreffende Strafbehörde oder das zuständige Gericht erstattet. Zusätzlich werden im Rahmen der Kontrolle von Importen tierischer Lebensmittel durch den
grenztierärztlichen Dienst Proben entnommen, die zum Teil von den Lebensmitteluntersuchungslabors untersucht werden. Werden im Rahmen von Importkontrollen nichttierischer Lebensmittel Proben von Lebensmittelaufsichtsorganen entnommen, werden diese Proben ebenfalls in den Lebensmitteluntersuchungslabors untersucht und begutachtet. Weiters werden von den Lebensmittelaufsichtsorganen auch Proben im Rahmen von EU-weiten oder nationalen Monitoring- und Kontrollprogrammen entnommen (Pestizidmonitoring in Obst und Gemüse, Kontrollprogramm hinsichtlich Tierarzneimittelrückständen in Lebensmitteln tierischen Ursprungs, Nitrat in Salat und Spinat), die in
den Labors untersucht werden (Abb. 3.1).
Änderungen im organisatorischen Umfeld der amtlichen Lebensmittelüberwachung
seit dem Jahr 1998 im europäischen Zusammenhang
Auf dem Gebiet der Lebensmittelüberwachung haben in Europa in den letzten Jahren sehr große Veränderungen stattgefunden. In diesem Zusammenhang entwickeln sich derzeit im Bereich der
Europäischen Gemeinschaft Strukturen hinsichtlich der Lebensmittelkontrolle, die ihre Auswirkungen
auf die Organisation der Lebensmittelüberwachung in allen Mitgliedstaaten haben.
In der zweiten Hälfte der Neunziger Jahre kam es in Europa zu einer Reihe von größeren Lebensmittelskandalen, die mit zum Teil sehr bedenklichen Manipulationen im Bereich der Futtermittel
zu tun hatten. Aufgrund der daraus folgenden Beunruhigung der europäischen Konsumenten, aber
auch des gemeinschaftlichen Marktes, hat die Europäische Kommission begonnen ein rechtliches
Rahmenwerk zu schaffen, das die Basis für eine gemeinschaftsweit harmonisierte Vorgangsweise
der Lebensmittel- und Futtermittelkontrolle werden soll. Nach dem Prinzip "vom Feld bis zum Tisch"
sollen alle diesbezüglichen amtlichen Aktivitäten gemeinsamen Kontrollprinzipien unterstellt werden.
Die Grundidee ist, den freien Warenverkehr mit sicheren und bekömmlichen Lebensmitteln im
Binnenmarkt zu gewährleisten, aber gleichzeitig die Gefährdung der Gesundheit der Konsumenten
zu verhindern. Dies ist nur möglich, wenn die Anforderungen an die Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht wesentlich voneinander abweichen. Die prinzipiellen Überlegungen dazu wurden im Weißbuch für Lebensmittelsicherheit der Europäischen Kommission im Jahr 2000 formuliert und werden nun konsequent umgesetzt.
Am 28. Jänner 2002 wurde die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und
des Rates "zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts,
111
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Abb. 3.1:
Organisation
der Lebensmittelüberwachung in
Österreich
Bundesministerium für Gesundheit und Frauen
BMGF
Sektion IV
Mittelbare
ordnet an
Gruppe B
Veterinärangelegenheiten
koordiniert
Bundesverwaltung
Abteilungen Angelegenheiten des
LMG betreffend IV/13, IV/14
koordinieren
Landeshauptmann
Landesregierung
Dienstaufsicht
Grenztierärztlicher
Dienst
Probennahme
Lebensmittelaufsicht
ordnet an
Aufsicht
Landesorgane
Probennahme
Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungs sicherheit (Veterinär - und Leben smittelbereich)
Untersuchung
Gutachten
Organe der Städte
mit eigenem Statut
Probennahme
Landesanstalten für
Lebensmitteluntersuchung
Untersuchung
Gutachten
zur Errichtung der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit" veröffentlicht [Richtlinie
92/59/EWG]. Etliche Regelungen dieser Verordnung treten allerdings erst mit
1.1.2005 in Kraft, so dass ab diesem Datum mit einem harmonisierten Vorgehen
der Lebensmittelüberwachung in allen Mitgliedstaaten ausgegangen werden
kann.
Diese Verordnung, die als das "Lebensmittelgesetz der Europäischen Gemeinschaft" betrachtet werden kann, hat als generelles Ziel den Schutz der Gesundheit
der Bevölkerung und den Schutz der Verbraucherinteressen, d.h. den Schutz vor
Täuschung der Konsumenten. Dabei sollen lautere Handelsgepflogenheiten, der
Schutz der Tiergesundheit, Tierschutz und Pflanzenschutz mit berücksichtigt werden.
- Feststellung der Lebensmittelsicherheit
Alle Maßnahmen auf dem Gebiet der Lebensmittelsicherheit sollen auf der Basis der Bewertung des jeweiligen Risikos erfolgen. Eine solche Bewertung (Risikobewertung) beruht auf allen verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen. Ihre
Ergebnisse sind die Grundlage für behördliche Maßnahmen (Risikomanagementmaßnahmen).
- Vorsorgeprinzip
Wird nach einer Auswertung der verfügbaren Informationen festgestellt, dass
die Möglichkeit von gesundheitsschädlichen Auswirkungen besteht, diese Tatsache aber vom wissenschaftlichen Standpunkt aus nicht ausreichend abgesichert
ist, werden im Interesse der Gesundheit der Konsumenten vorläufige Risikomanagementmaßnahmen gesetzt. Diese Maßnahmen müssen innerhalb einer ange-
112
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
messenen Frist überprüft werden und beim Vorliegen neuerer Erkenntnisse entsprechend angepasst werden (Vorsorgeprinzip).
- Wann ist ein Lebensmittel nicht sicher?
Es wurde festgelegt, dass Lebensmittel, die nicht sicher sind, nicht in Verkehr gebracht werden
dürfen. Nicht sichere Lebensmittel sind solche, die entweder gesundheitsschädlich sind oder für
den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind. Für den Verzehr durch den Menschen ungeeignete Lebensmittel sind durch Fremdstoffe kontaminierte Lebensmittel oder durch Verderb oder Zersetzung so veränderte Lebensmittel, dass sie für den Verzehr durch den Menschen inakzeptabel
geworden sind.
Als weiteres prinzipielles Element der Vorgangsweise der Behörden wird eine möglichst große
Transparenz bei allen Entscheidungen verlangt. Die Öffentlichkeit soll immer möglichst umfassend
über das Risiko, das von bestimmten Lebens- oder Futtermitteln ausgeht, informiert werden. Die
Maßnahmen, die getroffen werden, um ein solches Risiko zu verringern, sollen ebenfalls mitgeteilt
werden.
- Verantwortung der Produzenten
Ein weiteres Grundprinzip der Regelung ist die Verantwortung der Produzenten und des Handels dafür, dass die Produkte den Anforderungen des Lebensmittelrechts entsprechen. Die Produzenten und der Handel sind in ihrer Verantwortung verpflichtet, im Rahmen von Eigenkontrollsystemen, dies auch selbst zu überprüfen. Die Behörden sind verpflichtet, die Wirksamkeit der eingeführten Eigenkontrollsysteme zu kontrollieren. Die Behörden werden weiterhin zusätzlich auf allen Stufen der Lebensmittelproduktion amtliche Kontrollen durchführen.
Ein wichtiger Punkt im Gesamtkonzept ist die Rückverfolgbarkeit von Produkten. Dazu ist es
notwendig, Systeme einzurichten, die es ermöglichen, auf allen Stufen der Lebensmittelproduktion,
den Lieferanten und den Empfänger von Ausgangsprodukten und Enderzeugnissen aufgrund der
vorhandenen Unterlagen nachzuvollziehen. Damit soll es den Unternehmen und den Behörden ermöglicht werden, im Falle von Problemen mit einem Produkt, die Warenströme im Binnenmarkt
nachzuvollziehen, um die verdächtige Ware möglichst vollständig vom Markt nehmen zu können.
In den vergangenen Jahren hat es einige Fälle von Lebensmittelkontaminationen gegeben, bei denen es sich gezeigt hat, dass es bereits funktionierende Systeme gibt.
Der Informationsaustausch bezüglich Risiken von Lebens- und Futtermitteln zwischen der
Kommission und den nationalen Behörden der Mitgliedstaaten erfolgt mit Hilfe eines Systems, das
als Schnellwarnsystem (RASFF - Rapid Alert System for Food and Feed) bezeichnet wird. Das Europäische Schnellwarnsystem existiert seit 1978. Die Vorgangsweise wurde ursprünglich in der
Richtlinie 92/59/EWG festgelegt und in der Verordnung (EG) 178/2002 neu definiert.
Wenn in einem Mitgliedstaat festgestellt wird, dass von einem Lebens- oder Futtermittel ein Risiko für die menschliche Gesundheit ausgeht, so teilt dies die zuständige nationale Behörde der
Kommission (DG SANCO - Gesundheit und Konsumentenschutz) unter möglichst genauer Angabe
aller Einzeldaten wie Hersteller, Chargennummer, Vertreiber, Vertriebswege u.ä. mit. Nach einer
Überprüfung der Sachlage leitet die Kommission die vorhandenen Informationen an die jeweils zuständigen Stellen der anderen Mitgliedsstaaten weiter, so dass sie im nationalen Bereich Maßnahmen setzen können. Die Lebensmittelüberwachungsbehörden kontrollieren die nationalen Märkte
und sorgen für die Entfernung der gefährlichen Produkte von den Märkten. Es kommt im Rahmen
dieser europaweiten Aktionen öfter vor, dass ein Produkt vor dem gewarnt wird, auf einem nationalen Markt gar nicht vorgefunden wird.
Auf diesem Weg können zwischen den Mitgliedsstaaten Informationen über Vermarktungswege von einzelnen Chargen gesundheitsgefährdender Waren ausgetauscht werden. Dies ermöglicht
sehr zielgerichtete Aktionen, solche Produkte vom Markt zu entfernen. Solche Fälle treten immer
wieder auf. Beispiele aus dem Jahr 2002, bei denen einzelne Lieferungen nachverfolgt wurden, waren die Nitrofenkontamination von Getreide in Deutschland oder die Kontamination von Glucosesirup mit Medroxyprogesteronacetat in den Niederlanden. Dabei war es möglich, aufgrund der Rükkverfolgung der Warenströme eine nahezu hundertprozentige Feststellung des Verbleibs der kontaminierten Ware vorzunehmen.
Dieses System wird auch dazu verwendet, Meldungen über Ergebnisse von Kontrollen der Importe aus Drittländern zu übermitteln. Wenn Untersuchungen von Importen aus Drittländern vor
113
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
dem Verzollen ergeben, dass die Ware am Binnenmarkt nicht verkehrsfähig ist und deshalb der Import verweigert wird, werden über das System die Zollbehörden der anderen Mitgliedstaaten von der
zurückgewiesenen Charge informiert, um einen Import dieser Charge an einer anderen Zollstelle zu
verhindern.
Zur wissenschaftlichen Unterstützung der Europäischen Kommission bei der Rechtssetzung hinsichtlich Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit und zur Koordinierung aller in Europa anfallender
Daten aus der amtlichen Lebens- und Futtermittelkontrollen wurde eine europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit eingerichtet. Diese Behörde soll Risikobewertungen von allen Problemen, die
auf dem Gebiet der Lebens- und Futtermittel in der europäischen Gemeinschaft auftreten, vornehmen und diese Ergebnisse in der EU kommunizieren. Weiters erarbeitet sie aufgrund dieser Ergebnisse Vorschläge für Risikomanagementmaßnahmen, die durch die Kommission umgesetzt werden.
Dabei soll die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit mit vergleichbaren Institutionen in den
Mitgliedstaaten zusammenarbeiten und Informationen austauschen.
Die in Österreich in diesem Sinn vergleichbare Institution ist die "Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit" (AGES), die mit 1. Juni 2002 gegründet wurde [BGBl. I NR.
63/2002]. In dieser Organisation, die als GmbH mit dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft und dem Bundesministerium für Gesundheit und Frauen
als 100% Eigentümer gegründet wurde, soll das umfassende Fachwissen der bisherigen Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung, der Bundesanstalten der Landwirtschaft, der Bundesanstalten
für veterinärmedizinischen Untersuchungen und der Bundesanstalten für bakteriologisch serologische Untersuchungen gebündelt werden, um möglichst schlagkräftige Strukturen zur amtlichen
Untersuchung von Fragen im Lebens- und Futtermittelbereich zu schaffen. Zusätzlich hat die Agentur die Aufgabe, Risikobewertungen bezüglich in Österreich auftretende Probleme im Lebensmitteloder Futtermittelbereich vorzunehmen, diese Ergebnisse zu kommunizieren und dem jeweils zuständigen Ministerium Vorschläge für Risikomanagementmaßnahmen vorzulegen.
Mit dieser Einrichtung steht Österreich eine Institution mit breiter fachlicher Kompetenz und großer Untersuchungskapazität zur Verfügung, um neben der Untersuchung der im Rahmen der amtlichen Kontrolle gezogenen Proben die zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Lebensmittel- und
Futtermittelsicherheit bei ihrer Tätigkeit zu beraten und zu unterstützen.
Bis zum Inkrafttreten dieser Verordnung gelten noch die Richtlinien über die amtliche Lebensmittelkontrolle 89/397/EWG und 93/99/EWG.
Nach der Veröffentlichung der Verordnung über allgemeine Kriterien der Lebensmittelsicherheit
plant die Europäische Kommission eine Verordnung, welche die amtliche Futter- und Lebensmittelkontrolle im Binnenmarkt harmonisiert regeln soll. Der Entwurf dieser Verordnung wurde Ende Februar 2003 von der Kommission dem Rat vorgelegt und wird derzeit vom Rat und dem Europäischen
Parlament behandelt. Mit dieser Verordnung soll ein möglichst harmonisiertes Vorgehen der Mitgliedstaaten bei den amtlichen Futter- und Lebensmittelkontrollen erreicht werden. Damit verbunden
wird ein höheres Sicherheitsniveau für den Gesundheitsschutz der Konsumenten im Hinblick auf Futter- und Lebensmittel sein.
Probenziehung
Die amtlichen Proben werden routinemäßig, entsprechend dem vom Ministerium jährlich erstellten Revisions- und Probenplan, entnommen. Dabei ergibt sich für Österreich eine mittlere Probenzahl von 5 Proben pro 1000 Einwohner.
Gründe für Probenziehungen amtlicher Natur können sein:
- Planprobennahme, beruhend auf der Erfüllung des Revisions- und Probenplans des zuständigen
Ministeriums
- Probennahme nach einem monatlich durch das Ministerium vorgegebenen nationalen Schwerpunktsprogramm
- Eigene spezielle Schwerpunktsaktionen der einzelnen Bundesländer
- Warnungen im Rahmen des EU-Schnellwarnsystems. Aufgrund dieser Warnungen werden Fahndungsaktionen aktiviert und gezielt bestimmte Produkte überprüft
- Das von der EU-Kommission jährlich festgelegte koordinierte Überwachungsprogramm. Dafür
sind Proben zu entnehmen und auf definierte Parameter zu untersuchen (z.B. Aflatoxine in Gewürzen, in Pistazien, in Erdnüssen, Allergene in Lebensmitteln, Benzo(a)pyren in geräucherten
Fleischwaren, mikrobiologische Überprüfungen verschiedener Lebensmittelgruppen)
114
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
LMU Wien + LUA Wien
Niederösterreich
LMU Linz
Oberösterreich
Wien
Bgld
.
LMU Salzburg
LUA
Vorarlberg
Steiermark
Vbg.
Tirol
Salzburg
Bgld
Kärnten
LMU Innsbruck
LMU Graz
LUA Kärnten
Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, Lebensmitteluntersuchung Wien (LMU Wien), Kinderspitalgassse 15,A-1090 Wien,Tel.: (1)
40490/27801 (Wien, Niederösterreich, N-Burgenland)
Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, Lebensmitteluntersuchung Linz (LMU Linz), Bürgerstraße 47, A-4020 Linz, Tel.: (0732) 77 90
71 (Oberösterreich)
Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, Lebensmitteluntersuchung Innsbruck, Zweigstelle Salzburg (LMU Salzburg), Innsbrucker
Bundesstrasse 47 A-5020 Salzburg, Tel.: (0662) 833357 (Salzburg)
Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, Lebensmitteluntersuchung Innsbruck (LMU Innsbruck), Technikerstraße 70, A-6020 Innsbruck, Tel.: (0512) 22 440 (Tirol, Vorarlberg)
Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, Lebensmitteluntersuchung Graz (LMU Graz), Beethovenstraße 8, A-8010 Graz, Tel.: (0316)
32 75 88 (Steiermark, Kärnten, S-Burgenland)
Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt Wien (LUA Wien), Henneberggasse
3, A-1030 Wien, Tel.: (1) 79 514/97955 (Wien)
Lebensmitteluntersuchungsanstalt des Landes Vorarlberg (LUA Vorarlberg),
Montfortstraße 4, A-6900 Bregenz, Tel.: (05574) 51 14 225 (Vorarlberg)
Landwirtschaftlich-chemische Versuchs- und Lebensmitteluntersuchungsanstalt
(LUA Kärnten), Lastenstraße 40, A-9020 Klagenfurt, (0463) 32 130 (Kärnten)
-
-
Proben im Rahmen von EU-weiten Monitoringuntersuchungen (z.B. Nitratgehalte von Salat und Spinat, Pestizide in Obst oder Gemüse, Tierarzneimittelrückstände in tierischen Lebensmitteln) sowie Proben im Rahmen von nationalen Monitoringuntersuchungen (z.B. Pestizide in Obst und Gemüse) zu ziehen.
Proben aufgrund von Aufträgen von Behörden oder Gerichten
Probenuntersuchung
Die Untersuchung und Begutachtung der Proben erfolgt in den Labors der
Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit und in den
amtlichen Untersuchungsanstalten der Bundesländer Kärnten, Vorarlberg und
115
Abb. 3.2:
Zuständigkeitsbereiche der
Untersuchungslabors
für amtliche
Proben
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Abb. 3.3:
Revisionsergebnisse von
Bäckereien und
Konditoreien
(Hygienebeanstandungen im
Vergleich zu
sonstigen Beanstandungen)
Abb. 3.4:
Revisionsergebnisse von
Gemüse- und
Obstverarbeitern (Hygienebeanstandungen im Vergleich zu sonstigen Beanstandungen)
Abb. 3.5:
Revisionsergebnisse im
Bereich der
Gemeinschaftsverpflegung,
Speisenproduzenten und
Speisenverteiler (Hygienebeanstandungen
im Vergleich zu
sonstigen Beanstandungen)
Bäckereien
Konditoreien
40
30
% 20
10
0
40
30
% 20
10
0
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002
(
Hygienebeanstandungen
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002
andere Be anstandungen )
Anzahl der Revisionen
Bäckereien 1996 -3702, 1997 -3261, 1998 -3124, 1999 -2932, 2000 -2910, 2001 -2769, 2002 -2814
Konditoreien 1996 -2154, 1997 -2197, 1998 -1564, 1999 -1362, 2000 -1163, 2001 -1055, 2002 -1052
Gemüseverarbeiter
Obstverarbeiter
40
30
% 20
10
0
40
30
% 20
10
0
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002
(
Hygienebeanstandungen
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002
andere Beanstandung en )
Anzahl der Revisionen
Gemüseverarbeiter 1996 -122, 1997-109, 1998-116, 1999 -115, 2000-104, 2001-123, 2002 -95
Obstverarbeiter 1996 -100, 1997 -109, 1998 -96, 1999-98, 2000-96, 2001-72, 2002-95
Speisenverteiler für
Gem einschaftsverpflegung
Speisenproduzenten für
Gemeinschaftsverpflegung
20
% 10
20
% 10
0
0
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002
(
Hygienebeanstandunge n
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002
andere Beanstandungen )
Anzahl der Revisionen:
Speisenproduzenten 1996 -3200, 1997 -3010, 1998 -3129, 1999 -2925, 2000 -2591, 2001 -2053, 2002 -2352
Speisenverteiler 1996 -2128, 1997 -1615, 1998 -1729, 1999 -1555, 2000 -1226, 2001 -1449, 2002 -1267
Wien. Den Laboratorien der Agentur sind gemäß §42 LMG und der Bundesanstalten-VO [BGBl. NR. 231/1980] ihre Aufgaben und Wirkungsbereiche zugewiesen.
Zusätzlich sind Untersuchungsanstalten der Länder gemäß §49 LMG eingerichtet
worden (Abb. 3.2).
Aufgrund der grenztierärztlichen Kontrollen von Importen tierischer Lebensmittel an der EU-Außengrenze werden Proben von Fleisch, Geflügel, Fischen,
Fischprodukten, Fischkonserven, Muscheln, Milch, Milcherzeugnissen, Eiern, Eiprodukten u.ä. gezogen und zwecks Untersuchung an die Untersuchungslabors
der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit weitergeleitet.
Seit mehreren Jahren verlangt die Europäische Kommission eine verstärkte
Kontrolle von Importen nichttierischer Produkte, die ein erhöhtes Gesundheitsrisiko aufgrund einer möglichen Aflatoxinkontamination aufweisen können. Dies sind
Pistazien und Pistazienprodukte aus dem Iran, Erdnüsse und Erdnussprodukte aus
China und Ägypten sowie Haselnüsse, getrocknete Feigen, Pistazien und Produkte aus den angeführten Waren aus der Türkei. Die bei diesen Importkontrollen
entnommenen Proben werden ebenfalls in den Untersuchungslabors der Agentur
116
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
oder in der Lebensmitteluntersuchungsanstalt Vorarlberg untersucht.
Jahr
Durchgeführte amtlich entRevisionen
nommene Proben
Auf der Basis der EU-Verordnung
2092/91 über den ökologischen Landbau sind die Landeshauptleute zuständig für die Kontrolle der biologisch produzierten Lebensmittel. Die Kontrolle
der Biobetriebe selbst wird durch unabhängige Biokontrollstellen vorgenommen. Diese Kontrollstellen werden von
der Akkreditierungsstelle des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit
auditiert und bei Bestehen des Audits
mittels Verordnung als amtlich autorisierte Biokontrollstellen benannt.
1994
148440
41852
1995
144201
41841
1996
147009
43492
1997
132134
41941
1998
137307
41852
1999
155045
43781
2000
150123
39929
2001
120375
39590
2002
116140
38140
Einige Bereiche, wie die Einteilung der Lebensmittel in Qualitätsklassen oder
die Weinproduktion werden nicht vom LMG erfasst. Die Bundesqualitätskontrolle
ist gemäß Qualitätsklassengesetz [BGBl. NR. 161/1967] und der Verordnung über
die örtliche Zuständigkeit der Kontrollorgane [BGBl. NR. 317/1968] unter der Aufsicht des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft tätig. Auf dem Gebiet der Weinkontrolle agiert neben der Lebensmittelaufsicht auch die Bundeskellereiinspektion nach §37(5) des Weingesetzes [BGBl.
NR. 444/1985]. Die Aufsicht über die Bundeskellereiinspektion hat ebenfalls das
Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.
Daten zur Lebensmittelüberwachung
Alle verwendeten Daten stammen aus den jährlichen Berichten der Lebensmittelüberwachung, die seit kurzer Zeit auch auf der Homepage des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen zu finden sind [BMGF, 2003].
- Revisionstätigkeit
Neben der Probenziehung ist die Revision von Betrieben eine weitere wichtige Tätigkeit der Lebensmittelaufsichtsorgane im Interesse der Sicherung der
Volksgesundheit.
Während des Zeitraums von 1994 bis 2002 wurden die im folgenden angegebenen Revisionen durchgeführt und die angeführte Zahl von amtlichen Proben gezogen.
Eine Übersicht über Revisionsergebnisse von ausgewählten Betriebsarten in
den Jahren 1996 bis 2002 geben die Abbildungen 3.3-3.5.
Aus allen Daten ist deutlich zu erkennen, dass der Anteil der Hygienebeanstandungen im Jahr 2000 angestiegen ist, um bis zum Jahr 2002 wieder abzunehmen. Die Ursache dafür liegt in den Ende der 90er Jahre in Kraft getretenen
verschiedenen Hygienevorschriften (Milchhygieneverordnung, Eiprodukteverordnung, Fischhygieneverordnung u.a.), die entsprechend dem aktuellen Wissensstand und den modernen technischen Möglichkeiten höhere Ansprüche an die verschiedenen Lebensmittelbereiche stellen. Deshalb stiegen kurzfristig die Beanstandungsraten hinsichtlich der Betriebshygiene an. Die Ergebnisse des Jahres
2002 zeigen aber deutlich, dass die Betriebe darauf reagiert haben und den neuen Vorschriften entsprechend arbeiten. Das bedeutet aber auch, dass damit die
Konsumenten davon ausgehen können, dass die Produzenten und der Handel mit
noch besserer hygienischer Qualität agieren als es unter den alten Vorschriften
der Fall war.
117
Tab. 3.1:
Übersicht über
durchgeführte
Revisionen und
Probennahmen
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
- Aktionen im Jahr 2002
Neben der routinemäßigen Probennahmetätigkeit der Lebensmittelaufsicht werden auch aufgrund von anderen Notwendigkeiten Probennahmen durchgeführt. Dies sind vor allem Aktionen, die
vom Ministerium Österreichweit oder vom jeweiligen Bundesland nur für das Bundesland durchgeführt werden. Weiters werden Proben im Rahmen von EU-weiten oder nationalen Monitorprogrammen entnommen. Wichtige Gründe für Probennahmen sind außerdem jährlich von der EU-Kommission festgelegte koordinierte Programme sowie Warnungen vor gesundheitsschädlichen Waren, die
im europaweiten Schnellwarnsystem ("rapid alert system") aufgrund von Meldungen der einzelnen
Mitgliedsstaaten von der Kommission an die anderen Mitgliedsstaaten weitergegeben werden.
118
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
3.2 Aspekte der Qualität von Lebensmitteln tierischer Herkunft – aus der Praxis des Instituts für Lebensmitteluntersuchung, Wien*
Zusammenfassung
In der Kategorie "Lebensmittel tierischer Herkunft" (Fleisch und Fleischprodukte, Fische, Krebse, Weichtiere und daraus hergestellte Erzeugnisse, Milch und Milchprodukte, Eier und Eierprodukte) wurden im Zuständigkeitsbereich der ehemaligen Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung
und -forschung Wien im Zeitraum 1998-2002 jährlich zwischen 5000-7000 Proben untersucht.
Die Untersuchungen von Fleisch und Fleischprodukten ergaben hinsichtlich der Zusammensetzung (Fett-, Wasser- und Eiweißgehalt) eine den Lebensmittelvorschriften entsprechende Qualität.
Aufgrund aktueller Anlässe wurden zwischen 1998 und 2002 mehrer schwerpunktmäßige
Untersuchungen auf Rückstände von Dioxin, Antibiotika und Hormone sowie Nitrofen durchgeführt.
In keiner Probe waren Verunreinigungen feststellbar.
In Fischen und Fischereierzeugnissen wird routinemäßig auf Schwermetalle untersucht. Dabei
zeigten sich im Zeitraum 1998-2002 im Wesentlichen keine Veränderungen der Blei-, Cadmium und
Quecksilbergehalte. Gelegentlich war der Quecksilbergehalt bei Haifischen bzw. der Cadmiumgehalt bei Tintenfischen leicht überschritten.
Zudem wurden Fischereierzeugnisse und Geflügel aus Fernost auf Nitrofuranrückstände und
Chloramphenicol untersucht. Während Nitrofuran in keiner Probe nachgewiesen wurde, kam es bei
Chloramphenicol in einigen Fällen zu Überschreitungen.
In den Beobachtungszeitraum fällt weiter die BSE-Krise, die auch in den sprunghaft angestiegenen Untersuchungen des Jahres 2001 auf Vorhandensein von Zentralnervengewebe und Separatorenfleisch in Fleischerzeugnissen ihren Niederschlag fand. Während in keinem Fall Zentralnervengewebe nachgewiesen wurde, wurde anfangs in einigen Proben Separatorenfleisch gefunden.
Dies änderte sich mit dem Inkrafttreten der Codexrichtlinie, nach der Separatorenfleisch nicht mehr
verwendet wird.
Neben BSE-Skandal, Dioxin- und Tierarzneimittel-Rückständen treten auch immer neue Herausforderungen an die Untersuchungsstellen in Bezug auf Hygienekontrolle in der Lebensmittelproduktion und bei der Lagerung frischer verpackter tierischer Lebensmittel auf.
Allgemeines
Die Lebensmittel tierischer Herkunft sind in folgende Gruppen unterteilt (Honig wurde nicht
miteinbezogen):
- Fleisch und Fleischerzeugnisse,
- Fische, Krebse, Weichtiere und daraus hergestellte Erzeugnisse,
- Milch und Milchprodukte sowie
- Eier und Eiprodukte.
In der Kategorie "Lebensmittel tierischer Herkunft" wurden im Zuständigkeitsbereich der ehemaligen Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -Forschung Wien im Zeitraum 1998 bis
2002 jährlich folgende Anzahl amtlicher Proben untersucht:
Der Zuständigkeitsbereich umfasst Wien, Niederösterreich und das mittlere und nördliche Burgenland. In Wien werden amtliche Proben aus Wien auch von der Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt Wien (LUA 3) untersucht.
Fleischerzeugnisse
Aus den Untersuchungen der Zusammensetzung von Fleischerzeugnissen (Fett-, Wasser- und
Eiweißgehalt) lässt sich ableiten, dass der Trend zur Produktion von Würsten und anderen Fleischerzeugnissen, die in jeder Hinsicht den Lebensmittelvorschriften entsprechen, anhält. Lediglich
bei Kochpökelwaren sind nicht selten Abweichungen von den Codexgrenzwerten, insbesondere
überhöhte Wassergehalte festzustellen. Die Analysen auf Nitrat und Nitrit zeigen ebenfalls zufrieden stellende Ergebnisse. Nur bei wenigen Proben wurde eine Überschreitung des Höchstgehaltes
an Nitrat festgestellt, hauptsächlich bei Produkten aus der bäuerlichen Produktion, wohingegen alle ermittelten Nitritgehalte weit unter dem in der Zusatzstoffverordnung festgelegten Grenzwert la* Dr. Christine Hassan-Hauser, Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Lebensmitteluntersuchung und Forschung Wien, Kinderspitalgasse 15, 1090 Wien
119
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
gen. Obwohl sich die Verfahren zur Herstellung von Räucherwaren seit vielen Jahren verbessert haben, kommt es gelegentlich bei Kleinbetrieben zu Überschreitungen des Grenzwertes für Benzo(a)pyren.
Aufgrund aktueller Anlässe wurden zwischen 1998 und 2002 mehrere schwerpunktmäßige Untersuchungen durchgeführt. So hatte der Dioxinskandal auch
Auswirkungen auf die Untersuchung tierischer Lebensmittel. Im Rahmen der Risikoüberwachung wurden Proben vor allem aus den Verursacherländern auf eine
mögliche Kontamination mit Dioxinen und den strukturverwandten PCBs (polychlorierte Biphenyle) untersucht. Bei tierischen Lebensmitteln wurden keine positiven Proben vorgefunden. Weitere Probleme traten mit Umweltkontaminanten
und Tierarzneimitteln, vor allem mit Antibiotika und Hormonen auf, so dass der
Rückstandsanalytik allgemein eine immer größere Bedeutung zukommt. Auf diese
Weise ist die Anzahl der Untersuchungen von Proben, die aufwändige Spezialanalytik erfordern, stark angestiegen und diese Untersuchungen werden auch von der
EU gefordert. So wurde aufgrund einer Warnung vor deutschen Geflügelerzeugnissen aus biologischer Landwirtschaft mit möglicher Kontamination des Schädlingsbekämpfungsmittels Nitrofen eine größere Anzahl an Proben untersucht. In
keiner Probe war Nitrofen nachweisbar.
Fische und Fischereierzeugnisse
In Fischen und Fischereierzeugnissen wird routinemäßig auf Schwermetalle
untersucht. Dabei zeigten sich im Zeitraum zwischen 1998 und 2002 im Wesentlichen keine Veränderungen der Blei, Cadmium- und Quecksilbergehalte. Gelegentlich war der Quecksilbergehalt bei Haifischen bzw. der Cadmiumgehalt bei
Tintenfischen leicht überschritten.
Im Berichtszeitraum wurden Süßwasserfische vor allem aus osteuropäischen
Ländern auf Malachitgrün untersucht. Malachitgrün ist ein Mittel gegen Ektoparasiten und Pilzbefall bei Fischen, welches in der EU in Lebensmitteln verboten ist
und bei uns nur mehr bei Aquarienfischen zum Einsatz kommt. Aufgrund von positiven Ergebnissen wurden über die Veterinärbehörde die Importe für einige ausländische Betriebe gesperrt und erst bei Freisein von Rückständen wieder geöffnet. Durch diese Maßnahmen kam es zu einer deutlichen Verbesserung, sodass
Malachitgrün in den darauf folgend durchgeführten Untersuchungen bis Ende
2002 nicht mehr nachgewiesen wurde.
Fischereierzeugnisse und Geflügel aus Fernost
Zudem wurden Fischereierzeugnisse und Geflügel aus Fernost auf Nitrofuranrückstände und Chloramphenicol untersucht. Beides sind Stoffe, die gemäß Tierarzneimittel-Rückstandskontrollverordnung der EU Nr. 2377/90 in Lebensmitteln
nicht enthalten sein dürfen, sie führen daher bereits bei Vorhandensein von geringsten Mengen (im Spurenbereich) zu Beanstandungen. Während Nitrofuran in
keiner Probe nachgewiesen wurde, kam es bei Chloramphenicol zu Überschreitungen in einigen Fällen.
Tab. 3.2:
Anzahl der Proben tierischer
Herkunft
(1998-2002)
BSE-Krise
In den Beobachtungszeitraum fällt weiters die BSE-Krise, die auch in den
sprunghaft angestiegenen Untersuchungen des Jahres 2001 auf Vorhandensein
von Zentralnervengewebe und Separatorenfleisch in Fleischerzeugnissen ihren
Niederschlag fand. Während in keinem Fall Zentralnervengewebe nachgewiesen
wurde, wurde anfangs in einigen Proben Separatorenfleisch gefunden. Dies änderte sich mit dem Inkrafttreten der Codexrichtlinie, nach der Separatorenfleisch
nicht mehr verwendet wird. Weiters wurden verpackte Würste auf die richtige Deklaration des verwendeten Fleisches geprüft. Die Information des Verbrauchers,
Jahr
1998
1999
2000
2001
2002
Probenanzahl
5977
5648
5072
6763
5824
120
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Abb. 3.6:
Fleisch und
Fleischerzeugnisse, unterschiedliche
Entwicklung
des Anteils der
als "gesundheitsschädlich"
beurteilten
Proben von
1998-2002
12,0
1998
1999
2000
2001
2002
10,0
8,0
% 6,0
4,0
2,0
0,0
GS
VD
NG
VF
FB
WG
KZVO
s.B.
GS...gesundheitsschädlich; VD...verdorben; NG...nachgemacht; VF...verfälscht; FB...falsch bezeichnet;
WG...wertgemindert; KZVO...Kennzeichnungsverordnungen; s.B....sonstige Beanstandungen
welche Fleischart in der Wurst ist, Schweinefleisch oder Rindfleisch, war in den
Vordergrund gerückt. Nur in wenigen Fällen waren die Angaben auf der Verpakkung mangelhaft. Gegen Ende der Beobachtungsperiode sank das Interesse der
Öffentlichkeit an BSE wieder, diesbezügliche Untersuchungen werden jedoch
weiterhin routinemäßig durchgeführt.
Verpackte Lebensmittel
Dem Trend zu mehr verpackten Lebensmitteln folgend wurde die Untersuchung tierischer Lebensmittel auch in mikrobiologischer Hinsicht angepasst. Vor
allem wird auf die Hygiene von verpackten Fischen sowie von verpacktem Frischfleisch, insbesondere von rohem Faschierten geachtet. Darüber hinaus werden
regelmäßig Proben bis zum deklarierten Ablaufdatum gelagert und dann mikrobiologisch überprüft. Gerade bei verpackten Frischfischen ist eine Lagerung über
mehrere Tage nur bei optimalen Hygienebedingungen möglich. Ein Problem stellt
die Kontamination von Fleisch- und Fischprodukten mit Listeria monocytogenes
dar. Die Anzahl der Untersuchungen von Produkten wie Räucherlachs oder aufgeschnittene Wurst, aber auch von Milch und Milchprodukten auf Listerien nahm daher im Berichtszeitraum zu. Bei Milchprodukten und erhitzten Fleischwaren konnFischprodukte
15,0
12,5
10,0
%
1998
1999
2000
2001
2002
7,5
5,0
2,5
0,0
GS
VD
FB
WG
KZVO
s.B.
GS...gesundheitsschädlich; VD...verdorben; NG...nachgemacht; VF...verfälscht; FB...falsch bezeichnet;
WG...wertgemindert; KZVO...Kennzeichnungsverordnungen; s.B....sonstige Beanstandungen
121
Abb. 3.7:
Fisch und Fischereierzeugnisse, starker
Rückgang des
Anteils an "gesundheitsschädlich" beurteilten Proben von 19982002
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Milchprodukte
Abb. 3:.8
Milch und
Milchprodukte,
Rückgang bei
den als "gesundheitsschädlich" beurteilten Proben von 19982002
15,0
12,0
9,0
1998
1999
%
2000
2001
6,0
2002
3,0
0,0
GS
VD
NG
VF
FB
WG
KZVO
s.B.
GS...gesundheitsschädlich; VD...verdorben; NG...nachgemacht; VF...verfälscht; FB...falsch bezeichnet;
WG...wertgemindert; KZVO...Kennzeichnungsverordnungen; s.B....sonstige Beanstandungen
te in Zusammenarbeit mit den Erzeugern durch betriebliche Verbesserungsmaßnahmen in den meisten Fällen eine Keimreduzierung bzw. eine vollkommene Listerienfreiheit der Produkte erreicht werden. Bei rohem verzehrsfertigem Lachs
(geräuchert oder ungeräuchert) werden jedoch immer wieder Listeria monocytogenes in geringer Menge (unter 100 Keime/g) gefunden. Wenn auch zahlreiche
Lagerversuche ergaben, dass sich die Listerien bis zum empfohlenen Mindesthaltbarkeitsdatum nicht vermehren, werden solche Proben gemäß dem Gutachten
des Ständigen Hygieneausschusses der Codexkommission, insbesondere auf
Grund der Tatsache, dass die Infektionsdosis nicht bekannt ist, dennoch als gesundheitsschädlich beurteilt. Diese Vorgangsweise wurde mit dem Urteil des
EuGH vom 24.10.2002, C-121/00, bestätigt, wonach nichts gegen die Anwendung
einer nationalen Regelung entgegensteht, die eine Null-Toleranz hinsichtlich des
Vorhandenseins von Listeria monocytogenes bei nicht chemisch konservierten Fischerzeugnissen festlegt.
Beanstandungsgründe bei einzelnen Lebensmittelgruppen
In den Abbildungen der folgenden Seiten sind die Beanstandungsgründe für
die einzelnen Produktgruppen aufgeschlüsselt und beschrieben. Wie in Abb. 3.6
"Fleisch und Fleischerzeugnisse" zu erkennen, ist der Anteil der als gesundheitsschädlich beurteilten Proben in den Jahren 1998 bis 2002 unterschiedlich ausge5,0
4,0
Abb. 3.9:
Eier und Eiprodukte, niedrigere Beanstandungsquote als
"gesundheitsschädlich" bzw.
als "verdorben"
und "sonstige
Beanstandungen" im Zeitraum 19982002
3,0
1998
1999
%
2000
2001
2,0
2002
1,0
0,0
GS
VD
KZV
s.B.
GS...gesundheitsschädlich; VD...verdorben; NG...nachgemacht; VF...verfälscht; FB...falsch bezeichnet;
WG...wertgemindert; KZVO...Kennzeichnungsverordnungen; s.B....sonstige Beanstandungen
122
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
fallen und war im Jahr 2000 mit 7,5% am höchsten, im darauf folgenden Jahr mit 1,6% am niedrigsten. Für die gesundheitsschädlich beurteilten Proben sind vor allem Salmonellen in Geflügel von
primärer Bedeutung.
Die als verdorben beanstandeten Proben sind innerhalb der letzten fünf Jahre stark gesunken,
von im Jahre 1998 10,1% auf im Jahre 2002 2,4%. Hier dürften verschärfte gesetzliche Vorgaben
und verstärkte Hygienekontrollen die Hauptgründe sein.
Der Anteil an verfälscht beurteilten Fleisch und Fleischerzeugnissen ist mit ca. 2% annähernd
gleich bleibend niedrig. Für die Beurteilung der Verfälschung von Fleischerzeugnissen aus Österreich
werden die Grenzwerte des Österreichischen Lebensmittelcodex, III. Auflage, Kapitel B 14, herangezogen. So gibt es beispielsweise Grenzwerte für den Fettgehalt von Faschiertem, für den Bindegewebegehalt in diversen Brät-, Fleisch- und Rohwürsten und für den Wassergehalt in Pökelwaren.
Ein relativ häufig anzutreffender Verfälschungsgrund stellt dabei ein überhöhter Wassergehalt in
Kochpökelwaren (Toastschinken, Pressschinken, usw.) dar. Der Lebensmittelcodex dient unter anderem als Beurteilungsgrundlage für traditionell hergestellte österreichische Würste und andere Fleischerzeugnisse. Seit dem EU-Beitritt dürfen jedoch in Österreich keine Handelshemmnisse für Produkte vorliegen, die in anderen EU-Mitgliedsländern zugelassen sind, auch wenn sie nicht den strengen österreichischen Codexrichtlinien entsprechen.
Die Beanstandungen nach den Kennzeichnungsvorschriften sind von 3,4% im Jahre 1998 bis
4,9% im Jahre 2001 relativ konstant, beurteilt wird hierbei u.a. ob eine korrekte Information des
Verbrauchers vorliegt. Die so genannte "QUID"-Kennzeichnung, tritt mit 1. Juli 2003 auch für Fleischerzeugnisse in Kraft. "QUID" bedeutet "quantitative ingredients declaration", d.h. die mengenmäßige Angabe der einzelnen Zutaten in einem zusammengesetzten Lebensmittel. Der Anteil an
nicht beanstandeten Proben (nicht in Abb. 3.6 angeführt) ist von 1998 auf 2002 geringfügig von
77,0% auf 80,5% angestiegen.
In Abb. 3.7, "Fisch und Fischereierzeugnisse" ist erkennbar, dass der Anteil an gesundheitsschädlich beurteilten Proben von 1998 bis 2002 einen starken Rückgang von 14,9% auf 5,7% zu
verzeichnen hat. Die Hauptgründe für eine Beurteilung als gesundheitsschädlich sind Befall von Meeresfischen mit Fischparasiten und das Vorhandensein von Listeria monocytogenes bei kalt geräucherten Fischen. Wie bei Fleisch und Fleischerzeugnissen wird auch für Fische, Krebse, Weichtiere
und daraus hergestellte Produkte ein umfangreiches Kapitel des österreichischen Lebensmittelcodex
zur Beurteilung dieser Produkte herangezogen.
Bei als verdorben beurteilten Proben ist im Jahr 2000 ein Spitzenwert mit 13,1% erkennbar. Eine der Ursachen liegt darin, dass zunehmend mehr verpackter Frischfisch im Selbstbedienungsbereich angeboten wird. Der Rückgang bis zum Jahr 2002 auf 6.6% dürfte wieder auf verbesserte Hygienebedingungen zurückzuführen sein, die durch ein Eigenkontrollsystem für Betriebe, das so genannte "HACCP-Konzept" gesetzlich vorgeschrieben sind.
Die Beanstandungen nach den Kennzeichnungsvorschriften sind von 3,1% im Jahre 1998 bis
4,9% im Jahre 2002 so wie bei den Fleisch und Fleischerzeugnissen relativ konstant geblieben.
Bei den sonstigen Beanstandungsgründen sind vor allem Verstöße gegen die Vorschriften der
Fischhygieneverordnung, BGBl II 1997/260, z.B. das Inverkehrbringen von unausgenommenen Fischen oder überhöhter Histamingehalt bei bestimmten Fischarten, anzuführen. Auch ein überhöhter
Quecksilbergehalt in Fischen wurde bis zum April 2001 in der Fischhygieneverordnung geregelt. Die
Grenzwerte für die Schwermetalle Blei, Cadmium und Quecksilber bei Fischen und Meerestieren finden sich nunmehr in der Verordnung zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln (EG) Nr. 466/2001. Der Anteil an nicht beanstandeten Proben (nicht in Abb.
3.7 angeführt) ist von 1998 mit 76,4% auf 2002 mit 71,6% leicht gesunken.
Aus Abb. 3.8 "Milchprodukte" geht hervor, dass bei den als gesundheitsschädlich beurteilten
Proben von 1998-2002 ein Rückgang feststellbar ist. Die Beanstandung als gesundheitsschädlich erfolgte in den meisten Fällen aufgrund einer Kontamination mit Listeria monocytogenes. Wie bei den
vorangegangenen Produkten Fleisch und Fleischerzeugnisse bzw. Fisch und Fischerzeugnisse wird
auch bei Milch und Milchprodukten der Österreichische Lebensmittelcodex neben anderen Vorschriften zur Beurteilung der Produkte herangezogen. Die Anzahl der als verdorben beurteilten Proben hat
sich im oben angeführten Zeitraum ebenfalls verringert.
Die Verdorbenheit der Waren wurde meist durch Mängel der sensorischen und bakteriologischen
Eigenschaften verursacht.
Bei den Beanstandungen nach den Kennzeichnungsvorschriften ist von 1998-2001 ein Anstieg
zu verzeichnen. Von 2001-2002 ist ein Rückgang dieser Beanstandungen feststellbar.
123
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Verstöße gegen die Vorschriften der Milchhygieneverordnung, BGBl 1993/897, stellen den Großteil der sonstigen Beanstandungsgründe dar.
Der Anteil an nicht beanstandeten Proben (nicht in Abb. 3.8 angeführt) liegt in Zeitraum 19982002 zwischen 70% und 80%.
Bei der Produktgruppe "Eier und Eiprodukte", ist aufgrund der Monitoringprogramme und der in
Einzelfällen notwendigen verstärkten Kontrollen eine deutliche Zunahme der Probenzahl zu verzeichnen. Bei ganzen rohen Eiern werden Salmonellen recht selten festgestellt, sodass eine Beanstandung
als gesundheitsschädlich dementsprechend niedrig ausfällt. Auch die als verdorben beurteilten Eier
und Eiprodukte erreichten mit 3,9% im Jahr 1998 den Höchststand, mit 0,9% im Jahr 2000 den
Tiefststand. Die Überprüfung der Kennzeichnung von Eiern ist neben der Lebensmittelkennzeichnungs-Verordnung, BGBl. Nr. 72/1993, auch nach der Hühnereiverordnung, BGBl. Nr 656/1995,
durchzuführen. Nach diesen Kennzeichnungsvorschriften gab es relativ selten Beanstandungen.
Für die Beurteilung von Eiprodukten wird die Eiprodukteverordnung 1996, BGBl Nr. 527/1996,
herangezogen, hier sind aufgrund der in mikrobiologischer Hinsicht sensiblen Produkte strenge Hygienevorschriften vorgegeben. Eiprodukte müssen sowohl in flüssiger als auch in Pulverform immer
einer Behandlung unterzogen worden sein um zu garantieren, dass Salmonellen und Kontaminationskeime ausreichend sicher eliminiert werden. Die Beurteilungen nach dieser Verordnung sind unter sonstige Beanstandungen eingestuft. Die Beanstandungsquoten liegen bei 4,3% im Jahre 1998,
2,7% im Jahre 2000 und 2,2% im Jahr 2002. (s. Abb. 3.9)
Der Anteil an nicht beanstandeten Proben (nicht in Abbildung 3.9 angeführt) ist von 1998 mit
90,5% auf 2002 mit 77,8% deutlich gesunken.
Aktionen im Zeitraum 1998 bis 2002
Neben der routinemäßigen Probenziehung (Revisions-und Probenplan gemäß § 36 LMG 1975),
ergeben sich aufgrund aktueller Anlässe weitere Aktionen, die entweder österreichweit oder in einem
speziellen Bundesland durchgeführt werden. Auch von der EU vorgeschriebene Monitoringprogramme werden als EU-Aktionen - oft über mehrere Jahre - geführt. Stark zugenommen hat die Information nach dem europaweiten Schnellwarnsystem RASFF (Rapid alert system for food). Hier werden
vor allem Waren mit Verdacht auf Gesundheitsschädlichkeit den einzelnen Mitgliedsstaaten gemeldet. Im Jahre 1998 wurden 108 RASFF-Warnungen für den Lebensmittelbereich gemeldet, im Jahr
2002 waren es bereits 246 Meldungen, wobei die Herkunft der Proben sowohl EU-Mitgliedsländer als
auch Drittländer betreffen kann.
Beispiele für österreichweite (Ö) und EU-Aktionen (EU) im Zeitraum 1998 bis 2002:
1998: Kontrolle von Bauernmärkten und Bauernläden (Ö)
Hygiene bei Rohmilch (Ö)
Untersuchung auf gentechnische Veränderung (Ö)
Arzneimittelrückstandsmonitoring (EU)
1999: Hygiene in Sushi-Restaurants (Ö)
Untersuchung auf Histamin in bestimmten Fischen (Ö)
Aufgeschnittene verpackte und unverpackte Fleischwaren (Ö)
Arzneimittelrückstandsmonitoring (EU)
2000: Portionierter verpackter Käse aus Selbstbedienung (Ö)
Hygiene bei Zeltfesten und Buschenschanken (Ö)
Hygiene bei Grillfleisch, gewürzt und ungewürzt, verpackt und offen (Ö)
Tierarzneimittelrückstands-Monitoring (EU)
2001 Untersuchung auf Rindfleisch und Separatorenfleisch in Fleischerwaren (Ö)
Tierarzneimittelrückstände in Rohmilch (Ö)
Chloramphenicol in Shrimps (Ö)
Tierarzneimittelrückstands-Monitoring (EU)
2002 Ostereier auf Verdorbenheit und Farbstoffe (Ö)
Nitrofen in Geflügelerzeugnissen (Ö)
Geräuchertes Fleisch und Fleischerzeugnisse auf Benzo(a)pyren (Ö)
Tierarzneimittelrückstands-Monitoring (EU)
Untersuchungen werden auch an Screening- und Verdachtsproben des grenztierärztlichen Dienstes durchgeführt. Die Probenzahl ändert sich mit der Anzahl an EU-Aussengrenzstellen, und liegt im
Berichtszeitraum bei ca. 100/Jahr.
124
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
3.3 Risikoanalyse bei Lebensmitteln*
Zusammenfassung
Spätestens im Gefolge der jüngsten Lebensmittelskandale (die Schlagzeilen lauteten z.B. Rinderwahnsinn, Dioxinhühner, Importe von Hormonrindern, unerlaubte Verwendung von Antibiotika,
Geflügelpest, etc.) wurde die Lebensmittelsicherheit zu einem prioritären Thema. Als Grundlage für
sämtliche Maßnahmen in Bezug auf die Lebensmittelsicherheit schreibt die neue Gemeinschaftsgesetzgebung die Risikoanalyse vor. Das Konzept der Risikoanalyse umfasst drei miteinander in
Wechselwirkung stehende Prozesse, Risikobewertung (risk assessment), Risikomanagement (risk
management) und Risikokommunikation (risk communication). Die Risikobewertung wiederum erfolgt in vier Stufen: Gefahrenerkennung (hazard identification), Gefahrencharakterisierung (hazard
characterization), Quantifizierung der Exposition (appraisal of exposure) und Risikocharakterisierung (risk characterization).
Ziel des Risikomanagements ist die Wahl der geeigneten regulatorischen Optionen zur Prävention bzw. Minimierung der Exposition der Bevölkerung durch die politisch Verantwortlichen. Wirksames Risikomanagement erfordert einen permanenten Dialog zwischen den mit der Risikobewertung betrauten Experten und den für das Risikomanagement verantwortlichen administrativen und
politischen Entscheidungsträgern. In die Entscheidungsprozesse werden außerdem in zunehmendem Maße auch die betroffenen Wirtschaftskreise, Verbraucherschutzverbände und andere NGO's
einbezogen. Darüber hinaus müssen in der heutigen partizipatorischen Informationsgesellschaft
behördliche Entscheidungen, insbesondere solche, die den sensiblen Bereich der Lebensmittelsicherheit betreffen, transparent und plausibel sein und einer breiten Öffentlichkeit verständlich gemacht werden.
Diese im letzten Absatz erwähnten komplexen Interaktionen im Rahmen der Risikoanalyse
werden unter dem Begriff Risikokommunikation zusammengefasst.
Allgemeines
Der Umgang mit Risiken ist zu einem zentralen Thema gesellschaftlicher Auseinandersetzungen geworden. Die Risikodebatte umfasst so unterschiedliche Themen wie die Nutzung der Gentechnologie, die Sicherheit von Kernkraftwerken und nicht zuletzt die Sicherheit von Lebensmitteln.
Spätestens im Gefolge der jüngsten Lebensmittelskandale (Die Schlagzeilen lauteten z.B. Rinderwahnsinn, Dioxinhühner, Importe von Hormonrindern, unerlaubte Verwendung von Antibiotika, Geflügelpest, etc.) wurde die Lebensmittelsicherheit zu einem prioritären Thema.
Als Grundlage für sämtliche Maßnahmen in Bezug auf die Lebensmittelsicherheit schreibt die
neue Gemeinschaftsgesetzgebung die Risikoanalyse vor. Deren Elemente, Methodik und Instrumentarium werden im Folgenden am Beispiel der Lebensmittelkontaminanten erläutert.
Konzept der Risikoanalyse
Das Konzept der Risikoanalyse umfasst drei miteinander in Wechselwirkung stehende Prozesse:
- Risikobewertung (risk assessment)
- Risikomanagement (risk management) und
- Risikokommunikation (risk communication)
- Risikobewertung (risk assessment)
Die Risikobewertung wiederum erfolgt in vier Stufen:
- Gefahrenerkennung (hazard identification)
- Gefahrencharakterisierung (hazard characterization)
- Quantifizierung der Exposition (appraisal of exposure) und
- Risikocharakterisierung (risk characterization)
- Gefahrenerkennung
Zur Charakterisierung der Natur der toxischen Effekte und zur Bestimmung der Dosis-Wirkungs-Beziehung ist routinemäßig die Durchführung einer Reihe von standardisierten in vivo- und
in vitro-Testverfahren notwendig. Ziel dieser Versuche ist die Abschätzung der Konzentration eines
* Dr. A. Zilberszac, Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, Radetzkystr. 2, 1030 Wien
125
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Abb. 3.10:
Dosis-Wirkungsbeziehung, Wirkungsschwelle
in der Nahrung vorkommenden Fremdstoffes (z.B. einer Umweltchemikalie oder
eines Pestizids), unter welcher keine toxischen Effekte beobachtet werden können
[No Observed (Adverse) Effect Level, NOAEL]. Dieser NOAEL sollte in Toxizitätstests ermittelt werden, welche die Umstände der menschlichen Exposition in bestmöglicher Weise widerspiegeln.
Die Testbatterie besteht daher aus Untersuchungen der akuten, subakuten,
subchronischen und chronischen Toxizität, der Mutagenität und Kanzerogenität
sowie von möglichen Effekten auf die Reproduktion (siehe Abbildung 3.10 und
3.11). Ebenfalls notwendig sind Informationen über den Metabolismus, die Toxikokinetik und Toxikodynamik. Mechanistische Daten sind hilfreich bei der Interpretation der Toxizitätstests und bei der Beurteilung ihrer Signifikanz für den Menschen.
- Gefahrencharakterisierung
Gefahrencharakterisierung ist der Extrapolationsschritt der Risikobewertung.
Basierend auf den Ergebnissen von Tierversuchen mit hohen Dosierungen wird
auf die Gefährdung des Menschen bei der Exposition gegenüber für gewöhnlich
niedrigen Konzentrationen geschlossen. Diese Schlussfolgerung erfordert zwei
Extrapolationsschritte:
- von Spezies zu Spezies (Versuchtstier zu Mensch) und
- von hohen zu niedrigen Konzentrationen.
Das Ergebnis ist die Abschätzung des so genannten "provisional tolerable intake" (PTI).
Das ist diejenige Menge eines Schadstoffes ausgedrückt in mg/kg Körpergewicht, die zeitlebens (auf Tages- oder Wochenbasis) mit der Nahrung aufgenom-
Abb. 3.11:
NOAEL, LOAEL
126
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
NOAEL (mg/kg KG Tierversuch)
TDI (mg/kg KG Mensch) =
men werden kann, ohne gesundheitliSicherheitsfaktor
che Beeinträchtigungen zu verursa10x
human variability
chen (siehe Abbildung 3.12).
10x
extrapolation from animals to human
Generell werden PTI's nur dann
10x
use of less than chronic data
10x
use of LOAEL instead of NOAEL
festgelegt, wenn das Vorhandensein
0.1x-10x modifying factor
eines Schwellenwerts in der Dosis-Wirkungs-Beziehung auf Grundlage der
Kenntnisse über den Wirkungsmechanismus angenommen werden kann. Für Kontaminanten mit kumulativen Eigenschaften (z.B. Ochratoxin A) wird die tolerierbare Aufnahme auf Wochenbasis
festgelegt (provisional tolerable weekly intake oder PTWI). Die Festlegung eines
"provisional tolerable daily intake" (PTDI) hingegen ist dann gerechtfertigt, wenn
einerseits eine Anreicherung des Schadstoffes im menschlichen Gewebe nicht zu
erwarten, und andererseits die Aufnahme von höheren Mengen über eine kurze
Zeitperiode denkbar ist (z.B. Patulin). Für die Ableitung des TDI's ist es üblich, den
NOAEL aus einem geeigneten Tierversuch durch einen Sicherheitsfaktor (normalerweise 100) zu dividieren. Höhere Sicherheitsfaktoren können bei unbefriedigender Datenlage verwendet werden.
Abb. 3.12:
TDI, Sicherheitsfaktoren
Für genotoxische Kanzerogene (z.B. Aflatoxin B1) ist die Annahme eines
Schwellenwerts, unter dem die Initiation eines kanzerogenen Prozesses nicht erfolgen kann, grundsätzlich nicht zulässig. Daraus folgt, dass die Ableitung eines
PTWI oder PTDI-Werts für Kontaminanten mit diesem Wirkungsmechanismus
nicht üblich ist. Stattdessen empfiehlt die JECFA die Anwendung des so genannten "ALARA-Prinzips" (as low as reasonable achievable). Das ist jene (niedrigste)
Konzentration einer unerwünschten Substanz in Lebensmitteln, die mit Hilfe der
zur Verfügung stehenden Technologie (Stand der Technik) erzielbar ist ohne jedoch die Lebensmittelversorgung zu gefährden. Bei technisch vermeidbaren und
toxikologisch bedenklichen (kanzerogenen) Kontaminanten wird von den wissenschaftlichen Ausschüssen normalerweise die Forderung gestellt, dass deren Konzentration unter der analytischen Nachweisgrenze liegen soll.
Die US-FDA berechnet für genotoxische Kanzerogene mit Hilfe einer linearen
Extrapolation von der niedrigsten Dosis, die im Tierversuch Krebsfälle verursacht
hat, jene Dosis, die, wenn sie täglich zugeführt wird, zu einem zusätzlichen Krebstoten pro Jahr auf Hundertausend bzw. eine Million Menschen führen würde (siehe Abbildung 3.13).
Dies wäre zugleich das höchste noch tolerierbare zusätzliche Krebsrisiko. Für
diese Berechnungen werden mathematische Modelle verwendet, deren wissenschaftlicher Wert allerdings umstritten ist.
Abb. 3.13:
Lineare Extrapolation für
genotoxische
Kanzerogene
127
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
- Quantifizierung der Exposition
Die Exposition gegenüber Schadstoffen in Lebensmitteln hängt einerseits von ihrer Konzentration
in verschiedenen Lebensmitteln und andererseits von den Aufnahmemengen dieser Lebensmittel
durch unterschiedliche Bevölkerungsgruppen ab. In Bezug auf die Aufnahmemengen diverser Lebensmittel sind große nationale und regionale Unterschiede vorhanden. Außerdem sind auch Modifikationen der Schadstoff-Konzentration aufgrund von Verarbeitungsschritten bzw. bei der Zubereitung
dieser Lebensmittel möglich. Zur Quantifizierung der Exposition sind daher sowohl analytische Daten
(Vorkommen in Lebensmitteln) als auch aktuelle quantitative Daten zu den Verzehrsgewohnheiten
und -mengen, insbesondere von besonders empfindlichen Bevölkerungsgruppen wie von Kleinkindern, Schwangeren und älteren Personen, erforderlich. Solche differenzierten Informationen über die
Ernährungsgewohnheiten und die Ernährungssituation der Bevölkerung müssen daher regelmäßig
auf nationaler Basis erhoben und ausgewertet werden, vor allem als Basis für gesundheits- und verbraucherpolitische Maßnahmen der Bundesregierung.
Für die Gesamtexposition nicht zu vernachlässigen, ist auch das Vorhandensein von Schadstoffen in Futtermitteln und dadurch bedingte Carry-over-Effekte auf Lebensmittel tierischer Herkunft
(z.B. Ochratoxin A in Blutwürsten bzw. Aflatoxin M1 in der Kuhmilch durch Verfütterung von kontaminierten Futtermitteln).
- Risikocharakterisierung
Das ist die qualitative und/oder quantitative Abschätzung der Wahrscheinlichkeit, Häufigkeit und
des Schweregrades der bekannten oder potentiellen negativen Auswirkungen auf die menschliche
Gesundheit, die durch die Aufnahme von Kontaminanten über die Nahrung auftreten können. Sie basiert auf den vorgenannten Schritten und berücksichtigt auch die Unsicherheiten und Annahmen, die
im Zuge der Risikobewertung vorgenommen wurden.
Die Risikocharakterisierung kann in der Festlegung einer täglichen Expositionshöhe bestehen, die
mit einem vernachlässigbaren Risiko toxischer Effekte über eine Lebensspanne verbunden ist (d.h.,
die tägliche Exposition liegt unter dem PTDI). Bei Substanzen, für die ein PTDI (PTWI) nicht festlegbar ist, ist die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von schädlichen Effekten bei Menschen aus der
"Sicherheitsspanne" zwischen der wahrscheinlichen Expositionshöhe und den Dosierungen, die in
Tierversuchen zu toxischen Effekten (Tumorbildung) geführt haben, abschätzbar. Bei der Risikocharakterisierung ist es erforderlich, jene Verbrauchergruppen besonders zu berücksichtigen, die aufgrund einer erhöhten Empfindlichkeit einem höheren Risiko ausgesetzt sind ("vulnerable groups",
wie Kleinkinder, ältere Menschen, Menschen mit bestimmten Enzymdefekten, etc.).
Künftige Entwicklungen im Bereich Risikobewertung
Die konventionelle Gefahrencharakterisierung beruht hauptsächlich auf der Extrapolation von
tierexperimentellen Daten auf den Menschen unter Anwendung von Unsicherheitsfaktoren. Die wissenschaftlichen Grundlagen dieses Vorgehens sind nicht ausreichend gesichert und es wird dabei
neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Entwicklungen nicht ausreichend Rechnung getragen.
Erforderlich ist daher eine kritische Bewertung des derzeitigen Wissensstandes im Bereich Risikobewertung, die Überprüfung der wissenschaftlichen Basis und die Entwicklung neuer qualitativer und
quantitativer Bewertungsmethoden mit dem Ziel, einen ganzheitlichen wissenschaftlich begründeten
Ansatz für die Charakterisierung und Quantifizierung der durch Schadstoffe in Lebensmitteln bedingten Risiken zu schaffen.
Ein aktueller Trend ist die Erweiterung des wissenschaftlichen Instrumentariums für die Ermittlung der Konsumentenexposition gegenüber Schadstoffen in Lebensmitteln. Als Alternative zu den
bisher für regulatorische Zwecke verwendeten deterministischen (d.h. auf einer Kaskade von worst
case-Annahmen hinsichtlich der Grunddaten beruhenden) Modellen der Expositionsabschätzung wird
zunehmend der probabilistische Ansatz, der von Zufallsverteilungen der miteinander zu kombinierenden Datenkollektive ausgeht, propagiert.
Die probabilistischen Modelle liefern zwar exaktere Ergebnisse und sind daher vom wissenschaftlichen Standpunkt den simplifizierten deterministischen Expositionsabschätzungen in Bezug
auf Einzelursachen (einzelne Schadstoffe) überlegen. Ihr faktischer Nachteil im Hinblick auf den Gesundheitsschutz liegt darin, dass VerbraucherInnen im realen Leben kumulierten Belastungen mit
einer Vielzahl von Schadstoffen aus unterschiedlichen Quellen ausgesetzt sind, über deren mögliche
Interaktionen wenig bekannt ist. Solange diese "Cocktaileffekte" in den Modellberechnungen keine
ihrer Bedeutung entsprechende Berücksichtigung finden, erscheinen für Zwecke des präventiven Ge-
128
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Höchstwert (mg/kg Lebensmittel) =
TDI x kg KG
g max. tägl. Verzehrmenge des LM
sundheitsschutzes die deterministischen Expositionsabschätzungen wegen ihrer
konservativen Natur vorerst besser geeignet.
- Risikomanagement
Risikomanagement ist der Prozess der Abwägung der Handlungsalternativen
unter Zugrundelegung der Risikobewertung und anderer sozioökonomischer und
politischer Faktoren (other legitimate factors oder OLF). Ziel dieses Prozesses ist
die Wahl der geeigneten regulatorischen Optionen zur Prävention bzw. Minimierung der Exposition der Bevölkerung durch die politisch Verantwortlichen.
In Bezug auf Schadstoffe in Lebensmitteln gibt es eine Reihe von Risikomanagement-Optionen, die dazu geeignet sind, die Exposition der Bevölkerung zu
minimieren und somit eine ausreichende Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten. Die Bandbreite dieser Maßnahmen reicht von Empfehlungen (Code of Practice) für gute landwirtschaftliche Praxis (GAP), sachgerechte Lagerung, sachgerechten Transport, gute Herstellungspraxis (GMP) bis zur Festlegung von Höchstwerten in bestimmten Lebensmitteln (siehe Abbildung 3.14). Am zielführendsten
ist eine Kombination sowohl von Vermeidungsstrategien als auch von regulatorischen Grenzwerten, deren Unterschreitung eine "benchmark" für die Anwendung
der in den "Codes of Practice" empfohlenen Maßnahmen darstellt. Unverzichtbare
Voraussetzung für die Einhaltung von Grenzwerten ist ein konsequentes analytisches Monitoring. Dazu bedarf es harmonisierter Probenahmepläne, der Anwendung gleichwertiger analytischer Methoden und einer internationalen Zusammenarbeit der Überwachungsbehörden.
Eine wirksame Minimierung der Exposition der Bevölkerung gegenüber Schadstoffen in Lebensmitteln (landwirtschaftliche Produkte und deren Verarbeitungserzeugnisse) im Interesse der Prävention von Gesundheitsschäden kann nur dann
gelingen, wenn bei eindeutiger Überschreitung von Grenzwerten die entsprechenden Produkte aus dem Verkehr genommen werden.
Bestehende harmonisierte Regelungen und Regelungsvorhaben
Gestützt auf die Verordnung 315/93/EG des Rates zur Festlegung von gemeinschaftlichen Verfahren zur Kontrolle von Kontaminanten in Lebensmitteln
wurden bereits Höchstgehalte für Nitrat im Gemüse, Aflatoxine in Getreide, Getreideprodukten, Erdnüssen, Schalenfrüchten und getrockneten Früchten, Aflatoxin M1 in der Milch, Ochratoxin A, Blei, Cadmium, Quecksilber sowie Dioxine und
verwandte Verbindungen in Lebensmitteln tierischer und/oder pflanzlicher Herkunft festgelegt. Gleichzeitig wurden auch Probenahmeverfahren und Analysemethoden für die amtliche Kontrolle von Lebensmitteln auf Einhaltung der Höchstgehalte für Kontaminanten vorgeschrieben. Von der Generaldirektion SANCO eingerichtete Expertenarbeitsgruppen arbeiten derzeit an weiteren Regelungsvorhaben
im Bereich Mykotoxine sowie im Bereich der industriellen Kontaminanten. Diese
Vorhaben basieren auf Risikobewertungen des SCF und der JECFA sowie auf Expositionsdaten, die im Rahmen der wissenschaftlichen Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten (SCOOP-Vorhaben) erhoben wurden.
Auch der FAO/WHO-Codex Alimentarius ist im Bereich der Festlegung von
Standards für Höchstgehalte von Kontaminanten aktiv. Konkrete Festlegungen
wurden aber bislang nur für Aflatoxine in Erdnüssen sowie für Aflatoxin M1 in der
Milch getroffen. Im fortgeschrittenen Stadium befinden sich Höchstwertvorschläge für Blei.
Die Verordnung 178/2002 des europäischen Parlaments und des Rats zur
Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts ermöglicht den Risikomanagern bei Vorliegen von deutlichen Hinweisen auf
schädliche Wirkungen von Bestandteilen der Nahrung auf die Gesundheit
und/oder Umwelt auch trotz bestehender wissenschaftlicher Unsicherheit (z.B.
129
Abb. 3.14:
Höchstwertberechnung
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
fehlende oder mangelhafte toxikologische Daten) vorläufige, angemessene Massnahmen zur Reduktion des Risikos zu ergreifen. Die dazu erforderliche Rechtsgrundlage schafft die Verankerung des
Vorsorgeprinzips (siehe auch Mitteilung der Europäischen Kommission COM 2000 (1) vom 2.2.2000:
"Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips") im Artikel 7 dieses Regelwerks.
Im Gegensatz dazu basieren die Risikomanagementstrategien außerhalb Europas und auch im
Rahmen des FAO/WHO-Codex Alimentarius auf der Abschätzung des Populationsrisikos aufgrund von
möglichst vollständigen Dosis-Wirkungs-Daten und epidemiologischen Studien und lassen Unbekannte wie z.B. die Möglichkeit von additiven Wirkungen und Interaktionen zwischen verschiedenen
gleichzeitig vorhandenen Schadstoffen außer Acht.
Unterschiedliche Auffassungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und anderen CodexMitgliedsstaaten herrschen auch bezüglich der Festlegung eines der Gesellschaft zumutbaren Risikogrades - eine Problematik von hoher politischer Brisanz, die auch wesentliche ethische und soziologische Aspekte umfasst.
Probleme rechtlicher Natur ergeben sich aus den unterschiedlichen Schutzphilosophien vor allem
im Zusammenhang mit dem WTO-Abkommen.
Wirksames Risikomanagement erfordert einen permanenten Dialog zwischen den mit der Risikobewertung betrauten Experten und den für das Risikomanagement verantwortlichen administrativen
und politischen Entscheidungsträgern. In die Entscheidungsprozesse werden außerdem im zunehmenden Maße auch die betroffenen Wirtschaftskreise, Verbraucherschutzverbände und andere NGO's einbezogen. Darüber hinaus müssen in der heutigen partizipatorischen Informationsgesellschaft
behördliche Entscheidungen, insbesondere solche, die den sensiblen Bereich der Lebensmittelsicherheit betreffen, transparent und plausibel sein und einer breiten Öffentlichkeit verständlich gemacht
werden.
Diese im letzten Absatz erwähnten komplexen Interaktionen im Rahmen der Risikoanalyse werden unter dem Begriff Risikokommunikation zusammengefasst.
130
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
3.4 Lebensmittelsicherheit anhand einiger Beispiele*
Zusammenfassung
Die Risikobewertung auf dem Lebensmittelsektor ist unter anderem im Österreichischen Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz als Kernkompetenz der Österreichischen Agentur für
Gesundheits- und Ernährungssicherheit (AGES) festgelegt.
In diesem Beitrag wird die Problematik der Pestizidrückstände in Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft, des Vorkommens der polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) sowie der Belastung mit einigen ausgewählten Mykotoxinen (Patulin, Fusarientoxin) dargestellt. Vorläufige Ergebnisse der Expositionsabschätzung auf diesem Gebiet sind im Folgenden zusammengefasst:
-
-
-
-
Sowohl im EU-koordinierten Monitoringprogramm (seit 1996) als auch im nationalen Überwachungsprogramm (seit 1997) haben die Anzahl der untersuchten Proben und der Parameter je
Probe stark zugenommen.
Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln zeigen, dass sowohl die Anzahl der Proben mit Höchstwertüberschreitungen als auch die ohne Höchstwertüberschreitung (weniger kritisch) zwischen 1997-2002 zugenommen hat.
Der österreichische Konsument nimmt PAK insbesondere über geräucherte Fleisch und Fleischprodukte auf.
Bei Patulin gilt eine vorläufige tolerierbar maximale Tagesdosis (PMTDI-Wert) von 400 ng/kg
Körpergewicht. In Bezug auf das Körpergewicht zeigt sich bei Kindern die höchste Patulin-Belastung, die allerdings weit unter dem genannten kritischen Wert liegt.
Bei den Mykotoxinen der Fusarienpilze beträgt die mittlere tägliche Aufnahme an Desoxynivalenol etwa 0,3 µg/kg Körpergewicht (KG) und bei Zearalenon etwa 0,2 µg/kg KG. Das entspricht
lediglich einem Bruchteil der derzeit erlaubten Dosis von 1 µg/kg KG und Tag.
Die Risikobewertung umfasst neben den oben beschriebenen Ergebnissen der chemischen Analyse vor allem auch Aspekte der mikrobiologischen Untersuchung, auf die an anderer Stelle dieses
Berichts eingegangen wird.
Die angeführten Beispiele zeigen nur einen kleinen Teilbereich des Untersuchungsspektrums, in
dem die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit analytisch tätig ist. Das
Untersuchungsspektrum reicht von der Untersuchung von chemischen Parametern, von denen einige Beispiele angeführt wurden, über die mikrobiologischen Untersuchungen bis zur Untersuchung
von physikalischen Parametern, die alle für die Lebensmittelsicherheit und somit für den Konsumenten wesentlich von Bedeutung sind.
Allgemeines
Im Bereich der Risikoanalyse ist die Risikobewertung mit ihren vier Stufen der Gefahrenidentifizierung, Gefahrencharakterisierung, Expositionsabschätzung sowie Risikocharakterisierung eine wesentliche Aufgabe, die unter anderem im Österreichischen Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz als Kernkompetenz für die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit
(AGES) festgelegt ist. Die AGES ist mit den verschiedensten Aufgaben auf dem Gebiet der Risikobewertung betraut, einige Beispiele sind in Folge dargestellt, wobei diese Beispiele nicht das komplette Spektrum der Aufgaben der Agentur im Zuge der Risikobewertung wiedergeben.
Die Aufgabe der Risikobewertung in einer unabhängigen, objektiven und transparenten Art und
Weise als Teilaufgabe der Risikoanalyse wird auch in der Verordnung 178/2002 des Europäischen
Parlaments zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts,
zur Errichtung der Europäischen Lebensmittelbehörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung
der Verfahren zur Lebensmittelsicherheit als grundlegend angesehen, um das allgemeine Ziel eines
hohen Maßes an Schutz für Leben und Gesundheit des Menschen zu erreichen.
* Dr. R. Grossgut, Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Spargelfeldstrasse
191, 1226 Wien
131
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Tab. 3.3:
EU-koordinierte MonitoringProgramme zur
Abschätzung
der Exposition
der Konsumenten zu Pflanzenschutzmittelrückständen
EU-koordiniertes Programm seit 1996
1996
Äpfel, Erdbeeren, Kopfsalat, Tomaten, Weintrauben (inkl. nationalem
Kontrollprogramm)
1997
Bananen, Birnen, Fisolen, Kartoffeln, Mandarinen
1998
Karotten, Orangen, Pfirsiche, Spinat
1999
Karfiol, Melonen, Paprika, Weizen
2000
Erbsen, Gurken, Kraut, Reis
2001
Äpfel, Erdbeeren, Kopfsalat, Tomaten, Weintrauben
2002
Bananen, Birnen, Fisolen, Karotten, Kartoffeln, Orangen/Mandarinen,
Pfirsiche/Nektarinen, Spinat
2003
Karfiol, Paprika, Weizen, Aubergine, Reis, Trauben, Gurken, Erbsen
Als spezielle Themen seien in Folge die Problematik der Pestizidrückstände in
Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft, die Problematik der polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe sowie einiger ausgewählter Mykotoxine (Patulin, Fusarientoxine) wiedergegeben.
Pestizidrückstände in Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft
Wie in allen europäischen Staaten werden auch in Österreich Pflanzenschutzmittel und darin enthaltene Wirkstoffe einem umfangreichen Zulassungsverfahren
unterworfen und einer eingehenden Risikobewertung unterzogen.
Im Zuge des Zulassungsverfahrens sind umfassende Informationen hinsichtlich toxikologischer Eigenschaften von Wirkstoff und Formulierung beizubringen.
Es werden in vivo und in vitro Studien sowie sonstige relevante Informationen seitens der Antragsteller beigebracht und diese dann detailliert bewertet. Resultierend aus diesen Daten können dann für den Wirkstoff, aber auch für das Präparat
ein toxikologisches Profil erstellt und entsprechende Kennzahlen festgelegt werden. Dies sind u.a. der ADI-Wert (Acceptable Daily Intake = akzeptierbare tägliche Aufnahmemenge), der ARfD-Wert (Acute Reference Dose = akute Referenzdosis) und sowie der AOEL-Wert (Acceptable Operator Exposure Level = akzeptierbare Anwenderexpositionsmenge). Für die Exposition der Konsumenten sind
insbesondere der ADI-Wert bzw. der ARfD-Wert von Bedeutung. Im Zuge der Risikobewertung des Wirkstoffes wird der ADI-Wert bzw. die akute Referenzdosis
dem Höchstwert und den daraus resultierenden Aufnahmemengen durch den
Konsumenten gegenübergestellt und damit die Exposition bezüglich des Wirkstoffes ermittelt. Würde aufgrund der geregelten bzw. angestrebten Höchstwerte eine Überschreitung der ARfD bzw. des ADI-Wertes resultieren, wäre eine Zulassung des Wirkstoffes unter diesen Umständen nicht möglich.
Aufgrund der beigebrachten Angaben und Unterlagen im Zuge des Zulassungsverfahrens und den angestrebten Indikationen werden dann auch auf Basis
der beigebrachten Rüchstandsuntersuchungen zur Belegung der allgemein üblichen Anwendungspraxis Höchstwerte festgelegt, die für den Konsumenten sicher
sein müssen. Diese Höchstwerte werden dann einerseits EU-weit in Richtlinien
bzw. in Österreich in der Schädlingsbekämpfungsmittel-Höchstwerteverordung
geregelt.
Da die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu Rückständen in/auf Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft, wie Obst, Gemüse und Getreide führen kann, werden die geregelten Höchstwerte sowohl in Österreich als auch im gesamten europäischen Raum einer Kontrolle unterzogen und im Zuge von koordinierten Programmen überwacht. Auch Österreich führt derartige Programme regelmäßig
durch.
Zur Kontrolle der Situation am Markt und zur Abschätzung der Exposition der
Konsumenten werden von der Europäischen Union seit 1996 diese MonitoringProgramme koordiniert und von allen Mitgliedsstaaten durchgeführt. Im koordi-
132
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Nationales Überwachungs-Programm seit 1997
1997
Karotten, Paprika, Pfirsiche, Pflaumen
1998
Erdbeeren, Gurken, Marillen
1999
Erdbeeren, Gurken, Marillen, Paprika, Pfirsiche
2000
Äpfel, Birnen, Kartoffeln, Kohl, Eis/Bummerlsalat, Kopfsalat
2001
Brokkoli, Kopfsalat, Orangen, Weintrauben, Zucchini
2002
Äpfel, Erdbeeren, Kopfsalat, Paprika, Pfirsiche, Tomaten
2003
Champignons, Karotten, Paprika, Kirschen, Trauben, Zwetschken
Tab. 3.4:
Nationale Monitoring-Programme zur
Abschätzung
der Exposition
der Konsumenten zu Pflanzenschutzmittelrückständen
nierten Kontrollprogramm sind die zu untersuchenden Waren und Parameter seitens der Europäischen Union vorgegeben. Zusätzlich sollen die Mitgliedsstaaten
auf nationaler Ebene Kontrollprogramme durchführen. Im nationalen Programm
erfolgt die Probenziehung verteilt über das ganze Jahr und das Bundesgebiet nach
statistischen Erwägungen. Weiters sind die Ergebnisse vergangener Jahre Basis
für die Auswahl der zu untersuchenden Obst- und Gemüsesorten. Diese teilweise
gezieltere Probenziehung kann jedoch zu höheren Beanstandungsquoten durch
Höchstwertüberschreitungen führen.
In Tabelle 3.3 sind jene Programme angeführt, die seit 1996 auf EU- Ebene
aufgrund der entsprechenden Entscheidungen durchzuführen waren bzw. sind.
Die Programme und der Analysenumfang sind vorgegeben und von den Mitgliedstaaten zu erfüllen.
Es ist als wesentlich anzumerken, dass dieses Programm seit 2001, jedoch in
engerem Zeitrahmen, wiederholt wird und dadurch einen Vergleich gegenüber
früheren Jahren erlaubt.
Im nationalen Überwachungsprogramm wurden ursprünglich Waren eher
nach allgemeinen Kriterien ausgewählt, doch in den letzten Jahren waren für die
Auswahl einerseits die Untersuchungsergebnisse vergangener Jahre maßgeblich
und andererseits die Verzehrsmengen der einzelnen Lebensmittel pflanzlicher
Herkunft relevant. So wurden für die einzelnen Jahre im nationalen Monitoringprogramm folgende Lebensmittel pflanzlicher Herkunft ausgewählt, wobei die
Probenziehung österreichweit nach einem statistisch abgesicherten Probenahmeprogramme Produkt nach Quartal, Region und Herkunft (In/Ausland) erfolgte.
Im Laufe der Jahre hat sich nicht nur die Anzahl der untersuchten Proben erhöht, wobei hier natürlich auch die Kapazitätsfrage der beteiligten Laboratorien
nicht unerwähnt bleiben sollte, sondern auch die Anzahl der untersuchten Analyten je Probe deutlich gesteigert. Seitens der Laboratorien der AGES wird jede Anstrengung unternommen, den Untersuchungsumfang je Probe ständig den Notwendigkeiten anzupassen und neue Wirkstoffe im Untersuchungsspektrum aufzuy
250
200
150
100
50
0
1996
1997
1998
1999
2000
133
2001
2002
Abb. 3.15:
Entwicklung
der untersuchten Analyten je
Probe im österreichischen Lebensmittelmonitoring, Anzahl der untersuchten Parameter je Probe
hat, den Notwendigkeiten
angepasst,
stark zugenommen
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Abb. 3.16:
Entwicklung
der untersuchten Probenzahlen im österreichischen Lebensmittelmonitoring, Probenstatistik
1997 - 2002
1400
1200
1000
800
600
400
200
0
1997
1998
1999
2000
2001
2002
nehmen. Trotz aller zwischen den Laboratorien gegebenen Unterschiede ist diesbezüglich ein Trend in Richtung mehr Untersuchungskriterien gegeben. Nachfolgend sei eine Übersicht über die Anzahl der maximal untersuchten Analyten je
Probe angeführt, wobei hierbei die maximale Anzahl der untersuchten Substanzen
je Probe angegeben ist. Wie schon angeführt, konnte auch eine Steigerung der
Anzahl der untersuchten Proben erreicht werden.
Kombiniert man die Zahl der untersuchten Proben mit der Zahl der untersuchten Parameter, so erkennt man besonders die deutlich erweitere Untersuchungstätigkeit.
Der Anteil an Proben, die nicht den gesetzlichen Regelungen entsprechen, variieren zwischen 3 und 10%. Man muss jedoch darauf hinweisen, dass aufgrund
gezielterer Probenziehung bzw. Programmen und zusätzlichen speziellen Schwerpunktsaktionen automatisch mit höheren Beanstandungsquoten zu rechnen ist.
Da man seitens der Kontrollbehörden die Programme eher auf problematischere
bzw. für den Konsumenten relevantere Lebensmittel pflanzlicher Herkunft ausrichtet, sind auch höhere Beanstandungsquoten vorherzusehen. Ziel ist ja nicht
die Überwachung unproblematischer Lebensmittel, sondern die Kontrolle jener
Lebensmittel, in/auf denen erfahrungsgemäß eher Höchstwertüberschreitungen
zu erwarten sind und in weiterer Folge ein Verbesserung der Situation für den
Konsumenten aufgrund der Reaktionen auf diese Ergebnisse.
Auffallend ist die Tatsache, dass die Anzahl der Proben mit Rückständen und
insbesondere mit Mehrfachrückständen im Steigen begriffen ist. Dies ist jedoch
nicht unbedingt auf eine unkontrolliertere Anwendung von Pflanzenschutzmitteln
zurückzuführen, sondern einerseits auf die umfangreichere Untersuchungstätig-
80
Abb. 3.17:
Rückstände
von Pflanzenschutzmitteln
in Lebensmitteln, Anzahl
der Höchstwertüberschreitungen
und der wenige kritischen
Proben nahm
zwischen 1997
und 2002 zu
70
60
50
% <BG
40
% <HW
30
% >HW
20
10
0
1997
1998
1999
Probenstatistik 1997 - 2002
134
2000
2001
2002
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Abb. 3.18:
Anteil der Proben mit "Mehrfachrückständen" in Österreich (% aller
Proben)
30,0
25,0
20,0
15,0
10,0
5,0
0,0
1998
1999
2000
2001
2002
Pr
oz
en
t
keit der Laboratorien und andererseits auf die Anwendung verschiedener Pflanzenschutzmittel auch aufgrund der pflanzenschützerischen Maßnahmen zur Verhinderung von ungewollten Effekten, wie z.B. Resistenzbildungen. Interessant ist
weiters die Tatsache, dass sich diese Situation in Österreich nicht grundsätzlich
von jener in der EU unterscheidet.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass normalerweise bei einer Überschreitung
des Höchstwertes bei weitem noch nicht eine Gefahr der Gesundheitsschädigung
gegeben ist. Einerseits sind Höchstwerte im Normalfall nicht so festgelegt, dass
sie den ADI-Wert bzw. die ARfD zur Gänze ausschöpfen. Außerdem ist bei der
Festlegung des ADI-Wertes zusätzlich ein (Un)Sicherheitsfaktor von normalerweise 100 gegenüber jener Dosis, die im Tierversuch noch zu keinerlei Effekten
führte einbezogen, beinhaltet. Das bedeutet, dass bei kurzfristigem Konsum eines
Lebensmittels mit Gehalten über dem Höchstwert nicht mit Gesundheitsschädigungen zu rechen ist. Nichtsdestotrotz sind Höchstwertüberschreitungen immer
Anlass für entsprechende Maßnahmen seitens der Behörde.
Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK, PAH)
Im Gegensatz zur allgemein angenommen Meinung, dass nur der Bereich der
Pestizide im Zuge der Lebensmittelsicherheit von Bedeutung ist, werden im Zuge
der allgemeinen Kontrolle der Lebensmittel auch Untersuchungen im Bezug auf
polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe durchgeführt. In Österreich ist es
geübte Praxis, hier in den Proben insbesondere die Leitsubstanz Benzo[a]pyren zu
35
30
25
20
15
10
5
0
B DK D
EL
E
F IRL
I
L
NL
A
135
P FIN S UK NL IS FL
Abb. 3.19:
Prozent-Anteil
der Proben mit
"Mehrfachrückständen" in Europa 2001
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Tab. 3.5:
Benzo(a)pyren
bei Fleischprodukten, Analyseeckdaten
Fleisch
Wust/Schinken/Speck
Anzahl Proben
410
Niedrigster Gehalt
0,04 µg/kg
Höchster Gehalt
191,7 µg/kg
Mittelwert (pos. Werte)
4,86 µg/kg
Median (pos. Werte)
1,2 µg/kg
Mittelwert (LOQ/2)
3,43 µg/kg
Median (LOQ/2)
0,5 µg/kg
Anzahl Proben
471
Niedrigster Gehalt
0,1 µg/kg
Höchster Gehalt
44 µg/kg
Mittelwert (pos. Werte)
4,16 µg/kg
Median (pos. Werte)
1,5 µg/kg
Mittelwert (LOQ/2)
2,23 µg/kg
Median (LOQ/2)
0,25 µg/kg
LOQ/2 bedeutet, dass im Falle nicht bestimmbarer Gehalte die halbe Bestimmungsgrenze als
Wert eingesetzt wurde ("medium bound level")
untersuchen und aufgrund der Gehalte dieser Substanz die Produkte entsprechend zu beurteilen. Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe sind wegen ihrer kanzerogenen Eigenschaften besonders von Bedeutung und werden deshalb
in Lebensmitteln entsprechend überwacht. Benzo[a]pyren wird, wie schon angeführt, als Leitsubstanz untersucht und die Gehalte auch als Beurteilungskriterium
herangezogen. Auch EU-Gremien haben sich mit dieser Substanzgruppe in Lebensmitteln beschäftigt und festgestellt, dass Benzo[a]pyren als "Markersubstanz" herangezogen werden kann. Nichtsdestotrotz sollten weitere polyzyklische
aromatische Kohlenwasserstoffe (insgesamt wurden 15 Substanzen als relevant
seitens des wissenschaftlichen Ausschusses SCF – Scientific Committee for Food
angesehen) entsprechend beachtet und untersucht werden. In Österreich liegt
das Hauptaugenmerk bezüglich der Untersuchungen auf polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe bei geräucherten Produkten. Es sind dies einerseits Fleischwaren und andererseits geräucherte Fischprodukte. Zusätzlich waren in den
vergangenen Jahren bestimmte Öle, insbesondere Olivenöle von besonderem
Interesse, da hier auch im EU-Raum entsprechendes Augenmerk auf diese Produkte gerichtet wurde, da überhöhte Gehalte aufgrund unzulänglicher technologischer Prozesse festgestellt wurden.
Die meisten Untersuchungen liegen im Bereich der tierischen Lebensmittel
vor. So wurden u.a. 1998 - 2002 410 Fleischproben (geräucherte Ware) sowie
4187 Wurst und Schinken/Speckprodukte untersucht. Die Gehalte reichten von
nicht bestimmbar bis zu 191 µg/kg, wobei derartig hohe Werte sehr selten auftreten und auf nicht zulässige Verarbeitungsprozesse hindeuten. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass derartig hohe Werte statistische Mittelwerte stark beeinflussen können. Deshalb ist bei Aussagen normalerweise die Angabe der Gehalte
als Median sinnvoller als die Angabe eines Mittelwertes.
Am Beispiel der Gehalte in Fleisch- bzw. Wurst/Schinken/Speck-Proben sei
dies erläutert:
Die Ergebnisse der Untersuchungen erlaubten eine Abschätzung der Aufnahme an Benzo[a]pyren durch Erwachsene und Kinder, wobei die Verzehrsdaten
dankenswerterweise vom Institut für Ernährungswissenschaften, Prof. Elmadfa,
zur Verfügung gestellt wurden. Aufgrund der Tatsache, dass in vielen Fällen aufgrund eines organoleptischen Vorscreenings die Untersuchung durchgeführt wurde, handelt es sich somit teilweise zwar um Routineproben, die aber dann gezielt
136
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Erwachsene µg/Person/Tag
1,200
1,000
mean (LOQ/2)
mean consumer
0,800
mean (LOQ/2)
high consumer
0,600
median (LOQ/2)
mean consumer
0,400
median (LOQ/2)
high consumer
Abb. 3.20:
Aufnahme an
Benzo(a)pyren
von österreichischen Erwachsenen
0,200
0,000
Fisch/Fischprodukte
Fleisch
Wust und Speck
Pflanzenöle
einer Untersuchung auf Benzo[a]pyren zugeführt werden. Es ist somit zu erwarten, dass die ermittelten Werte als zu hoch angesehen werden können, da die
Untersuchungen bereits gezielt angeordnet wurden.
Aufgrund der Daten ersieht man, dass der Österreicher insbesondere über die
Produkte Fleisch und Fleischwaren polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe
aufnimmt, wobei man jedoch bemerken muss, dass aufgrund der Untersuchungsaktivitäten auch die meisten Untersuchungen auf Benzo[a]pyren in diesen Lebensmitteln vorliegen.
Aufgrund der Ergebnisse der SCOOP-Arbeitsgruppe (Scientific Cooperation)
und den Erfahrungen werden nunmehr Höchstwerte in Lebensmitteln angestrebt,
wobei anfänglich über die Gehalte in pflanzlichen Ölen diskutiert wird.
Benzo[a]pyren dient auch hier als Leitsubstanz, doch werden die Mitgliedstaaten
dazu angehalten, auch die weiteren 14, in der Bewertung des Scientific Committee for Food genannten polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe zu
untersuchen. Nähere Vorgaben werden in nächster Zeit diskutiert werden.
Patulin
Patulin ist ein Stoffwechselprodukt (Mykotoxin) verschiedener Schimmelpilze
wie z.B. Penicillium patulum, die sich u.a. auf Obst befinden. Patulin als sekundäres Stoffwechselprodukt tritt insbesondere in Obstsäften (Apfelsaft), aber auch in
Traubenmost auf. Bei der alkoholischen Gärung wird Patulin abgebaut und tritt somit in den Produkten Sturm und Wein kaum bzw. nicht mehr auf. Es ist darauf
hinzuweisen, dass die Produkte Apfelsaft und Traubenmost insbesondere für Kinder als wesentlich anzusehen ist. Traubenmost ist ein eher saisonales Produkt und
trägt dadurch nicht in dem Ausmaß zur Patulinexposition bei wie Apfelsaft. GrundKinder µg/Person/Tag
1,200
1,000
mean (LOQ/2)
mean consumer
0,800
mean (LOQ/2)
high consumer
0,600
median (LOQ/2)
mean consumer
0,400
median (LOQ/2)
high consumer
0,200
0,000
Fisch/Fischprodukte
Fleisch
Wust und Speck
137
Pflanzenöle
Abb. 3.21:
Aufnahme an
Benzo(a)pyren
von österreichischen Kindern
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Lebensmittel
Jahr
Anzahl BG
Proben
Anzahl Anzahl Proben mit Patulinge- Maxi- Mittel- Mittel- Medi<BG halten im Bereich LOQ-9.9, maler wert 1 wert 2 an
10-24.9,25-50,>50
Gehalt (BG/6) positive
Werte
BG- 1025-50 >50
9.9
24.9
Apfelsaft
1996 5
4-5
4
0
0
1
0
36
7,8
36
0.8
(<BG)
Apfelsaft
1997 55
4
2
24
18
11
0
50
15,6
16,2
10,7
Apfelsaft
1998 127
4-10 89
20
14
4
0
36
4,2
11,7
0.8
(<BG)
Apfelsaft
1999 31
4-10 26
2
3
0
0
22
3,5
14,8
1.7
(<BG)
Apfelsaft
2000 18
4-8
2
0
1
0
41
4,1
18,5
1.3
(<BG)
Apfelsaft
2001 6
4-16 2
0
2
2
0
32
15,2
22,0
12,5
Traubensaft
1996 8
0
5
3
0
0
17
6,4
6,4
5,7
Traubensaft
1997 5
4-5
2
1
2
0
37
15,5
25,3
4
Traubensaft
1998 47
4-5
21
12
5
9
0
41
9,8
17,1
4,3
Traubensaft
1999 5
4-8
5
0
0
0
0
Traubensaft
2000 21
8
19
0
2
0
0
22
3,1
19,5
1.3
(<BG)
10
2,3
10
1,5
13
1,4
11
0.8
(<BG)
15
Säuglingsnahrung 1996 10
8-10 9
0
1
0
0
Säuglingsnahrung 1997 11
5-8
11
0
0
0
0
Säuglingsnahrung 1998 35
5-8
33
1
1
0
0
Säuglingsnahrung 2000 16
8
16
0
0
0
0
Säuglingsnahrung 2001 11
8
11
0
0
0
0
Traubenmost
1996 37
4
5
5
8
9
10
162
38,4
44,3
25,0
Traubenmost
1997 110
5
69
13
15
4
9
107
10,4
26,6
0.8
(<BG)
Traubenmost
1998 11
8
0
3
2
1
5
750
120,5 120,5 28
Traubenmost
2000 6
8
4
0
2
0
0
23,6
6,6
Tab. 3.6:
Gehalte an Patulin in Lebensmitteln (µg/kg)
17,0
1.3
(<BG)
sätzlich ist jedoch festzuhalten, dass bei Verwendung von "gesundem" Obst bei
der Fruchtsaftproduktion auch mit sicheren Lebensmitteln gerechnet werden
kann, da nur durch entsprechend ungeeignetes Obst (z.B. Fallobst oder schimmliges Obst) entsprechende Mengen an Patulin in die Produkte (Obstsäfte) eingebracht werden.
In Österreich gibt es umfangreiche Untersuchungen an Apfelsäften, doch aufgrund der Erfahrungen wurde auch das saisonale Produkt Traubenmost eingehenden Untersuchungen unterzogen. Diese Ergebnisse sind auch an die SCOOPArbeitsgruppe übermittelt worden und in den entsprechenden Bericht eingeflossen.
Zusätzlich liegen auch noch Daten an Apfelsaftkonzentraten vor, die jedoch,
abgesehen von den höheren Gehalten aufgrund der Aufkonzentration, kein grundsätzlich anderes Verteilungsmuster zeigen.
138
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Bevölkerungsgruppe
Apfelsaft Trauben- Gesamtsaft/Most aufnahme
Kinder: 3-6 y, Gesamtpopulation
21,65
1,72
23,37
Kinder: 7-9 y, Gesamtpopulation
20,8
2,27
23,07
Kinder: 10-12 y, Gesamtpopulation
17,06
1,88
18,94
Kinder: 13-14 y, Gesamtpopulation
13,52
1,74
15,26
Kinder: 15-19 y, Gesamtpopulation
14,81
1,63
16,44
Erwachsene: ≤ 25 y, Gesamtpopulation
6,61
0,72
7,34
Erwachsene: 26 - 35 y, Gesamtpopulation
3,83
0,42
4,24
Erwachsene: 36 - 45 y Gesamtpopulation
2,51
0,27
2,78
Erwachsene: 46 - 55 y, Gesamtpopulation
2,44
0,27
2,7
Erwachsene >56 y, Gesamtpopulation
1,95
0,21
2,16
Ältere Personen: ≥ 75 y, Gesamtpopulation
2,67
0,29
2,96
Ältere Personen: 75-84 y, Gesamtpopulation
11
1,21
12,21
Schwangere, Consumer
12,25
1,34
13,59
Stillende Mütter, Consumer
12,22
1,34
13,56
Kinder: 3-6 y, Consumer
80,85
Kinder: 7-9 y, Consumer
61,19
45,76
106,95
Kinder: 10-12 y, Consumer
53,27
32,6
85,87
Kinder: 13-14 y, Consumer
41,04
43,41
84,45
Kinder: 15-19 y, Consumer
45,67
27,83
73,5
Erwachsene: ≤ 25 y , Consumer
31,45
44,3
75,75
Erwachsene: 26 - 35 y, Consumer
34,61
30,37
64,98
Erwachsene: 36 - 45 y, Consumer
23,82
34,96
58,78
Erwachsene: 46 - 55 y, Consumer
34,15
45,99
80,14
Erwachsene >56 y, Consumer
28,38
23,82
56,2
Schwangere, Consumer
24,99
24,99
Stillende Mütter, Consumer
46,56
46,56
80,85
PMTDi-Wert: 0,4 µg/kg Körpergewicht
Für nachfolgende Tabelle, aus der die Patulinaufnahme in ng/kg Körpergewicht und Tag ersichtlich ist, wurden ebenfalls die Verzehrsdaten von Prof. Elmadfa, Institut für Ernährungswissenschaften, zur Verfügung gestellt.
Für Patulin wurde seitens des wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses eine vorläufige tolerierbare maximale Tagesdosis (PMTDI-Wert) von 0,4 µg/kg Körpergewicht festgelegt. Aufgrund des SCOOP-Berichtes kann festgehalten werden,
dass dieser seitens der europäischen Bevölkerung nicht ausgelastet wird, bestimmte Gruppen (z.B. Kinder) diesen jedoch mehr ausschöpfen. Es sollten somit
alle Maßnahmen ergriffen werden, die Exposition möglichst niedrig zu halten. Seitens der Europäischen Kommission wurde nun auch eine Verordnung erlassen, in
der Höchstwerte für Patulin in diversen Produkten festgelegt sind (Verordnung
(EG) Nr. 1425/2003 der Kommission vom 11. August 2003 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 4666/2001 in Bezug auf Patulin). Für Fruchtsäfte beträgt der
Höchstgehalt derzeit 50 µg/kg.
139
Tab. 3.7:
Patulinaufnahme in Österreich aus Apfelsaft und
Traubensaft in
Abhängigkeit
vom Alter. Angegeben ist
der Mittelwert
(µg/kg Körpergewicht) der
Gesamtpopulation einer Altersgruppe und
der der korrespondierenden
Consumer
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Lebensmittel Jahr
Anz. BG Anz. Anzahl der Proben im Bereich
Proben
Max. Mittel Mittel MediGe- wert wert an
halt (1)
(2)
<BG BG99.9
100299.9
300499.9
500749.9
750999.9
1000- >2000
1999.9
5
8
Mais
1996
45
50
4
9
5
9
3
Mais
1997
58
50
20
13
23
1
1
Mais
1998
48
50
13
4
13
9
6
Hafer
1999
96
100 88
8
Hafer
2000
96
100 83
10
Hafer
2001
40
100 36
4
Weizen
1999
68
100 29
25
9
3
1
1
Weizen
2000
62
100 24
15
7
1
2
6
Weizen
2001
36
100 18
12
4
1
1
2
1
2
2
1
7
2810
590,2 647
350
575
94,7
1360
285,1 387,9 170
180
25,9
127,5 <BG
530
43,5
214,6 <BG
200
29,3
142,5 <BG
1250
185,3 310,8 137,5
6090
744
1230
175,6 334,4 72,5
140,1 80
1203
160
Mittelwert (1): Mittelwert unter Beachtung von BG/6 für Proben mit Gehalten unter der Bestimmungsgrenze
Mittelwert (2): Mittelwert der positiven Proben
TDI: 1 µg/kg Körpergewicht und Tag
Tab. 3.8:
Toxikologische
Bewertung von
Desoxynivalenol aus Mais,
Hafer und Weizen in Österreich
Fusarientoxine
In/auf Getreide und in Getreideprodukten treten u.a. Mykotoxine auf, die von
Fusarienpilzen gebildet werden. Diese Toxine sind im Laufe der vergangenen Jahre aufgrund ihrer teilweise negativen toxikologischen Eigenschaften immer mehr
in den Blickpunkt des Interesses gelangt und werden auch im Zuge der Beratungen der zuständigen Expertengruppen in der Europäischen Kommission intensiv
diskutiert. Für diese Toxine sollen zukünftig auch Höchstwerte an Getreide und
Getreideprodukten sowie Lebensmitteln für Kleinkinder und Säuglinge festgelegt
werden, die Diskussionen diesbezüglich sind im Gange.
In Österreich existieren entsprechende Untersuchungen an Getreide, die auch
seitens der AGES durchgeführt wurden. Insbesondere am Standort Linz hat man
sich für die Analytik dieser Stoffe spezialisiert und dort entsprechende Untersuchungen an Getreide und Getreideprodukten durchgeführt.
Desoxynivalenol (DON, Vomitoxin)
Deoxynivalenol ist ein Typ-B-Trichothecen, das insbesondere in Mais und Weizen vorkommt. Für Deoxynivalenol liegt eine entsprechende toxikologische Bewertung vor, als TDI-Wert wurde derzeit 1 µg/kg Körpergewicht und Tag festgelegt. Nachfolgend sind die Untersuchungsergebnisse aus Österreich zusammengefasst. Aufgrund der Verzehrsdaten ergibt sich eine mittlere Aufnahme von etwa
Tab. 3.9:
Toxikologische
Bewertung von
Zearalenon aus
Mais und Hafer
Lebensmittel
Jahr
Anz.
Proben
BG Anz. Anzahl der Proben im Bereich
<BG
LOD- 109,9
29,9
Mais
1996 92
10 34
16
Mais
1997 58
10 53
4
Mais
1998 48
10 28
Hafer
1999 96
20 96
Hafer
2000 96
20 93
2
6
Max. Mittel Mittel MediGewert wert an
halt (1)
(2)
3049,9
5074,9
7599,9
100- >200
199,9
6
6
6
20
4
1
4
3
3
3
1
1
275
63
99
20
140
5,2
43
<BG
340
28,3 65,5 <BG
30
3,3
<BG
4,1
26,7 <BG
Mittelwert (1): Mittelwert unter Beachtung von BG/6 für Proben mit Gehalten unter der Bestimmungsgrenze
Mittelwert (2): Mittelwert der positiven Proben
PMTDI: 0,2 µg/kg Körpergewicht und Tag
140
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
LeJahr
bensmittel
Anz.
Proben
BG
Anz.
Anzahl der Proben im Bereich
<BG
< BG- 2524.9 49.9
5074.9
7599.9
Max. Mittel- Mittel- MediGehalt wert wert an
(1)
(2)
100- 150- >200
149.9 199.9
Mais 1996 46
100
45
1
Mais 1997 58
100
58
Mais 1998 48
100
46
1
1
Hafer 1999 96
100
73
9
4
Hafer 2000 96
100
93
2
1
Hafer 2001 40
100
40
255
10
21,8 255
<BG
<BG 16,7
<BG
150
21,8 140
<BG
550
68,3 232,2 <BG
190
20,7 146,7 <BG
<BG 16,7
<BG
PMTDI: 0,06 µg/kg Körpergewicht und Tag
0,3 µg/kg Körpergewicht und Tag. Eine Überschreitung des TDI-Wertes ist somit
nicht gegeben.
Zearalenon (ZEA)
Zearalenon kommt hauptsächlich in Mais und Weizen vor. Als vorläufiger TDIWert wurde für Zearalenon 0,2 µg/kg Körpergewicht und Tag festgelegt. Nachfolgende Gehalte wurden ermittelt:
Aufgrund der Verzehrsdaten ergibt sich eine mittlere Aufnahme von etwa 0,03
µg/kg Körpergewicht und Tag. Eine Überschreitung des TDI-Wertes ist somit nicht
gegeben.
T-2 und HT-2-Toxin
Diese Mykotoxine gehören zu den Typ-A-Trichothecenen und kommen hauptsächlich in Mais, Hafer und Weizen vor. Auch für diese Toxine existiert ein vorläufiger TDI-Wert, der als Summe der beiden Toxine ausgedrückt ist und 0,06 µg/kg
Körpergewicht und Tag beträgt.
Aufgrund der Verzehrsdaten ergibt sich eine durchschnittliche tägliche Aufnahme von etwa 0,04 µg T2-Toxin bzw. 0,1 µg HT2-Toxin pro kg Körpergewicht.
Eine Überschreitung des TDI-Wertes ist somit gegeben. Die Situation ist jedoch
nicht auf Österreich beschränkt, sondern tritt, wie aus dem SCOOP-Bericht ersichtlich, in mehreren Staaten Europas auf. Auf diese Mykotoxine wird man sicher
in den nächsten Jahren speziell achten müssen und deren Auftreten in Lebenmitteln entsprechend überwachen.
Lebensmittel
Jahr
Anz.
Proben
BG
Anz.
Anzahl der Proben im Bereich
<BG
< BG- 2524.9 49.9
Mais
1996 46
100
45
Mais
1997 58
100
58
Mais
1998 48
100
46
Hafer
1999 96
100
42
Hafer
2000 96
100
Hafer
2001 40
100
5074.9
7599.9
Tab. 3.10:
Toxikologische
Bewertung von
T-2 -Toxin aus
Mais und Hafer
in Österreich
Tab. 3.11:
Toxikologische
Bewertung von
HT-2-Toxin aus
Mais und Hafer
in Österreich
Max. Mittel Mittel MediGe- wert wert an
halt (1)
(2)
100- 150- >200
149.9 199.9
1
110
10,5 110
<BG
<BG 8,3
<BG
120
<BG
1
1
3
2
4
8
37
1150 229,4 401,3 110
64
11
6
7
4
4
880
51,4 137,5 <BG
26
5
1
7
1
220
42,2 105
PMTDI: 0,06 µg/kg Körpergewicht und Tag
141
12,2 100
<BG
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Le- Jahr Anz. BG
bensPromittel
ben
Anz.
Anzahl der Proben im Bereich
<BG LOD99.9
100299.9
300499.9
500749.9
750999.9
Max. Mittel Mittel MediGe- wert wert an
halt (1) (2)
1000- >2000
1999.9
Mais 1996 46
50
44
1
1
Mais 1997 58
50
55
1
1
170
<BG
1
250
1030 29,1 410
Mais 1998 48
50
43
1
1
1
Mais 2001 19
50
12
3
2
1
<BG
2
1750 97,8 867
<BG
Anz.
Anzahl der Proben im Bereich
1
940
8,3
153,2 401,4 <BG
Tab. 3.12:
Gehalte an Fumonisin B1 in
Mais
Le- Jahr Anz. BG
bensPromittel
ben
Max. Mittel Mittel MediGe- wert wert an
halt (1) (2)
<BG LOD- 10- 30- 50- 75- 100- >200
9.9 29.9 49.9 74.9 99.9 199.9
Mais 1996 46
100
46
Mais 1997 58
100
57
1
255
20,8 255
<BG
Mais 1998 48
100
46
2
390
29,3 320
<BG
Mais 2001 19
100
17
1
230
35,4 195
<BG
Tab. 3.13:
Gehalte an Fumonisin B2 in
Mais
<BG <BG <BG <BG
1
Fumonisine B1 und B2
Diese Mykotoxine sind insbesondere in Mais und Maisprodukten anzutreffen.
Der Summen-TDI-Wert für diese Mykotoxine beträgt 2 µg/kg Körpergewicht und
Tag.
Aufgrund der Verzehrsdaten ergibt sich eine durchschnittliche tägliche Aufnahme von etwa 0,03 µg Fumonisin B1 bzw. 0,08 µg Fumonisin B2 pro kg Körpergewicht. Eine Überschreitung des TDI-Wertes ist somit bei weitem nicht gegeben.
Die oben angeführten Beispiele zeigen nur einen kleinen Teilbereich des
Untersuchungsspektrums, in dem die Österreichische Agentur für Gesundheit und
Ernährungssicherheit analytisch tätig ist. Das Untersuchungsspektrum reicht von
der Untersuchung von chemischen Parametern, von denen einige Beispiele angeführt wurden, über die mikrobiologischen Untersuchungen bis zur Untersuchung
von physikalischen Parametern, die alle für die Lebensmittelsicherheit und somit
für den Konsumenten wesentlich von Bedeutung sind.
142
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
3.5 Trinkwasser*
Zusammenfassung
Das österreichische Trinkwasser wird zu 99% aus Grundwasser und zu 1% aus Oberflächengewässern (Flüsse und Seen) gewonnen. Der Großteil der österreichischen Haushalte ist an ein öffentliches Wasserversorgungsnetz angeschlossen. Etwa 1 Million Österreicher beziehen das Trinkwasser direkt aus Quellen und Hausbrunnen. In Österreich beträgt der häusliche Wasserverbrauch
pro Kopf und Tag 140 bis 150 Liter. Grundwassergüteuntersuchungen werden in allen Bundesländern
nach einheitlichen Methoden und Untersuchungsumfang auf Basis der Wassergüte-Erhebungsverordnung (WGEV) durchgeführt. Eine Reihe von Institutionen und Sachverständigen überprüfen periodisch die Qualität des Grundwassers, wobei der Schwerpunkt bei chemischen Parametern wie Nitrat- oder Atrazinanalysen liegt. Die gesetzlichen Regelungen für Trinkwasser erfolgen im Rahmen
des Lebensmittelgesetzes und durch die Trinkwasserverordnung. Nach der Trinkwasserverordnung
(TWV) sind Parameterwerte und Indikatorparameterwerte festgelegt. Die Parameterwerte beruhen
auf den Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation und sind zwingend einzuhalten. Der Wasserbelastung durch pathogene Mikroorganismen kann durch Desinfektionsverfahren gewöhnlich wirksam
begegnet werden. Ein anderes Problem stellt die Belastung des Wassers mit Schwermetallen, Nitrat,
Nitrit, Pestizide und so fort dar. Gefahr durch Nitratbelastung aufgrund von Überdüngung landwirtschaftlicher Nutzflächen gilt vor allem für die Ackerbaugebiete Ostösterreichs (Tullnerfeld, Marchfeld). Die Nitrat-Mittelwerte der öffentlichen Wasserversorgung lagen in den einzelnen Bundesländern jedoch durchwegs unter dem Richtwert von 25 mg/l (Ost-West-Gefälle).
Im Allgemeinen ist jedoch die Wasserqualität in Österreich als hervorragend zu bezeichnen. Anzustreben wäre die Verbesserung der mikrobiologischen Analytik sowie die Errichtung einer zentralen, unabhängigen Stelle zur Erfassung, Koordination und Evaluierung von Wasseruntersuchungen.
Allgemeines
Von Meer und Binnengewässern verdunstetes Wasser gelangt in die Atmosphäre und nimmt
beim Durchgang durch die Atmosphäre verschiedene Gase, Aerosole und Staub auf. Es erreicht als
Niederschlag wieder die Erde, wo es versickert - also zu Grundwasser wird - oder in Oberflächenwässer gelangt. Beim Versickern im Boden werden weitere Stoffe gelöst, welche die Eigenschaften
des Wassers wie z. B. die Gesamthärte bestimmen. Im Boden finden aber auch Selbstreinigungsvorgänge statt: Die oberste, gut durchlüftete Bodenschicht weist reichlich Lebewesen wie Bakterien,
Pilze, Algen und Protozoen auf.
Herkunft des Trinkwassers in Österreich
Trinkwasser kann aus Grundwasser, Oberflächenwasser und Niederschlagswasser gewonnen
werden. Trinkwasser stammt in Österreich zu 99 % aus Grundwasser (Grund- und Quellwasser).
Nur 1% wird aus Oberflächengewässern (Flüsse und Seen) gewonnen. Der gesamte Wasserbedarf in Österreich wird jährlich auf 2,6 Mrd. Kubikmeter geschätzt, 0,7 Mrd. Kubikmeter davon wird
als Trinkwasser verwendet. Vergleicht man diese Werte mit denen anderer Länder, so befindet sich
Österreich in einer bevorzugten Situation, wenn man bedenkt, dass etwa ein Fünftel der Weltbevölkerung kein sauberes Trinkwasser hat und Jahr für Jahr ca. 2,2 Millionen Menschen an verunreinigtem Wasser sterben.
Trinkwasserversorgung
Der Großteil der österreichischen Haushalte ist an ein öffentliches Wasserversorgungsnetz angeschlossen, ca. 5 Millionen Menschen werden von 185 großen Wasserwerken versorgt, weitere 1,8
Millionen von kleinen Orts-Wasserwerken. Bedingt durch die Streulage sind im Westen weniger, im
Osten mehr Einwohner angeschlossen. Etwa 1 Million Österreicher beziehen das Trinkwasser direkt
aus Quellen und Hausbrunnen. Neben den Porengrundwasservorkommen sind für die österreichische Wasserversorgung vor allem Karst- und Kluftgrundwasservorkommen mit ihren Quellen von besonderer Bedeutung, da diese zumeist große Ergiebigkeit aufweisen. Etwa die Hälfte der österrei-
* ao. Univ.-Prof. Dr. M. Manafi, Klinisches Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie der Uiversität Wien,
Kinderspitalgasse 15, 1090 Wien
143
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Tab. 3.14
Wasserverbrauch in
Österreich, gerundet in Liter/Tag
Wasserverbrauch für... Liter/Tag
Trinken, Kochen
3
Autowaschen
3
Gartenbewässerung
6
chischen Bevölkerung wird mit Karstund Kluftgrundwasser, das vor allem
alpinen Bereichen entstammt, versorgt.
Wasserverbrauch
In Österreich beträgt der häusliKörperpflege
9
che Wasserverbrauch pro Kopf und
Tag 140 bis 150 Liter (Tab. 3.14). Nur
Wäschewaschen
18
3-4 Liter pro Tag und Person werden
Baden, Duschen
43
tatsächlich für Ernährungszwecke verToilettenspülung
48
wendet. Der Wasserverbrauch der Industrie beträgt 1,5 bis 1,7 Mrd.
Gesamt
136
m3/Jahr. Der Bedarf für Bewässerungszwecke in der Landwirtschaft
dürfte etwa 100 bis 200 Mio. m3 pro Jahr betragen. Der gesamte Wasserbedarf in
Österreich beträgt somit etwa 2,6 Mrd. m3/Jahr. Großstädten stehen fast zu 100%
Grund- und Quellwasser zur Verfügung. Die Österreicher liegen mit ihrem Wasserverbrauch in Europa im Mittelfeld. Deutschland und Belgien verbrauchen etwas
weniger Trinkwasser, Spanien, die Schweiz und Italien mit bis zu 250 Litern wesentlich mehr. Ein US-Amerikaner verbraucht ca. 400 Liter pro Tag.
Geschirrspülen
6
Die Überprüfung der Wasserqualität
Eine Reihe von Institutionen und Sachverständigen überprüfen periodisch die
mikrobiologische und chemische Qualität des Wassers. Die zentrale Erfassung dieser Werte wird jedoch nicht lückenlos durchgeführt. Einige Stellen wie z.B. das
Umweltbundesamt http://www.ubavie.gv.at/ oder der Magistrat der Stadt Wien
(http://www.magwien.gv.at/ma31/wasweg6a.htm) untersuchen regelmäßig gleiche Messstellen und veröffentlichen diese Werte. Diese Messergebnisse betreffen
vor allem chemische Parameter wie Nitrat- oder Atrazinwerte. Ergebnisse bakteriologischer Untersuchungen werden kaum registriert, die Untersuchungsanstalten stellen diese Werte nur dem Auftraggeber bzw. den Behörden zur Verfügung.
Sie sind Momentaufnahmen und werden durch Umwelteinflüsse leicht beeinflusst.
Ferner ist zu bemerken, dass Privatpersonen, die ihr Brunnenwasser nur für den
eigenen Bedarf nutzen, nicht zur Trinkwasseruntersuchung verpflichtet sind. Sehr
oft werden Trinkwasseruntersuchungen nur dann durchgeführt, wenn die Behörde einen Wasserbefund verlangt.
Rechtsgrundlagen der Trinkwasserkontrolle in Österreich
Die gesetzlichen Regelungen für Trinkwasser erfolgen im Rahmen des Lebensmittelgesetzes und durch die Trinkwasserverordnung (TWV). Im Bundesgesetzblatt wurde die neue Verordnung über die Qualität von Wasser für den
menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung, TWV) kundgemacht (BGBl. II
Nr. 304/2001 ausgegeben am 21. August 2001). Durch diese Verordnung wurde
die Richtlinie des Rates 98/83/EG vom 5. Dezember 1998 in österreichisches
Recht umgesetzt. Die neue Verordnung fasst zum einen die Bestimmungen über
das Inverkehrbringen von Trinkwasser zusammen, die bisher auf mehrere Verordnungen verteilt waren. Die Trinkwasserverordnung ersetzt die erste diesbezügliche Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch,
BGBl. II Nr. 235/1998, und auch die Trinkwasser-Nitratverordnung (BGBl
557/1989), die Trinkwasser-Pestizidverordnung (BGBl. 448/1991), die Trinkwasser-Ausnahmeverordnung (BGBl. 384/1993) und die Trinkwasser-Informationsverordnung (BGBl. 352/1999), die mit 1. September 2001 außer Kraft getreten sind.
Zum anderen gibt es Änderungen gegenüber den bisherigen Vorschriften bei den
zu überwachenden Parametern, bei Grenzwerten und bei der Untersuchungshäufigkeit. Neu aufgenommen wurde auch ein Indikatorparameter für die Radioakti-
144
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
vität sowie Mindestanforderungen an die eingesetzten Analysenverfahren (http://www.univie.ac.at/
hygiene-aktuell/Trinkwasserverordnung.pdf)
Weitergehende Qualitätskriterien im Trinkwasserbereich definiert das Kapitel B1 "Trinkwasser"
des Österreichischen Lebensmittelbuches (Codex). Die neuen gesetzlichen Regelungen erforderten
die Anpassung und ausführliche Überarbeitung dieses Codexkapitels. Die Neufassung wurde am 22.
Juli 2002 vom BMSG auf Grund des Beschlusses der Codexkommission bekannt gemacht und erschien als Sonderheft in den "Mitteilungen der Sanitätsverwaltung" im Dezember 2002.
Anforderungen an die Trinkwasserqualität
Wasser wird dann als Trinkwasser bezeichnet, wenn es in nativem Zustand oder nach Aufbereitung geeignet ist, von Menschen ohne Gefährdung ihrer Gesundheit genossen zu werden und geruchlich, geschmacklich und dem Aussehen nach einwandfrei ist. Um diese Wasserbeschaffenheit
einhalten zu können, wurden Hygiene-Richtlinien festgesetzt. Für die Feststellung, ob ein Wasser für
Trinkzwecke geeignet ist, müssen neben dem Lokalaugenschein eine mikrobiologische, chemische
und physikalische Überprüfung des Wassers, nötigenfalls eine biologische und mikroskopische
Untersuchung und eine Radioaktivitätsmessung durchgeführt werden. Beim Lokalaugenschein werden die Herkunft des Wassers, der baulich-technische Zustand der Wassergewinnungs- und Förderungsanlagen, mögliche Kontaminationsquellen sowie Schutz- und Schongebiete berücksichtigt. Die
Verhütung von Seuchen steht im Vordergrund der Wasserhygiene, allerdings nehmen heute durch
die starke Belastung der Umwelt mit Schadstoffen die chemischen Schadstoffe an Bedeutung zu.
Letztere stammen im Wesentlichen aus intensiv betriebener Landwirtschaft sowie aus Industrie- und
Gewerbe-Emissionen, können aber auch durch Unachtsamkeit oder Unfälle ins Wasser gelangen.
Von Unfällen abgesehen, kommt der akuten Toxizität eine relativ geringe Bedeutung zu, die Gefahren einer chronischen Toxizität überwiegen.
Nach der Trinkwasserverordnung (TWV) werden Parameterwerte und Indikatorparameterwerte
festgelegt. Die Parameterwerte (Codex Kapitel B1 "zulässige Höchstkonzentrationen", "Grenzwerte") beruhen auf den Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation und sind zwingend einzuhalten. Parameterwerte im Wasser sind die oberen Begrenzungen der Gehalte von Inhaltsstoffen und Mikroorganismen, die nicht überschritten werden dürfen. Bei Einhaltung dieser Konzentrationen ist nach
dem derzeitigen Stand der Wissenschaft zu erwarten, dass auch bei lebenslangem Genuss des Wassers keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen auftreten. Zum anderen
wurden Indikatorparameterwerte definiert (Codex Kapitel B1 "Richtzahlen"), die Gehalte an Inhaltsstoffen, Mikroorganismen und Strahlenaktivitäten darstellen, bei deren Überschreitung zu prüfen ist,
ob bzw. welche Maßnahmen erforderlich sind. Routinemäßig werden einige chemische und physikalische Parameter überprüft, die eine orientierende hygienische Beurteilung des Wassers ermöglichen. An dieser Stelle soll auf die Notwendigkeit der fachgerechten Probenentnahme, der geeigneten Probenentnahmegefäße (mit allenfalls notwendiger Vorbehandlung), eventuell erforderlicher
Konservierung der Proben und Bestimmungen vor Ort sowie auf einwandfreien Probentransport hingewiesen werden, da dies die Voraussetzungen für eine sinnvolle chemische und bakteriologische
Untersuchung sind.
Mikrobiologie des Trinkwassers
Bei der Übertragung pathogener Mikroorganismen kommt dem Wasser wegen seiner weiten
Verbreitung und Nutzung eine besonders große Bedeutung zu. Diese Organismen gelangen entweder direkt durch tierische und menschliche Ausscheidungen oder indirekt über das Abwasser in Trinkund Badewässer. Je nach Art der Ausscheider können eine Vielzahl von Bakterien, Viren oder Parasiten übertragen werden (water-borne diseases). Die "klassischen" bakteriellen Erreger von Trinkwasserepidemien sind Salmonellen, Shigellen, Vibrio cholerae, pathogene E. coli-Stämme, Yersinia
enterocolitica und Campylobacter. Neben den genannten Bakterien können auch andere Bakterienarten, die ihren natürlichen Standort in der Umwelt haben, Erkrankungen hervorrufen, wenn sie mit
dem Wasser in großer Zahl übertragen werden (Enterobacter, Serratia, Klebsiella, Aeromonaden,
Acinetobacter, Pseudomonaden und Flavobakterien). Wasser, das mit den genannten Bakterien kontaminiert ist, kann beim Trinken oder Baden verschiedene Erkrankungen - v.a. bei resistenzgeschwächten Personen - hervorrufen.
Da die Nachweismethoden für pathogene Mikroorganismen sehr langwierig sind, werden in der
Trinkwasserhygiene diese Organismen routinemäßig nicht geprüft. Die Nachweismethoden für pathogene Mikroorganismen werden primär nur dort angewandt, wo die Ursachen einer Epidemie ab-
145
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Tab. 3.15:
Wichtigste
durch Trinkwasser auf den
Menschen
übertragbare
Erreger
Krankheit
Erreger
Bakterielle Erkrankungen
Typhus
Salmonella typhi
Paratyphus
Salmonella paratyphi A,B,C
Enteritis
Y. enterocolitica, C. jejuni
Traveller's disease, Säuglings-Enteritis E. coli (verschiedene Serotypen)
Bakterienruhr
Shigella sp.
Cholera
Vibrio cholerae
Eiterungen
Pseudomonas aeruginosa
Legionellose
Legionella sp.
Virale Erkrankungen
Enterovirosen
Poliomyelitis-Viren, Coxsackie-Viren,
Echo-Viren
Hepatitis
Hepatitis-A- und E-Viren
Gastroenteritis
Rota-Viren, Adeno-Viren, Corona-Viren,
Astro-Viren, Norwalk-Viren, Calici-Viren
Parasitäre Erkrankungen
Tab. 3.16:
Mikrobiologische Parameter für nicht
desinfiziertes
Wasser (natives Wasser)
Amoebiasis
Entamoeba histolytica (Amoebenruhr)
Giardiasis
Giardia lamblia
Cryptosporidiose
Cryptosporidium sp.
Parameter
Escherichia coli
Parameterwert
(Anzahl/
100 ml)
0
coliforme Bakterien
0
Enterokokken
0
Pseudomonas aeruginosa 0
Clostridium perfringens
Tab. 3.17:
Mikrobiologische Parameter für desinfiziertes Wasser,
unmittelbar
nach Abschluss
der Desinfektion
0
Parameter
Parameterwert
(Anzahl/250
ml)
Escherichia coli
0
coliforme Bakterien
0
Enterokokken
0
Pseudomonas aeruginosa
0
Clostridium perfringens
0
146
zuklären sind oder ein besonderer Verdacht vorliegt. Deshalb wird bei Routineuntersuchungen nur die Verseuchbarkeit eines Trinkwassers geprüft,
d.h., ob die Möglichkeit einer Fäkalkontamination besteht. Dazu wird Trinkwasser auf Indikatorbakterien für Fäkalverunreinigung
untersucht.
Als
mikrobiologische Parameter dienen dazu: E. coli, coliforme Bakterien, Enterokokken, Clostridium perfringens und P.
aeruginosa.
Coliforme Bakterien sind Enterobakterien, die bei 36 ± 2°C Bebrütungstemperatur auf einem definierten Lactose Medium unter Produktion von Säure Kolonien bilden können und Cytochromoxidase-negativ sind. Für die Spaltung von Laktose in die Glucose und
Galaktose unter Bildung von Gas und
Säure sind ß-D-galactosidase und Permease, verantwortlich. Etwa 95% der
Coliformen können Laktose fermentieren und Gas und Säure bilden, 5%
nicht. Außerdem wird das Vorhandensein jenes Genabschnitts (lac Z gene)
vorausgesetzt, der das Enzym ß-Galactosidase codiert. Die Expression dieses
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Gens ist aber stark von Faktoren wie Zeit, Temperatur und Nährmedium abhängig. Die Laktose-Fermentation findet unter veränderten Bedingungen ungenügend oder gar nicht statt.
Die Wasseruntersuchung nach dem coliformen Konzept hat im Laufe der Geschichte zu einer
starken Abnahme von wasserbedingten Krankheiten wie Cholera und Typhus geführt. Das coliforme
Konzept beinhaltet alle coliformen Bakterien und schließt daher auch Bakterien, die nicht fäkalen Ursprungs sind und kein Gesundheitsproblem darstellen, ein. Daher kann bei der Anwesenheit von coliformen Bakterien eine fäkale Verunreinigung von Wasser nur vermutet werden, sie muss aber nicht
zwingend gegeben sein. Als Kritikpunkt des coliformen Konzepts muss in Betracht gezogen werden,
dass es vor beinahe einem Jahrhundert entwickelt worden ist und somit das Krankheitsprofil der damaligen Zeit, nicht der heutigen reflektiert. In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der wasserbedingten Erkrankungen, die durch virale und parasitäre Überträger hervorgerufen wurden, erhöht. Während das coliforme Konzept dazu imstande ist, die Konsumenten vor den primären bakteriellen Pathogenen "begrenzt" zu schützen, bietet es bei weitem nicht ausreichend Schutz vor den
neuen viralen und parasitären Pathogenen, die nun für das Ausmaß an Wasser- und Lebensmittelerkrankungen verantwortlich sind.
In der USA gab es zwischen 1978 und 1986 502 berichtete wasserbedingte Epidemien, die mehr
als 110000 Fälle von gastrointestinalen Erkrankungen verursachten. In vielen dieser Wasserproben
wurden keine E. coli und schon gar keine coliformen Bakterien festgestellt (Sobsey, 1989). Eine weitere Studie in der USA stellte fest, dass ein Drittel der Wasserproben, die Epidemien verursachten,
keine coliformen Bakterien aufwiesen (Craun et al., 1997).
Heute wird zunehmend die Meinung vertreten, dass E. coli, das ausschließlich in den Fäzes von
Warmblütern zu finden ist, besser als die Gesamtzahl der coliformen Bakterien zur Trinkwasserüberwachung geeignet ist. Im Laufe der Zeit wurden eine Reihe von Eigenschaften der coliformen Bakterien festgestellt, die Indikatorbakterien nicht besitzen sollten:
- Vermehrung im Wasser und in Wasserleitungen,
- Unterdrückung des Wachstums der Coliformen bei einem starken Gesamtbakterienwachstum,
- Coliforme Bakterien sind kein Indikator für Gesundheitsgefährdung,
- Mangelnde Korrelation zwischen der Anzahl der coliformen und der pathogenen Keime,
- Kein Zusammenhang in der Anzahl von coliformen Bakterien mit dem Vorhandensein von Parasiten und Viren,
- Das Auftreten von falsch positiven und falsch negativen Ergebnissen.
Ferner wurde als neuer mikrobiologischer Parameter Clostridium perfringens anstelle der Gruppe "sulfitreduzierende Clostridien", eingeführt (TWV, Anhang I, Teil A). Dieser Parameter braucht nur
bestimmt zu werden, wenn das Wasser von Oberflächenwasser stammt oder von Oberflächenwasser beeinflusst wird. Ist dieser Parameterwert überschritten, so sind Nachforschungen in der Wasserversorgungsanlage vorzunehmen, um festzustellen, ob eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch krankheitserregende Mikroorganismen oder Parasiten (wie z.B. Cryptosporidium) besteht. Dieser Parameter ist bei jeder Wirksamkeitsprüfung von Desinfektionsanlagen sowohl im Wasser vor Desinfektion (100 ml) als auch unmittelbar nach Abschluss der Desinfektionsmaßnahme (250
ml) zu untersuchen.
Ist das Trinkwasser mikrobiologisch nicht einwandfrei, muss es desinfiziert werden. Bei der Desinfektion von Trinkwasser müssen gezielt Krankheitserreger abgetötet werden. Auch desinfiziertes
Trinkwasser ist nicht steril; Sporen beispielsweise können eine Desinfektion überleben. Parasiten
sind mit den üblichen Verfahren nicht abzutöten, sie müssen vor der Desinfektion mechanisch, z.B.
durch Flockung und Filtration, entfernt werden.
Für die Trinkwasserdesinfektion sind in Österreich die Verfahren der Chlorung, die Behandlung
mit Chlordioxid, die Ozonung und die UV-Bestrahlung zulässig. In Notsituationen kann Trinkwasser
durch Abkochen desinfiziert werden. Chlor als Chlorlauge, Chlorgas oder feste Chlorverbindung ist
ein ausgezeichnetes, hochwirksames und relativ billiges Desinfektionsmittel. Organische Wasserinhaltsstoffe können Chlor zehren, man unterscheidet deshalb bei der Bestimmung das freie Chlor
vom gebundenen Chlor. Eine Einwirkzeit von zumindest einer halben Stunde ist erforderlich. Ein weiterer Vorteil von Chlor ist, dass es auch im Leitungsnetz gegen Wiederverkeimung wirkt (Depotwirkung). Ein Nachteil von Chlor (nicht bei Chlordioxid) ist die mögliche Bildung von leichtflüchtigen halogenierten aliphatischen Kohlenwasserstoffen (HKW) in Anwesenheit von organischen Substanzen.
Durch die gute Desinfektionswirkung gegen Bakterien und Viren und die Depotwirkung ist die Chlorung vor allem in Notsituationen (Hochwasser, Rohrbrüche) trotz Geruchsbelästigung besonders ratsam.
147
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Ozon ist ebenfalls ein ausgezeichnetes Desinfektionsmittel, es wird durch Oxidation von Luftsauerstoff erzeugt. Ozon beeinflusst den Geruch und den Geschmack von Wässern günstig, da es organische Substanzen, wie z.B. Huminstoffe, abbaut. Ozon hat wenig Depotwirkung, dadurch kann es in
den Rohrleitungen zu Verkeimungen kommen. Ozon benötigt ebenfalls eine Einwirkzeit (nach 4 Minuten Restkonzentration von 0,1 mg/l, bei Abgabe an den Verbraucher nur maximal 0,05 mg/l).
UV-Strahlen mit einer Wellenlänge von 254 nm sind eine relativ kostengünstige und einfach anzuwendende Desinfektionsmethode. Wichtig ist die Dimensionierung der Anlage, die von der UVDurchlässigkeit des Wassers und von der zu desinfizierenden Durchflussmenge abhängig ist. Die UVDurchlässigkeit des Wassers ist abhängig von der Menge UV-absorbierender Stoffe im Wasser, z.B.
Huminstoffe. Die Desinfektion des Wassers erfolgt beim Durchströmen der Anlage, eine Depotwirkung ist nicht vorhanden.
Chemische Schadstoffe im Wasser
- Blei
Blei wurde bis etwa vor dem Zweiten Weltkrieg als Material für Trinkwasserleitungen verwendet.
Blei im Trinkwasser stammt meist aus alten bleihaltigen Rohrleitungen, Armaturen (z.B. in alten
Wohnbauten) oder aber von bleihaltigem Lötmittel bei Kupferrohren her. Typische Symptome einer
chronischen Bleivergiftung sind Kopf-, Gelenk-, Glieder-, Muskel- und Herzschmerzen, Darmkrämpfe,
Anämie, Kribbeln in den Extremitäten, Schädigung von Gehirn, Nieren und Herz wie auch Ohnmachtsanfälle, Angstzustände, Depressionen oder Schlafstörungen. Kinder reagieren besonders
empfindlich auf Blei im Trinkwasser und sind daher wegen einer dadurch bewirkten Behinderung der
Entwicklung des Nervensystems, einer Minderung der Intelligenz, Konzentrationsschwäche sowie
Hyperaktivität besonders gefährdet. Die Bleibelastung des menschlichen Organismus über Nahrungsmittel und vor allem über Atemluft (Antiklopfmittel im Benzin) spielt jedoch eine bedeutendere
Rolle als jene durch Wasser. In geogen und anthropogen unbelasteten Oberflächengewässern liegt
der Bleigehalt < 3 µg/l.
Die WHO hat 1977 ihren ursprünglich mit 100 µg/l (1961) empfohlenen Richtwert für Blei im
Trinkwasser auf 50 µg/l - wie er auch in die EU-Richtlinie aus 1980 und in die österreichische TWV
1998 übernommen worden war - und in der Überarbeitung 1996 auf 10 µg/l gesenkt.
Dieser Wert wurde in erster Linie zum Schutz von Säuglingen, Kleinkindern und Schwangeren vor
den neurotoxischen Wirkungen von Blei eingeführt. Der Parameterwert für Blei beträgt gemäß Trinkwasserverordnung bis 1. Dezember 2003 50 µg/l und für den Zeitraum zwischen Dezember 2003 und
1. Dezember 2013 25 µg/l, danach 10 µg/l.
Für die Parameterwerte von Blei, Kupfer und Nickel gilt jedoch folgende Besonderheit (TWV, Anhang I, Teil B, Anmerkung 3):
Der Wert gilt für eine Probe von Wasser für den menschlichen Gebrauch, die mit einem geeigneten Probenahmeverfahren an der Wasserentnahmestelle in der Weise entnommen wird, dass sich
eine für die durchschnittliche wöchentliche Aufnahme durch Verbraucher repräsentative Probe ergibt.
Ein Ausschuss nach Art. 12 der EU-Trinkwasserrichtlinie ist damit befasst, ein solches harmonisiertes Probenahmeverfahren auszuarbeiten. Es ist abzusehen, dass das Verfahren der so genannten
Tageszufallsprobe, d.h. die Entnahme von 1 Liter Trinkwasser unmittelbar nach Aufdrehen des Entnahmehahnes zu einer beliebigen Tageszeit (innerhalb der üblichen Geschäftszeiten) als einheitliches
Probenahmeverfahren von der EU-Kommission festgelegt wird.
Kleinste Probemengen, die von Konsumenten selbst entnommen und zur Untersuchung übersandt werden, entsprechen diesen Anforderungen an repräsentative Proben keinesfalls und können
für eine fachlich korrekte Beurteilung der durchschnittlichen wöchentlichen Aufnahme dieser Stoffe
nicht herangezogen werden.
- Kupfer
Kupfer kommt in natürlichen Wässern praktisch nicht vor. Im Trinkwasser festgestellte Kupferkonzentrationen stammen meist aus dem Leitungsnetz, wo je nach Wasserbeschaffenheit und besonders nach Stagnation des Wassers Kupferkorrosion auftreten kann. Zwar ist Kupfer ein lebensnotwendiges (essentielles) Element, doch kann ein Überangebot der Gesundheit schaden. Erhalten
Säuglinge mit stark kupferhaltigem Wasser zubereitete Nahrung, besteht die Gefahr, dass sie überschüssiges Kupfer in der Leber speichern, weil sie es noch nicht ausscheiden können, und in der Folge an Leberzirrhose erkranken. Kupfer ist heute das wichtigste Material für Trinkwasserinstallationen.
148
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
In der Regel ist das auch kein Problem. Nur bei bestimmten Wasserqualitäten und ganz neuen Installationen kann es zur Überschreitung der Grenzwerte kommen. Wasser und die darin in Spuren
gelösten Stoffe Sauerstoff, Kohlendioxid, Säuren und Salze greifen die Metalle der Trinkwasserleitungen an. Die bei diesen Korrosionsvorgängen entstehenden Verbindungen, überwiegend
Oxide/Hydroxide und Carbonate/Hydrogencarbonate, bilden eine dünne, relativ fest haftende
Schicht auf der Metalloberfläche. Dennoch sind sie in geringem Umfang wasserlöslich, so dass immer etwas von den Metallverbindungen an das im Rohr befindliche Wasser abgegeben wird. Je niedriger der pH-Wert, desto stärker die Korrosion. Ein höherer TOC-Gehalt (TOC = Total Organic Carbon) führt unter bestimmten Bedingungen zu höheren Kupfergehalten. Hartes Wasser enthält viel
Calciumhydrogencarbonat, welches für die Bildung einer Schutzschicht wichtig ist. Sehr weiches
Wasser bildet keine Schutzschicht. Der Parameterwert für Kupfer im Trinkwasser beträgt 2 mg/l.
Kupfer kann als Installationsmaterial eingesetzt werden, wenn der pH-Wert mindestens 7,4 beträgt,
liegt der pH-Wert zwischen 7,0 und 7,4, soll Kupfer nur eingesetzt werden, wenn der TOC-Gehalt
kleiner als 1,5 mg/l ist. Ist er größer, sollen andere Materialien verwendet werden.
- Zink
Zink ist ein essentielles Spurenelement, dessen Mangel zu Hautveränderungen, Störungen des
Körperwachstums und im Hormonhaushalt sowie zu Funktionsstörungen der Metalloenzyme führt.
Abwässer von metallverarbeitenden Betrieben und Druckereien sowie verzinkte Trinkwasserleitungen und Behälter sind Kontaminationsquellen für Wasser. Auch beim Zink erfolgt eine Herauslösung
des Metalls aus den Materialien der Hausinstallation, z.B. aus verzinkten Stahlrohren oder Legierungen von Armaturen oder Boilern. Ähnlich wie bei den anderen Metallen steigt die Konzentration mit
zunehmender Verweilzeit des Wassers in der Leitung (Stagnationszeit) und mit fallendem pH-Wert.
Auch sollen verzinkte Leitungen nicht in Fließrichtung nach Kupfer eingebaut werden. Für Zink wurde im Codexkapitel B1 ein Richtwert von 5 mg/l für Wasser aus Installationen festgelegt.
- Cadmium
Cadmium wird unter anderem in Korrosionsschutzmitteln, Farbstoffen und Batterien verwendet.
Auch durch Zigarettenrauch wird die Umwelt mit Cadmium-Emissionen belastet. Die Speicherung im
Körper erfolgt vor allem in der Niere, der Leber und der Plazenta. Durch die orale Aufnahme hoher
Dosen treten Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen auf. Die bekannte Knochenkrankheit Itai-Itai
ist die Spätfolge einer toxischen Cadmiumwirkung. Hauptquellen der Cadmiumkontamination für den
Menschen sind Nahrungsmittel (vor allem Austern, Tierlebern und -nieren). Der Parameterwert für
Cadmium im Trinkwasser beträgt 5 µg/l.
- Quecksilber
Quecksilber wird vielfältig verwendet, in der chemisch-pharmazeutischen Industrie, der Papier-, Farben- und Elektroindustrie sowie in der Landwirtschaft als Saatbeizmittel. Hohe Gehalte wurden vor allem bei Fischen und Wildpilzen festgestellt. Folgen chronisch erhöhter Quecksilberaufnahme sind
u.a. Kribbeln der Haut, Konzentrationsschwierigkeiten und Störungen der Bewegungskoordination.
1963 wurde Quecksilber erstmals als Verursacher der Minamata-Krankheit von japanischen Forschern erkannt. Die Quecksilberaufnahme durch den Körper ist von der chemischen Form des
Metalls abhängig. Durch orale Aufnahme wird die methylierte Form bis zu 95%, anorganische Salze
bis zu 15% und metallisches Quecksilber nur bis zu 0,01% vom Organismus resorbiert. Quecksilberdampf wird hingegen fast vollständig aufgenommen. Wie bei Cadmium erfolgt die Quecksilberaufnahme hauptsächlich durch Lebensmittel. Der Parameterwert für Quecksilber im Trinkwasser beträgt 1 µg/l.
- Chrom
Biologisch aktiv ist nur 3-wertiges Chrom, das eine wichtige Rolle im Kohlenhydrat-Metabolismus
spielt, 6-wertiges Chrom kann jedoch in kleinen Mengen im Magen zu 3-wertigem Chrom reduziert
werden. Schwerer Chrommangel kann über verminderte Glucosetoleranz und Hyperglykämie zu Diabetes und möglicherweise zu Arteriosklerose führen. Toxikologisch bedeutsam ist 6-wertiges
Chrom, da stark erhöhte Aufnahme Verätzungen, Geschwüre und Lungenkrebs zur Folge haben
kann. Chromverbindungen im Wasser stammen hauptsächlich aus Abwässern der metallverarbeitenden Industrie, weiters aus Gerbereien, Druckereien und Galvanikbetrieben. Der Parameterwert
für Chrom im Trinkwasser beträgt 50 µg/l.
149
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
- Arsen
Einige organische Arsenverbindungen wie z.B. Arsenocholin, Arsenobetain oder Dimethylarsinsäure sind wahrscheinlich biochemisch und physiologisch von Bedeutung, ihre Essentialität ist aber
noch nicht eindeutig definiert. Arsenige Säure sowie Arsenik und Arsenate (III) sind hochgiftig. Sie
führen zu schweren Gewebeschädigungen, Knochenmarksschädigungen, sekundärer Anämie und
Leberzirrhose. Die chronische Aufnahme von Arsen ist krebsfördernd. Erhöhte Arsengehalte im Wasser können geologischen Ursprungs sein. Häufiger ist aber die Verunreinigung des Grund- und Oberflächenwassers durch Abwässer aus Gerbereien, Metallindustriebetrieben und Mülldeponien. Der Parameterwert für Arsen im Trinkwasser wurde auf 10 µg/l abgesenkt. Dieser Wert ist spätestens ab 1.
Dezember 2003 einzuhalten. Der Parameterwert beträgt bis zum 30. November 2003 50 µg/l.
- Selen
Die Wirkung dieses Metalls ist zwiespältig, in geringen Mengen (µg/kg-Bereich) ist es ein essentielles Spurenelement und integraler Bestandteil der Glutathion-Peroxidase. Es setzt in dieser Funktion als Antioxidans die Wirksamkeit krebserregender Stoffe herab und steigert die Funktion des Immunsystems. Selengaben wirken einer Toxizität von Cadmium, Quecksilber oder Silber entgegen. In
hohen Dosen (etwa 10 mg/kg) kann Selen jedoch zu schweren Gesundheitsschäden wie Leberzirrhose, Herzmuskelschwäche und Polyneuropathien führen sowie selbst kanzerogen wirken. Selen
kommt in der Natur in geringen Konzentrationen, jedoch mit sehr großer regionaler Schwankungsbreite vor, vor allem als Begleiter des elementaren Schwefels. Anthropogen wird es bei der Öl- und
Kohleverbrennung in der Elektro- und Papierindustrie freigesetzt und gelangt über Niederschläge in
Oberflächen- und Grundwasser. Der Parameterwert für Selen im Trinkwasser beträgt 10 µg/l.
- Aluminium
Aluminium kommt in der Natur sehr häufig vor und wird nicht als lebensnotwendig erachtet. Für
den Menschen ist Aluminium im Allgemeinen nicht toxisch, bei chronisch stark erhöhter Aluminiumaufnahme oder -speicherung können irreversible Gewebsveränderungen auftreten, auf Fische und
Pflanzen kann es letal wirken. Der Indikatorparameterwert für Aluminium im Trinkwasser beträgt 0,2
mg/l.
- Eisen und Mangan
Die für den menschlichen Organismus essentiellen Elemente Eisen und Mangan bewirken im
Trinkwasser bei höheren Konzentrationen unter Einfluss des Luftsauerstoffes Trübungen, Verfärbungen und Bodensatzbildung. Sie können durch das Wachstum von eisen- und manganhaltigen Bakterien indirekt Probleme verursachen. Die Indikatorparameterwerte betragen für Eisen 0,2 mg/l und
für Mangan 0,05 mg/l.
- Ammonium
Ammonium wird als Zwischenprodukt beim Abbau stickstoffhaltiger organischer Substanzen gebildet und kann daher auch aus Exkrementen menschlichen oder tierischen Ursprungs stammen. In
oberflächennahen, sauerstoffhaltigen Grundwässern sind Ammoniumgehalte über 0,2 mg/l meist ein
Hinweis auf anthropogene Verunreinigungen. Laut TWV liegt der Indikatorparameterwert für Ammonium bei 0,5 mg/l, wobei geogen bedingte Überschreitungen bis 5 mg/l zugelassen sind. Sauerstoffarme, mikrobiologisch einwandfreie Grundwässer (z.B. Tiefenwässer) können höhere Ammoniumgehalte aufweisen. Beim Auftreten von Ammonium in Trinkwasser muss dessen Ursprung fachlich beurteilt werden (weitere Analysenparameter wie z.B. Sauerstoffgehalt, und den Ortsbefund beachten). Es ist nicht in jedem Fall ein Hinweis auf organische Verunreinigung. Ammonium kann vielmehr
durch reduktive Vorgänge im sauerstoffarmen oder -freien Grundwasser aus Nitrat gebildet werden
bzw. kann Nitrit aus Ammonium bei Luftzutritt und mit gewissen Bakterien wieder entstehen. Ammonium stört die Desinfektion mit Chlor (Chloraminbildung und ev. Nitritbildung). Ab einem Gehalt
von mehr als 0,2 mg/l NH4 dürfen daher gewisse Chlorungsverfahren nicht angewendet werden.
- Sulfat
Sulfat ist in reinem Grundwasser - abgesehen von geogen bedingten höheren Konzentrationen
bei Wasser aus Gipslagerstätten - meistens unter 50 mg/l enthalten. Anthropogen bedingt können
höhere Gehalte im Wasser durch Düngung, Industrieabwässer, Deponiesickerwässer und Emissionen
des Verkehrs verursacht werden. Der Indikatorparameter beträgt für Sulfat 250 mg/l, wobei Über-
150
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
schreitungen bis 750 mg/l zugelassen sind, sofern der dem Calcium nicht äquivalente Gehalt des Sulfats 250 mg/l nicht übersteigt. Sulfatkonzentrationen über 1000 mg/l werden als bedenklich eingestuft. Ab 250 mg/l Sulfat können Magen- und Darmstörungen (laxierende Wirkung) auftreten, die
allerdings zurückgehen, wenn sich der Körper an die erhöhte Sulfatzufuhr gewöhnt hat.
- Chlorid
Chlorid ist in jedem natürlichen Wasser mit etwa 10-40 mg/l enthalten. Anthropogen bedingte
(z.B. durch Steaßenstreusalz) höhere Chloridwerte im Grundwasser wurden bis 300 mg/l gemessen.
Chlorid wird im Boden kaum zurückgehalten und nicht verändert. Verunreinigte Wässer haben meist
einen erhöhten Chloridgehalt. Geringe Chloridkonzentrationen im Wasser sind gesundheitlich unbedenklich, da in der übrigen Nahrung bedeutend mehr Chlorid vorkommt als im Trinkwasser. Je nach
übriger Zusammensetzung des Wassers tritt bei einem Wert von > 100 mg/l Chlorid ein salzartiger
Geschmack auf. Die Grenze der Genusstauglichkeit liegt bei 400 mg/l, entsprechend etwa 660 mg/l
gelöstem NaCl. Im Organismus dient Chlorid als Gegenion für Natrium und bewirkt den osmotischen
Druck der extrazellulären Flüssigkeit. Eine spezifische Wirkung übt es bei der Sekretion des Magensaftes aus. Der Indikatorparameterwert für Chlorid im Trinkwasser beträgt 200 mg/l.
- Fluorid
Im Grundwasser liegen die Konzentrationen an Fluorid in der Regel < 0,5 mg/l. Fluor vermindert
die Löslichkeit des Zahnschmelzes oder hemmt die Säurebildung am Zahn durch Verminderung bakterieller Enzymtätigkeit im Zahnbelag und hat deshalb Bedeutung in der Kariesprophylaxe. Zahnkaries wird hingegen nicht durch Fluormangel ausgelöst, sondern ist ein Folgezustand falscher Ernährung (Elmadfa und Leitzmann 1998). Der Parameterwert für Fluor beträgt 1,5 mg/l. Fluoridkonzentrationen im Trinkwasser von ca. 1 mg/l wirken kariesprophylaktisch, weshalb in einigen Ländern eine künstliche Fluoridierung des Trinkwassers erfolgt oder diskutiert wird. In Österreich ist eine derartige Anreicherung des Trinkwassers nicht zugelassen. Die Spanne zwischen der notwendigen täglichen Fluordosis (1-2 mg) und der zu einer chronischen Fluorintoxikation (z.B. Dentalfluorose) führenden Dosis (etwa 4-5 mg täglich) ist so gering, dass im Einzelfall Überdosierungen bei einer allgemeinen Fluoridierung des Trinkwassers nicht verhindert werden könnten.
Nitrat-/Nitrit-Problematik und ihre toxikologische Bedeutung
Nitrat ist in Trinkwasser und Lebensmitteln fast immer vorhanden, in den im Allgemeinen im
Wasser vorkommenden Konzentrationen aber als nicht toxisch anzusehen. Nahrungsmittel, insbesondere Gemüse, weisen meist wesentlich höhere Nitratgehalte als das Trinkwasser auf.
Nitrit entsteht als Zwischenprodukt natürlicher Ab- und Umbauvorgänge, sowohl bei der Oxidation von Ammonium, als auch bei der Reduktion von Nitrat. Der Parameterwert laut TWV beträgt 0,1
mg/l. Comly (1945) wies auf den Zusammenhang zwischen Säuglingsmethämoglobinämie (Cyanose, Blausucht) und Nitrit sowie hohem Nitratgehalt des Trinkwassers hin. Nitrat wird durch Bakterien
(z.B. durch Enterobakterien) oder Metalle (z.B. Zink aus neuverlegten, verzinkten Eisenrohren) zu
Nitrit reduziert. Dieses kann beim Säugling - insbesondere in den ersten 6 Lebensmonaten - Cyanose (innere Erstickung) hervorrufen. In dieser Zeit besitzt der Säugling noch fetales Hämoglobin, das
gegenüber Nitrit wesentlich empfindlicher reagiert als das Hämoglobin des erwachsenen Menschen.
Zusätzlich haben Neugeborene im ersten Lebensvierteljahr noch einen erhöhten pH-Wert des Magensaftes, weshalb oral aufgenommene Bakterien, welche Nitrate der Nahrung zu Nitriten reduzieren vermögen, nicht inaktiviert werden können. Im fetalen Hämoglobin wird das II-wertige Eisen
zum III-wertigen Eisen oxidiert, wodurch die Sauerstoffabgabe an das Gewebe verhindert und die
Methämoglobinämie verursacht wird. Eine weitere Gefahr der Nitritaufnahme besteht in der möglichen Bildung kanzerogener Nitrosamine, die im Magen beim Zusammentreffen von sekundären
Aminen mit exogenem (von außen zugeführtem) oder endogenem (im Organismus gebildetem) Nitrit entstehen können.
- Nitratgehalte des Trinkwassers
Die Nitratbelastung unserer Gewässer hat verschiedene Ursachen. Gründe dafür liegen einerseits in undichten Senkgruben, defekten Kanalisationssträngen, undichten Abfalldeponien mit Sicherheit aber in der intensiv betriebenen Landwirtschaft. Überhöhter Mineraldüngereinsatz, Klärschlammaufbringung und unsachgemäßer Gülleentsorgung (Massentierhaltung) gelten als Hauptverursacher. Am meisten gefährdet sind dabei Einzelwasserversorgungsanlagen (Hausbrunnen).
151
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Tab. 3.18:
Nitrat-, Nitrit-,
und Ammoniumwerte ausgewählter
Wasserwerke
Wasserwerke
Nitrat
(mg/Liter)
Nitrit
(mg/Liter)
Ammonium
(mg/Liter)
Eisenkappel-Vellach
1-3
n. n.
n. n.
Klagenfurt
15-17
n. n.
n. n.
Klosterneuburg
12
-
<0,03
Leibnitzerfeld
9-25
n. n.
n. n.
Linz
10-39 a
n. n.
n. n.
Münster-Kufstein
7
<0,01
<0,01
NÖSIWAG
1-49 a
<0,01
<0,01
Salzburg
5-9
n. n.
n. n.
n. n.
n. n.
Schenkenfelden
(33) 5 b
Strengberg
2
n. n.
n. n.
Nördliches Burgenland
15-30 a
-
-
Graz
5-10
<0,02
<0,02
Mittleres Burgenland
13
<0,01
<0,05
Lockenhaus
10
<0,02
<0,02
Wien
2-6
<0,008
<0,01
n. n. : nicht nachweisbar bzw.< BG: unter Bestimmungsgrenze
a je nach Wasserspender
b vor und nach der Aufbereitung
- keine Angaben
Diese sind mit einem wesentlich höheren Risiko behaftet als zentrale Versorgungsanlagen, da fast immer notwendige Schutz- und Schongebiete fehlen. Die
stetige Belastung der Grundwässer ist mittlerweile aber auch für größere Wasserwerke problematisch. Die Hauptbelastungsgebiete sind in Niederösterreich, der
Steiermark und in Oberösterreich zu finden. In diesen Bundesländern gibt es Akkerbaugebiete, wo Nitratwerte bis zu 200, vereinzelt sogar bis 300 mg/l auftreten.
Trinkwasser mit mehr als 50 mg/l Nitrat darf gemäß TWV nicht in Verkehr gebracht werden und sollte insbesondere nicht für die Ernährung von Säuglingen bis
zum Ablauf des sechsten Lebensmonats verwendet werden. Der Nitratgehalt des
Trinkwassers in Österreich stellt im Allgemeinen noch kein Problem dar. In vielen
Grundwässern hat aber in den letzten Jahrzehnten die Nitratkonzentration auf
Grund der Überdüngung von landwirtschaftlich genutzten Flächen erheblich zugenommen.
Die erfassten Daten des Umweltbundesamtes weisen auf die sanierungsbedürftigen Grundwassergebiete hin. Die österreichweit durchgeführten Messungen
des Grundwassers (1994/95) zeigen, dass etwa 70% der Proben einen Nitratgehalt 30 mg/l und ca. 82% einen Nitratgehalt 45 mg/l aufweisen (WassergüteErhebungsverordnung, BGBL. Nr. 338/91). Problemregionen stellen hinsichtlich
der gegebenen Nitratbelastung insbesondere Teile der landwirtschaftlich intensiv
genutzten Gebiete im Norden, Osten und Südosten Österreichs dar. Festzuhalten
ist, dass im Allgemeinen die Nitratwerte an den seit 1991/92 kontinuierlich beobachteten Messstellen im Beobachtungszeitraum relativ stabil sind. 72% der Messstellen weisen keinen statistisch abgesicherten Trend auf. Dessen ungeachtet zeigen die Messstellen im Jahresverlauf jedoch zumeist kleinere, insbesondere im
Nahbereich von Fließgewässern auch größere, saisonale Schwankungen.
Generell kann der öffentlichen Wasserversorgung in Österreich ein gutes
Zeugnis ausgestellt werden. Die Nitrat-Mittelwerte liegen mit 24,6 mg/l im Burgenland, 24,1 mg/l in Oberösterreich und 23 mg/l in Niederösterreich unter dem
Richtwert von 25 mg/l. In der Steiermark und in Kärnten liegt der Mittelwert bei
14 bzw. 10 mg/l. Die Bundesländer mit den besten Nitrat-Mittelwerten sind Salz-
152
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Bundesland
Atrazin
Desethylatrazin
Anzahl
>0,1
der Werte
ges.
>0,5
Anzahl
>0,1
der Werte
ges.
>0,5
Burgenland
1273
336
85
1274
354
86
Kärnten
2317
234
23
2320
597
74
Niederösterreich 3939
897
203
3939
1049
188
Oberösterreich
2689
1080
124
2689
1453
224
Salzburg
831
46
13
831
88
15
Steiermark
2449
917
186
2449
1.182
457
Tirol
1475
66
20
1474
158
14
Vorarlberg
710
23
1
710
33
0
Wien
490
154
19
490
216
47
Quelle: Wassergüteerhebungsverordnung BGBl.Nr.338/91, Auswertung: Umweltbundesamt
(Stichtag 11.1.1996)
burg (5 mg/l), Vorarlberg (3,9 mg/l), Wien (4,7 mg/l) und Tirol (2,25 mg/l). Bei
der Hausbrunnenqualität lässt sich ein starkes Ost-West Gefälle der Nitratwerte
feststellen: Sehr niedrige Werte von Brunnenuntersuchungen stammen aus Tirol
(4 mg/l), gefolgt von Salzburg (5 mg/l) und Vorarlberg (6 mg/l). In der Steiermark
liegt der Mittelwert bei 27 mg/l, in Oberösterreich bei 26 mg/l und in Kärnten bei
17 mg/l.
Neben naturräumlichen Gegebenheiten können u. a. folgende Faktoren für eine Belastung des Grundwassers mit Nitrat ausschlaggebend sein:
- zu hohe Viehbesatzdichte und Problem der Entsorgung des anfallenden Wirtschaftsdüngers,
- zu hohe Stickstoffgaben (Mineral- und Wirtschaftsdünger) führen zu Überbilanzierungen,
- ungünstige Fruchtfolge (mit Brache),
- nicht ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung,
- zu geringe Lagerraumkapazitäten bedingen, dass Wirtschaftsdünger auch zu
ungünstigen Zeitpunkten (auf schneebedeckten oder gefrorenen Böden) ausgebracht werden.
Nitratgehalte <50 mg/l stellen hygienisch keine Probleme dar. Im Allgemeinen
aber darf das Nitratproblem nicht bagatellisiert werden und es müssen entsprechende Vorkehrungen getroffen werden, um diese Werte zu reduzieren und die
Ursachen für einen hohen Nitratgehalt (Überdüngung, Abwässer) zu beseitigen.
Die Konsumenten haben das Recht auf Informationen über die Qualität ihres
Trinkwassers. Die Wasserversorgungsunternehmen sind gemäß TWV verpflichtet,
dem Konsumenten die Pestizid- und Nitratwerte mitzuteilen.
Organische Schadstoffe
- Aliphatische Kohlenwasserstoffe
Aliphatische Kohlenwasserstoffe, wie Mineralöle und deren Produkte, verursachen in Wässern in geringsten Konzentrationen Geruchs- und Geschmacksveränderungen. Verdünnungen von ca. 1:10 Millionen sind geruchlich und geschmakklich nachweisbar.
- Phenole
Phenole sind einerseits natürliche, abbaubare Stoffwechselprodukte, andererseits können sie auch aus schädlichen Industrieabfällen stammen. Halogenierte
153
Tab. 3.19:
Anzahl der
Messungen
von Atrazin
und Desethylatrazin im
Bundesländervergleich
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Tab. 3.20:
Ergebnisse zur
Qualitätsuntersuchung der
Wiener Wasser
Parameter
I. Hochquelle
II. Hoch- Wasser- Paramequelle
werk Lo- terwert*)
bau
Analysedatum
05.03.03 05.03.03 05.03.03
Koloniebildende Einheiten (KBE)/ml
(22 Grad C Bebrütungstemperatur)
0
0
3
**)
Koloniebildende Einheiten (KBE)/ml
(37 Grad C Bebrütungstemperatur)
0
0
0
**)
coliforme Bakterien/250 ml
0
0
0
0
Escherichia coli/250 ml
0
0
0
0
elektrische Leitfähigkeit (µS/cm)
358
234
326
**)
pH-Wert
7,84
8,21
7,88
**)
Gesamthärte (Grad deutsche Härte)
10,55
7,30
12,14
Karbonathärte (Grad deutsche Härte) 9,02
7,64
8,42
Totaler organischer Kohlenstoff (mg/l) 0,58
1,08
1,43
**)
Ammonium (mg/l)
<0,01
<0,01
<0,01
**)
Nitrit (mg/l)
<0,008
<0,008
<0,008
0,1
Nitrat (mg NO3/l)
6,25
3,10
5,70
50
Chlorid (mg/l)
3,06
0,90
2,72
**)
Sulfat (mg/l)
21,28
4,00
16,94
**)
Quelle: Institut für Umweltmedizin der Stadt Wien
Phenole, wie sie z.B. durch Chlorung des Wassers entstehen, rufen eine intensive
Geruchs- und Geschmacksbeeinflussung hervor.
- Leichtflüchtige halogenierte aliphatische Kohlenwasserstoffe
Leichtflüchtige halogenierte aliphatische Kohlenwasserstoffe wie Trichlorethen
(Trichlorethylen) oder Tetrachlorethen (Perchlorethylen) werden als technische
Lösungsmittel (Metallentfettung, Putzereien) verwendet und gelangen durch Unfälle oder Unachtsamkeit ins Grundwasser. Gewisse Substanzen dieser Gruppe
können auch bei der Chlorung von Trinkwasser entstehen (z.B. Chloroform). Die
Problematik dieser Verbindungen liegt in der vermuteten und teilweise auch nachgewiesenen Kanzerogenität bei chronischer Vergiftung. Eine notwendige Chlorung
von Trinkwasser wegen dieser möglichen Gefährdung einzustellen ist allerdings
nicht gerechtfertigt.
- Pestizide
Pestizide werden zur Bekämpfung von Schädlingen bei Pflanzen und Tieren
sowie zur Unkrautvernichtung verwendet. Der Gehalt an Pestiziden im Trinkwasser ist durch die Trinkwasserverordnung geregelt, die den Betreiber einer Wasserversorgungsanlage auch zur Untersuchung auf diese Substanzen verpflichtet. Pestizide gelangen hauptsächlich durch die Landwirtschaft in das Grundwasser,
durch Unfälle und Sorglosigkeit auch größere Mengen. Die eigentliche Problematik der Pestizide ist ihre teilweise sehr geringe Abbaubarkeit im Grundwasser. Es
wurde festgestellt, dass Atrazin und sein Hauptabbauprodukt Desethylatrazin die
am häufigsten festgestellten Substanzen der positiven Befunde sind. Atrazin wurde überwiegend in Mais und Wein als Unkrautvernichtungsmittel eingesetzt. Andere Wirkstoffe sind sehr selten im Wasser nachweisbar (im unteren Prozentbereich der Proben). Der Parameterwert für Pestizide im Grund- und Trinkwasser beträgt 0,1 µg/l für ein einzelnes Pestizid und 0,5 µg/l für die Summe der festgestellten Pestizide.
154
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
- Polychlorierte Biphenyle
Polychlorierte Biphenyle werden im technischen Bereich verwendet, sind ebenfalls schwer abbaubar und reichern sich dadurch in der Natur an.
- Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe
Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe entstehen hauptsächlich bei der Verbrennung
von organischem Material wie Kohle, Öl oder Teer und gelangen so in die Luft, wo sie von Niederschlagswässern ausgewaschen werden und in das Grundwasser gelangen. In höheren Konzentrationen gelten sie als kanzerogen.
Schlussbetrachtung
Im Allgemeinen gibt die Wasserqualität in Österreich, geht man von bisher bekannten Daten
aus, keinen Grund zur Beunruhigung. Die potentiellen Grundwasser-Sanierungsgebiete (z.B. OstÖsterreich und das Marchfeld für Nitrat, oder die Mitterndorfer Senke für die leichtflüchtigen halogenierten aliphatischen Kohlenwasserstoffen) stellen sicher ein Problem dar. Ferner sollte eine unabhängige Stelle die chemische und bakteriologische Beschaffenheit des Wassers in Österreich und
die Untersuchungsergebnisse zentral erfassen, auswerten und die eventuellen Sanierungsmaßnahmen koordinieren.
Entsprechend der Berichtspflicht an die EU-Kommission werden Daten von Wasserversorgungsanlagen, die mehr als 5000 Personen versorgen, von den Bundesländern gemeldet und zentral vom zuständigen Ministerium erfasst.
In mikrobiologischer Hinsicht sind vor allem die Vereinheitlichung der Untersuchungsmethoden
und deren Evaluierung von großer Bedeutung. Der Einsatz neuer Technologien wie molekularbiologische, immunologische und enzymatische Methoden in der Mikrobiologie sind international längst
anerkannte Alternativen zu den herkömmlichen klassischen Nachweismethoden (OECD, 1998).
Dauerhafter Schutz des Grundwassers und damit des Trinkwassers der österreichischen Bevölkerung kann daher nur durch Verringerung bzw. Vermeidung des Schadstoffeintrags ins Grundwasser
erfolgen. Das heißt einerseits Vermeidung des punktuellen Eintrags von Schadstoffen in die Grundwasserleiter durch Industrieanlagen, Deponien, lecke Abwassersysteme, undichte Senk- und Sikkergruben sowie Unfälle. Flächenhafter Schadstoffeintrag ins Grundwasser stellt ein Problem dar,
das in seiner Bedeutung ständig zunimmt. Insbesondere der Einsatz von mineralischem und Wirtschaftsdünger sowie der Einsatz von Pestiziden gefährdet großflächig die Grundwasserqualität.
155
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
3.6 Bioproduke
Zusammenfassung
Die Nachfrage nach Biolebensmitteln steigt in vielen Ländern und so auch in Österreich ständig
an. Der geschätzte Marktanteil soll 2025 5-10% betragen. Die Mehrheit der Österreicher greift zumindest gelegentlich zu Bioprodukten. Der durchschnittliche Käufer solcher Lebensmittel ist heute älter als noch vor 20 Jahren. Er verfügt über zumindest mittleres Bildungsniveau, höheres Einkommen
und lebt meist in einem Haushalt mit 2-5 Personen. Als Kaufmotive der Konsumenten sind vor allem
gesundheitsbewusste Ernährung, Umweltschutz und Geschmack, zu nennen.
Bei pflanzlichen Lebensmitteln aus biologischem Anbau ist generell mit weniger Rückständen zu
rechnen (z.B. Nitrat, Pestizide). Die Unterschiede im Gehalt an wertgebenden Inhaltsstoffen (essentielle Nährstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe, Ballaststoffe etc.) fallen meist weniger deutlich aus. Zwar
können Lebensmittel aus biologischer Produktion im Rahmen einer insgesamt ausgewogenen Ernährung, dem Kaufmotiv gesundheitsfördernde Lebensmittel entsprechen, dass sie generell gesünder sind, lässt sich derzeit wissenschaftlich aber nicht belegen.
Die Bevorzugung von Nahrungsmitteln aus biologischer Produktion stellt nicht nur eine Absage
an die konventionelle Praxis der Lebensmittelproduktion dar, sondern leistet auch einen aktiven Beitrag zur Nachhaltigkeit und zu einem zukunftsfähigen ökologischen Gleichgewicht. Da eines der zentralen Kaufmotive für Bioprodukte das Interesse der Konsumenten an Umweltfragen ist, kann dieses
bestätigt werden.
Schlussendlich kann die Frage, ob Bioprodukte die Erwartungen der Konsumenten hinsichtlich
des Geschmacks erfüllen, mit "Ja" beantwortet werden. In so genannten Degustationstests, in denen die sensorische Qualität von Lebensmitteln beurteilt werden kann, werden Bio-Lebensmittel
großteils besser beurteilt.
Allgemeines
Die wachsende Sensibilisierung der Bevölkerung für Fragen der Nahrungsmittelsicherheit und
des Umweltschutzes hat in den letzen Jahren zu einer steigenden Anerkennung des Biologischen
Landbaus beigetragen. Nicht zuletzt können die Verbraucher sicher sein, dass Biolebensmittel auch
in Hinkunft ohne gentechnische Hilfsmittel hergestellt werden. Die steigende Akzeptanz ermutigt
umgekehrt die Produzenten von Bioprodukten, ihren Weg fortzusetzen.
Rund 54% der Österreicherinnen und Österreicher kaufen zumindest gelegentlich Bioprodukte
ein [BMLUF, 2001]. Von der Agrarmarkt Austria (AMA) wurde der Anteil von biologischen Erzeugnissen im Lebensmittelhandel 1998 auf rund 5% geschätzt [Wendt et al., 1999].
Eine interessante Frage in diesem Zusammenhang ist, inwieweit Bioprodukte den Kaufmotiven
der Konsumenten gerecht werden können. Erkenntnisse aus der Qualitätsforschung sollen zu diesem
Zweck der Erwartungshaltung der Käufer gegenüber gestellt werden.
Im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 wurden neben allgemeinen Anforderungen und gesetzlichen Bestimmungen auch Qualitätsmerkmale von Bioprodukten näher beschrieben [Elmadfa et
al., 1998].
Hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen hat es seither eine wesentliche Neuerung gegeben: die Produktion tierischer Lebensmittel wurde Mitte 2000 in den Geltungsbereich der EU-Verordnung (2092/91) über biologischen Landbau einbezogen. Die Regelungen erstrecken sich von der
Fütterung und Haltung der Tiere bis zur medikamentösen Behandlung. Die Verwendung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) ist darin verboten.
Biologischer Landbau wird in zahlreichen Ländern der Welt praktiziert und erfreulicherweise
wachsen die bewirtschafteten Flächen ständig an. Obwohl in Österreich schon um 1930 die ersten
biologisch-dynamischen Landwirtschaftsbetriebe entstanden sind, begann erst Mitte der 90er Jahre
die große Umstellungsperiode. Ohne Zweifel wurde der Weg durch zahlreiche Förderungsprogramme
156
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
(z.B. Biobauernzuschuss, Agrar-Umweltprogramm ÖPUL, etc.) der österreichischen Agrarpolitik geebnet.
Zur Zeit (Stand 2002) gibt es in Österreich rund 19.000 Biobauern, die rund
8,5% der landwirtschaftlichen Nutzfläche, das sind 254.000 ha, nach biologischen
Kriterien bewirtschaften. Damit nimmt Österreich relativ betrachtet die Spitzposition unter den europäischen Ländern ein [BMLUF, 2001].
Der Markt für Bioprodukte ist in vielen Ländern noch relativ klein, er wächst
jedoch überall kontinuierlich an. Es wird geschätzt, dass die Biolebensmittel bis
zum Jahr 2025 einen Anteil von 5-10% am europäischen Gesamtmarkt ausmachen werden.
Wer kauft Bioprodukte?
Die Produktionsausweitung der biologischen Landwirtschaft mit dem Ziel eines größeren Marktangebots zeigte gleichzeitig steigende Markterfolge. Eine unmittelbare Erklärung dafür lieferte die deutlich wachsende Kritik der Konsumenten
an den Strukturen der konventionellen Landwirtschaft und der Qualität ihrer Produkte.
Nach Ergebnissen der Verbraucherforschung, berücksichtigen große Konsumentengruppen in ihrer Kaufentscheidung auch ökologische und ethische Wertmaßstäbe. Außerdem spielen Produktmerkmale wie Authentizität, Regionalität
und Transparenz eine zentrale Rolle [Oppermann, 2000].
Das Alter gilt in den meisten Fällen als wesentlicher Parameter für den Einkauf
von biologischen Produkten. In den letzten Jahren fand eine sukzessive Verschiebung hin zu kaufkräftigeren Konsumenten statt.
Vor rund 20 Jahren wurden Produkte aus ökologischem Anbau noch verstärkt
von jüngeren Verbrauchern (25-34 J.) nachgefragt. Ältere Konsumenten, etwa ab
35 Jahren, reagierten erst mit zeitlicher Verzögerung auf die damalige Innovation
biologischer Produkte. 10 Jahre später (Mitte der 90er) wiesen die 50-65-Jährigen
den höchsten Konsumanstieg auf, während bei den jüngeren Verbrauchern der
Konsum von Bioprodukten auf dem Niveau von 1989 stagnierte [Fricke, 1995;
1996].
In westlichen Industrieländern macht die Altersgruppe der 30-49-Jährigen mit
einem Anteil von 76% die größte Gruppe der Ökokäufer aus [Jung, 1998]. Unabhängig vom Alter handelt es sich jedoch um eine sehr heterogene Personengruppe und der Kauf von Bioprodukten ist auf alle Fälle von der Sozialisation abhängig
[JUNG, 1998c].
Der durchschnittliche Käufer von biologisch erzeugten Lebensmitteln ist überwiegend jünger als 50 Jahre, mit einem oder zwei Kindern in einem 2 bis 5-Personen-Haushalt lebend und verfügt über ein höheres, zumindest mittleres Bildungsniveau [Meier-Ploeger et al., 1997].
Kartoffel
Milch
1999
Gem üse
1998
Käse
1997
Obst
0
5
10
15
Prozent
157
20
Abb. 3.22:
Anteil von Bioprodukten bei
ausgewählten
Warengruppen
[mod. nach
AMA, 1999]
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Eine weitere wesentliche Rolle scheint die Höhe des Einkommens zu spielen. Da Biolebensmittel
meist teurer sind, werden diese eher von Haushalten mit höherem Einkommen gekauft.
Warum greifen Konsumenten zu Bioprodukten?
Neben den genannten soziodemographischen Merkmalen können Käufer auch anhand ihrer Motive und Einstellungen charakterisiert werden.
Der Motivbegriff umfasst Bezeichnungen wie Bedürfnis, Trieb, Neigung, Streben etc. Gemeinsamkeiten ergeben sich bei all diesen Begriffen aus der Ausrichtung auf ein Ziel, das es zu erreichen
gilt.
Mit Einstellungen verbindet man hingegen Umwelteinflüsse und Erfahrungen, welche Meinungen
und Anschauungen prägen.
Eine inhaltliche Trennung zwischen beiden Begriffen und den daraus resultierenden Verhaltensweisen ist oft nicht möglich. Obwohl sich mit Hilfe von Einstellungen eher Käufergruppen segmentieren und Kaufverhaltensweisen prognostizieren lassen. Hingegen sind Kaufmotive mehr von einem
kurzfristigen Charakter geprägt und sie können durch marketingpolitische Maßnahmen verkaufsfördernd beeinflusst werden [Ziemann und Thomas, 2003].
Kaufmotive:
Das zentrale Motiv für den Kauf von biologisch erzeugten Lebensmitteln scheint die "Gesundheit"
zu sein, gefolgt von "Umweltschutzmotiven", erst dann dürften "geschmackliche Qualitätsmerkmale"
eine Rolle spielen. Die Reihenfolge der Kaufmotive wird auch vom betreffenden Lebensmittel beeinflusst, welches gekauft wird.
Einstellungen:
Als Einstellungen mit hohem Erklärungswert für das Kaufverhalten können folgende genannt
werden [Fricke, 1996c]:
- Vertrauen/Misstrauen in konventionell erzeugte Nahrungsmittel
- Wichtigkeit von gesunder Ernährung
- Bessere Eigenschaften von biologischen Produkten
Wobei die Entwicklung einiger Einstellungsdimensionen auf einen Trendwechsel hindeutet. Das
zwischen 1984 und 1989 sehr stark gesunkene Vertrauen in konventionelle Lebensmittel ist in den
letzten Jahren wieder angestiegen. In einer Kreuzauswertung nach Käufertyp zeigt sich eine positive Korrelation zwischen Misstrauen und steigendem Konsum von Bioprodukten [Fricke, 1996c].
Eine inhaltliche Übereinstimmung lässt sich somit in Bezug auf eine gesundheitsbewusste Ernährung, Umweltschutz und Geschmack im Sinne von Lebensmittelqualität erkennen. Diese Äquivalenz ist deswegen von Bedeutung, da positive Einstellungen erst in Verbindungen mit entsprechenden Motiven zu einem Kauf führen [Ziemann und Thomas, 2003].
Qualität von Lebensmitteln aus Biologischer Landwirtschaft
Der subjektive Begriff Qualität wird nach DIN-EN-ISO 8402 vorerst wertfrei definiert als die "Gesamtheit von Merkmalen einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen" [Beck, 1998].
Im Hinblick auf divergierende Anforderungen (Lebensmittelproduzent, Verarbeiter, Verbraucher,
etc.) kann die Definition von Qualität sehr unterschiedlich ausfallen. Entsprechend der klassischen
Ernährungswissenschaft wird die ernährungsphysiologische Qualität in erster Linie durch die Anforderungen, wie sie die Handelsklassenverordnung vorschreibt (Gewicht, Form, Größe, Farbe, Fehlerfreiheit) beurteilt. Außerdem durch einen hohen Anteil an wertgebenden Inhaltsstoffen (essentielle
Nährstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe, etc.) bei gleichzeitig geringem Anteil an wertmindernden Inhaltsstoffen (Schwermetalle, Pestizide, Nitrat, Toxine) [Meier-Ploeger, 1988].
In der konventionellen Landwirtschaft wird die Produktqualität hauptsächlich nach den drei Gesichtspunkten Genuss-, Gesundheits- und Eignungswert eingeteilt. Traditionell stehen dabei die unmittelbaren Eigenschaften des Produkts für die Bedürfnisse von Handel, Verarbeitung, Lagerung und
Transport (Eignungswert) im Vordergrund. Die Bedürfnisse des Konsumenten (Genuss-, Gesundheitswert) werden oftmals nur zum Teil berücksichtigt.
Zunehmend wird aber der Produktionsweise und Verarbeitung von Lebensmitteln bezüglich ihrer
Wirkung auf Gesellschaft und Umwelt (ökologischer, politischer, Sozialwert) eine höhere Beachtung
eingeräumt.
158
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
In den letzten Jahrzehnten beschäftigte sich eine Reihe von Forschungsarbeiten mit dem Thema der Qualität von Produkten aus biologischem Anbau, häufig im Vergleich zu konventionellen Lebensmitteln.
Sensorische Qualitätsbeurteilung:
Die sensorische Qualität von Lebensmitteln wird mit Hilfe geschulter Sinne (Sehen, Riechen,
Schmecken, Tasten) ermittelt und dabei werden die Faktoren Aussehen (Farbe, Form), Aroma (Geruch, Geschmack) und die Textur (Konsistenz, Saftigkeit) durch Verkostungstests (Degustation) beurteilt.
Zwar sind die Ergebnisse solcher Degustationstests nicht immer eindeutig, aber dennoch werden Bioprodukte tendenziell meist besser beurteilt. Beispielsweise bevorzugten 77% (n=482) bei
einem solchen Test mit Äpfeln, die biologisch angebaute Sorte [Velimirov et al., 1995].
Zu einem ähnlichen Ergebnis kam Varis et al. [1996], der die geschmackliche Qualität von biologisch angebauten Kartoffeln untersuchte.
Auch vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien wurden bereits solche
vergleichende sensorische Untersuchungen zwischen biologischer und konventioneller Ware (Apfelsäfte, Schafkäse, Fleischarten) durchgeführt (siehe Österreichischer Ernährungsbericht 1998).
Dabei wurden die biologischen Varianten von Rindfleisch und Apfelsäften in Summe besser beurteilt.
Es zeigt sich aber oft auch eine Abhängigkeit vom getesteten Produkt sowie von den technologischen Produktionsbedingungen.
In einer anderen Studie wurde untersucht, ob durch verschiedene Düngevarianten der Parameter Geschmack beeinflusst wird. Dabei ergab sich mit steigender Düngung eine leichte Abnahme von Geschmack, Konsistenz, Farbe und Geruch. Besonders deutlich war diese Tendenz bei den
mineralisch gedüngten Varianten [Schulz et al., 1997].
Nitratgehalt:
In der Diskussion um die Vorteile des biologischen Landbaus hat die möglicherweise geringere
Nitratanhäufung in Boden, Grundwasser und Ernteprodukt eine zentrale Stellung eingenommen.
Aber auch organisch produziertes Gemüse weist in der Regel weniger Nitratgehalt auf als konventionell erzeugtes bzw. mineralisch gedüngtes. Höherer Nitratgehalt in konventionell angebauten
Produkten tritt vor allem bei nitrophilen Gemüsearten wie Blatt-, Wurzel- und Knollengemüse auf
[Woese et al., 1995].
Ernährungsphysiologisch relevante Inhaltsstoffe:
Eine Fähigkeit der Pflanzen ist es, sich an unterschiedliche Umweltbedingungen anzupassen.
Neben der äußerlichen Gestaltveränderung werden auch Veränderungen in deren stofflichen Zusammensetzung beschrieben.
Zahlreiche Analysen von wertgebenden Inhaltsstoffen (Vitamine, Mineralstoffe, sekundäre
Pflanzenstoffe etc.) zeigen entweder keine signifikanten Unterschiede zwischen biologischen und
konventionellen Produkten oder Bioprodukte sind hinsichtlich der beschriebenen Inhaltsstoffe und
des Trockenmassegehalts tendenziell überlegen.
Auch bei Milch, Fleisch und Eiern können verschiedene Qualitätsmerkmale durch die Fütterung
beeinflusst werden. Über die Bedeutung von konjugierten Fettsäuren wurde in jüngster Vergangenheit diskutiert. Im Pansen von Wiederkäuern entstehen durch bakterielle Hydrierung aus Linolsäure und anderen mehrfach ungesättigten Fettsäuren (PFS) konjugierte Derivate. Ihnen wird, wie
den PFS, unter anderem eine antikanzerogene und antiatherogene Wirkung zugeschrieben. Wegen
ihrer besonderen ernährungsphysiologischen Eigenschaften findet die Linolsäure mit zwei konjugierten Doppelbindungen (CLA) hervorragende Beachtung. Im Fleisch von Rindern aus biologischer
Haltung wurde in einer Studie von Pastushenko et al. [2000] im Vergleich zur herkömmlichen Tierhaltung eine 10fach höhere Konzentration an CLA ermittelt. Die Erklärung für diesen Unterschied
wird im unterschiedlichen verwendeten Futter gesehen. Durch den höheren Rohfaser- und geringeren Energiegehalt des Weidefutters bei Freilandhaltung (wie auf Biobetrieben üblich) wird die
Entstehung von CLA durch begünstigte Fermentationsbedingungen gefördert.
159
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Pestizidrückstände und Schwermetallbelastung:
Im biologischen Landbau ist der Einsatz von Xenobiotika stark eingeschränkt bzw. dürfen chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel nicht eingesetzt werden. Deshalb ist es nicht überraschend,
dass Produkte aus biologischer Landwirtschaft deutlich geringer mit Rückständen von Pflanzenschutzmitteln belastet sind als Produkte aus konventionellem Landbau.
Hinsichtlich der Schwermetallbelastung fallen die Unterschiede weniger deutlich aus. Vermutlich
ist die Ursache im ubiquitären Vorkommen von Schwermetallen, wie Blei, Cadmium und Quecksilber
zu finden.
Lagerungsverhalten:
Bei der Beurteilung der Produktqualität wird oft auch das "Nachernteverhalten" zur Differenzierung zwischen biologischer und konventioneller Ware herangezogen. Der Begriff "Nachernteverhalten" wird häufig synonym mit Lagerungsverhalten, Lagerungsfähigkeit, Lagerungseignung, Haltbarkeit oder aus dem Englischen "post harvest condition" verwendet.
Die Resultate aus diversen Untersuchungen weisen im Allgemeinen darauf hin, dass ein besseres Lagerungsverhalten der biologischen Produkte ein durchaus geeigneter Parameter für die Differenzierung unterschiedlicher Anbausysteme sein kann [FAO, 2000].
Tierversuche:
Futtermittel aus unterschiedlichen Anbaubedingungen dienen als Grundlage für Fütterungsversuche und Futterwahlversuche, mittels deren Aussagen über die Qualität der Nahrungspflanzen und
ihre Auswirkungen auf biologische Merkmale (z.B. Fruchtbarkeit der Versuchstiere) getroffen werden.
Durch Fütterungsversuche kann die Bedeutung der Inhaltsstoffe für die Gesunderhaltung von
Lebewesen beurteilt werden. Die entsprechenden Forschungsergebnisse zeigten dabei einen positiven Einfluss von biologischer Fütterung auf die Fruchtbarkeit und Gesundheit der Versuchstiere.
Bei Futterwahlversuchen wird das instinktive Wissen der Versuchstiere, ihre physiologischen Bedürfnisse zu befriedigen, zu Hilfe genommen. Damit soll auf ganzheitliche Weise die physiologische
Produktqualität geprüft werden. Die Bevorzugung von Bioprodukten konnte in solchen Futterwahlversuchen mehrfach belegt werden.
Eine im Jahr 1999 vom Ludwig-Boltzmann Institut für Biologischen Landbau durchgeführte
marktorientierte Vergleichsuntersuchung an Karotten zeigte, dass bei dem einwöchigen Futterwahlversuch mit Laborratten von den biologischen Karotten signifikant mehr gefressen (81%) wurde als
von der konventionellen Variante [Velimirov, 1999].
Schlussbetrachtung
Biologische Landwirtschaft zeichnet sich gegenüber der konventionellen hauptsächlich durch den
Verzicht von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln, eine nachhaltige Fruchtfolge sowie eine
standortangepasste Auswahl der Nutztierrassen aus. Außerdem benötigt der biologische Landbau
gegenüber dem herkömmlichen pro Fläche nur etwa ein Drittel der fossilen Energie. Somit ist die Biologische Landwirtschaft von hohem Nutzen für die Umwelt, z.B. für die Sicherung der Artenvielfalt
und des Klima- und Trinkwasserschutzes. Eines der zentralen Kaufmotive der Konsumenten ist ihr
Interesse an Umweltfragen. Dieses kann von Seiten des gegenwärtigen Standes der Wissenschaft
bestätigt werden.
Die Bewertung der Lebensmittelqualität im vergleichenden Sinn ist ebenfalls von besonderer Bedeutung. Bei pflanzlichen Lebensmitteln aus biologischem Anbau ist generell mit weniger Rückständen zu rechnen (z.B. Nitrat, Pestizide). Die Unterschiede im Gehalt an wertgebenden Inhaltsstoffen
(essentielle Nährstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe, Ballaststoffe etc.) fallen meist weniger deutlich
aus. Zwar können Lebensmittel aus biologischer Produktion im Rahmen einer insgesamt ausgewogenen Ernährung, dem Kaufmotiv gesundheitsfördernder Lebensmittel entsprechen, dass sie generell gesünder sind, lässt sich derzeit wissenschaftlich aber nicht belegen.
Die Rangfolge von Ernährungsrisiken wird aus der Sicht der Konsumenten häufig falsch gewichtet, da nicht Umweltkontaminanten oder Zusatzstoffe, sondern noch immer das Ernährungsverhalten (Fehlernährung), pathogene Keime (mangelhafte Hygiene) und natürlich vorkommende toxische
Inhaltsstoffe die Rangfolge der Risiken im Ernährungssystem anführen. Schlagworte wie "gesünder"
sollten im Rahmen von wissenschaftlichen Diskursen zurückhaltend verwendet werden, vor allem in
Bezug auf Fremd- und Schadstoffe. Das Freisein der Lebensmittel von diesen Stoffen wird von den
160
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Konsumenten als eine Selbstverständlichkeit betrachtet und nicht als eine Besonderheit. Eine realisierbare Gesundheitsförderung und Risikominimierung chronischer Erkrankungen stellt die bedarfsgerechte, vielseitige, überwiegend vegetabile Ernährungsweise, mit einem hohen Ballaststoff- und
Frischeanteil dar. Die Bevorzugung von Nahrungsmitteln aus biologischer Produktion stellt nicht nur
eine Absage an die konventionelle Praxis der Lebensmittelproduktion dar, sondern leistet auch einen
aktiven Beitrag zur Nachhaltigkeit und zu einem zukunftsfähigen ökologischen Gleichgewicht.
Schlussendlich kann die Frage, ob Bioprodukte die Erwartungen der Konsumenten hinsichtlich
des Geschmacks erfüllen, mit "Ja" beantwortet werden. In so genannten Degustationstests, in denen die sensorische Qualität von Lebensmitteln beurteilt werden kann, werden Bio-Lebensmittel
großteils besser beurteilt.
161
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
3.7 Gentechnisch veränderte Lebensmittel
Zusammenfassung
Obwohl die Europäer keine Angst vor neuen Technologien (Computer, Telekommunikation, Solarenergie, etc.) haben, lehnt der Großteil und allen voran die österreichische Bevölkerung den Einsatz von gentechnologischen Methoden im Bereich der Landwirtschaft und Lebensmittelherstellung
mit der Begründung "unsicher", "ökologisch bedenklich" und "unnatürlich" ab. Vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien wurden 1996, 2000 und 2002 Umfragen zum Thema
Gentechnik und ihren Anwendungen im Lebensmittelbereich durchgeführt. Das allgemeine Wissen
über Bio- und Gentechnologie hat sich in diesem Zeitraum von 7 Jahren geringfügig verbessert. In
einem europaweiten Vergleich des Allgemeinwissens über Biotechnologie platziert sich die österreichische Bevölkerung im Mittelfeld. Das ergab die letzte "Eurobarometer-Umfrage, 2002" zum Thema
Biotechnologie.
Als Hauptinformationsquellen wurden Massenmedien (TV, Zeitungen, etc.) genannt. Der Anteil
derjenigen, die sich nicht ausreichend über GV-Lebensmittel informiert fühlten, war in allen drei Befragungen mit rund 85% weitgehend gleich groß.
Obwohl sich die Kaufbereitschaft von gentechnisch veränderten Lebensmitteln wesentlich erhöht
hat, lag diese in der letzten Befragung immer noch unter 20%. Am ehesten würden GV-Lebensmittel
noch gekauft werden, wenn diese für den Verbraucher einen nachvollziehbaren und akzeptierten
Nutzen mit sich brächten. Der Kennzeichnung kommt in diesem Zusammenhang eine herausragende Bedeutung zu. Über 90% des Studienkollektivs in allen drei Umfragen wünschte sich eine entsprechende Kenntlichmachung solcher Produkte. Diese soll informieren und dem Käufer Wahlmöglichkeiten einräumen. Von der Mehrheit der Befragten wurden Zusatzinformationen über die Unterschiede zwischen den GV-Lebensmitteln und den herkömmlichen Lebensmitteln gewünscht.
In den voraussichtlich noch 2003 im EU-Raum in Kraft tretenden neuen und strengeren Regelungen im Bereich gentechnisch modifizierter Lebensmittel wurde versucht, viele Forderungen der
Konsumenten und Verbraucherschutzorganisationen zu berücksichtigen. Als unmittelbare Folge der
neuen Verordnung wird jedoch aller Voraussicht nach das seit 1998 bestehende De-facto-Moratorium
für GV-Pflanzen fallen. Auch wenn sich nach wie vor einige Länder und deren Bevölkerung für eine
Verlängerung dieses Stillhalteabkommens aussprechen.
Allgemeines
Zulassung und Kennzeichnung von Lebensmitteln aus gentechnisch veränderten Organismen
(GVO) werden in der EU bisher durch die seit 1997 gültige Novel-Food-Verordnung geregelt (VO Nr.
258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997). Dort zählen sie zu einer
von sechs Kategorien von "neuartigen Lebensmitteln" (= Novel Food). Im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 sind diese ausführlich beschrieben [Elmadfa et al., 1998].
Im Juli 2003 hat das EU-Parlament zwei neue Regelungen im Bereich gentechnisch veränderter
Lebensmittel angenommen. Somit werden gentechnisch hergestellte Lebens- und Futtermittel künftig unter eine eigene Verordnung fallen. Die neuen, deutlich strengeren Regelungen werden voraussichtlich noch 2003 in Kraft treten.
Es handelt sich dabei um die Verordnung über "genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel" (Kommissionsvorschlag KOM/2001/425) sowie um die Verordnung "über die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von genetisch veränderten Organismen und über die Rückverfolgbarkeit von
aus genetisch veränderten Organismen hergestellten Lebensmitteln und Futtermitteln" (Kommissionsvorschlag KOM/2001/182).
Unter die neue Verordnung fallen erstmals auch Futtermittel, die jetzt genauso wie Lebensmittel
behandelt werden. Lebensmittel und Zutaten mit geringfügigen GVO-Beimischungen sind von der
neuen Regelung ausgenommen. Es gilt ein Schwellenwert von 0,9% und zudem müssen diese Anteile zufällig und technisch unvermeidbar in ein Produkt gelangt sein.
Bedingungen für die Zulassung von GV-Lebensmitteln
Die Kriterien um eine Zulassung zu erhalten bleiben grundsätzlich wie in der Novel Food-Verordnung:
1. gesundheitliche Unbedenklichkeit
2. keine Irreführung, Täuschung des Verbrauchers
162
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
EU-Land
Gentests Klonen
Enzymvon
produkmensch- tion
lichen Zellen
XenoPflanzen- Lebenstransproduk- mittelplantation tion
produktion
Spanien
++
++
++
+
++
+
Portugal
++
++
+
+
+
+
Irland
++
+
+
+
+
+
Belgien
++
+
+
+
+
-
Schweden
++
++
+
+
-
-
Dänemark
++
+
+
+
-
-
UK
++
+
+
+
+
-
Finnland
++
+
+
-
+
+
Luxemburg
++
++
+
+
-
--
Deutschland
+
+
+
+
+
-
Italien
++
++
+
+
-
-
Niederlande
+
+
+
+
+
-
Frankreich
++
+
-
+
-
--
Griechenland
++
+
+
-
-
--
Österreich
+
+
+
-
-
-
++ starke Unterstützung (0,5 und darüber); + schwache Unterstützung (0,0 bis 0,49)
- schwache Ablehnung (0,0 bis -0,49); -- starke Ablehnung (-0,5 und darunter)
3. der normale Verzehr als Ersatz des konventionellen Lebensmittels führt zu keinen Ernährungsmängeln
Umfangreiche Änderungen sind jedoch bei den Genehmigungsvoraussetzungen zu erwarten. So wird beispielsweise vom Prinzip der "Substanziellen Äquivalenz" abgegangen werden.
Auch bei der Kennzeichnung wird vom derzeitigen Nachweisprinzip abgegangen. Alle Lebens- und Futtermittel, in denen auch nur ein Teil des Ausgangsprodukts gentechnisch verändert wurde, müssen mit der Kennzeichnung "Produkt
enthält gentechnisch veränderte Organismen" bzw. "...wurde aus gentechnisch
veränderten Organismen hergestellt" versehen werden.
Voraussetzung für das neue Kennzeichnungskonzept ist die Rückverfolgbarkeit und lückenlose Dokumentationen von gentechnischen Veränderungen über
die gesamte Produktionskette hinweg.
Akzeptanz von GV-Lebensmitteln in Europa
Wie die letzten Eurobarometer-Umfragen im Bereich Biotechnologie
(n=16500) zeigten, haben die Europäer keine Angst vor neuen Technologien. Die
überwiegende Mehrheit glaubt, dass Computer, Internet, Telekommunikation, Solarenergie etc. die Lebensqualität in den nächsten 20 Jahren verbessern werden.
Hingegen lehnt der Großteil der Europäer den Einsatz von Nuklearenergie ab und
in der Bio- bzw. Gentechnologie wird zwischen den verschiedenen Anwendungsgebieten unterschieden. Im medizinischen Bereich werden neue Technologien
vom europäischen Konsumenten weitgehend akzeptiert. Im Gegensatz dazu stößt
der Einsatz von Gentechnik im Bereich der Landwirtschaft und Lebensmittelherstellung überwiegend auf Ablehnung. In Österreich ist die Akzeptanz für die Anwendung der Gentechnik im Vergleich zu anderen Ländern sehr gering (Tab. 3.21)
[Eurobarometer BT, 2002].
163
Tab. 3.21:
Ausmaß der
Unterstützung
bzw. Ablehnung für sechs
Einsatzmöglichkeiten der
Gentechnik
[mod. nach
EUROBAROMETER BT, 2002]
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Abb. 3.23
Trends in der
Kaufbereitschaft von
gentechnisch
veränderten
Lebensmitteln
in Österreich
100%
80%
60%
Nein
40%
Ja
20%
0%
1996
2000
2002
Bekanntlich existiert in der EU seit 1998 ein vom Umweltministerrat beschlossenes de-facto-Moratorium für alle Neuzulassungen von gentechnisch veränderten Lebensmitteln. In allen Ländern (Ausnahme: Belgien), die für eine Verlängerung dieses Zulassungsstopps sind (Frankreich, Italien, Griechenland, Dänemark,
Luxemburg und Österreich), spricht sich die Mehrheit der Bevölkerung gegen den
Einsatz von Gentechnik im Bereich der Lebensmittelproduktion aus [EB BT, 2002].
Bis vor einigen Jahren bestand zwischen Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitern, Handel und Verbrauchern ein Vertrauensverhältnis. Daher war in der Vergangenheit das Interesse der Bevölkerung an Details bezüglich Herstellungsmethoden nicht sehr groß. Zahlreiche Lebensmittelskandale (z.B. BSE, Nitrofen in
Hühnerfleisch etc.) haben das Vertrauen der Konsumenten erschüttert. Zusätzlich
hat der Einsatz von Gentechnik in der Lebensmittelproduktion eine neue Situation
geschaffen. Mangelnde Transparenz und Nichtwissen bezüglich der Sinnhaftigkeit
von neuen Technologien und Produktionsmethoden können den Konsumenten
verunsichern und letztendlich zur ablehnenden Haltung gegenüber innovativer
Produktionsmethoden führen.
Trends und Akzeptanz von GV-Lebensmitteln in Österreich
Vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien wurden in
den letzten drei Jahren zwei Studien zum Thema gentechnisch veränderte Le-
Unnatürlichkeit
Unsicherheit
ökologisch bedenklich
2002
2000
1996
Ethik
Abb. 3.24:
Gründe für die
Ablehnung von
gentechnisch
veränderten
Lebensmitteln,
Vergleich
1996-2002
Gesundheitsgefährdung
Unnötigkeit*
0
5
10
15
20
Antw orten in %
164
25
30
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
bensmittel durchgeführt. Aufgrund der aktuellen Gegebenheiten sollen die Untersuchungen vor allem im Hinblick auf die Kaufbereitschaft von solchen Erzeugnissen und der Erwartungshaltung hinsichtlich der Kennzeichnung ausgewertet werden. Außerdem können die Ergebnisse mit der inhaltlich nahezu identischen Umfrage des Instituts aus dem Jahre 1996 verglichen werden. Die damaligen Ergebnisse wurden im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 beschrieben [Elmadfa et al.,
1998].
Eine der beiden aktuellen Teilstudien wurde im Herbst 2000 in Oberösterreich (Stadt und ländlicher Bereich) durchgeführt. Von den 600 an Erwachsene ausgegebenen Fragebögen konnten 452
ausgewertet werden. Davon waren 182 von Frauen, 266 von Männern, 4 Personen machten keine
Angaben zum Geschlecht.
Die zweite Erhebung zu dieser Thematik fand im April/Mai 2002 in Wien und Wien/Umgebung
statt. Unter den insgesamt 600 gültig befragten Erwachsenen waren 327 Frauen und 273 Männer.
Das allgemeine Wissen der Bevölkerung zur Bio- und Gentechnologie kann aufgrund der Ergebnisse durchaus als beachtlich eingestuft werden. Die überwiegende Mehrheit des Gesamtkollektivs
(zwischen 72 und 95%) aus beiden Teilstudien konnte die Begriffe "Gene", "Gentechnologie" und
"Biotechnologie" richtig zuordnen. 1996 wussten zwischen 69 und 88% die richtigen Antworten zu
den Fragen [Elmadfa und Weiss, 1997]. In einem Vergleich mit anderen EU-Ländern liegen die österreichischen Konsumenten mit ihrem allgemeinen Wissen über Gene und Biotechnologie im Mittelfeld
[EB BT, 2002]. Der Kenntnisstand hat sich in den letzten drei bis vier Jahren tendenziell verbessert.
Nahezu unverändert ist aber der Anteil an Personen geblieben (rund 85%), die sich zum Thema
"gentechnisch veränderte Lebensmittel" (GVL) nicht ausreichend informiert fühlten. Der Großteil der
Befragten kam über Tageszeitungen und Fernsehen mit dem Thema in Kontakt. In "Massenmedien"
werden Informationen jedoch oft nur verkürzt und dadurch leicht missverständlich aufbereitet.
Wie Abb. 3.23 veranschaulicht, verdoppelte sich die Kaufbereitschaft im Vergleich zu den vergangenen Jahren. Dennoch war der Prozentsatz derjenigen, die GVL kaufen würden mit 16% vergleichsweise gering. Weil sie "länger haltbar sind", "Zusatzstoffe ersetzen" und "billiger sind" wurden hauptsächlich als Gründe für einen Kauf genannt. In der Eurobarometer-Befragung waren der
Gesundheitsnutzen durch geringere Pestizidrückstände und ein möglicher Nutzen für die Umwelt die
überzeugendsten Argumente, welche für einen Kauf sprachen. Überraschenderweise lag bei dieser
Studie der Preis als Kaufanreiz für GVL an letzter Stelle [EB BT, 2002].
Die Ablehnung von GV-Lebensmitteln hält noch an
Viele Bemühungen von Seiten der Regierung, Industrie oder Organisationen wie Greenpeace bezüglich Gentechnik zu informieren, sind von der Annahme geleitet, dadurch die Einstellung der Öffentlichkeit beeinflussen zu können. Die These über den Zusammenhang zwischen spezifischem
Wissen und Akzeptanz dürfte aber vielmehr auf Vermutungen und Hoffnungen beruhen [Pfister et
al., 1999].
Gentechnisch veränderte Lebensmittel wurden in den beiden letzten Umfragen häufiger aufgrund ökologischer Bedenken abgelehnt als noch 1996. Hingegen waren ethische Gründe und die
Unnatürlichkeit von GVL für die vorhandene Skepsis aktuell weniger ausschlaggebend (Abb. 3.24).
Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Studien eine breite Ablehnung von GVL, wonach es ziemlich schwierig sein dürfte, für solche Produkte Käufer zu finden.
Auf die Frage, ob das Studienkollektiv ein gentechnisch modifiziertes Weißbrot kaufen würde,
das länger frischt bleibt und nicht teurer als herkömmliches Weißbrot ist, antwortete die überwiegende Mehrheit mit "eher nein". In der vor drei Jahren in Oberösterreich durchgeführten Befragung
gaben nur 10% an, ein solches Brot kaufen zu wollen und 2002 im Raum Wien waren es 15%. Insgesamt sprachen sich signifikant mehr Männer als Frauen für einen Kauf aus. Auch hinsichtlich des
Alters waren signifikante Unterschiede zu erkennen. Größere Kaufbereitschaft zeigte sich bei den unter 30-Jährigen.
Das bedeutet, dass sich selbst bei einem offensichtlichen Nutzen für den Verbraucher (längere
Haltbarkeit, billiger, etc.) keine erhöhte Kaufbereitschaft zeigte.
In den USA ist seit 1998 eine gentechnisch veränderte Tomate – Flavr-Savr® – zugelassen, die
trotz Ernte im ausgereiften Zustand bis zu 6 Wochen gelagert werden kann, ohne matschig zu werden ("Anti-Matsch-Tomate"). Zu dieser Aussage sollten vorgegebene Antwortmöglichkeiten ausgewählt werden. 93% (2000) bzw. 87% (2002) waren der Meinung, dass "heimische Tomaten eher
nach biologischen Richtlinien produziert werden sollten", womit sich die große Mehrheit gegen GVTomaten aussprach.
165
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Abb. 3.25:
Gewünschte
Zusatzinformationen bei der
Kennzeichnung
von gentechnisch veränderten Lebensmitteln
Unterschied
Anteil im
Produkt
2002
2000
1996
Herstellungsland
Kalorien und
Nährwert
0
20
40
60
80
Häufigkeiten* in %
*Mehrfachantworten waren möglich
Anders als in USA, Japan und Kanada sind in der EU weder gentechnisch veränderte Tomaten, noch die daraus hergestellten Produkte, zugelassen. Der Anbau
von GV-Tomaten geht derzeit jedoch auch in den USA zurück und es bestehen
Tendenzen, dass dieser ganz eingestellt wird. Die Firma Calgene (heute Monsanto) führt den mangelnden Erfolg auf die geringen Erträge und schlechte Resistenzeigenschaften der Anti-Matsch-Tomate zurück [Transgen, 2003].
Kennzeichnung von GV-Lebensmitteln: Mehr Information, höhere Akzeptanz?
Dennoch wird, wenn überhaupt, nur dann ein entsprechender Marktanteil zu
erreichen sein, wenn GV-Lebensmittel für den Konsumenten in bestimmter Weise
nützlich sein werden (Gesundheit, Umwelt, Preis, etc.) und dementsprechend gekennzeichnet sind. Der Vorteil muss für den Verbraucher jedoch nachvollziehbar
und unmissverständlich sein. Die Einführung neuer Produkte und Verfahren muss
von einem Gestaltungsdialog begleitet sein, in dessen Rahmen die Nutzungsformen der neuen Technik zwischen allen Beteiligten und Betroffenen der Gesellschaft ausgehandelt werden.
Nur eine verbraucherorientierte Information durch Wirtschaft, Wissenschaft
und Politik und die Transparentmachung von Produktionsprozessen kann das Vertrauen des Konsumenten in Lebensmittelproduktion und -verarbeitung gewinnen
[Simonis, 1996].
Wie erwähnt, kommt der Kennzeichnung in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. Sie ist nötig, um den Verbraucher richtig zu informieren
und ihm Wahlmöglichkeiten zu eröffnen.
Dass der Bedarf nach Kenntlichmachung gentechnisch modifizierter Produkte
besteht, zeigt auch das Ergebnis der hier diskutierten Umfragen:
Über 80% der Befragten sprachen sich für eine "unübersehbare, unmissverständliche Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel" aus und für
weitere 13% war zumindest ein "kurzer Hinweis auf eine eventuelle gentechnische Veränderung" wichtig.
Mit Sicherheit ist die Kennzeichnung von GV-Lebensmitteln im Sinne von Produzenten und Verbrauchern. Neben dem verfahrensspezifischen Hinweis auf die
Gentechnik wären zusätzliche Hinweise für den Verbraucher nützlich (z.B. mögliches Allergen für Allergiker).
Auf die Frage nach der Art der Zusatzinformation entschied sich die Mehrheit
(rund 60%) des Studienkollektivs (Oberösterreich und Wien) für die Antwortmöglichkeit "Informationen über Unterschiede des gentechnisch veränderten Produkts
zum herkömmlichen". Rund die Hälfte der Befragten wollte wissen, "wie hoch der
gentechnisch modifizierte Anteil am Gesamtprodukt ist" (Abb. 3.25).
166
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Um das Vertrauen der Konsumenten in "Gütesiegel" zu steigern, scheint eine sachgerechte und
Zielgruppenorientierte Aufklärung über GV-Lebensmittel durch Wirtschaft, Wissenschaft und Politik
angebracht.
Schlussfolgerung
Die Gentechnologie als Querschnittstechnologie wird in unterschiedlichen Anwendungsfeldern
genutzt. Ihr Einsatzbereich erstreckt sich über die Medizin und Pharmazie sowie Landwirtschaft und
Lebensmittelproduktion. Seit ihrer Einführung in den 80er Jahren bis heute ist sie Gegenstand von
überwiegend emotionell geführten Debatten. Von der Bevölkerung wird Gentechnologie nach Anwendungsbereichen differenziert bewertet. In der Pflanzen- und Tierzucht ist die ablehnende Haltung Europaweit am größten. Das generelle Unbehagen, das diese Technologie oft auslöst, scheint
an Einfluss zu verlieren, sobald über spezifische Anwendungen gesprochen wird. Auch in der Öffentlichkeit sind die Tendenzen dahingehend, dass nüchterner über diese Technologien diskutiert wird.
Die einzelnen Anwendungen werden offenbar stärker aufgrund ihrer spezifischen Effekte und vor allem aufgrund des erwarteten Nutzens beurteilt. Es bestehen Theorien, welche die geringe Akzeptanz
der GVL in zu geringem Wissen über Gentechnologie vermuten. Die vorliegenden Untersuchungen
bestätigen diese Thesen jedoch nicht. Information ist dennoch erwünscht und auch nötig. Die Verständigung mit dem Konsumenten kann nur durch einen offenen transparenten Dialog erfolgen, in
dem Wirtschaft und Politik die Bedenken der Verbraucher Ernst nehmen.
167
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
3.8 Nährstoffanreicherung von Lebensmitteln
Zusammenfassung
Das Interesse an nährstoffangereicherten Lebensmitteln (NAL) nimmt sowohl von Seiten der
Konsumenten als auch von Seiten der Lebensmittelproduzenten ständig zu. Dementsprechend wird
das Angebot am Markt immer umfangreicher. Das Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien führte deshalb in den letzten Jahren einige Studien zu diesem Thema durch. So ergab eine zwischen Dezember 1997 und Mai 1998 durchgeführte Geschäftsbegehung, dass 73% der insgesamt fast 500 verschiedenen am österreichischen Markt befindlichen Produkte mit Vitamin C angereichert waren. Damit kam dieses Vitamin mit Abstand am häufigsten zum Einsatz, obwohl der Ernährungsstatus der Bevölkerung mit Vitamin C als gut eingestuft werden kann. Mineralstoffe wurden
weitaus seltener zugesetzt. Die wenigsten NAL waren auf die Bedürfnisse von speziellen Zielgruppen
zugeschnitten. Die Mehrheit (rund 60%) eines aktuell befragten Kollektivs von Erwachsenen (n=312)
stand der Nährstoffanreicherung von Lebensmitteln eher skeptisch gegenüber. Die "Unnatürlichkeit"
solcher Produkte und eine "ausreichend gesunde Ernährung" wurden als Begründung für die ablehnende Haltung angeführt. Als Argumente für einen Kauf wurden das "Wohlbefinden" und etwaige
"Nährstoffdefizite aufzufüllen" genannt. Eine weitere Österreichweit durchgeführte Fragebogenerhebung (n=1700) zeigte eine gestiegene Akzeptanz von NAL. Rund 50% des befragten Kollektivs gaben an, solche Produkte zu kaufen. Ohne Zweifel wird durch den Verzehr von NAL die Zufuhr an einigen Vitaminen wirksam angehoben. Das Gesamtkollektiv (n=1700) deckte z.B. 40% der empfohlenen Vitamin C-Zufuhr alleine durch den Konsum von NAL. Leider erfolgt die Anreicherung meist
willkürlich und besondere Belange von etwaigen Risikogruppen, wie z. B. alte Menschen, werden zu
wenig beachtet. Bei Mikronährstoffen, bei denen eine Anhebung der Zufuhr durchaus sinnvoll wäre
(Folsäure, Vitamin D), ist wiederum die Dosierung zu gering. Andere Nährstoffe werden in Mengen
zugesetzt, die weit über das erforderliche Maß hinausgehen (z.B. Niacin). Jedoch besteht unter der
üblichen Anreicherungspraxis derzeit für die Allgemeinbevölkerung durch den Konsum von NAL keine Gefahr einer Überdosierung mit einzelnen Mikronährstoffen.
Allgemeines
Unter Anreicherung versteht man die Zugabe eines oder mehrerer essentieller Nährstoffe zu einem Lebensmittel, egal ob dieser Nährstoff natürlich in dem Lebensmittel enthalten ist oder nicht.
Das Konzept der Nährstoffanreicherung soll in diesem Beitrag klar von den sogenannten "Funktionellen Lebensmitteln" bzw. Functional Foods abgegrenzt werden, obwohl das oftmals schwierig ist.
Die primäre Funktion von Lebensmitteln ist die Grundversorgung mit Nahrungsenergie und essentiellen Nährstoffen. Der sekundäre Wert umfasst die sensorischen Eigenschaften. Funktionelle Lebensmittel sollen eine zusätzliche gesundheitsfördernde Wirkung bieten (tertiäre Funktion), die über
die erwähnten zwei Funktionen hinausgeht.
Eckdaten zur Entwicklung der Lebensmittelanreicherung
Die Nährstoffanreicherung von Lebensmitteln wurde bereits vor rund 80 Jahren eingeführt. Die
Jodierung von Tafelsalz in der Schweiz, Österreich und Deutschland, die Anreicherung von Margarine mit den Vitaminen A und D in Dänemark und Großbritannien sowie die Zugabe von Vitamin D zu
Milch und Milchprodukten in Skandinavien können als eine der ersten belegten Beispiele einer Nährstoffanreicherung von Lebensmitteln genannt werden. Das ursprüngliche Ziel von Anreicherungsmaßnamen war die Sicherstellung der Nährstoffversorgung in der Bevölkerung. Selbst bei einer ausgewogenen Ernährung ist es je nach geographischer Lage und regionalen Besonderheiten nicht immer möglich, alle essentiellen Nährstoffe in ausreichenden Mengen über die vorhandenen Lebensmittel und üblichen Konsumgewohnheiten aufzunehmen. Ein gutes Beispiel dafür ist die unzureichende Jodversorgung in Alpenländern, wie der Schweiz, Süddeutschland und auch Österreich. Seit
1924 ist daher auch in Österreich ein mit Jod angereichertes Salz auf dem Markt und 1963 wurde die
Jodierung (10 mg Kaliumjodid/kg) von Tafelsalz (für Endverbraucher) per Gesetz vorgeschrieben.
1990 wurde per Bundesgesetz eine Erhöhung des Kaliumjodid-Gehalts von 10 mg auf 20 mg/kg
Speisesalz beschlossen. Der Grund dafür war, dass der Jod-Status immer noch nicht zufriedenstellend war, bei geringer gewordenem Salzkonsum (um etwas mehr als die Hälfte).
168
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Produktgruppe
n
%
HerRechtliche Rahmenbedingungen
steller
Diese Zugabe von Kaliumjodid zu
(n)
Tafelsalz ist die einzige gesetzlich geBabynahrung
137
29,3 4
regelte Anreicherungsmaßnahme in
Österreich. Davon abgesehen ist die
Getränke
97
20,7 33
Lebensmittelanreicherung in ÖsterSüßwaren
79
16,9 27
reich frei, solange kein GesundheitsriGetränkepulver 50
10,7 18
siko gegeben ist und die Kennzeichnung nicht irreführend ist oder zur
Zerealien
41
8,8
11
Täuschung führt [LMG, 1975]. D.h. es
Milchprodukte
38
8,1
14
gilt das Missbrauchsprinzip, wonach
alles erlaubt ist, solange es nicht ausSpeisefette
14
3,0
1
drücklich verboten wird. Derzeit besteSalz
10
2,1
4
hen in den einzelnen Mitgliedsstaaten
Sonstiges
2
0,4
2
der Europäischen Union unterschiedliche nationale Vorschriften über den
Summe
468
100
87
Zusatz von Nährstoffen zu Lebensmitteln. In den letzten Jahren ist eine verstärkte Vermarktung und Nutzung von angereicherten Lebensmitteln festzustellen. Daher hat die Europäische Kommission im Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit die Notwendigkeit harmonisierter Regeln betont und für 2003 Vorschläge für
Rechtsakte angekündigt.
Tab. 3.23
Anzahl der Produkte und Hersteller von
nährstoffangereicherten Lebensmitteln am
österreichischen Markt
(1997/98)
Gründe für die Nährstoffanreicherung
Dem Anschein nach erfolgt die Nährstoffanreicherung heute, wo es keine gesetzlichen Normen gibt, eher aufgrund von technologischen und/oder ökonomischen Überlegungen. Häufig wird nicht auf etwaige Bedürfnisse von Risikogruppen eingegangen, sondern ein Produkt, bzw. ein Nährstoff gewählt, das bzw. der
eine bestimmte Zielgruppe marktwirksam anspricht und sich somit besser verkaufen lässt.
Im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 wurde in einem Kapitel zu diesem Thema der Anteil der Jodaufnahme aus Jodsalz beschrieben und ein erster
Überblick über die Gesamtnährstoffaufnahme aus angereicherten Fruchtsäften
von österreichischen Schulkindern (6-18 J.) gegeben. Außerdem wurden die damals in Österreich erhältlichen nährstoffangereicherten Lebensmittel aufgelistet.
Seither führte das Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien
weitere Studien dazu durch. Die wichtigsten Ergebnisse sollen im Folgenden dargestellt werden.
Vitamine
Mineralstoffe /Spurenelemente
n (%)
n (%)
C
342 (73%)
Calcium
B1
218 (47%)
Eisen
76 (16%)
B6
203 (43%)
Jod
40 ( 9%)
Niacin
175 (37%)
Magnesium
33 ( 7%)
B2
168 (36%)
Phosphor
33 ( 7%)
E
165 (35%)
Restliche
Pantothensäure
144 (31%)
D
27 (8%)
K
8 (2%)
169
109 (23%)
< 0.5%
Tab. 3.24:
Häufigkeitsverteilung der angereicherten
Nährstoffe in
den untersuchten Lebensmitteln
(n=468=100%)
Abb. 3.26:
Relativer Anteil
von nährstoffangereicherten Lebensmitteln für spezielle Zielgruppen
in %
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
50
40
30
20
10
0
er
tik
be
ia
re
D
ge
an
hw
he
Sc
lic
nd
ge
Ju
r
tl e
or
Sp
rn
r
lte
de
in
.E
K
w
bz
pe
ys
up
ab
gr
el
Zi
B
e
in
ke
Nährstoffangereicherte Lebensmittel in Österreich
Im Zuge von Geschäftsbegehungen (zwischen Dezember 1997 und Mai 1998)
ausgesuchter Lebensmitteleinzelhandelsketten in Österreich sollte die Anzahl der
am österreichischen Markt angebotenen nährstoffangereicherten Lebensmittel
(NAL) erhoben werden [Wagner et al., 1999]. Die Ergebnisse bieten eine Übersicht über die Anzahl angereicherter Lebensmittelgruppen und deren Hersteller,
sowie über das Nährstoffspektrum in Art und Menge.
Insgesamt wurden 468 verschiedene NAL in Österreich erfasst. Die Produkte
konnten in die Produktgruppen Getränke, Cerealien, Babynahrung, Süßwaren,
Milchprodukte, Speisefette und Salz eingeteilt werden (Tab. 3.23).
Ein Vergleich mit einer ähnlichen Studie aus dem Jahr 1994 [Elmadfa et al.,
1994] zeigt, dass das Angebot an NAL in Österreich in diesen vier Jahren stark angestiegen ist (von 327 auf 468). Zugenommen hat aber auch die Anzahl der Produktgruppen, in welchen angereicherte Lebensmittel zu finden sind. Eine starke
Zunahme an angereicherten Produkten ist vor allem bei den Getränken und den
Cerealien zu beobachten.
Für die Anreicherungsmaßnahmen kamen 29 verschiedene Mikronährstoffe
zum Einsatz. Dabei wurden Vitamine, vor allem Vitamin C, weit häufiger zugesetzt
als Mineralstoffe und Spurenelemente (Tab. 3.24). 37% der untersuchten Lebensmittel (insbesondere Babynahrung, Süßwaren und Salz) waren mit einem bestimmten Mikronährstoff angereichert, bis zu 5 Mikronährstoffe waren in 27% der
Produkte enthalten und in weiteren 27% waren zwischen 6-10 Mikronährstoffe
(Cerealien, Getränkepulver) zugesetzt. Die restlichen 9% wurden mit mehr als 10
verschiedenen Vitaminen bzw. Mineralstoffen/Spurenelementen angereichert. Die
Produkte waren zumeist nicht eindeutig an eine bestimmte Zielgruppe gerichtet.
Die Produktgruppe der Babynahrung setzte Eltern als Käufer voraus, an Kinder wendeten sich v.a. Hersteller von Energy Drinks. Sportler bildeten nur eine
sehr kleine Zielgruppe, ebenso wie Schwangere, Jugendliche oder Diabetiker
(Abb. 3.26). Der Beweggrund der Lebensmittelindustrie zur Anreicherung von Lebensmitteln mit Nährstoffen war nicht immer ersichtlich und es kann daher angenommen werden, dass ein Nährstoffzusatz nicht primär zur Verbesserung der
Nährstoffversorgung der österreichischen Bevölkerung vorgenommen wurde.
Einstellung und Konsum von nährstoffangereicherten Lebensmitteln in
Österreich
Von Mai bis Oktober 1998 wurde vom Institut für Ernährungswissenschaften
der Universität Wien eine Fragebogenerhebung zum Thema "Einstellung und Konsum von nährstoffangereicherten Lebensmitteln" durchgeführt. Dabei sollten die
Fragen geklärt werden, welche Einstellung Erwachsene in Österreich zu NAL haben und in welchem Umfang sie diese bewusst bzw. unbewusst konsumieren.
Das Gesamtkollektiv bestand aus 312 Erwachsenen (Stadt und Land), davon
waren 63,5% weiblich und 36,5% männlich. Jedes 24-h-Protokoll wurde spezi-
170
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Abb. 3.27:
Anteil von
nährstoffangereicherten Lebensmitteln in
der Ernährung
von Erwachsenen in Österreich
Süßigkeiten
Fertiggerichte
Margarine
Milchprodukte
Cerealien
Getränke
Instantgetränke
0
10
20
30
40
in %
fisch auf angereicherte Produkte hin untersucht. 43% der befragten Frauen und
40% der befragten Männer gaben an, am Vortag angereicherte Lebensmittel verzehrt zu haben. Diesbezüglich war kein signifikanter Unterschied zwischen den
Geschlechtern festzustellen. Die Analyse der konsumierten Produkte ergab folgendes Bild (Abb. 3.27).
Die Mehrheit der Befragten (83%)
kannte die richtige Antwort zur Frage
Antwortmöglichkeit
% der
"Was sind nährstoffangereicherte LeNennunbensmittel?". Aber nur 22% des Kolgen
lektivs standen einer Erzeugung von
fraglich, ob es einer emp- 24%
nährstoffangereicherten
Produkten
fehlenswerten Ernährung
positiv gegenüber.
entspricht
Auf die Frage nach der persönwichtig, bei besonderem
18%
lichen Einstellung zu NAL ergab sich
Nährstoffbedarf
aus 8 vorgegebenen Antwortmöglichwichtig, bei keinen drei aus- 16%
keiten die in Tab. 3.25 zusammengegewogenen Mahlzeiten
fasste Reihung.
Nährstoffbezogene bzw. häufig
überflüssig
10%
gesundheitsbezogene Angaben auf
nur Werbestrategie
10%
den Verkaufsverpackungen solcher Lezuviel ist ungesund
8%
bensmittel führten bei 81% des Kollektivs zu keiner Verunsicherung. 59%
kein Beitrag zur gesunden 8%
der Befragten glaubten auch nicht darErnährung
an, dass durch den täglichen Konsum
wertvoller Beitrag zur Er6%
von NAL eine Überdosierung mit Vitanährung
minen und Mineralstoffen möglich ist.
Weniger Frauen (37%) und mehr
Männer (46%) konnten sich dieses RiAntwortmöglichkeit
% der
siko jedoch sehr wohl vorstellen.
NennunTrotzdem würden 59% einen mit Vitagen
min C angereicherten Fruchtsaft kauNährstoffdefizit auffüllen
37%
fen, wenn kein Preisunterschied zu eiWohlbefinden
35%
nem ähnlichen Saft bestünde. Die
Kaufbereitschaft eines solchen Saftes
weil sie besser schmecken 9%
war bei Frauen tendenziell höher, als
weniger Kalorien
7%
bei Männern (nicht signifikant). Maßgeblich für den Kauf von fortifizierten
längere Haltbarkeit
7%
Produkten war nach Meinung der Beweil sie billiger sind
3%
fragten ein plausibler Nutzen, den ein
weil
sie
schöner
aussehen
2%
solches Lebensmittel bietet. Das Wohl-
171
Tab. 3.25:
Persönliche
Einstellung des
befragten Kollektivs (n=312)
zu nährstoffangereicherten
Lebensmitteln
Tab. 3.26:
Gründe für den
Kauf von nährstoffangereicherten Lebensmitteln
(n=90)
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Tab. 3.27:
Gründe gegen
den Kauf von
nährstoffangereicherten Lebensmitteln
(n=178)
Antwortmöglichkeit
% der
Nennungen
ausreichend gute Ernährung 37%
Unnatürlichkeit
29%
Unsicherheit
11%
höherer Preis
11%
Etikettenschwindel
8%
ethische Gründe
3%
befinden zu steigern und etwaige
Nährstoffdefizite aufzufüllen waren in
der vorliegenden Erhebung die Hauptargumente für einen Kauf (Tab. 3.26).
Dagegen sprach eine ohnehin ausreichend gute Ernährung sowie die Unnatürlichkeit solcher Lebensmittel
(Tab. 3.27).
Im
diesem
Zusammenhang
scheint es sinnvoll zu wissen, wie das
Kollektiv seinen Vitamin- und MineralGesundheitsgefahr
1%
stoffstatus bzw. die tägliche Nährstoffversorgung einschätzte. Immerhin
schätzten 37% ihren Versorgungszustand als "gut", 38% als "befriedigend" und
nur 6% als "schlecht" ein. 19% hatten sich darüber noch "nie Gedanken gemacht". Bei jungen Personen (jünger als 25 Jahre) war der Prozentsatz derer, die
sich keine Gedanken über ihren Nährstoffhaushalt machen, kleiner als bei älteren
Personen (>50 Jahre).
NAL haben sicher einen "gewissen" Stellenwert in der Ernährung der Erwachsenen in Österreich. Jedoch achten Österreicher genauso auf den Verzehr von "frischen" und "natürlichen" Lebensmitteln. Im Allgemeinen war die Haltung zu NAL
nicht eindeutig festzulegen. Die zusätzliche Nährstoffanreicherung von Lebensmitteln entsprach für den Großteil der Befragten keiner empfehlenswerten Ernährungsweise. Gleichzeitig wurde aber angeführt, dass angereicherte Produkte
wichtig für etwaige Risikogruppen sein könnten.
Nährstoffaufnahme aus nährstoffangereicherten Lebensmitteln
Da sich das Angebot und der Konsum von nährstoffangereicherten Lebensmitteln am österreichischen Markt rasant entwickelt, führte das Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien im Jahr 2001 eine weitere Untersuchung zu diesem Thema durch. Die daraus gewonnenen Daten sollten die vorangegangenen Studien verifizieren und in einigen Punkten ergänzen. Insbesondere
sollte die Nährstoffaufnahme aus NAL ermittelt werden. Insgesamt konnten 1700
Fragebögen (24-h-Recall mit Food Frequency Questionnaire) ausgewertet werden. Es wurden ausschließlich gesunde erwachsene (19-60 J.), in Österreich lebende Personen befragt. Um eine Stichprobe aus ganz Österreich zu erhalten,
wurden jeweils Personen aus dem Osten (Wien, Niederösterreich), Süden (Kärnten, Steiermark) und dem Westen (Tirol, Vorarlberg) befragt. Das Gesamtkollektiv
setzte sich aus 642 Männern (38%) und 1058 Frauen (62%) zusammen.
Von den 1700 Befragten gaben 1057 (rd. 62%) Personen an, nährstoffangereicherte Lebensmittel zu kaufen (Abb. 3.28). Davon waren 346 (33%) Männer
und 711 (67%) Frauen:
100%
80%
Abb. 3.28:
Kaufen Sie
nährstoffangereicherte Lebensmittel?
Antworten des
Gesamtkollektivs (n=1700)
60%
Nein
40%
Ja
20%
0%
Männer
172
Frauen
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Gesamt- "USER"
Auf die Frage "Achten Sie auf eine
kollektiv
ausgewogene Ernährung?", gaben signifikant mehr Frauen (34%) als Män(n=1700) (n=914)
in %
in %
ner (19%) an, darauf zu achten. Der
Grund für dieses Ergebnis ist wahrVitamin C
40
74
scheinlich die allgemein gesündere LeVitamin B6
37
71
bensweise der Frauen. Zwischen den
Niacin
29
52
Konsumenten ("USERN") und NichtKonsumenten von NAL konnte in dieVitamin B1
27
45
sem Punkt kein Unterschied festgeVitamin
B
23
38
stellt werden.
2
In der Auswertung der 24-h-RePantothensäure 22
38
calls wurden nur jene Lebensmittel beVitamin B12
20
37
rücksichtigt, die zum Zeitpunkt der ErVitamin E
17
31
hebung am österreichischen Markt zu
erwerben waren. Der Beitrag zur tägVitamin A
11
11
lichen Bedarfsdeckung (in % der D-AFolsäure
10
19
CH-Referenzwerte) aus NAL wurde jeweils für das Gesamtkollektiv sowie für
Vitamin D
2
3
die
tatsächlichen
Konsumenten
("USER") von angereicherten Lebensmitteln ermittelt. Die Ergebnisse sind in Tab. 3.28 und 3.29 dargestellt. Beispielsweise deckte das Gesamtkollektiv alleine durch den Verzehr von NAL 40% der
empfohlenen Vitamin C-Zufuhr. Demnach kann durch den Konsum von NAL die
Zufuhr an einigen Vitaminen wirksam angehoben werden. Allerdings wird durch
die aktuelle Praxis der Anreicherung hauptsächlich die Versorgung bei jenen Vitaminen verbessert, bei denen ohnehin eine zufriedenstellende Aufnahme in der
österreichischen Bevölkerung vorliegt (siehe Kapitel 2).
Hingegen wäre bei anderen Mikronährstoffen, wie Vitamin D und Folsäure, eine Anhebung der Zufuhr durchaus sinnvoll, wofür die Dosierungen in den NAL jedoch zu gering sind.
Bei den angereicherten Mineralstoffen war der errechnete Beitrag zur Bedarfsdeckung nie höher als 10% (Tab. 3.29). Hier dürfte es sich einerseits also
eher um Werbemaßnahmen handeln, weshalb sich der Griff zu angereicherten
Produkten, um die Aufnahme an Mineralstoffen bzw. Spurenelementen zu verbessern, nicht lohnt.
Andererseits muss die Anreicherung mit Mineralstoffen und Spurenelementen
auch bedachtsamer erfolgen, da die relative physiologisch tolerierbare obere
Grenze der täglichen Zufuhr (Tolerable Upper Intake Level, abgekürzt UL) niedriger liegt als bei den meisten (wasserlöslichen) Vitaminen.
Mit dem Einsatz der nachträglichen Nährstoffanreicherung eröffnen sich neue
Möglichkeiten zur qualitativen Verbesserung von Nahrungsmitteln. Diese Maßnahme sollte dazu dienen, bei Risikogruppen in der Bevölkerung NährstoffdefiziGesamtkol- "USER"
te zu verhindern. Es fällt jedoch auf,
lektiv
(n=914) in
dass die bisherigen Anreicherungsmaß(n=1700) in %
nahmen noch zu wenig mit den tat%
sächlichen Bedürfnissen abgestimmt
Eisen
10
19
sind und eher aus Beweggründen des
Kupfer
8
Marketings und des Bekanntheitsgrads
der Nährstoffe in der Bevölkerung einCalcium
8
14
gesetzt werden [Erbersdobler, 2000].
Magnesium 7
14
Eine zu hohe Zufuhr an Vitaminen
und Mineralstoffen/Spurenelementen
Zink
4
7
kann jedoch auch schädliche WirkunJod
2*
gen haben. Da dieses Risiko bei einem
Fluor
1
exzessiven Konsum von NAL nicht aus-
173
Tab. 3.28:
Mittlere tägliche Vitaminaufnahme aus
nährstoffangereicherten Lebensmitteln in
% der D-A-CHReferenzwerte
(Altersgruppe
25-<51 J.)
Tab. 3.29:
Mittlere tägliche Aufnahme
an Mineralstoffen/Spurenelementen aus
nährstoffangereicherten Lebensmitteln in
% der D-A-CHReferenzwerte
(Altersgruppe
25-<51 J.)
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Tab. 3.30
"High Consumer" (= 95.
Perzentile) der
Mikronährstoffaufnahme und
der Beitrag aus
nährstoffangereicherten Lebensmitteln
(NAL) bei
österreichischen Erwachsenen
(n=1700), getrennt nach
dem Geschlecht
Gesamtaufnah- Aufnahme aus
me
NAL
D-A-CH
UL
m
w
m
w
m
w
m, w
Vitamin A1 (mg)
3,0
3,2
0,5
0,4
1,0
0,8
3*
β-Carotin2 (mg)
12,1
13,3
3,0
3,2
2-4
2-4
-ª
Vitamin D (µg/d)
13,2
12,0
0
0
5
5
50*
Vitamin E3 (mg)
Vitamin B1 (mg/d)
35,0
31,9
13,5
10,5
14
12
300*
3,7
2,9
1,5
1,3
1,2
1,0
-
Vitamin B2 (mg/d)
4,3
3,7
1,5
1,4
1,4
1,2
-
Niacin4 (mg)
75
57
25
20
16
10
900ªª
Vitamin B6 (mg/d)
5,7
4,3
3,0
2,2
1,5
1,2
25*
Folsäure5 (µg)
571
489
204
167
400
400
1000*
Vitamin B12 (µg/d)
15,4
10,3
2,2
1,3
3,0
3,0
-
Vitamin C (mg/d)
435
360
230
180
100
100
2000**
Calcium (mg/d)
2046
1851
432
323
1000
1000
2500*
Phosphor (mg/d)
2630
2052
258
218
700
700
4000**
Magnesium (mg/d) 683
524
144
100
350
300
250* ªªª
Eisen (mg/d)
30
24
6
6
10
15
45**
Zink (mg/d)
22,6
16,9
1,6
1,6
10
7
25*
Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin;
dieser Wert mal 0,16 ist in den Retinol-Äquivalenten enthalten;
RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γ-Tocopherol x 0,25 + mg α-Tocotrienol x 0,33;
4
Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan;
5
Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA);
*
Scientific Committee on Food (SCF);
** Institute of Medicine/Food and Nutrition Board (IOM/FNB);
ª
Raucher sollten nicht mehr als 20 mg/d durch Supplemente aufnehmen;
ªª für Nicotinamid, welches hauptsächlich für die Nährstoffanreicherung verwendet wird;
ªªª aus Supplementen u. inkludiert nicht natürlich in Lebensmittel vorkommendes Magnesium
keine Daten über nachteilige Effekte, kein UL abgeleitet
1
2
3
zuschließen ist, wurden die Gesamtnährstoffaufnahme sowie der Beitrag von NAL
zur Gesamtaufnahme berechnet. Tab. 8 zeigt die aus dem 24-h-Recall ermittelte
Zufuhr an ausgewählten Mikronährstoffen von "High Consumern" (= 95. Perzentile). D.h. 95% der Österreicher liegen in ihrer Nährstoffzufuhr unterhalb der angeführten Werte. Als Bezugswerte sind die entsprechenden D-A-CH-Referenzwerte sowie die vom wissenschaftlichen Lebensmittelausschuss (SCF) der EU-Kommission erstellten UL angeführt. Bei einigen Mikronährstoffen liegen noch keine
UL vom SCF vor. In diesen Fällen sind die für den nordamerikanischen Raum gültigen meist vergleichbaren UL vom Institute of Medicine/Food and Nutrition Board
angeführt.
Das Risiko einer Überdosierung mit einem Mikronährstoff besteht demnach
am ehesten bei Vitamin A. Bei diesem Nährstoff wurde der entsprechende UL von
den "High Consumern" erreicht bzw. überschritten. Der Beitrag von NAL zur Gesamtaufnahme war bei Vitamin A jedoch eher gering. Im Gegensatz dazu trugen
fortifizierte Produkte nicht unwesentlich zur hohen Niacinaufnahme bei. Der D-ACH-Referenzwert wurde um das 5fache überschritten. Eine Gesundheitsgefährdung besteht dennoch nicht. Laut ÖSES (Österreichische Studie zum Ernährungs-
174
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
status) handelt es sich bei Niacin um keinen Risikonährstoff, da alle untersuchten Bevölkerungsgruppen gut mit diesem Vitamin versorgt sind.
Zwar besteht insgesamt bei Erwachsenen derzeit keine Gefahr einer Überdosierung durch nährstoffangereicherte Lebensmittel, jedoch unterstreichen die vorliegenden Ergebnisse die aktuell wenig zufriedenstellende Praxis der Nährstoffanreicherung.
Ausblick
Grundsätzlich besteht durch die Nährstoffanreicherung von Lebensmitteln die Möglichkeit die
Nährstoffversorgung der Bevölkerung zu verbessern. Das wichtigste Kriterium bei der Auswahl der
zugesetzten Mikronährstoffe sollte jedoch ein Mangel bzw. eine Unterversorgung in Teilen der Bevölkerung sein. Aktuell scheint die Nährstoffanreicherung aber eher willkürlich zu erfolgen, wodurch
dem Verbraucher die scheinbare Sicherheit einer ausreichenden Nährstoffversorgung vorgegaukelt
wird.
Ferner kann es bei einer übermäßigen Zufuhr an Mikronährstoffen auch zu nachteiligen Wirkungen kommen. Allerdings besteht bei der derzeit üblichen Anreicherungspraxis keine Gefahr einer
Überdosierung.
Die Akzeptanz und die Kaufbereitschaft von NAL sind in der österreichischen Bevölkerung ohne
Zweifel vorhanden. Das bestätigen die vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität
Wien durchgeführten Untersuchungen. Unsinnige Zusätze aus Gründen des Marketings könnten das
Vertrauen der Konsumenten untergraben und Chancen für die Optimierung des Ernährungszustands
der Bevölkerung entgegenwirken.
175
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
3.9 Babynahrungsprodukte
Zusammenfassung
Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass alle Babynahrungsprodukte, insbesondere jene aus
Gemüse, sowohl eine ausreichende Menge an Carotinoiden als auch an Retinoläquvalenten (RÄ) bereitstellen. Manche Breie aus Karotten wiesen sogar Werte von bis zu 4.6 mg RÄ/Glas (1 Glas = 190,
220 oder 250 g) auf, welche die Empfehlungen (D-A-CH -Referenzwerte) für Säuglinge im Alter zwischen 4 und 12 Monaten (0.6 mg RÄ/d) um ein Vielfaches übersteigen. Obwohl man annimmt, dass
eine hohe Zufuhr an Carotinoiden keine gesundheitliche Gefährdung darstellt und die Verwertung
von Carotinoiden im Körper zu keiner Hypervitaminose A führt, sollten diese Produkte nicht im Übermaß verzehrt werden. Die Analysen ergaben ferner, dass Gemüseprodukte hinsichtlich aller Carotinoide, mit Ausnahme von Lycopin und somit auch hinsichtlich der Retinoläquivalente, signifikant höhere Konzentrationen aufwiesen als die Obst- und Getreideprodukte. Produkte auf Obst- und Getreidebasis, welche auch Proben mit Aprikosen einschlossen, zeigten ausgeglichene Gehalte der beiden
Carotinoidgruppen, d.h. Provitamin-A und Nicht-Provitamin-A-Carotinoiden. Dies unterstreicht die
oftmals unterschätzte Bedeutung der Carotinoide aus Früchten und befürwortet die Einbeziehung
von Obstbreien in die Säuglinsernährung. Außerdem sprechen neue Erkenntnisse, welche Carotinoiden aus orange gefärbten Früchten eine bessere Bioverfügbarkeit bescheinigen als denen aus Gemüse für eine vermehrte Aufnahme von Obstprodukten.
Als Resultat sei festzuhalten, dass die untersuchten Produkte eine sehr gute Quelle an Provitamin A-Carotinoiden darstellen und sich in dieser Hinsicht hervorragend als Beikost und somit als ergänzende Nahrung zur Muttermilch eignen. Auf der anderer Seite sind sie aber auch durch den Gehalt an Nicht-Provitamin-A-Carotinoiden befähigt, einen Beitrag zur antioxidativen Abwehr gegen
freie Radikale im Körper zu leisten.
Aufgrund der hohen Vitamin E-Gehalte und Vitamin E/Poyenfettsäure-Quotienten von 1.9-3.4
(mg/g) sind Baby Food Produkte auch eine sehr gute zusätzliche Vitamin E-Quelle zur Muttermilch
und Formulamilch für Säuglinge ab dem 5. Monat. Sie erhöhen die Gesamtzufuhr an Vitamin E (von
ca. 15 bis 30%) und leisten einen wesentlichen Beitrag zur Prävention der Lipidperoxidation.
Hinsichtlich der Vitamin K Empfehlungen für Säuglinge im Alter zwischen 4 und 12 Monaten, die
bei einem Wert von 10 µg/d liegen und des niedrigen Vitamin K-Gehalts der Muttermilch (0.5 µg/100
g), können alle Gemüseprodukte mit einem durchschnittlichen Wert von 65 µg/100 g (1 Glas = 190,
220, 250 g) einen großen Beitrag zur Vitamin K-Versorgung leisten. Unter Berücksichtigung der Proben mit Spinat, die im Schnitt 700 µg Vitamin K/100 g enthalten, könnte dieser Beitrag wesentlich
erhöht werden.
Ferner können die untersuchten Babysäfte als potentielle Quelle für viele Nährstoffe, wie wasserlösliche Vitamine und Carotinoide betrachtet werden. Vitamin C und Carotinoide tragen zur Vitaminversorgung bei, besitzen aber auch antioxidative Eigenschaften, d.h. durch diese Produkte wird
dem Baby ein bedeutender Anteil antioxidativ wirksamer Substanzen zugeführt. Obwohl Obst und
Gemüse nicht zu den besten Vitamin B-Lieferanten gehören, wurde durch diese Arbeit deutlich, dass
der mögliche Beitrag dieser Säfte zur Vitamin B1-, B2- und B6-Versorgung der Kinder nicht unterschätzt werden sollte.
Allgemeines
Muttermilch ist das Beste für das Baby. Alle Nährstoffe, die das Baby braucht, sind in ihr enthalten. Zwischen dem 4. und 6. Lebensmonat erlebt das Baby einen gewaltigen Entwicklungsschub und
in dieser Phase kann der Energie- und Nährstoffbedarf nicht mehr alleine über die Milchnahrung gedeckt werden. Deshalb sollte ab diesem Zeitpunkt mit der Zufütterung von Beikost begonnen werden, wobei unter Beikost alle Lebensmittel außer Frauenmilch, Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung verstanden werden, die während des 1. Lebensjahres in die Ernährung des Säuglings eingeführt werden. Laut den Daten des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund (FKE), erhalten 95% der 6-12 Monate alten Säuglinge industriell hergestellte Beikostprodukte (Alexy und Kersting 1998, Kersting et al. 1998). Zu diesen Beikostprodukten in Gläschen (Baby Foods), die als Ergänzung der Muttermilch dienen sollen, gehören sowohl Gemüse-, Gemüse-Fleisch- oder Obstprodukte (ready-to-eat) als auch Obst- und Gemüsesäfte (ready-to-drink) (Commission Directive
96/5/EC).
176
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Babynahrungsprodukte in Österreich
Um einen Überblick über das in Österreich im Handel befindliche Sortiment von Baby Food Produkten zu bekommen, wurden am Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien 65
Babynahrungsprodukte in Gläschen und 35 Babysäfte der Firmen Nestle (Alete), Hipp, Ja! Natürlich
und Alnatura untersucht. Alle Produkte wurden in der Zeit zwischen August 1998 und Juni 2000 aus
verschiedenen Wiener Lebensmittelgeschäften bezogen. Aus dem gesamten Sortiment, das im Einzelhandel erhältlich war, wurden Gemüseprodukte, für Säuglinge ab dem 5., 8. und 12 Lebensmonat
und Obst- und Getreideprodukte für Säuglinge ab dem 5., 6. und 8 Monat ausgewählt. Von Babysäften, die ab dem 5. Lebensmonat vorgesehen sind, wurden alle, die sich auf dem Markt befunden
haben, zur Untersuchung herangezogen, d.h. Säfte und Getränke ohne Anreicherung, Säfte mit Tee
oder Mineralwasser (teilweise mit Vitamin C angereichert) und angereicherte Säfte (mit einer oder
mehreren der folgenden Substanzen angereichert: Vitamin A, C, B1, B2, B6, B12, E, β-Carotin, Folsäure, Niacin, Pantothenat, Calciumlactat, Eisencitrat, Eisen-II-Sulfat, Zitronensäure). Da von jeder
Sorte jeweils 2 Gläschen bzw. 2 Fläschchen mit unterschiedlichen Chargennummern herangezogen
wurden, bestand das Analysematerial aus insgesamt 200 Proben.
Babynahrungsprodukte in Gläschen
Carotinoide und Vitamin A-Wirksamkeit
In den Gemüseprodukten ab dem 5. Monat stellte β-Carotin mit 57% (4510 µg/100g) der durchschnittlichen Menge an Carotinoiden (7830 µg/100g) den Hauptanteil dar. Gefolgt wurde dieser Wert
von Lycopin mit 19% (1480 µg/100g), α-Carotin mit 18% (1460 µg/100g), Lutein mit 4% (290
µg/100g) und Cryptoxanthin und Zeaxanthin mit jeweils 1% (40 µg/100g). Der Gehalt an Provitamin
A-Carotinoiden betrug somit 76% und der an Nicht-Provitamin A-Carotinoiden 24%.
Ein ähnliches Carotinoidprofil zeigten die Gemüseprodukte ab dem 8. und 12. Monat, wobei jedoch der Gesamtcarotinoidgehalt niedriger war (3072 µg/100g). Die Anteile betrugen 53% (1653
µg/100g) für β-Carotin, 21% (645 µg/100g) für Lycopin, 19% für α-Carotin (578 µg/100g), 5%
(147µg/100g) für Lutein und wieder jeweils 1% (27 und 22 µg/100g) für Cryptoxanthin und Zeaxanthin.
Anders verhielten sich jedoch die Konzentrationen der einzelnen Carotinoide in den Obst- und
Getreideprodukten. Nicht nur der Gesamtcarotinoidgehalt war deutlich niedriger als in den Gemüseprodukten (436 µg/100 g), sondern auch die mengenmäßigen Anteile an ß-Carotin (36% oder 158
µg/100 g) und an α-Carotin (9% oder 38 µg/100 g). Im Gegensatz dazu waren die Carotinoide Lycopin, das allerdings nur in Proben mit Aprikosen nachgewiesen werden konnte (39% oder 169
µg/100 g), Lutein (8% oder 35 µg/100 g), Cryptoxanthin (5% oder 22 µg/100 g) und Zeaxanthin
(3% oder 14 µg/100 g) dominanter vertreten, auch wenn die absoluten Konzentrationen wieder geringer waren als in den Gemüseprodukten. In dieser Produktgruppe waren die Gehalte an Vitamin Awirksamen und Nicht-Vitamin A-wirksamen Carotinoiden ausgeglichen (jeweils 50%) (Abb.3.29).
Da Retinol hauptsächlich in tierischen Lebensmitteln vorkommt und in Pflanzen nur in Spuren
enthalten ist, zeigten die Ergebnisse der Retinol-Analyse durchwegs niedrigere Gehalte. Die Gesamte Vitamin A-Aktivität berechnet aus Retinol und den Vitamin A-wirksamen-Carotinoiden, ausgedrükkt als Retinol-Äquivalente (RÄ), bewegte sich in Gemüseprodukten zwischen 0.03 und 2.43 mg
RÄ/100 g und in Obst- und Getreideprodukten zwischen 0.01 und 0.12 mg RÄ/100 g. Der durchschnittliche Wert in der Gruppe Obst- und Getreideprodukte (0.03 mg RÄ/100 g) war signifikant niedriger als dieser Wert in den beiden Gruppen von Gemüseprodukten: 0.88 mg RÄ/100 g - Gemüseprodukte ab dem 5. Monat; 0.33 RÄ/100 g - Gemüseprodukte ab dem 8. und 12. Monat (Abb. 3.30).
Die große Streubreite unter Gemüseprodukten wurde durch hohe β- und α-Carotin Konzentrationen
in Frühkarotten- und Karotten-Gläschen verursacht, welche die höchsten Gehalte an Vitamin A-Äquivalenten zeigten (bis zu 4.5 RÄ/Glas; 1 Glas = 190, 220 oder 250 g) (Frank 1999, Majchrzak et al.
2000).
Vitamin E-Gehalt und Fettsäuremuster
Die α-Tocopherolgehalte waren in Gemüseprodukten 1.5 bis 2.5mal und in Obst- und Getreideprodukten 3mal höher als die γ-Tocopherolgehalte. Der berechnete Wert von Tocopheroläquivalenten
(mg TÄ/100 g) lag bei Gemüseprodukten zwischen 0.6 bis 0.8 und betrug bei Obst- und Getreideprodukten 0.4 (Abb. 3.31). Bei der Berücksichtigung der Vitamin E-Empfehlung (D-A-CH-Referenzwerte) für Säuglinge zwischen 4 und 12 Monaten, die bei 4 mg TÄ/Tag liegt, und der α- und γ-Kon-
177
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Abb. 3.29.
Zusammensetzung der Carotinoide in verschiedenen
Gruppen von
Babynahrung
Tab. 3:.31
Fettsäuremuster (%), P/SQuotient,
n6/n3-Quotient
der untersuchten Babynahrungsprodukte
Produkt- Gemüse Gemüse
gruppen Produkte Produkte
ab dem ab dem
5. Monat 8., 12.
Monat
Obstund Getreideprodukte
GFS
31
37
36
MFS
23
24
26
PFS
46
39
38
P/S
1.5
1.1
1.1
n6/n3
13.5:1
11.6:1
10:1
GFS…Gesättigte Fettsäuren
MFS…Monoenfettsäuren
PFS...Polyenfettsäuren
Obst- u.
Gemüseprodukte
zentrationen in Baby Food Produkten
allgemein (im Mittel 0.52 mg α-Tocopherol/100 g und 0.25 mg γ-Tocopherol/100 g) trugen α-Tocopherol 88%
und γ-Tocopherol 12% zur Vitamin EAktivität bei.
Von allen identifizierten Fettsäuren
war die Linolsäure die am meisten vertretene Fettsäure in Baby Food Produkten (92%). Danach kamen die Palmitinsäure mit 88% und Ölsäure mit
78%. Die Stearinsäure wurde in 64%
der Proben festgestellt. Die drei anderen gesättigten Fettsäuren wurden in
31% (Miristinsäure), 16% (Laurinsäure) und 13% (Caprinsäure) der Proben
nachgewiesen. Die α-Linolensäure
wurde in 33% der Proben gefunden,
0,03
GP am dem 8.
und 12. Monat
0,3
GP am dem 5.
Monat
Abb. 3.30:
Mittlerer Gehalt an RetinolÄquivalenten in
ausgewählten
Babynahrungsprodukten
0,9
0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
Retinol-Äquivalente (mg/100 g)
GP...Gemüseprodukte;
Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-â-Carotin;
178
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
1,1
GP ab dem 8. und
12. Monat
1,9
2,3
0,6
mg TÄ/g GL
mg TÄ/g DÄ
2,3
GP ab dem 5.
Monat
mg TÄ/ g PFS
2,9
4,2
mg TÄ/100 g Produkt
0,8
Abb. 3.31:
Mittlerer Gehalt an Tocopherol-Äquivalenten in
ausgewählten
Babynahrungsprodukten
2,4
Obst- u.
Getreideprodukte
3,4
4,5
0,4
0
2
mg TÄ
4
6
GP...Gemüseprodukte; GL...Gesamtlipide; DÄ...Diensäureäquivalent; PFS...Polyenfettsäuren;
TÄ = RRR-á-Tocopherol -Äquivalent = mg á-Tocopherol + mg â -Tocopherol x 0,5 +
mg ã-Tocopherol x 0,25 + mg á-Tocotrienol x 0,33
die Palmitoleinsäure in 13% der Proben (Abb. 3.32). Allgemein betrachtet war der
Gehalt an gesättigten und ungesättigten Fettsäuren in allen drei untersuchten
Gruppen von Baby Food Produkten ziemlich ausgeglichen (31, 37, 36% - GSF, 23,
24, 26% - MFS, 46, 39, 38% - PFS). Der P/S-Quotient (Polyunsaturated/Saturated-Ratio) variierte von 1.1 bis 1.5. Das Verhältnis zwischen n:6/n:3 (Linolsäure/α-Linolensäure) betrug 10:1 in Obst- und Getreideprodukten bis zu 13.5:1 in
Gemüseprodukten ab dem 5. Monat (Tabelle 3.31). Dieses Verhältnis entspricht
den Empfehlungen für Infant Formulas and follow-on Formulas (5:1 bis 15:1) der
ESPGAN Committee (European Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology
and Nutrition) (Aggett et al. 1991). Die TÄ/PFS-Quotienten (2.3-4.5) stimmten mit
den ESPGAN Empfehlungen für Formulas, dh. sie waren > 0.9 mg Vitamin E/g
PFS. Die durchschnittlichen TÄ/DÄ-Quotienten (1.9-3.4) entsprachen den SCFEmpfehlungen (0.5 mg TÄ/g DÄ) (Abb. 3.32) (Elmadfa und Majchrzak 2000;
Majchrzak und Elmadfa 2001a).
Vitamin K-Gehalte
Vitamin K als Phyllochinon war in 100% der untersuchten Proben nachweisbar. Allgemein betrachtet erbrachten Gemüseprodukte ab dem 5. Monat vergleichbare Vitamin K-Mengen wie Gemüseprodukte ab dem 8. und 12. Monat. Die
signifikanten Unterschiede entstanden erst bei der Berücksichtigung von Proben
mit Spinat (Abb. 3.33), was auf den Vitamin K-Gehalt im Spinat zurückzuführen ist
Abb. 3.32.
Häufigkeit des
Vorkommens
verschiedener
Fettsäuren in
den untersuchten Babynahrungsprodukten
179
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Abb. 3.33.
Vergleich der
Vitamin K-Gehalte verschiedener Babynahrungsprodukte
Obst - und
Getreideprodukte
17
GP ab 8. und 12.
Monat
64
GP ab 5. Monat
ohne Spinat
67
GP ab 5. Monat
mit Spinat
132
0
20
40
60
80
100
120
140
Vitamin K (µg/100 g)
GP... Gemüseprodukte
(270-400 µg/100g) (Booth et al. 1993, 1995). Zu den Produkten, die hohe Phyllochinon-Konzentrationen zeigten, gehörten auch jene, die Broccoli beinhalteten
(Broccoli: 110-270 µg/100 g) (Booth et al. 1993, 1995). Ebenfalls hohe Vitamin KWerte wurden in den reinen Karottenprodukten gefunden, obwohl die Karotte
nicht zu den Vitamin K-reichsten Produkten zählt. Die Zugabe von Sonnenblumenoder Maiskeimöl, deren Vitamin K-Gehalte zwischen 6-10 und 3 µg/100 g liegen,
konnte die Ergebnisse nicht wesentlich beeinflussen. Das Sojaöl beinhaltet hingegen 145-190 µg Vitamin K/100 g. Leider wird auf dem Etikett nicht immer bekannt
gegeben, welche Ölsorte bei der Zubereitung verwendet wurde. In Obst- und Getreideprodukten waren die Vitamin K-Konzentrationen geringer und bewegten sich
lediglich zwischen 10 und 20 µg/100 g (Majchrzak und Elmadfa 2001b). Dies kann
damit erklärt werden, dass in verschiedenen Obstsorten nur geringe Vitamin KMengen vorkommen (Bananen: 0.1-0.5 µg/100 g, Pfirsiche, Aprikosen 3-5 µg/100
g, Äpfel und Birnen ca. 6 µg/100 g, Heidelbeeren 6-12 µg/100 g) (Booth et al.
1993, 1995, Koivu et al. 1997, Shearer et al. 1996).
Babysäfte
Ab einem Alter von 6 Monaten erhalten fast alle Kinder Obst- und Gemüsesäfte, die das Baby u.a. mit Antioxidantien, wie Carotinoide und Vitamin C, versorgen. Die untersuchten Babysäfte waren eine gute Quelle sowohl an Provitamin
A als auch Nicht-Provitamin-A-Carotinoiden. Von allen identifizierten Provitamin-ACarotinoiden wurde β-Carotin in 71% der Proben gefunden, α-Carotin in 57% und
Cryptoxanthin in 26% der untersuchten Säfte. Unter Nicht-Provitamin-A-Carotinoiden wurde Lutein in 60% der Proben, Zeaxanthin in 50% der analysierten Säfte
detektiert. Lycopin wurde allerdings nur in einem Saft, der Aprikosen beinhaltete,
gefunden (39 µg/100 ml) (Majchrzak et al. 2001) (Abb. 3.34). Einige Karottensäfte wiesen sehr hohe Konzentrationen an ß-Carotin auf (2100-11500 µg β-Carotin/100 m), was bei einem übertriebenen Konsum zu einer Hypercarotinämie
der Säuglinge führen kann. Da aber kleine Saftmengen verzehrt werden (Alexy
und Kersting, 1998), sollte keine Gefahr für den Säugling bestehen. Um dem Auftreten der Hypercarotinämie bei Kindern vorzubeugen, wird eine genaue Kontrolle der β-Carotin-Konzentration von Karotten, die für Babyprodukte verwendet
werden, empfohlen. Die Gehalte der anderen Carotinoide betrugen: α-Carotin:
650-3700 µg/100 ml, Lutein 6-170 µg/100 ml, Zeaxanthin 0.9-9.3 µg/100 ml,
Cryptoxanthin 0.2-4.4 µg/100 ml (Lindahl 2002). Im Gegensatz zur bisherigen
Praxis, wo im Bezug auf eine adäquate Vitamin A-Einnahme die Mengen an Provi-
180
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Abb. 3.34.
Häufigkeit des
Vorkommens
der Carotinoide
in den untersuchten Babysäften
tamin-A-Carotinoiden im Vordergrund standen (die empfohlene Einnahme an Carotinoiden bezieht sich immer noch ausschließlich auf β-Carotin), sollte auf die gesamte Menge an Carotinoiden in der jeweiligen Obst- und Gemüseart geachtet
werden.
Die Vitamin C-Gehalte variierten sehr stark (2-50 mg/100 ml) in den untersuchten Babysäften. Hohe Vitamin C-Konzentrationen zeigten nicht nur Vitamin Cangereicherte Säfte, sondern zum Teil auch solche ohne Anreicherung, was auf
die Bestandteile wie Acerolakirschen, schwarze Johannisbeeren und rote Trauben
zurückzuführen ist. Bei der Zufuhr von Vitamin C mit angereicherten und nicht angereicherten Säften konnten keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden.
Der Beitrag von beiden betrug zwischen 6 und 22% der D-A-CH-Referenzwerte
(Tabelle 3.32). Obwohl Obst und Gemüse nicht zu den besten Vitamin B-Lieferanten gehören, zeigten unsere Untersuchungen, dass sowohl angereicherte als auch
nicht angereicherte Babysäfte aus verschiedenen Obst- und Gemüsesorten einen
wesentlichen Beitrag zur Versorgung mit B-Vitaminen leisten können. Basierend
auf den Angaben der Aufnahme von Babysäften für Säuglinge zwischen 6 und 12
Monaten (16-53 g/Tag) (Alexy und Kersting 1998), lag der Beitrag der Babysäfte
an der Zufuhr von B-Vitaminen mit nicht angereicherten Säften bei 2-14% der DA-CH-Referenzwerte. Mit angereicherten Säften bewegte sich die mittlere Aufnahme an Vitamin B2 und B6 zwischen 10 und 30%, bei Vitamin B1 erreichte sie bis
zu 44% der Empfehlungen (Tabelle 3.32) (Majchrzak et al. 2001, Lindahl et al.
2001, Lindahl 2002, Majchrzak et al. 2003).
Zufuhr mit Säften (% des D-A-CH-Referenzwertes)
für Säuglinge im Alter von
6
9
12 Monaten
angereichert mit Vit. C
7
22
16
nicht angereichert
6
20
14
angereichert mit Vit. B1
nicht angereichert
13
44
31.5
4
12
9
angereichert mit Vit. B2
nicht angereichert
8
27.5
20
2
7
5
angereichert mit Vit. B6
nicht angereichert
9
30
21
4
14
10
181
Tab. 3.32:
Zufuhr an wasserlöslichen Vitaminen (C,
B1, B2, B6) mit
angereicherten
und nicht angereicherten
Säften für 6, 9
und 12 Monate
alte Säuglinge
(in % der D-ACH Referenzwerte)
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
3.10 Light-Produkte
Zusammenfassung
Um die Akzeptanz und den Konsum von "light"-Produkten zu testen, wurde im Jahr 2002 in
Wien, Oberösterreich, Tirol und Südtirol eine Fragebogenuntersuchung durchgeführt. "Light"-Produkte gewinnen in unserer Gesellschaft, wo Übergewicht ein massives Gesundheitsproblem darstellt,
immer mehr an Bedeutung. Bereits jeder Zweite der befragten Österreicher konsumiert "light". Zu
den Hauptkonsumenten von "light"-Produkten zählen Frauen, Adipöse und Personen mit höherem
Bildungsniveau. Gekauft werden "light"-Lebensmittel, um das Gewicht zu halten und aus gesundheitlichen Gründen.
Die Mehrheit der Befragten sehen "light"-Produkte als "typisches Produkt unserer Wohlstandsgesellschaft", ein Drittel halten sie für "überflüssig" und "teuer". Die beliebtesten "light"-Produkte
sind Milch(produkte), Käse, Fruchtsäfte und Öle. Geschmack, Gesundheit und Preis sind die wichtigsten Auswahlkriterien beim Einkauf von Lebensmitteln. "Light"-Produkte können eine Gewichtsreduktion unterstützen, wenn man sie sinnvoll einsetzt und gleichzeitig seine Ernährungsgewohnheiten
hin zu mehr Getreideprodukten, Obst und Gemüse, welche von Natur aus "light" sind, umstellt.
Allgemeines
Die stetige Zunahme von stark Übergewichtigen ist ein Problem mit dem sich heute fast alle
westlichen Industriestaaten beschäftigen müssen. Auch für Österreich lassen sich die Prognosen bestätigen, dass die Prävalenz der Fettsucht im Ansteigen begriffen ist. Es ist allgemein bekannt, dass
unter anderem ungünstige Ernährung sowie wenig Bewegung wesentliche Faktoren für die Entstehung von Übergewicht darstellen. Das heißt, mögliche Angriffspunkte für eine Prävention oder Therapie sind die Reduktion der Energiezufuhr und/oder die Erhöhung des Energieverbrauchs durch Bewegung.
Ob light-Produkte die Lösung für das Problem Übergewicht darstellen, ist umstritten. Seit es
light-Produkte auf dem Markt gibt, stehen sie im Kreuzfeuer von Befürwortern, die meinen, light-Produkte können bei einer Gewichtsreduktion behilflich sein, und Gegnern, die der Ansicht sind, dass
light-Produkte nur ein "Marketing-Gag" sind und sogar eine vernünftige Ernährungsweise verhindern
würden.
Begriffsbestimmung
"Light"-Produkte nehmen in den Supermarktregalen immer größeren Raum ein. Dem Konsumenten ist jedoch kaum bekannt, was sich hinter dem Begriff "light" verbirgt. Bei den light-Lebensmitteln handelt es sich nicht um völlig neue Produktinnovationen, sie sind lediglich Abwandlungen
herkömmlicher Varianten. Das heißt, der Verbraucher kann die gleichen Produkte genießen, wie er
es gewohnt ist, mit dem Unterschied, dass er dabei in erster Linie entweder weniger Energie, Fett
oder Zucker aufnimmt. In der Regel wird nämlich der Brennwert der Lebensmittel durch Zusatz von
Luft, Wasser, Bestandteilen ohne Brennwert (Ballaststoffe, Süßstoffe, Fettersatzstoffe) oder durch
Bestandteile mit geringerem Brennwert, d.h. Protein statt Fett, Kohlenhydrate statt Fett, Zuckerersatzstoffe statt Zucker vermindert (Bergmann, 1999).
Der Begriff "light" oder "leicht" ist im Zusammenhang mit Lebensmitteln weder lebensmittelrechtlich definiert noch geschützt. Die Bedeutung von "light" variiert je nach Kontext in dem das Wort
gebraucht wird. So kann "light" verschiedenes bedeuten: kalorienarm, kalorienreduziert, nährstoffreduziert, fettreduziert, fettarm, wenig Zucker, leicht gesalzen, leicht bekömmlich, alkoholarm oder
alkoholfrei, kohlensäurearm oder koffeinarm (DGE, 1999). Es kann sogar Ausdruck für ein Lebensgefühl sein ("sich leicht fühlen"). Auf jeden Fall geht es darum, dass es sich bei Lebensmitteln und
auch anderen Waren (z.B. Zigaretten light) um eine bedarfsangepasste Abweichung vom jeweiligen
Standardprodukt handelt. Die Kennzeichnung "light" soll dem Verbraucher zu erkennen geben, dass
die Ware eine spezielle Anforderung erfüllt. Light muss allerdings nicht automatisch weniger Fett,
Zucker, oder Kalorien enthalten als ein herkömmliches Produkt.
Die Kennzeichnung erfolgt freiwillig durch Produzenten und Verpacker. Eines der wichtigsten Gebote ist, dass der Konsument nicht getäuscht werden darf (Blass, 1993).
Im Österreichischen Lebensmittelbuch (ÖLMB) sind nur einige Produktgruppen geregelt (Brustbauer, 1993):
- "Leichtbier darf höchstens 9° Stammwürze und maximal 3,7 Vol.-Prozent Alkohol enthalten
- "Light-Würste" (fettarme Würste) dürfen höchstens einen Fettgehalt von 15% (±2%) aufweisen
182
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
reduziert/ leicht/ „light“
Kalorische Inhalts- Andere Inhaltsstofstoffe z.B.
fe z.B.
Kalorien/“Brennwert“
Sonstiges z.B.
- Fett
- Natrium
- Handhabung
- Zucker
- Cholesterin
- Aroma
- gesättigte Fettsäuren
- Alkohol
- Verdaulichkeit
- Farbe
-
"Light-Mayonnaise" ist eine gestreckte Mayonnaise mit einem Fettgehalt von
25%
- "Leichtkonfitüre" hat einen erhöhten Mindestfruchtanteil
- "Leicht-Milchprodukte" müssen verglichen mit dem Standardprodukt um 33%
weniger Kalorien enthalten
- "Light" gereifter Käse und Schmelzkäse müssen = 25% F.i.T. aufweisen;
- "light-Frischkäse" = 10% F.i.T. (Foissy, 1996)
Bezieht sich "light" allerdings auf den Energiegehalt, muss das Produkt jedenfalls kalorienreduziert sein. Die Bezeichnungen "kalorienarm" und "kalorienreduziert" sind lebensmittelrechtlich definiert. "Kalorienreduzierte" Produkte müssen mindestens 30% weniger Energie liefern als herkömmliche Lebensmittel.
"Kalorienarme" Nahrungsmittel dürfen nicht mehr als 50 kcal pro 100 g verzehrsfertiges Produkt enthalten, bei Getränken, Suppen und Brühen nicht mehr als 20
kcal pro 100 ml. Die Produkte müssen nicht im Energiegehalt reduziert werden,
auch Produkte, die von Natur aus kalorienarm sind (z.B. Gemüse, Obst), können
als solche deklariert werden. Lebensmittel für eine "kalorienarme Ernährung zur
Gewichtsreduktion" müssen nach der Richtlinie 96/8/EG der Kommission vom
26.02.1996 aus Gründen des Verbraucherschutzes verschiedene Vorschriften, die
Zusammensetzung und Etikettierung betreffend, erfüllen. Für light-Produkte als
Tagesration wird ein Brennwert zwischen 800 und 1200 kcal vorgeschrieben, für
einzelne Mahlzeiten zwischen 200 und 400 kcal. Pro Tag sollen diese Produkte
zwischen 10 und 30 g Ballaststoffe enthalten. Für Proteine und Fette sind Höchstwerte vorgeschrieben und für 12 Vitamine und 11 Mineralstoffe Mindestwerte. Der
Verbraucher muss sich über die Etiketten über Brennwert (in kcal und kJ) und Gehalt an Proteinen, Kohlenhydraten und Fetten, sowie über die durchschnittlichen
Mengen der Mineralstoffe und Vitamine informieren können.
Die Österreicher geben jährlich etwa 92 Millionen Euro für light-Produkte aus.
Doch diese Produkte sind nicht zwangsläufig ernährungsphysiologisch günstiger
als herkömmliche Nahrungsmittel. So bringt beispielsweise der Austausch von
Zucker durch Süßstoff wenig, wenn das Produkt nach wie vor fettreich ist. LightProdukte verführen möglicherweise zu höherem Konsum und sind daher nicht immer die Lösung bei Gewichtsproblemen. Es darf nicht übersehen werden, dass
Wasser und Luft in diversen light-Produkten oft teuer bezahlt werden. Mit einem
kritischen Blick auf die Zutatenliste, insbesondere den Fettgehalt, kann der Konsument preisgünstiger einkaufen (Buttermilch, Joghurt mit 1% Fett, Krakauer,
Schinken, Hüttenkäse, usw.). Sinnvoll ist nach wie vor eine Umstellung des Essverhaltens hin zu fettarmen Milchprodukten, mageren Käse-, Wurst- und Fleischsorten sowie zu den natürlicherweise "leichten" Produkten mit hoher Nährstoffdichte wie Obst, Gemüse, Rohkostsalaten, Kartoffeln und Vollkornprodukten. Eine
gesunde Alternative zu energiereduzierten Erfrischungsgetränken stellen z.B. Mineralwasser, verdünnte Obst- und Gemüsesäfte und ungesüßte Tees dar.
Akzeptanz von Light-Produkten bei Erwachsenen
Bereits 1996 wurde vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien eine Erhebung über die Akzeptanz von light-Produkten bei Wiener Erwachsenen durchgeführt (Ernährungsbericht 1998). Ziel der Untersuchung war,
183
Tab. 3.33:
Kennzeichnung
von "light" im
Zusammenhang mit Lebensmittelqualität (Foissy,
1996)
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Tab. 3.34:
Stichprobenumfang des
Gesamtkollektivs (Wien, OÖ,
Tirol u. Südtirol) bzw. der
Altersgruppen
n
%
n
%
n
%
weibl.
weibl.
männl.
männl.
Gesamt
Gesamt
18-25 Jahre
83
56
64
44
147
28
26-35 Jahre
67
47
77
53
144
27
36-45 Jahre
56
63
33
37
89
17
46-55 Jahre
60
68
28
32
88
16
56-65 Jahre
26
55
21
45
47
9
> 65 Jahre
9
64
5
36
14
3
Gesamtkollektiv
301
57
228
43
529
100
die Akzeptanz und ihre Auswirkungen auf den Konsum zu erfassen. Im Jahr 2002
wurde die Befragung ausgeweitet und in Wien, Oberösterreich, Tirol und Südtirol
erneut durchgeführt (Doliana 2003, Wastlbauer 2003).
Insgesamt wurden 800 Fragebögen ausgeteilt, 614 wurden retourniert. Dies
entspricht einer Rücklaufquote von 77%. Nach Berücksichtigung der Ausschlusskriterien wurden 529 Fragebögen (66%) in die Endauswertung miteinbezogen.
Die Ausschlusskriterien waren folgende:
- Fehlen von persönlichen Daten wie Alter, Geschlecht, Körpergewicht und Körpergröße
- unbeantwortete Fragenkomplexe
- inhaltliche, inkohärente Zusammenhänge
- formale Fehler (wenn z.B. mehr Antworten angekreuzt wurden als vorgegeben war)
Der Fragebogen besteht aus 12 Fragen, die sich direkt oder indirekt mit dem
Thema "light" beschäftigen. Meist wurde ein bipolares Ratingsystem angewendet,
d.h. es musste nur zwischen trifft zu/trifft nicht zu oder wichtig/nicht wichtig entschieden werden. Bei Frage 2 handelt es sich um einen Food Frequency Questionnaire (FFQ).
Inhalte des Fragebogens:
- Image und Konsum von light-Produkten
- Ernährungswissen
- Erwartungen des Konsumenten
Abschließend mussten die Rahmendaten wie Alter, Geschlecht, Körpergröße,
Körpergewicht, Ausbildung, Beruf, Nettoeinkommen und Ausgaben für Nahrungsmittel eingetragen werden.
Für das Gesamtkollektiv wurden vier Gebiete ausgewählt: Zwei Regionen aus
dem Westen, Tirol und Südtirol, sowie Oberösterreich und Wien als Vertreter der
östlichen Bundesländer. Die Befragten waren ausschließlich Erwachsene ab 18
Jahren und aus allen sozialen Schichten.
150 Personen sind Wiener (28%), 105 Personen (20%) kommen aus Oberösterreich. Aus dem Westen stammen 121 aus Tirol (23%) und 153 Personen
(29%) aus Südtirol.
Tab. 3.35
Verteilung des
Gesamtkollektivs in den
BMI-Gruppen
bezogen auf
die verschiedenen Bundesländer, Angaben in %
in %
Südtirol
Tirol
Wien
Oberöster- Gesamt
reich
Untergewicht
15
6
6
8
9
Normalgewicht
68
68
67
65
67
Übergewicht
14
20
22
27
20
Adipositas
3
6
5
0
4
184
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Insgesamt nahmen 301 Frauen (57%) und 228 Männer (43%) an der Befragung teil. Tabelle
3.34 gibt eine Übersicht über die Einteilung nach Altersgruppen.
Aus den Angaben der Befragten zu Körpergewicht und -größe wurde der BMI (Body Mass Index)
ermittelt. Bei der Einteilung der Personen des gesamten Stichprobenumfangs, liegen neun Prozent
im Bereich des Untergewichts (BMI < 20 kg/m2), über zwei Drittel (67%) in der Gruppe der Normalgewichtigen (BMI 20-25 kg/m2), zwanzig Prozent des Gesamtkollektivs zählen zu den Übergewichtigen (BMI > 25 kg/m2) und 4% leiden an Adipositas (BMI > 30 kg/m2).
Beim Vergleich der vier Gebiete fällt auf, dass Südtirol einen besonders hohen Anteil an Untergewichtigen (15%) aufweist.
Es ist klar ersichtlich, dass mit steigendem Alter auch eine Gewichtszunahme erfolgt. Während
jüngere Frauen und Männer vorwiegend im Bereich des Normalgewichts liegen, sind bei den über
55-jährigen Personen die meisten Übergewichtigen zu finden. Auffällig ist auch, dass es sich bei den
Untergewichtigen vor allem um jüngere Erwachsene unter 25 Jahren handelt.
Diejenigen, die light-Produkte kaufen, gehören nicht zu einer Minderheit: die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass etwa die Hälfte der Befragten light-Produkte konsumiert. Von der gesamten
Stichprobe im Osten (255 Personen) kreuzten 56% an, dass sie light-Produkte kaufen. In Tirol und
Südtirol zeigte sich ein ähnliches Bild (Konsumenten: 42%; Nicht-Konsumenten: 58%). Wie schon
die Studie 1996 beobachtete, werden light-Produkte eindeutig von Frauen bevorzugt (65% der Käufer): Im Osten zeigte sich, dass 62% der Frauen solche Lebensmittel kaufen, im Westen 68%. Die
Männer liegen sowohl im Osten mit 38% als auch im Westen mit 32% im Konsum von light-Produkten deutlich (p<0,001) hinter den Frauen. Der höhere Verzehr bei Frauen lässt sich möglicherweise
auch darauf zurückführen, dass Frauen oft ein stärkeres Gesundheitsbewusstsein aufweisen und
sich mehr mit Lebensmitteln und deren Inhaltsstoffen auseinandersetzen.
Im Gegensatz zu den Ergebnissen von 1996 konnten 2002 keine signifikanten Unterschiede bezüglich des Kaufs von light-Produkten zwischen den Altersgruppen beobachtet werden. Im Osten
spielt die BMI-Klasse, aus welcher die Befragten stammen, keine bedeutende Rolle beim Konsumverhalten: mit Ausnahme der Adipösen kaufen jeweils mehr als die Hälfte der Befragten "light" ein
(Untergewicht 53%, Normalgewicht 57%, Übergewicht 55%, Adipositas 43%). Im Westen kaufen
nur 35% der Normalgewichtigen, aber 83% der Adipösen light-Produkte. Bezüglich des Bildungsniveaus zeigte sich ein signifikanter Unterschied (p<0,01) zwischen Konsumenten mit Maturaabschluss (62%) und jenen ohne Matura (38%).
Motive für den Kauf von Light-Produkten
Die Motivation zum Kauf von light-Produkten ist vielfältig. Einerseits scheinen sie die Lösung aller Gewichtsprobleme zu sein. Andererseits gehören light-Produkte heutzutage zum modernen Lebensstil.
Verwender von light-Produkten kaufen "light" vor allem weil sie damit ihr Körpergewicht halten
wollen (44% der Verwender) und aus gesundheitlichen Gründen (weil sie glauben, dass sie gesünder sind; 43% der Verwender). In unserer Gesellschaft herrscht das Schönheitsideal des jungen,
schlanken und sportlichen Körpers vor. Vor allem das weibliche Geschlecht, aber auch immer mehr
Männer, stehen unter dem sozialen Druck schlank zu werden bzw. zu bleiben. Viele Frauen gehören
zu den gezügelten Essern, d.h. sie achten sehr bewusst auf die Menge und Zusammensetzung der
Nahrung. Mit Hilfe von light-Produkten haben sie die Möglichkeit die Energiezufuhr niedriger zu halten, auch wenn sie dieselbe Menge wie vom Standardprodukt verzehren. Während bei der Befragung 1996 (Österreichischer Ernährungsbericht 1998) festgestellt wurde, dass die Jüngeren vor allem light-Produkte konsumieren, um ihr Körpergewicht zu halten, und die älteren Personen vor allem der Annahme waren, damit gesünder zu leben, konnten 2002 keine altersbedingten Unterschiede nachgewiesen werden. Bei der Gruppe der Übergewichtigen steht bei der Kaufmotivation die Gesundheit im Vordergrund, während die Adipösen, "weil ich abnehmen will" zum Kauf bewegt.
Dass in der vorliegenden light-Produkte-Befragung im Vergleich zu 1996 v.a. bei den jüngeren
Befragten eine bessere geschmackliche Akzeptanz vorherrscht, ist eventuell darauf zurückzuführen,
dass das Geschmacksempfinden anders ausgeprägt ist. Man darf aber auch nicht vergessen, dass
Verwender von light-Produkten diese zum Großteil auch für gesund halten. Falls es geschmackliche
Einbußen gibt, wird dies daher oft bereitwillig akzeptiert. Möglicherweise haben technologische Fortschritte auch zu einer geschmacklichen Verbesserung der light-Produkte beigetragen. Werbung bzw.
krankheitsbedingte Kaufmotive scheinen eine untergeordnete Rolle zu spielen. Beim krankheitsbedingten Kauf kann man feststellen, dass dieser Grund mit dem Alter signifikant ansteigt.
185
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Abb. 3.35:
Kaufmotive für
light-Produkte
Osten
Westen
krankheitsbedingt
wegen der Werbung
um abzunehmen
weil sie besser schmecken
weil sie gesünder sind
um mein Gewicht zu halten
0
10
20
30
40
50
%
Assoziationen mit dem Begriff "light"
Von der Mehrheit der Befragten wird der Begriff "light" mit den Begriffen "kalorienreduziert", "fettreduziert" und "zuckerreduziert" in Zusammenhang gebracht. Etwa zwei Drittel der Befragten sind der Meinung, dass light-Produkte für
Personengruppen bestimmt sind, die Diät halten müssen oder abnehmen wollen.
Weder im Osten, noch im Westen assoziiert man light mit "qualitativ hochwertig".
Aber eine Mehrheit (etwa 70%) findet es zutreffend, dass es sich um ein "typisches Produkt unserer Wohlstandsgesellschaft" handelt. Außerdem halten etwa
ein Drittel aller Befragten light-Produkte für "überflüssig" und "teuer".
Verwender von light-Produkten assoziieren im Gegensatz zu Nicht-Käufern
auch häufiger "gesund", "schlank" und "fit", und "qualitativ hochwertig" mit dem
Begriff. Zwischen Ost- und Westösterreich sowie zwischen den Geschlechtern gibt
es keine nennenswerten Unterschiede.
Prinzipiell ist es zu befürworten, wenn bei der Ernährung auf den Energiegehalt geachtet wird, doch sollte darüber hinaus nicht vergessen werden, dass die
gesamte Nahrungs- bzw. Nährstoffzusammensetzung für eine optimale Versorgung eine wichtige Rolle spielt. Den light-Produkten sind in dieser Hinsicht Gren-
teuer
Osten
Westen
überflüssig
Diät halten
zum Abnehmen
zuckerreduziert
fettreduziert
kalorienreduziert
Abb. 3.36:
Assoziationen
mit dem Begriff "light"
0
20
40
60
%
186
80
100
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
zen gesetzt, denn ihr alleiniger Einsatz reicht nicht für eine gesunde Ernährungsweise aus.
Verzehr von Light-Produkten
Zu den beliebtesten light-Produkten zählen wie schon 1996 fettreduzierte
Milchprodukte (62% der Verwender konsumieren diese mehr als 1x/Woche), was
sicher auch auf das vielfältige Angebot zurückzuführen ist. Käse, Fruchtsäfte, Öle,
sowie Limonaden, Margarine und Brot- und Backwaren nehmen ebenfalls einen
wichtigen Platz ein. Demgegenüber stellen der Konsum der light-Varianten von
Bier, Mayonnaise, Fertigprodukten, Süßwaren, Konfitüre und Wurst eine untergeordnete Rolle dar. Eine Ursache für den geringeren Verzehr dieser Produkte ist
möglicherweise, dass diese Lebensmittel eher zu den weniger gesunden gezählt
werden. Verwender von light-Produkten kaufen "light" aber vor allem aus gesundheitlichen Gründen und weil sie damit ihr Körpergewicht halten wollen. Zudem ist das Angebot an light-Wurst- und Süßwaren noch wesentlich geringer im
Vergleich zu Milch und Milchprodukten.
Im Osten werden neben Milch(produkten) und Käse die light-Varianten von
künstlichen Süßstoffen, Limonaden und Margarine, im Westen von Brot und Konfitüre vermehrt verzehrt. Auch bei dieser Fragestellung wird deutlich, dass Frauen
light-Produkte signifikant häufiger verwenden. Verglichen mit den Männern, konsumieren Frauen signifikant häufiger Milchprodukte und künstliche Süßstoffe.
Männer hingegen trinken vermehrt light-Bier und Limonade.
In der Befragung stellte sich heraus, dass der Großteil der Personen beim Einkaufen auf light-Produkte stößt oder diese über die Medien kennen lernt. Ärzte
und Ernährungsberater kommen als Informationsquelle praktisch nicht vor.
Geschmack, Gesundheit und Preis sind für die Befragten wichtig bei der Auswahl von Lebensmitteln. Für Verwender von light-Produkten spielen außerdem Kalorien-, Fett- und Zuckergehalt eine bedeutende Rolle. Von geringer Bedeutung
sind Produkte mit prä- oder probiotischer Wirkung, rasche Zubereitung (z.B. Fertigprodukte) sowie Markenname und Verpackung.
Etwa die Hälfte aller Befragten ist der Meinung, dass light-Produkte, mehr Zusatzstoffe enthalten als normale Produkte, zum Abnehmen geeignet sind und eine gute Alternative darstellen. Je ein Drittel meint, dass man vollen Geschmack
bei weniger Kalorien erhält, aber auch mehr davon konsumiert und einem das
Geld aus der Tasche gezogen wird. Wobei letztere Aussage im Westen mehr Bedeutung hat verglichen mit dem Osten.
Mayonnaise
Osten
Westen
Bier
Fertigprodukte
Süßwaren/Eis
Konfitüre
Wurstwaren
Künstl. Süßstoffe
Brot-/Backwaren
Limonade
Margarine
Öle
Fruchtsäfte
Käse
Milch(produkte)
0
10
20
30
40
%
187
50
60
70
Abb. 3:.37
Verzehr von
"light"-Produkten mindestens
1x/Woche
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Die Verwender von light-Produkten kreuzten signifikant häufiger an, zum Abnehmen geeignet,
voller Geschmack bei weniger Kalorien und eine gute Alternative, während bei den Nicht-Verwendern
der gesteigerte Verzehr und der teurere Preis im Vordergrund stehen.
36% der Befragten gaben an, dass bei kalorienreduzierten Produkten der Energiegehalt um 30%
reduziert sein muss. Fast die Hälfte war der Meinung, dass die Reduktion 40, 50 und mehr Prozente
ausmachen sollte.
Die meisten Probanden (Verwender und Nichtverwender) wünschen sich eine Auflistung der Inhaltsstoffe auf den Verpackungen von Lebensmitteln. Bei Frauen ist dieser Wunsch ausgeprägter, da
sie sich auch intensiver mit dem gesundheitlichen Wert von Lebensmitteln auseinandersetzen. Eine
Kalorienangabe ist eher für Verwender von light-Produkten wichtig, der Kaloriengehalt ist bei ihnen
auch ein wichtiges Kaufkriterium bei der Lebensmittelauswahl. Die Hälfte der Verwender stimmt auch
für einen deutlichen Hinweis, warum Produkte als light bezeichnet werden. Die Kennzeichnung von
light-Begriffen wirft aber einige Probleme auf: der Begriff ist nicht gesetzlich geschützt und in Österreich gibt es nur für bestimmte Lebensmittel Richtlinien, um wie viel Energieprozente die jeweiligen
light-Varianten erniedrigt sein müssen. Eine weitere Gefahr ist, dass ein Produkt z.B. mit der Aufschrift fettreduziert oder sogar 0,1% Fett beschriftet und beworben wird und der Konsument nur
beim aufmerksamen Studieren der (kleingedruckten) Inhaltsstoffe erkennen kann, dass anstelle von
Fett z.B. mehr Zucker zugesetzt wurde. In diesem Fall nimmt der Käufer nicht wirklich ein energiereduziertes Produkt zu sich. Das heißt, Kennzeichnungen sind nur dann eine Hilfe, wenn sie auch
richtig gelesen und beurteilt werden können.
Auf dem Markt gibt es inzwischen eine Vielzahl an light-Produkten. Die meisten Befragten finden
das Angebot als ausreichend (39% im Osten, 27% im Westen), nur 15% der Befragten wünschen
sich eine größere Vielfalt. 16% sind der Meinung, dass light-Produkte überflüssig sind und 36% haben sich mit dem Angebot nicht beschäftigt, wobei dies insbesondere auf die westliche Bevölkerung
zutrifft (43%). Zwischen den Geschlechtern zeigt sich ein signifikanter Unterschied bei der Beurteilung des derzeitigen Angebots von light-Produkten: zum einen haben sich die Männer weniger häufig mit dem Angebot auseinandergesetzt, zum anderen schätzen sie aber das Angebot öfter als unzureichend ein, verglichen mit den Frauen. Signifikante Unterschiede lassen sich auch zwischen Verwendern und Nicht-Konsumenten von light-Produkten erkennen: die Hälfte der light-Verwender ist
mit dem Angebot an Produkten zufrieden, während sich 31% für mehr Vielfalt aussprechen. Mehr als
die Hälfte (55%) der Nicht-Käufer hat sich mit dem Angebot nicht auseinandergesetzt bzw. finden
etwa ein Drittel diese Produkte überflüssig.
Ausblick
Die Bezeichnungen "light" oder "leicht" können irreführen, da sich dahinter eine Vielzahl verschiedenster Produkte verbirgt. Das heißt, um welche Komponenten die Produkte jeweils "erleichtert" werden, kann unterschiedlich sein. Außerdem lässt das gesunde Image vergessen, dass auch
light-Produkte Kalorien enthalten und verglichen mit den herkömmlichen Produkten nicht unbedingt
gesündere Nahrungsmittel sind. Man darf nicht glauben, dass ein einzelnes kalorienreiches Produkt
schuld an Übergewicht ist. Vielmehr sind die Ursachen falsches Ernährungsverhalten und Bewegungsmangel. So können light-Produkte kontraproduktiv wirken in der Bemühung die Verbraucher
dahinzuführen, von Natur aus kalorienarme Lebensmittel wie Obst und Gemüse zu konsumieren.
Bei sinnvollem Einsatz können light-Produkte eine Gewichtsreduktion unterstützen, wenn sie die
Compliance der übergewichtigen Patienten eine Diät durchzuhalten, durch mehr Flexibilität bei der
Speisenplanung erhöhen. Damit man sich aber gesund ernährt, genügt es sicherlich nicht, nur lightProdukte einzusetzen. Konsumenten sollten so aufgeklärt und informiert werden, dass sie die Kennzeichnungen auf den einzelnen Lebensmitteln richtig verstehen und den gesundheitlichen Wert des
Produkts abschätzen können. Aufgeklärte Konsumenten lassen sich höchstwahrscheinlich weniger
durch Werbung täuschen und beeinflussen bzw. sind fähig, light-Produkte in angemessener Weise
einzusetzen.
188
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
3.11 Lebensmittelzusatzstoffe
Zusammenfassung
Gegenwärtig sind in der EU 296 Stoffe, nach dem Prinzip einer Positivliste, zur Verwendung zugelassen. Für viele dieser Stoffe gelten Anwendungs- und Mengenbegrenzungen. Aus Gründen der
Gesundheitsvorsorge dürfen sie also nur bestimmten Lebensmitteln und nur bis zu einer bestimmten Höchstmenge zugesetzt werden.
Die Höchstmenge kann mit der aus dem ADI (Acceptable Daily Intake) -Wert berechneten Konzentration identisch sein. Sie liegt im Allgemeinen aber viel niedriger, weil grundsätzlich nur diejenigen Konzentration als Höchstmenge erlaubt wird, die bei Zusatzstoffen technologisch notwendig ist,
um den gewünschten Zweck zu erreichen.
Die Bewertung der Zusatzstoffaufnahme erfolgt nach einem EU-weit harmonisierten "Stufenkonzept". Innerhalb von 3 Stufen wird die Aufnahme mit steigender Genauigkeit ermittelt. Lebensmittelzusatzstoffe, bei denen die geschätzte Zufuhr in einer Stufe über dem ADI liegt, werden in der
nächsthöheren Stufe exakter bewertet. Aus den Ergebnissen könnten, wenn notwendig, Änderungen der rechtlichen Vorgaben abgeleitet werden.
In Österreich wurden bis dato 3 Zusatzstoffmonitorings (1996, 1998, 2002) durchgeführt. Die
Ergebnisse der ersten beiden wurden im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 beschrieben (für
die Altersgruppen ab 6 Jahren). Dabei zeigte sich, dass die Aufnahme der meisten Lebensmittelzusatzstoffe unterhalb der duldbaren täglichen Aufnahme (ADI) liegt. Nach Stufe 3 wurde der ADI lediglich bei Schwefeldioxid (SO2) und der Gruppe der Sulfite an der 95. Perzentile (High Consumer)
überschritten. Bei weiteren 9 Zusatzstoffgruppen wurde der ADI nach Stufe 2 (entspricht einer
"worst case"-Situation) überschritten.
In der 2002 durchgeführten Studie wurde die Zusatzstoffaufnahme speziell bei 3-6-jährigen Kindern nach Stufe 2 und wo es möglich war nach Stufe 3 ermittelt. Insgesamt wurden 90 Additive
untersucht.
Bei 10 Lebensmittelzusatzstoffen bzw. -gruppen (dazu zählten z.B. Farbstoffe E 110, 120, 142,
151; Sorbate E 200, 202,203; Schwefeldioxid E 220) wurde der ADI nach Stufe 3 an der 95. Perzentile überschritten.
Bei weiteren 14 lag die Zufuhr nach Stufe 2 an der 95. Perzentile über dem ADI (dazu zählten
z.B. Lactylate E 481-482, div. Ester E 473-474, Ascorbate E 315-316). Letztere Risikoabschätzung
führt jedoch zu einer groben Überschätzung der Belastung, da mit Höchstmengen gerechnet wird.
Hier wären Analysedaten oder Herstellerangaben über die tatsächlich zu den Lebensmitteln zugesetzten Mengen wünschenswert, um eine exaktere Berechnung der Zusatzstoffaufnahme durchführen zu können.
Der ADI beinhaltet großzügige Sicherheitsspannen. Deshalb ist eine gelegentliche Überschreitung eines ADI-Werts gesundheitlich nicht bedenklich. Obschon eine über längere Zeiträume anhaltende Aufnahme von Lebensmittelzusatzstoffen über dem ADI unerwünscht ist.
Allgemeines
Die Nachfrage nach Lebensmitteln, die lange haltbar sind, schnell zubereitet werden können, geschmacklich einwandfrei und zudem auch noch billig sind, steigt ständig an. Dieser Trend ist seit vielen Jahrzehnten ungebrochen. Durch den entsprechenden Einsatz von Hilfsmitteln bzw. Zusatzstoffen ist es möglich, diesem Bedarf nachzukommen und gleichzeitig ein größtes Maß an Sicherheit
(z.B. vor mikrobiologischem Verderb) und ernährungsphysiologischer Qualität (z.B. geringst mögliche Nährstoffverluste) zu garantieren. Außerdem können viele Lebensmittel durch Additive optisch
und geschmacklich auf gutem Niveau gehalten oder gar verbessert werden.
Auf der anderen Seite dürfen die verwendeten Lebensmittelzusatzstoffe selbstverständlich nicht
gesundheitsschädlich sein und lediglich kontrolliert eingesetzt werden.
Das europäische Zusatzstoffrecht schreibt jedem EU-Mitgliedstaat vor, den Verbrauch und die
Verwendung von Zusatzstoffen nach einem einheitlichen System zu überwachen. Ziel ist eine Risikoabschätzung der Belastung der Bevölkerung mit einzelnen Additiven. Aus den Ergebnissen könnten, wenn notwendig, Änderungen der rechtlichen Vorgaben abgeleitet werden.
Österreich ist dieser Verpflichtung, für den Großteil der Bevölkerung, bereits durch zwei Querschnittsstudien (1996,1998) nachgekommen [Elmadfa et al., 1996; 1998].
Eine umfassende "Risikoanalyse" bei Kindern im Vorschulalter (3-6 Jahre) wurde vom Institut für
Ernährungswissenschaften der Universität Wien im Jahr 2002 nachgeholt. Diese Untersuchung wur-
189
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
de für Notwendig erachtet, zumal Kinder aufgrund ihres Körpergewichts und ihres Ernährungsverhaltens hinsichtlich der Zusatzstoffaufnahme eine mögliche Risikogruppe darstellen.
Unter anderem galt es, jene Zusatzstoffe herauszufiltern, die in Zukunft verstärkt überwacht
werden sollten und für die genauere Informationen und Angaben über den tatsächlichen Einsatz ermittelt werden müssen.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Alle EU-Mitgliedsstaaten haben sich auf ein gemeinschaftliches Zusatzstoffrecht für Lebensmittel
geeinigt. In jedem EU-Land dürfen die gleichen Lebensmittelzusatzstoffe unter definierten Bedingungen eingesetzt werden.
Damit ist einerseits eine Grundbedingung für den freien Warenverkehr gewährleistet und andererseits ist für jeden Verbraucher in Europa das gleiche Schutzniveau garantiert.
Die Basis des gemeinschaftlichen Regelwerks bildet die so genannte "Rahmen-Richtlinie"
(89/107/EWG bzw. 94/34/EG).
Diese Rahmenrichtlinie enthält grundlegende Bestimmungen des Zusatzstoffrechts, welches die
Definition, die Grundsätze der Regelungen in den fünfzehn Artikeln, die Zulassungskriterien, die
Kennzeichnungsbestimmungen sowie den Umfang beziehungsweise Geltungsbereich festlegt.
Ausgehend von dieser Richtlinie erließen der Rat und das Europäische Parlament drei Einzelrichtlinien:
- Süßungsmittelrichtlinie (94/35/EG geändert durch 96/83/EG)
- Farbstoffrichtlinie (94/36/EG)
- "Miscellaneous-Richtlinie" (95/2/ EG geändert durch 96/85/EG, 98/72/EG und 2001/EG)
Das europäische Lebensmittelzusatzstoffrecht, regelt nicht nur die Zulassung, Grenzwerte und
Kennzeichnung der Zusatzstoffe in den einzelnen Richtlinien, sondern auch die Reinheitsanforderungen und die Analytik.
Gegenwärtig sind in der EU 296 Stoffe, nach dem Prinzip einer Positivliste (es dürfen nur die
Stoffe eingesetzt werden, die ausdrücklich erlaubt sind) zur Verwendung zugelassen. Für viele dieser Stoffe gelten Anwendungs- und Mengenbegrenzungen, sie dürfen also nur bestimmten Lebensmitteln und nur bis zu einer bestimmten Höchstmenge zugesetzt werden.
Höchstmengen, angegeben in mg/kg bzw. mg/l, sind Konzentrationen von (Fremd-)Stoffen in
Lebensmitteln, die aus Gründen der Gesundheitsvorsorge nicht überschritten werden sollten.
Die Höchstmenge kann mit der aus dem ADI (Acceptable Daily Intake) -Wert berechneten Konzentration identisch sein. Sie liegt im Allgemeinen aber viel niedriger, weil grundsätzlich nur diejenigen Konzentration als Höchstmenge erlaubt wird, die bei Zusatzstoffen technologisch notwendig ist,
um den gewünschten Zweck zu erreichen.
Das ADI-Konzept wurde bereits in den 50er Jahren von der JECFA (Joint Expert Committee on
Food Additives), einem Expertengremium der FAO/WHO, entwickelt. Der ADI ist definiert als "die tolerierbare Tagesdosis einer Substanz, d.h. die Menge, die ein Mensch lebenslang jeden Tag aufnehmen kann, ohne gesundheitliche Schäden davonzutragen" [Elmadfa und Leitzmann, 1998].
Jeder in den EU-Richtlinien aufgelistete Lebensmittelzusatzstoff erhält eine E-Nummer. Das "E"
steht sowohl für Europa oder EU, als auch für Essbar/Edible. Jeder Zusatzstoff wird innerhalb des
vorgesehenen Verwendungszwecks als sicher erachtet, wenn die Gesamtzufuhr einer Person kleiner
oder ähnlich dem ADI ist [ILSI, 2000].
Monitoring der Zusatzstoffaufnahme
Eine möglichst präzise Schätzung der Gesamtzufuhr an Zusatzstoffen setzt folgende Informationen voraus:
- alle Lebensmittel, die Zusatzstoffe enthalten
- die Konzentration im Lebensmittel
- die verzehrte Menge dieser Lebensmittel
Im Rahmen der wissenschaftlichen Zusammenarbeit innerhalb der EU wurde ein so genanntes
"Stufenkonzept" zur Bewertung der Aufnahme entwickelt.
Ziel ist es, potentielle Höchstaufnahmen zu identifizieren. Das geschieht in sehr konservativen
Ansätzen, mit denen die Zusatzstoffaufnahme eher überschätzt wird.
Stufe 1 stellt zunächst ein erstes Screening dar, um diejenigen Zusatzstoffe zu identifizieren, für
die weitere Informationen benötigt werden. Hierfür werden theoretische Daten zum Lebensmittel-
190
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
konsum in Verbindung mit den zulässigen Höchstwerten für die Verwendung des Zusatzstoffes verknüpft ("Danish-Budget-Methode").
Mit dieser Methode wird jedoch nicht die tatsächliche tägliche Aufnahme an Zusatzstoffen berechnet, sondern die maximale, theoretische Zufuhr eines Stoffes in einem "worst-case" Szenario
(TMDI, Theoretical Maximum Daily Intake). Ist der TMDI kleiner als der ADI, dann ist es höchst unwahrscheinlich, dass der ADI in irgendeiner Lebenssituation überschritten wird. Im umgekehrten
Fall, der TMDI liegt über dem ADI, sind weitere genauere Studien nötig (Stufe 2).
In der Stufe 2 werden diejenigen Lebensmittelzusatzstoffe der Stufe 1 geprüft, bei denen die errechnete Aufnahme über dem ADI lag.
In dieser Stufe des Monitorings werden nationale Daten zum tatsächlichen Lebensmittelkonsum
der Bevölkerung mit den zulässigen Höchstwerten für die Verwendung des Zusatzstoffes kombiniert.
Lebensmittelzusatzstoffe, bei denen die berechnete Aufnahme nach Stufe 2 über dem ADI lag,
werden in Stufe 3 übernommen.
In der Stufe 3 werden die Daten zum tatsächlichen Lebensmittelverzehr mit tatsächlich eingesetzten Zusatzstoffmengen (Herstellerangaben und/oder Analysedaten amtlicher Lebensmitteluntersuchungsanstalten) verknüpft.
Wie hoch ist die Zusatzstoffaufnahme in Österreich?
In Österreich wurde das Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien vom
Bundeskanzleramt, Sektion VI, damit beauftragt, das stufenweise Vorgehen zur Beurteilung der Zusatzstoffaufnahme durchzuführen.
Die erste genauere Abschätzung erfolgte im Rahmen des Forschungsvorhabens GZ353.117/0III/9/96- "Aufnahmen an Zusatzstoffen in Österreich" [Elmadfa et al., 1996]. Die Untersuchung entsprach der Stufe 2 und es konnten alle Bevölkerungsgruppen inklusive Vorschulkinder (3-6 J.) berücksichtigt werden. Das Ergebnis zeigte eine überhöhte Aufnahme (95. Perzentile) an fünfzehn Lebensmittelzusatzstoffen.
Im Rahmen des Forschungsvorhabens GZ353.117/2-VI/9/98- "Risikoabschätzung der Zusatzstoffbelastung in der österreichischen Bevölkerung" konnte größtenteils das Konzept der Stufe 3 angewendet werden [Elmadfa et al., 1998]. Erwartungsgemäß konnte durch diese 3. Stufe des Screenings die Liste der nach Stufe 2 ermittelten Zusatzstoffe weitgehend reduziert werden. Für den größten Teil der derzeit verwendeten Additive ergab sich auch bei überdurchschnittlich hohem Konsum
bestimmter Lebensmittel (95. Perzentile), keine Überschreitung der derzeit gültigen ADI-Werte.
Lediglich bei 8 Zusatzstoffgruppen kam es an der 95. Perzentile (= High Consumer) zu einer
Überschreitung des ADI-Werts (Tab. 3.36). Bei den in Tab. 3.36 angeführten Gruppen musste jedoch, mit Ausnahme von Schwefeldioxid (SO2) und Sulfiten, mangels ausreichender Hersteller- und
Analysedaten mit den gesetzlich zulässigen Höchstmengen gerechnet werden. D.h. die Ergebnisse
entsprechen bei den mit * markierten Stoffen lediglich der Stufe 2 der Risikoabschätzung (= konservativer Ansatz bzw. ein sog. "worst case scenario").
Abb. 3.38 verdeutlicht beispielhaft den Unterschied der Risikoanalyse zwischen Stufe 2 und Stufe 3 anhand der Analysedaten für Nitrit (E 249-250). Dargestellt sind jeweils die berechneten Mittelwerte. Die tatsächliche Aufnahme dieses Konservierungsmittels liegt für alle betrachteten Altersbzw. Personengruppen sowohl nach Stufe 2 als auch nach Stufe 3 unter den jeweiligen ADI-Werten."
Wie hoch ist die Zusatzstoffaufnahme bei österreichischen Vorschulkindern?
Wie bereits in den einleitenden Worten erwähnt, wurde in der 1998 durchgeführten Untersuchung (nach Stufe 3) die Zusatzstoffaufnahme der Vorschulkinder (3-6 Jahre) noch nicht erhoben.
Gründe hierfür waren sowohl die geringe Stichprobengröße als auch die unvollständig erfassten Daten, sodass eine statistisch signifikante Auswertung für diese Bevölkerungsgruppe nicht erfolgen
konnte.
2002 wurde die Abschätzung der Zusatzstoffaufnahme (nach Stufe 3) für diese Bevölkerungsgruppe vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien nachgeholt. Es wurde analog zu 1998 und nach dem EU-weit geregelten Prinzipien vorgegangen [Elmadfa et al., 1998].
-
Oftmals wurde die Frage aufgeworfen, ob (Klein-) Kinder durch das ADI-Konzept ausreichend
geschützt sind. Aufgrund der vorhandenen wissenschaftlichen Basis kann diese hypothetische
Frage eindeutig mit Ja beantwortet werden.
191
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Abb. 3.38:
Vergleich der
Risikoabschätzung nach Stufe 2 (keine
Analysedaten
und/oder keine
Angaben des
Herstellers) zu
Stufe 3 (Analysedaten
und/oder Angaben des Herstellers liegen
vor) am Beispiel der Nitritaufnahme bei
österreichischen Personengruppen
Zusatzstoff
E 220
Überschreitungen des ADIt1 an
der 95. Perzentile (= High Consumer)
alle Altersgruppen
SO2
E 221-224, 226-228 Sulfite
alle Altersgruppen
E 321*
BHT (Butylhydroxytoluol) 6-12 J. und 15-25 J.
E 416*
Karayagummi
6-19 J.
E 432-436*
Polysorbate
6-25 J. und Schwangere
E 473-474*
Saccharoseester von Fett- alle Altersgruppen, teilweise bei
säuren, Zuckerglyderide den Mittelwerten
E 481-482*
Stearoyllachtylate
alle Altersgruppen
E 483*
Stearyltartrat
6-12 J. und 20-35 J.
E492*
Sorbitantristearat
6-12 J.
E493-494*
Sorbitanfettsäureester (2) alle Altersgruppen, teilweise bei
den Mittelwerten
E554-559*
Aluminiumsilikate
alle Altersgruppen bei den
Mittelwerten
* weder ausreichende Hersteller- noch Analysendaten (Stufe 2); 1 total Acceptable Daily Intake bezogen auf das jeweilige mittlere Körpergewicht
-
Bei Kindern ist es aber eher wahrscheinlich, dass der ADI für bestimmte Substanzen überschritten wird. Einerseits ist der Nahrungsbedarf (z.B. Energie,
Protein, Wasser) von kleinen Kindern in Relation zum Körpergewicht 2-5mal
höher als bei Erwachsenen. Andererseits haben sie oft eine weniger abwechslungsreiche Kost und bestimmte Lebensmittel werden bevorzugt. In der
Folge konsumiert diese spezielle Bevölkerungsgruppe 5mal mehr (in Relation
zum Körpergewicht) Zuckerwaren, Kakao- und Schokoladenprodukte, aromatisierte Getränke, Fruchtsäfte, Getränke auf Milchbasis oder Desserts als Erwachsene [ILSI, 2000].
Aufnahme an Nitrit (mg/d)
14
Stufe 3
Stufe 2
ADIt liegt im Bereich von 152 -372 mg/d
12
10
8
6
4
2
0
69
J.
10
-1
2
J.
13
-1
4
J.
15
-1
9
J.
20
-2
5
J.
26
-3
5
J.
36
-4
5
J.
46
-5
5
J.
56
-6
5
J.
>
6
5
Sc
J.
hw
an
ge
re
St
ill
en
de
Tab. 3.36:
Zusatzstoffaufnahme >ADI
nach Stufe 2
(keine Analysedaten
und/oder keine
Angaben des
Herstellers)
bzw. Stufe 3
(Analysedaten
und/oder Angaben des Herstellers liegen
vor) bei High
Consumern
(95. Perzentile)
verschiedener
Österreichischer Personengruppen ab
6 Jahren; Beurteilung nach
Stufe 2 führt
zu starker
Überschätzung
der Aufnahme
192
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Vorschulkin- weiblich (n) männlich (n) Gesamt (n)
der
3-6 Jahre
85
66
Körpergewicht kg
151
weiblich
männlich
20,3
21,2
Tab. 3.37
Charakteristik
des Untersuchungskollektivs
-
Die Daten zum Lebensmittelverzehr (g/d) von Vorschulkindern im Alter von 36 Jahren, ermittelt durch 3-d-Wiegeprotokolle, wurden gemäß der CFCS-Kategorisierung (Codex Food Categorisation System) den einzelnen Lebensmittelgruppen zugeordnet. Die Resultate der 3. Stufe können in weiterer Folge für
den angestrebten internationalen Vergleich herangezogen werden.
Zur Abschätzung der Zusatzstoffaufnahme wurden die Lebensmittel-Verzehrsdaten mit der Zusatzstoffdatenbank des Instituts für Ernährungswissenschaften
der Universität Wien verknüpft.
Für das Gesamtkollektiv (n=151) wurde jeweils der Mittelwert (MW), die
Standardabweichung, der Median sowie die 75. und 95 Perzentile (P.) berechnet.
Von jedem untersuchten Zusatzstoff, der auf seine gesundheitliche Unbedenklichkeit überprüft wurde, ist ein ADI-Wert bekannt.
Da die Zusatzstoffaufnahme in mg/d erfolgt, jedoch der ADI-Wert in mg/kg
Körpergewicht und Tag angegeben ist, muss für die Bewertung der sogenannte
ADIt-Wert (total Acceptable Daily Intake) herangezogen werden.
Zur Errechnung des ADIt-Werts wurde der ADI-Wert mit dem tatsächlichen
mittleren Körpergewicht der 3-6-Jährigen multipliziert, welches im Mittel 20,7 kg
für beide Geschlechter betrug.
Insgesamt wurden 90 Zusatzstoffe untersucht. Sie entsprechen der reduzierten Liste, welche von der SCOOP (Scientific Cooperation) ausgearbeitet wurde
und Lebensmittelzusatzstoffe enthält, die im Hinblick auf ihre Aufnahme kontrolliert werden sollen [SCOOP, 1998]. Viele dieser Additive können typischen Lebensmitteln, die von Kindern häufig und in großen Mengen verzehrt werden (s.o.),
zugesetzt werden.
Tab. 3.38 zeigt diejenigen Lebensmittelzusatzstoffe, bei denen die nach Stufe
3 berechnete Zufuhr zumindest an der 95. Perzentile (= High Consumer) über
dem ADIt lag. Der Quotient aus der Zufuhr an der 95. Perzentile und dem ADIt
soll veranschaulichen, inwieweit der ADIt überschritten wurde.
Die Farbstoffe Gelborange S, Echtes Karmin, Grün S und Brillantschwarz werden vor allem in Dessertspeisen, Süßwaren und Marmeladen eingesetzt. Da es
Zusatzstoff
MW > ADIt1 95. P. >
ADIt1
+
Quotient 95.
P./ADIt1
1,3-1,5
Gelborange S (E 110)
-
+
1,4
Echtes Karmin (E 120)
-
+
1,3
Grün S (E 142)
-
+
1,4
-
+
1,5
Sorbate (E 200, 202, 203)
-
+
2,5-3,1
Benzoate (E 210-213)
+
+
2,9-9,2
Schwefeldioxid (E 220)
-
+
3,3
Sulfite (E 221-224; E 226-228)
+
+
6,7
Nitrite (E 249-250)
+
+
1,8-5,7
Phosphate (E 338-341, E 450-452)
+
+
2,6-3,0
Farbstoffe
Brillantschwarz BN (E 151)
1 total Acceptable Daily Intake bezogen auf das mittlere Körpergewicht 20,7 kg (mg/d);
Aufnahme unterhalb (-) bzw. oberhalb (+) des Mittelwerts bzw. der 95. Perzentile
193
Tab. 3.38:
Ausmaß der
Belastung mit
Zusatzstoffen
bei österreichischen Vorschulkindern
(3-6 J.), Zusatzstoffaufnahme (in
mg/d) >ADI
nach Stufe 3
(Analysedaten
und/oder Angaben des Herstellers liegen
vor)
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Tab. 3.39
Tägliche Aufnahme (Stufe
3) an ausgewählten Zusatzstoffen bei
österreichischen Vorschulkindern
(3-6 J.) sowie
die jeweiligen
Hauptaufnahmequellen aus
Lebensmitteln
Zusatzstoff
Aufnahme aus Lebensmittel
Sulfite (E 221-224; 226-226)
ADIt
MW
50. P. 75. P. 95. P.
(mg/d) (mg/d) (mg/d) (mg/d) (mg/d)
14,49 19,75 2,38
22,09 96,74
aus Trockenobst
3,5
aus Obst- u. Gemüsesäfte
31,6
aus Gemüse in Essig, Lake, Öl
9,9
aus Fischgerichte
10
aus aromatisierten Getränken
19,5
aus restl. Lebensmitteln
21,24
Natriumnitrit (E 250)
2,07
4,3
3,22
6,14
11,4
aus Fleischspeisen u. Schinken
9,7
aus restl. Lebensmitteln
1,7
Orthophosphorsäure (E 338)
1449
1150
534
1594
4029
aus Schmelzkäse
220
aus Fischgerichten
405
aus Snacks auf Kartoffelbasis
375
aus Fleischspeisen
271
aus Brüh- u. Kochwürste
276
aus Speiseeis
100
aus Zuckerarten
217
aus Getränken
403
aus restl. Lebensmitteln
1762
ADIt... total Acceptable Daily Intake bezogen auf das mittlere Körpergewicht 20,7 kg;
MW... Mittelwert; P....Perzentile; 50. Perzentile = Median
sich dabei durchwegs um Lebensmittelgruppen handelt, die von Kindern bevorzugt gegessen werden, erklärt das die Überschreitung der ADI-Werte an der 95.
Perzentile.
Sorbate, Schwefeldioxid und Sulfite sind häufig verwendete Konservierungsstoffe, die einer Vielzahl von Lebensmitteln zugesetzt werden können. Die Palette
reicht von Obst- und Gemüsesäften, Brot und Gebäck sowie Trockenfrüchte
(Obst), über Fischgerichte bis hin zu Snacks auf Kartoffelbasis.
Bei den Benzoaten standen zwar für den Großteil der Lebensmittel, denen diese Konservierungsstoffe zugesetzt werden, Analysedaten und Herstellerangaben
zur Verfügung, jedoch waren vor allem die Herstellerangaben nicht immer ausreichend exakt.
Jedenfalls werden Benzoate vor allem zur Konservierung von Suppen, Fischgerichten, Kakao- und Schokoladeprodukten, Zuckerwaren sowie Obst- und Gemüsesäften eingesetzt.
Kaliumnitrit und Natriumnitrit dürfen nur gepökelten Fleischerzeugnissen sowie Fleischerzeugnissen in Dosen zugesetzt werden. Die Hauptmenge der Natriumnitritaufnahme stammte in der vorliegenden Untersuchung aus Fleischspeisen
und Schinken.
Bei Nitrit kann auch die umweltbedingte Kontamination von Obst, Gemüse
und Trinkwasser (Überdüngung, ungünstige Furchtfolge, Abwässer etc.) entscheidend zur Gesamtexposition beitragen. In den Berechnungen konnte dieser Umstand jedoch nicht berücksichtigt werden.
Phosphate stellen hinsichtlich ihrer Einsatzfähigkeit eine vielseitige Gruppe
dar. Sie können den Säuerungsmitteln, Antioxidationsmitteln sowie den Schmelz-
194
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
salzen zugeordnet werden. Zur Herstellung von Schmelzkäse werden vor allem Di-, Tri- und Polyphosphate eingesetzt. Der Zusatz beschränkt sich jedoch nicht nur auf Käse. Sie können auch wie
die anderen Phosphate einer Vielzahl von Lebensmitteln zugesetzt werden.
Tab. 3.39 zeigt die tägliche Aufnahme an ausgewählten Zusatzstoffen, welche nach Stufe 3 bewertet wurden. Zusätzlich sind die Hauptaufnahmequellen aus Lebensmitteln angeführt. Beispielsweise wird alleine durch den Verzehr von aromatisierten Getränken (Limonaden etc.) der ADI-Wert
für Sulfite bezogen auf das mittlere Körpergewicht bei den 3-6-Jährigen an der 95. Perzentile überschritten. Noch deutlicher ist die Situation hinsichtlich der Aufnahme an Natriumnitrit. Rund 85% des
an der 95. Perzentile aufgenommenen Natriumnitrits (als Zusatzstoff) stammen aus gepökelten
Fleischspeisen, Fleischerzeugnissen in Dosen sowie Schinken.
Da nicht für alle 90 zur Bewertung vorgeschlagenen Zusatzstoffe Analysedaten bzw. Herstellerangaben zur Verfügung standen, wurde für die betreffenden Additive die Zufuhr nach dem konservativen Ansatz der Stufe 2 (Basis: Höchstmengen) durchgeführt. Dabei ergab sich bei insgesamt 14
Zusatzstoffen bzw. Zusatzstoffgruppen eine Überschreitung der ADI-Werte an der 95. Perzentile (=
"worst case scenario"). Dazu zählten beispielsweise Farbstoffe (Patentblau E 131), Antioxidantien
(Gallate E 310-312, Ascorbate E 315-316), Polysorbate (E 432-436), Cyclamat (E 952) etc.
Wie bereits erwähnt, führt eine Bewertung nach Stufe 2 zu einer groben Überschätzung der tatsächlichen Belastung. Um eine genauere Risikoabschätzung durchführen zu können (nach Stufe 3),
ist die Bereitstellung von Analysedaten bzw. Herstellerangaben erforderlich.
Schlussbetrachtung
Beim Großteil der insgesamt 90 untersuchten Lebensmittelzusatzstoffe (laut SCOOP-Liste), lag
die Aufnahme der 3-6-jährigen Kinder an der 95. Perzentile unterhalb der ADI-Werte. Die Zufuhr von
zehn nach Stufe 3 untersuchten Additiven (Tab. 3.38) lag darüber.
Im Vergleich zu älteren Kindern oder Erwachsenen überschreiten 3-6-Jährige demnach häufiger
den ADI bei bestimmten Lebensmittelzusatzstoffen. Die Ursache liegt wie bereits eingangs erwähnt
in der besonderen Ernährungssituation bei Kindern dieses Alters. Der Nahrungsbedarf ist bezogen
auf das Körpergewicht höher und meist ist die Ernährung noch weniger abwechslungsreich. Der ADI
basiert auf einem sogenannten NOAEL(No Observed Adverse Effect Level). Da der NOAEL für gewöhnlich von Fütterungsversuchen, die sich über die gesamte Lebensspanne der Versuchstiere erstreckt, abgeleitet wurde, ist eine zeitweise Überschreitung des ADI-Werts gesundheitlich nicht bedenklich [ILSI, 2000].
Generell ist es jedoch nicht wünschenswert, wenn die Aufnahme von bestimmten Lebensmittelzusatzstoffen den jeweiligen ADI über längere Zeiträume hinweg übersteigt.
In den meisten Fällen werden sehr hohe Aufnahmen lediglich bei einzelnen Personen einer Bevölkerungsgruppe vorliegen und dieselben Personen werden diese Höchstaufnahmen nicht jeden
Tag und über die gesamte Lebensspanne hinweg aufweisen [ILSI, 2000].
Klarerweise bestehen zwischen Individuen große Unterschiede im Essverhalten. Sogar bei ein
und derselben Person variiert der Konsum bestimmter Lebensmittel von Tag zu Tag, je nach Jahreszeit und Lebensabschnitt.
Die technologische Verwendung einzelner Zusatzstoffe bleibt ebenfalls nicht über längere Zeiträume konstant.
Die beschriebenen Screenings sind daher innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens zu wiederholen, insbesondere bei den Lebensmittelzusatzstoffen, die nach Stufe 3 über den ADI-Werten lagen.
Von Fall zu Fall wird die Verwendung (Höchstmengen, Einsatz nur bei bestimmten Lebensmitteln
etc.) des einen oder anderen Zusatzstoffes dann nach einer Risikobewertung den Gegebenheiten
entsprechend angepasst werden um die Zufuhr, wenn angezeigt, zu reduzieren.
195
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
3.12 Acrylamid in Lebensmitteln
Zusammenfassung
Acrylamid (AA) ist eine toxische Substanz, die unter anderem neurotoxische Effekte auslöst und
im Tierversuch kanzerogen ist. Zigarettenrauch ist eine Quelle (neben vielen anderen) für die AA-Belastung, aber auch in stark erhitzten, stärkehältigen Lebensmitteln wurde AA nachgewiesen.
Für die chronische Toxizität hinsichtlich der Neuropathie gilt ein NOAEL von 0,5 mg/kg KG/d. Bei
Ratten wurde bei einer Dosis von 2 mg/kg KG/d über zwei Jahre eine erhöhte Zahl benigner und maligner Tumore festgestellt.
Acrylamid ist in hohen Konzentrationen in vivo gegenüber somatischen Zellen und Keimzellen
genotoxisch. Die FAO/WHO Consultation ordnet Acrylamid in die Gruppe 2A der IARC-Klassifikation
ein: Potentiell Kanzerogen (= probably carcinogenic to humans).
Es wird angenommen, dass Lebensmittel einen messbaren Beitrag zur Gesamtbelastung mit AA
leisten, wobei sich verschiedene Verzehrsmuster definieren lassen, die zu unterschiedlichen Aufnahmemengen führen. Im Rahmen einer ersten Risikobewertung und unter Einbeziehung veröffentlichter Untersuchungsergebnisse zur Lebensmittelbelastung mit AA wurde vom Institut der Ernährungswissenschaften der Universität Wien eine Studie durchgeführt, um einen Hinweis darauf zu erhalten,
wie hoch die durchschnittliche Belastung der österreichischen Bevölkerung mit AA ist.
Je nach Bevölkerungsgruppe lag die mittlere tägliche AA-Aufnahme über Lebensmittel in Österreich zwischen 0,15-0,65 µg/kg Körpergewicht. Die Exposition über Lebensmittel ist in Hinblick auf
die Neurotoxizität (NOAEL: 500 µg/kg KG/d) also nicht bedenklich.
Bei Kindern war aufgrund der Präferenz von Kartoffelchips, Knabbergebäck und Pommes frites
sowohl in absoluten Mengen als auch relativ zum Körpergewicht die höchste AA-Belastung festzustellen. Das bestätigt die Annahme, dass bestimmte Ernährungsgewohnheiten einen Einfluss auf die
Höhe der AA-Aufnahme haben.
Letztendlich sind im Zusammenhang mit AA in Lebensmittel noch einige offene Fragen zu klären.
Bis dahin gilt es, alle vernünftigen und realisierbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die AA-Belastung
aus Lebensmitteln zu minimieren. Allgemeine Ernährungsempfehlungen, sich nach den Prinzipien einer ausgewogenen Mischkost (z.B. nach den 10 Regeln der DGE) zu ernähren, können dazu beitragen. Zusätzlich sollten im Haushalt stärkehaltige Kartoffel- und Getreideprodukte (z.B. Rösti, Toastbrot, etc.) nicht zu lange und nicht zu hoch erhitzt werden. Auch auf der Ebene der Lebensmittelproduktion ist die Lebensmittelindustrie bemüht, die Acrylamidgehalte der im Handel befindlichen
Lebensmittel zu reduzieren.
Allgemeines
In Schweden war Acrylamid (AA) erstmals 1997 in den Blickpunkt des Interesses gerückt. Damals waren Tunnelarbeiter bei Bauarbeiten hohen Konzentrationen dieses Stoffes ausgesetzt. Bei
diesen Arbeiten wurde eine acrylamidhaltige Dichtungsmasse verwendet, um in den Tunnel auslaufendes Wasser zu stoppen.
In der Folge zeigten Studien bei nicht berufsbedingt exponierten Personen in Schweden eine
Hintergrundbelastung mit AA. Rauchen ist eine Quelle für die AA-Belastung, aber auch in stark erhitzten, stärkehältigen Lebensmitteln wurde AA nachgewiesen.
AA ist eine toxische Substanz, die unter anderem neurotoxische Effekte auslöst und im Tierversuch kanzerogen ist. In diesem Zusammenhang besteht kein Grund zur Annahme, dass diese Effekte beim Menschen nicht auftreten könnten. Oral aufgenommenes AA wird schnell und gleichmäßig
im Körper verteilt, zu Glycidamid metabolisiert und relativ rasch ausgeschieden. Im Körper bilden
sich Addukte zu Hämoglobin. Diese Hämoglobinaddukte werden auch zum Nachweis von AA im Körper ("Biomarker") verwendet.
Die akute und subchronische Toxizität ist im Vergleich zu den anderen toxikologischen Eigenschaften vernachlässigbar. So liegt die LD50 je nach Tier- und Applikationsart bei 150-400 mg/kg
Körpergewicht (KG).
Hinsichtlich der Neurotoxizität existiert ein NOAEL (No Observed Adverse Effect Level) von 0,5
mg/kg KG. Die genotoxische Wirkung von AA ist sowohl in vitro als auch in vivo positiv und im Tierversuch können Genmutationen und Chromosomenbrüche festgestellt werden. Bei chronischer Aufnahme von 1-2 mg/kg Tiergewicht kommt es bei der Ratte zu einer kanzerogenen Wirkung an Brust,
Schilddrüse, Hoden und Zentralnervensystem (ZNS). Aufgrund der genotoxisch-kanzerogenen Wir-
196
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Personengruppe
Gesamtkollek- weiblich n=
tiv n=
männlich n=
151
85
66
325
174
151
174
101
73
687
405
282
262
262
-
645
557
88
Vorschulkinder (3-6 Jahre)
3-d-Wiegeprotokoll
Volksschulkinder (7-10 Jahre)
7-d-Wiegeprotokoll
Mittelschulkinder (11-15 Jahre)
7-d-Wiegeprotokoll
Erwachsene (18-59 Jahre)
24-h-Recalls
Schwangere
24-h-Recalls
Senioren (ab 60 Jahre)
24-h-Recalls
kung ist eine Schwellenwertbildung nicht möglich. Es besteht eine lineare DosisWirkungsbeziehung, wobei jedoch die "Reparaturmechanismen" beim Menschen
nicht quantifiziert werden können. Epidemiologische Untersuchungen konnten bis
dato noch keinen Hinweis auf die krebserzeugende Wirkung liefern.
Wie hoch ist die Belastung der Konsumenten mit Acrylamid über die
Nahrung?
Als Reaktion auf die Untersuchungsergebnisse zur Lebensmittelbelastung mit
AA wurde vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien eine
erste Untersuchung durchgeführt, um einen Hinweis darauf zu erhalten, wie viel
AA die österreichische Bevölkerung im Durchschnitt pro Tag aufnimmt. Zusätzlich
sollte abgeschätzt werden, in welchem Ausmaß ausgewählte Lebensmittel zur Gesamtaufnahme beitragen und welchen Einfluss eine Reduzierung des Konsums
bestimmter Nahrungsmittel auf die Aufnahme von AA haben könnte. Die Daten
zum Lebensmittelverzehr stammen aus der ÖSES (Österreichische Studie zum Ernährungsstatus), welche in der vorliegenden Studie hinsichtlich der AA-Aufnahme
ausgewertet wurden. Die einzelnen Stichproben mit näheren Beschreibungen des
Gesamtkollektivs sind in Tab. 3.40 dargestellt.
Die Abschätzung der Belastung erfolgte auf Basis von konsumierten Lebensmittelmengen. Potentiell acrylamidreiche Lebensmittel wurden zu diesem Zweck
in einzelne Gruppen zusammengefasst. Da bei der Protokollführung der Probanden nicht immer auf Herstellerangaben bzw. Markennamen der verzehrten Produkte eingegangen wurde und auch keine Rezepturen der verspeisten Gerichte
vorlagen, wurde mit "Standardrezepten" operiert. Die AA-Gehalte der Lebensmittel wurden den schweizerischen Messergebnissen (Zustand vom 16.07.2002)
entnommen [BAG, 2002a]. Wie aus Tab. 3.41 hervorgeht, variieren die aufgelisteten Werte innerhalb einer Kategorie sehr stark. Nicht nur industriell hergestellte Produkte sind die Ursache der AA-Belastung, sondern jede Speise, die zu Hause als Mahlzeit zubereitet wird, kann zur Aufnahme an AA beitragen.
Insgesamt wurden 14 Lebensmittelgruppen erstellt. Es handelte sich hierbei
in erster Linie um stärkehältige Produkte, die beim Zubereiten hoch erhitzt werden und AA bilden können. Die Berechnungen basieren einerseits auf extremen
Verzehrsgewohnheiten (95. Perzentile = High Consumer (HC)) und andererseits
auf durchschnittlichen Aufnahmemengen (MW ± SD) bestimmter Lebensmittel.
Zusätzlich wurden in die Berechnung nur diejenigen Personen mit einbezogen, die
ein bestimmtes Lebensmittel bzw. eine bestimmte Lebensmittelgruppe überhaupt
konsumierten - also die tatsächlichen Verwender (User). Die resultierenden Wer-
197
Tab. 3.40
Charakteristik
des Untersuchungskollektivs und Erhebungsmethoden
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Tab. 3.41
Acrylamidgehalt diverser
Lebensmittel
modifiziert
nach [BAG,
2002], (Stand
vom
16.07.2002)
Kategorie der Produkte aus dem Handel
Acrylamid
µg/kg LM
Ø µg/kg LM
Brot, Gebäck
30-40
35
Knäckebrot
370-450
410
Zwieback
20-35
27,5
Knabbergebäck, Cracker, …
60-560
310
Spätzle
30
30
Trockenfrüchte
30
30
Cerealien, Müsli (ohne Naturflocken)
100-220
160
Kartoffelchips
1500-2000
1750
Süßes Kleingebäck
80-150
115
Caramelbonbons
<20
20
Rührei
30
30
Kartoffelflocken
20-100
60
Kaffee (Getränk)
20
20
Pommes frites*
330-490
410
* Ergebnis der Lebensmittelprobenziehung aus Norwegen. 4 Pommes frites
Sorten bekannter Hersteller
te beschreiben demnach die durchschnittliche AA-Aufnahme für eine Personengruppe. Die Auswertung für alle angeführten Personengruppen soll als Basis für
die Abschätzung eines Gesamtrisikos für Österreichs Bevölkerung gelten. Die entsprechenden Ergebnisse sind in Tab. 3.42 zusammengefasst.
Lebensmittel leisten demnach einen messbaren Beitrag zur AA-Gesamtbelastung nicht berufsbedingt exponierter Personen in Österreich. Bei Kindern (10-15
J.) ergab sich aufgrund des geringen Körpergewichts und der Vorliebe für Snakkprodukte (Kartoffelchips, Knabbergebäck) die höchste Belastung. Wobei deutlich
zwischen den "Usern" (nur Individuen, welche die relevanten Lebensmittel konsumierten) sowie den "High Consumern" (= 95. Perzentile, d.h. weniger als 5% der
jeweiligen Altersgruppe liegen über diesem Wert) einerseits und dem statistischen
Mittelwert der gesamten Altersgruppe andererseits zu unterscheiden ist. In die
Acrylamidelastung in µg/d
Gesamtkollektiv
Tab. 3.42:
Expositionsabschätzung mit
Acrylamid
(µg/d) verschiedener
Personengruppen (MW ± SD
der Personengruppe und
korrespondierenden User)
in Österreich
User*
Ø
pro kg Ø
KG
pro kg
KG
3-6-Jährige (20,7 kg KG)
11 ± 30,6
0,5
91 ± 47,3
4,4
7-10-Jährige (32,9 kg KG)
18 ± 65,4
0,5
226 ± 151,9
6,9
11-15-Jährige (45 kg KG)
30 ± 106,2
0,7
282 ± 224,4
6,2
20-29-Jährige (68,5 kg KG)
22 ± 62,0
0,3
217 ± 102,7
3,2
30-39-Jährige (68,5 kg KG)
15 ± 0,2
0,2
296 ± 123,5
4,3
40-49-Jährige (73,5 kg KG)
12 ± 23,8
0,2
126 ± 37,1
1,7
50-59-Jährige (73,5 kg KG)
15 ± 24,7
0,2
70 ± 35,1
1,0
ab 60 Jahren (72 kg KG)
11 ± 14,5
0,2
50 ± 8,6
0,7
Schwangere (71,7 kg KG)
12 ± 0,2
0,2
153 ± 86,5
2,1
* nur Individuen, welche die relevanten Lebensmittel konsumierten; KG...Körpergewicht
198
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Mittelwert
HC
USER
8
7
NOAEL (Neurotox.):
500 µg/kg KG/d
Mittlere Aufnahme:
0,15-0,65 µg/kg KG/d
µg/kg KG/d
6
5
4
3
Abb. 3.39:
Acrylamid-Belastung (µg/kg
KG/d) aus 14
relevanten Lebensmittelgruppen bei
österreichischen Personengruppen
2
1
0
3-6 J.
7-10 J.
11-15 J. 20-39 J. 40-59 J.
>60 J.
Schw.
HC...High Consumer (= 95. Perzentile); User…nur Individuen, welche die
relevanten Lebensmittel konsumierten; KG...Körpergewicht; Schw....Schwangere
NOAEL: No Observed Adverse Effect Level
letztere Berechnung fließen auch die Personen ein, welche gar keine bzw. keine
nennenswerten Mengen AA-haltiger Lebensmittel verzehrten. Die berechnete AABelastung bezogen auf das Körpergewicht ist in Abb. 3.39 nochmals grafisch dargestellt.
Abb. 3.40 zeigt in welchem Ausmaß unterschiedliche Lebensmittelgruppen zur
Gesamtaufnahme beitragen. Die Basis für diese Darstellung bildet die absolute
tägliche AA-Aufnahme (MW ± SD). In der Gruppe "Snacks" sind Kartoffelchips,
Pommes frites sowie Knabbergebäck zusammengefasst. Dabei zeigt sich eindeutig, dass verschiedene Verzehrsgewohnheiten zu unterschiedlich hohen Aufnahmemengen führen.
In der Personengruppe der 50-59-Jährigen war die durchschnittliche AA-Aufnahme um rund die Hälfte geringer als bei den 11-15-Jährigen. In erster Linie,
weil Erwachsene dieser Altersgruppe deutlich weniger Snackprodukte als Jugendliche verzehrten. Anteilsmäßig nahm jedoch die AA-Aufnahme aus Brot und insbesondere aus Kaffee zu (Abb. 3.41).
Die Größe des Kreissegments in Abb. 3.41 gibt an, welche Lebensmittelgruppe welchen prozentuellen Anteil an der AA-Aufnahme einbrachte.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Verzehrsmuster mit einem überdurchschnittlich hohen Konsum an Kartoffelchips, Pommes frites und anderer Knabbereien zu einer höheren AA-Belastung führen.
Brot,Gebäck
Kaffee (Getränk)
Snacks
restl. LM
35
30
µg/d
25
20
15
10
5
0
10
7-
J.
1
15
1-
J.
2
29
0-
J.
199
5
59
0-
J.
Abb. 3.40:
Beitrag einzelner Lebensmittelgruppen
zur absoluten
Acrylamid-Aufnahme (MW ±
SD) bei ausgewählten Personengruppen
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Abb. 3.41:
Beitrag einzelner Lebensmittelgruppen
(%) zur errechneten Gesamtaufnahme
an Acrylamid
am Beispiel 1115 J. und 5059 J.
(MW...Mittelwert)
Gesamtaufnahme
(MW): 30 µg/d
Gesamtaufnahme
(MW): 15 µg/d
Brot
Kartoffelchips
Knabbergebäck
Pommes frites
Cerealien
Kleingebäck süß
restl.LM-Gruppen
11-15 J.
Kaffee
50-59 J.
Aber auch Lebensmittel mit einem relativ geringen AA-Gehalt können bei genügend hohem Verzehr maßgeblich zur Gesamtbelastung beitragen (z.B. Kaffee).
Das zeigte sich auch in einer in der Schweiz durchgeführten "Duplicate Diet"-Studie [BAG, 2002b].
Eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten in Hinblick auf einige wenige Lebensmittel könnte demnach bereits eine deutliche Reduzierung der AA-Aufnahme
bewirken.
Laut einer Berechnung des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung
(BfR) ließe sich die AA-Aufnahme bereits um den Faktor 5-6 verringern, würden
pro Woche eine Portion Pommes frites, eine Tüte Kartoffelchips und eine Tüte
Kräcker weniger verzehrt werden [BFR, 2002].
Lebensmittel, bei denen hohe Konzentrationen an AA festgestellt werden, sind
vorwiegend solche, die aufgrund ihres hohen Energiegehalts und ihrer geringen
Nährstoffdichte vom ernährungsphysiologischen Standpunkt aus nur in geringem
Ausmaß konsumiert werden sollten. Das sind z.B. Knabberartikel oder Kartoffelchips, welche jedoch gerade von Kindern besonders gerne konsumiert werden.
Sehr einseitiges Ernährungsverhalten - auch über kürzere Zeiträume - kann ungewöhnlich hohe Aufnahmemengen an AA zur Folge haben.
Vergleich mit anderen Studien
Die von der FAO/WHO initiierte Expertenberatung schätzt die langfristige
durchschnittliche AA-Zufuhr der allgemeinen Bevölkerung auf 0,3 bis 0,8 µg pro
kg Körpergewicht und Tag. Die Werte beziehen sich auf Ernährungsgewohnheiten, die für Westeuropa, USA und Australien typisch sind. Für Kinder wird eine
zwei- bis dreimal so hohe Belastung erwartet. Bei "High Consumern" kann die geschätzte Zufuhr noch um einige Größenordnungen über dem Durchschnitt liegen
[FAO/WHO, 2002].
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Deutschland schätzt, dass
der durchschnittliche Bundesbürger durch den Verzehr von Lebensmitteln, die viel
AA enthalten, täglich ungefähr 0,5 µg AA pro kg Körpergewicht aufnimmt [BGVV,
2003].
Die Food Safety Group, Institute of Environmental Science and Research in
Neuseeland, errechnete in einer Querschnittsstudie für Konsumenten mit Vorlieben für Kartoffelchips und Kartoffelsnacks, eine durchschnittliche AA-Zufuhr von
0,3 µg/kg Körpergewicht und Tag [Shaw und Thomson, 2003].
In der bereits erwähnten "Duplicate Diet"-Studie in der Schweiz lag bei den 27
Probanden (13 Frauen und 14 Männer im Alter von 16-57 Jahren) die mittlere Aufnahme an AA bei 0,28 µg/kg Körpergewicht und Tag [BAG, 2002b].
200
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Schlussbetrachtung
Wie bereits erwähnt, beziehen sich die Analysedaten ausschließlich auf die in den 14 Lebensmittelgruppen zusammengefassten Produkte. Es ist davon auszugehen, dass weitere Lebensmittelgruppen zu einer AA-Belastung der Verbraucher beitragen, die noch nicht untersucht wurden bzw.
die in dieser Expositionsabschätzung nicht berücksichtigt wurden.
Insgesamt weisen alle Untersuchungen große Unsicherheiten auf:
- Die Analysedaten über den AA-Gehalt für einzelne Lebensmittel streuen oft über mehr als eine
Zehnerpotenz und die Lebensmittelgruppen enthalten meist unterschiedliche Produkte.
- Außerdem können Lebensmittel mit einem niedrigen AA-Gehalt einen großen Anteil an der Gesamtaufnahme haben (z.B. Kaffee), wenn diese entsprechend häufig verzehrt werden.
- Letztendlich basieren die Aufnahmeabschätzungen größtenteils auf dem Verzehr von industriell
hergestellten Produkten, wohingegen die Aufnahme von AA aus Lebensmitteln, die im privaten
Haushalt zubereitet wurden, unberücksichtigt bleibt.
Die Lebensmittelindustrie ist auf der Ebene der Produktion bemüht, alle vernünftigen realisierbaren Maßnahmen zur Reduktion der AA-Belastung der österreichischen Bevölkerung zu ergreifen.
Für den Privathaushalt bleiben die Empfehlungen einer möglichst ausgewogenen Ernährung (z.B.
nach den 10 Regeln der DGE) weiterhin aufrecht. Zusätzlich sollten im Haushalt stärkehaltige Kartoffel- und Getreideprodukte (z.B. Rösti, Toastbrot, etc.) nicht zu lange und nicht zu hoch erhitzt
werden.
201
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
3.13 Nitrat
Zusammenfassung
Nitrat ist in Lebensmitteln und Trinkwasser fast immer vorhanden, einerseits aus der Verwendung als Lebensmittelzusatzstoff, andererseits jedoch auch zu einem beträchtlichen Anteil aus anderen Quellen (Gemüse, Trinkwasser etc.). Nitrit kann u.a. durch Reduktion von Nitrat (z.B. durch Enterobakterien) entstehen.
Die Nitratbelastung stellt ein nicht unbeträchtliches gesundheitliches Problem dar. In diesem Zusammenhang ist vor allem die mögliche Bildung kanzerogener Nitrosamine, die im Magen beim Zusammentreffen von sekundären Aminen mit exogenem (von außen zugeführtem) oder endogenem
(im Organismus gebildetem) Nitrit entstehen können, zu nennen.
Für die Ermittlung der Nitratexposition der österreichischen Bevölkerung wurden bei Gemüse
einerseits Daten aus privaten Untersuchungen der Landwirtschaftlichen Gemeinschaft Wiener Gärtner (LGV) und andererseits Daten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und Forschung
(BALUF), die anhand von in der EU-Verordnung geregelten Probenahmekriterien ermittelt wurden,
herangezogen. Nitratgehalte in Lebensmitteln, denen Nitrat als Zusatzstoff zugesetzt werden darf,
stammen aus den Recherchen des Instituts für Ernährungswissenschaften der Universität Wien im
Rahmen des Forschungsvorhabens zur Zusatzstoffaufnahme in Österreich. Für Trinkwasser-Nitratgehalte existieren zwar umgangreiche österreichische Daten, für die Expositionsermittlung wurde allerdings der geltende Richtwert für Nitrat (<25 mg/l) verwendet, da der Beitrag verschiedener Trinkwasserversorger für die vorliegende Arbeit nicht abschätzbar war und die Werte hohen Schwankungen unterliegen.
Nach der Verknüpfung der Nitratgehalte in Lebensmitteln mit den österreichischen Daten zum
Lebensmittelverzehr (aus der Österreichischen Studie zum Ernährungsstatus), konnte die Nitrataufnahme in Österreich nach Alter und Geschlecht getrennt errechnet werden. Für eine Risikobewertung wurden die resultierenden Werte mit dem sog. ADIt-Wert (total acceptable daily intake) der jeweiligen Altersgruppe, der sich durch Multiplikation des ADIs (acceptable daily intake) von 0-5 mg/kg
Körpergewicht mit den entsprechenden mittleren Körpergewichten errechnet, verglichen.
Die Gesamtbelastung einzelner Personengruppen mit Nitrat liegt an der 95. Perzentile (= High
Consumer) zwischen 132 und 486 mg/d (höchste Aufnahme bei 46 bis 55-Jährigen). Bei dieser Belastung wird der ADI zu durchschnittlich 93% erreicht, wobei in der Altersgruppe der 25 bis 65-Jährigen der Grenzwert (ADI) um 20-30% überschritten wird. Es zeigen sich große geschlechtsspezifische Unterschiede. Während bei den Männern der ADI-Wert an der 95. Perzentile zu höchstens 15%
(16-25-Jährige) überschritten wird, kommen bei der weiblichen Bevölkerung Überschreitungen des
toxikologischen Grenzwerts von 56% (46-55-Jährige) vor. D.h. erwachsene Frauen sind hinsichtlich
der Nitratbelastung als Risikogruppe anzusehen.
Die Nitrataufnahme in Österreich liegt in mit anderen europäischen Ländern vergleichbaren Bereichen. Ebenso wie in anderen europäischen Ländern macht Gemüse mit insgesamt 62% (durchschnittlich 42 mg/d) den Hauptanteil der Nitrataufnahme aus. Gemüse enthält aber u.a. Nitrosierungsinhibitoren (Vitamin C, E, Polyphenole etc.), die wahrscheinlich für die Tatsache verantwortlich
sind, dass in epidemiologischen Studien nach wie vor Gemüseverzehr und Krebsrisiko negativ korrelieren. An zweiter Stelle folgt Trinkwasser (insgesamt 25% bzw. 17 mg/d). Hingegen ist die Nitrataufnahme aus Zusatzstoffen mit 13% (rd. 9 mg/d) geringer als allgemein befürchtet.
Die Überschreitungen des ADI-Werts der High Consumer erscheinen derzeit nicht bedenklich,
trotzdem sollte durch verbessertes Qualitätsmanagement und Senkung der gesetzlichen Höchstwerte in den stärksten kontaminierten Lebensmitteln eine insgesamt geringere Exposition gewährleistet
werden.
Allgemeines
Nitrate und Nitrite in der Ernährung des Menschen stammen einerseits aus ihrer Verwendung
als Lebensmittelzusatz, andererseits jedoch auch zu einem beträchtlichen Anteil aus anderen Quellen. Insgesamt stellt die Verwendung von Nitraten als Lebensmittelzusatzstoff nur einen geringen
Anteil an der Belastung, während der Großteil aus Gemüse und Trinkwasser stammt. Die Nitratbelastung stellt ein beträchtliches gesundheitliches Problem dar. In diesem Zusammenhang ist auch die
202
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Bildung von N-Nitroso-Verbindungen in nitrat- und nitrithaltigen Lebensmitteln und der potentiellen
Bildung von Nitrosaminen im menschlichen Gastrointestinaltrakt und somit die Begünstigung der Tumorbildung zu berücksichtigen.
Die Aufnahmen an Nitraten aus Lebensmitteln liegen im Allgemeinen innerhalb der Grenzen des
ADI-Wertes, mit Ausnahme der Regionen, wo hohe Gehalte an Nitraten in Gemüsen und Trinkwasser gefunden werden. Direkte toxische Effekte sind daher aus der Verwendung von Nitraten und Nitriten als Zusatzstoffe nicht zu erwarten, solange die entsprechenden Grenzwerte eingehalten werden.
Für die Rolle von N-Nitrosoverbindungen lässt sich eine weniger eindeutige Aussage treffen, da
es beträchtliche Schwierigkeiten bei der Identifizierung und Messung der Menge solcher Verbindungen in Lebensmitteln gibt. Eine Ausnahme bilden die gut charakterisierbaren flüchtigen Nitrosamine.
Die vorliegenden Daten für diese Nitrosamine mit ihrem bekannten kanzerogenen Potential zeigen
eine wahrscheinlich geringe Beeinträchtigung der Gesundheit des Menschen bei der derzeit ermittelbaren Aufnahmemenge aus Ernährungserhebungen. Dennoch sieht sich der wissenschaftliche
Lebensmittelausschuss der europäischen Kommission nicht in der Lage, eine quantitative Abschätzung des Risikos aus allen N-Nitroso-Verbindungen durchzuführen, die mit Lebensmitteln aufgenommen oder im menschlichen Magen-Darm-Trakt gebildet werden. Daher wird empfohlen, der
Entwicklung von Analysenmethoden, der Bestimmung des karzinogenen Potentials sowie der in vivo
Nitrosierung Priorität einzuräumen, da erst hierdurch eine bessere Abschätzung des Risikos von NNitroso-Verbindungen aus Lebensmitteln erfolgen kann.
Insgesamt ist es daher angebracht, die Gehalte an präformierten Nitrosoverbindungen in Lebensmitteln so weit wie möglich zu reduzieren. Der wissenschaftliche Lebensmittelausschuss empfiehlt eine Minimierung der Belastung mit präformierten Nitrosoverbindungen durch entsprechende
technologische Maßnahmen wie die Senkung der Gehalte an Nitrit und Nitrat als Lebensmittelzusatzstoffen bis zu der minimal erforderlichen Menge, die zur Erhaltung des konservierenden Effektes
und zur mikrobiologischen Sicherheit erforderlich ist. Zukünftige Forschungsarbeiten nach alternativen Konservierungsmethoden sollten stärker verfolgt werden. Bis Ergebnisse hierzu vorliegen, sollten Methoden entwickelt werden, die die Nitrosierungsreaktion in Lebensmitteln hemmen.
So wurde durch den wissenschaftlichen Lebensmittelausschuss ein ADI-Wert (Acceptable Daily
Intake) von 0-5 mg Nitrat/kg Körpergewicht (in Form von Natriumnitrat) festgelegt. Zudem wird ein
temporärer ADI-Wert von 0-0,1 mg Nitrit/kg Körpergewicht formuliert. Diese ADI-Werte umfassen
die Aufnahme aus allen Quellen. Da die Umweltkontamination mit Nitrat immer noch ein größeres
Gesundheitsproblem darstellt, muss dieses Problem weiterhin als Tagesordnungspunkt beibehalten
werden.
Seit der Formulierung dieser Stellungnahme wurde von mehreren Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die Absicht mitgeteilt, nationale Grenzwerte für Nitrat in bestimmten Gemüsearten wie
Kopfsalat und Spinat einzuführen. Dies führte dazu, dass die Kommission die Einführung von Höchstwerten für diese Lebensmittel diskutiert. Zusätzlich wurde in der Direktive 95/2/EC zu Lebensmittelzusatzstoffen mit Ausnahme von Farb- und Süßstoffen Regelungen für die Verwendung von Nitriten
und Nitraten als Lebensmittelzusatzstoffe auf europäischer Ebene festgelegt.
Für den vorliegenden Bericht galt es einerseits zu klären, ob es in Österreich Personengruppen/Risikogruppen gibt, die durch die aktuellen Verzehrsgewohnheiten einer überhöhten Nitratbelastung und damit einem zusätzlichen Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind, und für welche Lebensmittel(gruppen) andererseits eine (Neu)regelung der Grenzwerte notwendig bzw. sinnvoll wäre.
Vorkommen
Nitrat ist ein wichtiges Zwischenprodukt im biologischen Kreislauf und kommt als natürlicher Bestandteil - wenn auch in unterschiedlichen Konzentrationen - in allen Lebensmitteln vor. Da Pflanzen
ihren Stickstoffbedarf über Nitrat decken, ist es natürlicherweise vor allem in pflanzlichen Lebensmitteln zu finden. Einerseits wird Nitrat als Endstufe der Nitrifikation, des Abbaus organischer Stikkstoffsubstanzen, im Boden ständig produziert und andererseits wird es absichtlich in Form von
Düngemitteln ausgebracht. Im Bereich des konventionellen Anbaus von Sonderkulturen wie z.B. Gemüse kommt es teilweise zum Einsatz hoher Stickstoff- bzw. Nitratmengen, um Massenerträge zu erzielen. Daher können die Erzeugnisse erhebliche bis extreme Nitratgehalte aufweisen.
Durch Auswaschung durch das Regenwasser gelangt Nitrat außerdem in das Grundwasser. Daher stellt auch Trinkwasser eine wichtige alimentäre Nitratquelle dar. Je intensiver die konventionelle landwirtschaftliche Nutzung eines Gebietes, umso höher sind die Nitratgehalte des Grundwassers.
203
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Die Nitratgehalte in Lebensmitteln tierischen Ursprungs sind im Allgemeinen recht niedrig, da es
im tierischen Organismus kein Organ gibt, das Nitrat speichern würde. In einigen Fleisch- und Fischerzeugnissen und manchen Käsesorten kommt Nitrat allerdings dann in nennenswerteren Mengen vor, wenn es aus technologischen oder lebensmittelhygienischen Gründen als Lebensmittelzusatzstoff zugesetzt wurde. In letzterem Fall wird die bakteriostatische Wirkung ausgenutzt, um das
Wachstum gesundheitsgefährdender Bakterien zu verhindern.
Toxizität
Aus den verfügbaren toxikologischen und epidemiologischen Daten kann geschlossen werden,
dass Nitrat per se eine relativ geringe Toxizität aufweist (Europäische Kommission 1997). 5-20% der
insgesamt aufgenommenen Nitratmenge wird jedoch im menschlichen Organismus, überwiegend in
der Mundhöhle durch den Speichel, zum weitaus giftigeren Nitrit reduziert (Walker 1995). Die Sicherheitsbeurteilung von Nitrat basiert daher auf der Toxikokinetik von Nitrat beim Menschen und
der Toxizität von Nitrit.
Die LD50 für Nitrit beträgt bei Tieren allgemein ca. 100-200 mg/kg KG, für die Humanintoxikation wird eine ähnliche Empfindlichkeit vermutet. Der No Observed Effect Level (NOEL) in Studien zur
subchronischen Toxizität beträgt 10 mg/kg Körpergewicht (als Kaliumnitit) entsprechend 5,4 mg Nitrit/kg Körpergewicht. Bei chronischen Toxizitätsstudien an Ratten betrug der NOEL 10 mg/kg Körpergewicht (als Natriumnitrit) entsprechend 6,7 mg Nitrit/kg Körpergewicht basierend auf histologischen Veränderungen der Lunge und des Herzens (Europäische Kommission 1997).
Da unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. niedriger pH) aus Nitrit und gleichzeitig vorhandenen N-nitrosierbaren Vorstufen (sekundäre bzw. tertiäre Amine z.B. aus dem Nahrungsprotein) auch
N-Nitroso-Verbindungen entstehen können, sollten auch die toxischen Effekte dieser Verbindungen
in die Bewertung der gesundheitlichen Risiken von Nitrat für den Menschen einfließen (Shephard
1995). In Lebensmitteln werden überwiegend flüchtige Nitrosamine gefunden, von welchen Nitrosodimethylamin (NDMA), Nitrosopyrrolidin (NPYR) und Nitrosopiperidin (NPIP) die wichtigsten Vertreter darstellen. Nichtflüchtige Nitrosamine sind zwar in höheren Konzentrationen enthalten, jedoch toxikologisch nicht von Bedeutung. Für die endogene Bildung kanzerogener N-Nitroso-Verbindungen
nach Exposition gegenüber realistischen Nitratmengen und N-nitrosierbaren Vorstufen gibt es jedoch
keine quantitativen Belege (Speijers 1995). Das Joint Expert Committee der FAO/WHO stellte 1996
fest, dass es keine Anzeichen für einen Zusammenhang zwischen Nitratexposition und Krebsrisiko
gäbe und stufte Nitrat als nicht gentoxisch ein (WHO 1996).
Aus den epidemiologischen Studien ergaben sich keine Beweis für einen kausalen Zusammenhang zwischen einer Nitratexposition und einem Krebsrisiko für den Menschen (Gangolli et al. 1994).
Die zur Nitrataufnahme und zum Magenkrebsrisiko durchgeführten epidemiologischen Studien sind
widersprüchlich, wobei insbesondere die zuverlässigeren Fall-Kontroll- und Kohortenstudien nicht auf
irgendeinen Zusammenhang schließen lassen. Aus jenen Fall-Kontrollstudien, die auf Fragebögen
bzgl. Lebensmittelverzehr beruhen, ergibt sich sogar in der Regel eine Schutzwirkung der geschätzten Nitrataufnahmemenge in Bezug auf das Risiko einer Magenkrebserkrankung, die wahrscheinlich
auf die Obst- und Gemüsezufuhr zurückzuführen ist. Studien, die die Wirkung von Nitrat aus anderen Quellen (Trinkwasser, arbeitsbedingte Exposition etc.) untersuchten, zeigten ebenfalls keine positiven Zusammenhänge mit einem Magenkrebsrisiko (Møller 1995).
ADI-Wert
1992 wurde vom SCF der ADI für Nitrat mit 0-5 mg/kg KG festgelegt, der sich aus einem NOEL
in Langzeitstudien an Ratten und einem Sicherheitsfaktor von 500 zusammensetzt.
Die erneute Überprüfung dieses Wertes schloss auch Daten zum Umfang der Speichelsekretion
und der Umwandlung zu Nitrit beim Menschen sowie neue toxikologische Daten zu Nitrit und dem
daraus abgeleiteten ADI-Wert von 0-0,06 mg/kg KG ein. Die Risikocharakterisierung von Nitrat basiert folglich auf der Toxikokinetik von Nitrat beim Menschen und der Toxizität von Nitrit. Dabei wird
eine Umwandlung von Nitrat zu Nitrit von 5% bei normal ansprechenden Individuen und 20% bei Risikogruppen (z.B. Säuglingen, Personen mit hoher Umwandlungsrate) sowie eine 100%ige Nitritabsorption angenommen. In weiterer Folge liegt für die generelle Bevölkerung und für Risikogruppen
der Faktor 40 bzw. 10 zwischen "transponiertem" NOAEL und dem aktuellen ADI-Wert. Der wissenschaftliche Lebensmittelausschuss gelangte daher zu dem Schluss, daß der ADI-Wert von 0-3,7
mg/kg KG für das Nitration (entsprechend 0-5 mg/kg KG für Natriumnitrat) beibehalten werden sollte und dass dieser ADI-Wert für alle Quellen einer nahrungsbedingten Exposition gilt.
204
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
In Anbetracht ihrer genotoxischen
Wirkungsmechanismen lässt sich für
N-Nitrosoverbindungen keine unbedenkliche Konzentration festlegen. Allgemein gilt, dass für Karzinogene, die
gleichzeitig genotoxisch sind, keine
Schwellendosis existiert, unterhalb derer es nicht zur Tumorentstehung
kommt.
Lebensmittel
n
NO3-Gehalt
(mg/kg)
Gurken
Jungzwiebeln
11
7
185,4
181,4
Kohlarten
28
848,1
Lauch (Porree)
3
450,0
Paprika
7
137,1
Radieschen, Rettich
11
1446,4
Salate
356 1423,4
Nitratgehalt in Lebensmitteln
Sellerie
1
240,0
Für die Ermittlung der NitratexpoSpinat
58 1180,0
sition der vorliegenden Arbeit wurden
Tomaten
8
56,3
bei Gemüse einerseits Daten aus privaten Untersuchungen der Landwirtschaftlichen Gemeinschaft Wiener
Gärtner (LGV) und andererseits Daten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und Forschung (BALUF), die anhand von in der EU-Verordnung geregelten Probenahmekriterien ermittelt wurden, herangezogen. Nitratgehalte in Lebensmitteln, denen Nitrat als Zusatzstoff zugesetzt werden darf, stammen aus Recherchen des Instituts für Ernährungswissenschaften der Universität Wien im
Rahmen des Forschungsvorhabens zur Zusatzstoffaufnahme in Österreich (Elmadfa et al. 1998). Für Trinkwasser-Nitratgehalte existieren zwar umfangreiche,
österreichische Daten, für die Expositionsermittlung wurde allerdings der geltende Richtwert für Nitrat verwendet, da der Beitrag verschiedener Trinkwasserversorger für die vorliegende Arbeit nicht abschätzbar war, und die Werte hohen
Schwankungen unterliegen.
Gemüse
Grundsätzlich ist die Nitratakkumulation vom Stickstoffangebot im Boden abhängig. Bei normalen Stickstoffgaben haben jedoch allgemeine Wachstumsbedingungen einen grösseren Einfluß auf die Nitratakkumulation als die Düngung. Die
Nitratgehalte in Gemüse werden durch genetische und umweltbedingte Faktoren
beeinflusst, z.B. durch die Art, die Sorte und die in wechselseitigem Zusammenhang stehenden geographischen und jahreszeitlichen Faktoren wie Lichtintensität,
Temperatur, Umfang des Düngemitteleinsatzes und etwaiger Glashaus-Anbau.
Blattsalatsorten ohne Kopfbildung weisen in der Regel höhere Nitratkonzentrationen auf als solche mit festen Köpfen wie z.B. Eisbergsalat. Ferner sind bei Erzeugnissen aus den nördlichen Breiten Europas zumeist höhere Gehalte zu finden
als bei solchen aus dem Mittelmeerraum, was auf klimatisch und geographisch bedingte Schwankungen zurückzuführen ist. Diese Unterschiede sind bei Blattsalaten stärker ausgeprägt als bei Kulturen wie Spinat, Kartoffeln oder Karotten.
Besonders hohe Nitratgehalte werden in Salat, Roten Rüben, Rettich und Radieschen gefunden. Andere Gemüsearten weisen dagegen meist deutlich niedrigere Konzentrationen auf. Durch die übliche küchenmäßige Be- und Verarbeitung
der Lebensmittel wie Putzen, Waschen, Schälen, Entfernen von verschmutzten
Hüllblättern etc. kann der Nitratgehalt in den Lebensmitteln, die besonders hohe
Ausgangskonzentrationen an Nitrat aufweisen, in der Regel vermindert werden.
Die für die Abschätzung der Nitrataufnahme in Österreich herangezogenen Nitratkonzentrationen in verschiedenen Gemüsesorten sind in Tab. 3.43 dargestellt.
Es lagen Analysenergebnisse für Gurken, Jungzwiebeln, Lauch, Paprika, Radieschen, Rettich, Tomaten, Sellerie, Blattsalate, Spinat und Kohlgemüse vor, wobei
zu letzteren neben herkömmlichem Kohl Werte für Chinakohl, Broccoli, Karfiol,
Kohlrabi und Kraut zusammengefasst wurden. Es wurden jeweils gewichtete
Mittelwerte in Bezug auf die Anzahl der untersuchten Proben berechnet.
205
Tab. 3.43: Nitratgehalte in
österreichischen Gemüsesorten (gewichtete Mittelwerte aus Analysenergebnissen der BALUF
und der LGV)
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Trinkwasser
In vielen Grundwässern hat in den letzten Jahrzehnten die Nitratkonzentration
auf Grund der Überdüngung von landwirtschaftlich genutzten Flächen erheblich
zugenommen. In den Ackerbaugebieten Ostösterreichs, wie dem Tullnerfeld und
dem Marchfeld, sind bereits Überschreitungen von 100 mg/l keine Ausnahme.
Eine Untersuchung des World Wildlife Funds von 1996 war der größte jemals
durchgeführte Trinkwassertest Österreichs. Demnach überschneiden sich die
Trinkwasser-Problemgebiete zumeist mit jenen Gebieten, in denen auch das
Grundwasser bereits belastet ist. Generell kann der öffentlichen Wasserversorgung in Österreich jedoch ein gutes Zeugnis ausgestellt werden.
Da der Großteil der Daten zu Nitratgehalten in österreichischem Trinkwasser
nur geringe Werte aufweist, erscheint für die Ermittlung der Nitratbelastung der
gesetzliche Richtwert von 25 mg/l Wasser angemessen. Eine "worst-case"-Annahme im Sinne des Höchstwertes (50 mg/l) ist nicht erforderlich. Die Schwankungen
im Jahresverlauf und das Fehlen von genauen Zahlen zum Beitrag einzelner Wasserwerke zur Gesamtversorgung der Österreicher lassen für den vorliegenden Bericht keine exaktere Einberechnung der Nitratwerte für Trinkwasser in die Risikobeurteilung zu. Neben Trinkwasser wurde auch der Konsum an Tee und Kaffee in
die Ermittlung einbezogen.
Nitrat als Zusatzstoff
Die vielfach gefürchtete Belastung mit Nitrit bzw. Nitrat über die Aufnahmen
aus Lebensmitteln, denen die Zusatzstoffe bei der Verarbeitung zugesetzt wurden,
ist im Vergleich zu jener, die durch die umweltbedingte Kontamination (Überdüngung, ungünstige Fruchtfolge, Abwässer etc.) von Obst, Gemüse und Trinkwasser
zustande kommt, verschwindend gering.
CFCS- Lebensmittel
Gruppe
MW ± SD
1.6
8.2.1
7,8
167,0
167,9
183,8
58,4
30,5
35,1
56,7
42,7
52,5
63,2
27,4
75,2
87,5
83,0
58,8
47,2
37,2
56,8
33,4
29,6
52,1
46,2
48,7
49,0
31,3
8.2.2
Tab. 3.44:
Nitratgehalte
(mg/kg) in Lebensmitteln,
denen Nitrat
als Zusatzstoff
zugesetzt werden darf, aus
Analysendaten
der amtlichen
Lebensmittelkontrolllaboratorien sowie
für die Verknüpfung mit
Verzehrsdaten
verwendete
Mittelwerte pro
Lebensmittelgruppe
8.3.1
8.3.2
9.3
Käse
Osso Collo, Bündnerfleisch
Speck
Schinken
Geselchtes
Surfleisch
Cervelat
Knoblauchwurst
Rohwurst
Sucuk
Kantwurst
Salami
Cabanossi
Landjäger
Mettwurst, Streichwurst
Extrawurst
Wiener
Polnische
Dürre
Verhackertes
Faschiertes
Cevapcici
Bratwürstel
Burenwurst
Leberkäse
Fische, Meeresfrüchte
206
±
±
±
±
±
±
±
±
±
±
±
±
±
±
±
±
±
±
±
±
±
±
±
±
±
±
5,2
170,6
163,9
182,2
98,4
56,5
46,4
67,9
78,5
56,2
93,6
64,5
29,4
77,4
117,6
89,6
52,2
16,7
23,3
32,4
38,8
103,3
36,0
19,0
26,7
48,1
Proben Mittelwert ge
samt
19
7,8
27
208
167,9
67
108
35
93,7
34
101
36
69
177
531
21
55
93
46,5
26
23
16
34
36
76
23
75
10
9
42,2
24
31,3
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Bei der Lebensmittelverarbeitung wird Nitrat - ebenso wie Nitrit - in Form seiner Natrium- bzw. Kaliumsalze (Salpeter) als Pökelsalz für die Konservierung von
Fleisch- und Wurstwaren sowie einigen Käsesorten verwendet. Die Wirkung tritt
erst nach Umwandlung zu Nitrit ein, verstärkt die Haltbarkeitswirkung von Kochsalz und führt zu einer Umrötung, die durch die Bildung des hitze- und lagerungsbeständigen Nitrosomyoglobins aus Myoglobin zustande kommt. Zusätzlich
entstehen bei diesem Prozess besondere Aromakomponenten, die für gepökelte
Fleischwaren typisch sind.
Das SCF unterstrich in seiner letzten Stellungnahme die Bedeutung der ausschließlichen Verwendung von Pökelzusätzen in Fleischprodukten mit Kochsalz, da
dies die hinzuzufügende Zusatzstoffmenge automatisch begrenzen und versehentliche Vergiftungen durch den Zusatz übermäßiger Mengen zu Nahrungsmitteln verhindern würde (Europäische Kommission 1997). Für Gehalte an Nitrat als
Zusatzstoffe konnten die von der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung
und -forschung (BALUF) im Rahmen des Forschungsvorhabens "Risikoabschätzung der Zusatzstoffbelastung in der österreichischen Bevölkerung" zur Verfügung
gestellten Analysendaten herangezogen werden (Tab. 3.44), die aufgrund routinemäßiger Untersuchungen amtlicher Lebensmittelkontrolllaboratorien in ganz
Österreich erhoben und gesammelt wurden. Die betroffenen Lebensmittel wurden
CFCS (Codex Food Categorisation System)-Lebensmittelgruppen zugeordnet und
mit den Aufnahmedaten der entsprechenden Lebensmittelgruppe verknüpft (Elmadfa et al. 1998).
Lebensmittel
GesamtFrauen2
Männer2
Kinder3
bevölkerung1
mw
% der mw
% der mw
% der mw
% der
(mg/d) Auf(mg/d) Aufnah- (mg/d) Aufnah- (mg/d) Aufnahme
me
me
nahme
Blattsalat
20,6
30
22,9
31
17,7
27
12,3
27
Spinat
3,2
5
3,7
5
2,2
3
2,9
6
23,8
35
26,5
36
19,9
30
15,2
33
Gurke
0,9
1
0,9
1
0,7
1
0,7
1
Jungzwiebel
0,0
0
0,0
0
0,0
0
0,0
0
Kohlarten
12,2
18
12,4
17
12,2
19
8,9
20
Lauch
0,7
1
0,7
1
0,7
1
0,6
1
Paprika
0,5
1
0,4
0
0,5
1
0,4
1
Sellerie
0,1
0
0,1
0
0,1
0
0,1
0
Tomate
0,6
1
0,6
1
0,5
1
0,6
1
Radies., Rettich
3,4
5
5,5
8
1,3
2
1,4
3
andere Gemüse
18,5
27
20,6
28
16,0
25
12,7
28
Gemüse
42,3
63
47,1
64
35,9
55
27,9
61
Wasser
8,2
12
8,3
11
7,7
12
6,7
15
Kaffee, Tee
8,6
13
9,5
13
8,9
14
3,0
7
16,7
25
17,8
24
16,6
26
9,7
21
8,6
13
8,4
11
13,1
20
7,9
17
67,6
100
73,3
100
65,5
100
45,6
100
Salat, Spinat
Trinkwasser4
Zusatzstoff5
Gesamtnitrat
1 ab 6 Jahren einschließlich Schwangerer, Stillender und Senioren
2 jeweils ab 6 Jahren (Gesamtbevölkerung)
3 6 bis 19jährige Mädchen und Burschen
4 Mangels ausreichend interpretierbarer Daten zu Trinkwasser-Nitratgehalten in Österreich wurden die ge-
setzlichen Richtwerte für Trinkwasser (25 mg/l) herangezogen, die von den meisten Wasserwerken jedoch
nicht erreicht werden; bei dem Beitrag dieser Lebensmittelgruppe handelt es sich daher um eine Überschätzung der Aufnahme.
5 detailliertere Darstellung s. Elmadfa et al. 1998
207
Tab. 3.45:
Nitrataufnahme in Österreich, Mittelwerte über alle
Altersgruppen
und Beitrag
verschiedener
Lebensmittelgruppen zur
Gesamtaufnahme
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Nitratexposition in Österreich
Aufnahme nitrathaltiger Lebensmittel
Für die Ermittlung der Nitratexposition in Österreich mussten auch Verzehrsdaten der dafür verantwortlichen Lebensmittel ermittelt werden:
Für die Nitrataufnahme aus Zusatzstoffen konnten bezüglich Lebensmittelkonsum die Ergebnisse des Forschungsvorhabens "Risikoabschätzung der Zusatzstoffaufnahme in der österreichischen Bevölkerung" übernommen werden (Elmadfa et al. 1998).
Für den Verzehr einzelner Gemüsesorten und Trinkwasser mussten großteils
neue Berechnungen erfolgen. Zu diesem Zweck wurden die Daten zum Lebensmittelverzehr verschiedener, österreichischer Personengruppen (Tab. 3.45, s.a. Elmadfa et al. 1998, Elmadfa und Burger 1999) erneut ausgewertet. Für jene Gemüsesorten, für die Analysendaten zur Verfügung standen, wurden die entsprechenden Lebensmittelcodes des ernährungswissenschaftlichen Programms EWP
ausgewählt und damit neue, kleinere Gruppen gebildet. Auf diese Weise ging
nicht nur der Verzehr der Gemüse in rohem oder frischem Zustand sondern auch
zubereitete Gerichte, die das jeweilige Gemüse in nennenswerten Anteilen enthalten, in die Berechnung mit ein. Die resultierenden Aufnahmen der jeweiligen
Lebensmittelgruppen sind in Tab. 3.45 dargestellt.
Ermittlung der lebenslangen Nitrat-Exposition (lifetime exposure)
Eine korrekte Risikobeurteilung verlangt vergleichbare Zeitrahmen sowohl für
die Abschätzung der Aufnahme als auch für die Sicherheitsbeurteilung. Da der
ADI-Wert auf die duldbare tägliche Aufnahme über das gesamte Leben Bezug
nimmt, liegt nahe, auch die Beurteilung des Gesundheitsrisikos hinsichtlich der lebenslangen Aufnahme vorzunehmen. Im Falle von Verzehrserhebungen über kurze Zeiträume bedeutet das, ihre kurze Gültigkeit zu berücksichtigen. Das niederländische Monitoring-Modell für Lebensmittelzusatzstoffe (Löwik et al. 1998) ist
Vorbild jener Überlegungen, auf die lebenslange Exposition (lifetime exposure,
LTE) zu Nitrat einzugehen, die auch bei der Risikobeurteilung von Zusatzstoffen in
Österreich (Elmadfa et al. 1998) diskutiert wurde.
Die lifetime exposure nimmt auf Basis der jeweils untersuchten Alterskollektive eine näherungsweise Abschätzung (proxy) der durchschnittlichen Aufnahme eines bestimmten Stoffes über die Zeitspanne der mittleren Lebenserwartung vor,
unter der Annahme, dass sich das Ernährungsverhalten einer Population nicht
grundlegend innerhalb einer Generation verändert. Multiplikationsfaktoren für die
Mittelwerte der Nitrataufnahme pro Altersgruppe sind jeweils 3 (9-6 J.), 2 (12-10
J.), 1 (14-13 J.), 4 (19-15 J.), 5 (25-20 J.), 9 (35-26 J.), 9 (45-36 J.), 9 (55-46 J.),
9 (65-56 J.) und 11 (77-66 J.), ausgehend von einer mittleren Lebenserwartung in
Österreich im Jahr 1996 von 77 Jahren bzw. 80 Jahren für Frauen und 74 Jahren
für Männer.
Durch den nun ähnlichen Ausgangspunkt für die Kalkulationen wird die Abhängigkeit der Ergebnisse von der Dauer der Verzehrserhebung stark reduziert
und unterschiedliche Erhebungsmethoden vergleichbarer gemacht (s.a. Elmadfa
und Burger 1999).
Nitrataufnahme verschiedener Personengruppen
Nach Verknüpfung der Nitratgehalte in Lebensmitteln mit den österreichischen Daten zum Lebensmittelverzehr verschiedener Bevölkerungsgruppen,
konnte die Nitrataufnahme in Österreich nach Alter und Geschlecht getrennt dargestellt werden. Für eine Risikobewertung wurden die resultierenden Werte mit
dem sog. ADIt-Wert (total acceptable daily intake) der jeweiligen Altersgruppe,
der sich durch Multiplikation des ADIs mit den entsprechenden mittleren Körpergewichten errechnet, verglichen.
208
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Gesamt
KG (kg) ADIt1 MW
SD
(mg/d) (mg/d)
Median 75.P.
95.P.
%ADIt %ADIt
(mg/d) (mg/d) (mg/d) MW
95.P.
6-9 J.
30,7
153,4
35,4
60,6
11,5
44,6
150,9
23,0
98,4
10-12 J.
41,5
207,4
42,0
75,0
11,5
51,3
179,3
20,2
86,4
13-14 J.
51,2
256,0
49,9
90,3
15,7
57,9
213,7
19,5
83,5
15-19 J.
60,9
304,3
54,9
97,0
17,5
68,2
218,8
18,0
71,9
19-25 J.
66,7
333,5
73,0
204,1
10,8
79,3
245,2
21,9
73,5
25-35 J.
70,7
353,5
107,4
734,7
16,9
51,4
437,8
30,4
123,8
36-45 J.
71,6
358,1
89,1
222,9
17,5
55,0
447,4
24,9
124,9
46-55 J.
74,4
371,8
95,8
234,4
18,1
52,5
485,9
25,8
130,7
56-65 J.
73,4
367,2
103,8
229,0
20,6
121,4
477,5
28,3
130,0
> 65 J.
70,2
351,2
49,6
52,0
30,2
65,7
132,2
14,1
37,6
Schwangere
71,7
358,5
78,6
117,8
32,4
94,3
290,1
21,9
80,9
Stillende
62,8
314,0
49,1
99,0
11,6
58,0
243,1
15,6
77,4
62,5
310,7
69,0
184,7
17,9
66,6
293,5
22,0
93,3
MW
(gew.)2
Tab. 3.46:
Gesamtaufnahme an Nitrat in
Österreich (Gesamtbevölkerung) aus Gemüse, Trinkwasser und
Zusatzstoffen
(mg/d) und Erreichung der
ADIt-Werte
(%)
1,3
LTE3
1 ADIt = total acceptable daily intake, 2 gewichteter Mittelwert, 3 lifetime exposure (mg/kg KG)
... über Gemüse und Trinkwasser
Die Mittelwerte der Aufnahmen der Gesamtbevölkerung reichen von 28,693,3 mg Nitrat/d mit durchschnittlich 59 mg/d, wobei der höchste Wert bei den 25
bis 35-Jährigen gefunden wurde. Die Aufnahmen an der 95. Perzentile lagen allerdings bereits zwischen 119,3-437,47 mg/d (höchste Aufnahmen bei 46 bis 55-Jährigen).
Der ADI-Wert von 5 mg/kg KG/d (entsprechend 3,6 mg/kg KG/d Natriumnitrat) wurde - bezogen auf die jeweiligen Körpergewichte (ADIt-Wert) - im Durchschnitt nur zu weniger als einem Fünftel erreicht (19%). Die Aufnahmen an der
95. Perzentile zeigen jedoch bei 25 bis 65-jährigen Erwachsenen Überschreitungen des toxikologischen Richtwerts. Für die Gesamtbevölkerung liegt die lifetime
exposure zu Nitrat bei 1,1 mg/kg KG (Tab. 3.46).
Die Mittelwerte der Aufnahmen der Frauen reichen von 28,5 - 132,1 mg Nitrat/d mit durchschnittlich 66,5 mg/d, wobei der höchste Wert bei den 25 bis 35Jährigen gefunden wurde. Bei Männern liegen die Aufnahmen mit 28,6 mg/d (6
bis 9-Jährige) bis 75,9 mg/d (56 bis 65-Jährige) niedriger, der gewichtete MittelE 251-252
ADIta
Mittelwert Std.-abw. Median
75. Perz.
95. Perz.
6-9 J.
10-12 J.
13-14 J.
15-19 J.
20-25 J.
26-35 J.
36-45 J.
46-55 J.
56-65 J.
> 65 J.
Schwangere
Stillende
LTEb
152
212
259
308
333
354
358
372
367
351
359
314
6,8
7,7
8,6
8,7
13,0
14,1
13,9
14,9
15,1
5,0
8,8
4,2
0,17
9,0
10,4
11,5
11,7
22,8
23,9
23,8
23,8
25,2
7,1
11,5
6,6
13,8
16,4
17,8
19,6
37,6
39,7
39,0
38,7
37,0
9,7
18,9
9,9
5,6
7,2
7,5
8,6
21,1
23,0
22,1
22,4
19,8
4,4
7,2
4,3
5,8
5,8
7,4
6,7
0,0
0,8
0,0
5,6
9,4
4,0
7,4
3,3
a Acceptable Daily Intake bezogen auf das Körpergewicht (mg/d)
b Life Time Exposure (mg/kg Körpergewicht)
209
Tab. 3.47:
Aufnahme an
Kalium- bzw.
Natriumnitrat
(E 251-252,
mg/d) von
österreichischen Personengruppen Gesamtbevölkerung, ADI=
5
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Abb. 3.42: Nitrataufnahme
verschiedener
österreichischer Personengruppen
(Mittelwerte
und 95. Perzentilen) bezogen auf das
durchschnittliche Körpergewicht und Vergleich mit dem
ADI-Wert
6-9 J.
10-12 J.
MW
13-14 J.
15-19 J.
95.P
19-25 J.
25-35 J.
36-45 J.
46-55 J.
56-65 J.
> 65 J.
Schwangere
ADI= 5 mg/ kg KG/ d
Stillende
0,0
1,0
2,0
3,0
4,0
5,0
6,0
7,0
Nitrataufnahme (mg/kg KG/d)
wert aus den Ergebnissen pro Altersgruppe liegt bei 50,9 mg/d. An der 95. Perzentile nehmen weibliche Personen täglich zwischen 155,5 und 489,7 mg Nitrat
auf (höchste Aufnahmen bei 56 bis 65-Jährigen), Männer zwischen 160,1 und
467,9 mg/d (höchste Aufnahmen bei 36 bis 45-Jährigen).
Der Vergleich mit dem toxikologischen Grenzwert zeigt, dass Frauen rund
22% und Männer im Durchschnitt 16% des ADI von 5 mg/kg KG/d erreichen. Für
Frauen liegt die lifetime exposure zu Nitrat bei 1,4 mg/kg KG, für Männer bei 0,9
mg/kg KG. An der 95. Perzentile erreichen die Aufnahmen der weiblichen Bevölkerung allerdings im Durchschnitt 91%, die der männlichen 79% und bei erwachsenen Frauen (25 bis 65-jährige) kommt es zu teilweise beträchtlichen Überschreitungen (Maximum 42%) der duldbaren täglichen Zufuhr.
... über Zusatzstoffe
Die Aufnahmen an Nitrat über Lebensmittel, denen Nitrat als Zusatzstoff zugesetzt werden darf, erreichen selbst an der 95. Perzentile sowohl für männliche
als auch für weibliche Personengruppen nur Bruchteile der duldbaren täglichen
Zufuhr. Die Aufnahmen der männlichen Personengruppen sind im Allgemeinen
über denen der weiblichen, aber ebenfalls im akzeptablen Bereich. Die lifetime
exposure für die Nitrataufnahme über Zusatzstoffe liegt für die Gesamtbevölkerung bei 0,17 mg/kg KG/d, für Frauen bei 0,16 mg/kg KG/d und bei Männern bei
0,21 mg/kg KG/d.
... Gesamtexposition
Durch Addition der Aufnahme aus Gemüse, Trinkwasser und Zusatzstoffen
lässt sich schließlich auch die Gesamtbelastung einzelner Personengruppen durch
Nitrat ermitteln. Die Mittelwerte der Aufnahmen reichen von 35,4 mg/d (6 bis 9jährige Kinder) bis 107,4 mg/d (25 bis 35Jährige) und erreichen mit 69 mg/d im
Abb. 3.43:
Unterschiedlicher Beitrag
einzelner Lebensmittel zur
Nitratbelastung
bei männlichen
und weiblichen
Personengruppen sowie bei
Kindern
Beitrag zur Gesamtaufnahme an Nitrat (%)
100%
13
11
25
24
80%
20
26
17
21
60%
27
28
28
25
40%
Zusatzstoff
Trinkwasser
andere Gemüse
Salat, Spinat
20%
35
36
Gesamt
Frauen
30
33
Männer
Kinder
0%
210
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Durchschnitt 22% der ADI-Werte. An der 95. Perzentile wird zwischen 132,2 mg/d und 485,9 mg Nitrat/d aufgenommen (höchste Aufnahme bei 46 bis 55-Jährigen) und durchschnittlich 93% des ADIWerts erreicht, wobei in der Altersgruppe der 25 bis 65-jährigen Erwachsenen der Grenzwert um 2030% überschritten wird. Die lifetime exposure beträgt 1,3 mg/kg KG/d (Tab. 3.46).
Ebenso wie bei der Aufnahme aus Gemüse und Trinkwasser sind große geschlechtsspezifische
Unterschiede zu bemerken (Tab. 3.45). Während bei Männern der ADI-Wert an der 95. Perzentile zu
höchstens 15% (16 bis 25-jährige) überschritten wird und die Mittelwerte im Durchschnitt ein Fünftel des ADI betragen, kommen bei der weiblichen Bevölkerung Überschreitungen des toxikologischen Grenzwerts von 56% (46 bis 55-Jährige; 95. Perzentile) und mittlere Aufnahmen von einem
Viertel des ADI-Werts vor. Schwangere nehmen aufgrund ihres höheren Gemüseverzehrs Nitratmengen über dem Durchschnitt auf (78,6 mg/d), bei stillenden Frauen liegt der Wert wiederum nur mehr
bei 15% des ADI-Werts (49,1 mg/d). Die lifetime exposure beträgt bei weiblichen Befragten 1,6
mg/kg KG, bei männlichen nur 1,1 mg/kg KG.
Ausblick: Risikoabschätzung und zukünftige Erfordernisse
Die Aufnahmen an Nitrat in Österreich liegen in mit anderen europäischen Ländern vergleichbaren Bereichen, da die im Auftrag des Wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses der Europäischen
Kommission (1997) durchgeführten Berechnungen für verschiedene europäische Länder Gesamtaufnahmen zwischen 40 mg/d (Dänemark) und 154 mg/d (Belgien) ergaben. Die durchschnittliche Aufnahme über alle Altersgruppen liegt mit 69 mg Nitrat/d eher im unteren Bereich, die Erhebungsmethodik der Nitratexposition ist jedoch nicht in allen Ländern vergleichbar.
In Abb. 3.42 wurde die Aufnahme in Österreich durch die durchschnittlichen Körpergewichte der
einzelnen Personengruppen dividiert, um besser mit dem ADI-Wert in Relation gesetzt werden zu
können. Auch bei dieser Form der Darstellung ist die Überschreitung des ADI-Werts bei Aufnahmen
an der 95. Perzentile offensichtlich. Die Mittelwerte liegen zwischen 0,8 (Stillende) und 1,4 mg/kg
KG (56 bis 65-Jährige), die 95.Perzentilen-Werte zwischen 1,8 (Senioren) und 6,4 mg/kg KG/d (46
bis 65-Jährige).
Da bei Betrachtung der geschlechtsspezifischen Unterschiede weibliche Personengruppen deutlich höhere Nitrataufnahmen aufweisen, müssen erwachsene Frauen als Risikogruppen, die einer im
Vergleich zum Durchschnitt höheren Belastung unterliegen, genannt werden. Der toxikologische
Grenzwert von 5 mg/kg KG/d wird von diesen Personengruppen an der 95. Perzentile (entsprechend
dem high consumer) überschritten.
Interessant für die Interpretation der Aufnahmedaten ist der Beitrag einzelner Lebensmittel bzw.
-gruppen zur Gesamtaufnahme an Nitrat in Österreich und der geschlechtsspezifische Unterschied
(Abb. 3.43). Ebenso wie in anderen europäischen Ländern macht Gemüse mit insgesamt 62% (42,3
mg/d) den Hauptanteil der Nitrataufnahme aus. Gemüse enthält aber u.a. Nitrosierungsinhibitoren
(Vitamin C, Vitamin E, Polyphenole etc.), die wahrscheinlich für die Tatsache verantwortlich sind,
dass in epidemiologischen Studien nach wie vor Gemüseverzehr und Krebsrisiko negativ korrelieren.
An zweiter Stelle folgt Trinkwasser (insgesamt 25% bzw. 16,7 mg/d), wobei hier zwischen reinem
Wasser (inkl. Mineralwasser und Kaffee/Tee unterschieden werden kann (12%/8,2 mg/d, 13%/8,6
mg/d, Tab. 3.45). Die Nitrataufnahme aus Zusatzstoffen ist mit 13% (8,6 mg/d) geringer als allgemein befürchtet.
Der auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hohe Beitrag des Trinkwassers resultiert aus der Annahme des zulässigen Richtwerts von 25 mg/l im gesamten konsumierten Trinkwasser, obwohl die Meßwerte der meisten Wasserwerke unter diesem Wert liegen. Auf der anderen Seite wurden bei der Erfassung der Nitratbelastung aus Gemüse einige Gemüsesorten, für die keine
Analysendaten zur Verfügung standen, wie z.B. Kartoffeln, nicht berücksichtigt. Letztere haben zwar
im Allgemeinen keine hohen Nitratgehalte, sind aber ein wichtiger Bestandteil in der österreichischen
Ernährung und tragen daher wahrscheinlich ebenfalls zur Gesamtbelastung an Nitrat bei. Gemüse
wird deshalb etwas höhere und Wasser etwas geringere Beiträge zur Gesamtaufnahme liefern als im
Zuge des vorliegenden Berichts ermittelt wurde. Bei Erhebungen anderer europäischer Länder wurde auch zum Teil die Aufnahme an Getreide berücksichtigt. Der Beitrag von Nitrat als Lebensmittelzusatzstoff wurde jedoch bei den übrigen Ländern eher vernachlässigt, was ebenfalls eine Ursache
für abweichende Ergebnisse darstellt.
Der geschlechtsspezifische Unterschied in der Nitrataufnahme spiegelt die entsprechenden
Unterschiede zwischen Männern und Frauen bei den Verzehrsgewohnheiten wider: Männliche Personengruppen tendieren im Allgemeinen zu einem höheren Konsum an Fleisch- und Wurstwaren.
211
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Deshalb beträgt bei Männern die Nitrataufnahme über Zusatzstoffe ein Fünftel (13 mg/d) der Gesamtaufnahme, während bei weiblichen Personengruppen der Beitrag von Gemüse bedeutend höher
ist (64%/47,1 mg Frauen, 55%/35,9 mg Männer).
Die Überschreitungen des ADI-Werts der high consumer erscheinen derzeit nicht bedenklich,
trotzdem sollte durch verbessertes Qualitätsmanagement und Senkung der gesetzlichen Höchstwerte in den stärker kontaminierten Lebensmitteln eine insgesamt geringere Exposition gewährleistet
werden, um besonders Personen mit einem hohen Konsum an nitratreichen Lebensmitteln (z.B. Vegetarier), zu schützen.
Wesentliches Ergebnis der vorliegenden Risikobeurteilung ist, dass außer Blattsalaten und Spinat, für die EU-weite Regelungen existieren, andere Gemüsesorten wie z.B. Kohlgemüse, Kraut oder
Rettich insgesamt einen ebenso großen Beitrag leisten und daher gemeinschaftliche Höchstmengen
dringend erforderlich wären. Dem General Standard for Contaminants and Toxins in Food zufolge,
sollen nur jene Lebensmittel geregelt werden, deren Aufnahme mehr als 10% zur Gesamtbelastung
mit dem Schadstoff beiträgt (Codex Alimentarius 1998). Zumindest die verschiedenen Kohl- und
Krautarten fallen nach dieser Vorgabe in einen regelungswürdigen Bereich.
Obwohl in Österreich durch Vergleich mit Grenzwerten und mit Aufnahmedaten in anderen europäischen Ländern für den durchschnittlichen Konsumenten nur von einem geringen zusätzlichen
Gesundheitsrisiko durch die Aufnahme von Nitrat ausgegangen werden kann, sollte im Interesse aller eine Reduktion der Nitratkontamination von Lebensmitteln durch Verbesserung der Bedingungen
bei Ernte, Lagerung und Verarbeitung angestrebt werden.
Da die umweltbedingte Kontamination von Lebensmitteln den weitaus größeren Anteil der Nitratbelastung ausmacht als der willkürliche Nitratzusatz bei der Lebensmittelverarbeitung, sollten vor
allem landwirtschaftliche Risikofaktoren wie zu hohe Viehbesatzdichte, ungünstige Fruchtfolge oder
Überdüngung weitgehend beseitigt werden. Dennoch dürfen derartige Ergebnisse nicht dazu führen,
dass die ohnehin ernährungsphysiologisch noch nicht wünschenswerte Zufuhr an Gemüse noch weiter reduziert wird.
212
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
3.14 Schwermetalle
Zusammenfassung
Üblicherweise werden bei der Belastung von Lebensmitteln mit Schwermetallen die Elemente
Blei (Pb), Cadmium (Cd) und Quecksilber (Hg) behandelt. Die in den Lebensmitteln angereicherten
Schwermetalle werden von uns direkt oder indirekt über die Nahrungskette aufgenommen und zum
Teil im Organismus akkumuliert.
Da Blei und Cadmium zu den am weitesten verbreiteten Schwermetallen zählen und als besonders toxisch gelten, wurde eine Risikoabschätzung durchgeführt. Dazu wurden die Blei- bzw.
Cadmiumgehalte einzelner Lebensmittelgruppen (mit den aktuellsten erlaubten Höchstgehalten) mit
den österreichischen Daten zum Lebensmittelverzehr verschiedener Bevölkerungsgruppen (aus der
Österreichischen Studie zum Ernährungsstatus) verknüpft.
Die errechnete Blei-Belastung beträgt bei den High Consumern (= 95. Perzentile) maximal
38,5% der tolerierbaren Höchstmenge. Laut FAO/WHO liegt der Provisional Tolerable Weekly Intake
(PTWI) für Blei für einen Menschen mit 60 kg Körpergewicht bei 1500 µg.
Die Cadmium-Belastung liegt an der 95. Perzentile (= High Consumer) je nach Bevölkerungsgruppe zwischen 0,19-0,73 µg/kg Körpergewicht und Tag, wobei sich bei den 6-9-Jährigen die höchste Belastung zeigt. Als Vergleichsbasis für die Risikobewertung diente ein Provisionally Tolerable Daily Intake (PTDI), der für eine bessere Vergleichbarkeit mit der täglichen Aufnahme aus dem von
JECFA 1985 postulierten toxikologischen Grenzwert Provisionally Tolerable Weekly Intake (PTWI)
von 7 µg/kg Körpergewicht abgeleitet wurde. An der 95. Perzentile zeigt sich eine Cadmium-Belastung, die zwischen 20% (>65-Jährigen) und 73% (6-9-Jährige) des PTDI liegt. Als Risikogruppe
hinsichtlich der Cadmium-Belastung, die eine im Vergleich zum österreichischen Durchschnitt bedeutend höhere Aufnahme an Cadmium aufweisen, können 6-9-jährige Kinder genannt werden. Der
toxikologische Grenzwert von 1 µg/kg KG/d wird jedoch von keiner Bevölkerungsgruppe – nicht einmal an der 95. Perzentile – überschritten. Der derzeit für Cadmium geltende PTWI scheint daher zunächst geeignet zu sein, auch Risikogruppen zu schützen.
Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse bestehen hinsichtlich der Schwermetallbelastung mit
Cadmium und Blei durch die Nahrungsaufnahme keine Bedenken. Jedoch können unter besonderen
Verzehrsgewohnheiten (exzessiver Konsum spezieller Lebensmittelgruppen) negative Wirkungen
durch Schwermetalle nicht mit der nötigen Sicherheit ausgeschlossen werden. Besonders eine lang
anhaltende einseitige Ernährung, mit der Präferenz von Innereien, ungereinigten "naturbelassenen"
pflanzlichen Lebensmitteln und tierischen Fetten oder bestimmten Fischarten, kann das Risiko in
nicht näher quantifizierbarer Weise erhöhen.
Allgemeines
Die Schwermetallbelastung unserer Lebensmittel ist erfreulicherweise in den letzten Jahren
rückläufig. Dennoch gibt es einige Lebensmittel aus bestimmten Regionen, aber auch Trinkwasser
und verschiedene Bedarfsgegenstände, die immer noch einen nennenswerten Beitrag zur Gesamtbelastung des menschlichen Organismus mit Schwermetallen leisten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat insbesondere der Bleibelastung aus Trinkwasser eine große Bedeutung in ihren letzten
Schwerpunkten beigemessen, Informationen hierzu finden sich im Kapitel über Trinkwasser.
Unter Schwermetallen versteht man im chemischen Sinne solche Elemente, die eine Dichte über
4,5 g/cm3 aufweisen. Aus biologischer und toxikologischer Sicht ist eine derartige Unterteilung
jedoch eher unbedeutend, da im wesentlichen die Bindungsform entscheidend für die biologischen
Eigenschaften ist. So werden üblicherweise bei der Belastung von Lebensmitteln mit Schwermetallen
die Elemente Blei (Pb), Cadmium (Cd) und Quecksilber (Hg) behandelt. Die Kontamination von
Lebensmitteln mit diesen Schwermetallen wird hauptsächlich durch industrielle Aktivitäten verursacht. Sie werden z. B. über Abgase von Straßenverkehr und Industrie in die Atmosphäre gebracht
und mit der Luftströmung weit transportiert, bevor sie auf die Erdoberfläche niedergehen. In den
Boden gelangen sie u. a. über Düngemittel (Klärschlamm) und reichern sich dort an oder sie sickern
in tiefere Schichten bis ins Grundwasser.
Die in den Lebensmitteln angereicherten Schwermetalle werden von uns direkt oder indirekt
über die Nahrungskette aufgenommen und zum Teil im Organismus akkumuliert.
Da Blei und Cadmium zu den am weitest verbreiteten Schwermetallen zählen und als besonders
toxisch gelten, wird die Belastung dieser beiden Schwermetalle über die Nahrungsaufnahme berechnet und ein potentielles Risiko diskutiert.
213
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Die für den Einzelnen aus dem Verzehr belasteter Lebensmittel resultierenden gesundheitlichen
Risiken können allerdings immer nur individuell, in Abhängigkeit von den Ernährungsgewohnheiten,
den Belastungsfaktoren, die sich im übrigen Lebensumfeld ergeben (Rauchen, Arbeitsplatz) sowie
von der körperlichen Disposition berechnet werden.
Quellen der Schwermetallkontamination von Lebensmitteln
In der Natur kommt Blei vor allem als schwarzes Bleisulfid (PbS, Bleiglanz) vor. Seltener ist das
Auftreten als zwei- bzw. vierwertiges Oxid sowie als Weißbleierz (Cerussit), Rotbleierz (Krokoit),
Gelbbleierz (Wulfenit), Scheelbleierz (Stolzit), Bleivitriol (Anglesit) oder Boulangerit.
Cadmium wiederum findet man als Cadmiumblende (CdS, Greenockit) und Cadmiumcarbonat
(CdCO3; Otavit) meist vergesellschaftet mit der Zinkblende (ZnS) und dem Galmei (ZnCO3)
[Ohelmann und Markert, 1997].
Organismen nehmen während ihres Wachstums die Schwermetalle aus der Umgebung auf. Auf
diese Weise gelangen die Schwermetalle in die Nahrungskette vom Boden über Pflanzen und Tiere
bis zum Menschen.
Durch anthropogene Vorgänge wird eine Reihe von Schwermetallen in die Luft emittiert und
kann einerseits direkt über den Luftpfad schädliche Wirkungen auf Menschen und Umwelt entfalten,
andererseits kann es zu einer Akkumulation von Schwermetallen im Boden, in Ökosystemen und damit in der Nahrungskette kommen und infolge dessen zu Schadwirkungen auch auf den Menschen.
In nennenswerter Menge ist Cadmium vor allem in den Brennstoffen Holz und Heizöl (insbesondere Heizöl "schwer") vorhanden, bei deren Verbrennung im Bereich der Kleinverbraucher, Industrie und der Kraftwerke Cadmium freigesetzt wird. Darüber hinaus sind wesentliche
Cadmiumquellen die Eisen- und Stahlerzeugung, die Verbrennung von Koks und Kohle, der Reifenabrieb bei LKW (20-90 mg Cd/kg Reifenmaterial) und die Zementerzeugung. Die Cadmiumemissionen sind zwischen 1985 und 1999 um 69%, nämlich von 4,8 auf 1,5 t/Jahr, zurückgegangen [6.
Umweltkontrollbericht, 2001]. Als Hauptfaktoren für die Reduktion der Cadmiumemissionen sind der
Rückgang des Verbrauchs an Heizöl "schwer", verbesserte Staubabscheidung bei Verbrennungsanlagen, in der Eisen- und Stahlerzeugung und bei Müllverbrennungsanlagen zu nennen.
Cadmium wird in vielen technischen Prozessen eingesetzt, u. a. bei aufladbaren Batterien oder
bei der Herstellung von Farbpigmenten. Vor allem durch Verbrennungsprozesse oder als Bestandteil
von Klärschlamm wird es in die Umwelt eingebracht. Cadmium wird von den Pflanzen hauptsächlich
über die Wurzeln aus dem Boden aufgenommen und im Gewebe gespeichert. Über die Nahrungskette gelangt dieses Element in den tierischen und schließlich in den menschlichen Körper, wo es sich
in der Leber und den Nieren anreichert.
Im Gegensatz zu früheren Jahren, als quecksilberhaltige Pflanzenschutz- oder Desinfektionsmittel eingesetzt wurden, ist die Verwendung dieses Schwermetalls in der Industrie deutlich zurück
gegangen. Über Klärschlamm gelangt Quecksilber auf die Felder oder durch Verbrennungsprozesse
in die Atmosphäre. Flüsse und Meere weisen – je nach Belastung mit Abwässern – teilweise eine
relativ hohe Belastung mit Quecksilber auf. Fische und andere Wassertiere gelten als belastete
Lebensmittel, da sie dieses Element anreichern. Dabei hängt die Menge von Alter und Art (Friedfische, Raubfische) und dem Verschmutzungsgrad der Gewässer ab. Bei Verwendung von Fischmehl
als Tierfutter findet sich Quecksilber auch in Leber und Niere von terrestrischen Lebewesen.
Durch die Einführung des bleifreien Benzins ist eine Hauptquelle für die Belastung der Umwelt
mit Blei weggefallen (Abb. 3.44). Erzhütten und bleiverarbeitende Industrie emittieren dieses Element jedoch weiterhin. Es gelangt hauptsächlich über Abgase in die Luft und schlägt sich als
bleihaltiger Staub auf der Oberfläche von Früchten und Blättern nieder. Der Bleigehalt von tierischen
Lebensmitteln wird vor allem durch bleihaltige, pflanzliche Futtermittel verursacht. Blei kann auch
aus bleihaltigen Glasuren von Keramikgefäßen in Lebensmittel übergehen.
Schwermetallkonzentrationen in österreichischen Böden
Böden sind lebende Systeme, die ihre Funktion in Ökosystemen und für den Menschen nur erfüllen können, wenn ihre Eigenschaften weitgehend intakt sind. Eine wesentliche Voraussetzung für
vorsorgenden Bodenschutz ist die flächendeckende Erhebung des Bodenzustandes, vor allem im Hinblick auf Schadstoffe, die sich im Boden anreichern [6. Umweltkontrollbericht, 2001].
Schwermetalle gelangen durch nasse und trockene Deposition aus der Luft in den Boden. Ihr
Verhalten im Boden ist sehr heterogen. Die Bodenzusammensetzung sowie der Boden-pH-Wert
214
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
spielen eine entscheidende Rolle bei der Fixierung und auch bei der Mobilisierung
dieser Elemente. [Fellenberg, 1997]
Blei weist eine ausgeprägte Tendenz zur Anreicherung im Boden auf und ist
sogar bei sehr niedrigen pH-Werten sehr immobil.
Während Quecksilber und Blei im Boden vor allem durch die organische Substanz gebunden werden, zählt Cadmium zu den mobilsten Schwermetallen. Bei
diesem Element ist daher zusätzlich besonderes Augenmerk auf die mögliche Aufnahme durch Pflanzen und auf eine potenzielle Gefährdung des Grundwassers zu
legen. Der Eintrag von den genannten Schwermetallen in den Boden kann
entweder über die Luft oder durch direkte Ausbringung von beispielsweise Klärschlamm oder Komposten aus Abfällen erfolgen.
Interaktionen der Schwermetalle mit anderen Spurenelementen
Es ist bewiesen, dass Cadmium und Blei mit dem Stoffwechsel essentieller
Spurenelemente wie zum Beispiel Eisen, Zink, Kupfer oder Selen interferieren.
"Toxikologische Bedeutung gewinnen Wechselwirkungen zwischen essentiellen
und nichtessentiellen Metallen häufig nur dann, wenn entweder bei normaler Versorgung mit essentiellen Spurenmetallen die nichtessentiellen in übermäßigen
oder bei defizitärer Versorgung mit essentiellen die nichtessentiellen in normalerweise tolerierten Mengen aufgenommen werden." [Elsenhans, 2001] Die Interaktionen zwischen Spurenmetallen müssen nicht unbedingt auf zwei Metalle beschränkt bleiben, es können auch mehrere Metalle interagieren. Als Beispiel sei
die in Japan aufgetretene "Itai-Itai"-Krankheit angeführt, bei der es zu Wechselwirkungen zwischen Cadmium, Eisen, Zink, Calcium und Kupfer gekommen ist.
Ein hoher Phytat- und Zinkgehalt hemmt die Resorption, zudem kann sie bei
nur 10% liegen, wenn Blei gemeinsam mit calcium- und phosphatreicher Nahrung
aufgenommen wird.
Laktose, Milch und Milchprodukte lassen die Bioverfügbarkeit von Blei
erhöhen. Fasten und ein Mangelzustand an Calcium, Vitamin D, Eisen, Zink,
Kupfer und Selen steigern die Bleiresorption (Reichl, 2000).
In Tierexperimenten konnte gezeigt werden, dass die Absorption von
Cadmium durch Ballaststoffe inhibiert werden kann und ein niedriger Eisengehalt
der Nahrung die Aufnahme von Cadmium erhöht (Berglund et al, 1994)
Für die Interaktionen von Zink und Eisen mit Schwermetallen existieren viele
Untersuchungsdaten und sowohl experimentelle als auch klinische Beweise, dass
Zink und Eisen positiv auf die toxischen Effekte der Schwermetalle einwirken
(Goyer, 1997).
Die Cadmiumaufnahme in Europäischen Ländern
Die Mittelwerte der Cadmiumaufnahme liegen bei den angeführten Ländern
(Abb. 3.45) zwischen 8 µg/Tag (Türkei) und 57,1 µg/Tag in Griechenland. Der
Zahlenwert für Österreich wurde dem Expertengutachten zur LebensmittelVerkehr
300
Industrie
250
Kleinverbraucher
200
150
100
50
Jahr
215
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
0
1985
Pb-Emission in t/Jahr
350
Abb. 3.44
Luftschadstoffemmissionen
an Blei in
Österreich von
1985-1999
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
sicherheit (Elmadfa et al, 1999) entnommen und mit einem Auszug europäischer
Länder der SCOOP 1996 verglichen.
In Deutschland kann man aufgrund ähnlicher Klima- Boden- und
Erntebedingungen von ähnlichen Schwermetallgehalten wie in Österreich ausgehen. Der Abbildung ist ein ähnlich hoher Belastungswert für Deutschland (10,2
µg/Tag) und Österreich (9,4 µg/Tag) zu entnehmen.
Abschätzung der Cadmium- und Bleibelastung in Österreich
Die 1996 im Rahmen des Forschungsvorhabens "Aufnahme an Zusatzstoffen
in Österreich" vom Institut für Ernährungswissenschaften mittels 24-StundenRecalls erhobenen Daten von Verzehrserhebungen im ländlichen Gebiet rund um
Wien bzw. in Ost- und Westösterreich (Elmadfa et al. 1996) gemeinsam mit in den
Jahren 1994/95 - ebenfalls mittels 24-Stunden-Recalls - gewonnenen Verzehrsergebnissen von Wiener Erwachsenen stellten die Datenbasis zur Aufnahme an
Lebensmitteln in Österreich dar, mit der die Cadmiumbelastung erstmals abgeschätzt werden konnte. In den Jahren 1991-1993 wurden im Rahmen der ÖSES
(Österreichische Studie zum Ernährungsstatus) vom Institut für Ernährungswissenschaften Daten zum Lebensmittelverzehr bei Kindern und Jugendlichen
mittels 7-Tage-Wiegeprotokollen erhoben und für die selben Auswertungen
herangezogen. Außerdem gingen Verzehrsdaten (7-Tage-Wiegeprotokolle, 199495) von älteren Menschen in die Ermittlung mit ein. Für umfassendere Risikoabschätzungen wurden zusätzlich die in den Jahren 1993-95 erfassten Verzehrsdaten schwangerer und stillender Frauen in Österreich berücksichtigt (7- bzw. 3Tage-Wiegeprotokolle), so dass die Gesamtstichprobe insgesamt 4.110 Personen
betrug.
Nach Verknüpfung der Cadmium-Gehalte in Lebensmitteln mit den österreichischen Daten zum Lebensmittelverzehr verschiedener Bevölkerungsgruppen,
konnte die Cadmium-Aufnahme in Österreich nach Alter und Geschlecht getrennt
dargestellt werden.
Die Mittelwerte der Aufnahmen der Gesamtbevölkerung (Tab. 3.49) reichen
von 5,7 bis 11,9 µg Cadmium/d mit durchschnittlich 9,4 µg/d, wobei der höchste
Wert bei Schwangeren gefunden wurde. An der 95. Perzentile, entsprechend dem
österreichischen high consumer lagen die Aufnahmen bereits bei 13,8 bis 38,9
µg/d (durchschnittlich 27,7 µg/d). Durch Division durch die durchschnittlichen,
gewichteten Körpergewichte pro untersuchter Altersgruppe (30,7-74,4 kg)
konnten die Cadmium-Aufnahmen pro Kilogramm Körpergewicht - und davon
jeweils die Mittelwerte und die 95. Perzentilen - berechnet werden. Während die
Mittelwerte zwischen 0,08 und 0,29 µg/kg KG liegen (durchschnittlich 0,16 µg/kg
KG/d), betragen die Aufnahmen an der 95. Perzentile 0,19-0,73 µg/kg KG (durchUngarn
UK
Türkei
Abb. 3.45:
Cadmiumaufnahme europäischer
Länder
(µg/Tag) [EUROPEAN COMMISSION,
SCOOP, 1996
modifiziert mit
ELMADFA et al,
1999]
Spanien
Schw eden
Polen
Italien
Griechenland
Österreich
Deutschland
Belgien
0
10
20
30
40
µg Cadmium proTag
216
50
60
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Altersgruppe weiblich (n) männlich (n) Gesamt (n)
3-6 Jahre
85
66
151
20-29 Jahre 125
76
201
30-39 Jahre 100
73
173
40-49 Jahre 75
54
129
50-59 Jahre 45
38
83
> 60 Jahre
49
41
90
Gesamt (n)
479
348
827
Körpergewicht kg
weiblich
männlich
20,3
21,2
64,7
80,8
Tab. 3.48:
Verteilung des
untersuchten
Kollektivs nach
Alter und Geschlecht, sowie
mittleres Körpergewicht der
Personengruppen
schnittlich 0,46 µg/kg KG/d, höchste Aufnahmen in beiden Fällen bei 6 bis 9-Jährigen).
Als Vergleichsbasis für eine Risikobeurteilung diente ein provisionally tolerable
daily intake (PTDI), der für eine bessere Vergleichbarkeit mit der täglichen Aufnahme aus dem von JECFA 1985 postulierten toxikologische Grenzwert provisionally tolerable weekly inake (PTWI) von 7 µg/kg KG abgeleitet wurde. Dieser
Wert wurde im Durchschnitt nur zu 16% erreicht. 6 bis 9-jährige Kinder nehmen
jedoch 29% des PTDI an Cadmium auf. Etwas kritischere Ergebnisse liefert die
Risikobeurteilung unter Berücksichtigung der high consumer (95. Perzentile). Die
Aufnahmen lagen zwischen 20% (> 65-Jährige) und 73% (6 bis 9-Jährige) des
PTDI. Im Durchschnitt erreicht die Cadmium-Aufnahme der high consumer diesen
Wert jedoch nur zu 46%.
Der Vergleich mit dem toxikologischen Beurteilungsparameter zeigte, dass im
Mittel etwa 16% des provisionally tolerable daily intake (PTDI) von 1 µg/kg KG
erreicht werden, was auf die Berücksichtigung des Körpergewichts zurückzuführen ist (d.h. die höhere Cadmiumaufnahme von Männern relativiert sich bei
Division durch das altersgruppenspezifische Körpergewicht). An der 95. Perzentile
kommen beide im Durchschnitt etwa zur Hälfte an den PTDI-Wert heran, wobei
die Aufnahmen der männlichen Personen etwas höher liegen (Frauen 49%,
Männer 51% des PTDI). Am höchsten scheint die Belastung wiederum bei 6 bis 9jährigen Kindern zu sein, da Mädchen 72%, Burschen sogar 82% des PTDI-Werts
erreichen. Als Risikogruppen, die eine im Vergleich zum österreichischen Durchschnitt bedeutend höhere Aufnahme an Cadmium aufweisen, können 6 bis 9-jährige Kinder genannt werden. Der toxikologische Grenzwert von 1 µg/kg KG/d wird
jedoch von keiner Personengruppe – nicht einmal an der 95. Perzentile (entsprechend dem high consumer) – überschritten (Abb 3.46).
Der derzeit geltende PTWI scheint daher zunächst geeignet zu sein, auch
Gesamt
KG (kg) MW
SD
(µg/d)
Median 75.P.
95.P.
%PTDI %PTDI
(µg/d) (µg/d) (µg/d) 1 MW 1 95. P.
6-9 J.
30,7
8,9
8,7
7,0
11,7
22,5
29,0
73,4
10-12 J.
13-14 J.
15-19 J.
41,5
51,2
60,9
9,0
9,2
10,1
9,0
9,8
10,9
6,8
6,6
7,2
12,0
12,1
12,5
23,3
24,1
28,2
21,7
17,9
16,6
56,2
47,1
46,4
19-25 J.
25-35 J.
66,7
70,7
10,2
10,6
17,7
18,9
7,2
4,8
12,5
13,6
28,2
37,6
15,3
15,1
42,4
53,1
36-45 J.
71,6
10,3
17,8
3,9
13,0
35,7
14,4
49,9
46-55 J.
56-65 J.
> 65 J.
74,4
73,4
70,2
10,4
10,2
5,7
17,8
15,7
6,0
4,2
6,1
4,3
12,7
13,3
7,3
38,9
32,1
13,8
14,0
13,9
8,1
52,3
43,8
19,7
Schwangere 71,7
Stillende
62,8
11,9
5,7
11,4
6,4
8,7
4,2
15,0
6,8
32,3
16,0
16,5
9,1
45,0
25,4
217
Tab. 3.49:
Aufnahme an
Cadmium in
Österreich (G e
samtbevö
l k e r u n g)
und Vergleich
mit
toxikologischen
Grenzwerten
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Abb. 3.46:
Cadmium-Aufnahme verschiedener
österreichischer Personengruppen
(Mittelwerte
und 95. Perzentilen)
bezogen auf
das durchschnittliche
Körpergewicht
und Vergleich
mit dem PTDIWert von 1
µg/kg KG/d
6-9 J.
10-12 J.
13-14 J.
15-19 J.
MW/kg KG
19-25 J.
95.P/kg KG
25-35 J.
36-45 J.
46-55 J.
56-65 J.
> 65 J.
PTDI= 1 µg/kg KG/d
Schwangere
Stillende
0,0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8
0,9
1,0
1,1
Cadmiumaufnahme (µg/kg KG/d)
Risikogruppen zu schützen. Dennoch sind Personen mit sehr einseitigem Ernährungsverhalten oder Vegetarier mit überdurchschnittlich hohem Gemüse- und
Getreidekonsum gesondert im Hinblick auf ein mögliches Risiko zu beobachten.
Blei
Die Höchstgehalte (mg/kg Frischgewicht) in ausgewählten Lebensmittelgruppen betragen für das Schwermetall Blei die in Tabelle 3.50 angegebenen
Werte. In dieser Arbeit wird die Reihenfolge der oben angeführten Lebensmittelgruppen (LMG) für das entsprechende Schwermetall beibehalten und oft nur die
Bezeichnung LMG 1- LMG 16 für Blei bzw. LMG 1- LMG 15 für Cadmium verwendet.
Die Untersuchung umfasst ein Kollektiv von n=1129 österreichischen Personen.
Neben der Berechnung der durchschnittlichen, personengruppenspezifischen
Aufnahme der verzehrten Menge pro Lebensmittelkategorie, in der auch Personen
miteinbezogen werden, die diese Lebensmittel nicht konsumieren, existiert noch
ein weiteres Evaluierungskonzept.
Das angesprochene Konzept erfasst die Lebensmittelaufnahme von jenen Personen, die ein bestimmtes Lebensmittel bzw. eine bestimmte Lebensmittelgruppe
im Untersuchungszeitraum auch tatsächlich konsumiert haben (Userkonzept).
Dieses Konzept erscheint sinnvoll, da der Lebensmittelkonsum ungleichmäßig
zwischen den einzelnen Personen einer Altersgruppe verteilt ist.
Laut FAO/WHO liegt der Provisional Tolerable Weekly Intake (PTWI) für Blei
für einen Menschen mit 60 kg Körpergewicht bei 1500 µg. Noch bis 1993 betrug
dieser Wert 3000 µg.
Im Gegensatz zu den von JECFA festgelegten ADI-Werten für Zusatzstoffe,
beruhten diese Grenzwerte wie die damals gültigen 3000 µg, nicht auf Tierversuchen, sondern orientierten sich einerseits an der damaligen Schwermetallexposition des Menschen durch Nahrung, Luft und Trinkwasser und andererseits an toxikologischen Erfahrungen mit Schwermetallvergiftungen beim Menschen. (Diehl,
2000)
Die durchschnittliche Bleibelastung der österreichischen Bevölkerung liegt bei
den 3-6jährigen Kindern zwischen 0,03% (LMG 14) und 20,07% (LMG 15) des
PTDI).
Die Ergebnisse der 95. Perzentile bewegen sich zwischen 4,55% (LMG 2) und
61, 52% des PTDI durch die Lebensmittelgruppe Obst.
Bei den Erwachsenen aller Altersgruppen reichen die Belastungen von 0,05%
(Altersgruppe 2 durch die LMG 15) des PTDI bis zu 6,76% (Altersgruppe 4 mittels
LMG 8).
Die Ergebnisse der "high consumer" unter den Erwachsenen liegen zwischen
1,93% (> 60 Jährige durch die LMG 1) und 38,5%, die von den 20-29 Jährigen
durch den Weinkonsum erreicht werden.
218
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Erzeugnis
Zulässige Bleihöchstgehalte
(mg Pb/kg Frischerzeugnis)
Beerenobst
0,2
Fette und Öle, einschließlich Milchfett
0,1
Muskelfleisch von Cuneata-Seezunge, Aal, geflecktem
Streifenbarsch, Bastardmakrele oder Stöcker, Meeräsche,
Diplodus vulgaris, Süßlippe, Pilchard oder Sardine
0,4
Muskelfleisch von Fischen
0,2
Fleisch von Rindern, Schafen, Schweinen und Geflügel
0,1
Fruchtsäfte, konzentrierter Fruchtsaft und Fruchtnektar
0,05
Gemüse, geschälte Kartoffeln
0,1
Kohlgemüse, Blattgemüse und alle Kulturpilze
0,3
Getreide (einschließlich Buchweizen) und Hülsenfrüchte
0,2
Kopffüßer (ohne Innereien)
1,0
Krebstiere, ausgenommen braunes Krabbenfleisch
0,5
Milch
0,02
Muscheln
1,0
Obst
0,1
genießbare Schlachtnebenerzeugnisse von Rindern, Schafen, Schweinen und Geflügel
0,5
Wein, aromatisierter Wein, aromatisierte weinhaltige Getränke und Cocktails, sowie Apfel-, Birnen- und Fruchtwein
0,2
Tab. 3.50:
Erlaubte
Höchstgehalte
für Blei in verschiedenen
Lebensmittelgruppen
Cadmiumbealstung µg/d
männlich
weiblich
MW SD
95.Perz.
PTDIt
MW SD
95.Perz.
PTDIt
3-6 J
1,5 5,0
10
21,2
1,3 4,3
8,9
20,3
20-29 J
2,4 8,1
15
80,81
2,4 8,2
17
64,7
30-39 J
2,7 8,2
20
80,81
2,6 8,1
18,8
64,7
40-49 J
2,3 7,6
15
80,81
2,4 7,0
17,1
64,7
50-59 J
2,4 7,0
18,6
80,81
2,1 6,3
17
64,7
> 60 J
2,5 7,3
15,9
80,81
2,4 7,2
17,2
64,7
Bleibelastung µg/d
männlich
weiblich
MW SD
95.Perz.
PTDIt
MW SD
95.Perz.
PTDIt
3-6 J
3,5 8,6
20
75,684
3,4 8,2
19,2
72,47
20-29 J
6,5 19,1 39,2
282,835
6,4 17,2 39,2
226,45
30-39 J
6,7 18,4 38
282,835
5,9 13,5 36
226,45
40-49 J
6,3 19,7 32
282,835
6,2 19,7 36
226,45
50-59 J
6,6 16,8 40,1
282,835
5,1 12,1 28,9
226,45
> 60 J
6,6 16,7 37,5
282,835
5,4 12,6 30
226,45
219
Tab. 3.51:
Cadmium- und
Bleibelastung
(µg) durch alle
15 bzw. 16
Lebensmittelgruppen
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Abb. 3.47
Fruchtsaftkonsum und
resultierender
PTDI (%) für
Blei für alle
untersuchten
Altersgruppen
200
50
40
150
30
100
20
50
10
0
3-6
20-29 30-39 40-49 50-59
0
>60
3-6
20-29 30-39
40-49
50-59
>60
Da die Ergebnisse der Bleibelastungsberechnung sogar bei den "high consumer" maximal 38,5% der tolerierbaren Höchstmenge erreichen, wird die Diskussion der Bleibelastung durch die Nahrung sehr kurz gehalten und nur mittels der
Abb. 3.47 und 3.48 präsentiert.
Erwachsene im Alter von 20-49 Jahren konsumierten durchschnittlich mehr
Fruchtsaft als die Vorschulkinder. Der errechnete Prozentsatz des PTDI der Kinder
hebt sich aber deutlich von den Belastungswerten der Erwachsenen ab. Die 3-6
Jährigen erfahren durch den Fruchtsaftkonsum eine beinahe viermal so hohe Bleibelastung als die Erwachsenen.
In Abb. 3.48 wird der Obstverzehr der Erwachsenen (alle Altersgruppen) mit
dem Konsum der Vorschulkinder verglichen und der Belastungswert durch diese
Lebensmittelgruppe errechnet. Hier gibt sich ein noch deutlicheres Bild:
Vorschulkinder erreichen über den Obstkonsum, obwohl er ähnlich hoch ist
wie der der Erwachsenen, rund 20% des Provisional Tolerable Daily Intake für Blei
(Erwachsene rund 6% PTDI).
Die Bleibelastung der User liegt insgesamt unter 60% des PTDI.
Die 3-6 Jährigen erreichen Werte von 1,9% und 52,8%. Unter den Erwachsenen findet man Höchstwerte zwischen 1,1% und 57,8% (jeweils die Altersgruppe
der 20-29 Jährigen durch die LMG 2 bzw. LMG 9).
50
200
40
150
30
100
20
Abb. 3.48:
Obstkonsum
und
resultierender
PTDI (%)
50
0
10
Vorschüler
0
Erwachsene
220
Vorschüler
Erwachsene
Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit
Die Schwermetalle und ihre Auswirkungen auf den menschlichen Organismus gelangten erst in
den Mittelpunkt des Interesses, als analytische Methoden geboren wurden, diese in Spuren vorkommenden Metalle in den Lebensmitteln zu detektieren.
Die Abschätzung der Schwermetallbelastung von Cadmium und Blei für österreichische Personengruppen liegt unter Einbeziehung der vorhandenen Daten in allen Altersgruppen unter dem
PTDIt-Werten. Die Aufnahmen liegen auch bei einzelnen "high consumer" (95. Perzentile) noch weit
unter den maximal tolerierbaren Werten.
Die Toleranzgrenzen der FAO/WHO wurden bei Blei und Cadmium zu geringem Prozentsatz ausgeschöpft. Demnach bestehen hinsichtlich der Schwermetallbelastung von Cadmium und Blei durch
die Nahrungsaufnahme keine Bedenken, jedoch wurden nicht exakt alle Lebensmittel berücksichtigt,
die zu einem Schwermetalleintrag beitragen können. Vielmehr wurde das Hauptaugenmerk auf jene
Lebensmittelgruppen (mit den aktuellsten erlaubten Höchstgehalten) geworfen, die in erster Linie
als am stärksten belastet gelten und dadurch verstärkt zu einer Risikobelastung durch die Nahrungsaufnahme beitragen.
Unter besonderen Verzehrsgewohnheiten (exzessiver Konsum spezieller Lebensmittelgruppen)
können negative Wirkungen durch die genannten Stoffe nicht mit der nötigen Sicherheit ausgeschlossen werden. Besonders bei lang anhaltender einseitiger Ernährung mit der Präferenz von
Innereien, ungereinigten "naturbelassenen" pflanzlichen Lebensmitteln und tierischen Fetten oder
bestimmten Fischarten kann das Risiko in nicht näher quantifizierbarer Weise erhöhen.
221
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
Kapitel 4: Bedeutung der wichtigsten Lebensmittelgruppen für die Ernährung
4.1 Brot und Getreideprodukte
Zusammenfassung
Österreich liegt mit seinem Brotverzehr im europäischen Durchschnitt. Laut ÖSES (Österreichischen Studie zum Ernährungsstatus) werden in Österreich durchschnittlich 119 g Brot und Gebäck vorwiegend aus Auszugsmehlen - pro Kopf und Tag verzehrt, was nur etwa der Hälfte der DGE-Empfehlungen entspricht.
Eine Steigerung des Brotverzehrs (ohne zusätzlichen Verzehr von Butter, Käse, Wurst etc. als
Brotbelag), vor allem von dunklen Brotsorten und Vollkornbrot, würde nicht nur die Versorgungslage an zahlreichen Mikronährstoffen (B-Vitamine, Vitamin E, Magnesium, Eisen etc.) verbessern, sondern auch die Ballaststoffzufuhr auf ein wünschenswert höheres Niveau anheben.
Da Brot rund 1,3 g Kochsalz pro 100 g enthält, könnte auch die Jodversorgung in Österreich entscheidend verbessert werden. Voraussetzung wäre jedoch eine breitere Verwendung von jodiertem
Speisesalz bei der Herstellung von Brot und Gebäck.
Aktuell durchgeführte Erhebungen zu den Verzehrsgewohnheiten von Wiener Vorschulkindern (36 J.) zeigten Vorlieben für Weißmehlprodukte. Viele der befragten Kinder gaben an, Vollkornbrot gar
nicht zu kennen. Unter den Frühstückscerealien werden Cornflakes und nährstoffangereicherte Frühstücksflocken bevorzugt. Haferflocken kennen die Kinder kaum bzw. werden nur selten konsumiert.
In vielen Ländern ist die Nährstoffanreicherung von Brot und Getreideprodukten Standard, wodurch die Versorgungslage an vielen Vitaminen (z.B. Folsäure), Mineralstoffen (z.B. Calcium) und Spurenelementen (z.B. Selen) verbessert wird. In Österreich ist die Diskussion zu diesem Thema noch
nicht abgeschlossen. Bei den Anreicherungsmaßnahmen sollten jedoch nicht Marktwirksamkeit und
wirtschaftliche Aspekte, sondern vor allem die Sinnhaftigkeit im Vordergrund stehen.
Allgemeines
Seit Tausenden von Jahren gehören Brot und Getreideprodukte zu den Grundnahrungsmitteln
des Menschen. Diese Lebensmittelgruppe war und sollte weiterhin der Grundpfeiler der menschlichen
Ernährung sein. Nachdem der Brotverbrauch seit 1950 um etwa die Hälfte abgenommen hat, nimmt
die Beliebtheit von Brot heute wieder etwas zu. Zumindest der Weizenverbrauch ist in den letzten
Jahren wieder angestiegen.
Brot und insbesondere Vollkornbrot ist ein wichtiger Nährstofflieferant. Es enthält wertvolle Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente, die aus den Randschichten des Korns und Keimling stammen. Aufgrund des hohen Anteils an unverdaulichen Bestandteilen, den Ballaststoffen, regt Vollkornbrot die Verdauung an, beugt Verstopfungen vor und sorgt für ein lang anhaltendes Sättigungsgefühl.
Brot wird entweder mit Hefe oder Sauerteig hergestellt. Pilze und Bakterien vergären Zucker zu
dem Gas Kohlendioxid, das den Teig auflockert. Der Zucker entsteht durch Spaltung der Stärke durch
Enzyme, die im Mehl natürlicherweise enthalten sind.
Getreideprodukte, gute Nährstoffquellen
Nicht nur Fleisch, sondern auch Brot und Getreideprodukte in richtiger Kombination mit anderen
Proteinquellen sind gute Eiweißlieferanten für den Körper. Der Proteingehalt von Brot wird oft unterschätzt, obwohl dieser je nach Brotsorte zwischen 6-10% liegt. Eine Scheibe Vollkornbrot mit einem
Glas Milch eignet sich beispielsweise hervorragend als Zwischenmahlzeit, da sich Milcheiweiß ideal
mit pflanzlichem Eiweiß ergänzt.
Getreideprodukte enthalten eine beachtliche Menge an Kohlenhydraten und stellen somit wichtige Energiequellen für den menschlichen Organismus dar. Im Körper läuft die Energiegewinnung aus
Kohlenhydraten wesentlich "ökonomischer" ab als aus Fett. Ungefähr 50% des Gesamtgewichts eines frischen Brotes sind Kohlenhydrate und zwar in Form von Stärke. Getreidestärke gehört zu den
verwertbaren hochmolekularen Kohlenhydraten. Für Weiß- oder Vollkornbrote werden unterschiedli-
222
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
che Mehle verwendet. Der Ausmahlungsgrad des Korns bestimmt nicht nur die
Mehlfarben, sondern sagt auch etwas über dessen Inhaltsstoffe aus. Wird das ganze Korn samt Schale und Randschicht gemahlen, erhält man ein ballaststoff-, vitamin- und mineralstoffreiches Mehl. Generell gilt, je niedriger der Ausmahlungsgrad, desto weißer, ballaststoff- und nährstoffärmer ist das Mehl. Das Getreidekorn
selbst bzw. Vollkornprodukte haben einen besonders hohen Anteil an Ballaststoffen. Ballaststoffe können nicht verdaut werden und regen so als Füll- bzw. Quellstoffe die Darmtätigkeit an. Außerdem belegen Studien, dass Ballaststoffe sich positiv auf den Cholesterinspiegel auswirken und dass sie das rasche Ansteigen des
Blutzuckerspiegels nach der Nahrungsaufnahme verhindern. Daher verfügen
ballaststoffreiche Getreideprodukte über einen niedrigeren Glykämischen Index.
Die meisten Mineralstoffe und Vitamine stecken in den Randschichten des Korns
und im Keimling, während das Innere des Getreidekorns, der sogenannte Mehlkörper, hauptsächlich Stärke und Eiweiß enthält. Vollkornbrot - aber auch allgemein gesprochen Brot - ist demnach ein guter Lieferant für B-Vitamine, Vitamin E,
Magnesium, Eisen und Calcium. Durch gezielte Kombination von Getreideprodukten mit Gemüse kann die Bioverfügbarkeit von z. B. Eisen aus Getreideprodukten
deutlich angehoben werden. Produkte, hergestellt aus dem ganzen Getreidekorn,
sind außerdem reich an Spurenelementen (Selen, Kupfer, Mangan), Phenolsäuren,
Lignanen und Phytoöstrogenen [Anderson und Hanna, 1999].
Brotverzehr in der EU bzw. in Österreich
Österreich liegt laut EU-Infobrief mit einem durchschnittlichen Brot- und Bakkwarenverzehr von rund 71 kg/Kopf und Jahr im Mittelfeld des Brotverbrauchs von
Europa. Deutschland rangiert mit einem Brot- und Brötchenverbrauch von 84
kg/Kopf und Jahr an der Spitze der europäischen Länder, gefolgt von Schweden
mit 76 kg und Dänemark mit 74 kg. Franzosen verzehren im Durchschnitt nur 54
kg Brot pro Kopf und Jahr. Das Schlusslicht bilden die Belgier mit 48 kg und die
Luxemburger mit lediglich 40 kg Brotkonsum pro Kopf und Jahr. Tab. 4.1 zeigt neben dem Gesamtverbrauch in Österreich auch die Anteile der verschiedenen Brotund Gebäcksorten.
Trotz der anfangs erwähnten günstigen Zusammensetzung des Getreides und
der oben angeführten im europäischen Vergleich hohen Brotverbrauchszahlen und
vorhandenen Brotvielfalt werden in Österreich durchschnittlich nur 119 g pro Kopf
und Tag verzehrt (Tab. 4.2). Als Berechnungsgrundlage zur Ermittlung des Brotund Gebäckkonsums dienten die Verzehrsangaben der Österreicher, die im Rahmen der ÖSES (Österreichische Studie zum Ernährungsstatus) erhoben wurden.
Die Berechnung der Nährstoffaufnahme erfolgte mittels EWP (Ernährungswissenschaftliches Programm) bzw. BLS II.3 (Bundeslebensmittelschlüssel). Ferner wurde die Lebensmittelgruppenkategorisierung der von der britischen und niederländischen Arbeitsgruppe angewandten CFCS-Kategorisierung (Codex Food Categorisation System) übernommen, welche die Berechnung des Gebäck- und Brotkonsums der Österreicher erlaubt. Die ursprüngliche Erhebung der Ernährungsprotokolle war nicht auf eine lebensmittelbasierte Auswertung nach dem CFCS-System
ausgerichtet und es wurde daher versucht, die für diese Art von Verzehrsprotokollen suboptimale Zuordnungsmethode so gut wie möglich anzupassen.
Demnach konsumieren Männer zwar mehr Brot und Gebäck als Frauen, aber
generell erreicht keine der Personengruppen die von der DGE empfohlenen 5 bis
7 Scheiben Brot pro Tag (rd. 200 bis 300 g). Schwangere verzehren lediglich rund
100 g Brot und Gebäck pro Tag, obwohl sie einen erhöhten Energiebedarf haben
und diesen besonders aus kohlenhydratreichen und fettarmen Lebensmitteln dekken sollten.
Hingegen ist der Feingebäckkonsum dieser Personengruppe fast ebenso groß,
wie der von Brot und Gebäck. Kinder und Jugendliche "naschen" mehr als Erwachsene (Tab. 4.3).
Feingebäck (Kuchen, Kekse, etc.) enthält relativ viel Fett und Einfachzucker
und wird zumeist aus Auszugsmehlen hergestellt. Feingebäck leistet bei der Ver-
223
Tab. 4.1:
Pro-Kopf-Verbrauch an Brot
und Backwaren
in Österreich
pro Jahr,
[mod. nach
WIFI, 1999]
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
Tab. 4.2:
Mittlerer täglicher Brotund Gebäkkverzehr der
österreichischen Bevölkerung (in g/d)
Tab. 4.3:
Mittlerer täglicher Brotund Gebäkkverzehr der
österreichischen Bevölkerung (in g/d)
Personengruppe
weiblich männlich
sorgung mit essentiellen Nährstoffen
somit einen geringeren Beitrag als Brotbzw. Vollkornbrot.
Kinder und Ju92
121
Aufgrund der Ergebnisse der Begendliche
rechnungen der Nährstoffaufnahme
Erwachsene
131
157
aus der Lebensmittelgruppe "Brot und
Gebäck" mittels EWP bzw. BLS kann geSenioren
113
116
sagt werden, dass in Österreich überSchwangere
101
wiegend Weiß- und Mischbrot verzehrt
Durchschnitt
119
wird und daher der Beitrag der Nährstoffaufnahme kleiner ist, als er durch
den häufigeren Konsum von VollkornPersonengruppe weiblich männlich
brot sein könnte.
(g/d)
(g/d)
Zahlreiche Institutionen aus dem
Ernährungs- und Gesundheitsbereich
Kinder und Ju67
70
empfehlen, Weißbrot durch Vollkorngendliche
brot zu ersetzen. Beide Brotsorten sind
Erwachsene
62
59
reich an komplexen Kohlenhydraten, jeSenioren
31
34
doch zeichnet sich Vollkornbrot unter
anderem durch eine höhere NährstoffSchwangere
86
dichte aus.
Durchschnitt
58
Aus Tab. 4.4 geht hervor, dass durch
den durchschnittlichen Brotverzehr in
Österreich rund 5,5 g Ballaststoffe pro Tag aufgenommen werden, was rd. einem
Sechstel des Richtwerts (30 g/d) entspricht. In Tab. 4.4 sind ferner zwei Denkmodelle dargestellt, welche die Versorgung mit ausgewählten Nährstoffen bei unterschiedlichem Brotverzehr veranschaulichen soll.
Modell A (Tab. 4.4) geht vom derzeitigem Ist-Brotverzehr in Österreich aus
(119 g pro Kopf und Tag), allerdings unter der Annahme, dass die Hälfte davon
aus Vollkornbrot stammt. Bereits bei diesem Modell würde sich die Versorgungslage an ernährungsphysiologisch wertvollen Nährstoffen (Ballaststoffe, essentielle
Mikronährstoffe) deutlich verbessern.
Eine weitere Steigerung der Nährstoffzufuhr ließe sich durch Modell B (Tab.
4.4) erzielen. Ausgehend von der Empfehlung der DGE, täglich rd. 250 g Brot- und
Gebäck zu konsumieren, ließe sich beispielsweise bei einem Verhältnis Weiß-:Vollkorn-:Mischbrot (20:40:40) alleine dadurch fast die Hälfte der wünschenswerten
Ballaststoffaufnahme (mind. 30 g pro Tag) erreichen.
(g/d)
(g/d)
Brot und Getreide in der Ernährung von Vorschulkindern (3-6 J.)
Modell A
Tab. 4.4
Brot als Lieferant von
Ballaststoffen,
Eisen und B-Vitaminen; IstBrotverzehr
und Denkmodelle (Modell A
und B)
Modell B
Ist-Brotverzehr* Vollkorn-:Mischbrot
Ø 119 g
(50:50)
Ø Verzehr 119 g
Weiß-:Vollkorn:Mischbrot
(20:40:40)
Ø Verzehr 250 g
Ballaststoffe (g)
5,5
7,4
14,2
Vitamin B1 (mg)
0,11
0,15
0,37
Vitamin B2 (mg)
0,09
0,11
0,25
Vitamin B6 (mg)
0,13
0,17
0,40
Eisen (mg)
1,7
2,6
4,1
* Die ermittelte verzehrte Brotmenge kann nicht genau spezifiziert werden. Aufgrund der niedrigen Ballaststoffaufnahme kann angenommen werden, dass es sich größtenteils um Weißbzw. Mischbrot gehandelt hat.
224
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
Abb. 4.1:
Verzehrshäufigkeit von Brot
und Gebäck
bei Wiener
Vorschulkindern (3-6 J.)
Angaben in %
80
60
40
20
0
Weißbrot/Semmeln
täglich
Misch/Schwarzbrot
manchmal
nie
Vollkornbrot
weiß nicht/kenn ich nicht
In einer vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien durchgeführten Erhebung zu den Verzehrsgewohnheiten von Vorschulkindern in Wien
ergab sich hinsichtlich des Brot- und Gebäckkonsums das in Abb. 4.1 dargestellte
Bild.
Nach den Angaben der Kinder, wird Vollkornbrot nur selten konsumiert. Darüber hinaus wussten 22% der Kinder mit dem Begriff "Vollkornbrot" gar nichts anzufangen. Hier ist also ein großer Aufklärungsbedarf gegeben, wobei Eltern und
Kindergärtnerinnen besonders gefordert sind. Die Akzeptanz von Vollkornbrot hat
in den letzen Jahren jedoch etwas an Bedeutung gewonnen. Noch vor einigen Jahren [Demitsch-Santner, 1994] gaben 36% der befragten Eltern an, dass ihre Kinder nie Vollkornbrot essen würden. Heute sind es nur mehr 21%.
80% der befragten Kinder essen Cornflakes und nur wenige kennen diese Art
der Frühstückscerealien nicht. Fast die Hälfte des Kollektivs gab an, "Smacks" und
andere nährstoffangereicherte Frühstückscerealien zu konsumieren (Abb. 4.2), deren Anzahl am Markt immer umfangreicher wird. Besonders Kinder sind eine beliebte Zielgruppe für diese angereicherten Produkte. Diese werden in allen möglichen Geschmacksrichtungen von Schokolade bis Zimt angeboten. Sie unterscheiden sich sehr stark in ihrer Anreicherungsmenge und somit in ihrem Nährstoffgehalt. Ernährungsphysiologisch könnte man einige Produkte schon in die Lebensmittelgruppe der "Süßigkeiten" reihen, da sie häufig viel Zucker und Fett enthalten. Im Gegensatz dazu scheinen die "guten alten Haferflocken" in der Ernährung von Vorschulkindern kaum eine Rolle zu spielen. Haferflocken haben ohne
Zusätze wie beispielsweise Zucker und/oder Schokolade keinen so verlockenden
Geschmack wie spezielle Kindergetreideprodukte und werden von dieser Altersgruppe daher auch nicht so stark bevorzugt.
Brot als "Functional Food": Nährstoffanreicherung von Brot
Angaben in %
60
40
20
0
Cornflakes
täglich
Müslimischung
manchmal
nie
Smacks, etc.
Haferflocken
weiß nicht/kenn ich nicht
225
Abb. 4.2:
Verzehrshäufigkeit von
Frühstücksgetreideprodukten bei Wiener
Vorschulkindern (3-6 J.)
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
Nährstoffangereicherte Lebensmittel liegen im Trend. Um zusätzlich zum Nährwert und Geschmack eine spezielle gesundheitsfördernde Wirkung zu erzielen, werden viele Lebensmittel, darunter auch Brot, mit speziellen Inhaltsstoffen (z.B. Mikronährstoffe, Ballaststoffe, sekundäre Pflanzenstoffe etc.) angereichert. Brot aus Mehl
mit hohem Ausmahlungsgrad, sprich Vollkornbrot, zeichnet sich natürlicherweise
durch einen hohen Nährstoffgehalt aus. Doch durch den Mahlprozess geht ein Teil
der essentiellen Nährstoffe des Korns verloren. Schon seit Jahren sind in diversen
Ländern angereicherte Mehle erhältlich, die den Vitamin- und Nährstoffgehalt des
ganzen Korns auch im Weißmehl garantieren sollen. So ist beispielsweise in Großbritannien die Nährstoffanreicherung von Weißmehl bis zum Nährstoffgehalt des
Vollkornmehls vorgeschrieben, da dort fast ausschließlich Weißmehlprodukte verzehrt werden [Elmadfa und Leitzmann, 1998]. Dies gilt für die essentiellen Nährstoffe Niacin (1,6 mg/100g), Vitamin B1 (0,24 mg/100g), Eisen (1,65 mg/100 g)
und Calcium (235 bis 390 mg/100g).
Brot und Backwaren eignen sich zur Anreicherung mit Nährstoffen besonders
gut, da sie als Grundnahrungsmittel eine hohe Verzehrsfrequenz haben. In Ländern wie den USA wird seit 1998 Mehl generell mit Folsäure angereichert. Auch
Ballaststoffe spielen eine bedeutende Rolle in der Anreicherungsstrategie. Neben
den korneigenen, klassischen Ballaststoffen werden Brot und Backwaren auch solche zugesetzt, die anderer Herkunft sind, wie z. B. Inulin (aus Zichorien) und Resistente Stärke (kann lebensmitteltechnologisch z.B. aus Kartoffelstärke erzeugt
werden). Durch ihre Wirkung, die sich durchaus mit denen der Ballaststoffe vergleichen lässt, finden sie vermehrt als sogenannte präbiotische Substanzen Einsatz.
Geht man davon aus, dass in Österreich weiterhin 119 g Brot pro Kopf und Tag
verzehrt werden, so ließe sich durch die Anreicherung von Brot, wie sie in Großbritannien vorgeschrieben ist, die in Tab. 4.5 dargestellte Nährstoffaufnahme erzielen.
Durch die Anreicherung von Weißmehl mit Calcium kann demnach fast die Hälfte der D-A-CH-Referenzwerte für die tägliche Zufuhr erreicht werden. Unabhängig
von der Anreicherung, zeigt dieser Vergleich die Bedeutung von Brot als Eisenlieferant. Die relativ geringe Bioverfügbarkeit von Eisen aus Getreideprodukten ließe
sich jedoch durch den gleichzeitigen Verzehr von Vitamin C-reichen Lebensmitteln
steigern.
Die Sinnhaftigkeit von manchen Anreicherungsmaßnahmen, wie z.B. mit Fischölen, kann angezweifelt werden. Sehr zu begrüßen und auch sehr einfach durchzuführen wäre hingegen die Verwendung von jodiertem Speisesalz in der Brotzubereitung.
Tab. 4.5:
Vergleich der
Nährstoffaufnahme aus angereichertem
Brot und Vollkornbrot mit
der tatsächlichen durchschnittlichen
Aufnahme der
Österreicher
(Basis: 119 g
Brot)
Schlussbetrachtung
Brot und Getreideprodukte können aufgrund der hohen Nährstoffdichte entscheidend zur Nährstoffversorgung einer Bevölkerung beitragen. Hinsichtlich des
Geschmacks und des Nährwerts wird fermentiertes Brot kaum von einem anderen
Lebensmittel übertroffen. Leider ist der Brotverzehr in Österreich seit 1950 stark
gesunken und bleibt seit etwa 10 Jahren auf einem mehr oder weniger stabilem
Niveau. Der durchschnittliche Brotverzehr in Österreich liegt zur Zeit bei 119 g pro
Tag. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) empfiehlt einen täglichen
Brotkonsum von 5 bis 7 Scheiben (rd. 200 bis 300 g). Mit Brotbelag (Butter, Käse,
Brot angereichert* Vollkornbrot
Ist-Aufnahme
Calcium (mg)
464
26
35
Eisen (mg)
2,0
3,2
1,7
Niacin (mg)
2,0
1,5
1,1
Vitamin B1 (mg)
0,3
0,1
0,1
* lt. gesetzlicher Regelung in Großbritannien
226
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
Wurst etc.) soll dabei sparsam umgegangen werden. Eine Steigerung des Brotkonsums in Österreich
wäre also wünschenswert, wobei insbesondere mehr Vollkornbrot verzehrt werden sollte.
Die D-A-CH-Richtwerte für die Kohlenhydratzufuhr sollen unter anderem die Fettzufuhr bilanzieren. Da Brot ein sehr guter Kohlenhydratlieferant ist, würde ein höherer Verzehr dieser Lebensmittelgruppe (ohne zusätzlichem Verzehr von Butter, Käse, Wurst etc. als Brotbelag) auch dazu beitragen, den überhöhten Fettkonsum in Österreich zu senken. Zusätzlich würde sich die Versorgungslage
an einigen Mikronährstoffen (B-Vitamine, Magnesium, Eisen, etc.) und Ballaststoffen verbessern.
Durch die Speisesalzjodierung und den relativ hohen Kochsalzanteil könnten Brot und Backwaren
auch ein guter Lieferant von Jod sein, wenn jodiertes Speisesalz in den Bäckereien einen breiteren
Einsatz finden würde.
227
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
4.2 Obst und Gemüse
Zusammenfassung
Die Auswertung des täglichen Gesamtobstverzehrs der österreichischen Bevölkerung zeigt im Großen und Ganzen ein erfreuliches Bild. Schwangere Frauen und Mittelschüler konsumieren mengenmäßig am meisten Obst. Auch Vorschulkinder und Senioren nehmen täglich ausreichend Obst zu sich.
Ein höherer Obstverzehr wäre allerdings bei Volksschulkindern, Jugendlichen und Erwachsenen wünschenswert. Äpfel, Birnen und Bananen zählen zum Lieblingsobst der Österreicher. Das meiste Kernobst und die meisten Bananen werden von Kindern im Vorschulalter und von Schwangeren konsumiert. Auch Senioren essen gerne Kernobst. Mittelschüler bevorzugen Zitrusfrüchte. Sie decken fast
ihren gesamten Tagesbedarf an Vitamin C aus Obst während bei Schwangeren der größte Teil der
täglichen Vitamin C Zufuhr aus Gemüse stammt.
Der tägliche, durchschnittlich errechnete Gemüseverzehr des gesamten Untersuchungskollektivs
ist, unabhängig von Geschlecht und Lebensalter, unzureichend. Die höchste Gemüseaufnahme verzeichnet die Gruppe der Schwangeren.
Fast bei allen Personengruppen, außer Mittelschüler und Senioren, protokolliert das weibliche Kollektiv einen höheren Obst- und Gemüsekonsum als das männliche.
Eltern als positive Vorbilder beeinflussen das Verhalten von Kindern eher als Verbote oder Einschränkungen.
Allgemeines
Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs zählen zu den häufigsten Todesursachen in Österreich.
Im Jahr 2001 betrug ihr Anteil an allen Sterbefällen mehr als drei Viertel (Männer 73,1%; Frauen
79,8%) (siehe Kap. 5.1).
Zahlreiche Untersuchungen (Neuhouser et al., 2003, Sauvaget et al., 2003, Trichopoulou et al.,
2003) beobachteten, dass eine Ernährung mit reichlich Gemüse und Obst das Risiko von Krebs bzw.
Herz-Kreislauferkrankungen deutlich reduzieren kann. In den Niederlanden konnte bestätigt werden,
dass durch einen hohen Obst- und Gemüsekonsum die Sterblichkeit von Krebs um durchschnittlich
19% (range: 6-28%) und an koronaren Herzerkrankungen um ca. 16% (range: 6-22%) gesenkt werden kann (van't Veer et al., 2000).
Österreich gehört, international betrachtet, zu den Ländern mit "mäßigem Gemüseverbrauch"
(Austria, 2001). "Fünfmal am Tag Gemüse und Obst zu verzehren", ist Teil eines breiten internationalen Netzwerks mit Kampagnen in den USA und vielen europäischen Ländern. Auch in Österreich
sind Organisationen aus den Bereichen Gesundheit, Handel, u.a. für fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag aktiv. Ein EU-weites Programm gegen Krebs unterstützt diese Kampagne. Das gemeinsame Ziel aller Länder ist, durch eine Steigerung des Verzehrs von Obst und Gemüse, die Gesundheit
der Bevölkerung zu verbessern und ernährungsabhängige Erkrankungen vorzubeugen.
Der Stellenwert von Obst und Gemüse in Österreich
Obst und Gemüse sind für den menschlichen Organismus hervorragende Quellen für Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe und sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe. Pro Tag sollten mindestens 400 g Gemüse und Obst verzehrt werden. Eine Portion kann durch ein Glas Frucht- oder Gemüsesaft ausgetauscht
werden. Mehr sollte es davon jedoch nicht sein, denn dem Saft fehlen die wertvollen Ballaststoffe.
Die Österreichische Krebshilfe führte gemeinsam mit dem Institut für Ernährungswissenschaften
der Universität Wien eine Österreichweite Umfrage zu den Verzehrsgewohnheiten von Obst und Gemüse durch. Ziel dieser Kooperation war es, die Einstellung der österreichischen Bevölkerung zu einer "gesunden" Ernährung mit reichlich Obst und Gemüse zu evaluieren (Elmadfa et al., 2001). An
dieser Studie nahmen insgesamt 7360 Österreicher teil. Etwa die Hälfte der befragten Österreicher
kannte die Empfehlung "5x am Tag". Fünfzig Prozent gaben an, täglich Obst zu verzehren. Ein Drittel isst Obst sogar mehrmals täglich. Die meisten Personen konsumieren es als "Jause zwischendurch"
und "weil es schmeckt". Ein Drittel der untersuchten Österreicher essen Obst "weil es gesund ist"
und 9% "weil/wenn es da ist". Als Lieblingsobst gelten Apfel und Banane.
Die Hälfte der Österreicher verzehren Gemüse bzw. Salat täglich bzw. gelegentlich. Achtundfünfzig Prozent essen Gemüse "weil es schmeckt", 32% "weil es gesund ist" und 16% "weil/wenn es
da ist". Laut dieser Umfrage zählen Karotten und Kohlgemüse zum Lieblingsgemüse der befragten
Österreicher. Hülsenfrüchte sind nur bei 10% beliebt. Der tägliche Salatkonsum liegt unter den Zufuhrempfehlungen. 66% des Kollektivs essen Salat "weil er schmeckt", 24% "weil er gesund ist" und
228
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
Kollektiv
Wiegeprotokoll
(n)
24h-Recall (n)
Vorschulkinder (3-6 J.)
151*
151
Volksschulkinder (7-10 J.)
273*
390
Mittelschulkinder (11-14 J.) 174**
Lehrlinge (15-18 J.)
Fragebogen (n)
Tab. 4.6:
Studienkollektiv und Erhebungsmethoden
209
102*
102
Erwachsene (19-60 J.)
676
887
Schwangere
262
260
Senioren (>60 J.)
645
444
* 3-Tage-Wiegeprotokoll; ** 7-Tage-Wiegeprotokoll
15% "weil/wenn er da ist (Bestandteil des Menüs)". Frauen und Männer essen
gleich gerne Obst. Gemüse oder Salat wird von Frauen häufiger aus Gründen "weil
es schmeckt" konsumiert, während Männer öfter Gemüse bzw. Salat verzehren
"weil/wenn es da ist" (Elmadfa et al., 2001).
Verzehr von Obst und Gemüse in Österreich
Studien zur aktuellen Lebensmittelaufnahme bzw. des Ernährungswissens und
-verhaltens werden vom Institut für Ernährungswissenschaften laufend durchgeführt. Aus dem erhobenen Zahlenmaterial kann eine Bewertung der Aufnahme von
Obst und Gemüse für entsprechende Personengruppen in Österreich erfolgen.
Mit Hilfe von Wiegeprotokollen, 24h-Recalls und Fragebögen kann abgeschätzt
werden, wie oft bestimmte Lebensmittel bzw. eine bestimmte Lebensmittelgruppe im Durchschnitt verzehrt werden. Folgende Instrumentarien wurden bei bestimmten Personengruppen angewandt (Tab. 4.6). Der ermittelte, mengenmäßige
Verzehr von Obst und Gemüse, unterteilt nach botanischen Kriterien (Ausnahme:
Banane), wurde als Mittelwert und Standardabweichung für die entsprechende Personengruppe dargestellt.
Schwangere verzehren im Vergleich zu allen anderen untersuchten Personengruppen am meisten Obst und Gemüse. Im Durchschnitt wird von den schwangeren Frauen täglich rund 291 g Obst und 168 g Gemüse konsumiert (Tab. 4.7).
Im Vergleich zu jüngeren Schwangeren essen werdende Mütter über 35 Jahren nicht nur mehr Obst, sondern auch signifikant mehr Gemüse. Schwangere in
allen Altersgruppen bevorzugen Kernobst gefolgt von Beerenfrüchten. Frucht- und
Blattgemüse gelten als beliebteste Gemüsesorten.
Die Auswertung des täglichen Gesamtobstverzehrs der österreichischen Bevölkerung zeigt im Großen und Ganzen ein erfreuliches Bild. Schwangere Frauen
Kollektiv
Obst g/d (MW±SD)
gesamt
Gemüse g/d (MW±SD)
weiblich
männlich
gesamt
weiblich
männlich
3-6 Jahre 177±162
180±159
174±166
48±61
47±62
50±60
7-10 Jahre 156±196
158±197
155±198
73±90
74±98
71±81
11-14 J.
255±295
149±289
264±305
72±100
74±101
71±99
15-18 J.*
145±171
187±192
94±124
78±56
86±59
67±51
19-60 J.
183±227
186±218
179±240
148±134
153±136
140±131
>60 J.**
240±200
241±194
230±224
145±122
142±116
155±141
-
-
168±148
-
-
Schwange- 291±296
re
* Lehrlinge; ** Wiener Senioren
229
Tab. 4.7:
Mittlerer täglicher Obstund Gemüseverzehr der
österreichischen Bevölkerung, getrennt
nach Geschlechts- und
Altersgruppen
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
und Mittelschüler konsumieren mengenmäßig am meisten Obst. Auch Vorschulkinder und Senioren
nehmen täglich ausreichend Obst zu sich. Ein höherer Obstverzehr wäre allerdings bei Volksschulkindern, Jugendlichen und Erwachsenen wünschenswert. Äpfel, Birnen und Bananen zählen zum Lieblingsobst der Österreicher. Das meiste Kernobst und die meisten Bananen werden von Kindern im
Vorschulalter und von Schwangeren konsumiert. Auch Senioren essen gerne Kernobst. Mittelschüler
bevorzugen Zitrusfrüchte. Sie decken fast ihren gesamten Tagesbedarf an Vitamin C aus Obst während bei Schwangeren der größte Teil der täglichen Vitamin C Zufuhr aus Gemüse stammt.
Der tägliche, durchschnittlich errechnete Gemüseverzehr des gesamten Untersuchungskollektivs
ist, unabhängig von Geschlecht und Lebensalter, unzureichend. Die größte Gemüseaufnahme verzeichnet die Gruppe der Schwangeren. Fast in allen Personengruppen, außer Mittelschüler und Senioren, protokolliert das weibliche Kollektiv einen höheren Obst- und Gemüsekonsum als das männliche.
Akzeptanz von Obst und Gemüse in Österreich
Vorschulkinder (3-6 Jahre)
Achtundachtzig Prozent der 3-6-Jährigen essen gerne Obst und Gemüse. Obst wird von den Kindern bevorzugt, was wahrscheinlich auf den süßen Geschmack der Früchte zurückzuführen ist. Die
beliebtesten Obstsorten der Kindergartenkinder sind Äpfel, Birnen, Bananen und Zitrusfrüchte. 72%
der Eltern geben an, dass ihre Kinder mindestens einmal pro Tag eine Portion Obst konsumieren.
Aber nur 27% der Kinder essen, laut Angaben der Eltern, einmal pro Tag oder öfter Gemüse (Elmadfa
und Wasserbacher, 2002). Laut Wiegeprotokoll nehmen Vorschulkinder im Durchschnitt täglich 177
g Obst zu sich. Diese Menge liegt sogar über den Empfehlungen des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund (Alexy und Kersting, 1999) (FKE; 120 g Obst pro Tag) und ist daher sehr
zufriedenstellend. Den größten Anteil am Obstverzehr machen, wie im allgemeinen Fragebogen beschrieben, Kernobst (~90 g/d), Beerenfrüchte (~31 g/d) und Zitrusfrüchte (~19 g/d) aus. Der tägliche Gemüseverzehr der Vorschulkindern ist mit durchschnittlich 48 g äußerst gering und weniger
zufriedenstellend. Hier wird die Empfehlung von 120 g Gemüse, Rohkost und Salat pro Tag nicht einmal zur Hälfte erreicht. Frucht- und Blattgemüse (~15 g/d und ~8 g/d) werden von den Kindern am
meisten konsumiert. Hülsenfrüchte spielen in der Ernährung von Kindergartenkindern eine sehr geringe Rolle.
Eltern als positive Vorbilder beeinflussen das Verhalten von Kindern eher als Verbote oder Einschränkungen. Demzufolge hat eine aktuelle Studie der Universität New York in Buffalo gezeigt, dass
Kinder mehr Obst und Gemüse essen und deutlich weniger anfällig für Übergewicht sind, wenn ihre
Eltern mit gutem Vorbild vorangehen (Epstein et al., 2001).
Volksschulkinder (7-10 Jahre)
7-10-Jährigen ist vor allem der Geschmack ihrer Mahlzeiten wichtig. An zweiter Stelle soll das Essen auch gesund sein. Zu den beliebtesten Gemüsesorten der österreichischen Volksschüler zählen
Karotten und grüner Salat. Hülsenfrüchte werden sehr selten konsumiert. Fünfundsechzig Prozent
der Kinder essen fast täglich einen Apfel. Auch Bananen, Beerenobst (aufgrund der Jahreszeit, in der
die Erhebung statt gefunden hat, waren Erdbeeren sehr beliebt) und Steinobst werden von mehr als
der Hälfte der Kinder fast täglich bzw. regelmäßig verzehrt (Hertner, 2002, Oitzl, 2002). Volksschüler nehmen im Durchschnitt 156 g Obst pro Tag zu sich. Mädchen essen etwas mehr als Burschen.
Die Empfehlungen des Forschungsinstituts für Kinderernährung Dortmund (180 g Obst pro Tag) werden somit nicht ganz erreicht. Auch Kinder dieses Alters essen am liebsten Kernobst (~64 g/d), Beerenfrüchte (~28 g/d) und Zitrusfrüchte (~18 g/d). Der Gesamtgemüseverzehr der Volksschulkinder
beträgt rund 73 g pro Tag. Mengenmäßig konsumieren sie etwas mehr als Vorschulkinder. Der Gemüsekonsum der Volksschüler entspricht jedoch keinesfalls den Empfehlungen des FKE (180 g täglich). Fruchtgemüse (~26 g/d), Blattgemüse (~13 g/d) und Wurzelgemüse (~8 g/d) werden am meisten verzehrt. Mädchen konsumieren geringfügig mehr Gemüse als Knaben.
Mittelschulkinder (11-14 Jahre)
Auch 11-14-Jährigen ist der Geschmack des Essens besonders wichtig. Für ein Drittel muss das
tägliche Essen aber auch gesund sein. Mehr als die Hälfte der befragten Schüler konsumieren mindestens einmal täglich Obst. Etwa je ein Drittel der Hauptschüler (38%) und der Gymnasiasten (35%)
aus Wien essen täglich Obst. Kaum ein Kind verzehrt es nie bzw. selten. Gemüse wird hingegen nur
230
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
von etwa 10-15% der Mittelschüler täglich bzw. mehrmals täglich konsumiert. Ein Drittel der Mittelschüler nimmt Gemüse ein- bis dreimal pro Woche zu sich. Elf Prozent der Hauptschüler und 5% der
Gymnasiasten essen fast nie Gemüse (Hintendorfer, 2002). Pro Tag wird von Österreichs Mittelschülern rund 255 g Obst verzehrt. Damit erreichen sie die Empfehlungen für die tägliche Obstaufnahme.
Neben Kernobst werden von den Mittelschülern gerne Zitrusfrüchte in den Speiseplan eingebaut. Anders sieht es jedoch beim Verzehr von Gemüse aus. Mittelschüler essen täglich rund 72 g Gemüse,
was nur etwa einem Drittel der vom FKE empfohlenen Menge an Gemüse entspricht. Auch sie verzehren am liebsten Frucht- (~21 g/d) und Blattgemüse (~20 g/d).
Lehrlinge (15-18 Jahre)
Rund drei Viertel der befragten österreichischen Lehrlinge bezeichnen ihre Ernährungsform als
gemischte Normalkost. Etwa ein Fünftel der weiblichen Lehrlinge gibt zwar an gemischt zu essen,
aber Lebensmittel bewusst nach Gesundheitsaspekten auszuwählen, und 16% der Mädchen essen
nach eigenen Angaben viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukte. Vor allem männliche Lehrlinge sind
der Ansicht, dass ihr Obst- und Gemüsekonsum zu gering ist (Haas, 2002). Laut 24-h-recall, geführt
über drei bzw. vier Tage, nehmen Lehrlinge im Durchschnitt 145 g Obst täglich zu sich. Im Bezug auf
die Empfehlungen des Forschungsinstitutes für Kinderernährung in Dortmund ist das kein zufriedenstellendes Ergebnis. Auch der Gemüseverzehr (~78 g/d) der Jugendlichen ist nicht zufriedenstellend.
Mädchen im Jugendalter essen vermutlich aufgrund ihres stärkeren Figurbewusstseins signifikant
mehr Obst und Gemüse als Knaben.
Erwachsene (19-60 Jahre)
Das Ernährungsverhalten österreichischer Erwachsener zeigt in den letzten Jahren einen Trend
zu höherem Obst- und Gemüsekonsum. Die Hälfte aller befragten Männer aus verschiedenen Bundesländern Österreichs, aber nur jeder dritte Wiener isst täglich ein Stück Obst. Zwei Drittel der Frauen
essen täglich Obst. Gemüse und Obst werden von den Erwachsenen im Durchschnitt etwa vier- bis
fünfmal pro Woche konsumiert.
Frauen wählen eine gesundheitsbewusstere Ernährungsform als Männer, mit mehr Vollkornprodukten, Obst, Gemüse und weniger Fleisch. In der Regel wird Obst und Gemüse von Frauen einmal
pro Woche häufiger konsumiert als von Männern (Hitthaller, 2000, Pirko, 2000). Mit durchschnittlich
183 g Obst und 148 g Gemüse pro Tag isst der österreichische Erwachsenen im Vergleich zu den
Empfehlungen zu wenig Obst und Gemüse.
Senioren (>60 Jahre)
In der Ernährungsweise der Senioren zeigt sich eine Tendenz des hohen Fleisch- und Wurstkonsums. Ein Drittel der Bewohner von Pensionistenwohnhäusern und fast die Hälfte der Pensionäre,
welche in Privathaushalten leben, verzehren eine Portion Obst pro Tag. Zwei- bis dreimal pro Tag
nehmen 17% der Bewohner der Pensionistenwohnhäuser und mehr als ein Viertel der im Privathaushalt Lebenden Obst zu sich.
Eine Portion Gemüse pro Tag wird von einem Viertel der Teilnehmer im Privathaushalt und von
17% im Pensionistenwohnheim verzehrt. Zwei- bis dreimal pro Woche essen 47% der Pensionisten
im Wohnhaus und 41% der zuhause lebenden Senioren Gemüse. Die empfohlenen drei Portionen
Gemüse pro Tag werden von weniger als 10% der Pensionisten verzehrt. Die Untersuchung zeigt,
dass mit zunehmendem Alter weniger Obst und Gemüse konsumiert wird (Madlmayr, 2002, Woess,
2002). Dies ist vermutlich darin begründet, dass man im Alter schlechter kauen kann und Obst und
Gemüse nicht gut verdaut werden. Hier sollte die Gemeinschaftsverpflegung bzw. die Industrie mit
leicht verträglichen Mahlzeiten bzw. speziellen Produkten für Senioren gesunde Alternativen wie Kompotte oder pürierte Gemüsesuppen schaffen.
231
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
4.3 Milch und Milchprodukte
Zusammenfassung
Von keiner untersuchten Bevölkerungsgruppe wurden die lebensmittelbasierten Empfehlungen
für den Verzehr von Milch und Milchprodukten erreicht. Dennoch stammte der größte Teil des aufgenommenen Calciums (>50%) aus dieser Lebensmittelgruppe.
Das ergaben die im Rahmen der ÖSES (Österreichische Studie zum Ernährungsstatus) vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien durchgeführten Verzehrserhebungen. Die
geringste Vorliebe für Milch zeigte sich bei den 15-18-jährigen Lehrlingen, welche lediglich 39% der
empfohlenen Mengen verzehrten, gefolgt von den 10-14-jährigen Mittelschulkindern, mit 55%. Hingegen erreichte das Kollektiv der Senioren bezüglich des Verzehrs von Milch und Milchprodukten über
80% der Empfehlungen.
Aufgrund der erhobenen Verzehrsdaten konnte auch die tägliche Fettzufuhr aus Milch und Milchprodukten berechnet werden. Diese belief sich auf rund ein Drittel des Richtwerts für die tägliche
Fettzufuhr. Ferner stammten geschätzte 6-7 Energie% der täglichen Aufnahme an gesättigten Fettsäuren aus Milch und Milchprodukten.
Insgesamt ist eine Steigerung des Verzehrs von Milch, Käse, Joghurt, Buttermilch etc. wünschenswert. Um dabei die Zufuhr von Fett und gesättigten Fettsäuren nicht drastisch zu erhöhen,
sollten fettarme Produkte bevorzugt werden. Vor dem Hintergrund der Osteoporoseprophylaxe würde sich dadurch die Calciumversorgung verbessern lassen. Da Calcium in Österreich ohnehin zu den
Risikonährstoffen zu zählen ist, ist der Milch und den daraus hergestellten Produkten eine herausragende Bedeutung für die Ernährung breiter Bevölkerungsgruppen in Österreich beizumessen.
Allgemeines
Milch und Milchprodukte sind hochwertige Lebensmittel und stellen wichtige Quellen für viele lebensnotwendige Nährstoffe dar. Eine herausragende Bedeutung besitzt diese Lebensmittelgruppe für
die Calciumversorgung der Bevölkerung in den westlichen Industrieländern.
Calcium ist einer der wichtigsten knochenbildenden Mineralstoffe und eine ausreichende Zufuhr
ist in jedem Lebensalter essentiell. Zusammen mit Vitamin D ist Calcium ein wichtiger Nahrungsfaktor in der Prävention von Osteoporose (Knochenschwund), vor allem bei älteren Menschen. Neben
einer zu geringen Calcium- und Vitamin D-Zufuhr sind geringe körperliche Aktivität, hoher Alkoholkonsum und Untergewicht weitere entscheidende Risikofaktoren für die Entstehung von Osteoporose und einem damit verbundenem erhöhten Risiko für Knochenbrüche [WHO/FAO, 2003].
Die Nationale Initiative gegen Osteoporose schätzt die Zahl der an Osteoporose Erkrankten in
Österreich auf 700.000 [NIO/Österreich, 2003].
In diesem Zusammenhang soll die Bedeutung von Milch und Milchprodukten für die Ernährung
der österreichischen Bevölkerung dargestellt werden.
Verbrauchstrends
Die aktuellsten Verbrauchszahlen stammen aus den Versorgungsbilanzen der Statistik Austria von
2000.
Der Pro-Kopf-Verbrauch an Trinkmilch (Rohmilch und Konsummilch) lag damals bei 255 g pro Tag
(entspricht einem Verzehr von etwa 216 g/d) und ist im Vergleich zu 1997 wieder gesunken.
Dem steht in Österreich ein höherer Konsum an Milchprodukten gegenüber. Daten für Joghurt,
Sauermilch- und Buttermilchprodukte scheinen in den Bilanzen nicht gesondert auf, der tendenziell
höhere Konsum gilt hier wahrscheinlich ebenso wie für andere Milchprodukte.
Den deutlichsten Verbrauchszuwachs kann man bei Käse beobachten. Verbrauchsstatistiken von
2000 zeigten einen weiteren Anstieg im Käseverbrauch auf 47 g pro Kopf und Tag (entspricht einem
Verzehr von etwa 39 g/d). Leider ist den statistischen Daten nicht zu entnehmen, ob tendenziell fettreichere oder fettärmere Käsesorten bevorzugt werden.
Der Verbrauch an Butter war bis Ende der 70er Jahre ständig gestiegen, seit dieser Zeit jedoch
relativ stabil geblieben bei etwa 13 g pro Kopf und Tag (entspricht einem Verzehr von etwa 8 g/d).
Annähernd linear stieg der Verbrauch an Obers und Rahm bis zum Beginn der 90er Jahre an. In
den letzten Jahren vor dem EU-Beitritt stagnierte er, um nach dem EU-Beitritt deutlich anzusteigen.
Im Jahr 2000 lag der Obers/Rahm-Verbrauch bei 20 g pro Kopf und Tag2 (entspricht einem Verzehr
232
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
Kollektiv
Erhebungsmethode
Teilnehmer (n)
Vorschulkinder (3-6 J.)
3-d-Wiegeprotokoll
151
Volksschulkinder (7-10 J.)
7-d-Wiegeprotokoll
326
Mittelschulkinder (11-14 J.)
7-d-Wiegeprotokoll
209
Lehrlinge (15-18 J.)
3-d-Wiegeprotokoll
102
Erwachsene (19-60 J.)
24-h-Recall
2580
Senioren (>55 J.)
24-h-Recall
645
Schwangere
24-h-Recall
254
Tab. 4.8:
Studienkollektiv und Erhebungsmethoden
von etwa 17 g/d). Trotz der geänderten statistischen Erfassungsmethodik kann
man heute auf eine Verbrauchssteigerung schließen.
Verzehr von Milch und Milchprodukten in Österreich
Mit Verbrauchsdaten lassen sich Trends beschreiben und sie liefern ein erstes
Bild über die Gesamtversorgung einer Bevölkerung auf nationaler Ebene. Diese
Zahlen lassen aber keine geschlechts-, alters- oder zielgruppenspezifischen Auswertungen zu und meist wird der tatsächliche Verzehr auch überschätzt.
Im Rahmen der ÖSES (Österreichische Studie zum Ernährungsstatus) führt das
Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien daher laufend Untersuchungen zum aktuellen Lebensmittelverzehr und zum Ernährungsverhalten durch
(siehe Kapitel 2). Anhand der erhobenen Daten konnte eine Bewertung der Aufnahme von Milch und Milchprodukten für ausgewählte österreichische Personengruppen erfolgen. Tab. 4.8 zeigt die entsprechenden Erhebungsmethoden sowie
die Stichprobengröße. Der berechnete durchschnittliche Verzehr (Mittelwerte) ist
in Tab. 4.9 dargestellt.
Dabei zeigt sich, dass die von Fachgesellschaften formulierten Empfehlungen
für den Verzehr von Milch und Milchprodukten im Mittel von keinem Kollektiv erreicht wurden. Vor allem bei den Lehrlingen scheint Milch nicht sehr beliebt zu sein.
Der Verzehr lag im Mittel lediglich bei 39% der lebensmittelbasierten Empfehlung.
In der Folge ist es daher nicht überraschend, dass auch die durchschnittliche Calciumzufuhr dieser Bevölkerungsgruppe weit unter den entsprechenden Empfehlungen lag (vgl. Kapitel 2).
Hingegen zeigte sich bei den Senioren eine relativ hohe Akzeptanz von Milch
und Milchprodukten. Das untersuchte Wiener Kollektiv erreichte durchschnittlich
81% der für diese Altersgruppe empfohlenen Zufuhrmenge.
Milch und Milchprodukte als Calciumquelle
Die Bedeutung von Milch und Milchprodukten in der Ernährung der österreichischen Bevölkerung wird durch Tab. 4.10 verdeutlicht.
Kollektiv
Empfehlung (g/d)
Verzehrte Menge
(g/d)
Verzehr in % der
Empfehlung
3-6 Jahre
350
281
80
7-10 Jahre
400
283
71
11-14 Jahre
420
213
51
15-18 Jahre*
500
193
39
19-60 Jahre
340
213
63
>55 Jahre**
340
275
81
Schwangere
300-400
260
74
* Lehrlinge; ** Wiener Senioren
233
Tab. 4.9:
Mittlerer täglicher Verzehr
von Milch und
Milchprodukten
der österreichischen Bevölkerung, getrennt
nach Altersgruppen
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
Tab. 4.10:
Calciumzufuhr
(Mittelwerte)
aus Milch und
Milchprodukten
(mg/d) und
der relative
Anteil (%) an
der Gesamtcalciumaufnahme
Kollektiv
Ca aus allen
Ca aus Milch1
Lebensmitteln,
Gesamtaufnahme
Ca aus Käse
Ca aus Milch +
Käse in % der
Gesamtaufnahme
3-6 Jahre
655
244
208
69
7-10 Jahre
639
246
210
71
11-14 Jahre
629
185
158
55
15-18 Jahre2
697
168
143
45
19-60 Jahre
938
185
171
38
>55 Jahre3
758
239
204
58
Schwangere
893
226
193
47
Durchschnitt
744
213
184
53
1 inklusive aus Joghurt, Topfen, Rahm etc. 2 Lehrlinge; 3 Wiener Kollektiv, Ca...Calcium
Im Bevölkerungsschnitt stammen über 50% der Calciumaufnahme aus Milch,
Joghurt, Käse etc. Kaum eine andere Lebensmittelgruppe hat ein solches "Monopol" hinsichtlich der Versorgung mit einem essentiellen Nährstoff. D.h. eine Dekkung des Calciumbedarfs wäre bei den Ernährungsgewohnheiten in Österreich
unter Verzicht oder Einschränkung der Zufuhr von Milch und Milchprodukten kaum
möglich.
Manche Personen können keine Milch trinken. Entweder, weil eine Verwertungsstörung des Milchzuckers vorliegt (Lactose-Intoleranz) oder aufgrund einer
Milcheiweißallergie. In Mitteleuropa zeigt sich bei etwa 10-20% der Erwachsenen eine Lactosemalabsorption bzw. Lactose-Intoleranz, eine Milcheiweißallergie
ist hingegen selten [DGE, 1998]. In diesen Fällen ist eine sorgfältige Auswahl und
Zusammenstellung der Lebensmittel erforderlich.
Wie im Kapitel 2 ausführlich dargestellt, ist Calcium in Österreich zu den Risikonährstoffen zu zählen. Die durchschnittliche tägliche Calciumaufnahme liegt
bei einigen Bevölkerungsgruppen weit unter den entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen. Durch eine Steigerung des Verzehrs an fettarmen Milch und Milchprodukten könnte diese Situation entscheidend verbessert werden.
Das gilt besonders für Risikogruppen in der Bevölkerung, wie Klein- und Schulkinder sowie für ältere Menschen. Bei diesen Personengruppen ist der Nährstoffbedarf bezogen auf das Körpergewicht höher und meist ist die Ernährung
weniger abwechslungsreich.
Kinder benötigen Calcium um eine möglichst hohe Knochendichte aufzubauen und bei Älteren gibt es Hinweise, wonach der altersbedingte Knochenverlust
durch entsprechend hohe Calciumaufnahmen (über 1000 mg/d) verringert werden kann [IOM, 1997].
Milch und Milchprodukte, nicht nur Calciumquelle
Von Bedeutung sind Milch und die daraus hergestellten Produkte auch für die
Versorgung mit Vitamin B2, Vitamin A, Zink und Vitamin B12 (insbesondere für
Lacto-Vegetarier).
Außerdem ist diese Lebensmittelgruppe ein hervorragender Eiweißlieferant
bzw. Lieferant von essentiellen Aminosäuren. Allein über Milch kann ein Großteil
der benötigten essentiellen Aminosäuren aufgenommen werden, mit Ausnahme
der schwefelhaltigen Aminosäuren Methionin und Cystein. Die biologische Wertigkeit des Milchproteins wird demnach durch den Gehalt an den genannten Aminosäuren begrenzt, dies sind die sogenannten limitierenden Aminosäuren des
Milchproteins. Die "Biologische Wertigkeit" (BW) besagt definitionsgemäß, wie
viel Gramm Körpereiweiß aus 100 g des untersuchten Nahrungsproteins aufgebaut werden kann. Für Milch liegt diese bei 90, wobei reines Molkeprotein sogar
noch eine höhere BW aufweist. Milcheiweiß "ergänzt" sich ideal mit pflanzlichem
234
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
Proteinmischung
BiologiEiweiß, welches meist reich an schwesche Werfelhaltigen Aminosäuren ist. Dies führt,
tigkeit
wie Tab. 4.11 zeigt, zu einer Erhöhung
Bohnen/Mais (52:48)
99
des Wertes für die Proteinqualität der
Nahrung.
Vollei/Mais (88:12)
114
Das wichtigste Kohlenhydrat der
Milch/Kartoffel
(51:49)
114
Milch ist die Lactose. Absolut gesehen
finden sich in der Kuhmilch ca. 4,8%
Vollei/Milch (76:24)
119
Kohlenhydrate, aus ernährungsphysioMilch/Weizenmehl (75:25) 125
logischer Sicht spielen diese jedoch unVollei/Kartoffel (36:64)
136
ter anderem als Energielieferant nur eine untergeordnete Rolle. Von Bedeutung ist Milchzucker hingegen aus technologischer Sicht. Bei der Herstellung von Käse, Sauermilch, Joghurt und Topfen
dient er als Nährsubstrat der verschiedenen Milchsäurebakterien. In der Folge enthalten diese Produkte nur mehr Spuren von Milchzucker und werden somit oft auch
von lactose-intoleranten Personen vertragen.
Tab. 4.11:
Biologische
Wertigkeit einiger ausgewählter Proteinmischungen
Milchfett
Kuhmilch enthält je nach Rasse im Durchschnitt zwischen 3,6 und 6,1% Fett.
Das Milchfett ist ein Gemisch aus heterogenen gesättigten und ungesättigten Triglyceriden. Charakteristisch sind zum einen der große Anteil unterschiedlicher Fettsäuren (ca. 200) und zum anderen der hohe Anteil an kurzkettigen Fettsäuren.
Insgesamt überwiegen gesättigte Fettsäuren (GFS). Der Anteil an essentiellen, ungesättigten Fettsäuren (= Polyenfettsäuren, PFS) ist gering. Beachtlich ist aber der
Gehalt an Ölsäure (= Monoenfettsäure, MFS), der im Mittel 26% beträgt.
Unter anderem beeinflussen die Fütterungsbedingungen den Fettgehalt und
die Fettzusammensetzung der Milch. So führt z.B. eine vorwiegende Stallfütterung
zu einer Milch mit einem höheren Anteil an kurzkettigen, gesättigten Fettsäuren,
während es durch Weidefütterung zu einer Zunahme des Anteils an langkettigen,
ungesättigten Fettsäuren kommt.
Einer der positiven Aspekte des Milchfetts ist seine schnelle und vollständige
Absorption bei der Verdauung. Dadurch kommt es gleichzeitig zu einer ebenfalls
guten Aufnahme anderer fettlöslicher Substanzen wie z.B. fettlöslicher Vitamine.
Ein hoher Verzehr von Milchfett führt jedoch auch zu einer höheren Zufuhr an
gesättigten Fettsäuren. Eine hohe Aufnahme an gesättigten Fettsäuren wirkt sich
negativ auf den Blutlipidspiegel aus, was wiederum die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigt.
Die Gesamtaufnahme an gesättigten Fettsäuren soll daher 10% der Energiezufuhr nicht übersteigen [DACH, 2000].
Tab. 4.12 zeigt die mittleren täglichen Verzehrsmengen an Milch und Milchprodukten sowie die damit verbundene Fettzufuhr der österreichischen Bevölkerung. Die Aufnahme von etwa 80 g Fett pro Tag gelten bei einem normalen Körpergewicht (BMI im Normbereich) sowie einem PAL (= Physical Activity Level) von
1,4 als Richtwert für Erwachsene.
Verzehr (g/d)
Fettzufuhr (g/d)
% des Richtwerts*
Milch
216
7,6
9,5
Käse/Topfen
39
9,0
11,3
Obers/Rahm
17
4,5
5,6
Butter
8
6,6
8,2
27,7
34,6
Summe
*…Ø 80 g Fett/d bei BMI im Normbereich sowie einem PAL von 1,4
235
Tab. 4.12:
Mittlere tägliche Fettaufnahme über
Milch und
Milchprodukte
sowie der relative Anteil am
Richtwert für
die Fettzufuhr
einer Durchschnittsperson
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
Es zeigt sich, dass rund ein Drittel des Richtwerts für die tägliche Fettzufuhr aus dem Verzehr
von Milch und den daraus hergestellten Produkten stammt. Geht man davon aus, dass rund zwei Drittel des Milchfetts aus gesättigten Fettsäuren bestehen, ergibt sich daraus eine tägliche Aufnahme an
GFS von ca. 6-7% der täglichen Energiezufuhr.
Konsequenterweise sollte somit die restliche Fettzufuhr durch hochwertige pflanzliche Öle, die einen geringen Anteil an GFS und einen hohen Anteil an PFS sowie MFS aufweisen, erfolgen.
Von Vorteil wäre auch die Bevorzugung von fettärmeren Milchprodukten sowie den Verzehr von
Fleisch und Fleischprodukten, die neben Milchfett, die Hauptquellen von GFS darstellen, auf maximal
zwei bis drei Portionen pro Woche zu beschränken. Damit wird auch die Wichtigkeit einer insgesamt
ausgewogenen Ernährungsweise unterstrichen.
Schlussfolgerung
Die von Fachgesellschaften empfohlenen Verzehrsmengen für Milch und Milchprodukte wurde in
Österreich von keiner der untersuchten Bevölkerungsgruppen erreicht. Die geringste Akzeptanz zeigte sich bei den 15-18-jährigen Lehrlingen sowie bei den 10-14-jährigen Mittelschulkindern.
Dennoch decken Milch und Milchprodukte über 50% des Calciumbedarfs der österreichischen Bevölkerung. Ohne diese Lebensmittelgruppe wäre es demnach schwierig, sich ausreichend mit Calcium zu versorgen.
Da Calcium zu den Risikonährstoffen in Österreich zu zählen ist, wäre eine Steigerung des Milchkonsums wünschenswert. Nicht zuletzt ist eine ausreichende Calciumzufuhr in Hinblick auf die ansteigende Prävalenz von Osteoporose bedeutsam.
Milch und Milchprodukte tragen aber auch zu rund einem Drittel zur Gesamtfettzufuhr bei und
enthalten großteils gesättigte Fettsäuren. Deshalb sind fettarme Produkte zu bevorzugen, insbesondere bei geringer körperlicher Aktivität und einem damit einhergehenden geringen Energieverbrauch.
Abgesehen von der Calciumversorgung liefert diese Lebensmittelgruppe hochwertiges Protein und
trägt wesentlich zur Bedarfsdeckung an Vitamin B2, Vitamin A, Zink und Vitamin B12 (bei Lacto-Vegetariern) bei.
236
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
4.4 Fleisch und Fleischprodukte
Zusammenfassung
Pro Tag werden in Österreich je nach Altersgruppe durchschnittlich zwischen 50 und 150 g Fleisch
und Fleischprodukte verzehrt, die ca. 40 g Eiweiß und 40 g Fett liefern. Diese Lebensmittelgruppe
enthält viele B-Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Damit ist Fleisch mit einem mittleren
Energiegehalt von ca. 180 kcal (750 kJ) pro 100 g ein Lebensmittel mit hoher Nährstoffdichte (Fettgehalt <15%) und hat seinen Platz in einer ausgewogenen Ernährungsweise. Bei einem gänzlichen
Verzicht auf Fleisch ist eine ausreichende Eisenversorgung bei bestimmten Bevölkerungsgruppen, z.B.
bei jungen Frauen, fraglich. Fleisch trägt auch wesentlich zur Gesamtversorgung an Zink, Vitamin
B12, Vitamin B6 und Schweinefleisch an Vitamin B1 bei.
Diese Fakten unterstützen die Empfehlung, gelegentlich Fleisch und Fleischprodukte (2-3 Portionen pro Woche zu 200 g) zu verzehren. In Österreich liegt der tatsächliche Verzehr je nach Personengruppe jedoch zwischen 200-300% über dieser lebensmittelbasierten Empfehlung.
Lediglich bei Schwangeren und 3-6-jährigen Vorschulkindern ergaben die vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien durchgeführten Verzehrserhebungen Aufnahmemengen, die den wünschenswerten Vorgaben entsprachen.
Mit dem überhöhten Verzehr von Fleisch und Fleischprodukten steht die zu hohe Aufnahme an
Fett, gesättigten Fettsäuren, Cholesterin, Kochsalz und nicht zuletzt auch an Nahrungsenergie in Verbindung. Demnach wäre es wünschenswert, den durchschnittlichen Verzehr von Fleisch und Fleischprodukten in Österreich zu reduzieren.
Sowohl für den Konsumenten als auch für die Produktion sollte der Grundsatz "Qualität vor Quantität" gelten. Die Qualität dieser Lebensmittelgruppe ließe sich zusätzlich steigern, wenn für die Herstellung (z.B. von Wurst) vermehrt jodiertes Speisesalz zum Einsatz käme.
Allgemeines
Fleisch zählt zu den ältesten und seit jeher auch zu den beliebtesten Lebensmitteln des Menschen. Jedoch waren Fleisch und Fleischprodukte in den westlichen Industrieländern noch nie in der
Menge und Vielfalt verfügbar wie heute.
Der Fleischverbrauch war bis zum Beginn der heutigen Wohlstandsgesellschaft um 1960 ein hervorragendes Indiz für den Lebensstandard [Teuteberg, 1994]. Je höher das Einkommen desto höher
war auch der Fleischkonsum. Deshalb ist der Fleischverbrauch seit einem historisch belegten Tiefststand zu Beginn des 19. Jahrhunderts bis heute kontinuierlich angestiegen. In armen Ländern ist
Fleisch auch heute noch eine Nahrung, die man sich nur in bescheidenem Ausmaß leisten kann. Hoher Fleischkonsum ist daher ein Kennzeichen der Wohlstandsgesellschaft.
Die Beliebtheit von Fleisch ist unter anderem auf die geschmacklichen Faktoren, die durch vielfältige Zubereitungsarten möglich sind, aber auch auf seinen Sättigungswert zurückzuführen. Beim
Garen entstehen sekretionsfördernde Geschmacks- und Röststoffe, die zur Appetitanregung beitragen [Safer, 1999].
Fleisch und Fleischprodukte als Nährstoffquellen
Aus ernährungsphysiologischer Sicht sind Fleisch und Fleischprodukte grundsätzlich als Lebensmittel von hoher Qualität anzusehen. Es sind sehr gute Proteinlieferanten und enthalten viele Mikronährstoffe in bedeutenden Konzentrationen. Mageres Fleisch enthält in Relation zum Energiegehalt
besonders hohe Mengen an Eisen, Zink und den Vitaminen B1, B6 und B12. Allerdings nimmt die Nährstoffdichte mit zunehmendem Fettgehalt drastisch ab.
Die akzeptable Höhe des Fettgehalts von Fleisch und den daraus hergestellten Produkten bezüglich der noch günstigen Dichte z.B. für Eisen dürfte bei ca. 15% liegen. Hervorzuheben ist auch
die sehr gute Bioverfügbarkeit der Nährstoffe, wie z.B. bei Eisen [Erbersdobler, 2002]. Fleisch verbessert darüber hinaus auch die Verfügbarkeit der Spurenelemente aus den übrigen Lebensmitteln
einer Mahlzeit. Fleisch und insbesondere Wurst tragen jedoch auch entscheidend zur überhöhten Zufuhr an Fett, gesättigten Fettsäuren, Cholesterin und Kochsalz bei; und nicht zuletzt auch an Nahrungsenergie. Zwar ist der Fettgehalt von Fleisch und Fleischprodukten seit Jahren rückläufig, allerdings liegt der Fettgehalt der meisten Fleischerzeugnisse z.T. deutlich über 15%. Ein hoher Konsum
an Fleisch und Wurst verdrängt in der Regel pflanzliche Lebensmittel aus dem Speiseplan und damit
auch viele präventiv wirksame Nahrungsfaktoren wie beispielsweise Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe.
237
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
Tab. 4.13:
Mittlerer täglicher ProKopf-Verbrauch sowie
der daraus geschätzte ProKopf-Verzehr
von Fleisch in
Österreich
Fleischsorten
Verbrauch (g/d)
Verzehr* (g/d)
Schweinefleisch
166
117
Rind-/Kalbfleisch
54
36
Geflügel
47
28
Innereien
8
2
andere Fleischsorten
6
4
gesamt
281
187
* geschätzter Verzehr aus Ernährungsbilanzen (60-70% des Verbrauchs)
Wie viel Fleisch soll nun gegessen werden?
Um die als negativ zu beurteilende hohe Zufuhr an gesättigten Fettsäuren um
fast die Hälfte zu senken, sollte die Fettaufnahme in allen Lebensmittelgruppen
(Fleisch, fettreiche Milchprodukte, sonstige Lebensmittel) reduziert werden. Eine
ausgewogene Ernährung enthält pro Woche 2-3 Portionen Fleisch zu je 150 g (10%
Fettgehalt) sowie 2-3 Portionen Wurst zu je 50g (20-30% Fettgehalt).
Verbrauchstrends
Österreich ist ein Land, in dem global betrachtet überdurchschnittlich viel Fleisch
verzehrt wird. Die neuesten Verbrauchsdaten aus dem Jahr 2000 zeigten weiterhin einen steigenden Fleischverbrauch (Tab. 4.13) [Statistik Austria, 2000].
Mit Verbrauchsdaten lassen sich Trends beschreiben und sie liefern ein erstes
Bild über die Gesamtversorgung einer Bevölkerung auf nationaler Ebene. Diese
Zahlen lassen aber keine geschlechts-, alters- oder zielgruppenspezifischen Auswertungen zu und meist wird der tatsächliche Verzehr auch überschätzt.
Verzehr von Fleisch und Fleischprodukten in Österreich
Die vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien im Rahmen der ÖSES (Österreichische Studie zum Ernährungsstatus) durchgeführten Verzehrserhebungen (Tab. 4.14) ergaben für ausgewählte Personengruppen in Österreich den in Tab. 4.15 dargestellten Verzehr von Fleisch und Fleischprodukten.
Lediglich bei Schwangeren und 3-6-jährigen Vorschulkindern entsprach der
Verzehr von Fleisch und Fleischprodukten den wünschenswerten Mengen. Bei allen anderen Bevölkerungsgruppen wurden die lebensmittelbasierten Empfehlungen um das zwei bis dreifache überschritten. Dieser hohe Verzehr muss als nachteilig bewertet werden, da mit dieser Lebensmittelgruppe gleichzeitig auch Fett
bzw. gesättigte Fettsäuren, Cholesterin und Purine aufgenommen werden. Außerdem enthält vor allem Wurst 1,5-3 g Kochsalz pro 100 g und trägt dadurch maßgeblich zum überhöhten Kochsalzkonsum in Österreich bei.
Fleisch als Energie- und Nährstofflieferant
Nach einer groben Schätzung stammen in Österreich zwischen 10-20% der zugeführten Nahrungsenergie aus Fleisch und Fleischprodukten. Damit ist diese Le-
Tab. 4.14
Studienkollektiv und Erhebungsmethoden
Kollektiv
Erhebungsmethode
Teilnehmer (n)
Vorschulkinder (3-6 J.)
3-d-Wiegeprotokoll
151
Volksschulkinder (7-10 J.)
7-d-Wiegeprotokoll
326
Mittelschulkinder (11-14 J.)
7-d-Wiegeprotokoll
209
Lehrlinge (15-18 J.)
3-d-Wiegeprotokoll
102
Erwachsene (19-60 J.)
24-h-Recall
2580
Senioren (>55 J.)
24-h-Recall
645
Schwangere
24-h-Recall
254
238
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
Kollektiv
Empfehlung
(g/d)
Verzehrte Menge
(g/d)
Verzehr in % der
Empfehlung
3-6 Jahre
45
50
111
7-9 Jahre
50
130
260
10-14 Jahre
60
122
203
15-18 Jahre*
90
151
168
19-60 Jahre
43-86
130
300
>55 Jahre**
43-86
93
216
Schwangere
105
104
99
Tab. 4.15
Mittlerer täglicher Verzehr
von Fleisch
und Fleischprodukten der
österreichischen Bevölkerung, getrennt
nach Altersgruppen
* Lehrlinge; ** Wiener Senioren
% der Gesamtversorgung
bensmittelgruppe in Österreich, wie auch in anderen westlichen Industrieländern,
eindeutig zu den so genannten Grundnahrungsmitteln zu zählen.
Die Gefahr einer Mangelversorgung mit einem essentiellen Mikronährstoff ist
vor allem auch dann gegeben, wenn ein Mikronährstoff nicht oder in nicht genügender Menge in einem der Grundnahrungsmittel vorhanden ist. Deshalb soll im
Folgenden kurz der Beitrag von Fleisch zur Mikronährstoffversorgung in Österreich
dargestellt werden. Dazu wurde die mittlere tägliche Gesamtzufuhr an Vitamin B12,
Vitamin B1, Eisen, Zink und Jod mit der durchschnittlichen Zufuhr dieser Mikronährstoffe aus Fleisch und Fleischerzeugnissen verglichen.
Wie aus Abb. 4.3 hervorgeht, leistet diese Lebensmittelgruppe vor allem bei
Vitamin B12, Vitamin B1, Zink und Eisen einen bedeutenden Beitrag zur Gesamtversorgung. Zwar sind Vitamin B12 und großteils auch Vitamin B1 und Zink in Österreich nicht zu den Risikonährstoffen zu zählen, ein gänzlicher Verzicht auf diese
Lebensmittelgruppe würde aber vor allem die Eisenversorgung weiter verschlechtern.
Der Anteil von Fleisch und Fleischprodukten an der Jodversorgung könnte entscheidend gesteigert werden, wenn sich die Verwendung von Jodsalz in der gewerblichen Erzeugung von Fleischprodukten durchsetzen würde. Aufgrund der Verzehrsfrequenz und des hohen Kochsalzgehalts würde sich vor allem Wurst gut dafür eignen.
Unbestritten ist die Wichtigkeit von Fleisch zur Eisenversorgung des Menschen.
Diese wird noch deutlicher wenn man die Eisenresorption im Darm berücksichtigt.
Eisen kommt in der Nahrung in zwei verschiedenen Formen vor. Als anorganisches
Eisen (Nicht-Hämeisen) und als Hämeisen. Während anorganisches Eisen in vielen Lebensmitteln in unterschiedlichen Konzentrationen vorkommt, kommt Hämeisen ausschließlich in Fleisch und Fisch vor. Die Resorption (Bioverfügbarkeit) von
Hämeisen liegt in Abhängigkeit von den Eisenspeichern des Individuums bei ca.
20-35%. Hingegen wird die Bioverfügbarkeit von anorganischem Eisen lediglich
mit rd. 5% angegeben [Elmadfa und Leitzmann, 1998].
Die durchschnittliche Eisenzufuhr liegt für Frauen im gebärfähigen Alter unter
den Empfehlungen, wobei die Diskrepanz während der Schwangerschaft und Still60
50
3-6 J.
40
7-10 J.
30
11-14 J.
20
Erwachsene
10
Schwangere
0
Vit. B12
Zink
Vit. B1
Eisen
239
Jod
Abb. 4.3:
Beitrag von
Fleisch u.
Fleischprodukten zur Versorgung an ausgewählten
Mikronährstoffen in Österreich
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
Abb. 4.4:
Verbraucherbefragung zur
Fleischqualität
in Österreich,
modifiziert
nach [BMLF,
1997]
Biol. Landbau
Geschmack
Naturnahe Produktion
Herkunft
Frische
0
20
40
60
80
% der Österreicher
zeit besonders deutlich ist. Daraus ist zu schließen, dass Fleisch ein wichtiger Bestandteil einer gemischten Kost ist und es bei einem völligen Verzicht von Fleisch
und Wurst - aus welchen Gründen auch immer - bei bestimmten Bevölkerungsgruppen zu einem Mangel an essentiellen Mikronährstoffen kommen kann.
Fleischqualität
Abb. 4.4 zeigt allgemeine Qualitätskriterien aus der Sicht des Verbrauchers.
Neben der Frische und Herkunft, ist auch eine naturnahe Produktion ein wichtiges
Qualitätsmerkmal für den Konsumenten.
Die Anforderungen an die Fleischqualität sind heute andere als noch vor 50
Jahren. In früheren Zeiten hielten sich Fett- und Fleischanteil im Schlachttierkörper die Waage. In den vergangenen Jahrzehnten wurde Fleisch ohne viel Fett aus
den verschiedensten Gründen immer beliebter. 1 kg Muskelfleisch kann preiswerter bzw. mit weniger Futter erzeugt werden als 1 kg Fettgewebe. Auch Verbraucher und Ernährungsfachleute forderten mehr mageres Fleisch und weniger Fett.
Daher wurden in den letzten Dekaden des vergangenen Jahrhunderts zunehmend
neue Fleischrassen eingekreuzt. Heutige Hochleistungsschweine haben 2 Rippenpaare mehr als alte Landrassen und um 70% mehr magere Muskelmasse. Das
intramuskuläre Fett ist von 5 auf 2% gesunken. Die Schlachtung erfolgt nach 6
Monaten mit 100 kg und früher erst nach 1 Jahr mit 130-150 kg. Allerdings wurde zum Teil über das Ziel hinausgeschossen. Marmoriertes Fleisch, mit einem intramuskulären Fettanteil >2% ist schmackhafter, saftiger und zarter.
Eine vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien durchgeführte Studie ging der Frage nach, ob es zwischen konventionell und biologisch
erzeugtem Fleisch Unterschiede hinsichtlich der Fleischqualität gibt. Unter anderem wurde mit 10 geschulten Probanden eine sensorische Prüfung durchgeführt.
2,5
2
1,5
1
Abb. 4.5:
Gesamtbeurteilung nach dem
Schulnotensystem: Sensorikprüfung biologisch vs.
konventionell
0,5
0
Kalb
Schw ein
Biologisch
240
Rind
Konventionell
Huhn
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
Dabei wurden 5 verschiedene Fleischarten (Rind, Jungrind, Kalb, Schwein, Huhn) sowie 3 verschiedene Zubereitungsarten (Braten, Ragout, Schnitzel) getestet. Beurteilt wurde Geruch/Geschmack,
Konsistenz/Struktur, Genusswert sowie der Gesamteindruck (Aussehen, Geruch, Konsistenz und Geschmack). Abb. 4.5 zeigt das Ergebnis zur Gesamtbeurteilung. Obwohl die Unterschiede in der Bewertung nicht sehr groß waren, schnitt das Fleisch aus biologischer Produktion, außer beim Huhn,
besser ab.
241
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
4.5 Zucker
Zusammenfassung
Der Zuckerverzehr in Österreich stagniert seit einigen Jahren auf einem relativ hohen Niveau. Je
nach Geschlechts- und Altersgruppe liegt dieser zwischen 6 und 19% der Gesamtenergiezufuhr.
Die vom Institute of Medicine (USA) vorgeschlagene 25%-Grenze für zugesetzten Zucker wird
somit von keiner Personengruppe überschritten. Die wesentlich strengere 10%-Grenze, wie sie erst
kürzlich in einem aktuellen WHO-Report erneut gefordert wird, ist nicht bei allen Altergruppen realisiert. Während fast alle Erwachsenen im Bereich dieses angenommenen Limits oder darunter liegen,
wird diese 10%-Grenze von Kindern und Jugendlichen im Mittel überschritten. Am höchsten ist die
Saccharoseaufnahme bei den Vorschulkindern (3-6 J.) und Lehrlingen (15-18 J.). Kinder und Jugendliche nehmen also deutlich höhere Saccharosemengen auf als Erwachsene und ältere Menschen.
Grundsätzlich lassen sich keine ausgeprägten Geschlechtsunterschiede feststellen. Tendenziell ist der
Zuckerkonsum bei Mädchen und Frauen aber etwas höher. Erwachsene konsumieren mit zunehmendem Alter kontinuierlich weniger Zucker. Bei den über 75-Jährigen ist wieder ein leichter Anstieg
festzustellen, der sich bei den hochbetagten Männern auch in einer besonders großen Streubreite
manifestiert.
Allgemeines
Die Geschmacksnote süß hat einen besonderen, attraktiven Stellenwert für die Geschmackspräferenz - übrigens auch bei vielen Tierarten. Beim Menschen wird dieser besondere Stellenwert durch
eine kognitive Ambivalenz ergänzt, die süße Speisen zu den konfliktreichsten Lebensmitteln des täglichen Lebens stilisiert. Der Umgang mit Süßigkeiten ist durch rigide Vorsätze und schlechtes Gewissen geprägt. Das ambivalente Verhältnis zu süßen Speisen und Getränken ist jedoch ohne Konsequenzen auf den Zuckerkonsum geblieben.
In welchem Ausmaß die Höhe der Zuckerzufuhr ernährungsabhängige Erkrankungen beeinflusst,
ist Gegenstand intensiver Diskussionen. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage, inwieweit
die Zuckeraufnahme durch Empfehlungen oder Grenzwerte limitiert werden soll, immer wieder neu
gestellt. Zweifellos ist das veränderte Konsumverhalten der jüngeren Zeit, das sich in einer Abnahme der stärkehaltigen Lebensmittel (Brot, Getreide, Kartoffeln) bei gleichzeitiger Zunahme an niedermolekularem Zucker manifestiert, ernährungsphysiologisch negativ zu beurteilen. Lebensmittelbasierte Empfehlungen versuchen daher, realistische Vorgaben für eine ausgewogene Lebensmittelauswahl zu erstellen, die den Genussfaktor ausreichend berücksichtigt und dennoch eine gesundheitsförderliche Ernährungsweise ermöglicht.
Zucker und Nährstoffversorgung
Zucker wird oft als Lieferant "leerer Kalorien" bezeichnet, da man durch den Verzehr von Zucker
dem Körper nur Kalorien und keine essentiellen Nährstoffe zuführt. Außerdem benötigt der Stoffwechsel von Kohlenhydraten im Körper (und damit auch die Metabolisierung von Zucker) die Mithilfe von Vitamin B1. Eine Untersuchung des Instituts für Ernährungswissenschaften der Universität
Wien hat sich mit dieser Frage beschäftigt und bestätigt, dass der Vitamin B1-Bedarf von der Kohlenhydratzufuhr abhängt. Diese Tatsache ist für bestimmte Personengruppen, wie z.B. Spitzensportler, besonders relevant, da der Konsum großer Mengen an Kohlenhydraten von einer ausreichenden
Vitamin B1-Zufuhr begleitet werden muss. Für die breite Bevölkerung ist bei einer ausgewogenen,
vielfältigen Ernährungsweise jedoch keine Unterversorgung zu befürchten [Elmadfa et al., 2001].
Aufgrund der Datenlage muss beim gegenwärtigen Lebensmittelverzehr nicht mit Lücken in der
Bedarfsdeckung bzw. bei der wünschenswerten Zufuhr einzelner Nährstoffe gerechnet werden, wenn
eine Gesamtenergiezufuhr von über 2400 Kilokalorien (= 10 MJ) auf Basis einer Mischkost gegeben
ist. Mehrere Studien zeigen, dass Süßigkeiten und mit Haushaltszucker hergestellte Speisen andere
nährstoffreiche Lebensmittel nicht nennenswert verdrängen, wenn die Menge des zugesetzten Zukkers die Obergrenze von 25 Energie% nicht überschreitet [IOM, 2002, Kluthe und Kasper, 1996]. Bei
energiereduzierten Kostformen ist eine ausreichende Nährstoffzufuhr aber nur schwer zu erreichen.
Menschen, die weniger als 1200 kcal pro Tag aufnehmen, müssen daher besonders auf eine hohe
Nährstoffdichte achten. Konkret sollten diese Personen daher viel Obst, Gemüse und Getreidevollkornprodukte in den Speiseplan integrieren, um eine ausreichende Versorgung mit allen Nährstoffen
sicherzustellen [Elmadfa und Leitzmann, 1998]. Ruxton et al. kommen in einer kontrollierten Studie
242
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
Gremium/Organisation
Empfehlung
1990
WHO Study Group
0-10% der Energiezufuhr
1991
1995
Vereinigtes Königreich
Deutschland
60 g/Tag oder 10% der Energiezufuhr
<10% der Energiezufuhr
1996
Skandinavien (Nordic Nutri- <10% der Energiezufuhr für Erwachsene
tion Recommendation)
mit niedriger Energiezufuhr (<8 MJ/Tag)
und Kinder
FAO/WHO Consultation, Zy- kein Grenzwert vorgeschlagen
pern
FAO/WHO Consultation on Exzessive Aufnahmen meiden, aber kein
Carbohydrate in Human Nu- Grenzwert Diabetiker: <10% der Energiezutrition
fuhr ist unter gewissen Bedingungen akzeptabel
1995
1997
2000
D-A-CH-Referenzwerte
Moderate Zufuhr
2002
Food and Nutrition Board
25%-Grenze, Limitierung unter den üblichen
Verzehrsgewohnheiten faktisch aufgehoben
2003
WHO-Report
Wiederaufnahme der 10%-Grenze
ebenfalls zu dem Ergebnis, dass ein durchschnittlich hoher Zuckerkonsum den
Nährstoffstatus der Versuchspersonen nicht beeinträchtigt [Ruxton et al., 1999].
Man sollte außerdem berücksichtigen, dass Zucker nur selten isoliert sondern
meist als süßende Zutat mit verschiedenen Lebensmitteln konsumiert wird. Außer
Zucker werden also auch Komponenten zugeführt, die neben Energie auch Vitamine und Mineralstoffe liefern. Beispiel Fruchtjoghurt: Seit Einführung gesüßter
Produkte ist der Verzehr v.a. bei Kindern gestiegen - diese Entwicklung ist u.a. für
die Calciumversorgung positiv.
Teilweise wird Zucker auch als konservierende Zutat verwendet, wie etwa im
Fall von Marmelade. Wenn auf Zucker verzichtet werden soll, muss in manchen
Fällen der Einsatz chemischer Konservierungsmittel in Betracht gezogen werden.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass ein durchschnittlicher Zuckerverzehr die Vitamin- und Mineralstoffzufuhr nicht gefährdet. Unter den gegenwärtigen Verzehrsgewohnheiten ist die Bedarfsdeckung an essentiellen Nährstoffen,
Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen gesichert, wenn auf eine abwechslungsreiche Zusammenstellung des Speiseplans geachtet wird.
Empfehlungen zur Begrenzung der Zuckerzufuhr
Die offiziellen Stellungnahmen zur Zuckerzufuhr haben sich während der letzten Jahrzehnte geändert. Während für den Diabetiker noch eine Maximalmenge
für den Zuckerkonsum angezeigt ist, wird eine Limitierung der Zuckermenge für
den Stoffwechselgesunden mittlerweile kontroversiell diskutiert. Tab. 4.16 stellt die
internationale Entwicklung der Empfehlungen für die Zuckerzufuhr in den letzen
zehn Jahren dar.
Das Food and Nutrition Board/Institute of Medicine (USA) schlägt in ihren "Dietary Reference Intakes" für den Verzehr zugesetzter Zucker eine Obergrenze von
25 Energie% vor [IOM, 2002]. Diese Limitierung ist de facto keine mehr, da die
tatsächliche Aufnahme in den allermeisten Fällen unter dieser Grenze liegt. Das
Herausgebergremium verkennt nicht, dass schwer verdauliche und absorbierbare
Kohlenhydrate gegenüber leicht verdaulichen und schnell absorbierten gesundheitliche Vorteile bieten. Die darauf beruhenden, mittels glykämischem Index (GI)
relativ gut voraussagbaren Effekte auf die Konzentration von Glucose, Insulin sowie Blutlipiden werden allerdings vornehmlich für Diabetiker und Hyperlipidämiker
und weniger für Gesunde als vorteilhaft betrachtet. Nach Ansicht der Herausgeber
reichen die vorliegenden Daten über Beeinträchtigungen der Gesundheit durch
243
Tab. 4.16:
Ernährungsempfehlungen
der letzen Jahre zur Begrenzung der Zukkeraufnahme
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
Tab. 4.17:
Mittlerer täglicher ProKopf-Verbrauch sowie
der daraus geschätzte ProKopf-Verzehr
in Österreich
Jahr
Verbrauch
(g/d)
Verzehr*
(g/d)
Zucker (Karies, Erhöhung des Krebs-,
Fettsucht- und Hyperlipidämie-Risikos)
nicht aus, um einen UL-Wert (Tolerable
1947/48
32
27
Upper Intake Level) zu beziffern. Die
1993/94
95
81
Obergrenze von 25 Energie% erfolgt
1996/97
111
94
vornehmlich wegen nachgewiesener geringerer Versorgung mit Mikronährstof2000/01
110
93
fen in Subpopulationen der amerikani* geschätzter Verzehr aus Ernährungsbilanschen Bevölkerung, die über 25 Enerzen (85% des Verbrauchs)
gie% Zucker verzehrten [Gaßmann,
2003]. In den D-A-CH-Referenzwerten
wird die Herabsetzung der Mikronährstoff- und Ballaststoff-Dichte von Lebensmitteln durch zugesetzte Zucker ebenfalls betont. Deshalb wird bei uns ein "moderater" Umgang mit Zucker empfohlen, ohne in den Referenzwerten eine vertretbare
Verzehrsmenge anzugeben [DACH, 2000]. Der im März 2003 veröffentlichte WHOReport verschärft den Grenzwert für zugesetzten Zucker allerdings wieder und
spricht sich erneut für die 10%-Regel aus [WHO, 2003].
Verbrauchstrends
Das relativ hohe Niveau des jetzigen Zuckerverbrauchs wird augenscheinlich,
wenn man die rezente Konsumdaten mit jenen der Nachkriegsjahre vergleicht (Tab.
4.17).
1993/94 war der Verbrauch mehr als dreimal so hoch wie 1947/48. Die Veränderung der Erfassungsmethodik seit dem EU-Beitritt führte dazu, dass neben
Süßwaren eine Vielzahl weiterer verarbeiteter Lebensmittel, die Zucker enthalten,
in den Bilanzen durch Verwendung entsprechender Koeffizienten berücksichtigt
werden (z.B. Zucker in alkoholischen Getränken oder Saftkonzentraten). Ein Vergleich mit den Berichtsperioden davor ist folglich nicht möglich, obwohl ein insgesamt unveränderter Zuckerkonsum in den vergangenen Jahren angenommen werden kann. Der Zuckerverbrauch in Österreich scheint demnach in den letzen Jahren auf hohem Niveau zu stagnieren. Laut Food Balance Sheets der FAO (für das
Jahr 2000) beträgt der Zuckerverbrauch im EU-Schnitt 96 g/Kopf/Tag.
Zuckerverzehr in Österreich
Die Zuckeraufnahme setzt sich generell aus zwei Komponenten zusammen:
- Den natürlicherweise in vielen Lebensmitteln (Obst, Gemüse, Milchprodukten
etc.) vorkommenden Zuckerarten.
. Der zugesetzten Saccharose (Rohr-/Rübenzucker bzw. Haushaltszucker).
Als Berechnungsgrundlage zur Ermittlung des Zuckerverzehrs dienen die Verzehrsangaben der Österreicher, die im Rahmen der ÖSES (Österreichische Studie
zum Ernährungsstatus) erhoben wurden. Die Berechnung der Nährstoffaufnahme
erfolgte mittels EWP (Ernährungswissenschaftliches Programm) bzw. BLS (Bundeslebensmittelschlüssel).
Demnach lag der durchschnittliche Zuckerverzehr in Österreich geschlechtsund altersabhängig zwischen 6 und 19% der Gesamtenergiezufuhr. Die höchste
Aufnahme (19 Energie%) zeigte sich bei den weiblichen Lehrlingen (15-18 J.).
Abb. 4.6 veranschaulicht die großen Schwankungen in der Kohlenhydratzufuhr
- speziell der Zuckeraufnahme - bei verschiedenen Altersgruppen. Kinder und Jugendliche nahmen deutlich höhere Zuckermengen auf als Erwachsene und ältere
Menschen.
Dieses wenig erstaunliche Ergebnis hängt damit zusammen, dass Kinder und
Jugendliche generell mehr "naschen" und auch der Konsum von zuckerhältigen
Getränken in dieser Personengruppe am höchsten ist. Dagegen lassen sich keine
ausgeprägten Geschlechtsunterschiede feststellen. Tendenziell ist der Zuckerkonsum bei Mädchen und Frauen aber etwas höher. Dieser Unterschied ist bei den 1523-Jährigen am deutlichsten zu erkennen. Nur in der Altersgruppe von 7 bis 10
244
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
weiblich
Abb. 4.6:
Vergleich der
Gesamtkohlenhydrat- und
der Zuckeraufnahme bei verschiedenen Altersgruppen in
Österreich (in
%)
männlich
60
50
54
50
53
55
51
46
40
52 53
49
44
43
41
30
E% Kohlenhydrate
20
10
15 13 13
19
11
15
14
12
E% Saccharose
16
10
7
6
25-50 Jahre
über 65 Jahre
15-23 Jahre
11-15 Jahre
3-6 Jahre
7-10 Jahre
25-50 Jahre
über 65 Jahre
15-23 Jahre
11-15 Jahre
3-6 Jahre
7-10 Jahre
0
El
E%...Energieprozent
Jahren führen die Knaben mit 14 Energie% vor den Mädchen mit 13 Energie%. Es
wird veranschaulicht, dass alle Personengruppen unter der empfohlenen Höchstmenge des Institute of Medicine von 25 % der Gesamtenergiezufuhr liegen.
Der tendenziell geringere Zuckerkonsum der Männer brachte auch eine geringere Gesamt-Kohlenhydratzufuhr mit sich. Obschon die Ballaststoffaufnahme der
Männer geringfügig besser war. Da die Unterschiede nur marginal waren, sind daraus keine gesundheitlichen Vor- oder Nachteile abzuleiten. Durch eine erhöhte Zufuhr an ballaststoffreichen Kohlenhydratträgen wie Brot, Getreideprodukten, Hülsenfrüchten, Obst und Gemüse könnten die Nährstoffrelationen entscheidend verbessert und den Empfehlungen angenähert werden.
In der Gruppe der Senioren war bei den hochbetagten Männern die große
Schwankungsbreite des Zuckerverzehrs auffällig. Die über 84-jährigen Männer lagen außerdem wieder über dem Durchschnittswert der männlichen, erwachsenen
Bevölkerung. Dies lässt sich wahrscheinlich mit einer extrem einseitigen Lebensmittelauswahl bei Teilen dieser Bevölkerungsgruppe erklären.
Bei den Kindern und Jugendlichen fiel auf, dass so gut wie keine Geschlechtsunterschiede festzustellen sind, lediglich bei den Lehrlingen war die Saccharoseaufnahme der jungen Damen wesentlich höher als die der männlichen Altersgenossen. Insgesamt überschritten alle jungen Altersgruppen das WHO-Limit von 10
Energie% teilweise sehr deutlich, ohne die 25%-Marke der DRI zu erreichen.
Bei genauerer Analyse der erhobenen Daten der Lehrlinge, zeigte sich ein Zusammenhang zwischen der Fett- und Kohlenhydratzufuhr (Abb. 4.7). Je höher die
Saccharoseaufnahme, desto niedriger war die Fettaufnahme und umgekehrt.
Menschen, die wenig Zucker essen, essen dafür mehr Fett.
30
E% Saccharose
25
20
15
W
10
M
5
0
unter 25
25 - 30
30 - 35
35 - 40
E% Fett
245
über 40
Abb. 4.7:
Vergleich der
Fett- und Saccharoseaufnahme bei Lehrlingen (15-18 J.)
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
Tab. 4.18:
Anteil von Saccharose an der
Gesamt-Kohlenhydratzufuhr bei diversen österreichischen Altersgruppen
Kollektiv
Anteil von Saccharose an der Gesamt-KH-Zufuhr (in
%)
3-6 Jahre
27
7-10 Jahre
27,5
11-14 Jahre
23
15-18 Jahre*
35
19-60 Jahre
23
>55 Jahre**
19
Bei Betrachtung des Saccharoseanteils an der Gesamt-Kohlenhydratzufuhr kann beobachtet werden, wie
sich der Zuckeranteil mit dem Lebensalter verändert (Tab. 4.18).
Zucker und ernährungsabhängige Erkrankungen
In welchem Ausmaß die Höhe der
Zuckerzufuhr ernährungsabhängige
Erkrankungen beeinflusst, ist Gegenstand intensiver Diskussionen. Ein
Überblick soll die wichtigsten Überlegungen behandeln.
* Lehrlinge; ** Wiener Senioren
KH...Kohlenhydrat
Zucker und Übergewicht:
Übergewicht und Fettsucht sind ein zunehmendes Problem unserer Zeit und
resultieren aus dem Ungleichgewicht zwischen Energiezufuhr und Energieverbrauch. Die Meinung, dass Zucker dick macht, ist wissenschaftlich umstritten.
Verzehrsstudien zeigen immer wieder eine inverse Beziehung zwischen der Zukker- und Fettaufnahme in der Bevölkerung. Anders ausgedrückt: Ein hoher Fettverzehr korreliert mit einem geringen Zuckerverzehr, was bedeutet, dass eine
zuckerreiche Ernährung fettärmer ist und umgekehrt. Auch die vorliegenden österreichischen Daten zeigen diesen Trend auf (Abb. 4.7). Darüber hinaus wird beobachtet, dass Übergewichtige mehr Fett, aber weniger Zucker verzehren. Je höher der Fettgehalt und je geringer der Kohlenhydratgehalt der Nahrung, desto
größer ist die Körperfettmasse. Es wird daher davon ausgegangen, dass die Entstehung von Übergewicht eher durch eine fettreichere Ernährung als durch eine
zuckerreiche Ernährung begünstigt wird [Kluthe und Kasper, 1996].
Die epidemiologischen Beobachtungen werden durch Stoffwechselstudien am
Menschen bestätigt. Der Körper reagiert auf die Zufuhr von Fetten und Kohlenhydraten unterschiedlich. Kohlenhydrate sind die vom Organismus bevorzugten
Energielieferanten, die in erster Linie zur Deckung des Energiebedarfs genutzt
werden, was sich in einer vermehrten Kohlenhydratverbrennung äußert. Dagegen ist nach erhöhtem Fettverzehr keine Stimulation der Fettoxidation zu beobachten, was bedeutet, dass das Nahrungsfett als Depotfett gespeichert wird [Elmadfa und Leitzmann, 1998].
Überschüssige Kohlenhydratkalorien werden erst dann in Körperfett umgewandelt, wenn die körpereigenen Glykogenspeicher gefüllt sind. Dies ist nur unter Energieaufwand, d.h. unter Verlust von ca. 25 % der Energie möglich, während überschüssiges Nahrungsfett ohne allzu großen Energieverlust (von ca. 7
%) im Fettgewebe gespeichert wird. Unter den heute üblichen Ernährungsbedingungen ist die Neubildung von Fetten aus Kohlenhydraten sehr gering [Kluthe und Kasper, 1996].
Hill und Prentice haben in einer Metaanalyse untersucht, ob ein hoher Zukkerkonsum Übergewicht verursacht. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass vielmehr
die Fettaufnahme bei der Entwicklung von Übergewicht entscheidend ist. Es gab
keine Anhaltspunkte dafür, dass eine hohe Kohlenhydrataufnahme (bzw. eine hohe Zuckeraufnahme) Übergewicht fördert. Die Forscher konnten sogar eine negative Korrelation zwischen Zuckerkonsum und Übergewicht nachweisen [Hill und
Prentice, 1995].
Diese Ergebnisse relativieren die Bedeutung von Zucker bei der Entwicklung
von Übergewicht ohne deshalb eine unkontrollierte Zufuhr von niedermolekularen Kohlenhydraten nahezulegen. Selbstverständlich ist weiterhin die Zufuhr komplexer Kohlenhydrate zu empfehlen, da diese mehr Mikronährstoffe liefern und
durch den höheren Ballaststoffgehalt ein besseres Sättigungsgefühl vermitteln.
246
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
Übergewicht ist ein multifaktorielles Ernährungsproblem, welches eine ebensolche Betrachtungsweise erforderlich macht. In diesem Zusammenhang hat neben der Gesamtenergiezufuhr und
dem Anteil der Fettaufnahme auch das Ausmaß an Bewegung eine zentrale Bedeutung.
Zucker und Diabetes mellitus
Die Aufnahme von Lebensmitteln mit niedrigem statt hohem Glykämischen Index führt zu einer
verlangsamten Aufnahme von Glucose in den Blutkreislauf. Dies wiederum kann dazu beitragen, den
Blutzuckergehalt zu regulieren. Das traditionelle "Zuckerverbot" innerhalb der Diabetesdiät kann jedoch nicht länger aufrechterhalten werden, da die glykämische Wirkung von Saccharose und Stärke
identisch ist. Die aktuellen Empfehlungen (z.B. der deutschen Diabetesgesellschaft) erlauben mittlerweile eine moderate Zuckermenge, da die Aufnahme von Zucker im Rahmen einer Mahlzeit wenig
Auswirkung auf die Blutzucker- und Insulinkonzentration hat [Diabetes and Nutrition Group of the
European Association for the Study of Diabetes, 1995].
Folgende Voraussetzungen sollten beim Einsatz von Zucker in der Diabetesdiät erfüllt sein [Kasper, 2000]:
-
Normalgewicht
Gute Stoffwechseleinstellung
Regelmäßige Selbstkontrolle
Zucker nur innerhalb einer Mahlzeit "verpackt"
Maximal 10 Energieprozent Zucker pro Tag (bei 2000 kcal = 50 g)
Nicht in Form von Getränken (z.B. Erfrischungsgetränke, zum Süßen von Kaffee, Tee)
Eine zeitgemäße Diabetikerernährung liegt insgesamt sehr nahe bei den Empfehlungen für Stoffwechselgesunde und hat eine abwechslungsreiche Mischkost zum Ziel. Die positiven Auswirkungen
einer ballaststoffreichen Ernährungsweise auf den Blutglucosespiegel nach Nahrungsaufnahme, aber
auch auf den Nüchternblutzucker und letztendlich auf die Höhe des Insulinbedarf bleiben unbestritten und sollten nicht vergessen werden. Unterstützend wird regelmäßige körperliche Aktivität empfohlen. An erster Stelle steht jedoch die Bekämpfung des Übergewichts.
Kohlenhydrate und Karies
Die Bildung von Plaque und kariogenen Säuren wird durch zahlreiche Kohlenhydrate begünstigt.
Neben niedermolekularen Kohlenhydraten (wie Saccharose) wirkt beispielsweise auch gekochte Stärke kariogen. Demnach können nicht nur zuckerhaltige Lebensmittel Karies erzeugen, sondern auch
Nahrungsmittel wie Brot, Reis, Kartoffeln oder Frühstückszerealien. Die wirksamste Methode, Karies
zu vermeiden müsste theoretisch der Verzicht auf Kohlenhydrate sein. Eine solche Forderung ist aus
ernährungsphysiologischen Gründen unsinnig. Es zeigt sich jedoch, dass weniger die Art und Menge
der aufgenommenen Kohlenhydrate als vielmehr die Häufigkeit ausschlaggebend ist. Auch die Konsistenz der verzehrten Lebensmittel beeinflusst die Kariogenität. Honig beispielsweise haftet besonders
lange an den Zähnen. Außerdem spielen individuelle Faktoren, wie Speichelzusammensetzung und
Beschaffenheit der Zähne eine wichtige Rolle. Karies entsteht also durch das Zusammentreffen verschiedener Ursachen.
Die WHO strebt in Bezug auf die Zahngesundheit von Vorschulkindern an, dass 50% der Fünfjährigen kariesfrei sind. Eine österreichische Untersuchung zeigte vor wenigen Jahren, dass 47% der
Kinder nach den WHO-Kriterien kariesfrei waren [Städtler et al., 1997]. Bei unverändert hoher Zukkeraufnahme lag der Anteil der kariesfreien Kinder 8 Jahre davor bei nur 32%. Die Daten sprechen
dafür, dass in erster Linie gute Mundhygiene sowie ausreichende Fluoridierungsmaßnahmen entscheidend sind. Natürlich können die beiden Vorbeugemaßnahmen durch eine "zahngesundheitsfördernde Ernährung" unterstützt und optimiert werden.
Schlussbetrachtung
Der Zuckerverzehr in Österreich stagniert seit einigen Jahren auf einem relativ hohen Niveau. In
keiner Personengruppe wird die 25%-Grenze für zugesetzten Zucker, wie sie vom Institute of Medicine festgesetzt wird, überschritten. Eine wesentlich strengere 10%-Grenze, die erst kürzlich in einem aktuellen WHO-Report erneut gefordert wird, ist nicht in allen Altergruppen realisiert. Möchte
man den Zuckerverzehr generell auf diese Menge beschränken, sind erhebliche Anstrengungen sowohl von Seiten der öffentlichen Gesundheitsaufklärung als auch der Lebensmittelindustrie erforder-
247
Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen
lich. In diesem Fall müssen sich die Maßnahmen vor allem auf die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen konzentrieren, da hier die größten Erfolge zu erwarten sind. Der in jüngster Zeit stark zunehmende Trend der Anreicherung von Süßigkeiten mit Vitaminen ist kritisch zu bewerten. Die Anreicherung von Süßigkeiten ist nicht geeignet, in wesentlichem Maß zur Bedarfsdeckung an diesen
Nährstoffen beizutragen, so dass insgesamt keine bessere Bewertung derartiger Lebensmittel erfolgen kann. Die nachteiligen Wirkungen (z. B. Karies, Übergewicht) bei überhöhtem Konsum können
nicht durch das marginal verbesserte Nährstoffangebot ausgeglichen werden. Durch eine höhere Zufuhr an ballaststoffreichen Kohlenhydratträgern wie Brot, Getreideprodukten, Kartoffeln, Hülsenfrüchten, Obst und Gemüse könnte die Nährstoffaufnahme entscheidend verbessert und den Referenzwerten angenähert werden. Zuckerreiche Lebensmittel und Getränke sollten Ausnahmen im Essalltag darstellen, damit eine gesundheitsförderliche Ernährungsweise verwirklicht werden kann. Deshalb muss eine genussbetonte, abwechslungsreiche Speisenzusammenstellung mit vorteilhaften Komponenten einfach, nachvollziehbar und zielgruppengerecht kommuniziert werden.
248
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
Kapitel 5: Public Health/Gesundheitsförderung/
Prävention
5.1 Ernährungsassoziierte Erkrankungen und Mortalität*
Zusammenfassung
Ernährungsassoziierte Erkrankungen mit mehr oder wenig multifaktorieller Genese sind in Österreich eine wesentliche Ursache für Morbidität und Mortalität. Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebserkrankungen sind für über 76% der Todesfälle verantwortlich. Bei Frauen ist der Anteil an Herz- und
Hirngefäßerkrankungen höher als bei Männern, der Anteil an Krebserkrankungen aber geringer. Das
Risiko für Männer an Krebs zu erkranken, ist um fast 39% höher als für Frauen. Die höchste Mortalität bei Krebserkrankungen haben bei Männern Lungen-, Prostata- und Darmkrebs und bei Frauen
Brust-, Darm- und Lungenkrebs. Die Todesfälle an endokrinen Störungen und Stoffwechselerkrankungen sind zu 92% auf die Mortalität an Diabetes mellitus zurückzuführen.
Dem internationalen Trend entsprechend stieg auch in Österreich die Prävalenz der Adipositas.
37% der ÖsterreicherInnen sind übergewichtig und 9,1% adipös. Innerhalb Österreichs zeigt sich ein
Ost-West-Gefälle. Im Westen Österreichs besteht eine höhere Lebenserwartung, ein niedrigeres Mortalitäsrisiko an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und eine geringere Adipositasprävalenz.
Allgemeines
In allen westlichen Industriestaaten sind ernährungsassoziierte Krankheiten, wie Herz-KreislaufErkrankungen, häufige Krebserkrankungen, Diabetes mellitus, chronische Erkrankungen der Leber
und anderer Verdauungsorgane wesentliche Ursache für Morbidität und Mortalität. Es ist aber darauf
hinzuweisen, dass ernährungsabhängige Krankheiten eine multifaktorielle Genese haben und der ernährungsbedingte Anteil unter den anderen Einflussfaktoren nur schwer quantifizierbar und feststellbar ist. Ergebnisse aus Tierversuchen sind nur bedingt auf den Menschen übertragbar. Fall-Kontroll-Studien, in denen die Ernährungsgewohnheiten aus der Vergangenheit befragt werden, können
nicht eindeutig feststellen, ob gewisse Ernährungsformen Grund oder Folge einer Erkrankung sind.
In Kohortenstudien ist die Ursache-Folge-Frage klarer. Dennoch besteht bei beiden Formen die Frage, ob ein beobachteter Zusammenhang als kausal zu bezeichnen ist oder ob er durch andere Wirkstoffe vorgetäuscht wird und damit Confounding vorliegt (Eichholzer 1997).
Neben der genetischen Disposition für die Entwicklung bestimmter Krankheiten, spielen je nach
Krankheitsart das Tabakrauchen (Lungenkrebs), Alkohol (Leberzirrhose), Belastung mit Schadstoffen
aus der Umwelt beziehungsweise am Arbeitsplatz (viele Krebskrankheiten) oder körperliche Bewegung (Herz-Kreislauf-Erkrankungen) eine wesentliche, wenn nicht sogar entscheidende Rolle. Aus
diesem Grund spricht man hier von multikausal ernährungsabhängigen Krankheiten, die im aktuellen Sprachgebrauch häufig als Synonym für die sogenannten "Zivilisationskrankheiten" verwendet
werden.
Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehen davon aus, dass im Jahr 2020 chronische Krankheiten für drei Viertel aller Todesfälle verantwortlich sein könnten, wenn es in den Industriestaaten zu keiner Ernährungsumstellung kommt (WHO 2003).
Als Gesundheitsindikatoren werden die Lebenserwartung (durchschnittliche Lebenserwartung bei
der Geburt, mit 60 Jahren und behinderungsfreie Lebenserwartung bei der Geburt und mit 60 Jahren), die Mortalitätsstatistik mit Angaben zu der Anzahl der Todesursachen, Anteil der Todesursachen
und standardisierte Sterbeziffer und Morbiditätszahlen angegeben.
Lebenserwartung
Die durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt lag in Österreich 2001 bei 78.9 Jahren,
wobei die der Männer 75.9 Jahre und die der Frauen 81.7 Jahre betrug (Statistik Austria 2003). Seit
dem Jahre 1950 zeigt sich eine steigende Tendenz. Seit 1970 erhöhte sich die durchschnittliche Lebenserwartung alle 10 Jahre um durchschnittlich 2.5 Jahre, insgesamt bis zum Jahre 2001 um 8.2
Jahre. Seit 1980 steigt die der Männer höher als die der Frauen (Abb. 5.1).
* ao. Univ.-Prof. Dr. I. Kiefer, o. Univ.-Prof. Dr. M. Kunze, Univ.-Prof. Dr. A. Rieder, Institut für Sozialmedizin der Universität Wien, Rooseveltplatz 3, 1090 Wien
249
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
Abb. 5.1:
Entwicklung
der Lebenserwartung in
Österreich
1950-2001
Jahre
85
Frauen
80
Gesamt
Männer
75
70
65
60
1950
1960
1970
1980
1990
2000
2001
Ganz deutlich zeigt sich ein Ost-West-Gefälle. Die höchste durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt liegt bei Männern und Frauen in Westösterreich und
die niedrigste in Ostösterreich.
Tab. 5.1:
Lebenserwartung und behinderungsfreie Lebenserwartung 2001
in Österreich
(Statistik
Austria 2003;
WHO 2003)
2001 betrug die Lebenserwartung von Männern im Alter von 60 Jahren 20.4
Jahre und von Frauen 24.3 Jahre.
Wesentlich ist aber, dass nicht nur die durchschnittliche Lebenserwartung ansteigt, sondern dass vor allem die gesunden Lebensjahre (healthy life expectancy
oder behinderungsfreie Lebenserwartung) zunehmen. Laut der These der Kompression der Morbidität (Fries et al., 1989) kann davon ausgegangen werden, dass
chronische Erkrankungen später im Leben auftreten, da aufgrund der besseren Ernährung und lebenslanger Gesundheitsvorsorge die Menschen länger gesund bleiben. Das spätere Auftreten chronisch-degenerative Krankheiten führt, gemäss dieser These, zu einer Verkürzung der in Krankheit verbrachten Lebenszeit.
In Österreich lag die behinderungsfreie Lebenserwartung bei der Geburt bei
Männern bei 68.9 Jahren und bei Frauen bei 73.0 Jahren (Tab. 5.1). Der prozentuelle Anteil der behinderungsfreien Lebenszeit an der Gesamtlebenszeit beträgt
daher für Männer 90.8% und für Frauen 89.4%.
In den EU-Mitgliedstaaten ist die mittlere Lebenserwartung von Frauen in Frankreich und Spanien am höchsten, bei Männern in Schweden und Italien. Insgesamt
ist die Lebenserwartung 2001 bei der Geburt in Schweden (79.8 Jahre), Italien
(79.8 Jahre) und Spanien (79.3 Jahre) am höchsten und in Portugal (76.9 Jahre),
Dänemark (76.7 Jahre) und Irland (75.8 Jahre) am niedrigsten. International findet man die höchste Lebenserwartung in Japan (80.9 Jahre; Männer: 77.6 Jahre,
Frauen: 84.2 Jahre) und die niedrigste in Sambia (37 Jahre) (Tab. 5.2) (Eurostat
2002).
Gesamt Männer Frauen
Lebenserwartung bei der Geburt
78.9
75.9
81.7
Lebenserwartung mit 60 Jahren
22.4
20.4
24.3
Behinderungsfreie Lebenserwartung bei der Geburt
71.1
68.9
73.0
Behinderungsfreie Lebenserwartung mit 60 Jahren
17.3
15.7
18.5
250
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
Land
Lebenserwartung bei der GeBehinderungsfreie Lebenserburt (in Jahren)
wartung bei der Geburt (in Jahren)
Gesamt
Männer
Frauen
Gesamt
Männer
Frauen
Japan
81.3
77.9
84.7
73.6
71.4
75.8
Schweiz
80.2
77.3
82.8
72.8
71.1
74.4
Australien
80.0
77.4
82.6
71.6
70.1
73.2
Schweden
80.0
77.7
82.3
71.8
70.5
73.2
Kanada
79.3
76.6
81.9
69.9
68.2
71.6
Frankreich
79.3
75.6
82.9
71.3
69.0
73.5
Italien
79.3
76.2
82.2
71.0
69.2
72.9
Österreich
79.0
75.9
81.8
71.0
68.9
73.0
Spanien
78.9
75.3
82.6
70.9
68.7
73.0
Deutschland
78.2
75.1
81.1
70.2
68.3
72.2
Griechenland
78.1
75.5
80.8
70.4
69.0
71.9
China
71.2
69.8
72.7
63.2
62.0
64.3
Finnland
77.9
74.5
81.2
70.1
67.7
72.5
USA
77.0
74.3
79.5
67.6
66.4
68.8
Polen
74.0
69.9
78.1
64.3
62.1
66.6
Kroatien
72.9
68.9
77.1
63.3
59.7
66.9
Ungarn
71.7
67.3
76.1
61.8
58.0
65.5
Russische Föderation
65.2
58.9
72.3
56.7
51.5
61.9
Tab 5.2:
Lebenserwartung bei der
Geburt 2001.
Internationale
Vergleiche
(WHO 2003)
Mortalität
Im Jahre 2001 verstarben in Österreich insgesamt 74.767 Personen. Das entspricht einer standardisierten Sterbeziffer von 919,4 Personen je 100.000 Lebende. Von den Verstorbenen waren 34.500 Männer (872,3/100.000) und 40.267 Frauen (964/100.000).
Den größten Anteil an der Gesamtsterblichkeit hatten Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit einem Anteil von 51.0%, gefolgt von Krebserkrankungen mit 25.5%.
Bei Frauen ist der Anteil an Herz-Kreislauf-Erkrankungen insgesamt höher als bei
Männern, der Anteil an Krebserkrankungen, Erkrankungen der Atmungs- und Verdauungsorgane, an Unfällen und Selbstmorden aber niedriger (Abb. 5.2, Tab. 5.3).
Männer
Verdauungsorgane, 5.3 %
Atmungsorgane, 5.7 %
Verdauungsorgane, 3.8 %
Unfälle, 4.9 %
Atmungsorgane, 4.8 %
Frauen
Unfälle, 2.2 %
Rest, 9.4 %
Rest, 11.0 %
Krebs, 22.9 %
Krebs, 28.1 %
Hirngefäße, 13.0 %
Herz, 43.9 %
Herz, 36.5 %
Hirngefäße, 8.5 %
251
Abb. 5.2:
Todesursachen
2001 bei Männer und Frauen
in Österreich
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
Tab. 5.3:
Mortalitätsstatistik für Österreich, 2001
(Statistik
Austria 2003)
Todesursachen (ICD, 9. Reversion*)
ALLE (001-999)
Herz/Kreislauf-Erkrankungen (390-459)
Todesfälle Anteil Todesursachen
Standardisierte Sterbeziffer
**)
Anzahl
%
Gestorbene /
100.000
Lebende
M
34500
100
872.3
F
40267
100
964.0
M
15518
45.0
392.4
F
22867
56.9
547.4
davon: Herzkrankheiten (390-398, 401- M
405, 410-429, 440-459)
F
12584
36.5
318.2
17648
43.9
422.5
Hirngefäß-Erkrankungen (430-438)
M
2934
8.5
74.2
F
5219
13.0
124.9
M
1206
3.5
30.5
F
559
1.4
13.4
Ernährungs- und Stoffwechsel-Erkrankungen (240-279)
M
633
1.8
16.0
F
942
2.3
22.5
davon: Diabetes mellitus (250)
M
565
1.6
14.3
F
895
2.2
21.4
Leberzirrhose (571)
M = Männer; F = Frauen
*) International Classification of Diseases
**) standardisiert nach der Europäischen Standardbevölkerung der WHO
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Kardiovaskuläre Erkrankungen sind die führenden Todesursachen in den Industrieländern. Im 21. Jahrhundert werden diese Krankheiten weiterhin das Erkrankungsspektrum und die Todesursachenstatistik anführen, sowohl in den Industrieländern als auch in den Entwicklungsländern (nach Statistische Mitteilungen der Stadt Wien 2001).
%
80
70
60
Männer
Frauen
50
40
Abb. 5.3:
Mortalität an
Herz-KreislaufErkrankungen
nach Alter und
Geschlecht (in
% der Gesamtmortaltität)
30
20
10
0
< 40 Jahre
40 bis < 60
Jahre
252
60 bis < 70
Jahre
70 bis < 80
Jahre
80 und mehr
Jahre
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
koronare Herzkrankheiten - Männer
Standardisierte Sterbeziffer / 100.000 Lebende
250
koronare Herzkrankheiten - Frauen
Hirngefäß-Erkrankungen - Männer
Hirngefäß-Erkrankungen - Frauen
200
150
100
50
0
1965-9
1975-9
1985-8
1995-8
2001 starben 15.518 Männer und 22.867 Frauen an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung. Bei den Männern fielen 81% der Todesfälle auf Herzerkrankungen und
19% auf Hirngefäß-Erkrankungen. Bei den Frauen war der Anteil an Hirngefäßerkrankungen höher, nämlich 23%.
Das durchschnittliche Sterbealter lag bei allen Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei
den Männern bei 77.5 Jahren und bei den Frauen bei 84.3 Jahren.
Über 70% der Todesfälle traten bei Frauen im Alter ab 80 Jahren auf. Bei Männern hingegen lagen bereits 25% der Todesfälle im Alter zwischen 40 und 70 Jahren (Abb. 5.3).
Die koronare Herzkrankheit (KHK) ist die führende Todesursache bei Frauen
über dem 65. Lebensjahr und bei Männern ab dem 45. Lebensjahr. Das Lebenszeitrisiko für kardiovaskuläre Erkrankungen ist für Männer immer höher als für Frauen, ausgenommen sind die Herzinsuffizienz und der Schlaganfall, hier ist das Lebenszeitrisiko für Frauen höher (Peeters et al. 2002).
In den meisten Industrieländern nimmt bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen
die Mortalität seit den 60er Jahren ab, verbunden mit einer Änderung in der Risikofaktorenpräsenz.
Zwischen 1965 und 1998 kam es in Österreich zu einem Rückgang der altersstandardisierten Sterberate bei Männern bei koronaren Herzkrankheiten um 25.1%
und bei Hirngefäßerkrankungen um 54.6%. Bei Frauen ist die altersstandardisierte Mortalität in dieser Zeitspanne bei koronaren Herzkrankheiten um 31.7% und
bei Hirngefäßerkrankungen um 55.5% zurückgegangen (Abb. 5.4).
Der Rückgang der Mortalität ist in der männlichen Bevölkerung höher. In Österreich ist bei den Frauen sogar eine Stagnation bzw. ein ansteigender Trend in der
Mortalität zu verzeichnen.
Bei regionaler Betrachtung in Österreich zeigt sich ein Ost-West-Gefälle. So ist
das Risiko an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben in Wien am größten, gefolgt
von Burgenland und Niederösterreich. Dagegen liegen Vorarlberg und Tirol rund
15 % unter dem österreichischen Durchschnitt. Während sich in allen großen Landeshauptstädten die Sterbeziffern unter dem Bundesdurchschnitt befinden, weist
Wien als einzige Stadt eine überdurchschnittliche Herz-Kreislaufmortalität auf.
International zeigt sich, dass die Mortalität an koronaren Herzkrankheiten in
den Ländern Slowakei, Ungarn und Rumänien am höchsten und in den Ländern
Frankreich, Portugal und Spanien am niedrigsten ist (Abb. 5.5, Abb. 5.6).
In den meisten Industriestaaten nimmt bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen
die Mortalität seit den 1960er Jahren, verbunden mit einer Änderung in der Risikofaktorenpräsenz, ab. Auch wenn es zu einem Rückgang der Sterblichkeit gekommen ist, ist es besonders bei den ischämischen Herzerkrankungen weiterhin
unklar, ob die Inzidenz ebenfalls zurückgegangen ist, oder ob der Rückgang der
Mortalität lediglich die höhere Überlebensrate widerspiegelt. Diese höhere Überle-
253
Abb. 5.4:
Entwicklung
der Sterblichkeit an koronaren Herzkrankheiten und
Hirngefäßerkrankungen
von 1965 bis
1998 bei Männern und Frauen in Österreich (nach Levi 2002)
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
Abb. 5.5:
Mortalität an
koronaren
Herzkrankheiten (Männer)
1995-1998
ausgewählter
Länder (altersstandardisierte
Sterbeziffer /
100.000 Lebende) (nach
Levi et al.
2002)
Abb. 5.6 :
Mortalität an
koronaren
Herzkrankheiten (Frauen)
1995-1998
ausgewählter
Länder (altersstandardisierte
Sterbeziffer /
100.000 Lebende) (nach
Levi et al.
2002)
Slowakei
Ungarn
Rumänien
Tschechien
Bulgarien
Irland
Finnland
Kroatien
Großbritannien
Schweden
Dänemark
Norwegen
Österreich
Deutschland
Polen
Slowenien
Niederlande
Luxenburg
Schweiz
Griechenland
Belgien
Italien
Spanien
Portugal
Frankreich
Slowakei
Rumänien
Ungarn
Bulgarien
Tschechien
Kroatien
Irland
Finnland
Großbritannien
Dänemark
Österreich
Deutschland
Schweden
Norwegen
Slowenien
Schweiz
Niederlande
Polen
Belgien
Griechenland
Luxenburg
Italien
Portugal
Spanien
Frankreich
198,6
190
187,4
185,2
182,1
49,1
134,4
129,6
128,2
126,6
125,8
113,7
101,1
97,6
92,3
90,7
82,9
79,8
74
65,5
65,1
235,5
220,9
163,3
150,4
125,9
118,9
111,7
101,6
94,9
18,2
60
60,4
59,6
56,8
50,6
48,2
43,3
40,7
38,9
33,2
33,1
32,9
32,8
30,8
26,5
67,3
87,1
82,1
75,8
bensrate ist der verbesserten klinischen Versorgung zuzuschreiben, gleichzeitig ist
aber auch die Schwere der Fälle durch primäre und sekundäre Präventionsmaßnahmen zurückgegangen.
Die altersspezifische Mortalität nimmt ebenfalls ab, jedoch wird durch den zunehmenden Anteil der Bevölkerung an älteren Menschen die Anzahl der Personen
mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen absolut gesehen ansteigen (nach Statistische Mitteilungen zur Gesundheit in Wien 2001).
In den nächsten Jahren und Jahrzehnten könnte es wieder zu einem allgemeinen Anstieg der Mortalität kommen, bedingt durch die Zunahme der Prävalenz
der Adipositas, des Metabolischen Syndroms und des Typ-II-Diabetes in der Bevölkerung, weiters durch die höhere Prävalenz der Raucherinnen im Vergleich vor
dreißig Jahren.
Die Weltgesundheitsorganisation hat in ihren Gesundheitszielen 2020 unter anderem das Ziel formuliert, die Sterblichkeit bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen
um weitere 40% zu senken und zwar bei den unter 65jährigen.
Krebserkrankungen
2000 kam es schätzungsweise weltweit zu 10 Millionen Neuerkrankungen und
über 6 Millionen Todesfällen durch bösartige Neubildungen. Bis zum Jahre 2020
254
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
Abb. 5.7:
Krebsinzidenz
bei Männern
von 1983-1999
in Österreich
(Statistik
Austria 2002)
Erkrankungen auf 100.000 Einwohner
120
100
80
Magen
Dickdarm
Lunge
Prostata
60
40
20
19
19
83
84
19
85
19
86
19
87
19
88
19
89
19
90
19
91
19
92
19
93
19
94
19
95
19
96
19
97
19
98
19
99
0
wird die Zahl der Krebsfälle in den Industriestaaten um 29% steigen, größtenteils
jedoch durch die Zunahme der älteren Bevölkerungsschicht (WHO 2003).
In Österreich erkrankten 1999 rund 32.500 Österreicherinnen und Österreicher an Krebs, davon 49.6% Frauen und 50.4% Männer. Dabei handelt es sich um
invasive Tumoren, die auch alle DCO-Fälle (Death Certificate Only) enthalten. Bei
der altersstandardisierten Inzidenzrate (Männer 397,1; Frauen: 286,0) zeigt sich
aber, dass das Risiko an Krebs zu erkranken bei Männern um fast 39 Prozent höher liegt als bei Frauen (Statistik Austria 2003).
Bei der Krebsinzidenz seit 1983 kam es bei den Männern zu einer Abnahme
von Magenkrebs (- 47%), Lungenkrebs (- 29%) und Dickdarmkrebs (- 7%) und
zu einer Zunahme an Prostatakrebs um 83% (Abb. 5.7)
Bei den Frauen stieg zwischen 1983 und 1999 die Inzidenz an Lungenkrebs
um 27% und an Brustkrebs um 21% an. Abgenommen hat hingegen die Inzidenz
an Magenkrebs (- 51%), Gebärmutterkrebs (- 39%) und Dickdarmkrebs (- 22%)
(Abb. 5.8)
Bei der Mortalität der Krebserkrankungen der Männer hatten die bösartigen
Neubildungen der Luftröhre, Bronchien und Lunge mit einem Anteil von 23.3% aller Gesamtkrebserkrankungen den höchsten Anteil, gefolgt vom Prostatakrebs
(12.2%) und Darmkrebs (8.6%). Bei den Frauen lag der Anteil an den Todesursachen an Krebserkrankungen beim Brustkrebs (17.1%) am höchsten (Tab. 5.4).
Erkrankungen auf 100.000 Einwohner
100
90
80
70
Magen
Dickdarm
Lunge
Brust
Gebärmutter
60
50
40
30
20
10
255
19
99
19
97
19
95
19
93
19
91
19
89
19
87
19
85
19
83
0
Abb. 5.8:
Krebsinzidenz
bei Frauen von
1983-1999 in
Österreich
(Statistik
Austria 2002)
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
Tab. 5.4:
Mortalitätsstatistik ausgewählter Krebserkrankungen
für Österreich,
2001 (Statistik
Austria 2003);
Todesursachen (ICD, 9. Reversion*)
Todesfälle
Anteil Todes- Standardiursachen
sierte Sterbeziffer **)
Anzahl
%
Gestorbene
je 100.000
Lebende
Krebs-Erkrankungen
M
9698
28.1
245.2
(140-239)
F
9208
22.9
220.4
davon: Magenkrebs
M
595
1.7
15.0
(151)
F
555
1.4
13.3
Darmkrebs
M
838
2.4
21.2
(152, 153)
F
865
2.1
20.7
Mastdarmkrebs
M
426
1.2
10.8
(154)
F
358
0.9
8.6
Speiseröhre
M
243
0.7
6.1
(150)
F
67
0.2
1.6
Mundhöhle,
M
350
1.0
8.8
Rachen (140-149)
F
111
0.3
2.7
Luftröhre, Bronchien,
M
2258
6.5
57,1
Lunge (162)
F
937
2.3
22.4
Prostata (185)
M
1184
3.4
29.9
Brustkrebs (174, 175)
F
1572
3.9
37.6
Gebärmutter (179, 182)
F
360
0.9
8.6
Zervix uteri (180)
F
128
0.3
3.1
M = Männer; F = Frauen
*) International Classification of Diseases;
**) standardisiert nach der Europäischen Standardbevölkerung der WHO
Die Zahl der Krebstoten hat sich insgesamt in den letzten 25 Jahren kaum verändert. Unter Berücksichtigung der Alterung der Österreichischen Bevölkerung kam
es sogar zu einem deutlichen Absinken der Krebssterblichkeit. Seit 1985 ist ein
Rückgang der standardisierten Sterberaten von 17% bei den Männern und 16%
bei den Frauen ersichtlich. Dieser kontinuierliche Rückgang der Sterblichkeit an
bösartigen Neubildungen ist vor allem auf das starke Absinken der Magenkrebssterblichkeit zurückzuführen. Dabei kam es zu einem Rückgang um etwa 50% in
den letzten 25 Jahren (Abb. 5.9, Abb. 5.10) (Statistik Austria, 2003).
Das durchschnittliche Sterbealter lag bei Männern bei allen Krebserkrankungen bei 70.7 Jahren und bei Frauen bei 74.1 Jahre.
Endokrine Störungen und Stoffwechselerkrankungen
Im Jahr 2001 gab es in Österreich keine Todesfälle durch Avitaminosen und
sonstige Ernährungsmangelerkrankungen. Den Hauptanteil an dieser Mortalität bilden die Todesfälle an Diabetes mellitus (Männer: 89%; Frauen: 95%).
Weltweit kam es zu einem dramatischen Anstieg sowohl an Prävalenz als auch
an Inzidenz an Typ-2-Diabetes. Die WHO schätzt, dass sich die Anzahl von annähernd 150 Millionen Diabetes-Typ-II-Fällen weltweit bis 2025 verdoppeln werden
(WHO 2003).
256
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
Altersstandardisierte Raten/100.000 Standardbevölkerung
300
250
200
Krebs gesamt
Magen
Dickdarm
Lunge
Prostata
150
100
Abb. 5.9:
Krebsmortalität
Männer: 19842000 in Österreich (Statistik
Austria 2002)
50
20
00
19
98
19
96
19
94
19
92
19
90
19
88
19
86
19
84
0
Altersstandardisierte Raten/100.000 Standardbevölkerung
180
160
140
Krebs gesamt
Magen
Dickdarm
Lunge
Brust
Gebärmutter
120
100
80
60
40
20
20
00
19
98
19
96
19
94
19
92
19
90
19
88
19
86
19
84
0
Übergewicht und Adipositas:
Wie in allen westlichen Industriestaaten steigt auch in Österreich die Prävalenz des Übergewichts und der Adipositas.
Adipositas, definiert beim Erwachsenen nach dem Body-Mass-Index (BMI) ab
30,0 kg/m², ist ein volksgesundheitliches Problem. Es wird geschätzt, dass in einer Population von 1 Million Personen im Alter von 35 bis 84 Jahren 132.900 Fälle von Hypertonie (45% aller Fälle), 58.500 Fälle von Typ-II-Diabetes (85% aller
Fälle), 16.500 Fälle von Hypercholesterinämie (18% aller Fälle) und 16.500 Fälle
von koronarer Herzkrankheit (35% aller Fälle) auf Adipositas zurückzuführen sind
(Oster 2000).
Weltweit gibt es bereits mehr als 250 Millionen fettsüchtige Menschen (entspricht 7% der erwachsenen Bevölkerung), mit steigender Tendenz. Nahezu eine
halbe Billion Menschen weltweit sind übergewichtig oder adipös (Rössner 2002).
Für Europa liegen Schätzungen vor, dass mehr als die Hälfte der 35-65jährigen übergewichtig (BMI: 25,0-29,9 kg/m²) oder schwer übergewichtig (BMI: ab
30,0 kg/m²) sind. Die Prävalenz der Adipositas in Europa liegt in der Größenordnung von 10-20% bei Männern und 10-25% bei Frauen. Die höchsten Prävalenzen findet man im Süden Europas und in den osteuropäischen Ländern (Seidell
1997; Kiefer et al 2001).
In Österreich waren in der Gesamtbevölkerung ab 20 Jahren im Jahr 1999 37%
übergewichtig (BMI: 18,5 bis < 25,5 kg/m²) und 9.1% adipös. Den höchsten Anteil an Adipösen findet man sowohl bei Männer zwischen 45 und 65 Jahren und
257
Abb. 5.10:
Krebsmortalität
Frauen: 19842000 in Österreich (Statistik
Austria 2002)
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
Abb. 5.11:
Epidemiologie
der Adipositas
in Österreich,
1999 (in Prozent)
13,1
10,2
9,7
d
ur
B
S
te
or
ie
ge
nl
rm
an
ar
n
W
er
ar
lb
ie
g
l
ro
Ti
k
6,8
V
S
al
zb
ur
g
6,2
8,5
7,8
7,6
10,4
bei Frauen zwischen 55 und 64 Jahren. Die Prävalenz sinkt mit zunehmender Schulbildung. Den niedrigsten Anteil an Adipösen haben Hochschulabsolventen (3.9%),
den höchsten hingegen Pflichtschulabsolventen (13.1%).
Im Osten Österreichs ist der Anteil an schwer Übergewichtigen am höchsten.
13.1% der Burgenländer und jeweils knapp über 10% der Oberösterreicher und
Steirer haben einen BMI über 30 kg/m². Die Bundesländer Salzburg und Tirol haben den niedrigsten Anteil an schwer übergewichtigen Personen (Abb. 5.11).
In den letzten 10 Jahren stieg die Prävalenz der Adipositas in fast allen europäischen Ländern um 10 bis 40% (IOTF 2003). In Österreich kam es zwischen
1991 und 1999 zu einer Zunahme der Prävalenz um 7%.
Adipositas ist aber auch schon im Kindes- und Jugendalter ein Problem. 5,2%
der 15 bis 24jährigen sind in Österreich adipös. In Italien sind in dieser Altersgruppe nur 1.0 %, in Finnland 1.2%, in Spanien 1.4%, in Portugal 1.5% und in
Frankreich 1.8% schwer übergewichtig. In Irland und in Griechenland findet man
die höchsten Prävalenzen mit 8.0% und 11.0% (Martinez 1999).
258
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
5.2 Koronare Herzerkrankungen
Zusammenfassung
Das Zwischenprodukt des Methioninstoffwechsels, Homocystein ist dabei, sich neben Hyperlipidämie, Hypertonie und Diabetes als diätetisch beeinflussbarer Risikofaktor für Herz- und Gefäßerkrankungen zu etablieren. Homocystein ist in Österreich sowohl bei Gesunden, als auch bei Patienten mit Herzkreislauferkrankungen untersucht worden und die Anzahl der gefundenen Hyperhomocysteinämien lässt darauf schließen, dass dieser Parameter auch hierzulande eine nicht zu unterschätzende Rolle erlangen könnte. Das Ausmaß der Bedeutung kann vor Abschluss von derzeit laufenden großen Interventionsstudien, in denen mit Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 supplementiert wird, noch nicht verlässlich abgeschätzt werden. Es ist jedoch auch jetzt schon sinnvoll, bei Risikopersonen bzw. Patienten mit Herz- und Gefäßerkrankungen Homocystein zu untersuchen, da eine Reihe von Lebensstilfaktoren bekannt sind, mit denen erhöhte Homocysteinspiegel gesenkt werden können. Dazu zählen Nikotinabstinenz, regelmäßige körperliche Aktivität und eine Ernährungsweise, die eine ausreichende Zufuhr an Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 gewährleistet.
Kardiovaskuläre Risikofaktoren und Ernährung
Zu den etablierten nicht beeinflussbaren kardiovaskulären Risikofaktoren zählen Alter, Geschlecht
und familiäre Belastung, zu den beeinflussbaren zählen Hypertonie, Hypercholesterinämie, Nikotinabusus und Diabetes mellitus.
Da die konventionellen Risikofaktoren nur einen Teil der Herz-Kreislauferkrankungen erklären können, wird nach weiteren Parametern gesucht. Zu den erfolgsversprechendsten (teilweise auch schon
als "etabliert" bezeichnet) zählen Lipoprotein (a), Fibrinogen, fibrinolytische Aktivität, der Entzündungsparameter C-reaktives Protein (CRP) und Homocystein (Gensini et al., 1998, Ridker, 1999; Pearson, 2002).
Die Ernährungsweise kann über mehrere Mechanismen einen Einfluss auf die Pathogenese der
Atherosklerose und ihrer Folgeerkrankungen ausüben. Traditionell wird der Fettzufuhr eine wesentliche Bedeutung zugesprochen, jedoch sind noch etliche andere Ernährungsfaktoren relevant, wie zum
Beispiel Kochsalz, Alkohol, Ballaststoffe, sekundäre Pflanzeninhaltstoffe (z.B. Phytoöstrogene, Phytosterine, Phenole, Isoflavonoide) und Antioxidantien. (De Lorgeril et al., 1997, Krauss et al., 2000, DA-CH Referenzwerte, 2000).
Die mitteleuropäischen Ernährungsgesellschaften empfehlen zur Senkung des Risikos von HerzKreislauferkrankungen (und Krebs) einen frühzeitig einsetzenden, regelmäßigen und ausreichenden
Verzehr von Gemüse, Obst und Vollkornprodukten (D-A-CH Referenzwerte, 2000). Die "American Heart Association" (AHA) hat ebenfalls im Jahr 2000 neu überarbeitete Ernährungsempfehlungen herausgegeben (Krauss et al., 2000), wobei konkrete Empfehlungen für Lebensmittelgruppen bzw. teilweise für einzelne Produkte gegeben werden und Verhaltensmaßnahmen empfohlen werden, die dazu führen sollen, das Risiko für koronare Herzerkrankungen und Schlaganfall zu vermindern.
Homocystein
Physiologie und Pathophysiologie
Homocystein ist ein Zwischenprodukt im Stoffwechsel der essentiellen schwefelhaltigen Aminosäure Methionin, die in Form von S-Adenosylmethionin einer der bedeutendsten Methyldonatoren ist.
Es stehen zwei prinzipielle Stoffwechselwege zur weiteren Metabolisierung von Homocystein zur Verfügung. Bei niedriger Proteinzufuhr erfolgt hauptsächlich eine Remethylierung zu Methionin. Diese
Remethylierungsreaktion wird katalysiert durch das Enzym Methioninsynthase, wobei die Methylgruppe von 5-Methyltetrahydrofolat stammt. Methylcobalamin wirkt dabei als Cofaktor. Die Regeneration von Tetrahydrofolat zu 5-Methyltetrahydrofolat erfolgt über 5,10-Methylentetrahydrofolat mit
Hilfe der Methylentetrahydrofolatreduktase (MTHFR), wobei Vitamin B2 in Form von FAD (Flavinadenindinucleotid) als prosthetische Gruppe dient (McKinley, 2000).
Wenn dieser Weg gesättigt ist oder wenn Bedarf an Cystein besteht, wird Homocystein im Transsulfurierungsweg abgebaut. Dabei kondensiert Homocystein mit Serin zu Cystathionin und reagiert
weiter zu Cystein mittels der Vitamin B6-abhängigen Enzyme Cystathionin-β-synthase und γ-Cystathioninase. Anschließend erfolgt der Abbau zu harngängigen Substanzen. Die Höhe des Homocysteinspiegels im Blut ist hauptsächlich abhängig von der Aktivität der oben beschriebenen beteiligten
Enzyme, der Versorgung mit den entsprechenden Coenzymen (bzw. den Vitaminen Folsäure, B12, B6
und B2) und Lebensstilfaktoren (McKinley, 2000; Lievers et al., 2003).
259
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
Der klassische (autosomal rezessive) Defekt der Cystathionin-β-synthase ist insgesamt relativ selten: In Österreich liegt die Inzidenz der Homocystinurie (diagnostiziert im Rahmen des Neugeborenenscreenings) bei 1:500000 (Naughten et al., 1998). Der häufigste Enzymdefekt betrifft die Methylentetrahydrofolatreduktase (MTHFR). Durch eine Punktmutation (C zu T) am Basenpaar 677 entsteht eine "thermolabile Variante", die bei der homozygoten Form (TT-Genotyp) nur etwa 35% der
normalen Aktivität besitzt und dadurch zu einer Erhöhung des Homocysteinspiegels um etwa 35%
führt (Nygård et al., 1999). Die Häufigkeit dieses Enzymdefekts in der homozygoten Form beträgt in
den USA und in Mitteleuropa zwischen 10 und 15% (Rozen, 2000). Allerdings hängt die Erhöhung
des Homocysteinspiegels auch hierbei von der Vitaminzufuhr ab: nur bei gleichzeitig bestehendem
Folatmangel ist der Homocysteinspiegel erhöht (Selhub, 1999).
Die wichtigsten physiologischen Einflussfaktoren sind Geschlecht, Alter und Nierenfunktion. Bei
Männern ist der Homocysteinspiegel höher als bei Frauen. Als Gründe dafür gelten die größere Muskelmasse mit erhöhter Kreatinsynthese, aber auch hormonelle Faktoren. So steigt der Homocysteinspiegel in der Menopause an und kann durch Hormonersatztherapie gesenkt werden (zusammengefasst von Nygård et al., 1999; McKinley, 2000). Als Gründe für den Anstieg der Homocysteinspiegel mit zunehmendem Alter gelten eingeschränkte Nierenfunktion, geringere Vitaminzufuhr und verringerte Aktivität der Cystathionin-β-Synthase. Es besteht eine positive Korrelation zwischen Homocysteinspiegel und Serum-Kreatinin, wobei angenommen wird, dass Störungen der Nierenfunktion über einen herabgesetzten Metabolismus und/oder durch verminderte glomeruläre Filtration zur Hyperhomocysteinämie führen können (Hankey und Eikelboom, 1999).
Etliche Lebensstil- und Ernährungsfaktoren können den Homocysteinspiegel beeinflussen. So sind
Nikotinabusus, Kaffeegenuss und regelmäßige hohe Alkoholzufuhr mit höheren Homocysteinspiegeln,
Sport und moderater Alkoholkonsum dagegen mit niedrigeren Homocysteinwerten assoziiert (Nygård
et al., 1999; Halsted, 2001). Der Einfluss der im Homocysteinstoffwechsel unmittelbar beteiligten Vitamine Folsäure, B6 und B12 auf den Homocysteinspiegel wurde in zahlreichen Korrelationsstudien
untersucht und inzwischen liegen auch Interventionsstudien vor, die den Einfluss einer Vitaminsupplementierung demonstrieren (Homocysteine Lowering Trialists' Collaboration, 1998).
Am deutlichsten ist der Zusammenhang bei Folat: Sowohl die Zufuhr mit der Nahrung, als auch
die Folatkonzentration im Blut zeigen einen deutlichen inversen Zusammenhang mit dem Homocysteinspiegel. Für Vitamin B12 wurden zwar schwächere, aber insgesamt auch eindeutige inverse Korrelationen gefunden (Selhub et al., 1993). Weniger gesichert ist die Korrelation zwischen Vitamin B6
und Nüchternhomocystein. Dass Nüchternspiegel von Homocystein wenig oder nicht mit dem Pyridoxinstatus korrelieren, ist mit der Position der Vitamin B6-abhängigen Enzyme im Stoffwechsel zu
erklären, da der Transsulfurierungsweg hauptsächlich bei erhöhter Methioninzufuhr aktiviert wird. In
Übereinstimmung damit gibt es etliche Untersuchungen, die zeigen, dass ein guter Pyridoxinstatus
den Anstieg von Homocystein im Rahmen eines Methioninbelastungstests verringert (Ubbink et al.,
1996).
Interventionsstudien mit Vitaminsupplementen bestätigen die Ergebnisse der Querschnittsstudien und zeigen einheitlich, dass die Senkung des Nüchternhomocysteinspiegels mit Folsäure am effektivsten ist und mit Vitamin B6 am geringsten. Aus einer 1998 publizierten Metaanalyse (Homocysteine Lowering Trialists' Collaboration, 1998) geht hervor, dass bei Personen mit durchschnittlichen
Homocysteinwerten eine Supplementierung mit Folsäure ab 0,5 mg/Tag zu einer Senkung des Homocysteinspiegels um 25 % führt. Die Zugabe von 0,5 mg Vitamin B12/Tag bewirkt eine weitere Verminderung um 7%, während Vitamin B6 keinen zusätzlichen Einfluss hat.
Noch nicht endgültig geklärt ist die tatsächliche praktische Bedeutung eines weiteren Vitamins
der B-Gruppe, nämlich von Vitamin B2 (Riboflavin) auf den Homocysteinspiegel (McNulty et al., 2002;
Moat et al., 2003).
Neben einer eingeschränkten Nierenfunktion können erhöhte Homocysteinspiegel auch bei verschiedenen Erkrankungen (Hypothyreose, proliferative Erkrankungen) sowie unter medikamentösen
Therapien auftreten. Einige Medikamente können - meist durch Wechselwirkung mit den Vitaminen
Folat oder Pyridoxin - den Homocysteinspiegel beeinflussen (Nygård et al., 1999; Dierkes et al., 1999).
Bei Patienten mit Herz- und Gefäßerkrankungen sind Hypertriglyceridämien häufig und werden teilweise mit Fibraten behandelt. Aus dieser Medikamentengruppe können jedoch einige Vertreter (insbes. Fenofibrat) den Homocysteinspiegel erhöhen, was bei der Medikamentenauswahl berücksichtigt
werden sollte (Dierkes et al., 2003).
260
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
Nach der "American Heart Association" (AHA) gelten Homocystein-Nüchternplasmawerte zwischen 5 und 15 µmol/l als normal, für Risikopatienten wird ein Wert = 10 µmol/l angestrebt (Malinow et al., 1999). Die "D.A.CH.-Liga Homocystein" aus Deutschland, Österreich und der Schweiz
schlägt in einem 2003 publiziertem Konsensuspapier (Stanger et al., 2003) folgende Einteilung vor:
-
12-30 µmol/l:
10-12 µmol/l:
<10 µmol/l:
moderate Hyperhomocysteinämie
tolerabel bei Gesunden, Handlungsbedarf für Patienten
günstig/kein Handlungsbedarf/Therapieziel.
Homocystein und Herz-Kreislauferkrankungen
1969 postulierte McCully die "Homocystein-Theorie der Arteriosklerose", basierend auf der Untersuchung von Gefäßwandveränderungen zweier Kinder mit Stoffwechseldefekten, die zu Homocystinurie führten (McCully, 1969). Die erste Fall-Kontrollstudie, die ein häufigeres Auftreten eines gestörten Methionin-Homocysteinstoffwechsels bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung fand, wurde 1975 präsentiert (Wilcken und Wilcken, 1976).
Es folgten weitere Fall-Kontrollstudien, wobei nicht nur bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung höhere Homocysteinspiegel gefunden wurden, sondern auch (und teilweise sogar noch häufiger) bei Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit, cerebrovasculären Erkrankungen (Insulten) und venösen Thrombosen (Welch & Loscalzo, 1998).
Eine Metaanalyse (großteils retrospektiver Studien) aus dem Jahr 1995 errechnete, dass 10% aller Koronarerkrankungen auf erhöhtes Homocystein zurückzuführen seien. Eine Homocysteinerhöhung um 5 µmol/l steigerte das Koronarerkrankungsrisiko bei Männern um 60% und bei Frauen um
80% (Boushey et al., 1995).
Eine in neun Ländern durchgeführte europäische Fall-Kontrollstudie (750 Fälle, 800 Kontrollen)
identifizierte erhöhte Homocysteinspiegel als unabhängigen Risikofaktor für kardiale, zerebrale und
periphere Folgeerkrankungen der Atherosklerose, vergleichbar mit Rauchen oder Hypercholesterinämie, wobei ein durch Hypertonie bestehendes Risiko noch zusätzlich verstärkt wurde (Graham et al.,
1997).
Eine prospektive britische Studie (Wald et al., 1998) fand einen deutlichen Zusammenhang zwischen Homocystein und koronarer Herzerkrankung, wobei sich eine kontinuierliche Risikosteigerung
um 41% (Konfidenzintervall 20-65%) pro 5 µmol/l höherem Homocystein zeigte. Dagegen konnte in
einer prospektiven finnischen Studie kein Zusammenhang zwischen Homocystein und koronarer Herzerkrankung festgestellt werden (Alfthan et al., 1994). Insgesamt zeigten prospektive Untersuchungen keine so konsistenten Ergebnisse wie retrospektive (Kircher & Sinzinger, 2000). Während Homocystein Mitte der 90er Jahre als neuer Risikofaktor immer bekannter wurde und prospektive randomisierte placebokontrollierte Interventionsstudien initiiert wurden, um die optimale Dosis zur Homocysteinsenkung zu finden (Verhoef und Stampfer, 1995), wurde der kausale Zusammenhang zwischen mäßig erhöhtem Homocystein und Koronarsklerose gegen Ende der 90er Jahre und um die
Jahrtausendwende immer öfter kritisch hinterfragt (Dudman, 1999; Brattström und Wilcken, 2000).
Es wurde die "umgekehrte Kausalitätshypothese" entwickelt, wonach leichte Hyperhomocysteinämien
in Verbindung mit atherosklerotischen kardiovaskulären Erkrankungen eine Folge und nicht Ursache
der Erkrankung sind (Brattström & Wilcken, 2000). In diesem Modell führen Hypertonie und Atherosklerose zu einer Nephrosklerose mit Einschränkung der Nierenfunktion, die durch die verminderte Plasmaclearance zu einer Erhöhung des Homocysteinspiegels im Blut führt.
Ende 2002 wurden etliche Metaanalysen publiziert, die alle eine eindeutige Assoziation zwischen
Homocystein und Herz-Kreislauferkrankungen zeigten, wenn auch die Bedeutung unterschiedlich hoch
eingeschätzt wird. Je nach Studienergebnis wird ein erhöhter Homocysteinspiegel als bescheidener
Prädiktor (The Homocysteine Studies Collaboration, 2002), mäßig bedeutender Risikofaktor (Bautista
et al., 2002) oder eindeutiger Risikofaktor mit starkem Hinweis auf kausale Assoziation (Wald et al.,
2002) bezeichnet.
Die endgültige Antwort auf die Frage, wie groß die Bedeutung von Homocystein als unabhängiger Risikofaktor tatsächlich ist, wird wohl noch eine Weile ausständig bleiben, denn auch Interventionsstudien mit Endpunktparametern können dieses Problem wohl nicht sofort lösen. Gerade für Folat sind in den letzten Jahren positive kardiovaskuläre Effekte bekannt geworden, die unabhängig von
der Homocysteinsenkung wirken (Verhaar et al., 2002). Und auch für Vitamin B6 werden eigenständige kardiovaskuläre Effekte diskutiert (Robinson et al., 1995).
261
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
Tab. 5.5:
Übersicht pathogenetischer
Mechanismen
von Homocystein (zusammengestellt nach
Welch & Loscalzo, 1998;
Kircher & Sinzinger, 2000;
Stanger et al.,
2003)
Homocystein und Radikalstoffwechsel
-
Bildung von Wasserstoffperoxid (H2O2), Peroxynitrit, u.a.
-
↓ Expression der Glutathionperoxidase
-
↓ Glutathion intrazellulär
Homocystein und Gefäß(wand)schädigung
-
Endotheldysfunktion und Intimaschäden
-
↓ Produktion von NO und Prostacyclin
-
Störung der endothelabhängigen Vasodilatation auf ADP und Acetylcholin
-
Proliferationshemmung von Endothelzellen
-
Aktivierung von ILGF, PDGF; Cyclin-produktion
-
↑ Proliferation glatter Gefäßmuskelzellen
-
↑ Kollagensynthese
-
↑ Synthese und Ablagerung von sulfatierten Proteoglycosaminoglycanen
-
Aktivierung der Elastase → Degeneration von Elastin
-
↑ Chemotaxis
Interaktion mit Lipiden und Lipoproteinen
-
↑ Lipidbiosynthese
-
↑ Oxidation von Lipiden und Lipoproteinen (bes. LDL)
-
Reaktion von Homocysteinthiolacton (hochreaktive Anhydridform) mit LDL zu
dichten Aggregaten → ↑ Schaumzellbildung
Interaktion mit dem Gerinnungssystem
-
↑ Produktion von Thromboxan A2
-
↑ Plättchenaggregation (u.a. auch über S-Nitroso-homocystein)
-
↑ Bindung von Lipoprotein(a) an Fibrin
-
↓ Protein C-Aktivierung
-
↓ Zelloberflächenexpression von Thrombomodulin
-
↓ Antithrombinaktivität
-
↑ Aktivierung von Faktor V, X, XII und von Willebrand-Faktor
-
↓ Bindung von Gewebsplasminogenaktivator an Endothelzellen
Eine Vielzahl von pathogenetischen Wirkmechanismen, über die Homocystein
gefäßschädigend wirken könnte, wurde anhand von tierexperimentellen Daten, invitro Studien und zunehmend auch von Humandaten beschrieben. Die Tabelle 5.5
fasst verschiedene Befunde systematisch zusammen. Dabei muss aber berükksichtigt werden, dass wahrscheinlich gerade die Interaktion mehrerer pathogenetischer Faktoren letztendlich für eine tatsächliche Schädigung in vivo ausschlaggebend ist. So kann etwa eine durch Homocystein verursachte erhöhte Produktion freier Sauerstoffradikale nicht nur die Lipidoxidation verstärken, sondern
über eine Funktionsstörung der Endothelzellen auch das Gerinnungssystem negativ beeinflussen.
Homocysteinstudie Südostösterreich 2003
Unter der Leitung von Herrn Prim. Dr. B. Zirm (Innere Medizin, LKH Bad Radkersburg) wurde eine epidemiologische Studie zum Homocysteinstatus der Bevölkerung im Südosten der Steiermark durchgeführt. Die Rekrutierung erfolgte über
Zeitungsinserate. Ausgewertet wurden 528 Probanden im Alter von 20 bis 75 Jah-
262
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
ren. Die Daten wurden Anfang 2003 veröffentlicht (www.lebensstil-medizin.at). Bei
allen Personen wurde Homocystein gemessen (Fluoreszenzpolarisations-Immunoassay, Fa. Abbott) und mittels Fragebogen Lebensstilparameter inkl. Ernährung
und Risikofaktoren erfasst. Eine Hyperhomocysteinämie wurde definiert als Homocysteinspiegel > 11,7 µmol/l.
Insgesamt wurde bei 31% der Teilnehmer ein erhöhter Homocysteinspiegel
gefunden. Bei Einteilung in drei Altersklassen zeigt sich folgendes Ergebnis: In der
Altersklasse 20-40 Jahre (n=188) war Homocystein bei 11% erhöht, bei den 4160 jährigen (n=201) bei 32% und in der Altersgruppe 61-75 Jahre (n=139) lag bei
56% der Homocysteinspiegel über 11,7 µmol/l. Der altersabhängige Anstieg von
Homocystein ist bei dieser Untersuchung sehr deutlich, wobei allerdings auch die
Anzahl der im Fragebogen angegebenen Risikofaktoren (erhöhter Blutdruck, Hypercholesterinämie, Nikotinabusus) mit dem Alter naturgemäß ansteigt.
Homocystein bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung
Im Jahr 1998 wurden bei Patienten mit angiographisch verifizierter koronarer
Herzerkrankung, die an der 4. Medizinischen Abteilung mit Kardiologie des Krankenhauses Lainz der Stadt Wien interventionell behandelt wurden, Homocystein,
sowie die Vitamine Folsäure und B12 im Serum untersucht (Genser et al., 2002).
Die Daten von 262 Patienten werden beschrieben. Demographische und klinische
Basisidaten sind in Tab. 5.6 bei den Patienten insgesamt, sowie getrennt nach Geschlecht dargestellt. Tab. 5.7 zeigt Homocystein, Folat, Vitamin B12 und Lipide.
Der durchschnittliche Homocysteinspiegel ist bei Frauen um 6% niedriger als
bei Männern (p=0,047). 12 µmol/l wurde als Grenzwert gewählt, weil er einen
Kompromiss für den oben diskutierten Normalbereich darstellt, sowie wegen der
Verteilung der vorliegenden Daten und der Vergleichbarkeit mit den Werten aus
alle Patienten
Anzahl
Männer
Frauen
p*
262
189 (72 %)
73 (28 %)
Alter (Jahre)
60,9 ± 9,9
60,1 ± 9,8
62,9 ± 9,7 0,019
BMI (kg/m²)
27,2 ± 3,5
27.3 ± 3,5
27,3 ± 3,6 0,801
Diabetes mellitus
63 (24 %)
44 (23 %)
19 (26 %)
NIDDM
49 (19 %)
36 (19 %)
13 (18 %) 0,641
IDDM
14 (5 %)
8 (4 %)
Hypercholesterinämie
Hypertriglyceridämie
Herzinfarkt
214 (82 %) 150 (79 %)
6 (8 %)
64 (88 %) 0,119
77 (29 %)
60 (31 %)
17 (23,3%) 0,178
118 (45 %)
90 (48 %)
28 (38 %) 1,177
Raucher
71 (27 %)
55 (29 %)
16 (22 %)
Exraucher
93 (36 %)
72 (38 %)
21 (29 %) 0,047
Nichtraucher
98 (37 %)
62 (33 %)
36 (49 %)
Alkoholkonsum: keiner
109 (42 %)
58 (31%)
51 (70 %)
gelegentlich
106 (41 %)
85 (45 %)
21 (29 %) <0,001
regelmäßig
47 (18 %)
46 (24 %)
1 (1,4 %)
Koronare
Eingefäßerkrankung
129 (49 %)
87 (46 %)
42 (58 %)
Zweigefäßerkrankung
89 (34 %)
62 (33 %)
27 (37 %) 0,009
Dreigefäßerkrankung
44 (17 %)
40 (21 %)
* Chi-Quadrat Test nach Pearson bzw. Mann-Whitney U-Test
263
4 (5 %)
Tab. 5.6:
Demographische und klinische Basisdaten für alle Patienten und getrennt nach
Geschlecht
(Angaben in
absoluten Zahlen (Prozent),
bzw. Mittelwert
± Standardabweichung)
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
Tab. 5.7:
Homocystein,
Vitamine und
Lipidparameter
aller Patienten
und getrennt
nach Geschlecht, Angaben als Median
(25. - 75. Perzentile) und
Mittelwert ±
Standardabweichung
Patientenanzahl
Homocystein
(µmol/l)
alle Patienten
262
Männer
189 (72 %)
12.6 (10.6 - 15.1) 13.0 (11.0 - 15.1)
13.4 ± 4.4
13.6 ± 4.2
Frauen
73 (28 %)
p*
11.8 (9.4 - 15.1) 0.047
12.8 ± 4.5
Folat
(ng/ml)
6.8 (5.5 - 8.7)
7.2 ± 2.5
7.0 (5.7 - 8.7)
7.2 ± 2.2
Vitamin B12
(pg/ml)
Gesamtcholesterin
(mg/dl)
340 (268-442)
363 ± 142
334 (262 - 442)
361 ± 151
355 (274 - 441) 0.246
366 ± 114
203 (180 - 227)
206 ± 39
202 (176 -224)
203 ± 38
209 (188 - 246) 0.044
215 ± 42
HDL-Cholesterin
(mg/dl)
6.6 (5.2 - 8.8)
7.3 ± 3.1
0.059
39.3 (33.0 - 47.0) 38.5 (32.0 - 44.0) 44.5 (36.0 - 52.1) <0.001
40.6 ± 10.6
38.9 ± 9.6
45.0 ± 11.8
LDL- Cholesterin
(mg/dl)
TC/HDL
Triglyceride
(mg/dl)
129 (109 - 151)
131 ± 35
126 (106 - 148)
128 ± 33.6
5.2 (4.3 - 6.1)
5.4 ± 1.5
5.2 (4.5 - 6.2)
5.5 ± 1.5
153 (115 - 210)
176.4 ± 96.6
156 (116 - 214)
181 ± 100
139 (115 - 161) 0.016
139 ± 37
4.9 (4.1 - 5.7)
5.1 ± 1.4
0.041
144 (113 - 194) 0.211
165 ± 85
* Mann-Whitney-U Test
der steirischen Untersuchung. Anhand der Abb. 5.12 wird ersichtlich, dass über die
Hälfte aller Frauen (53 %) einen Homocysteinwert unter 12 µmol/l haben, während der Großteil der Männer (60 %) darüber liegt. Diese Werte entsprechen etwa den Ergebnissen der höchsten Altersklasse der südostösterreichischen Studie.
Dabei muss bedacht werden, dass das durchschnittliche Patientenalter bei 61 Jahren liegt, was dem unteren Bereich der Altersklasse in der südoststeirischen Untersuchung entspricht. Der trotzdem relativ hohe Anteil an Patienten mit Hyperhomocysteinämie ist vereinbar mit zahlreichen Daten, die bei Patienten mit koronaren Herzerkrankungen erhöhte Homocysteinspiegel beschreiben.
Trotz der relativ engen Spannbreite des Alters im vorliegenden Patientenkollektiv (50% der Patienten sind zwischen 54 und 69 Jahre alt) zeigt sich auch in
dieser Untersuchung eine positive Korrelation zwischen Homocystein und Alter (r=
0.31, p<0,001 für alle Patienten; s. Tab. 5.8). Zwischen Homocystein und den Vitaminen Folat bzw. B12 besteht eine signifikant negative Korrelationen (Tab. 5.8).
Zur leichteren Erfassung des Zusammmenhanges zwischen Homocystein und
der Vitaminversorgung sind erhöhte Homocysteinwerte (Serumhomocystein >12
µmol/l) in Abhängigkeit vom Folat- und Vitamin B12-Status dargestellt (Abb. 5.13
und 5.14). Sowohl ein niedrigerer Folatspiegel als auch ein niedrigerer Vitamin B12Spiegel gehen mit einem deutlich erhöhten Risiko für eine Hyperhomocysteinämie
einher.
Ein Folatspiegel <3 ng/ml als Hinweis für eine eindeutige Unterversorgung
(Sauberlich, 1999; Mason 2003) ist bei weniger als 2% der Patienten zu finden.
Werte zwischen 3 und 5 ng/ml gelten als marginale Versorgung (Mason 2003). Ins-
Abb. 5.12:
Verteilung der
Homocysteinspiegel in %
nach Geschlecht
70
60
50
40
%
30
20
10
0
Männer
Frauen
<12
12-30
264
>30
Homocystein (µmol/l)
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
alle Patienten
r
p
Männer
r
p
Frauen
r
p
Alter
0,31
<0,001
0,39
<0,001
0,24
0,041
Folat
-0,34
<0,001
-0,36
<0,001
-0,33
0,006
Vitamin B12
-0,24
<0,001
-0,23
<0,001
-0,24
0,041
0,38
<0,001
0,39
<0,001
0,34
0,003
Kreatinin
100
80
%
Männer
60
Frauen
40
Tab. 5.8:
Korrelationen
zwischen Homocystein und
Alter, Kreatinin, Folat und
Vitamin B12
Abb. 5.13:
Anteil erhöhter
(> 12µmol/l)
Homocysteinspiegel
(in %) in Abhängigkeit vom
Folatstatus
20
0
<5
5-8,5
>8,5
Folat (ng/ml)
80
70
60
Männer
50
%
Frauen
40
30
20
10
0
<250
250-450
>450
Vitamin B12 (pg/ml)
gesamt haben 17% der Patienten einen Serumfolatspiegel unter 5 ng/ml (Frauen:
20%, Männer: 16%). Bei insgesamt 83 Prozent dieser Patienten liegt der Homocysteinspiegel über 12 µmol/l, während bei einem Folatspiegel von über 8,5 ng/ml
bei 33% der Patienten eine Hyperhomocysteinämie besteht. In Abb. 5.13 sind die
Ergebnisse nach Geschlechtern getrennt dargestellt.
Bei Vitamin B12 treten Werte <150 pg/ml Serum (als Indiz für einen eindeutigen Mangel; Sauberlich, 1999; Mason, 2003) bei 3,7% der Männer und bei 2,8%
der Frauen auf. Jedoch können auch bei Werten über 150 pg/ml bereits klinische
Mangelerscheinungen auftreten (Mason, 2003), weshalb für die vorliegende Auswertung in Übereinstimmung mit anderen Literaturquellen (Baik & Russell, 1999)
250 pg/ml als unterer Grenzwert gewählt wurde. Insgesamt lag bei 21% der untersuchten Patienten der Vitamin B12 -Wert unter 250 pg/ml (Männer: 24%, Frauen:
13%). In dieser Gruppe hatten 74 % einen erhöhten Homocysteinspiegel. Bei einem Vitamin B12-Wert über 450 pg/ml waren 47 % der Homocysteinspiegel erhöht (Abb. 5.14). Diese Ergebnisse weisen auf die Bedeutung einer ausreichenden
Versorgung mit den Vitaminen Folsäure und Vitamin B12 bei der Höhe des Homocysteinspiegels hin und lassen eine bessere Versorgung als wünschenswert erscheinen.
Die Lipidwerte sind in Tab 5.7 zusammengefasst. Es liegen signifikante Differenzen zwischen Männern und Frauen vor: Frauen haben ein um 13,5 % höheres
HDL-Cholesterin (p<0,001). Auch der Gesamtcholesterinspiegel ist bei Frauen
265
Abb. 5.14:
Anteil erhöhter
(> 12 µmol/l)
Homocysteinspiegel
(in %) in Abhängigkeit vom
Vitamin B12
status
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
(grenzwertig) signifikant höher (um 6%, p=0,044), ebenso LDL-Cholesterin (um 9%, p=0,016). Der
durchschnittliche Gesamtcholesterin/ HDL-Quotient ist bei Frauen mit 5,1 im Vergleich zu den Männern mit 5,5 signifikant (p=0,041) günstiger. Zwischen Homocystein und Lipidwerten wurden keine
signifikanten Beziehungen gefunden, wobei anzumerken ist, dass ein Teil der Patienten bereits eine
lipidsenkende Therapie einnahm.
Bewertung von Homocystein als Risikofaktor in Österreich
Die oben beschriebenen Werte sind vergleichbar mit Daten aus internationalen Studien (Selhub
et al., 1993). Wie bereits oben beschrieben, ist die quantitative Bedeutung von Homocystein als Risikofaktor noch nicht eindeutig geklärt, weshalb auch eine verlässliche Einschätzung für Österreich
noch nicht möglich ist.
Vor konkreten Empfehlungen für die Allgemeinbevölkerung wird international meist empfohlen,
die Ergebnisse der derzeit laufenden großen Interventionsstudien mit definierten klinischen Endpunkten abzuwarten (Malinow et al., 1999; Stanger et al., 2003). Die amerikanische Herzgesellschaft
(American Heart Association, AHA) weist jedoch ausdrücklich darauf hin, bis dahin den Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr von Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 durch Verzehr von Gemüse, Obst,
Leguminosen, Fleisch, Fisch, angereicherte Getreide- und Cerealienprodukte nachzukommen (Malinow et al., 1999). Für das Management von Hochrisikopersonen bzw. -patienten wird ein stufenweises Vorgehen zur Senkung des Homocysteinspiegels auf unter 10 µmol/l vorgeschlagen. Bei nachgewiesenem höheren Homocysteinspiegel soll zunächst der Vitaminstatus (Folsäure, Vitamine B6 und
B12) erhoben und eine entsprechende Diät eingeleitet werden, deren Erfolg nach einem Monat kontrolliert werden sollte. Erst wenn bei der Kontrolle Homocystein weiterhin erhöht ist, wird der Einsatz
von Multivitaminpräparaten bzw. eine gezielte Supplementierung mit Folsäure, Vitamin B6 und B12
mit nachfolgenden Kontrollen empfohlen.
Die neugegründete D-A-CH-Liga Homocystein (www.dach-liga-homocystein.org) mit Mitgliedern
aus Österreich, Deutschland und der Schweiz empfiehlt ebenfalls bei Risikogruppen für Herz-Kreislauferkrankungen und bei Patienten mit bereits manifester Gefäßerkrankung die Messung und Behandlung von Homocysteinspiegeln über 10 µmol/l. Für Gesunde gibt auch die D-A-CH-Liga Homocystein noch keine konkrete Vorgangsweise an, sondern empfiehlt das Abwarten der Interventionsstudien.
Anhand folgender Spezialthematik soll die potentielle Problematik von umfassenden Supplementempfehlungen für die Therapie von Hyperhomocysteinämien auch bei kardiovaskulären Patienten diskutiert werden: Seit 1999 sind mehrere Studien publiziert worden, die den Zusammenhang zwischen
Homocystein und Restenoserate (Wiederverschlussrate) nach Aufdehnung von Herzkranzgefäßen
mittels Ballonkatheter (PTCA, percutane transluminale Coronarangioplastie) untersuchten. Die Ergebnisse von Beobachtungsstudien sind dabei nicht einheitlich (Genser, 2003). Inzwischen liegen
auch zwei Interventionsstudien mit kontroversiellen Ergebnissen vor: Schnyder et al. (2001) fanden
bei Patienten, die mit einer Kombination von 1 mg Folsäure, 400 µg Vitamin B12 und 10 mg Pyridoxin (Vitamin B6) behandelt wurden, eine geringere Restenoserate als in der Placebogruppe. Dagegen war in einer anderen Studie die Restenoserate in der Interventionsgruppe unter ähnlicher Therapie sogar höher (Lange et al., 2003). Obwohl die Gabe von Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6
– in Supplementform auch in höherer Dosierung – im Allgemeinen als sicher angesehen wird, könnte es doch gewisse Konstellationen geben, bei denen eine kontraproduktive Wirkung nicht auszuschließen ist. Im Sinne der "evidence based medicine" sollten deshalb die Ergebnisse der laufenden
Interventionsstudien abgewartet werden, bevor generelle Empfehlungen für Vitaminpräparate getätigt werden. Das Beispiel der erhöhten Lungenkrebsrate durch Supplementierung mit hochdosiertem
β-Carotin bei Personen mit erhöhtem Risiko (z.B. Raucher) zeigt, dass selbst bei überzeugender Datenlage von Beobachtungsstudien die Ergebnisse entsprechender Interventionsstudien für Überraschungen sorgen können (Albanes et al., 1996).
Unabhängig von derartigen Überlegungen ist jedoch die Rolle von Homocystein als Risikoindikator für Herzkreislauferkrankungen und andere Erkrankungen (Malinow, 2001), sowie vor allem als
Marker für die Versorgung mit Folsäure und Vitamin B12 zu sehen (Mason, 2003). Es ist deshalb durchaus zu befürworten, Homocystein als Untersuchungsparameter vermehrt zu etablieren. Die Konsequenz bei Vorliegen erhöhter Werte muss jedoch nicht automatisch eine Supplementierung sein, sondern es sollte anhand einer Ernährungsanamnese erhoben werden, ob eine Optimierung der Ernährung und insbesondere eine höhere diätetische Zufuhr mit Folsäure möglich ist. Der Vorteil einer Ernährungsberatung liegt darin, dass nicht nur eine Erhöhung der Vitaminzufuhr zur Verbesserung des
266
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
Homocysteinspiegels erreicht werden könnte, sondern auch andere Ernährungsstrategien zur Senkung des kardiovaskulären Risikos propagiert werden können, wie Modifikation der Fettzufuhr, Erhöhung des Fischkonsums, vermehrte Zufuhr sekundärer Pflanzeninhaltstoffe, antioxidativer Nahrungsbestandteile, etc.
Eine effektive Senkung des Homocysteinspiegels durch diätetische Beeinflussung ist inzwischen
mehrfach dokumentiert (Chait et al., 1999; Appel et al., 2000; Venn et al, 2002).
267
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
5.3 Ernährung bei HIV-Infektion*
Zusammenfassung
In Österreich werden jährlich über 1,2 Millionen Personen auf HIV (= Human Immunodeficiency
Virus) getestet. Eine halbe Million dieser Tests werden bei Blutspendern gemacht. Je nach Quelle
werden in Österreich zwischen 9000 und 15000 (AIDS-Hilfen) HIV-Infektionen angenommen.
Bei mit dem HI-Virus infizierten Patienten besteht zu jedem Zeitpunkt die Gefahr einer Fehl- bzw.
Mangelernährung. Die Mangelernährung und das Wasting-Syndrom1 waren bis zur Einführung der
HAART (= Highly Active Antiretroviral Therapy) bei HIV+ Patienten stark verbreitet. Seit Einführung
der HAART gibt es deutlich weniger Patienten mit einem Body Mass Index (BMI) unter 20 kg/m². Die
meisten Patienten nehmen nach Beginn der HAART zu. Patienten, die mit einer HAART behandelt
werden, sollten unbedingt die Einnahme von alternativen, komplementärmedizinischen Präparaten
mit dem sie betreuenden Arzt besprechen. Ausgeprägte Ernährungsprobleme treten häufiger im fortgeschritteneren Erkrankungsstadium auf.
HIV-Infektion und AIDS
Erstmals wurde 1981 von einer neuartigen, erworbenen Immundefizienz (Acquired Immunodeficiency Syndrom, AIDS) berichtet. In der Folge erkannte man, dass es sich hierbei um eine virale Infektion handelt, die über sexuelle oder Blut/Blut-Kontakt(e) übertragen wird.
Die (chronische) Infektion mit dem HI-Virus verläuft klinisch zunächst asymptomatisch. Die ständige Virusvermehrung im lymphatischen Gewebe verursacht eine progrediente Verminderung der
CD4+ Lymphozyten. Im Laufe der Infektion kommt es zur Erschöpfung des immunologischen Regenerationspotentials. Dadurch werden HIV-positive Personen sehr anfällig für z.B. Krankheitserreger,
die normalerweise bei immunkompetenten Personen durch die zelluläre Immunantwort ausgeschaltet werden (opportunistische Infektionen). AIDS liegt dann vor, wenn (die Zahl der T-Lymphozyten
im Blut auf weniger als 200 Zellen pro µl gesunken ist und) die Patienten an opportunistischen Infektionen, Malignomen erkranken oder andere AIDS-definierende Erkrankungen aufweisen. Die Mangelernährung und das Wasting-Syndrom waren bis zur Einführung der hochaktiven antiretroviralen
Therapie (HAART) bei HIV-Infizierten stark verbreitet. Das AIDS-Wasting Syndrom ist definiert als ein
ungewollter Gewichtsverlust von mindestens 10% des Ausgangsgewichts bei gleichzeitiger chronischer Diarrhö (ohne spezifischen Erregernachweis) oder chronischer Abgeschlagenheit und/oder Fieber (>1 Monat) [Center of Disease Control, 1993]. Die Einführung der HAART ermöglichte es, die Virusreplikation drastisch (medikamentös) zu verringern. Unter HAART nehmen die CD4+ Lymphozyten zu, opportunistische Infektionen wurden in den letzten Jahren seit der breiten Anwendung der
HAART um ~80% seltener beobachtet. Die derzeit verfügbaren Medikamente greifen an verschiedenen Punkten in den Lebenszyklus des HI-Virus ein, Hemmung der reversen Transkription der VirusRNA in DNA (reverse Transkriptasehemmer) bzw. Hemmung der Virusprotease, wodurch die Entstehung eines funktionell-intakten Viruspartikels verhindert wird (Proteaseinhibitoren). Wenngleich in
der Therapie große Fortschritte erzielt wurden, ist es wichtig festzuhalten, dass die HIV-Infektion bis
dato immer noch nicht geheilt werden kann.
HIV-Infektion und AIDS in Österreich
In Österreich werden jährlich über 1,2 Millionen Personen auf HIV getestet. Eine halbe Million
dieser Tests werden bei Blutspendern gemacht. Je nach Quelle schwankt die Zahl an HIV-infizierten
Personen/AIDS Kranken in Österreich zwischen 9000 [Bundesministerium für soziale Sicherheit und
Generationen, 2003] und 15000 (AIDS-Hilfen). Die Diskrepanz ergibt sich u.a. daraus, dass die AIDSInfektion, also die HIV-Infektion im fortgeschrittenen Stadium, nicht jedoch die HIV-Infektion per se
eine meldepflichtige Erkrankung ist. Darüberhinaus werden jährlich ca. 400 Neuinfektionen, also 12 pro Tag, angenommen. Zwischen 1998 und 2002 ist die Zahl der neu erfassten HIV Infektionen in
Österreich von insgesamt 313 auf 442 angestiegen, davon waren 1998 lediglich 52 Frauen. Im Jahr
2002 wurde bei 117 Frauen eine neue HIV-Infektion erfasst [Österreichische AIDS-Statistik, 2003].
Hiermit wird deutlich, dass die HIV-Infektion nicht mehr, wie in der Bevölkerung noch vielfach angenommen, nur ein Problem von Männern ist.
* Dr. Karin Schindler, Universitätsklinik für Dermatologie, Abteilung für Immundermatologie und infektiöse Hautkrankheiten, Währinger Gürtel 18 - 20, 1090 Wien
268
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
Seit 1983 sind in Österreich 2218 AIDS-Erkrankungen gemeldet worden, 1320 der Patienten sind
bereits verstorben [Österreichische AIDS-Statistik, 2003].
Ernährung HIV-Infizierter
Ernährung ist ein wichtiger Modulator für das Immunsystem. Es ist bekannt, dass sowohl eine
Unter-, als auch eine Fehlernährung die Immunfunktion beeinträchtigen.
Bei mit dem HI-Virus infizierten Patienten besteht zu jedem Zeitpunkt die Gefahr einer Fehl- bzw.
Mangelernährung. Eine schwere Mangelernährung und ungewollter Gewichtsverlust – vor allem der
fettfreien Masse – haben neben der negativen Wirkung auf das Immunsystem und die Infektabwehr,
u.a. auch Auswirkungen auf die Masse und Funktion innerer Organe, die Wundheilung, die Persönlichkeit und die geistige Vitalität. Eine Mangelernährung hat daher eine Verschlechterung der Lebensqualität, der Morbidität und Mortalität HIV-Infizierter zur Folge.
Das Auftreten einer Mangelernährung bzw. Gewichtsverlust kann verschiedene Ursachen haben.
Gründe für eine nicht bedarfsdeckende Ernährung sind: Appetitlosigkeit, Geschmacksstörung,
Durchfälle/Resorptionsstörung, Übelkeit und Erbrechen durch die HIV-Infektion per se oder im Zusammenhang mit der Einnahme von Medikamenten. Schmerzen, Entzündungen im Mund- und Rachenraum und opportunistische Infektionen führen ebenfalls zur Einschränkung der Nahrungsaufnahme. Soziale Isolation und Depressionen können das Essverhalten ebenfalls negativ beeinflussen.
Weiters muss bedacht werden, dass durch die HIV-Infektion der Energieumsatz erhöht sein kann.
Verschiedene opportunistische Infektionen können den Ruheenergieumsatz zusätzlich erhöhen.
Die gastrointestinale Dysfunktion kann zu Absorptionsstörungen führen. Diarrhöen können durch
opportunistische Erreger (die häufigsten sind: Microsporidia, Cryptosporidium parvum, Mycobacterium avium, Cytomegalievirus), Laktasemangel, Pankreasinsuffizienz und eine HIV-Enteropathie verursacht sein. Eine verringerte HCl-Ausschüttung und die verminderte Bildung von Intrinsic-Faktor werden ebenfalls oft beobachtet [Kotler, 1998]. Ebenso kann die antiretrovirale Therapie, sowohl initial
passager als auch dauerhaft, zu Durchfällen führen.
Interaktionen zwischen Nahrung und Medikamenten beeinflussen die Effektivität und Verträglichkeit der HAART zum Teil beträchtlich. Nahrung im Gastrointestinaltrakt kann die Absorption der
antiretroviralen Medikamente je nach Wirkstoff hemmen bzw. fördern. Die Wechselwirkung zwischen
Medikament und Nahrung vermag die Serum-Medikamentenspiegel zu erhöhen, wodurch das Risiko
einer Unverträglichkeit zunimmt. Eine Verringerung steigert das Risiko einer nicht ausreichenden
Unterdrückung der Virusreplikation bzw. einer Resistenzselektion. Daher muss die Wahl der Medikamente auf den individuellen Lebens- und Mahlzeitenrhythmus abgestimmt werden.
Die Mangelernährung und das Wasting-Syndrom waren bis zur Einführung der HAART bei HIV+
Patienten stark verbreitet. Seit Einführung der HAART gibt es deutlich weniger Patienten mit einem
Body Mass Index (BMI) unter 20 kg/m². Die meisten Patienten nehmen nach Beginn der HAART zu.
In eigenen Untersuchungen in der HIV-Ambulanz des AKH-Wien waren 73% der Patienten normalgewichtig, lediglich 3% hatten einen BMI unter 20 kg/m². Jedoch waren bemerkenswerterweise
23% übergewichtig, 3% sogar adipös. Diese Beobachtung stimmt auch mit der anderer Zentren überein, weshalb vermutet worden war, dass die Mangelernährung und das Wasting-Syndrom keine Rolle mehr spielen. Die Daten der amerikanischen "Nutrition for Healthy Living" Studie zeigten jedoch,
dass für das Überleben der Gewichtsverlust nach wie vor für die Mortalität prädiktiv ist. Der Gewichtsverlust von 10% in sechs Monaten ist, verglichen mit gewichtsstabilen bzw. gewichtzunehmenden Patienten, mit einer vier bis sechsfach höheren Mortalität assoziiert [Tang et al., 2002].
In den letzten Jahren wird, als Nebenwirkung der HAART, zunehmend bei vielen Patienten eine
Umverteilung des Körperfettes beobachtet: Verlust des subkutanen Fettes an den Extremitäten, im
Gesicht und im Bereich des Gesäßes (Lipatrophie) und/oder Akkumulation des viszeralen, abdominalen Fettes und/oder eine Liphypertrophie im Bereich des Nackens ("Buffalo Hump") und der Brust.
Vor allem die Lipatrophie kann das Erkennen eines Wasting-Syndroms erschweren. Die berichtete
Prävalenz des HIV-assoziierten Lipodystrophie-Syndroms variiert zwischen <20 bis >80% [Carr, 2000,
American Dietetic Association, 2000]. Die Angst vor den sichtbaren Folgen dieser Umverteilung des
Körperfettes kann die Patienten vor einem Therapiebeginn bzw. der Fortsetzung einer funktionierenden Therapie abhalten.
Neben den Veränderungen der Körperform werden, häufig schon bald nach Therapiebeginn, Veränderungen des Glukose-, und Fettstoffwechsels beobachtet. In eigenen Untersuchungen beobachteten wir innerhalb eines halben Jahres nach Therapiebeginn eine signifikante Zunahme von HDL-,
269
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
LDL-Cholesterin, der Triglyzeride, sowie der Harnsäure im Serum [PernerstorferSchön et al., 1999]. Andere Arbeitsgruppen beschreiben eine Zunahme der Prävalenz von Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen. Bei Therapieregimen, die einen Proteaseinhibitor beinhalten, liegt die Inzidenz einer gestörten Glukosetoleranz bei 30-90% [Gelato, 2003]. Dies ist auch in Zusammenhang mit der Akkumulation von viszeralem Fett zu sehen. Die Insulinsensitivität der Adipozyten des
viszeralen Fettes ist verglichen mit jener des subkutanen Fettes geringer, gleichzeitig sind sie sensitiver für lipolytische Stimuli - das Insulin ist daher häufig erhöht und es gelangen mehr freie Fettsäuren ins Blut [Fujimoto et al., 1978].
Die Ätiologie der Stoffwechselveränderungen und der Umgestaltung der Körperzusammensetzung ist immer noch unklar. Eine Rolle spielen die Toxizität der
Therapie, Veränderungen des Immunsystems im Zusammenhang mit der erfolgreichen Therapie, genetische Disposition und möglicherweise auch die HIV-Infektion per se.
Die signifikant höhere Inzidenz von Osteopenie und Osteoporose bei Patienten mit HAART im Vergleich zu jenen ohne Therapie bzw. seronegativen Probanden ist ebenfalls im Zusammenhang mit der Kombinationstherapie zu sehen [Mondy et al., 2003].
Ernährung HIV-Infizierter Patienten in der Praxis
Die Ernährung spielt in jedem Stadium der HIV-Infektion ein Rolle. Ziel ist immer die optimale Versorgung mit Nährstoffen, die Vermeidung des ungewollten
Gewichtsverlustes und die Prävention ernährungsabhängiger Erkrankungen.
Der Zusammenhang zwischen Nährstoffdefiziten und Progredienz der Erkrankung wurde in verschiedenen Studien berichtet [Graham et al., 1991, Daum et al.,
1991a, Tang et al., 1993, Tang et al., 1997a, Tang et al., 1997b]. Daher erscheint
es von großer Bedeutung, den Patienten frühzeitig, im günstigsten Fall bald nach
Diagnosestellung, auch eine Ernährungsberatung über den Besuch einer Medizinischen Institution (Ambulanz) hinaus anzubieten.
Diese dient der Erfassung des aktuellen Ernährungszustands und beinhaltet
anthropometrische Messungen (Körpergröße, aktuelles Körpergewicht, Körpergewicht vor der Infektion, Gewichtsverlauf in den letzten Monaten) und die Bestimmung der Körperzusammensetzung (fettfreie Masse, Fettmasse) mittels bioelektrischer Impedanzanalyse (BIA) bzw. Dual Energy X-ray Absorptiometrie (DXA).
Die DXA hat den zusätzlichen Vorteil, dass sie auch Auskunft über die regionale
Fettverteilung und die Knochendichte gibt. Um Veränderungen der Körperfettverteilung möglichst frühzeitig diagnostizieren zu können, haben sich regelmäßige
Messungen der Körperumfänge (Oberarm, Oberschenkel, Bauch und Hüfte) als
hilfreich erwiesen. Die Ernährungsanamenese umfasst die Erhebung der Nährstoffzufuhr (24h-Recall oder 5-Tage-Ernährungsprotokoll, Supplemente) und die
Verwendung pflanzlicher Wirkstoffe. Es muss weiters abgeklärt werden, ob Appetitlosigkeit, Übelkeit, Diarrhöen, Lebensmittelaversionen, Diäten, soziale oder psychische Auslöser die Nahrungszufuhr einschränken und dadurch das Risiko einer
Fehl- bzw. Mangelernährung besteht. Die Erhebung der individuellen Krankengeschichte und der Familienanamnese hinsichtlich Diabetes mellitus, Bluthochdruck
sowie des Risikos einer Herzerkrankung sind ebenfalls Teil der Ernährungsanamnese. Eine Ernährungsberatung wird an die individuellen Notwendigkeiten angepasst.
Tab. 5.9:
Zufuhr energieliefernder
Nährstoffe (in
% der Energie)
Patienten
Kontrollen
D-A-CH-Werte
Kohlenhydrate
44,3 5,7
44,3 7,5
>50%
Eiweiß
15,7* 2,2*
13,8 2,3
10%
Fett
36,5 5,2
35,8 6,7
max. 30%
Alkohol
3,4 4,6*
6,1 5,4
-
* p<0,05
270
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
Eine frühzeitige Beratung, noch in der asymptomatischen Phase zielt auf die Optimierung sowohl
der Ernährungsweise, als auch der Lebensweise ab. Sie beinhaltet darüber hinaus auch Informationen über die medikamentöse Therapie, körperliche Aktivität und Stress-Management. Dabei ist wichtig, dass nicht nur Informationen weitergegeben werden, sondern auch, dass die Patienten motiviert
werden, selbst Verantwortung zu übernehmen und Kenntnisse zu erwerben, um so aktiv und effektiv an der Behandlung ihrer Erkrankung mitarbeiten zu können. Dass hier durchaus Bedarf besteht,
zeigen eigene Untersuchungen der Nährstoffzufuhr asymptomatischer Patienten (n=69) (Tab.5.9).
Die Ballaststoffzufuhr der Patienten war deutlich geringer (19,5 ± 6,9g/d), die Cholesterinaufnahme deutlich höher (458 ± 170,5 mg/d) als in den D-A-CH-Referenzwerten angeführt.
Neben Informationen über eine gesunde Ernährung ist auch das Wissen über Küchen- und Lebensmittelhygiene ein wichtiger Inhalt. Dies ist von Bedeutung, da die Patienten anfällig für Lebensmittelvergiftungen, etwa mit Salmonellen, Campylobacter oder Yersinia sind. Eine Infektion mit einem dieser Bakterien bedeutet eine lebenslange Infektion, die mit Antibiotika nicht therapiert werden kann [Gorbach et al., 1993].
Die Ernährungsberatung muss auch Informationen über die Risiken von Außenseiterdiäten beinhalten. HIV-Patienten versuchen häufig, ebenso wie andere Schwerkranke, mit Hilfe alternativer Ernährungsformen ihre Erkrankung positiv zu beeinflussen. Dabei handelt es sich oft um naturwissenschaftlich nicht begründete Ernährungsformen, deren Heilversprechen um so größer sind, je mehr
sie von der üblichen Ernährung abweichen. Eine alternative Ernährung nach diesen Regeln kann zu
einseitigen Substratdefiziten, aber auch zu Malnutrition führen. Ein Beispiel dafür ist die derzeit in
den Medien häufig erwähnte Ernährungsform Anti-Pilz-Diät bei Candida-Besiedlung des Darms. Davon muss dringend abgeraten werden, da diese Ernährungsform energiereduziert und kohlenhydratarm ist [Schwenk und Kremer, 1997].
Patienten, die mit einer HAART behandelt werden, sollten unbedingt die Einnahme von alternativen, komplementärmedizinischen Präparaten mit dem sie betreuenden Arzt besprechen. Diese Präparate können Substanzen enthalten, die auf das Cytochrom P450 System und darüber auf die HAART
wirken. Grapefruitsaft verdoppelt die Bioverfügbarkeit des Proteaseinhibitors Saquinavir, Johanniskrauttropfen und Knoblauchkapseln verringern die Bioverfügbarkeit von Indinavir bzw. Saquinavir um
bis zu 57% [Kupferschmidt et al., 1998, Piscitelli et al., 2000, Piscitelli et al., 2002]. Die verringerte
Bioverfügbarkeit kann die Ausbildung von Resistenzen und letztlich ein Therapieversagen zur Folge
haben.
Ausgeprägte Ernährungsprobleme treten häufiger im fortgeschritteneren Erkrankungsstadium auf.
Patienten mit einem ungewollten Gewichtsverlust von mehr als 10% während der letzten 4-6 Monate bzw. von mehr als 5% innerhalb von vier Wochen (dann im Zusammenhang mit Diarrhö, Übelkeit
und Erbrechen, einer Soor Infektion im Mund und Rachenraum oder einer opportunistischen Infektion) müssen ernährungsmedizinisch abgeklärt werden. Es wird zunächst unterschieden, ob der Gewichtsverlust die Folge einer behandelbaren Ernährungsstörung, einer opportunistischen Infektion
oder der Progression der Erkrankung ist. Danach können entsprechende ernährungstherapeutische
Maßnahmen eingeleitet werden. Ziel dieser ist die Optimierung der Nährstoffzufuhr und eine Normalisierung der Energiebilanz.
Zur Kompensierung eines Gewichtsverlusts wird eine Anreicherung der täglichen Speisen mit Energie und eine Erhöhung der Proteinzufuhr empfohlen (1.2-2.0 g/kg Körpergewicht). Günstig sind hochkalorische kleinere Zwischenmahlzeiten. Eine hyperkalorische Ernährung fördert zwar die Gewichtszunahme und die Zunahme der Fettmasse, jedoch nicht die der fettfreien Masse (FFM) [Pernerstorfer-Schön et al., 1999]. Um eine Zunahme der FFM zu erreichen, bedarf es eines zusätzlichen anabolen Signals (körperliche Aktivität, Steroide, Wachstumshormon) [Kottler, 2000]. Appetitlosigkeit,
Übelkeit, Erbrechen sind häufig auch eine Folge der Medikamenteneinnahme. Oft kann eine geringfügige Umstellung der Tageseinteilung der Medikamenteneinnahme in Rücksprache mit dem behandelnden Arzt dieses Problem beseitigen. 20 bis 50% der Patienten leiden zumindest gelegentlich unter Diarrhöen, wobei diese selten eindeutig nahrungsabhängig sind. Daher ist primär die Ursache der
Diarrhö abzuklären – bakterielle Infektion, Medikamentennebenwirkung, Fettmalabsorption, Pankreasinsuffizienz. Besonders wichtig ist eine ausreichende Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr, die Bevorzugung leicht verdaulicher Speisen, meiden von Kaffee, Alkohol und Nikotin. Letzteres fällt in der Regel besonders schwer. Hausmittel, wie geriebener Apfel - braun werden lassen, Karotten-Reis-Suppe
und schwarzer Tee können den Patienten Erleichterung verschaffen. Werden Speiseöle mit einem hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren nicht vertragen, können diese durch Fette und Öle
mit einem hohen Anteil an mittelkettigen Fettsäuren ausgetauscht werden.
271
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
5.4 Diabetes mellitus
Zusammenfassung
Weltweit verzeichnet man steigende Inzidenz- und Prävalenzraten der Glucosetoleranzstörung Diabetes mellitus. Als besonders besorgniserregend gelten dabei die steigenden Erkrankungsraten nicht
nur in den mit zahlreichen "Wohlstandserkrankungen" kämpfenden Industrieländern, sondern auch
in den bevölkerungsreichen Ländern der sogenannten zweiten und dritten Welt sowie unter zunehmend jüngeren Menschen. In Österreich ist die Diabetesprävalenz (rund 2,1%) im Vergleich zu vielen anderen Industriestaaten zwar relativ niedrig aber dennoch im Steigen begriffen. Im Jahr 2000
wurden 47.190 Personen mit der Diagnose Diabetes stationär in österreichischen Krankenhäusern
aufgenommen. Darunter waren 24.674 Frauen und 22.516 Männer.
Im Jahr 2001 wurden in Österreich 1.460 Verstorbene (565 Männer, 895 Frauen) mit Todesursache Diabetes mellitus registriert. Auf 100.000 Lebende des selben Geschlechts bezogen waren dies
14,3 Männer bzw. 21,4 Frauen. Aus diesen Gründen stellt die Erkrankung eine große Herausforderung für die Gesundheitssysteme und alle im Bereich Public Health tätigen Organisationen und Personen dar. Maßnahmen zur Prävention sind dabei jenen zur Therapie vorzuziehen.
Diabetes mellitus Typ 1 ist eine vererbbare Autoimmunerkrankung, deren Manifestation nur in
geringem Ausmaß von äußeren Faktoren beeinflusst wird. Dagegen ist die Entstehung von Diabetes
mellitus Typ 2 in großem Ausmaß von beeinflussbaren Risikofaktoren abhängig, zu denen in erster
Linie Adipositas, Bewegungsarmut und eine ungünstige Ernährungsweise zählen.
Allgemeines
Diabetes mellitus (DM) zählt zu den weltweit am häufigsten auftretenden nicht übertragbaren Erkrankungen. Die Zahl der Erkrankten ist in den letzten Jahrzehnten dramatisch angestiegen, die Erkrankung wird vielfach bereits als Epidemie bezeichnet. Die Verbreitung von DM ist ein weltweites
Problem, dessen Schwerpunkt sich zusehends auch auf die bevölkerungsreichen Entwicklungsländer
verlagert.
Die Staaten mit der höchsten Diabetesprävalenz sind Indien, China und die USA [King et al.,
1998]. Von den 124 Millionen Menschen weltweit, die 1997 an DM litten, entfielen 97% auf Diabetes mellitus Typ 2 [Amos et al., 1997].
In Österreich ist die Diabetesprävalenz (rund 2,1%) im Vergleich zu vielen anderen Industriestaaten zwar relativ niedrig aber dennoch im Steigen begriffen. Im Jahr 2000 wurden 47.190 Personen mit der Diagnose Diabetes stationär in österreichischen Krankenhäusern aufgenommen. Darunter waren 24.674 Frauen und 22.516 Männer [Statistik Austria, 2002].
Abgesehen von der eingeschränkten Lebensqualität für die Betroffenen, entstehen auch hohe Kosten für das Gesundheitssystem.
Die "Cost of Diabetes in Europe - Type 2 Study" (CODE-2) ermittelte eine Gesamtsumme von 29
Milliarden Euro pro Jahr (Werte von 1999) an medizinischen Kosten in acht europäischen Ländern
(Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Spanien, Schweden, Großbritannien). Die Kosten, die jährlich pro Patient anfielen, beliefen sich auf 2.834 Euro, wovon 55% für Krankenhausaufenthalte aufgewendet wurden, 7% entfielen auf Medikamente (Antidiabetika und Insulin) [Jonson et al., 2002].
Diabetes mellitus wird mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko in Verbindung gebracht. Dafür verantwortlich sind die diabetischen Spätschäden wie Erblinden, Nierenversagen, Beingeschwüre, erhöhtes Infektionsrisiko, Herzkreislauferkrankungen und Herzinfarkt [WHO/FAO, 2003].
Im Jahr 2001 wurden in Österreich 1.460 Verstorbene (565 Männer, 895 Frauen) mit Todesursache Diabetes mellitus registriert. Auf 100.000 Lebende des selben Geschlechts bezogen waren dies
14,3 Männer bzw. 21,4 Frauen [Statistik Austria, 2003].
Definition, Ätiologie und Pathogenese
Das Charakteristikum des Diabetes mellitus Typ 1 (DM-1) ist eine irreversible Schädigung der Insulin produzierenden ß-Zellen des Pankreas, die zu einem absoluten Insulinmangel führt [Scherbaum,
2001]. Die exakte Ursache des DM-1 ist nicht hinreichend geklärt. Auf der Basis einer genetischen
Prädisposition werden als Ursache für die Manifestation Virusinfekte, verschiedene toxische Substanzen und auch Ernährungsfaktoren diskutiert. DM-1 kann sich grundsätzlich in jedem Lebensalter
manifestieren, meist beginnt er allerdings im Kindesalter, weshalb er früher auch als juveniler Diabetes bezeichnet wurde [Kasper, 2000].
272
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
8
7,6
Prozent
6
5,9
6,2
Entw ickelte Länder
5,4
4,9
4
4
4,2
3,3
3,5
Welt
Entw icklungsländer
Abb. 5.15:
Prävalenz von
Diabetes in der
erwachsenen
Bevölkerung
[mod. nach
King et al.,
1998]
2
1995
2000
2025
Die weitaus größere Zahl an Diabetes-Erkrankungen entfällt auf den Diabetes
mellitus Typ 2 (DM-2). Über 124 Millionen Menschen sind weltweit davon betroffen.
Die zunehmende Überalterung der Gesellschaft sowie der vorherrschende Lebensstil (Überernährung, Bewegungsmangel), der zum Anstieg der Adipositasraten führt, tragen zu einem Anstieg sowohl der Inzidenz als auch der Prävalenz von
DM-2 bei.
Die Dunkelziffer der DM-2-Prävalenz ist hoch. Die Zahl derer, die nach den neuen Diagnosekriterien als Diabetiker zu klassifizieren wären bei denen der DM-2 aber
noch nicht diagnostiziert wurde, wird auf 60% der Anzahl an diagnostizierten Typ2-Diabetikern geschätzt [Passa, 2002].
Unter dem Begriff DM-2 sind eine Reihe heterogener Störungen zusammengefasst. Die pathophysiologischen Charakteristika des DM-2 sind
- periphere Insulinresistenz,
- gestörte Regulation der hepatischen Glucoseproduktion,
- gestörte β-Zell-Funktion,
die zu einer verminderten Insulinsekretion führt und im chronologischen Verlauf schließlich zum vollständigen Versagen der β-Zell-Funktion führen kann [Scherbaum, 2001].
In Tab. 1 sind die Lebensstilfaktoren, welche das Risiko DM-2 zu entwickeln
beeinflussen können, zusammengefasst.
Evidenz
vermindertes Risiko
erhöhtes Risiko
überzeugend
-
freiwillige Gewichtsabnahme bei Übergewicht
und Adipositas
körperliche Aktivität
-
Übergewicht, Adipositas
abdominelle Adipositas
körperliche Inaktivität
mütterlicher Diabetes
wahrscheinlich -
Ballaststoffzufuhr
-
gesättigte Fettsäuren
intrauterine Wachstumsverzögerung
möglich
n-3 Fettsäuren Lebens- mittel mit niedrigem
glykämischen Index
(GI)
exklusives Stillen
Gesamtfettzufuhr
trans-Fettsäuren
Vitamin E
Chrom
Magnesium
moderater Alkoholkonsum
hoher Alkoholkonsum
-
-
unzureichend
-
273
Tab. 5.10:
Einfluss von
Lebensstilfaktoren auf das
Risiko DM-2 zu
entwickeln
[mod. nach
WHO/FAO,
2003]
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
Die Risikofaktoren für die Entwicklung von DM-2 sind weitaus mannigfaltiger als jene von DM-1.
Die Identifikation einzelner Risikofaktoren ist erschwert, weil in den meisten Fällen ein Konglomerat
an Risikofaktoren anzutreffen ist, die auch interagieren. Grundsätzlich kann man zwischen unbeeinflussbaren (Rassenangehörigkeit, familiäre Disposition, genetische Faktoren und Alter) und beeinflussbaren Risikofaktoren (Adipositas, Fettverteilung, Bewegungsarmut, Ernährungsfaktoren) unterscheiden.
Therapie von Diabetes mellitus
Welche Therapieform oder -kombination zum Einsatz kommt, hängt von vielen Faktoren ab. Allen Formen gemeinsam ist, dass sie wirksam sein müssen, d. h. sie müssen eine geeignete Methode darstellen, um die Therapieziele zu erreichen.
Die beiden Hauptziele der Therapie bei Diabetikern sind die Optimierung der glykämischen Kontrolle sowie die Minimierung der Risikofaktoren für mikro- (z.B. Augen-, Nierenerkrankungen) und
makroangiopathische (z.B. koronare Herzerkrankungen) Spätkomplikationen. Durch möglichst normnahe Blutglucosewerte, optimale Blutlipidwerte, vernünftiges Gewichtsmanagement und Normotonie, sollen diese Hauptziele erreicht werden. Die Ernährungstherapie muss den Anforderungen an die
Nährstoffzufuhr gerecht werden, ein normales Wachstum und Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.
Das individuelle Wohlbefinden des Diabetikers soll einen entscheidenden Faktor in der Ernährungstherapie darstellen, sie muss seine individuellen Bedürfnisse berücksichtigen, die sich im Lauf der Zeit
ändern können. Nicht zuletzt muss die Ernährungstherapie sicher sein [Toeller, 2002; American Diabetes Association (ADA), 2001; Diabetes and Nutrition Study Group of the European Association for
the Study of Diabetes (EASD), 1999].
Da die beste Möglichkeit, diabetische Spätschäden zu vermeiden, die exakte Einstellung ist, kommt
der Kontrolle eben dieser in der Therapie eine große Rolle zu.
Mittels Blutglucosebestimmung kann lediglich die momentane Stoffwechselsituation ermittelt werden. Die 12- oder 24-Stunden-Harn-Zucker-Ausscheidung gibt Auskunft über die glykämische Situation des Sammelzeitraums. Der prozentuale Anteil an glykosiertem HbA1c am Gesamthämoglobin
spiegelt den Grad der Hyperglykämie innerhalb der drei vorausgegangenen Monate wider, er sollte
beim Diabetiker bei 6-6,5% liegen [Elmadfa und Leitzmann, 1998]. Glykosierte Plasmaproteine - beispielsweise bildet Albumin mit Glucose stabile Verbindungen (Fructosamine) - können zur Kontrolle
der Diabeteseinstellung herangezogen werden. Insbesondere Fructosamine reagieren auf Veränderungen der Blutglucosekonzentration schneller und empfindlicher als HbA1c.
Die Möglichkeiten zur Blut- und Harnglucoseselbstkontrolle binden den Patienten vermehrt in die
Überwachung seiner Stoffwechsellage ein [Kasper, 2000].
Beim DM-1 muss von Krankheitsbeginn an Fremdinsulin injiziert werden. Beim DM-2 ist Fremdinsulin dann notwendig, wenn mit oralen Antidiabetika die Blutglucosekonzentration nicht mehr normalisiert werden kann [Kasper, 2000].
Ernährungstherapie
Wird ein DM-2 in der präklinischen Phase, also im Stadium der pathologischen Glucosetoleranz
erkannt, spielt die Ernährungstherapie gemeinsam mit einer Steigerung der körperlichen Aktivität eine maßgebliche Rolle im Rahmen der Sekundärprävention. Die Glucosetoleranz kann sich in diesem
Stadium verbessern bis normalisieren, sodass die Progression zum DM-2 verhindert werden kann
[Holler, 2000].
Die Ernährungstherapie bei manifestem Diabetes, egal ob DM-1 oder DM-2, entspricht einer Tertiärprävention, um das Risiko für Spätschäden zu vermeiden [Holler, 2000]. Sie kann - je nach Art
bzw. Fortschrittsgrad der diabetischen Stoffwechsellage - exklusiv oder ergänzend zu oralen Antidiabetika oder Insulin zum Einsatz kommen.
Bei Diabetikern mit DM-1 ist es wichtig, sowohl die Frequenz als auch die Zusammensetzung der
Mahlzeiten auf die Insulinbehandlung - oder umgekehrt - abzustimmen. Typ-2-Diabetiker sollten
grundsätzlich angehalten werden, ihre Lebensweise so zu gestalten, dass mit Ernährungstherapie
und körperlicher Betätigung eine zufriedenstellende metabolische Situation erreicht werden kann. Ist
das nicht möglich bzw. hat ein Patient alle für ihn möglichen Änderungen vorgenommen, ohne dass
sich die Stoffwechsellage normalisiert, muss die Therapie um ein Antidiabetikum oder Insulin erweitert werden.
Die Ernährungstherapie ist ein multidisziplinäres Unterfangen. Eine erfolgreiche Ernährungstherapie setzt auch die starke Einbindung des Diabetikers voraus. Der Patient muss mit grundlegenden
274
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
Stoffwechselvorgängen und gegebenenfalls mit der Blutzucker-Selbstkontrolle und der Insulinapplikation vertraut und sich einer gewissen Eigenverantwortlichkeit bewusst sein [ADA, 2001].
Die Empfehlungen für die Ernährung des Diabetikers unterscheiden sich nur unwesentlich von
jenen für Stoffwechselgesunde. Aus diesem Grund sollte die Speisengestaltung innerhalb des sozialen Umfeldes des Patienten - zumindest in der Theorie - keine Probleme bereiten, was die Compliance begünstigt.
80% der Typ-2-Diabetiker sind übergewichtig. Da vor allem die abdominelle Adipositas mit Insulinresistenz in Verbindung steht, ist die Gewichtsreduktion ein wichtiger Ansatz zur Verbesserung
der glykämischen Kontrolle und Verminderung des Risikos für Spätkomplikationen. Gewichtsreduktion vermindert die Insulinresistenz und die hepatische Glucoseproduktion. Der positive Effekt auf die
glykämische Kontrolle stellt sich innerhalb weniger Tage nach Beginn der Energierestriktion ein. Darüber hinaus führt eine Gewichtreduktion zur Reduktion von Bluthochdruck und Hyperlipidämien bei
Diabetikern und in weiterer Folge zu einer verminderten Mortalität.
Die Verbesserungen der Stoffwechsellage zeigen sich allerdings nicht bei jedem Diabetiker und
sind - wenn vorhanden - abhängig vom Ausmaß der Gewichtsreduktion. Die Ergebnisse von Langzeitstudien weisen darauf hin, dass bei entsprechender Intervention innerhalb eines Jahres mit einer
moderaten Gewichtsreduktion von maximal 5 kg zu rechnen ist, die wiederum die glykämische Kontrolle um 5-10% verbessert.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass es Diabetikern im Allgemeinen und insulinpflichtigen Diabetikern
im Besonderen ungleich schwerer fällt, ihr Gewicht zu reduzieren bzw. es nach erfolgreicher Reduktion zu halten, als nicht-diabetischen Übergewichtigen [Hensrud, 2001].
- Mahlzeitenfrequenz
Was die Mahlzeitenfrequenz betrifft, so gibt es keine dezidierten Empfehlungen. Der Großteil der
Diabetiker nimmt drei Mahlzeiten und bis zu drei Zwischenmahlzeiten pro Tag zu sich. Individuelle
Vorlieben und die Anforderungen der jeweilige Therapieform geben aber den Ausschlag für die Mahlzeitenhäufigkeit. So hat es sich beispielsweise bei insulinpflichtigen Diabetikern bewährt, vor dem Zubettgehen eine gewisse Menge kohlenhydrat- und ballaststoffreicher Lebensmittel zu sich zu nehmen, um eine nächtliche Hypoglycämie zu vermeiden [EASD, 1999].
- Eiweiß
Die Empfehlung der Proteinzufuhr gibt den fixen Rahmen vor, innerhalb dessen die Kohlenhydratund Fettzufuhrmengen variieren können. Grundsätzlich sollen Diabetiker 10 bis 20% ihrer Tagesenergie in Form von Protein zuführen [ADA, 2001; EASD, 1999]. Ausnahmen gelten für jene Diabetiker, bei denen sich die ersten Spätkomplikationen abzuzeichnen beginnen. Die EASD empfiehlt für
Patienten mit Microalbuminurie oder bereits manifester Nephropathie eine Proteinzufuhr von maximal 0,8 g, mindestens aber 0,6 g pro kg Körpergewicht [EASD, 1999]. Die ADA empfiehlt ebenfalls
grundsätzlich 0,8 g Protein pro kg Körpergewicht. Sobald die glomeruläre Filtrationsrate zu sinken
beginnt, kann eine Proteinrestriktion auf 0,6 g pro kg Körpergewicht angezeigt sein, um einen weiteren Rückgang der Filtrationsleistung hintan zu halten [ADA, 2001].
Im Rahmen der bereits zitierten EURODIAB Studie an Typ-1-Diabetikern wurde der negative Effekt einer proteinreichen (> 20 Energie%) Ernährungsweise bestätigt. Bei Diabetikern mit einer hohen Proteinaufnahme war die Albuminausscheidung erhöht; ein Trend, der bei den Hyptertonikern
unter den Diabetikern statistische Signifikanz erreichte [Toeller et al., 1997].
- Fett
Die offiziellen Empfehlungen zum Fettkonsum in der Diabetikerernährung lassen einen relativ großen Spielraum für die absolute Aufnahmemenge. Abhängig von der Kohlenhydrazufuhr sollen 25-35%
der täglich aufgenommenen Energie aus Fett stammen [ADA, 2001; EASD, 1999]. Eine höhere Fettaufnahme ist mit keinen anerkannten Vorteilen, wohl aber mit einer Reihe von Nachteilen, verbunden, weshalb 35 E% (Energie%) in Form von Fett nicht überschritten werden sollten [EASD, 1999].
Die Zufuhr an gesättigten Fettsäuren (max. 10 E%) und Trans-Fettsäuren (max. 1 E%) sollte aufgrund ihrer nachteiligen Effekte auf das Blutlipidprofil so gering als möglich sein. Patienten mit erhöhten LDL-Konzentrationen sollen ihre Zufuhr jedenfalls auf unter 8 E% beschränken und die Cholesterinaufnahme von <300 mg auf <200 mg pro Tag reduzieren [ADA, 2001; EASD, 1999].
Mehrfach ungesättigte Fettsäuren sollten ebenfalls höchstens 10% der Tagesenergie liefern, weil
von einer höheren Aufnahme die Gefahr einer vermehrten Lipidperoxidation und einer Senkung des
275
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
HDL-Cholesterins ausgeht. Omega(n)-3-Fettsäuren haben einen positiven Einfluss auf das Blutlipidprofil und eventuell auch auf die Insulinsensitivität. Um in den Nutzen dieser Effekte zu kommen,
wird der Konsum von mindestens einer Fischportion (vornehmlich fettreicher Fisch wie Makrele, Thunfisch etc.) empfohlen. Zusätzlich sollen pflanzliche Quellen von n-3-Fettsäuren genutzt werden, zu
denen Raps-, Sojaöl, Nüsse und einige grüne Blattgemüse gehören [EASD, 1999].
Der überwiegende Teil der Fettaufnahme sollte mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren erfolgen.
Die Aufnahme sollte 10-20 E% betragen, als Hauptquellen dienen Oliven- und Rapsöl [EASD, 1999].
- Kohlenhydrate
Die von offiziellen Diabetesgesellschaften empfohlene Kohlenhydrataufnahme beträgt zwischen
45 und 60% der täglichen Gesamtenergie [ADA, 2001; EASD, 1999].
Eine niedrigere Kohlenhydrataufnahme ist immer mit einer höheren Fettaufnahme verbunden,
was vor allem im Hinblick auf kardiovaskuläre Spätkomplikationen ungünstig ist. Wenn vor allem stärke- und ballaststoffreiche Lebensmittel mit niedrigem glykämischen Index (GI) konsumiert werden,
sind von einer hohen Kohlenhydrataufnahme von bis zu 60% der Gesamtenergiezufuhr, keine nachteiligen Effekte zu erwarten. Zu bevorzugende kohlenhydratreiche Lebensmittel sind Gemüse, Hülsenfrüchte, Obst und Vollkorngetreideprodukte. Diese Nahrungsmittel haben zudem den Vorteil, reich
an Vitaminen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen zu sein [Toeller, 2002].
- Glykämischer Index
1981 wurde das Konzept des Glykämischen Index (GI) von Jenkins et al. [1981] eingeführt. Definitionsgemäß ist der GI die Fläche unter der Blutglucose-Kurve nach Verzehr eines Lebensmittels,
ausgedrückt als Prozentsatz der Fläche unter der Blutglucose-Kurve nach Verzehr der selben Kohlenhydratmenge in Form von Glucose. Das GI-Konzept setzt demnach die Wirkung eines (kohlenhydratreichen) Lebensmittels auf die postprandiale Glucosekonzentration mit der Wirkung von Glucose
in Beziehung [Jenkins et al, 1981].
Das GI-Konzept sollte eine numerische Klassifikation von kohlenhydratreichen Lebensmitteln ermöglichen und vor allem bei Glucosetoleranzstörungen zum Einsatz kommen.
Der GI eines Lebensmittels hängt nicht ausschließlich von der Kohlenhydratqualität und -quantität dieses Lebensmittels ab. Er wird von zahlreichen weiteren intrinsischen und extrinsischen Faktoren beeinflusst. So sind die gastrointestinale Motilität, die Geschwindigkeit der Metabolisierung und
Absorption der enthaltenen Kohlenhydrate, unterschiedliche Zubereitungsmethoden, der Ballaststoffgehalt sowie die Anwesenheit von Fett und Protein wichtige Einflussfaktoren auf den GI. Die
gleichzeitige Anwesenheit vieler der genannten Einflussfaktoren in einer Mahlzeit machen die Ermittlung des GI dieser Mahlzeit schwierig und haben zu der Kritik geführt, das GI-Konzept sei unpraktisch [Jenkins et al., 2002].
1997 wurde das GI-Konzept um den Begriff "glycemic load" (glykämische Ladung, GL) erweitert.
Die GL eines Lebensmittels ist das Produkt aus dem GI und dem Kohlenhydratgehalt dieses Lebensmittels in Gramm [Salmeron et al., 1997a und 1997b]. Die Einführung dieses Terminus wurde der Beobachtung gerecht, dass nicht nur die Qualität sondern auch die Quantität der aufgenommenen Kohlenhydrate den Glucosestoffwechsel beeinflussen [Foster-Powell et al., 2002].
Ein weiterer Kritikpunkt des GI-Konzeptes ist die Gefahr der Abwertung oder sogar Tabuisierung
von Lebensmitteln hoher Nährstoffdichte aufgrund ihres hohen GI, wie beispielsweise gekochter Karotten. Der Umgang mit dem GI-Konzept setzt allerdings ein gewisses Ernährungswissen voraus, wodurch diese Probleme vermieden werden können. Darüber hinaus ist der GI bei energiearmen Lebensmitteln unerheblich, die im Vergleich zum Kohlenhydratgehalt einen hohen Ballaststoff- und Mikronährstoffgehalt aufweisen [Jenkins et al., 2002]. Trotz aller Kritikpunkte erachten die Autoren des
International Table of Glycemic Index and Glycemic Load Values: 2002 das GI-Konzept als bewiesenermaßen praktischeres Konzept, kohlenhydratreiche Lebensmittel einzuteilen, als die chemische Klassifikation. Es ist mittlerweile weitgehend anerkannt und gilt als verlässliche Möglichkeit, Lebensmittel
auf der Basis ihres postprandialen glykämischen Effekts zu klassifizieren. [Foster-Powell et al., 2002].
Als Vorteile von Kostformen mit niedrigem GI in der Diabetestherapie werden beispielsweise eine Verminderung der Hyperglykämie [Jenkins et al., 2002; Willet et al., 2002] und ein positiver Einfluss auf das Blutlipidprofil genannt [Frost et al., 1999; Luscombe et al., 1999; Jenkins et al., 1987].
Beide Faktoren sind vor allem im Hinblick auf die Prävention makroangiopathischer Spätkomplikationen (z.B. Herzkreislauferkrankungen) bedeutend.
276
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
Nicht zuletzt zeichnen sich Kostformen mit niedrigem GI durch eine erhöhte Sättigungswirkung
und/oder niedrigere Energieaufnahme und dem damit verbundenen vielversprechenden Einsatz in
der Gewichtsreduktion aus [Ludwig, 2000].
- Saccharose
Saccharose (Haushaltszucker) galt lange Zeit als verbotener Nahrungsbestandteil für Diabetiker.
Seitdem man aber weiß, dass Haushaltszucker als Teil der Gesamt-Kohlenhydratzufuhr keine nachteiligen Wirkungen auf die Glucosekontrolle hat, ist der teilweise Ersatz zugeführter Kohlenhydrate
durch Saccharose durchaus möglich [ADA, 2001]. Als Obergrenze der Zufuhr gelten für Diabetiker
10% der Energiezufuhr, das entspricht einer ungefähren Menge von 30 bis 50 g pro Tag [Toeller,
2002].
- Fructose
Fructose ruft eine weniger intensive Glucoseantwort hervor als Saccharose und viele Stärkeprodukte. Diesem Vorteil steht der Nachteil ihrer Cholesterin und LDL erhöhenden Wirkung bei hohem
Verzehr (>20% der Energiezufuhr) gegenüber. Die beobachteten Wirkungen rechtfertigen weder die
ausdrückliche Empfehlung zum Konsum noch ein Abraten vom Konsum von fructosereichem Obst und
Gemüse [ADA, 2001].
Der Ersatz von Saccharose durch diverse Sirupe, Honig, Melassen, Dextrose und Maltose hat weder Vor- noch Nachteile was den Energiegehalt und die Glucosekontrolle betrifft.
- Süßungsmittel, Zuckeraustauschstoffe, Süßstoffe
Die Gruppe der Süßungsmittel kann in energieliefernde und energiefreie Stoffe unterteilt werden.
Zuckeraustauschstoffe wie die Zuckeralkohole Sorbit, Mannit und Xylit liefern im Schnitt rund halb so
viel Energie wie Saccharose und lösen darüber hinaus einen geringeren Anstieg der Blutglucosekonzentration aus. Ob sie tatsächlich zur Energiereduktion beitragen, ist noch nicht geklärt. Schließlich
wurde bei einem extrem hohen Verzehr dieser Zuckeraustauschstoffe eine abführende Wirkung beobachtet [ADA, 2001]. Die EASD bescheinigt nutritiven Zuckeraustauschstoffen keine Vorteile gegenüber Saccharose - mit Ausnahme der verminderten Kariesbildung. Ihr Verzehr sollte deshalb nicht
empfohlen werden [EASD, 1999]. Die Verwendung energiefreier Süßstoffe, zu denen Acesulfam K,
Aspartam, Cyclamat, Neohesperidin DC, Saccharin und Thaumatin zählen, kann vor allem in Getränken sinnvoll sein. Sofern die zugelassenen Höchstmengen nicht überschritten werden, sind keine negativen Wirkungen zu befürchten [Toeller, 2002; EASD, 1999].
- Ballaststoffe
Der Verzehr von ballaststoffreichen Lebensmitteln im Rahmen der Diabetestherapie wird dringend empfohlen. Zum einen haben diese Lebensmittel üblicherweise einen niedrigen GI und tragen
wesentlich zur Stabilisierung der Blutglucosekonzentration bei [Pereira et al., 2002; Buyken et al.,
1998]. Darüber hinaus sind Ballaststoffe anerkannte Präventivfaktoren von gastro-intestinalen Störungen, inklusive dem Colon-Karzinom. Sie haben eine sättigende Wirkung, was einen großen Vorteil beim Gewichtsmanagement hat. Schließlich vermögen lösliche Ballaststoffe den Cholesterinspiegel zu senken [ADA, 2001].
- Mikronährstoffe
Hinsichtlich der Versorgung mit Mikronährstoffen (Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen) gelten für Diabetiker keine anderen Referenzwerte als für die Normalbevölkerung.
Diabetiker weisen häufig ein Ungleichgewicht zwischen Pro- und Antioxidantien auf. Der resultierende oxidative Stress wird mit erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen in Verbindung
gebracht. Aus diesem Grund sollte auf die Versorgung mit Antioxidantien (Carotinoide, Vitamin E, Vitamin C, Selen und diverse sekundäre Pflanzenstoffe) besonderes Augenmerk gelegt werden [EASD,
1999].
Die wissenschaftliche Datenlage rechtfertigt allerdings nur in bestimmten Situationen eine Supplementierung mit einzelnen Mikronährstoffen. So können beispielsweise Kaliumverluste unter Behandlung mit Diuretika eine Supplementierung rechtfertigen [ADA, 2001]. Ebenso ist die Gabe von
Folsäure, Calcium und eventuell Magnesium bei schwangeren Diabetikerinnen auf individueller Basis
zu überlegen [Toeller, 2002].
277
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
- Kochsalz
Die Natriumzufuhr sollte beim Diabetiker 2,4 g (entsprechend 6 g Kochsalz) pro Tag nicht übersteigen. Für diabetische Hypertoniker wird eine stärkere Restriktion auf 2 g Natrium (entsprechend
5 g Kochsalz) pro Tag empfohlen [ADA, 2001; EASD, 1999].
- Alkohol
Alle wissenschaftlichen Vorbehalte dem Alkoholkonsum gegenüber gelten natürlich für den Diabetiker genauso wie für die Allgemeinbevölkerung. Der Diabetiker muss in Anbetracht seiner speziellen Stoffwechsellage nicht gänzlich auf Alkohol verzichten, sofern keine zusätzlichen Probleme wie
positive Anamnese für Alkoholismus, Schwangerschaft, Pankreatitis, Hyperlipidämie (vor allem erhöhte Triglyceridwerte), Hypertonie oder Neuropathie vorliegen. Er muss aber mit den unmittelbaren Auswirkungen des Alkoholkonsums auf den Glucosemetabolismus vertraut sein und entsprechend
entgegenwirken. Alkohol wird nicht zu Glucose verstoffwechselt und inhibiert die Gluconeogenese.
Aus diesem Grund kann es bei Diabetikern, die mit Antidiabetika oder Insulin behandelt werden, nach
dem Alkoholkonsum dosisabhängig zu Hypoglykämien kommen. Deshalb ist es besonders wichtig,
einerseits nur moderate Mengen an Alkohol zu konsumieren und dies andererseits möglichst im Verbund mit einer kohlenhydratreichen Mahlzeit bzw. Zwischenmahlzeit zu tun. Als Obergrenze für den
akzeptablen Alkoholkonsum werden für Diabetiker 15 g pro Tag für Frauen und 30 g pro Tag für Männer (EASD) bzw. 2 alkoholische Getränke pro Tag (ADA) genannt, wobei ein alkoholisches Getränk
375 ml Bier, 156 ml Wein bzw. 47 ml Schnaps entspricht [Toeller, 2002; ADA, 2001; EASD, 1999].
Körperliche Aktivität in der Diabetestherapie
Die wissenschaftliche Evidenz bescheinigt regelmäßiger körperlicher Aktivität eine Reihe von positiven Wirkungen auf unterschiedliche Organsysteme. So lassen sich die Risken für Adipositas, kardiovaskuläre Erkrankungen und deren Vorläufer Hyperlipidämie, Bluthochdruck und Störungen der
Blutgerinnung, wie auch Glucosetoleranzstörungen durch regelmäßige Bewegung vermindern bzw.
lässt sich der jeweilige Krankheitsverlauf verlangsamen [Zinker, 1999].
Die entsprechende Empfehlung lautet auf 60 Minuten moderater Bewegung (z.B. schnelleres Gehen) an den meisten Tagen der Woche. Dieser Level ist erforderlich, um ein der Gesundheit zuträgliches Körpergewicht aufrecht zu erhalten [WHO/FAO, 2003].
Das Training sollte auf allen drei Ebenen der Prävention von Diabetes zum Einsatz kommen: In
der Primärprävention, in der präklinischen Phase mit pathologischer Glucosetoleranz (Sekundärprävention), und ebenso in der Diabetestherapie, der Tertiärpräventionsphase, um Spätkomplikationen
zu vermeiden.
Während und unmittelbar nach einer Trainingseinheit ist die Insulinsensitivität verbessert und die
Glucosekonzentration vermindert, was den Bedarf an exogenem Insulin reduziert. In Verbindung mit
Insulin- und Ernährungstherapie stellt regelmäßiges Training eine geeignete Methode zur langfristigen Verbesserung der glykämischen Kontrolle dar.
Über die Einflüsse auf den Kohlenhydratstoffwechsel hinaus, profitieren Diabetiker von den antiatherogenen Effekten regelmäßigen Trainings. Es zeigen sich verminderte Gesamtcholesterinwerte,
verminderte Konzentrationen an LDL und Triglyceriden sowie erhöhte Konzentration an HDL-Cholesterin, verbesserte aerobe Kapazität und eine Zunahme der mageren Körpermasse. Schließlich werden auch psychologische Messgrößen wie erhöhtes Wohlbefinden, Selbstvertrauen und Lebensqualität mit regelmäßigem Training in Verbindung gebracht [Zinker, 1999].
Der Einfluss von Krafttraining auf die Stoffwechselsituation von Diabetikern ist wesentlich schlechter untersucht. Da die Insulinsensitivität am stärksten von der Masse der Skelettmuskulatur beeinflusst wird, liegt der Gedanke nahe, dass durch die Vergrößerung der Muskelmasse durch Krafttraining die Insulinsensitivität und damit die glykämische Kontrolle verbessert werden kann. Tatsächlich
konnte bisher in wenigen Interventionsstudien an Typ-2-Diabetikern dieser Zusammenhang bestätigt
werden [Eriksson, 1999]. Stellvertretend seien zwei neue Arbeiten mit ähnlichem Design zitiert: Über
einen Zeitraum von 6 Monaten [Dunstan et al., 2002] bzw. 16 Wochen [Castaneda et al., 2002] absolvierten die Probanden drei Mal pro Woche Krafttrainingseinheiten von ca. 45-minütiger Dauer und
hoher Intensität (70-85% des Einwiederholungsmaximums). In beiden Studien waren in den Interventionsgruppen die HbA1c-Konzentrationen im Interventionszeitraum gesunken, während die magere Körpermasse zugenommen hatte. Die Unterschiede zu den Kontrollgruppen waren signifikant.
278
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
Trainingskomponente
Vorschlag zur praktischen Umsetzung
Art
-
Aerobes Ausdauertraining: Walking, Laufen, Radfahren, Schwimmen, Langlaufen (Intensität: 40-75%
der HFmax)
Krafttraining: Zirkeltraining; hohe Wiederholungszahl, niedrige Intensität
Häufigkeit
-
5 -7 Einheiten pro Woche
Verhältnis Ausdauer-/Krafttraining: 3:1
Intensität
-
Ausdauertraining: Subjektiver Anstrengungsgrad:
mittel bis anstrengend
Krafttraining: 40-50% des Einwiederholungsmaximums
Dauer
-
Ausdauertraining: 3-5 Min. Aufwärmen, 15-60 Minuten Training im Bereich der angestrebten Intensität,
3-5 Min. Regeneration
Krafttraining: 10-15 Wiederholungen pro Gerät
Der Nutzen von körperlicher Aktivität ist wahrscheinlich im Rahmen der Sekundärprävention am höchsten, wenn es gilt, die Entwicklung von beginnenden
Glucosetoleranzstörungen zu manifestem DM-2 zu unterbinden.
Was die Ausübung jeglicher Sportarten bei manifestem DM-1 oder DM-2 betrifft, kann keine allgemeine Empfehlung formuliert werden. Sofern keine Kontraindikationen (schlechte Stoffwechseleinstellung, Spätkomplikationen) vorliegen,
können Diabetiker prinzipiell jede Art von Bewegung ausüben, müssen dabei aber
einige Vorkehrungen treffen (siehe unten). Wird das Training als Therapie eingesetzt, hat sie allen Anforderungen an Sicherheit und Wirksamkeit zu genügen, die
jede andere Therapie erfüllen muss. Auf der Basis einer ausführlichen medizinischen Untersuchung können individuell Empfehlungen für das therapeutische Training formuliert werden. Dem Training im Rahmen der Diabetestherapie kommt vor
allem im Hinblick auf die Prävention von Spätkomplikationen eine große Bedeutung zu [ADA, 2003].
Eriksson [1999] empfiehlt auf der Basis der von ihm begutachteten Studienergebnisse, dass das optimale Bewegungsprogramm für Typ-2-Diabetiker auf die
Verbesserung der kardiorespiratorischen Fähigkeiten (Ausdauerleistungsfähigkeit),
Muskelkraft und Kraftausdauer abzielen muss. Aus diesem Grund sollte eine Kombination aus aerobem Ausdauertraining und Krafttraining auf der Basis eines Zirkeltrainings zum Einsatz kommen.
Das größte Problem der Umsetzung der Trainingsempfehlungen ist wohl aber
die mangelnde Bereitschaft der Patienten. Während die Drop-Out-Raten bei Studien mit beaufsichtigten Bewegungsprogrammen bereits bei 50% liegen, beenden
noch weitaus weniger Patienten Studien, bei denen sie die Bewegungsprogramme
selbst umsetzen sollen [Eriksson, 1999].
Gewährleistung der Sicherheit des Trainings bei Diabetikern
Beim Stoffwechselgesunden wird die Insulinproduktion an die jeweiligen Gegebenheiten angepasst, nicht so beim Diabetiker. Eine Hyperglycämie während des
Trainings sowie eine Hypoglycämie danach stellen dabei die Probleme dar, die es
zu vermeiden gilt. Aus diesem Grund sollte - im besten Fall - jeder Diabetiker, zumindest aber jene, die unter Therapie mit Antidiabetika oder Insulin stehen, vor
und nach dem Training den Blutglucosespiegel kontrollieren. (Bei besonders langen Beanspruchungen, wie beispielsweise einem Marathonlauf, muss auch während der Belastung gemessen werden.) So lassen sich einerseits Entgleisungen
rechtzeitig korrigieren und weitere Trainingseinheiten besser planen. Auch individuelle Unterschiede in der metabolischen Reaktion auf das Training können so besser erkannt werden.
279
Tab. 5.11
Komponenten
eines therapeutischen
Trainings für
Typ-2-Diabetiker [mod. nach
Eriksson,
1999]
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
Patienten mit DM-2 unter Therapie mit oralen Antidiabetika müssen insbesondere auf ihre Kohlenhydratversorgung achten, um eine Hypoglycämie zu vermeiden. Es hat sich bewährt, zwei bis drei
Stunden vor dem Training langsam absorbierbare Kohlenhydrate zuzuführen, wobei für jede Trainingsstunde 15 g (15-30 g bei hoher Intensität) an zusätzlichen Kohlenhydraten veranschlagt werden können. Nach dem Training sollten ebenfalls langsam absorbierbare Kohlenhydrate aufgenommen und auch eine mögliche nächtliche Hypoglycämie in Betracht gezogen werden.
Bei Typ-1-Diabetikern und Typ-2-Diabetikern unter Insulintherapie sind unter Insulineinfluss Gluconeogenese und Lipolyse während der körperlichen Belastung unterdrückt. Die Glucoseverwertung
der Muskulatur ist aber erhöht, die Blutglucosekonzentration sinkt. Bei längerer Belastung kann schließlich eine Hypoglycämie resultieren. Aus diesem Grund sollte jede Trainingseinheit bei dieser Diabetikergruppe besonders gut geplant sein. Je nach Art, Dauer und Intensität des Trainings und abhängig vom Blutglucosespiegel muss die davor verabreichte Insulindosis um 30 bis 50% (bei einer besonders langen Trainingseinheit um bis zu 80%) gesenkt oder es müssen zusätzlich leicht absorbierbare Kohlenhydrate aufgenommen werden. Als Faustregel gilt, dass die Einsparung einer Einheit
Insulin oder die Aufnahme von 15 g Kohlenhydraten die Blutglucosekonzentration um 50 mg/dl anhebt.
Vor allem bei Kindern ist die langfristige Planung von Belastungsspitzen schwierig. Abhilfe vor einer drohenden Hypoglycämie können hier schnell verfügbare Kohlenhydrate schaffen.
Auch nach dem Training besteht aufgrund der erhöhten Insulinwirkung das Risiko für eine Hypoglycämie, der ebenfalls mit der Zufuhr von langsam absorbierbaren Kohlenhydraten vorgebeugt
werden sollte.
Beginnen insulinpflichtige Diabetiker eine Trainingseinheit im Zustand der Hyperglycämie, so kann
sich die Stoffwechselentgleisung während des Trainings weiter verschlimmern. Aufgrund des Blutglucoseanstiegs während der Belastung und der fehlenden Insulinwirkung verschlimmert sich die
Hyperglycämie. Die Lipolyserate ist erhöht, weshalb vermehrt Ketonkörper anfallen und die Ketoacidose verstärken.
Aus den genannten Gründen darf bei insulinpflichtigen Diabetikern eine Trainingseinheit nur dann
begonnen werden, wenn die Blutglucosekonzentration zuvor kontrolliert wurde [Zinker, 1999].
Schlussbetrachtung
Die steigende Inzidenz und Prävalenz beider Diabetesformen stellt eine große Herausforderung
an alle im Gesundheitsbereich tätigen Einrichtungen und Personen dar. "Vorbeugen ist besser als heilen" sollte im Problemfeld Diabetes oberstes Gebot sein, weshalb der Bereich Public Health besonders
gefordert ist.
Die wirksamste Möglichkeit der Primärprävention stellt dabei die gezielte Aufklärung und Vermeidung von Risikofaktoren dar.
Während DM-1 in erster Linie als ver- bzw. ererbbare Erkrankung anzusehen und das Risiko, daran zu erkranken, nur in geringem Ausmaß beeinflussbar ist, ist die hohe Prävalenz von DM-2 vorwiegend auf Lebensstilfaktoren zurückzuführen. Adipositas, Bewegungsarmut und eine ungünstige
Ernährungsweise stellen die Hauptrisikofaktoren dar, die es im Rahmen einer wirksamen Prävention
zu eliminieren gilt.
Eine möglichst frühzeitige Diagnose einer beginnenden Störung des Glucosestoffwechsels sowie
entsprechende Maßnahmen, welche die Entstehung bzw. Verschlimmerung des Diabetes mellitus verhindern oder zumindest verzögern sollen, sind die Ziele der Sekundär- und Tertiärprävention. Vor allem im Stadium der Insulinresistenz bzw. gestörten Glucosetoleranz erwiesen sich Lebensstil-Maßnahmen als effizient.
In vielen Fällen von bereits manifestem Diabetes mellitus reichen Änderungen des Ernährungssowie des Bewegungsverhaltens im Rahmen einer Therapie aus, um die Stoffwechsellage zu stabilisieren. In anderen Fällen müssen orale Antidiabetika oder Insulin zum Einsatz kommen.
Zur Effektivität kombinierter Ernährungs-Bewegungsinterventionen sowohl in der Therapie als
auch in der Prävention von Diabetes mellitus, vor allem des DM-2, lässt sich zusammenfassend feststellen, dass mitunter beachtliche Erfolge erzielt werden können. Da eine Veränderung der Ernährungsweise und eine Erhöhung des Ausmaßes an Bewegung über die eventuelle Verbesserung der
glykämischen Kontrolle hinaus auch Vorteile hinsichtlich Blutdruck, Blutlipidprofil und damit Co-Morbidität und diabetischer Spätkomplikationen, aber auch hinsichtlich psychologischer Faktoren wie Lebensqualität und Gesundheitsverhalten mit sich bringt, ist diese Art von Lebensstilintervention auf jeder Stufe der Diabetesprävention und -therapie als empfehlenswert anzusehen.
280
Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung
In einzelnen Fällen – beispielsweise für sehr disziplinierte Patienten – mag sie sogar ausreichend
sein bzw. eine Medikation ersetzen können.
Ist dies nicht der Fall, kann eine Lebensstilintervention eventuell zumindest die Dosierung der
antidiabetischen Medikation senken [Trento et al., 2002]. Gute Erfolge hinsichtlich glykämischer Kontrolle und Blutlipidprofil auf einen vergleichsweise langen Zeitraum (3,8 Jahre) können auch mit einer Kombination aus Lebensstil- und medikamentöser Intervention erzielt werden [Gaede et al., 2001].
Die epidemiologischen Beobachtungen und Risikoberechnungen sprechen dafür, dass eine kombinierte Ernährungs-Bewegungsintervention einerseits geeignet sein kann, bei Patienten mit bestehendem Diabetes mellitus das Risiko für Spätkomplikationen zu senken, und andererseits bei Patienten mit einer verminderten Glucosetoleranz das Fortschreiten dieser zu manifestem DM-2 zu verzögern oder sogar zu unterbinden.
281
Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation
Kapitel 6: Gesundheitsförderung und Kommunikation
6.1 Fonds Gesundes Österreich*
Zusammenfassung
Im Jahr 1998 hat der Fonds Gesundes Österreich begonnen, seine Aufgaben, basierend auf dem
Gesundheitsförderungsgesetz, aufzunehmen. Als nationale Kontakt- und Fördereinrichtung unterstützt der Fonds Gesundes Österreich seither mehr als 450 Projekte und Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Primärprävention. Dabei stehen häufig Aktivitäten im Lebensstilbereich, wie Ernährung und Bewegung im Vordergrund. Für diese Aktivitäten werden dem Fonds Gesundes Österreich jährlich € 7,25 Millionen aus dem Aufkommen der Umsatzsteuer (von Bund, Ländern, Gemeinden und Städten) zur Verfügung gestellt.
Um dem großen Problem unserer Zeit entgegen zu wirken, sind viele Programme auf die Prävention von Übergewicht und Adipositas gerichtet. Im Sinne der Ottawa Charta wird angestrebt, langfristige Programme zu entwickeln, die sowohl eine Verhaltens- als auch eine Verhältnisänderung bewirken und nachhaltig zur Gesundheitsförderung beitragen. Dies wird sehr anschaulich am Beispiel
der "Gesunden Betriebsküche". VertreterInnen aller Betriebsebenen werden in die Planung und Konzeption des Projekts einbezogen, das bestehende Speisenangebot überarbeitet und neu gestaltet;
Küchenpersonal wird geschult und die MitarbeiterInnen des Betriebes werden partizipativ in das Projektgeschehen eingebunden.
Neben der Projektförderung richtet sich der Fonds Gesundes Österreich jährlich mit Gesundheitsbotschaften an die Gesamtbevölkerung, in Form von Medienkampagnen. Diese sollen motivieren, ein Umdenken in Richtung eines besseren Gesundheitsverhaltens zu bewirken. Zur Ernährungsaufklärung und -information wird allen Interessierten die Ernährungsbroschüre des Fonds gratis zur
Verfügung gestellt. Die 1999 eingerichtete Ernährungs-Hotline gibt weitere Auskunft bei allgemeinen
und speziellen Fragen rund um das Thema Ernährung. Begleitende Kampagnenaktivitäten, wie beispielsweise Aktionen in Betriebsküchen sollen Küchenverantwortliche anregen, den Gästen fettärmere
und fleischreduzierte Speisen, mehr Gemüse und Salat anzubieten, sodass die nötigen Strukturen geschaffen werden und die BetriebsmitarbeiterInnen öfter zum empfehlenswerten Gericht greifen können.
Allgemeines
Auf Basis des im Februar 1998 vom Nationalrat beschlossenen Gesundheitsförderungsgesetzes
nahm der Fonds Gesundes Österreich, als nationale Kontakt- und Fördereinrichtung für Gesundheitsförderung, seine neuen Aufgaben und Ziele auf. Das Bundesgesetz sieht vor, Maßnahmen und
Initiativen zur Gesundheitsförderung, -aufklärung und -information, dessen Ziele an die Ottawa Charta der WHO anschließen, in ganz Österreich durchzuführen. Für diese Aktivitäten werden dem Fonds
Gesundes Österreich jährlich € 7,25 Millionen aus dem Aufkommen der Umsatzsteuer (von Bund, Ländern, Gemeinden und Städten) zur Verfügung gestellt.
Aufgabenfelder
Von seinen Aufgaben her ist der Fonds Gesundes Österreich ausschließlich für Gesundheitsförderung und Primärprävention zuständig, also für Maßnahmen, die sich am bio-psycho-sozialen Gesundheitsbegriff orientieren. Dabei widmet sich der Fonds Gesundes Österreich den in Tab. 6.1 angegebenen Aufgabenfeldern. Die Hauptaufgabe des Fonds besteht in der Förderung regionaler und
bevölkerungsnaher, praxisorientierter Projekte der Gesundheitsförderung, die sowohl auf gesündere
Verhaltensweisen als auch auf gesündere Lebensverhältnisse abzielen. Die Interventionen zielen auf
die Ressourcensteigerung und Erhöhung der Gesundheitspotentiale von Bevölkerungsgruppen in bestimmten Settings ab. Im Vordergrund steht die Stärkung von Wohlbefinden und Gesundheit aller
Bevölkerungsgruppen.
* Mag. Rita Kichler, Fonds “Gesundes Österreich”, Mariahilfer Straße 176/8, 1150 Wien
282
Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation
Vom Fonds Gesundes Österreich geförderte Gesundheitsförderungsprojekte
Insgesamt werden seit Herbst 1998 bereits mehr als 450 Projekte vom Fonds
Gesundes Österreich gefördert, die sehr unterschiedlichen Themen im Gesundheitsbereich zugeordnet werden.
Nachfolgend sind einige ausgewählte, vom Fonds Gesundes Österreich geförderte Projekte beschrieben, die das Thema Ernährung zum Schwerpunkt haben;
in der Reihenfolge der Einreichung von 1999 bis 2003:
- I feel good - Gesundheitserlebniswoche
Projekteinreicher: Verein Jugendgästehäuser Steiermark
Das Projekt versteht sich als ganzheitliches Gesundheitsangebot für Schulen
mit dem Ziel, junge Menschen zu einer ernährungsbewussten, sportlich aktiven
und mental gestärkten Lebenshaltung anzuregen. In der Konzeptionsphase wurden einzelne Bausteine der drei Module "Ernährung", "Bewegung" und "Power for
you" von den jeweiligen Fachleuten methodisch und didaktisch aufbereitet. Diese
Arbeitsunterlagen bilden die Grundlage des "I feel good" Erlebnisprogramms.
In der zweiten Phase, der "Train the Trainerphase", wurden BetreuerInnen und
LehrerInnen für die Themen sensibilisiert und Informationstage für LehrerInnen
organisiert. Den SchülerInnen und LehrerInnen wurde ein umfangreiches Programm zu den oben genannten Schwerpunkten angeboten, sodass sich jede Klasse gemeinsam mit dem/der zuständigen LehrerIn, aus einem Modulsystem ein individuelles Programm für die Gesundheitserlebniswoche zusammen stellen konnte. Im Projektzeitraum der ersten beiden Jahre haben mehr als 800 SchülerInnen
am Programm teilgenommen und die Evaluierung hat gezeigt, dass das Feedback
äußerst zufriedenstellend war, sowohl bei den SchülerInnen, als auch bei den LehrerInnen. Viele der Schulen nahmen die Gesundheitserlebniswoche als fixen Bestandteil in ihr Projektwochenangebot auf. Die Projektverantwortlichen stellten den
Schulen diverse themenspezifische Unterlagen zur Verfügung, beispielsweise für
das "Gesunde Schulbuffet", um damit eine Möglichkeit zu schaffen, die Eindrück
der Erlebniswoche in den Schulablauf zu integrieren.
- Einfluss von Ernährung und Training auf Leistungsparameter bei alten Menschen
Projekteinreicher: Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien
Bei dieser Studie wurde der Einfluss von Ernährung und Training auf die Leistungsparameter bei älteren Menschen in Wiener Pensionistenwohnheimen untersucht. Zu Beginn der Studie wurden der Nährstoffstatus, die Nährstoffaufnahme,
Stoffwechselparameter und die Leistungsfähigkeit von SeniorInnen der achten und
neunten Lebensdekade bestimmt. Danach erfolgte bei 37 SeniorInnen eine Intervention über die Dauer von 12 Wochen in vier Versuchsbedingungen: Training und
Nährstoffoptimierung, nur Training, nur Nährstoffoptimierung und Kontrolle (ohne
Training und ohne Nährstoffoptimierung). Nach der Intervention wurde nochmals
eine Messung des Nährstoffstatus und der Leistungsfähigkeit vorgenommen. Die
Ergebnisse sollten eine Reihe von Ansatzpunkten zur Optimierung der Situation älterer Menschen aufzeigen und Ansätze für präventive Maßnahmen auf dem Gebiet
des körperlichen und seelischen Wohlbefindens bereit stellen. Empfohlen wurde,
die Aufnahme tierischer Fette zugunsten von Pflanzenölen zu senken und die Ballaststoffzufuhr, z.B. mittels Frühstückscerealien bzw. Getreidegerichten, zu erhöhen.
Das Bewegungstraining sollte institutionalisiert werden, beispielsweise durch
Schwimmen oder ein Bewegungstraining in der frischen Luft oder im Turnsaal.
Gleichzeitig mit dem Bewegungstraining muss, um eine größtmögliche gesundheitliche Wirkung zu erzielen, eine Optimierung des Nährstoffstatus erfolgen, beispielsweise mit der täglichen Aufnahme eines Multivitamingetränkes.
283
Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation
- Iss das Richtige im Land um Laa
Projekteinreicher: Verein "Ganz gesund im Land um Laa"
Im Vordergrund dieses Projekts stand die Optimierung der Menü- und Speisenangebote in elf Gastronomiebetrieben der Region Laa an der Thaya.
Im Rahmen eines Seminars wurden die Beschäftigten der Gastronomiebetriebe in Laa und Umgebung ausführlich über richtige Ernährung informiert und dazu angeleitet, ihre Rezepte nach ernährungsphysiologischen Kriterien zu überarbeiten und die Speisen durch viele frische vitamin- und
mineralstoffreiche pflanzliche Lebensmittel wie Obst und Gemüse zu ergänzen. Dadurch wurden traditionelle Hausmannskost-Gerichte bekömmlicher und neue Gerichte mit hohem Gemüseanteil, mehr
Fisch und weniger Fleisch wurden in das Angebot vieler Lokale aufgenommen. Ziel des Projekts war
es auch, die Speisen bezüglich ihres Fettgehalts und der Qualität des verwendeten Fetts zu optimieren. Über die Gastwirte sollten die Gäste zu einer gesünderen Ernährungsweise motiviert werden.
- Unterrichtsprojekt "Lebensstil und Diabetes" Schüler helfen bei Vorbeugung und Früherkennung von Diabetes
Projekteinreicher: Diabetesinitiative Südburgenland
Diabetes mellitus Typ 2 ist weltweit, als typische Wohlstandserkrankung, in rapider Zunahme begriffen, wobei ein hoher Prozentsatz der überwiegend erwachsenen DiabetikerInnen nichts von seiner/ihrer Erkrankung weiß. Dies nahmen die Projektbetreiber zum Anlass, das Projekt in den beiden
südburgenländischen Bezirken Jennersdorf und Güssing zu konzipieren. Einerseits sollte damit die
Vorbeugung bereits im Kindesalter erreicht werden, indem sich SchülerInnen frühzeitig mit gesundem Lebensstil und ihrem Essen beschäftigen und andererseits sollten bisher unentdeckte DiabetikerInnen im familiären und nachbarschaftlichen Umfeld der SchülerInnen mit Hilfe von Harnteststreifen entdeckt werden und bei Diabetesverdacht motiviert werden, einen Arzt aufzusuchen.
Ziel ist es, mindestens ein Drittel der Bevölkerung in den Gemeinden Jennersdorf und Güssing
zu erreichen und auf Diabetes mellitus Typ 2 zu untersuchen. An der Projektdurchführung sind 17
Schulen beteiligt. Zu Beginn wurden die LehrerInnen im Rahmen eines Seminars ausführlich über Diabetes informiert und es wurde ihnen sämtliches Unterrichts- und Verbrauchsmaterial (Harnteststreifen) zur Verfügung gestellt. Die Evaluation erfolgt mittels Fragebögen, die an SchülerInnen, LehrerInnen und Erwachsene gerichtet sind, um das Essverhalten und deren Gewohnheiten punkto Lebensstil zu erheben.
- Obst X 5
Projekteinreicher: Avomed - Arbeitskreis für Vorsorgemedizin in Tirol
Die beiden Tiroler Bezirke Imst und Landeck fallen in Todesursachenstatistiken im internationalen und nationalen Vergleich durch stark erhöhte Raten an Magenkarzinom auf. Dazu kommt eine generell hohe Zahl von Herz-Kreislauf- und Schlaganfallerkrankungen in ganz Österreich. Dies war Anlass für die Initiierung dieses Projekts.
Primäres Ziel des Projekts ist es, die Ernährungssituation in Tirol zu verbessern und der Bevölkerung die gesundheitserhaltenden Effekte von Obst und Gemüse nahe zu bringen. Dabei werden
Anregungen geschaffen und Möglichkeiten vermittelt, wie die täglich empfohlene Menge an Obst und
Gemüse, also 5 Portionen am Tag, in den Speiseplan eingebaut werden kann. Durch die Einbindung
der Wirtschaft und kommunaler Einrichtungen soll eine langfristige Verbesserung der Ernährungssituation in Tiroler Gemeinden ebenso erreicht werden, wie eine Verringerung von Krebs- und HerzKreislauf-Erkrankungen, Schlaganfällen und anderen Krankheiten.
Das Projekt ist auf vier Jahre angelegt, in diesem Zeitraum finden sehr viele Aktivitäten statt. Unter anderem wurde Verkaufspersonal geschult, eine Reihe von Vorträgen organisiert, eine InternetPlattform (www.avomed.at /obstx5) zum Thema eingerichtet, Informationsstände (in diversen Einkaufszentren, Betrieben und Gemeinden) und Stadtfeste organisiert sowie ein Rezeptbuch mit Tipps
für die Verwendung und Zubereitung von Obst und Gemüse erstellt. Weitere Aktionen in Schulen,
Betrieben, Gasthöfen sind in Planung.
Das Projekt wird mittels Telefoninterviews und Fragebögen evaluiert. Die Zwischenergebnisse der
letzten Umfrage zeigten einen zufriedenstellenden Verlauf. Lag der durchschnittliche Pro-Kopf-Ver-
284
Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation
zehr zu Projektbeginn bei 3,36 Portionen Obst, Gemüse und Salat, so konnte er nach knapp zwei Jahren bereits auf 4,29 Portionen gesteigert werden.
- Prävention der Adipositas im Kindes- und Jugendalter - PRESTO
Projekteinreicher: AKH Wien, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde
PRESTO steht für die Abkürzung von ‚Prevention Study of Obesity'. Im Rahmen dieses Projekts
werden interdisziplinäre Interventionen in jeweils 5 Klassen einer Wiener Hauptschule und AHS Unterstufe, unter Einbeziehung der LehrerInnen und Eltern durchgeführt. Erreicht werden damit etwa 210
SchülerInnen. Im Vergleich dazu wird an Kontrollschulen, in gleich vielen AHS- und HS-Klassen, das
Ernährungs- und Bewegungsverhalten der SchülerInnen mittels Fragebogen und Interviews erhoben.
Ein Team, bestehend aus einer Ernährungswissenschafterin, Psychologin und einer Sportwissenschafterin führt pro Interventionsklasse insgesamt 12 Unterrichtseinheiten durch, um die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen zu motivieren, zu ‚GesundheitsexpertInnen' zu werden und selbstverantwortlich ‚gesündere Entscheidungen' treffen zu können. Im Vordergrund stehen erlebnisorientiertes, spielerisches Lernen. Gleichzeitig werden in jeder teilnehmenden Interventionsklasse mit Hilfe des sogenannten Peer-Education Ansatzes, SchülerInnen zu sogenannten KlassengesundheitssprecherInnen ausgebildet. Durch den Einfluss gleichaltriger Peers soll eine Reduktion des Prozentsatzes übergewichtiger Kinder erreicht werden.
Während der Interventionsphase wurden die Kinder und Jugendlichen motiviert an einem Ideenwettbewerb teilzunehmen, dabei wurden von den SchülerInnen sehr kreative Beiträge, wie Videos,
Plakate, Theaterstücke, etc. gestaltet, die im Rahmen eines Abschlussfestes präsentiert wurden.
Für LehrerInnen wurden eigene Informationsmappen mit Hintergrundinformationen, Arbeitsblättern, Folien zu den Themen Ernährung, Essen und Trinken, Übergewicht, etc.. verfasst. Die medizinischen Untersuchungen fanden in Kooperation mit den SchulärztInnen statt. Derzeit erfolgt die
Evaluierung des Projekts.
- Wir kochen für Ihre Knochen - eine Aktion zum Weltosteoporosetag
Projekteinreicher: Österreichische Osteoporoseselbsthilfe
Mit diesem Vorhaben wurde das Problem Osteoporose thematisiert und durch Öffentlichkeitsarbeit verstärkt auf die Prävention dieser Erkrankung hingewiesen. Die Zusammenarbeit mit dem Bund
österreichischer Gastlichkeit sollte dazu beitragen, Österreichs Gastronomiebetriebe zu motivieren,
ihre Speisepläne mit Calcium- und Vitamin D - reichen Gerichten aufzuwerten. Am Weltosteoporosetag 2000 konnte ein großer Teil der Bevölkerung erreicht werden und bei verschiedenen Informationsveranstaltungen umfassend über Osteoporoseprävention aufgeklärt werden.
- Gesundheitsbewusste Schule - Schwerpunkt gesunde Ernährung
Projekteinreicher: Landwirtschaftliche Fachschule Eberndorf
Eine Problemanalyse zu Projektbeginn ergab, dass viele Schülerinnen nach Schulbeginn innerhalb von wenigen Monaten stark an Gewicht zunahmen. Dies war einerseits auf einen hohen Anteil
von Fleischgerichten in der traditionellen Küche der Landwirtschaftlichen Fachschule zurückzuführen,
zum anderen auf die vielen Süßigkeiten und Snacks, die die Mädchen von ihren Ausgängen mitbrachten. In der Folge wurde das Projekt konzipiert und eine Veränderung der Speisenplangestaltung ebenso angestrebt wie die Partizipation der Schülerinnen am Projektgeschehen. Ziel war es, gesundheitsförderliche Verhaltensweisen anzuregen und einen möglichen Gesundheitsgewinn bei den
Schülerinnen sichtbar, erfahrbar und nachvollziehbar zu machen.
Im Zeitraum eines Projektjahres beschäftigten sich alle Beteiligten - SchülerInnen, LehrerInnen,
Eltern und auch AbsolventInnen der Schule - intensiv mit vielen Aspekten rund um die Ernährung.
Die Maßnahmen und Aktivitäten waren sehr vielfältig, Projektwochen wie beispielsweise eine Kürbiswoche oder eine Kräuterwoche wurden ebenso organisiert, wie Workshops zum Thema Essstörungen, Suchtprävention und diverse Lehrausgänge zu lebensmittelproduzierenden Betrieben.
Zum einen ging es darum, das Thema richtige, ausgewogene Ernährung in den Unterricht, möglichst fächerübergreifend einzubauen und gezielt auf Essgewohnheiten, gesunde Lebensmittel, Bewegungsmangel, etc. einzugehen; zum anderen galt es, eine Verbesserung der Gestaltung des täglichen Speiseplans im Internatsbetrieb vorzunehmen. Letzteres ist sehr gut gelungen und konnte auch
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Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation
beibehalten werden. Beispielsweise steht den Schülerinnen nun jederzeit ein großer Obstkorb mit saisonalem und regionalem Obst zur Verfügung, zu Mittag wird seither täglich ein Salatbuffet angeboten, die Fleischgerichte wurden reduziert und mehrmals pro Monat steht nun auch Fisch am Speiseplan.
- Genussvoll Essen
Projekteinreicher: Avomed - Arbeitskreis für Vorsorgemedizin in Tirol
Das Projekt richtete sich an Kinder und Jugendliche in Tiroler Kindergärten und Schulen und hat
zum Ziel, altersgerecht und umfassend zum Thema Ernährung zu informieren, um ernährungsabhängigen Erkrankungen und auch Essstörungen rechtzeitig vorzubeugen. Für Eltern wurden Informationsveranstaltungen und für LehrerInnen Fortbildungen organisiert. Den Kindern wurde jeweils
altersadäquat notwendiges Ernährungswissen vermittelt, wobei das "Essen und Trinken mit allen Sinnen" in Form von Genuss- und Geschmacksübungen im Vordergrund stand. Ebenso stand die Verbesserung des Angebots der Gemeinschaftsverpflegung in den Tiroler Kindergärten und Schulen auf
dem Programm, hin zu einer optimierten und ausgewogenen Ernährung. Evaluiert wurde das Projekt
vorwiegend mittels Fragebögen, dabei wurden alle Beteiligten über ihr eigenes Essverhalten und das
ihrer Familien gefragt. Insgesamt wurden 312 Kindergärten und Schulen im Rahmen dieses Projekts
von DiätassistentInnen fachlich betreut.
- Verhaltenstherapeutische Intervention bei adipösen Kindern und Jugendlichen
Projekteinreicher: Universität Graz - Universitätsklinik für Kinder und Jugendheilkunde
Die Notwendigkeit dieses Projekts ergibt sich aus der steigenden Zahl übergewichtiger Kinder
und Jugendlicher. Als frühzeitige Intervention nehmen die betroffenen Kinder und Jugendlichen an
einem wöchentlichen Training zur Verhaltensänderung teil, das neben psychologischer Beratung und
Unterstützung auch ein Sportprogramm zur Steigerung der allgemeinen Fitness, gezielte Ernährungsschulungen und medizinisch-diagnostische Abklärung umfasst. Positiv hervorzuheben ist, dass
auch bei diesem Projekt die Eltern aktiv in das Programm eingebunden sind, sodass die Kinder und
Jugendlichen mit Unterstützung ihrer Familie lernen, selbständig und eigenverantwortlich mit ihrem
Gewicht umzugehen.
- Abnehmen mit allen Sinnen Körper-Bewußt-Leben
Projekteinreicher: Verein für prophylaktische Gesundheitsarbeit (PGA)
Die Bildung einer Abnehmgruppe bietet Übergewichtigen im Rahmen dieses Projektes die Möglichkeit, gemeinsam mit Gleichgesinnten unter Anleitung von ausgebildeten TrainerInnen (aus den
Bereichen Ernährung, Psychologie, Sport) dauerhaft ihr Gewicht zu reduzieren und eigenverantwortlich mit ihrem Gewicht umzugehen. Dieses im Setting Gemeinde stattfindende Projekt, orientiert sich
an einem ganzheitlichen Ansatz und basiert im wesentlichen auf folgenden 3 Säulen:
- Ernährungsumstellung, die vor allem langfristig erfolgen soll.
- Verhaltenstraining, bei dem neben der Ernährungsweise und dem Ernährungsverhalten auch die
Einstellung zum Essen und die Ursachen des Übergewichts analysiert werden und darüber hinaus auf den Einfluss von Werbung und "Idealbildern" eingegangen werden soll.
- Bewegung: die TeilnehmerInnen sollen zu ihrer individuellen Bewegungsform finden und diese
langfristig und nachhaltig beibehalten.
Insgesamt haben 16 TeilnehmerInnen aus St. Georgen an der Gusen am Programm teilgenommen und erfolgreich ihr Gewicht reduziert. Die Gruppe ist nach Projektabschluss weiterhin aktiv und
trifft sich regelmäßig zum Sport.
- Sport und Ernährung
Projekteinreicher: VEÖ - Verband der Ernährungswissenschafter Österreichs
Diese Weiterbildungsveranstaltung zum Thema Sport und Ernährung richtete sich an Berufsgruppen, die in erster Linie im Bereich Bewegung, Sport und angrenzenden Gebieten tätig sind und
hatte zum Ziel, die TeilnehmerInnen über den neuesten Stand der Ernährungswissenschaft zu informieren und wissenschaftlich fundierte Inhalte zu vermitteln.
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Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation
- Top im Job - Gesund essen im Betrieb
Projekteinreicher: AKS Vorarlberg, Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin
Das Projekt "Top im Job - Gesund essen im Betrieb" befasst sich mit der Ernährungssituation im
Arbeitsalltag. MitarbeiterInnen, Betriebsräte und Führungskräfte von Vorarlberger Betrieben werden
durch das Projekt motiviert, ihre Auswahl bzw. ihr Verpflegungsangebot den modernen ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen anzupassen und bekommen fachliche Unterstützung bei der Optimierung der "Ländle-Jause". Außerdem sollen Aktionen, Vorträge, Seminare, Folder, Beiträge in Betriebszeitungen und im Intranet dazu dienen, den MitarbeiterInnen der Betriebe die Zusammenhänge zwischen Essen, Trinken, Wohlbefinden, Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu vermitteln.
Mit insgesamt 41 teilnehmenden Betrieben konnten 6168 MitarbeiterInnen erreicht werden, die
mittels Vorträge, Intranet, Betriebszeitungen, Folder und Plakate über das Anliegen des Projekts informiert werden. Es wurden gesunde Jausenalternativen aufgezeigt. Erfreulicherweise konnten auch
10 Geschäftslokale motiviert werden, vermehrt gesunde, fettarme und vitamin- und ballaststoffreiche Jausen anzubieten.
- Die Last des Gewichts verringern
Projekteinreicher: Salzburg Obesity Academy Foundation
Dieses Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, die Gesundheit von etwa 100 adipösen Kindern und Jugendlichen in Salzburg zu verbessern. Um ihr Ess- und Bewegungsverhalten sowie ihre kognitiven
Muster in Bezug auf Bewegung, Ernährung, Selbstbild und Sozialkontakte zu verändern, bekommen
stark übergewichtige bzw. bereits adipöse Kinder und Jugendliche die Möglichkeit, 2 Jahre lang von
einem multiprofessionellen Team (VertreterInnen aus den Bereichen Medizin, Psychologie, Sportwissenschaft/Physiotherapie und Ernährungswissenschaft/Diätetik) betreut zu werden.
Zusätzlich werden im Rahmen des Projekts 15 - 20 "AdipositastrainerInnen" aus Salzburg, Oberösterreich und Wien ausgebildet, damit dem steigenden Bedarf nach spezialisierter und qualifizierter
Betreuung der Zielgruppe entsprochen werden kann. Die AdipositastrainerInnen sollen später in ihrem Arbeitsumfeld eigene Adipositasteams zusammenstellen und das Programm in ihrem jeweiligen
Arbeitsumfeld durchführen. Auch die Eltern werden aktiv in das Programm einbezogen.
- Multikulti, fit und gesund
Projekteinreicher: Zentrum für Gesundheitsförderung in Graz
Das Projekt findet in einer Grazer Betreuungseinrichtung mit nicht deutscher Muttersprache statt
und richtet sich primär an übergewichtige Kinder verschiedener Nationalitäten, mit dem Ziel, sie zu
einer gesundheitsförderlichen Lebensführung anzuleiten. Da viele der involvierten Familien oft erst
kurze Zeit in Österreich sind, sollen über die Projektaktivitäten soziale Kontakte und das Miteinander
der Kinder und auch deren Eltern gefördert werden.
Mit je einer Informationsveranstaltung wurde den Eltern und Kindern das Projektvorhaben vorgestellt. In Zusammenarbeit mit den jeweiligen Fachpersonen wurden Gespräche geführt, um im Anschluss daran individuelle Bewegungsprogramme zu erstellen und Unterstützung bei der Speisenauswahl und -zusammensetzung zu geben. Während der Durchführungsphase fanden 10 Monate lang
wöchentliche Treffen mit BewegungspädagogInnen und ErnährungswissenschafterInnen statt und es
wurden regelmäßig Aktivitäten, Ausflüge, Kochkurse, Aktionstage, etc. organisiert, um die sozialen
Kontakte zu ermöglichen.
Zur Evaluierung des Programmerfolgs werden zu Projektbeginn als auch zu Projektende FitnessChecks und diverse Untersuchungen durchgeführt, wie vor allem Körpergröße, Körpergewicht und
Bestimmung des BMI, Körperfettmessungen, Blutfettwerte und orthopädische Untersuchungen.
- Gesunde Betriebsküche
Projekteinreicher: Wiener Gebietskrankenkasse
Ziel dieses Projekts im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung ist es, verhaltens- und
verhältnisorientierte Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation in einem Großbetrieb zu
setzen. Ausgehend von den Ergebnissen einer Ist-Analyse (bei der sowohl MitarbeiterInnen als auch
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Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation
das Küchenteam befragt wurden) und den erarbeiteten Anregungen und Vorschlägen eines EssensForums (das sich aus VertreterInnen aller Betriebsebenen wie Küchenpersonal, ArbeiterInnen, Angestellte, Unternehmensleitung, Betriebsarzt zusammensetzt) wurden konkrete Maßnahmen und Aktionen für eine "Gesunde Ernährung im Betrieb" geplant und konzipiert. Neben Informationsveranstaltungen und Gesundheitstagen für ArbeiterInnen und Angestellte wurden auch Schulungen für das
Küchenpersonal durchgeführt. Darüber hinaus wurde das Speisenangebot, mit fachlicher Unterstützung einer Ernährungswissenschafterin, überarbeitet und neu gestaltet; als Anreizsystem, das die
Entscheidung bei der Auswahl erleichtern soll, wurden die Speisen mit Fettaugen gekennzeichnet.
Das Projekt wurde evaluiert und die Ergebnisse zeigen, dass die Zielvorgaben erreicht wurden.
Beispielsweise konnte der Kochfettverbrauch pro Essensportion um 72 % gesenkt werden, die Zahl
der angebotenen fettarmen Menüs deutlich gesteigert und die Nachfrage nach gesundem Essen verdoppelt werden.
- Rund um fit und gesund
Projekteinreicher: Verein Zentrum für Gesundheitsförderung in Graz & HS/NMS Albert Schweitzer
Die Grazer Hauptschule Albert Schweitzer hat gemeinsam mit dem Zentrum für Gesundheitsförderung ein Langzeitprogramm für übergewichtige SchülerInnen initiiert. Zu Beginn absolvierten die
TeilnehmerInnen - 15 bis 25 übergewichtige Kinder - einen Fitness-Check und medizinische Untersuchungen. Aufbauend auf den Ergebnissen der Untersuchungen wurden gemeinsam mit einem interdisziplinären Team (ein Sportwissenschafter, eine Ernährungswissenschafterin, eine Gesundheitspsychologin), individuelle Bewegungsprogramme und Ernährungspläne erstellt, wobei auf die Ernährungsgewohnheiten der einzelnen TeilnehmerInnen Rücksicht genommen wurde. Außerdem wurden
psychische Hilfestellungen für die beteiligten Kinder erarbeitet. Regelmäßige Treffen, zu denen auch
die Eltern eingeladen wurden, sollten die Kinder dazu motivieren, ihre Bewegungs- und Ernährungsprogramme lustvoll in den Alltag zu integrieren und in den Schulalltag einzubauen. Zusätzlich wurden Exkursionen, Fachvorträge, Spiele und ein gesundes Buffet angeboten. Im Rahmen von Aktionstagen werden SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen laufend über das Projekt informiert.
- Schlank - Fit - Gesund - Begleitung zum Wohlfühlgewicht
Projekteinreicher: Sozialversicherung der Bauern
Zwei Gesundheitsbefragungen der bäuerlichen Bevölkerung, die in den Jahren 1993 und 2000
vom Institut für Sozialmedizin Wien durchgeführt wurden, haben ergeben, dass in der Gruppe der
BäuerInnen, im Vergleich zur Gesamtbevölkerung, Übergewicht deutlich häufiger auftritt. Es wurde
unter anderem empfohlen, gezielte Maßnahmen und spezifische Interventionsprogramme zur Gewichtsreduktion bei dieser Zielgruppe zu setzen.
Dafür wurde ein Programm entwickelt, dem ein Gesundheitsbegriff im ganzheitlichen Sinne zugrunde liegt und das alle Elemente eines gesundheitsfördernden Lebensstils mit einbezieht: Ernährung, Bewegung und psychische Aspekte. Im ersten Schritt wurden rund 200 MultiplikatorInnen ("SeminarbäuerInnen", landwirtschaftliche LehrerInnen und BeraterInnen sowie DiätassistentInnen) für
das Projekt geschult. Diese Ausbildung sollte die teilnehmenden MultiplikatorInnen dazu befähigen,
die Kursreihe "Schlank - Fit - Gesund - Begleitung zum Wohlfühlgewicht" selbständig und eigenverantwortlich zu organisieren, zu bewerben, zu begleiten und zu evaluieren. Mit den anschließenden
Kursen sollen bis zum Jahr 2005 etwa 3.000 Bäuerinnen und Bauern erreicht und auf ihrem Weg zum
Wohlfühlgewicht begleitet werden.
- "Move your food" Essen für junge Leute
Projekteinreicher: Gymnasium Lustenau
Mit diesem Ernährungsprojekt im Setting Schule wurde einerseits beabsichtigt, das Jausenangebot am Schulbuffet zu verbessern und andererseits ausreichendes Wissen über gesunde Ernährung
zu vermitteln. Gemeinsam mit einer diplomierten Diätassistentin, einem Ernährungsteam, das sich
aus 20 SchülerInnen zusammensetzte und den BetreiberInnen des Schul-Kiosks, wurde das Angebot
des Schulbuffets neu gestaltet. Nach einem Aktionstag, an dem LehrerInnen und SchülerInnen die
Speisen und Getränke probieren konnten, wurde das zukünftige Angebot des Schulbuffets festgelegt.
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Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation
Zur Vermittlung von Ernährungswissen wurden Workshops zu Themen wie Gewichtsmanagement,
Sport und Ernährung, Lebensmittelsicherheit und Essverhalten angeboten. Da viele SchülerInnen aufgrund der Berufstätigkeit ihrer Eltern selbst für die Zusammenstellung ihrer Mahlzeiten verantwortlich sind, wurden auch Kochkurse veranstaltet, in deren Rahmen die SchülerInnen die Zubereitung
einfacher Speisen lernten. Um auch die Eltern zu motivieren, zu Hause an den Zielen des Ernährungsprojektes mitzuarbeiten, wurden sie am Elternsprechtag ausführlich über das Projekt informiert
und hatten die Gelegenheit, die selbstgekochten Gerichte der SchülerInnen am Buffet zu verkosten.
- “echt stark" - Ein Familienprojekt für übergewichtige Kinder
Projekteinreicher: ARGE Vitabene/Wert-Impulse GmbH
Das Projekt "echt stark" zielt darauf ab, übergewichtige Kinder und Jugendliche dabei zu unterstützen, einen verantwortungsbewussten Umgang mit ihrem Körper zu erlernen. Es soll dazu beitragen, das Selbstbewusstsein, das Körperbewusstsein, die Leistungsfähigkeit und die Bewegungsfreude der TeilnehmerInnen zu steigern sowie deren Ernährungsgewohnheiten umzustellen.
Um diese Ziele zu erreichen werden Familien aus NÖ während eines ganzen Schuljahres begleitet. Im Rahmen der anfangs wöchentlichen und später 14tägigen Treffen werden den Kindern und
Jugendlichen Ernährungs- und Verhaltensschulungen angeboten. Gemeinsam werden Lebensmittel
eingekauft, Gerichte zusammengestellt und zubereitet. Zur Motivation der beteiligten Kinder, wird
zum Abschluss ein Abenteuer- und Erlebniscamp organisiert. Medizinische Untersuchungen und
psychologische Betreuung ergänzen das umfassende Programm.
- Adipositasprojekt für Kinder und Jugendliche/ Adi ade - Muckis statt Pommes
Projekteinreicher: FAMOS Familien- und Sozialzentrum Perg
Um dem Problem Adipositas bei Kindern und Jugendlichen entgegenzuwirken und Folgeerkrankungen zu vermeiden, wurde dieses Projekt geplant.
Über einen Zeitraum von einem halben Jahr werden etwa zehn übergewichtige Kinder und Jugendliche, sowie deren Angehörige aus dem Bezirk Perg, von einem multiprofessionellen Team betreut. Das Programm verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz zur Verbesserung des Ess- und Bewegungsverhaltens der Beteiligten. In regelmäßigen Treffen wird die Gruppe von einer Ernährungswissenschafterin bei der Gewichtsreduktion begleitet und von einer Sportwissenschafterin angeleitet,
ausreichend und richtige Bewegungsübungen zu machen. Die Kinder und Jugendlichen werden auch
während der gesamten Laufzeit des Programms medizinisch und psychologisch betreut.
- Projekt zur positiven Beeinflussung des Ernährungsbewusstseins und des Ernährungsverhaltens in der Gemeinde Auersbach
Projekteinreicher: Gemeinde Auersbach
Im Jahr 1996 wurde von der Steirischen Gesellschaft für Gesundheitsschutz (jetzt Styria Vitalis)
eine Gesundheitsbefragung in der Gemeinde Auersbach durchgeführt. Diese ergab unter anderem,
dass die Ernährungsgewohnheiten in der Gemeinde dem österreichischen Durchschnitt entsprechen,
allerdings der Verzehr von Fleisch- und Wurstwaren und tierischen Fetten weit darüber liegt. 53 Prozent der Frauen und 60 Prozent der Männer sind übergewichtig in Auersbach.
Um das Ernährungsverhalten der Bevölkerung positiv zu beeinflussen und die EinwohnerInnen
zu aktivieren, sich mit gesunder Ernährung auseinander zu setzen, sind eine Reihe von Aktivitäten
geplant, die gemeinsam mit Ernährungsfachleuten durchgeführt werden: Unter anderem wird in der
Gemeinde eine große anschauliche Ernährungspyramide aufgestellt, ein Schaukochen für verschiedene Zielgruppen veranstaltet und es wird regelmäßig über Themen der Ernährung und über die Vorteile regionaler und saisonaler Produkte informiert. Außerdem werden jedem Haushalt Rezeptmappen zur Verfügung gestellt. Eigene Kinderkochfeste für Kindergartenkinder, VolksschülerInnen, PfadfinderInnen werden ebenso organisiert wie auch Kochevents für Jugendliche. Beabsichtigt ist, gesund Kochen wieder "in" zu machen. Im November 2003 ist ein Abschlussfest mit einem Gewinnspiel
geplant.
- kids' food - Maximas gesunde Kindi Jause
Projekteinreicher: AKS Vorarlberg, Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin
289
Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation
Dieses Projekt ist für insgesamt 460 Kindergartengruppen in 230 Vorarlberger Kindergärten konzipiert. Deren BetreuerInnen sollen durch Anregungen und Informationen motiviert werden, Kernfragen von Gesundheits- und Ernährungserziehung aufzugreifen und im Kindergarten umzusetzen.
In speziellen Weiterbildungsveranstaltungen wurden den KindergärtnerInnen die wesentlichen Grundlagen der Ernährungs- und Gesundheitserziehung vermittelt. Außerdem wurde eine Mappe "kids' food"
entwickelt, die methodisch-didaktische Anleitungen für die Ernährungs- und Gesundheitserziehung
im Kindergarten enthält. Zur Motivation der Kinder wurde ein Maskottchen, genannt Maxima entwickelt, das auf spielerische Weise einen lustvollen Umgang mit der Vielfalt des Essens vermitteln
möchte. Um auch die Eltern einzubeziehen haben die KindergärtnerInnen die Möglichkeit, an den üblichen Elternabenden speziell geschulte ErnährungsexpertInnen zu Vorträgen einzuladen. Die Zubereitung kindgerechter Speisen für die Zwischenverpflegung wird gemeinsam im Kindergarten geübt.
Damit die Kinder zu Hause Maximas Lieblingsspeisen und -getränke nachmachen können, bekommen sie regelmäßig bunte Rezeptkärtchen zum Sammeln mit nach Hause. Für jede entsprechende,
mitgebrachte Jause gibt es Sammelkleber, für jedes volle Sammelkleberkärtchen erhält das Kind ein
Überraschungsgeschenk.
Eine Broschüre mit wichtigen Ess- und Gesundheitstipps wird an interessierte Eltern verteilt. Damit soll nicht nur das Verständnis der im Kindergarten gesetzten Maßnahmen erhöht werden, sondern darüber hinaus das Essverhalten der gesamten Familie verbessert werden.
- Pfundiges Abnehmen im Tennengau
Projekteinreicher: Initiative Gesundheitsnetzwerk.at, Hallein
Die Salzburger Initiative Gesundheitsnetzwerk.at hilft interessierten TennengauerInnen, ihr Übergewicht in den Griff zu bekommen. Ein Jahr lang werden insgesamt 30 TeilnehmerInnen von einem
Team, bestehend aus ÄrztInnen, FitnessberaterInnen und DiätassistentInnen begleitet, ihren Lebensstil, ihre Ernährungsgewohnheiten zu ändern und die körperliche Aktivität zu steigern. Das Konzept basiert auf einem ganzheitlichen Ansatz. Wöchentlich nehmen die Beteiligten an Fitness-Chekks und Bewegungstrainings teil, zudem sind Gesprächsrunden mit einer Gesundheitspsychologin und
Beratungsgespräche mit einer Diätassistentin fixer Bestandteil des Programms. Zu Programmbeginn
haben die TeilnehmerInnen eine Voruntersuchung zu absolvieren, während der Projektlaufzeit sind
in regelmäßigen Abständen Kontrollen beim Haus- oder Facharzt bzw. in der Stoffwechselambulanz
des Halleiner Krankenhauses zu absolvieren.
- Programm zur interdisziplinären Betreuung übergewichtiger Menschen
Projekteinreicher: Verein Leichter Leben, Kirchdorf an der Krems
Ziel dieses Projekts ist eine umfassende Betreuung übergewichtiger erwachsener Menschen, die
zur Änderung ihres Lebensstiles auf der Grundlage der Gesundheitsförderung unter besonderer Beachtung des Prinzips der Nachhaltigkeit und der Lebensqualität angeleitet werden sollen. Dabei werden die Beteiligten vordergründig zur Stärkung ihrer Eigenverantwortung und Eigenkompetenz einer
gesunden Lebensführung motiviert.
Nach einem individuellen Erstgespräch mit Anamneseerhebung, einer umfangreichen Untersuchung und Fettmessung durch einen betreuenden Arzt, werden die TeilnehmerInnen in Gruppen (á
maximal 10 TeilnehmerInnen) eingeteilt, die von einem multiprofessionellen Team, bestehend aus
ÄrztInnen, einer klinischen Psychologin, einer Diätassistentin und einer Physiotherapeutin, insgesamt
16 Wochen lang betreut werden. Dabei wird grundlegendes Wissen zu vielen Fragen, die mit Übergewicht in Verbindung gebracht werden, vermittelt: die Ursachen von Übergewicht, Bedeutung der
Lebensweise und Vererbung, Analyse der individuellen Gewichtsentwicklung und diverse Diäten werden ebenso thematisiert wie psychologische Hintergründe und Strategien zur Gewichtsreduktion.
Nach Kursende wird den AbsolventInnen angeboten, an den Aktivitäten einer Selbsthilfegruppe
("Motivationstreff") im Sinne einer langfristigen Weiterbetreuung teilzunehmen und sie erhalten regelmäßig Informationen über themenspezifische Veranstaltungen des Vereins.
- Präventionskochschule
Projekteinreicher: Österreichischer Kneippbund
290
Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation
Viele Studien beweisen, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen, häufig auftretende Krebserkrankungen, chronische Erkrankungen der Verdauungsorgane und des Stoffwechsels durch gesunde Ernährung positiv beeinflussbar sind und Prävention durch Ernährung sinnvoll ist. Viele Menschen wissen
um die Vorteile der gesunden Kost gut Bescheid, sie wissen zum Beispiel, dass Getreide, Obst, Gemüse und Fisch sehr gesund sind. Wenn es aber darum geht, bestimmte Empfehlungen (z.B. fettarm, ballaststoffreich, usw.) selber umzusetzen, sind sie ratlos.
Die ProjektbetreiberInnen der Kneipp - Präventionsschule haben sich daher zum Ziel gesetzt, wissenschaftliche Ernährungsempfehlungen in die Praxis umzusetzen, sodass gesundes Kochen einfacher und gesundes Essen in Geschmack und Aussehen attraktiver wird. Mit dem Projekt wird ein wesentlicher Beitrag zur Prävention ernährungsabhängiger Krankheiten geleistet.
In Kooperation mit vier österreichischen Haubenköchen wurden die Rezepte entwickelt und in
Form von Seminaren jenen Interessierten nahe gebracht, die sich zum/zur KochtrainerIn ausbilden
lassen möchten. Die Ausbildung umfasst neben dem praktischen noch einen organisatorischen und
einen theoretischen Teil, bei dem relevante Fragen der Ernährungswissenschaft vermittelt werden.
Die KochtrainerInnen sollen ihr Wissen und ihre Erfahrungen an Interessierte weiter geben.
Begleitend zur Präventionskochschule wurde eine Broschüre entwickelt, in der die Empfehlungen
und Tipps zur Zubereitung nachzulesen sind. Das Projekt wird vom Institut für Sozialmedizin in Wien
wissenschaftlich evaluiert.
- ":-) cu - Xund Jung" - Gesundheitsförderung für die Zielgruppe Übergewichtige Kinder und Jugendliche
Projekteinreicher: Regionalforum Steyr-Kirchdorf, Oberösterreich
Das Projekt verfolgt das Ziel der nachhaltigen Veränderung des Lebensstils von übergewichtigen
Kindern und Jugendlichen im Alter von 9-13 Jahren, zur Steigerung deren Gesundheit und Wohlbefinden unter starker Einbeziehung des Settings "Familien in der Gesunden Gemeinde". Dabei wird ein
ressourcenorientierter und ganzheitlicher Ansatz verfolgt. Unter Einbindung regionaler Vereine und
Fachleute der Region werden Inhalte in den Themenbereichen Bewegung, Ernährung und psychosoziale Gesundheit umgesetzt.
Gemeinsam mit einem multiprofessionellen Team sollen die beteiligten Familien Lösungsansätze
finden und an einem 10monatigen Programm teilnehmen. Es sind theoretische als auch praktische
Programmmodule vorgesehen, die Beteiligten sollen sich bewusst mit den drei Schwerpunktthemen
auseinander setzen. Es werden ihnen Inhalte über Zusammenhänge zwischen Ernährung, Genuss
und Qualität vermittelt und bei praktischen Koch-Events mit anschließender Verkostung sollen sie lernen, mit diversen Lebensmitteln und Speisen richtig umzugehen. Gleichzeitig sollen sie Freude an
Bewegung, Fitness und Wohlbefinden erfahren und ihre psychosoziale Gesundheit stärken.
Ein wichtiges Anliegen ist vor allem die Einbeziehung der Eltern und Familien.
Aktivitäten des Fonds Gesundes Österreich
Weitere Aktivitäten und Initiativen, die der Fonds Gesundes Österreich im Bereich Ernährung, seit
Erscheinen des letzten Ernährungsberichts, gesetzt hat:
- Ernährungs-Hotline 0810 810 227
Im Rahmen des Lebensstil-Schwerpunkts wurde im Oktober 1999 die Ernährungs-Hotline vom
Fonds Gesundes Österreich in Kooperation mit dem Verein für Konsumenteninformation (VKI) eingerichtet. Sie ist Montag bis Freitag jeweils von 9.00 bis 15.00 Uhr besetzt und bietet AnruferInnen
wissenschaftlich fundierte, industrieunabhängige und praxisnahe Informationen zu verschiedenen
Fragen der Ernährung. Erreichbar ist die Ernährungs-Hotline zum Ortstarif aus ganz Österreich.
Alle Anfragen werden genau dokumentiert. Die Anfragen können folgenden Themen zugeordnet
werden:
- Gesunde Ernährung
- Biologischer Anbau
- Lebensmittel und Warenkunde
- Lebensmittelkennzeichnung
- Lebensmittelhygiene und -sicherheit
- Nahrungsergänzungsmittel
- Diätetik
291
Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation
Abb. 6.1:
Anzahl der Anrufe pro Monat
für die Jahre
2000, 2001,
2002 und
2003*
Anrufe pro Monat
500
450
Gesamt pro Jahr:
2000
1806
2001
1818
2002
2245
400
350
300
250
200
2000
2001
2002
2003
150
100
50
0
Jän. Feb. Mär. Apr.
Mai
Jun.
Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez.
* Zahlen für das Jahr 2003 sind nur bis einschließlich Juni vorhanden
-
Allgemeine Information und Interesse an Zusendung von Informationen
Die Evaluierung des ersten Jahres wurde vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien vorgenommen, in den nachfolgenden Jahren vom
Verein für Konsumenteninformation (VKI).
Die Anruferentwicklung zeigt, dass die Anruferzahlen in den einzelnen Monaten zwar Schwankungen unterliegen, insgesamt aber gestiegen sind (Abb. 1). Vor
allem in Monaten, in denen die Hotline im Rahmen der Werbekampagnen des Fonds
Gesundes Österreich stark beworben wurde (mittels TV-Spots, Plakate und Inserate), konnte eine höhere Anzahl von Anfragen verzeichnet werden. Dies war beispielsweise in den Monaten April, Mai und Juni 2000, aber auch in den Monaten
April, Mai, Juni und Juli 2002 der Fall. Die Hotline wird außerdem regelmäßig mit
Kleininseraten, bei diversen Medienkooperationen des Fonds Gesundes Österreich
und über die Monatszeitschrift des VKI beworben.
- Broschüre "Ernährung: Bewusst lebt besser"
Während der Lebensstil-Medienkampagne "Bewusst lebt besser", die der Fonds
Gesundes Österreich seit Herbst 1999 in mehreren Modulen durchgeführt hat, um
das Bewusstsein hinsichtlich eines gesundheitsfördernden Lebensstils zu erhöhen,
konnte eine starke Nachfrage nach Informationen zum Thema Lebensstil beobachtet werden. In der Folge wurde unter anderem die Ernährungsbroschüre erstellt, die einen Überblick über das Thema bietet und darüber hinaus Tipps für den
Alltag und zu weiterführender Literatur gibt. In einem gut recherchierten Serviceteil werden österreichweite Kontaktadressen angeführt.
Seit dem Jahr 2000 wurden bereits mehr als 210 000 Exemplare gratis an viele interessierte Menschen in Österreich verschickt. Die Broschüre kann von einzelnen Personen angefordert werden. Bei Bedarf wird sie auch in einer höheren Stükkzahl für Informationsveranstaltungen und Vorträge zur Verfügung gestellt.
- Die Ernährungskampagne des Fonds Gesundes Österreich 2002
Aufbauend auf die Medienkampagnen der Vorjahre, die Ernährung, Bewegung
und seelische Gesundheit als gleichwertige Faktoren für einen gesunden Lebensstil thematisiert hatten, erfolgte 2002 eine Konzentration auf das Thema Ernährung. Unter dem Motto "Bewusst lebt besser" sollte vermittelt werden, dass eine
vollwertige und abwechslungsreiche Ernährung die Voraussetzung für Gesundheit
und volle Leistungsfähigkeit bildet. Der/die einzelne ÖsterreicherIn sollte motiviert
werden, sein/ihr Essverhalten zu überdenken und die Lebensmittelauswahl zu verbessern.
Fiktive Lebensmittelkreationen wie Spaccaroni, Kornfisch, Banafurter & Co sollten in TV-Spots, auf Plakaten und in Inseraten Aufmerksamkeit erregen und die
ÖsterreicherInnen zu einem Umdenken ihrer Ernährungsgewohnheiten motivieren.
Dass gesunde Ernährung auch sehr gut schmecken kann, sollte mit folgenden,
die Kampagne begleitenden, Aktionen demonstriert werden.
292
Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation
- Gastronomie-Aktion
Gemeinsam mit VertreterInnen aus allen Bundesländern (aks Vorarlberg - Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin; Amt der OÖ Landesregierung, Landessanitätsdirektion - Ernährungsberatung; avomed - Arbeitskreis für Vorsorgemedizin in Tirol; avos - Arbeitskreis Vorsorgemedizin Salzburg; Gesundheitsforum NÖ; Proges Kärnten; Styria Vitalis - Gesundheit für die Steiermark; VEÖ Verband der Ernährungswissenschafter Österreichs; WHO Projekt - Wien Gesunde Stadt) hat der
Fonds Gesundes Österreich die Aktion "Bewusst isst besser" geplant. Unter diesem Motto sollte Österreichs Gastronomie aufgefordert werden, gesunde und abwechslungsreiche Gerichte auf die Speisepläne zu bringen. Die teilnehmenden Gaststätten und Restaurants haben sich mit ihrer Teilnahme dazu bereit erklärt, entweder an mindestens fünf Tagen pro Woche ein täglich wechselndes "Bewusst
isst besser" - Menü oder je Menükomponente - Suppe, Salat, Hauptspeise, Dessert - eine speziell deklarierte "Bewusst isst besser" - Variante anzubieten. Der Schwerpunkt war primär auf fleischreduzierte und vegetarische Gerichte zu legen, wobei natürlich auch Fisch, Eier, Milchprodukte und Hülsenfrüchte nicht fehlen sollten. Bevorzugt sollte vor allem frisches, aus heimischer Produktion stammendes Saisongemüse und -obst verarbeitet werden. Die Hälfte der Hauptspeisen sollte Getreide in
Form von Vollkornprodukten enthalten. Als Unterstützung für Ihre Teilnahme erhielten die GastronomInnen individuelle Beratung von ErnährungswissenschafterInnen oder DiätasistentInnen, die ihnen
mit praktischen Ratschlägen, beispielsweise mit Tipps zur fettärmeren Zubereitung von Speisen oder
mit empfehlenswerten Rezepten zur Seite standen.
Die Aktion fand insgesamt großen Anklang und das feed back der 186 teilnehmenden GastronomInnen aus allen Bundesländern war erfreulicherweise sehr positiv. Anhand von Fragebögen wurde
der Erfolg der Aktion evaluiert. Viele GastronomInnen sind seither bemüht, die ‚neuen Gerichte' auch
nach Abschluss der Aktion in ihren Menüplänen beizubehalten.
- Erster Österreichischer Betriebsküchenwettbewerb
Eine zweite Aktion, die der Fonds Gesundes Österreich initiierte und deren Module primär auf
große Betriebsküchen ausgerichtet waren, wurde in Kooperation mit den Organisationen AGÖ (Arbeitsgemeinschaft Großküchen Österreichs), aks Austria (Forum Österreichischer Gesundheitsarbeitskreise), der Nationalen Kontaktstelle Betriebliche Gesundheitsförderung und dem VEÖ (Verband
der Ernährungswissenschafter Österreichs) geplant.
Kernelement dieser Aktion war der 1. Österreichische Betriebsküchenwettbewerb, zu dem etwa
600 Betriebsküchen eingeladen wurden. Angesprochen waren vor allem jene Betriebsküchen, die täglich für mindestens 100 MitarbeiterInnen warme Mahlzeiten zubereiten.
Die Grundvoraussetzung bestand darin, abwechslungsreiche Speisepläne, durchgehend für vier
Wochen, nach einfachen, ernährungswissenschaftlich fundierten Kriterien zusammenzustellen und im
Zeitraum von Anfang Juni bis Ende August 2002 umzusetzen. Besonderer Wert wurde auf die abwechslungsreiche Gestaltung der Speisepläne gelegt, sowie auf die Verwendung saisonaler und regionaler Lebensmittel, vor allem bei Obst, Gemüse und Salat. Nicht zuletzt mussten die ‚Bewussten
Gerichte' natürlich den Anforderungen einer Großküche entsprechen. Bei der Zubereitung sollte fettsparenden Garmethoden der Vorzug gegeben werden.
Mittels Fragebogen wurde erhoben, wieweit die jeweilige Betriebsküche auf die Anforderung ihrer Gäste eingeht und der Gast beispielsweise Einfluss auf Portionsgrößen ausüben kann. Neben den
Speiseplänen waren die TeilnehmerInnen aufgefordert, empfehlenswerte Rezepte aus den Kategorien
Suppe/Vorspeise, Fleisch, Fisch, Vegetarisch und Dessert zur Bewertung einzureichen.
Insgesamt stellten sich 45 Betriebsküchen dem Wettbewerb. Die Jury bewertete vor allem die
Attraktivität der ‚Bewusst lebt besser' Speisen, die Sinnhaftigkeit der "gesunden Auswahl", die Speisenzusammenstellung und den regionalen Einsatz der Lebensmittel.
Ein von den jeweiligen KüchenleiterInnen ausgefüllter Fragebogen gab Auskunft, über die technische Ausstattung, über die Anzahl der Tagesgäste, ob vorwiegend Männer oder Frauen bzw. Personen mit schwerer oder leichter körperlicher Tätigkeit das Angebot in Anspruch nehmen. Weiters
wurde erfragt, ob täglich ein Salatbuffet angeboten wird und wie groß die Zahl von Salatrezepten im
Jahressortiment ist, ob täglich frisches Obst angeboten wird und ob die Gäste die Möglichkeit haben,
auch fleischreduzierte Speisen zu wählen.
Die Sieger Küchen:
Sieger des 1. Österreichischen Betriebsküchenwettbewerbes war die Betriebsküche des BMW Motorenwerks in Steyr. Diese zeichnete sich durch attraktive Speisepläne mit sehr vielen fettarmen Haupt-
293
Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation
speisen aus, die saisonalen und regionalen Bezug aufwiesen. Täglich wird bei BMW ein sogenanntes
Pfiffig - Rezept angeboten, das den ernährungswissenschaftlichen Empfehlungen voll entspricht.
Der zweite Platz ging an Domus Facility Management, die für die MitarbeiterInnen der Bank Austria
kocht. Die Jury lobte deren originelle und bunte Speisenauswahl. Besonders punkteten die einfallsreichen Vorspeisen und die oft gereichten Fischgerichte.
Platz drei errang das Restaurant Lenzesa der oberösterreichischen Lenzing AG. Vor allem die Verpflegung von Schichtarbeitern mit warmen Essen in der Nacht, weiters die Möglichkeit, sich den Speiseteller selbst zusammenzustellen, sowie die kreativen Rezepte und das variationsreiche Suppenbuffet überzeugten die Jury.
Ein Anerkennungspreis wurde an Lässer Gastronomie in Bregenz verliehen. Reinhard Lässer betreibt das Restaurant im Landhaus, das die Jury durch frische und sehr rasche Zubereitung sowie
durch regional gefärbte Gerichte mit hohem Anteil an biologischen Lebensmitteln beeindruckte.
Die Prämierung der Siegerküchen erfolgte im Rahmen der Betriebsküchenveranstaltung "Zeitgemäße Betriebsküche - Zufriedene Gäste" am 3. Oktober 2002 in Wien. Zu dieser eintägigen Veranstaltung waren alle BetriebsküchenleiterInnen Österreichs eingeladen. Das Interesse war enorm groß,
insgesamt haben 190 Personen an der Veranstaltung teilgenommen.
Vorträge zu folgenden Themen standen auf dem Programm:
- Trends in der Gemeinschaftsverpflegung - Aufgaben der Gemeinschaftsverpflegung gestern - heute - morgen
- Was wünscht sich der Kunde von morgen?
- Im Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis - Die Umsetzung von wissenschaftlichen Nährwertempfehlungen in der Betriebsküche
- Erwartungen und Qualitätseinschätzungen des Gastes an den zeitgemäßen Außer-Haus-Verzehr
Ferner wurden erfolgreiche Modellprojekte vorgestellt. Für Diskussionen blieb ebenfalls genügend
Zeit, um die verschiedenen Perspektiven einer zeitgemäßen Betriebsküche ausführlich zu erläutern.
Rezeptbuch:
Die innovativsten Rezepte der Teilnehmerküchen, wurden in einem Rezeptbuch zusammengefasst, das mit Unterstützung der Firma Nestlé Food Services in einer Auflage von 2000 Stück gedruckt
wurde und allen großen Betriebsküchen gratis zur Verfügung gestellt wurde. Die Rezepte wurden folgenden Kapiteln zugeordnet:
- Kohlenhydrate - bringen Gehirn und Muskel auf Trab
- Gemüse von der Suppe bis zum Hauptgericht
- Fleischgerichte nicht immer! Aber wenn, dann besonders feine
- Ganz im Trend - leichte Fischgerichte
- Obst und Kuchen
- Milch & Co - damit Knochen wirklich beinhart werden
294
Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation
6.2 Gesundheitsförderung in Österreich
Zusammenfassung
Mit der "Ottawa Charta zur Gesundheitsförderung" 1986 wurde ein wichtiger Schritt mit dem Ziel,
der Bevölkerung ein Leben in maximaler Gesundheit zu ermöglichen, gesetzt. In Österreich wurde
mit der Verabschiedung des Gesundheitsförderungsgesetzes (GfG) 1998 die rechtliche Grundlage zur
Verwirklichung der Ziele und Maßnahmen in diesem Bereich geschaffen. Der Beitritt Wiens zum "Gesunde Städte"-Projekt 1988 war der Beginn für zahlreiche Projekte und Initiativen zur Verbesserung
der Gesundheitssituation in der Großstadt. Eines der Projekte im Rahmen des Gesundheitsförderungsplans für Wien, war das "Netzwerk Ernährung", welches im Auftrag der Gemeinde Wien vom
Institut für Ernährungswissenschaften als dreijähriges Pilotprojekt durchgeführt wurde. Mit Hilfe verschiedener Maßnahmen, wie Newsletter, Homepage, Workshops und Symposien, wurde versucht,
wissenschaftlich fundierte Ernährungsinformation zu verbreiten. Eine wichtige Aufgabe des Netzwerks
war dabei, bereits vorhandene Strukturen auf dem Gebiet der Ernährungsberatung zu verbinden bzw.
zu unterstützen.
In einer Erhebung des Instituts für Ernährungswissenschaften der Universität Wien wurde das
Angebot an Ernährungsinformation im World Wide Web (Internet) untersucht. Die Websites mit ernährungsbezogener Information nehmen ständig zu, unterliegen aber inhaltlich keiner Kontrolle und
sind daher nicht uneingeschränkt zu empfehlen. Mit Hilfe von Suchmaschinen wurden Internetseiten
zum Schlagwort "Ernährung" gesucht. Von insgesamt 76 untersuchten österreichischen Websites wurden 61 von einer Institution oder Organisation, 12 von einem Lebensmittel-, Pharma- oder anderem
Handelskonzern und 3 aus dem Fitnessbereich zur Verfügung gestellt. Bei nicht einmal der Hälfte der
Seiten wurde ein Verfasser genannt, ebenso gibt es kaum Aufschluss über deren Profession. Die Qualität der Inhalte konnte nur in 24% der Fälle als "gut" eingestuft werden, wobei nicht nur die Richtigkeit sondern auch die Genauigkeit der Angaben verbesserungswürdig waren. Das Medium Internet stellt eine sehr große, allerdings unstrukturierte und unkontrollierte Informationsquelle dar, nicht
zuletzt, da die meisten Websites von Marketing- und Medienfachleuten, nicht aber von bzw. mit Hilfe von Ernährungswissenschaftern erarbeitet werden.
Allgemeines
Österreich ist seit 1948 Mitglied der Weltgesundheitsorganisation (WHO, World Health Organization). Diese langjährige Zusammenarbeit war eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung der
Gesundheitsförderung in Österreich.
In Anbetracht der Größe der Gesundheitsprobleme und der unzureichenden und ungerechten
Verteilung von Gesundheitsressourcen in der Welt, entschied die WHO auf ihrer 30. Weltgesundheitsversammlung 1977 in Genf, dass das vorrangige Ziel von Regierungen und der WHO in den kommenden Jahrzehnten die Erreichung eines Grades von Gesundheit für alle Bürger dieser Welt bis zum
Jahr 2000 sein soll, der ihnen erlaubt, ein sozial und ökonomisch produktives Leben zu führen. Unter den Zielen, welche zur Erreichung der "Gesundheit für alle" (GFA, Health for all) gesetzt wurden,
sind u.a. einige Punkte, die sich auf den Bereich Ernährung beziehen:
-
-
-
Ziel 16: Bis zum Jahr 2000 sollte es in allen Mitgliedstaaten anhaltende Bestrebungen geben, mit
denen man gesunde Lebensgewohnheiten aktiv fördert und unterstützt, indem man für ausgewogene Ernährung, sinnvolle Betätigung, gesundes Sexualleben und gute Stressbewältigung eintritt und andere Aspekte eines positiven Gesundheitsverhaltens betont.
Ziel 22: Bis zum Jahr 2000 sollen die von Mikroorganismen und ihren Toxinen, von Chemikalien
und Radioaktivität in Lebensmitteln ausgehenden Gesundheitsrisiken in allen Mitgliedstaaten deutlich zurückgegangen sein.
Ziel 35: Bis zum Jahr 2000 sollten in allen Mitgliedstaaten Gesundheitsinformationssysteme die
Formulierung, Umsetzung, Begleitüberwachung und Evaluation der GFA-Politik aktiv abstützen.
Auf der 1. Internationalen Konferenz zur Gesundheitsförderung 1986 wurde die "Ottawa Charta
für Gesundheitsförderung" festgelegt. Darin wurde der Begriff Gesundheit erstmals nicht nur zu einem Anliegen des medizinischen Systems, sondern auch aller anderen Funktionssysteme der Gesellschaft - wie Ökonomie, Politik, Wissenschaft und Erziehung. Die Menschen sollten angehalten werden ihren Lebensstil zu verändern, d.h. jede Person für sich sollte Gesundheit nicht als selbstverständliche Ressource betrachten, sondern Eigenverantwortung dafür übernehmen.
295
Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation
1998 wurde vom österreichischen Nationalrat das Gesundheitsförderungsgesetz (GfG) über Maßnahmen und Initiativen zur Gesundheitsförderung, -aufklärung und -information beschlossen (BGBl.
I Nr. 51/1998). Gegenstand dieses Bundesgesetzes sind Maßnahmen und Initiativen, die zur Erreichung folgender Zielsetzungen beitragen:
-
Erhaltung, Förderung und Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung im ganzheitlichen Sinn
und in allen Phasen des Lebens;
Aufklärung und Information über vermeidbare Krankheiten sowie über die die Gesundheit beeinflussenden seelischen, geistigen und sozialen Faktoren.
Folgende grundlegenden Strategien sind zur Erreichung der in § 1 genannten Zielsetzungen vorzusehen:
1. Strukturaufbau für Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention unter Berücksichtigung und
Einbindung bestehender Einrichtungen und Strukturen;
2. Entwicklung und Vergabe von bevölkerungsnahen, kontextbezogenen Programmen und Angeboten in Gemeinden, Städten, Schulen, Betrieben und im öffentlichen Gesundheitswesen;
3. Entwicklung zielgruppenspezifischer Programme zur Information und Beratung über gesunden
Lebensstil, Krankheitsprävention sowie Umgang mit chronischen Krankheiten und Krisensituationen;
4. wissenschaftliche Programme zur Weiterentwicklung der Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention sowie der Epidemiologie, Evaluation und Qualitätssicherung in diesem Bereich;
5. Unterstützung der Fortbildung von Personen, die in der Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention tätig sind;
6. Abstimmung der Maßnahmen und Initiativen im Sinne dieses Bundesgesetzes mit bestehenden
Aktivitäten im Bereich der Gesundheitsförderung.
Mit der Durchführung der Initiativen im Sinne des GfG ist der gemeinnützige Fonds "Gesundes
Österreich" beauftragt. Ihm stehen jährlich finanzielle Mittel zur Verfügung, um Projekte zu unterstützen. Im jährlichen Geschäftsbericht kann Einblick in die durchgeführten Aktivitäten genommen
werden.
Österreichweite Projekte zur Gesundheitsförderung
Aufbauend auf den Grundlagen der "Gesundheit für alle"-Ziele und den Prinzipien der Ottawa
Charta startete die WHO 1987 das "Gesunde Städte"-Projekt (Healthy Cities). Die Stadt Wien trat bereits 1988 dem Projekt bei und ist, als einzige Stadt Österreichs, direktes Mitglied.
Mittlerweile ist Österreich an verschiedenen Gesundheitsförderungsprojekten beteiligt:
- Österreichisches Gesunde Städte Netzwerk
- 1992 wurde das "Österreichische Gesunde Städte Netzwerk" (ÖGSN) gegründet, welches mittlerweile 31 Mitglieder umfasst.
- Österreichisches Netzwerk Gesundheitsfördernder Schulen
- Seit 1993 ist Österreich mit einem nationalen Netzwerk am "Europäischen Netzwerk Gesundheitsfördernder Schulen" beteiligt. Unterstützt wird das Projekt von den Bundesministerien für
Gesundheit und Frauen sowie Bildung, Wissenschaft und Kultur.
- Österreichisches Netzwerk Gesundheitsfördernder Krankenhäuser
- Mit dem Ziel, Krankenhäuser darin zu unterstützen, ihre Organisation in Richtung Gesundheitsförderung zu entwickeln, wurde 1990 das Netzwerk Gesundheitsfördernder Krankenhäuser errichtet. Kooperationszentrum ist das Ludwig-Boltzmann-Institut für Medizin- und Gesundheitssoziologie (LBIMGS).
- Betriebliche Gesundheitsförderung
- Im Rahmen des Aktionsprogramms zur Gesundheitsförderung, Aufklärung, Erziehung und Ausbildung der EU findet das Netzwerk zur betrieblichen Gesundheitsförderung statt.
- Megapoles
- Im Auftrag der Europäischen Kommission, DG SANCO (Generaldirektion für Gesundheit und Verbraucherschutz) wird das Projekt Megapoles durchgeführt. Das Projekt hat die Verbesserung der
Gesundheitssituation in Großstädten zum Ziel.
- CINDI-Programm (Countrywide Integrated Noncommunicable Disease Intervention Programme)
296
Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation
Der Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin in Vorarlberg führt seit 1986 Querschnittsstudien (Population Surveys) durch, um den Gesundheitszustand der westlichen Bevölkerung Österreichs
zu erfassen. Ziel des CINDI-Programms ist die Reduktion von Zivilisationskrankheiten.
Wien - Gesunde Stadt
In Wien wurde mit dem Beitritt in das "Gesunde Städte"-Projekt der WHO ein wichtiger Impuls
im Gesundheitsförderungsbereich gesetzt. Mit der "Deklaration des Wiener Gemeinderates zur Gesundheitsförderung in Wien" 1989 wurden die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen. 1995 wurde das Dezernat für Gesundheitsplanung (heute: Bereichsleitung für Gesundheitsplanung und Finanzmanagement) eingerichtet, welches mit der Koordination des WHO-Projektes beauftragt wurde.
-
Das WHO-Projekt "Wien Gesunde Stadt" umfasst eine Reihe von Projekten:
Ein Herz für Wien
Frauengesundheitszentren F.E.M. und F.E.M. Süd
Wiener Netzwerk Ernährung
Gesunde Leopoldstadt
Gesundheitsförderung im Krankenhaus
Haltungsschäden vermeiden
Initiative "Josefstadt - ganz schön sicher"
Migranten/-innen und Gesundheit
Sicher gehen über 60
Walking Miles
Wiener Netzwerk - Gesundheitsfördernde Schulen
Zahngesundheitsförderung
Unter dem Titel "Wiener Gesundheitsförderungsprogramm" erschien im Jahr 2000 der Gesundheitsplan (City Health Plan) für Wien, als Voraussetzung für die Teilnahme der Stadt an der 3. Umsetzungsphase des "Gesunde Städte"-Projektes. Darin enthalten sind Maßnahmen und Konzepte zu
den drei Schwerpunktthemen "Kampf den Herz-Kreislauf-Erkrankungen", "Haltungsschäden vermeiden" und "Gesunde Ernährung".
Netzwerk Ernährung
Als die Gemeinde Wien dem Institut für Ernährungswissenschaften den Auftrag zur Erstellung eines Maßnahmenprogramms zum Thema "Gesunde Ernährung" erteilte, wurde das Konzept für ein
Ernährungs-Informations-Netzwerk ausgearbeitet. Die Idee des Netzwerks ist nicht, neue Einrichtungen zu schaffen, sondern vorhandene Strukturen zu nutzen bzw. zu verbinden. Die Zusammenarbeit und der Erfahrungsaustausch zwischen einzelnen Organisationen sind wichtig, um die Effektivität von Maßnahmen zu steigern. Da es meist schwierig ist, den Einzelnen direkt anzusprechen, ist
es sinnvoll die Menschen an jenen Orten zu erreichen, wo sie leben, arbeiten, lernen, spielen, usw.
(Setting-Ansatz). Das Netzwerk nutzt in diesem Sinne Mitgliederorganisationen als Multiplikatoren,
um den Endverbraucher mit relevanter Information zu versorgen.
Im Jahr 2000 startete das Pilotprojekt "Netzwerk Ernährung" unter der Leitung von Univ.-Prof.
Dr. Ibrahim Elmadfa, Vorstand des Instituts für Ernährungswissenschaften. Die Aufgabe bestand in
der Schaffung einer Netzwerk-Struktur, um einen besseren Überblickung über vorhandene Aktivitäten, eine bessere Zusammenarbeit beteiligter Organisationen und eine Verbesserung auf dem Gebiet
der Ernährungsinformation und -beratung zu erlangen.
Strukturell war das Netzwerk aus einer Koordinationsstelle, die am Institut für Ernährungswissenschaften eingerichtet wurde, einem Gremium aus Partnerorganisationen (Vertreter aus den Bereichen: Ernährungswissenschaften, Diätetik, Gesundheitswesen, Gesundheitsförderung und Lebensmittelsicherheit), die vierteljährlich zusammentrafen und zahlreichen Mitgliedern aufgebaut. Partner und Mitglieder waren aufgefordert aktiv am Netzwerk mitzuarbeiten und konnten andererseits
von den gesetzten Maßnahmen profitieren.
Maßnahmen für die Umsetzung des Projektes waren:
- Veröffentlichungen im internen Newsletter sowie in Mitgliederzeitschriften bzw. im Internet,
- die Sammlung von Ernährungsinformationen (Literatur, Broschüren, Veranstaltungs-, Internettipps),
297
Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation
-
Workshops und Vorträge für Multiplikatoren bzw. spezielle Zielgruppen,
Symposien,
Errichtung einer Datenbank,
Errichtung und Betreuung einer Homepage,
Zusammenstellung von Informationsquellen.
Die dreijährige Pilotphase zeigte, wie vielseitig der Bereich der Ernährungsberatung ist und wie unterschiedlich die erforderlichen Informationen sein können.
Eine Intensivierung der Zusammenarbeit einzelner Teilnehmer-Organisationen sowie der Ausbau der Servicetätigkeit der Netzwerk-Koordinationsstelle wären aufbauende Maßnahmen für die Zukunft. Mit Ende 2002 ging die Verantwortlichkeit
für das Projekt an die Stadt Wien, MA 15 Gesundheitswesen, über.
Ernährungsinformation im Internet
Das Internet bietet die Möglichkeit Informationen auszutauschen, den Verbraucher aufzuklären, zu sensibilisieren, wissenschaftliche Erkenntnisse zu verbreiten und nach dem Motto "Prävention durch Information" auch das Gesundheitsverhalten der Bevölkerung zu beeinflussen. Die Anzahl an Websites, die Informationen zum Thema Gesundheit und Ernährung anbieten, ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Im Gegensatz zu gedruckten Medien werden Internetinformationen grundsätzlich keiner Bewertung unterzogen, d.h. es gibt keinen
Review-Prozess (= Begutachtung durch Experten). Da es für den Laien schwierig
ist aus der großen Fülle an Informationen, die teilweise unvollständig oder auch
veraltet sind, die für ihn relevanten Daten herauszufiltern, gibt es Bestrebungen,
Kriterien für die Qualitätsbeurteilung von Internetseiten zu erarbeiten.
Im Rahmen einer Erhebung über das Angebot an Ernährungsinformation im
World Wide Web, wurde mittels verschiedener Österreichspezifischer Suchmaschinen nach dem Schlagwort "Ernährung" gesucht. Die gefundenen Websites wurden
analysiert und nach festgesetzten Kriterien beurteilt.
Aus einer Anzahl an insgesamt 76 untersuchten österreichischen Websites
konnten 61 einer Institution oder Organisation zugeordnet werden, 12 Internetseiten stammten von einem Lebensmittel-, Pharma- oder anderem Handelskonzern und 3 Homepages kamen aus dem Fitnesssektor.
Eine wichtige Frage, die sich bei der Qualitätsbeurteilung von Informationen
stellt, ist, wer für die veröffentlichten Inhalte verantwortlich ist und welche fachli-
3% 3% 4%
19%
7%
7%
17%
8%
16%
Abb. 6.2:
Anbieter von
Ernährungsinformation im
Internet
16%
Arbeitskreis
Versicherung
Fitness
Sonstiges
Internetmagazin, Zeitschriften
öffentliche Institute
Lebensmittel-, Pharma-, Handelsketten
Einzelpersonen
Firmen
Vereine
298
Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation
28%
4% 4%
6%
6%
12%
22%
18%
Psychologen
Dipl. Krankenpflege
Journalisten
Dipl. Gesundheitstrainer
Dipl. Diätass. & ernährungsmed. Berater/-innen
Andere Berufsgruppen
Mediziner
Ernährungswissenschafter
che Qualifikation derjenige aufweisen kann. Die Untersuchung zeigte, dass Vereine (19%) gefolgt von Firmen (17%), Einzelpersonen und Lebensmittel-, Pharmabzw. sonstigen Handelsketten mit je 16% am häufigsten Ernährungsinformationen
ins Internet stellen (Abb. 6.2).
Auf 45% der Internetseiten wird ein Verfasser angegeben, wohingegen bei
50% unklar ist, von wem die Texte stammen. Bei einigen Seiten werden nur zum
Teil Autoren genannt.
Bei rund der Hälfte aller beurteilten Websites ist unklar, welche berufliche Qualifikation der Autor hat. Unter den genannten finden sich am häufigsten Ernährungswissenschafter/-innen (15%) und Mediziner/-innen (11%) (Abb. 6.3). Unter
dem Begriff "andere Berufsgruppen" wurden all jene zusammengefasst, die nur
einmal genannt wurden. Dazu zählen ein Sportwissenschafter, ein Pädagoge, ein
Medientechniker, ein Koch/Kellner, ein Fachpraktiker für Ernährung, ein Pharmazeut, ein Trainer, ein Schüler und ein Wissenschafter ohne nähere Angabe über die
Fachrichtung.
Die inhaltliche Beurteilung der einzelnen Websites zeigt, dass im Hinblick auf
die Qualität, also die Richtigkeit der Aussagen, nur ein Viertel der Internetseiten
als "gut" einzustufen sind. 22% der Seiten weisen hingegen kleinere Fehler auf
und 13% sind als schlechte Informationsquellen einzustufen. Keine Auswertung
konnte bei Homepages gemacht werden, deren Betreiber sich zwar mit Ernährung
befassen, die aber keine allgemeinen ernährungsbezogenen Informationen anbieten (Abb. 6.4). Ein weiteres Qualitätskriterium bei der Beurteilung war die Genauigkeit, d.h. wie detailliert, umfassend und zusammenhängend die Inhalte erklärt
werden. Lediglich 29 Websites erfüllen die Anforderungen, wohingegen 31 die Thematik nur sehr oberflächlich abhandeln. Um die Aktualität der Ernährungsinformation beurteilen zu können, wurden die Seiten au
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