Institut für Ernährungswissenschaften Universität Wien Österreichischer Ernährungsbericht 2003 Impressum: Österreichischer Ernährungsbericht 2003 1. Auflage, Oktober 2003 Herausgegeben vom Institut für Ernährungswissenschaften, Universität Wien, Althanstr. 14, A-1090 Wien im Auftrag des Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, Sektion IV Radetzkystraße 2, 1030 Wien Für den Inhalt verantwortlich: o. Univ.-Prof. Dr. I. Elmadfa Zitierweise (gekürzte Form): Elmadfa I, Freisling H, König J, et al. Österreichischer Ernährungsbericht 2003. 1. Auflage, Wien, 2003 Bezugsmöglichkeit (gegen einen Unkostenbeitrag von € 10,– zzgl. Versand): Institut für Ernährungswissenschaften, Universität Wien Althanstr. 14, A-1090 Wien Tel.: +43-1/4277-54901 E-Mail: [email protected] ISBN 3-901861-01-7 Österreichischer Ernährungsbericht 2003 Herausgegeben vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien o. Univ.-Prof. Dr. I. Elmadfa im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen Autoren o. Univ.-Prof. Dr. I. Elmadfa Mag. H. Freisling ao. Univ.-Prof. Dr. J. König Mag. Judith Blachfelner Mag. Helga Cvitkovich-Steiner Dr. Dr. D. Genser Dr. R. Grossgut Dr. H. Christine Hassan-Hauser Mag. Rita Kichler o. Univ.-Prof. Dr. M. Kunze Dr. Dorota Majchrzak ao. Univ.-Prof. Dr. M. Manafi Dr. Petra Rust Dr. Karin Schindler Dr. F. Vojir Dr. Sandra Wallner Dr. A. Zilberszac Vorwort der Bundesministerin Die Ernährung spielt in der Prävention von Krankheiten bzw. in der Gesundheitsförderung eine herausragende Rolle. Das Lebensmittelangebot ist in der heutigen Zeit besser denn je. Bei der vorhandenen Vielfalt und Qualität der Lebensmittel kann der Bedarf im physiologischen Sinne selbst bei unterschiedlichen Bedürfnissen hinsichtlich des Geschmacks und der Ernährungspräferenzen gedeckt werden. Der Ernährungsbericht, der vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien herausgegeben wird, hat sich als eine wesentliche Informationsquelle für die Entscheidungsträger in der Ernährungs- und Gesundheitspolitik etabliert. Wie schon der Österreichische Ernährungsbericht 1998 gibt der vorliegende Bericht aber auch den privat Interessierten einen hervorragenden Einblick in das breite Spektrum der Ernährung. Was hat der Österreichische Ernährungsbericht 2003 zu bieten? Trends der letzten fünf Jahre im Lebensmittelverbrauch werden genauso dargestellt wie die Entwicklung der Nährstoffversorgung der Bevölkerung bzw. einzelner Bevölkerungsgruppen. Problemfelder der modernen Ernährung werden aufgezeigt und gleichzeitig Lösungsmöglichkeiten angeboten. Sehr erfreulich sind die vielen Beiträge aus dem Bereich der Lebensmittelqualität und Ernährungssicherheit. Um nur einige zu nennen: Bio-Lebensmittel, neuartige Lebensmittel bzw. gentechnisch veränderte Lebensmittel, nährstoffangereicherte Lebensmittel, Trinkwasserqualität etc. Unter anderem sind Lebensmittel auch im Zusammenhang mit Acrylamid, Nitrat, Mykotoxinen oder Zusatzstoffen in Diskussion. Darauf wird unter Einbeziehung von aktuellen Ergebnissen aus der Forschung eingegangen. Von unmittelbarem Nutzen ist auch die Darstellung der Bedeutung der wichtigsten Lebensmittelgruppen innerhalb unserer Ernährung für die Gesundheit bis hin zu konkreten Ernährungsempfehlungen. Als verantwortliche Ministerin danke ich den Autoren und Autorinnen für ihr Engagement und ihre wertvollen Beiträge. Ich bin sicher, dass der Österreichische Ernährungsbericht 2003 die gebührende öffentliche Beachtung finden und als Grundlage für gezielte Gesundheitsförderung dienen wird. Maria Rauch-Kallat Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Vorwort Nachdem im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 erstmals und möglichst umfassend die Ernährungssituation in Österreich dokumentiert wurde, hat das Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen mit dem vorliegenden Ernährungsbericht das Ernährungs-Monitoring in Österreich fortgeführt. Dadurch ist es möglich, rechtzeitig Veränderungen im Ernährungsverhalten, im positiven wie im negativen Sinne, festzustellen und falls notwendig, entsprechende gesundheitspolitische Maßnahmen einzuleiten. Nicht zuletzt werden damit auch weiterhin international vergleichbare Daten über die Ernährungssituation in Österreich geliefert. Zu Beginn wird ein kurzer Überblick über die Entwicklung des Lebensmittelverbrauchs der letzten 5-10 Jahre in Österreich gegeben. Einen wichtigen Schwerpunkt bildet das Kapitel über den Ernährungszustand verschiedener Bevölkerungsgruppen in Österreich auch im Vergleich zur Situation vor fünf Jahren. Aspekte der Lebensmittelqualität und -sicherheit erreichen stets ein breites öffentliches Interesse. Daher werden in einem umfassenden Kapitel aktuelle Daten zu Themen wie Trinkwasser, gentechnisch veränderte Lebensmittel, Bioprodukte, Zusatzstoffe, Acrylamid in Lebensmitteln etc. dokumentiert. Die Vielfalt verfügbarer Grundnahrungsmittel wie Brot und Getreideprodukte, Gemüse und Obst, Milch und Milchprodukte, Fleisch und Fleischprodukte bildet die Basis einer ausgewogenen Ernährungsweise. Neue Verzehrsdaten liefern ein Bild über die Balance in der Auswahl von bestimmten Lebensmittelgruppen und deren Bedeutung für die Ernährung der österreichischen Bevölkerung. Das Kapitel Public Health behandelt die Entwicklung der Lebenserwartung und der Mortalität in Österreich und berichtet über den Zusammenhang zwischen der Ernährung und bestimmten chronischen Erkrankungen. Der Österreichische Ernährungsbericht 2003 schließt mit einem Kapitel über Gesundheitsförderung und Prävention sowie einem Wegweiser für eine wünschenswerte und gesund erhaltende Ernährungsweise ("Lebensmittelbasierte Richtlinien und Empfehlungen"). Ernährungsinformationen sind heute in vielfältiger Art und Weise (Zeitungsartikel, Fernsehen, Internet, Werbung…) verfügbar, allerdings führt mehr Information oft auch zu Desinformation, vor allem wenn sie widersprüchlich ist. Das Institut für Ernährungswissenschaften sieht sich verpflichtet, sachlich und auf dem letzten Stand der Wissenschaft über das breite Spektrum der Ernährung zu informieren. Dieser Ernährungsbericht stellt für die Verantwortlichen in der Ernährungs- und Gesundheitspolitik, aber auch den Lebensmittelproduzenten ein wichtiges Instrument für die Verbesserung der Ernährungssituation in Österreich dar. Selbstverständlich soll der Bericht auch der Öffentlichkeit, speziell den Meinungsbildnern in den Medien und dem interessierten Konsumenten als zuverlässige Dokumentation über den aktuellen Ernährungszustand dienen. Der Ernährungsbericht 2003 stützt sich u. a. auf Forschungsarbeiten, die vom Bundesministerium für Gesundheit und Frauen gefördert wurden. Das Institut für Ernährungswissenschaften bedankt sich bei den zahlreichen Arbeitsgruppen, die alle wissenschaftlichen Studien mit großer Sorgfalt durchgeführt haben und insbesondere auch bei vielen Studierenden der Ernährungswissenschaften, die bei den Feldarbeiten und der Datenerfassung unermüdlichen Einsatz gezeigt haben. Der Dank gilt ferner den sachkundigen Autoren und allen Beteiligten die zum Gelingen dieses Berichts beigetragen haben. Wien, Oktober 2003 O. Univ.-Prof. Dr. I. Elmadfa Inhaltsverzeichnis Kapitel 1: Lebensmittelverbrauch Österreichs – ein Überblick .....................................1 Allgemeines ....................................................................................................................1 Aktuelle Trends im Lebensmittelverbrauch .........................................................................1 Getreide und Brot ............................................................................................................2 Hülsenfrüchte .................................................................................................................2 Gemüse und Obst ...........................................................................................................2 Milch und Milchprodukte ..................................................................................................3 Fleisch und Fleischprodukte .............................................................................................3 Fisch ...........................................................................................................................3 Pflanzenöle .....................................................................................................................4 Kapitel 2: Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung .................................6 2.1 Allgemeine Einführung ................................................................................................9 2.2 Body Mass Index (BMI) verschiedener Personengruppen .............................................10 2.2.1 BMI von Vorschulkindern ..................................................................................11 2.2.2 BMI von Schulkindern.......................................................................................11 2.2.3 BMI von Lehrlingen ..........................................................................................12 2.2.4 BMI von Erwachsenen ......................................................................................14 2.2.5 BMI von Freizeitsportlern ..................................................................................14 2.2.6 BMI von Senioren.............................................................................................15 2.3 Kinder und Jugendliche .............................................................................................17 2.3.1 Vorschulkinder (3-6 J.)......................................................................................17 2.3.2 Schulkinder (7-14 J.) ........................................................................................28 2.3.3 Lehrlinge (15-18 J.) ..........................................................................................37 2.4 Erwachsene..............................................................................................................47 2.4.1 Trinkverhalten und Flüssigkeitsaufnahme von österreichischen Erwachsenen ........63 2.5 Senioren ..................................................................................................................70 2.6 Schwangere .............................................................................................................86 2.7 Stillende ...................................................................................................................98 2.8 Breitensportler ........................................................................................................103 Kapitel 3: Lebensmittelqualität ..................................................................................110 3.1 Die amtliche Lebensmittelüberwachung in Österreich ................................................110 3.2 Aspekte der Qualität von Lebensmitteln tierischer Herkunft – aus der Praxis des Instituts für Lebensmitteluntersuchung, Wien ...........................................119 3.3 Risikoanalyse bei Lebensmitteln ...............................................................................125 3.4 Lebensmittelsicherheit anhand einiger Beispiele .......................................................131 3.5 Trinkwasser ...........................................................................................................143 3.6 Bioprodukte ...........................................................................................................156 3.7 Gentechnisch veränderte Lebensmittel .....................................................................162 3.8 Nährstoffanreicherung von Lebensmitteln ................................................................168 3.9 Babynahrungsprodukte ...........................................................................................176 3.10 Light-Produkte .....................................................................................................182 3.11 Lebensmittelzusatzstoffe .......................................................................................189 3.12 Acrylamid in Lebensmitteln ...................................................................................196 3.13 Nitrat ..................................................................................................................202 3.14 Schwermetalle .....................................................................................................213 Kapitel 4: Bedeutung der wichtigsten Lebensmittelgruppen für die Ernährung .......222 4.1 Brot und Getreideprodukte .....................................................................................222 4.2 Obst und Gemüse ..................................................................................................228 4.3 Milch und Milchprodukte ........................................................................................232 4.4 Fleisch und Fleischprodukte ....................................................................................237 4.5 Zucker ...................................................................................................................242 I Kapitel 5: Public Health/Gesundheitsförderung/ Prävention....................................249 5.1 Ernährungsassoziierte Erkrankungen und Mortalität ..................................................249 5.2 Koronare Herzerkrankungen ...................................................................................259 5.3 Ernährung bei HIV-Infektion ...................................................................................268 5.4 Diabetes mellitus ...................................................................................................272 Kapitel 6: Gesundheitsförderung und Kommunikation .............................................282 6.1 Fonds Gesundes Österreich ....................................................................................282 6.2 Gesundheitsförderung in Österreich ........................................................................295 6.3 REVOST - Reiner Ernährungs- und Vorsorge-Studie, ein Anwendungsbeispiel aus Südösterreich ..................................................................................................301 6.4 Lebenmittelbasierte Richtlinien und Empfehlungen ...................................................306 Kapitel 7 - Entwicklung des Lebensmittelverbrauchs in Österreich zwischen 1947 und 2001 (Anhang zu Kapitel 1) .................................................315 Zusammenfassung .......................................................................................................315 Allgemeines .................................................................................................................315 Abschätzung des Verzehrs aus Ernährungsbilanzen .........................................................315 Getreide und Getreideprodukte ......................................................................................316 Kartoffeln ....................................................................................................................317 Hülsenfrüchte ..............................................................................................................318 Gemüse ......................................................................................................................318 Obst .......................................................................................................................319 Milch und Milchprodukte................................................................................................321 Fleisch und Fleischwaren ...............................................................................................323 Fisch .......................................................................................................................323 Eier .......................................................................................................................324 Pflanzliche Öle und Ölsaaten ........................................................................................324 Zucker, Honig, Kakao, Nüsse und Kastanien ...................................................................325 Bier und Wein .............................................................................................................326 Konsumstatistik ...........................................................................................................327 Kapitel 8: Zusammenfassung ....................................................................................329 Ausblick ...................................................................................................................344 Literatur ...................................................................................................................345 II Tabellenverzeichnis Tab. 2.0: Mittlere tägliche Zufuhr an Polyenfettsäuren bei verschiedenen Altersgruppen in Österreich ....................................................................................................................7 Tab. 2.1: Übersicht zu den durchgeführten Erhebungen zur Beurteilung des Ernährungszustands der österreichischen Bevölkerung .....................................................10 Tab. 2.2: BMI des Gesamtkollektivs sowie Verteilung von Unter-, Normal- und Übergewicht innerhalb der Altersgruppen von Senioren .....................................................15 Tab. 2.3: Körperlänge, Gewicht und BMI der männlichen und weiblichen Studienteilnehmer ......16 Tab. 2.4: Stichprobenzahl (n=151) der Wiegeprotokolle gegliedert nach Regionen....................18 Tab. 2.5: Mittlere tägliche Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.), getrennt nach Geschlecht und Region.................18 Tab. 2.6 : Mittlere tägliche Zufuhr an Linolsäure und α-Linolensäure in g und Energie% bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.) ...................................................................20 Tab. 2.7: Mittlere tägliche Vitaminzufuhr bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 Jahre).........22 Tab. 2.8: Mittlere tägliche Zufuhr an Mineralstoffen und Spurenelementen bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 Jahre), getrennt nach Geschlecht und Region .....23 Tab. 2.9: Vergleich der wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen (Optimierte Mischkost) mit tatsächlichen Verzehrsdaten (3-d-Wiegeprotokoll, n=151) bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.) ....................................................................25 Tab. 2.10: Mittlere tägliche Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei österreichischen Schulkindern (7-14 J.), getrennt nach Alter, Geschlecht und Region...........29 Tab. 2.11: Trends (Beobachtungszeitraum 1998-2002) in der Energie- und Makronährstoffzufuhr bei österreichischen Schulkindern (7-14 J.) ......................................31 Tab. 2.12: Mittlere tägliche Vitaminzufuhr bei österreichischen Schulkindern (7-14 J.), getrennt nach Alter, Geschlecht und Region......................................................................32 Tab. 2.13: Mittlere tägliche Zufuhr an Mineralstoffen und Spurenelementen bei österreichischen Schulkindern (7-14 J.), getrennt nach Alter, Geschlecht und Region .....33 Tab. 2.14: Trends (Beobachtungszeitraum 1998-2002) in der Mikronährstoffzufuhr bei österreichischen Schulkindern (7-14 J.).......................................................................34 Tab. 2.15: Vergleich der wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen (Optimierte Mischkost) mit tatsächlichen Verzehrsdaten (7-d-Wiegeprotokoll, n=326) bei österreichischen Schulkindern (7-9 J.) ........................................................................35 Tab. 2.16: Mittlere tägliche Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) .............................................................................38 Tab. 2.17: Mittlere tägliche Zufuhr an Linolsäure und α-Linolensäure in g und Energie% bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) .......................................................................38 Tab. 2.18: Mittlere tägliche Alkoholzufuhr bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) ................39 Tab. 2.19: Vergleich der mittleren täglichen Energie- und Makronährstoffzufuhr bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) mit den Zufuhrdaten gleichaltriger Schüler (Österreichischer Ernährungsbericht 1998) .......................................................................40 Tab. 2.20: Mittlere tägliche Zufuhr an Vitaminen bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) ......40 Tab. 2.21: Vergleich der mittleren täglichen Vitaminzufuhr bei österreichischen Lehrlinge (15-18 J.) mit den Zufuhrdaten gleichaltriger Schüler (Österreichischer Ernährungsbericht 1998).................................................................................................41 Tab. 2.22: Mittlere tägliche Zufuhr an Mineralstoffen/Spurenelementen bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) .......................................................................42 Tab. 2.23: Vergleich der mittleren täglichen Zufuhr an Mineralstoffen/Spurenelementen bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) mit den Zufuhrdaten gleichaltriger Schüler (Österreichischer Ernährungsbericht 1998) .......................................................................42 Tab. 2.24: Vergleich der wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen (Optimierte Mischkost) mit den tatsächlichen Verzehrsdaten (3-d-Wiegeprotokoll, n=110) bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) .............................45 Tab. 2.25: Charakteristik der Stichprobe (n=2581)..................................................................48 Tab. 2.26: Mittlere tägliche Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei österreichischen Erwachsenen, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht ................48 Tab. 2.27: Mittlere tägliche Proteinzufuhr bei österreichischen Erwachsenen (Angaben in g) .....49 III Tab. 2.28: Mittlere tägliche Aufnahme an Linolsäure und α-Linolensäure in g und Energie% bei österreichischen Erwachsenen ......................................................50 Tab. 2.29: Mittlere tägliche Aufnahme an Saccharose bei österreichischen Erwachsenen ...........51 Tab. 2.30: Mittlere tägliche Alkoholzufuhr bei österreichischen Erwachsenen (in g) ...................51 Tab. 2.31: Trends (Beobachtungszeitraum 1998-2002) in der Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei österreichischen Erwachsenen ..................................................52 Tab. 2.32: Mittlere tägliche Vitaminzufuhr bei österreichischen Erwachsenen, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht....................................................................53 Tab. 2.33: Trends (Beobachtungszeitraum 1998-2002) in der Vitaminzufuhr bei österreichischen Erwachsenen .........................................................................................55 Tab. 2.34: Mittlere tägliche Aufnahme an Mineralstoffen/Spurenelementen bei österreichischen Erwachsenen, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht......................56 Tab. 2.35: Trends (Beobachtungszeitraum 1998-2002) in der Zufuhr an Mineralstoffen/Spurenelementen bei österreichischen Erwachsenen ...................................57 Tab. 2.36: Mittlere tägliche Nährstoffzufuhr bei österreichischen Erwachsenen (n=376), getrennt nach Kostform ..................................................................................................59 Tab. 2.37: Ernährungswissen: Antworthäufigkeiten auf die Frage nach der Wirkung von Ballaststoffen..............................................................................................60 Tab. 2.38: Einfluss des BMI auf das Ernährungswissen getrennt nach BMI-Klassen bzw. Geschlecht ............................................................................................................61 Tab. 2.39: Kriterien von österreichischen erwachsenen Frauen und Männern bei der Lebensmittelwahl ...........................................................................................................63 Tab. 2.40: Altersverteilung der Stichprobe ..............................................................................64 Tab. 2.41: Gründe für die Getränkewahl bei österreichischen Erwachsenen .............................66 Tab. 2.42: Konsumhäufigkeiten von Trendgetränken bei österreichischen Erwachsenen ............67 Tab. 2.43: Mittlere tägliche Getränkezufuhr bei österreichischen Erwachsenen .........................68 Tab. 2.44: Charakteristik der Studienpopulation, getrennt nach Geschlecht und Wohnsituation ................................................................................................................71 Tab. 2.45: Charakteristik der Studienpopulation, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht .............................................................................................................71 Tab. 2.46: Mittlere tägliche Zufuhr an Energie- und Makronährstoffen bei Wiener Senioren, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht.....................................................72 Tab. 2.47: Mittlere tägliche Zufuhr an Vitaminen bei Wiener Senioren, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht....................................................................73 Tab. 2.48: Mittlere tägliche Zufuhr an Mineralstoffen/Spurenelementen bei Wiener Senioren, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht ....................................77 Tab. 2.49: Gegenüberstellung Pensionistenwohnhaus und Privathaushalt: mittlere tägliche Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei Wiener Senioren (ab 65 Jahre), getrennt nach Geschlecht ...........................................79 Tab. 2.50: Gegenüberstellung Pensionistenwohnhaus und Privathaushalt: mittlere tägliche Zufuhr an Vitaminen bei Wiener Senioren (ab 65 Jahre), getrennt nach Geschlecht..........................................................................80 Tab. 2.51: Gegenüberstellung Pensionistenwohnhaus und Privathaushalt: mittlere tägliche Zufuhr an Mineralstoffen/Spurenelementen bei Wiener Senioren (ab 65 Jahre), getrennt nach Geschlecht ...........................................81 Tab. 2.52: Unterschiede in der Flüssigkeitszufuhr, inklusive aus fester Nahrung, zwischen älteren Menschen (ab 65 Jahren) in Pensionistenwohnhäusern und Privathaushalten ......................................................................................................81 Tab. 2.53: Trends (Beobachtungszeitraum 1996-2002) in der Energie- und Makronährstoffzufuhr bei Wiener Senioren in Pensionistenwohnhäusern ............................82 Tab. 2.54: Trends (Beobachtungszeitraum 1996-2002) in der Mikronährstoffzufuhr bei Wiener Senioren in Pensionistenwohnhäusern .............................82 Tab. 2.55: Alter und Schwangerschaftswoche der untersuchten schwangeren Frauen.......................................................................................................87 Tab. 2.56: Mittlere tägliche Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei schwangeren Frauen in Österreich, getrennt nach Altersgruppen ..........................................................87 IV Tab. 2.57: Trends (Beobachtungszeitraum 1998-2002) in der Zufuhr an Energieund Makronährstoffen bei Schwangeren...........................................................................88 Tab. 2.58: Mittlere tägliche Zufuhr an Vitaminen bei schwangeren Frauen in Österreich, getrennt nach Altersgruppen .........................................................................89 Tab. 2.59: Mittlere tägliche Zufuhr an Mineralstoffen/Spurenelementen bei schwangeren Frauen in Österreich, getrennt nach Altersgruppen .................................90 Tab. 2.60: Trends (Beobachtungszeitraum 1998-2002) in der Mikronährstoffaufnahme bei Schwangeren ...........................................................................................................92 Tab. 2.61: Gegenüberstellung der Energie- und Nährstoffzufuhr der Probandinnen mit und ohne Leberkonsum ............................................................................................93 Tab. 2.62: Vergleich der wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen mit tatsächlichen Verzehrsdaten (3-d-Wiegeprotokoll, n=151) bei Schwangeren .......................94 Tab. 2.63: Mittlere tägliche Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei Stillenden, getrennt nach Stillperiode..........................................................................99 Tab. 2.64: Überblick über die Einnahme von Supplementen bei Stillenden ..............................100 Tab. 2.65: Mittlere tägliche Vitaminzufuhr, bezogen auf die Energieaufnahme (µg, mg/MJ) (MW ± SD) bei Stillenden, getrennt nach Stillperiode...................................100 Tab. 2.66: Mittlere tägliche Zufuhr an Mineralstoffen und Spurenelementen bei Stillenden, getrennt nach Stillperiode .............................................................................101 Tab. 2.67: Mittlere tägliche Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei ostösterreichischen Breitensportlern, getrennt nach Geschlecht und Sportkategorie..............................................................................................................104 Tab. 2.68: Mittlere tägliche Zufuhr an Vitaminen bei ostösterreichischen Breitensportlern, getrennt nach Geschlecht und Sportkategorie........................................106 Tab. 2.69: Mittlere tägliche Zufuhr an Mineralstoffen/Spurenelementen bei ostösterreichischen Breitensportlern, getrennt nach Geschlecht und Sportkategorie .....108 Tab. 2.70: Worauf Breitensportler in ihrer Ernährung besonders achteten ..............................108 Tab. 3.1: Übersicht über durchgeführte Revisionen und Probennahmen..................................117 Tab. 3.2: Anzahl der Proben tierischer Herkunft (1998-2002).................................................120 Tab. 3.3: EU-koordinierte MonitoringProgramme zur Abschätzung der Exposition der Konsumenten zu Pflanzenschutzmittelrückständen ....................................................132 Tab. 3.4: Nationale Monitoring-Programme zur Abschätzung der Exposition der Konsumenten zu Pflanzenschutzmittelrückständen ..........................................................133 Tab. 3.5: Benzo(a)pyren bei Fleischprodukten, Analyseeckdaten ............................................136 Tab. 3.6: Gehalte an Patulin in Lebensmitteln .......................................................................138 Tab. 3.7: Patulinaufnahme in Österreich aus Apfelsaft und Traubensaft in Abhängigkeit vom Alter. Angegeben ist der Mittelwert der Gesamtpopulation einer Altersgruppe und der der korrespondierenden Consumer .......................................139 Tab. 3.8: Toxikologische Bewertung von Desoxynivalenol aus Mais, Hafer und Weizen in Österreich .....................................................................................................140 Tab. 3.9: Toxikologische Bewertung von Zearalenon aus Mais und Hafer ...............................140 Tab. 3.10: Toxikologische Bewertung von T-2-Toxin aus Mais und Hafer in Österreich..............141 Tab. 3.11: Toxikologische Bewertung von HT-2-Toxin aus Mais und Hafer in Österreich............141 Tab. 3.12: Gehalte an Fumonisin B1 in Mais .........................................................................142 Tab. 3.13: Gehalte an Fumonisin B2 in Mais .........................................................................142 Tab. 3.14: Wasserverbrauch in Österreich ............................................................................144 Tab. 3.15: Wichtigste durch Trinkwasser auf den Menschen übertragbare Erreger..................146 Tab. 3.16: Mikrobiologische Parameter für nicht desinfiziertes Wasser (natives Wasser).........146 Tab. 3.17: Mikrobiologische Parameter für desinfiziertes Wasser, unmittelbar nach Abschluss der Desinfektion ....................................................................................146 Tab. 3.18: Nitrat-, Nitrit-, und Ammoniumwerte ausgewählter Wasserwerke ...........................152 Tab. 3.19: Anzahl der Messungen von Atrazin und Desethylatrazin im Bundesländervergleich .................................................................................................153 Tab. 3.20: Ergebnisse zur Qualitätsuntersuchung der Wiener Wasser .....................................154 Tab. 3.21: Ausmaß der Unterstützung bzw. Ablehnung für sechs Einsatzmöglichkeiten der Gentechnik .............................................................................................................163 V Tab. 3.23 Anzahl der Produkte und Hersteller von nährstoffangereicherten Lebensmitteln am österreichischen Markt (1997/98)........................................................169 Tab. 3.24: Häufigkeitsverteilung der angereicherten Nährstoffe in den untersuchten Lebensmitteln ..............................................................................................................169 Tab. 3.25: Persönliche Einstellung des befragten Kollektivs zu nährstoffangereicherten Lebensmitteln...............................................................................................................171 Tab. 3.26: Gründe für den Kauf von nährstoffangereicherten Lebensmitteln ..........................171 Tab. 3.27: Gründe gegen den Kauf von nährstoffangereicherten Lebensmitteln ......................172 Tab. 3.28: Mittlere tägliche Vitaminaufnahme aus nährstoffangereicherten Lebensmitteln in % der D-A-CH-Referenzwerte (Altersgruppe 25-<51 J.)..........................173 Tab. 3.29: Mittlere tägliche Aufnahme an Mineralstoffen/Spurenelementen aus nährstoffangereicherten Lebensmitteln in % der D-A-CH-Referenzwerte (Altersgruppe 25-<51 J.) ...............................................................................................173 Tab. 3.30: "High Consumer" (= 95. Perzentile) der Mikronährstoffaufnahme und der Beitrag aus nährstoffangereicherten Lebensmitteln (NAL) bei österreichischen Erwachsenen (n=1700), getrennt nach dem Geschlecht .........................174 Tab. 3:.31: Fettsäuremuster (%), P/S-Quotient, n6/n3-Quotient der untersuchten Babynahrungsprodukte .................................................................................................178 Tab. 3.32: Zufuhr an wasserlöslichen Vitaminen (C, B1, B2, B6) mit angereicherten und nicht angereicherten Säften für 6, 9 und 12 Monate alte Säuglinge (in % der D-A-CH Referenzwerte) ..................................................................................181 Tab. 3.33: Kennzeichnung von "light" im Zusammenhang mit Lebensmittelqualität..................183 Tab. 3.34: Stichprobenumfang des Gesamtkollektivs (Wien, OÖ, Tirol u. Südtirol) bzw. der Altersgruppen ................................................................................................184 Tab. 3.35 Verteilung des Gesamtkollektivs in den BMI-Gruppen bezogen auf die verschiedenen Bundesländer, Angaben in % ...................................................................184 Tab. 3.36: Zusatzstoffaufnahme >ADI nach Stufe 2 bzw. Stufe 3 bei High Consumern (95. Perzentile) verschiedener österreichischer Personengruppen ab 6 Jahren..................................................................................................................192 Tab. 3.37: Charakteristik des Untersuchungskollektivs ...........................................................193 Tab. 3.38: Ausmaß der Belastung mit Zusatzstoffen bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.), Zusatzstoffaufnahme (in mg/d) >ADI nach Stufe 3 ..................193 Tab. 3.39: Tägliche Aufnahme (Stufe 3) an ausgewählten Zusatzstoffen bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.) sowie die jeweiligen Hauptaufnahmequellen aus Lebensmitteln......................................................................194 Tab. 3.40: Charakteristik des Untersuchungskollektivs und Erhebungsmethoden .....................197 Tab. 3.41: Acrylamidgehalt diverser Lebensmittel modifiziert nach ........................................198 Tab. 3.42: Expositionsabschätzung mit Acrylamid (µg/d) verschiedener Personengruppen in Österreich ......................................................................................198 Tab. 3.43: Nitratgehalte in österreichischen Gemüsesorten ...................................................205 Tab. 3.44: Nitratgehalte (mg/kg) in Lebensmitteln ................................................................206 Tab. 3.45: Nitrataufnahme in Österreich, Mittelwerte über alle Altersgruppen und Beitrag verschiedener Lebensmittelgruppen zur Gesamtaufnahme .............................207 Tab. 3.46: Gesamtaufnahme an Nitrat in Österreich (Gesamtbevölkerung) aus Gemüse, Trinkwasser und Zusatzstoffen (mg/d) und Erreichung der ADIt-Werte (%) ........209 Tab. 3.47: Aufnahme an Kalium- bzw. Natriumnitrat (E 251-252, mg/d) von österreichischen Personengruppen - Gesamtbevölkerung, ADI= 5 ....................................209 Tab. 3.48: Verteilung des untersuchten Kollektivs nach Alter und Geschlecht, sowie mittleres Körpergewicht der Personengruppen.......................................................217 Tab. 3.49: Aufnahme an Cadmium in Österreich (Gesamtbevölkerung) und Vergleich mit toxikologischen Grenzwerten .....................................................................217 Tab. 3.50: Erlaubte Höchstgehalte für Blei in verschiedenen Lebensmittelgruppen ..................219 Tab. 3.51: Cadmium- und Bleibelastung (µg) durch alle 15 bzw. 16 Lebensmittelgruppen........219 Tab. 4.1: Pro-Kopf-Verbrauch an Brot und Backwaren in Österreich pro Jahr...........................223 Tab. 4.2: Mittlerer täglicher Brot- und Gebäckverzehr der österreichischen Bevölkerung (in g/d) .....................................................................................................223 VI Tab. 4.3: Mittlerer täglicher Brot- und Gebäckverzehr der österreichischen Bevölkerung (in g/d) .....................................................................................................223 Tab. 4.4: Brot als Lieferant von Ballaststoffen, Eisen und B-Vitaminen; Ist-Brotverzehr und Denkmodelle (Modell A und B) ................................................................................223 Tab. 4.5: Vergleich der Nährstoffaufnahme aus angereichertem Brot und Vollkornbrot mit der tatsächlichen durchschnittlichen Aufnahme der Österreicher (Basis: 119 g Brot) .......................................................................................................226 Tab. 4.6: Studienkollektiv und Erhebungsmethoden ..............................................................229 Tab. 4.7: Mittlerer täglicher Obst- und Gemüseverzehr der österreichischen Bevölkerung, getrennt nach Geschlechts- und Altersgruppen ...........................................229 Tab. 4.8: Studienkollektiv und Erhebungsmethoden ..............................................................233 Tab. 4.9: Mittlerer täglicher Verzehr von Milch und Milchprodukten der österreichischen Bevölkerung, getrennt nach Altersgruppen.............................................233 Tab. 4.10: Calciumzufuhr (Mittelwerte) aus Milch und Milchprodukten (mg/d) und der relative Anteil (%) an der Gesamtcalciumaufnahme............................................234 Tab. 4.11: Biologische Wertigkeit einiger ausgewählter Proteinmischungen ............................235 Tab. 4.12: Mittlere tägliche Fettaufnahme über Milch und Milchprodukte sowie der relative Anteil am Richtwert für die Fettzufuhr einer Durchschnittsperson ...................235 Tab. 4.13: Mittlerer täglicher Pro-Kopf-Verbrauch sowie der daraus geschätzte Pro-Kopf-Verzehr von Fleisch in Österreich......................................................................238 Tab. 4.14: Studienkollektiv und Erhebungsmethoden.............................................................238 Tab. 4.15: Mittlerer täglicher Verzehr von Fleisch und Fleischprodukten der österreichischen Bevölkerung, getrennt nach Altersgruppen.............................................239 Tab. 4.16: Ernährungsempfehlungen der letzen Jahre zur Begrenzung der Zuckeraufnahme ..........................................................................................................243 Tab. 4.17: Mittlerer täglicher Pro-Kopf-Verbrauch sowie der daraus geschätzte Pro-Kopf-Verzehr in Österreich .......................................................................................244 Tab. 4.18: Anteil von Saccharose an der Gesamt-Kohlenhydratzufuhr bei diversen österreichischen Altersgruppen.........................................................................246 Tab. 5.1: Lebenserwartung und behinderungsfreie Lebenserwartung 2001 in Österreich .........250 Tab 5.2: Lebenserwartung bei der Geburt 2001. Internationale Vergleiche .............................251 Tab. 5.3: Mortalitätsstatistik für Österreich, 2001 .................................................................252 Tab. 5.4: Mortalitätsstatistik ausgewählter Krebserkrankungen für Österreich, 2001 ................256 Tab. 5.5: Übersicht pathogenetischer Mechanismen von Homocystein ...................................262 Tab. 5.6: Demographische und klinische Basisdaten für alle Patienten und getrennt nach Geschlecht ...........................................................................................................263 Tab. 5.7: Homocystein, Vitamine und Lipidparameter aller Patienten und getrennt nach Geschlecht..............................................................................................264 Tab. 5.8: Korrelationen zwischen Homocystein und Alter, Kreatinin, Folat und Vitamin B12 .................................................................................................................265 Tab. 5.9: Zufuhr energieliefernder Nährstoffe (in % der Energie) ...........................................270 Tab. 5.10: Einfluss von Lebensstilfaktoren auf das Risiko DM-2 zu entwickeln ........................273 Tab. 5.11: Komponenten eines therapeutischen Trainings für Typ-2-Diabetiker........................279 Tab. 6.1: Aufgabenfelder des Fonds Gesundes Österreich......................................................283 Tab. 6.2: Studienkollektiv ....................................................................................................302 Tab. 6.3: Prävalenz von Übergewicht (BMI >90. Perzentile) ..................................................303 Tab. 6.4: Prävalenz von Anorexia nervosa (BMI <10. Perzentile) ...........................................304 Tab. 6.5: Prinzipielle Kriterien zur Formulierung von lebensmittelbasierten Ernährungsempfehlungen .............................................................................................307 Tab. 6.6: Aufnahme an Lebensmitteln von Personen mit niedrigerer Fettaufnahme (Fettaufnahme unter der 25. Perzentile) und mit höherer Fettaufnahme (Fettaufnahme über der 75. Perzentile) ..........................................................................310 Tab. 6.7: Tips und Tricks zur Umsetzung von 5 am Tag Obst und Gemüse ..............................313 VII Tab. 7.1: Korrekturfaktoren für die Abschätzung des Nahrungsverzehrs aus Verbrauchsdaten der Ernährungs- bzw. Versorgungsbilanzen ...........................................316 Tab. 7.2: Verbrauch an Gemüsesorten in Österreich 1993/94 (letzte Angaben vor EU-Beitritt) und 1996/97 (aktuellste Verbrauchsdaten nach EU-Beitritt) und 2000/01 ................................................................................................................319 Tab. 7.3: Verbrauch an Obstsorten in Österreich 1993/94 (letzten Angaben vor EU-Beitritt) und 1996/97 - 2000/01 (aktuelle Verbrauchsdaten nach EU-Beitritt) ........320 Tab. 7.4: Konsumerhebung 1999/2000: Durchschnittlicher monatlicher Verbrauch zuhause konsumierter Lebensmittel und Getränke .........................................................327 Tab. 8.1: Ausgewählte Problemfelder der Ernährung bei verschiedenen Personengruppen in Österreich, getrennt nach Geschlecht (mittlere tägliche Zufuhr ................................................340 VIII Abbildungsverzeichnis Abb. 1.1: Veränderung im Verbrauch einzelner Lebensmittelgruppen nach dem EU-Beitritt (Beobachtungszeitraum 1994/95 bis 2001) ........................................................4 Abb. 2.1: BMI-Bewertung bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.)....................................12 Abb. 2.2: BMI-Bewertung bei niederösterreichischen Volksschulkindern (7-10 J.) ......................13 Abb. 2.3: BMI-Bewertung bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) ........................................13 Abb. 2.4: BMI-Bewertung bei österreichischen Erwachsenen ...................................................14 Abb. 2.5: BMI-Bewertung bei Freizeitsportlern........................................................................15 Abb. 2.6: BMI-Bewertung bei Wiener Senioren .......................................................................16 Abb. 2.7 Anteil der Hauptenergielieferanten an der Gesamtenergiezufuhr bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.) ....................................................................19 Abb. 2.8: Wünschenswerte Höhe der Fettsäurezufuhr und die tatsächliche Zufuhr bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.) .........................................................20 Abb. 2.9: Abweichung (in %) der mittleren täglichen Vitaminzufuhr von den D-A-CH-Referenzwerten bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.) ...............................24 Abb. 2.10: Abweichung (in %) der mittleren täglichen Zufuhr an Mineralstoffen bzw. Spurenelementen von den D-A-CH-Referenzwerten bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.) ...................................................................24 Abb. 2.11: Lebensmittelpräferenzen der österreichischen Vorschulkinder (3-6 J.) ......................26 Abb. 2.12: Anteil der Hauptenergielieferanten an der Gesamtenergiezufuhr bei österreichischen Schulkindern (7-14 J. ) ...........................................................................30 Abb. 2.13: Wünschenswerte Höhe der Fettsäurezufuhr und die tatsächliche Zufuhr bei österreichischen Schulkindern (7-14 J.).......................................................................30 Abb. 2.14: Abweichung der mittleren täglichen Vitaminzufuhr von den D-A-CH-Referenzwerten bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.).....................................42 Abb. 2.15: Abweichung der mittleren täglichen Zufuhr an Mineralstoffen/ Spurenelementen von den D-A-CH-Referenzwerten bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) .....................................................................................................43 Abb. 2.16: Ernährungswissen Österreichischer Lehrlinge (15-18 Jahre) ....................................43 Abb. 2.17: Wünschenswerte Höhe der Fettsäurezufuhr für Personen mit leichter und mittelschwerer Arbeit und die tatsächliche Zufuhr bei österreichischen Erwachsenen ....49 Abb. 2.18: Anteil der Hauptenergielieferanten an der Gesamtenergiezufuhr bei österreichischen Erwachsenen ........................................................................................50 Abb. 2.19: Abweichung der mittleren täglichen Vitaminzufuhr von den D-A-CH-Referenzwerten bei österreichischen Erwachsenen ...............................................54 Abb. 2.20: Abweichung der mittleren täglichen Zufuhr an Mineralstoffen und Spurenelementen von den D-A-CH-Referenzwerten bei österreichischen Erwachsenen .................................................................................................................57 Abb. 2.21: Allgemeines Ernährungsverhalten bei österreichischen Erwachsenen, getrennt nach Bildungsgrad und Geschlecht .....................................................................58 Abb. 2.22: Relative Abweichungen in der Energie- und Nährstoffaufnahme einer "bewusst gemischten Kostform" zur österreichischen "Normalkost" (= Hausmannskost) bei österreichischen Erwachsenen......................................................58 Abb. 2.23: Ernährungswissen von österreichischen Erwachsenen.............................................60 Abb. 2.24: Quellen der Ernährungsinformation von österreichischen Erwachsenen ..................62 Abb. 2.25: Trinkhäufigkeit pro Tag bei österreichischen Erwachsenen ......................................65 Abb. 2.26: Trinkhäufigkeit alkoholischer Getränke bei österreichischen Erwachsenen.................65 Abb. 2.27: Subjektive Einschätzung der täglichen Trinkmenge bei österreichischen Erwachsenen..................................................................................................................66 Abb. 2.28: Gründe für die Getränkewahl bei österreichischen Erwachsenen ..............................68 Abb. 2.29: Anteil der Studienteilnehmer, die in Pensionistenwohnhäusern oder im Privathaushalt leben ..........................................................................................71 Abb. 2.30: Abweichung der mittleren täglichen Vitaminzufuhr von den D-A-CH-Referenzwerten bei Senioren, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht............76 IX Abb. 2.31: Abweichung der mittleren täglichen Zufuhr an Mineralstoffen/ Spurenelementen von den D-A-CH-Referenzwerten bei Senioren........................................78 Abb. 2.32: Medikamentenkonsum in Bezug zum Alter und Einfluss der Anzahl der Medikamente auf den Appetit bei Wiener Senioren in Pensionistenwohnhäusern und im eigenen Haushalt ...............................................................................................83 Abb. 2.33: Zusammenhang zwischen subjektivem Gesundheitsempfinden und Appetit bei Wiener Senioren im Pensionistenwohnhaus und im eigenen Haushalt................83 Abb. 2.34: Veränderungen in den Verzehrsgewohnheiten seit Eintritt in ein Pensionistenwohnhaus ....................................................................................................84 Abb. 2.35: Abweichung der mittleren täglichen Vitaminzufuhr von den D-A-CH-Referenzwerten bei Schwangeren in Österreich.....................................................90 Abb. 2.36: Abweichung der mittleren täglichen Zufuhr an Mineralstoffen/ Spurenelementen von den D-A-CH-Referenzwerten bei Schwangeren in Österreich .............91 Abb. 2.37: Verzehrshäufigkeit ausgewählter angereicherter Produkte .......................................94 Abb. 2.38: Supplementierung und Anzahl der eingenommenen Supplemente ...........................95 Abb. 2.39: Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln, gegliedert in Schwangerschaftswochen und Art des Präparats...............................................................95 Abb. 2.40: Sportliche Betätigung/ Schwangerschaftsgymnastik des Kollektivs bewertet nach dem präkonzeptionellen BMI ......................................................96 Abb. 2.41: Überblick über das Wissen eines Mehrbedarfs der angeführten Vitamine und Mineralstoffe während der Schwangerschaft ...............................................96 Abb. 2.42: Quellen der Ernährungsinformation während der Schwangerschaft ..........................97 Abb. 2.43: Trainingsstunden pro Woche ...............................................................................109 Abb. 3.1: Organisation der Lebensmittelüberwachung in Österreich .......................................112 Abb. 3.2: Zuständigkeitsbereiche der Untersuchungslabors für amtliche Proben ......................115 Abb. 3.3: Revisionsergebnisse von Bäckereien und Konditoreien (Hygienebeanstandungen im Vergleich zu sonstigen Beanstandungen) .............................116 Abb. 3.4: Revisionsergebnisse von Gemüse- und Obstverarbeitern (Hygienebeanstandungen im Vergleich zu sonstigen Beanstandungen) .............................116 Abb. 3.5: Revisionsergebnisse im Bereich der Gemeinschaftsverpflegung, Speisenproduzenten und Speisenverteiler (Hygienebeanstandungen im Vergleich zu sonstigen Beanstandungen) ........................................................................116 Abb. 3.6: Fleisch und Fleischerzeugnisse, unterschiedliche Entwicklung des Anteils der als "gesundheitsschädlich" beurteilten Proben von 1998-2002 .........................121 Abb. 3.7: Fisch und Fischereierzeugnisse, starker Rückgang des Anteils an "gesundheitsschädlich" beurteilten Proben von 1998-2002...............................................121 Abb. 3:.8 Milch und Milchprodukte, Rückgang bei den als "gesundheitsschädlich" beurteilten Proben von 1998-2002 .................................................................................122 Abb. 3.9: Eier und Eiprodukte, niedrigere Beanstandungsquote als "gesundheitsschädlich" bzw. als "verdorben" und "sonstige Beanstandungen" im Zeitraum 1998-2002 .................................................................................................122 Abb. 3.10: Dosis-Wirkungsbeziehung, Wirkungsschwelle .......................................................126 Abb. 3.11: NOAEL, LOAEL ...................................................................................................126 Abb. 3.12: TDI, Sicherheitsfaktoren .....................................................................................127 Abb. 3.13: Lineare Extrapolation für genotoxische Kanzerogene.............................................127 Abb. 3.14: Höchstwertberechnung .......................................................................................129 Abb. 3.15: Entwicklung der untersuchten Analyten je Probe im österreichischen Lebensmittelmonitoring, Anzahl der untersuchten Parameter je Probe hat, den Notwendigkeiten angepasst, stark zugenommen .............................................................133 Abb. 3.16: Entwicklung der untersuchten Probenzahlen im österreichischen Lebensmittelmonitoring, Probenstatistik 1997 - 2002.......................................................134 Abb. 3.17: Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln........................................134 Abb. 3.18: Anteil der Proben mit "Mehrfachrückständen" in Österreich ...................................135 Abb. 3.19: Prozent-Anteil der Proben mit "Mehrfachrückständen" in Europa 2001 ...................135 Abb. 3.20: Aufnahme an Benzo(a)pyren von österreichischen Erwachsenen............................137 Abb. 3.21: Aufnahme an Benzo(a)pyren von österreichischen Kindern....................................137 X Abb. 3.22: Anteil von Bioprodukten bei ausgewählten Warengruppen ...................................157 Abb. 3.23: Trends in der Kaufbereitschaft von gentechnisch veränderten Lebensmitteln in Österreich ...........................................................................................164 Abb. 3.24: Gründe für die Ablehnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln, Vergleich 1996-2002 .....................................................................................................164 Abb. 3.25: Gewünschte Zusatzinformationen bei der Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln ............................................................................................166 Abb. 3.26: Relativer Anteil von nährstoffangereicherten Lebensmitteln für spezielle Zielgruppen ..................................................................................................................170 Abb. 3.27: Anteil von nährstoffangereicherten Lebensmitteln in der Ernährung von Erwachsenen in Österreich ............................................................................................171 Abb. 3.28: Kaufen Sie nährstoffangereicherte Lebensmittel? Antworten des Gesamtkollektivs (n=1700)............................................................................................172 Abb. 3.29: Zusammensetzung der Carotinoide in verschiedenen Gruppen von Babynahrung................................................................................................................178 Abb. 3.30: Mittlerer Gehalt an Retinol-Äquivalenten in ausgewählten Babynahrungsprodukten ...............................................................................................178 Abb. 3.31: Mittlerer Gehalt an Tocopherol-Äquivalenten in ausgewählten Babynahrungsprodukten ...............................................................................................179 Abb. 3.32: Häufigkeit des Vorkommens verschiedener Fettsäuren in den untersuchten Babynahrungsprodukten ...............................................................................................179 Abb. 3.33: Vergleich der Vitamin K-Gehalte verschiedener Babynahrungsprodukte ..................180 Abb. 3.34: Häufigkeit des Vorkommens der Carotinoide in den untersuchten Babysäften .........181 Abb. 3.35: Kaufmotive für light-Produkte..............................................................................186 Abb. 3.36: Assoziationen mit dem Begriff "light" ...................................................................186 Abb. 3.37: Verzehr von "light"-Produkten mindestens 1x/Woche ............................................187 Abb. 3.38: Vergleich der Risikoabschätzung nach Stufe 2 zu Stufe 3 am Beispiel der Nitritaufnahme bei österreichischen Personengruppen.....................................................192 Abb. 3.39: Acrylamid-Belastung (µg/kg KG/d) aus 14 relevanten Lebensmittelgruppen bei österreichischen Personengruppen............................................................................199 Abb. 3.40: Beitrag einzelner Lebensmittelgruppen zur absoluten Acrylamid-Aufnahme bei ausgewählten Personengruppen .............................................................................199 Abb. 3.41: Beitrag einzelner Lebensmittelgruppenzur errechneten Gesamtaufnahme an Acrylamid am Beispiel 11-15 J. und 50-59 J. .............................................................200 Abb. 3.42: Nitrataufnahme verschiedener österreichischer Personengruppen bezogen auf das durchschnittliche Körpergewicht und Vergleich mit dem ADI-Wert ........................210 Abb. 3.43: Unterschiedlicher Beitrag einzelner Lebensmittel zur Nitratbelastung bei männlichen und weiblichen Personengruppen sowie bei Kindern ......................................210 Abb. 3.44: Luftschadstoffemmissionen an Blei in Österreich von 1985-1999 ...........................215 Abb. 3.45: Cadmiumaufnahme europäischer Länder (µg/Tag) ...............................................216 Abb. 3.46: Cadmium-Aufnahme verschiedener österreichischer Personengruppen bezogen auf das durchschnittliche Körpergewicht und Vergleich mit dem PTDI-Wert von 1 µg/kg KG/d.........................................................................................218 Abb. 3.47: Fruchtsaftkonsum und resultierender PTDI für Blei für alle untersuchten Altersgruppen...............................................................................................................220 Abb. 3.48: Obstkonsum und resultierender PTDI .................................................................220 Abb. 4.1: Verzehrshäufigkeit von Brot und Gebäck bei Wiener Vorschulkindern (3-6 J.) ...........225 Abb. 4.2: Verzehrshäufigkeit von Frühstücksgetreideprodukten bei Wiener Vorschulkindern (3-6 J.) ...............................................................................................225 Abb. 4.3: Beitrag von Fleisch u. Fleischprodukten zur Versorgung an ausgewählten Mikronährstoffen in Österreich .......................................................................................239 Abb. 4.4: Verbraucherbefragung zur Fleischqualität in Österreich ...........................................240 Abb. 4.5: Gesamtbeurteilung nach dem Schulnotensystem: Sensorikprüfung biologisch vs. konventionell ...........................................................................................240 Abb. 4.6: Vergleich der Gesamtkohlenhydrat- und der Zuckeraufnahme bei verschiedenen Altersgruppen in Österreich .....................................................................245 XI Abb. 4.7: Vergleich der Fett- und Saccharoseaufnahme bei Lehrlingen (15-18 J.) ....................245 Abb. 5.1: Entwicklung der Lebenserwartung in Österreich 1950-2001 ....................................250 Abb. 5.2: Todesursachen 2001 bei Männer und Frauen in Österreich......................................251 Abb. 5.3: Mortalität an Herz-Kreislauf-Erkrankungen nach Alter und Geschlecht (in % der Gesamtmortaltität)........................................................................252 Abb. 5.4: Entwicklung der Sterblichkeit an koronaren Herzkrankheiten und Hirngefäßerkrankungen von 1965 bis 1998 bei Männern und Frauen in Österreich ............253 Abb. 5.5: Mortalität an koronaren Herzkrankheiten (Männer) 1995-1998 ausgewählter Länder (altersstandardisierte Sterbeziffer / 100.000 Lebende) ....................254 Abb. 5.6: Mortalität an koronaren Herzkrankheiten (Frauen) 1995-1998 ausgewählter Länder (altersstandardisierte Sterbeziffer / 100.000 Lebende) ....................254 Abb. 5.7: Krebsinzidenz bei Männern von 1983-1999 in Österreich.........................................255 Abb. 5.8: Krebsinzidenz bei Frauen von 1983-1999 in Österreich ...........................................255 Abb. 5.9: Krebsmortalität Männer: 1984-2000 in Österreich...................................................257 Abb. 5.10: Krebsmortalität Frauen: 1984-2000 in Österreich..................................................257 Abb. 5.11: Epidemiologie der Adipositas in Österreich, 1999..................................................258 Abb. 5.12: Verteilung der Homocysteinspiegel in % nach Geschlecht .....................................264 Abb. 5.13: Anteil erhöhter (> 12µmol/l) Homocysteinspiegel in Abhängigkeit vom Folatstatus ...................................................................................................................265 Abb. 5.14: Anteil erhöhter (> 12 µmol/l) Homocysteinspiegel in Abhängigkeit vom Vitamin B12-Status........................................................................................................265 Abb. 5.15: Prävalenz von Diabetes in der erwachsenen Bevölkerung .....................................273 Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. 6.1: Anzahl der Anrufe pro Monat für die Jahre 2000, 2001, 2002 und 2003 ...................292 6.2: Anbieter von Ernährungsinformation im Internet ....................................................298 6.3: Berufsgruppen der Autoren von Ernährungsinformation im Internet.........................299 6.4: Qualitätsbeurteilung österreichischer Websites zum Thema Ernährung.....................300 6.5: Harnsäurewerte des Studienkollektivs....................................................................304 6.6: Ernährungkreisder Deutschen Gesellschaft für Ernährung .......................................308 6.7: Ernährungskreis aus Australien .............................................................................308 6.8: Food Plate aus Grossbritannien .............................................................................308 6.9: ”Food Guide Pyrmaid” ..........................................................................................309 6.10: Food Guide Rainbow aus Canada ........................................................................309 6.11: “5-A-Day”-Programm ..........................................................................................309 6.12: Status an fettlöslichen Nährstoffen bei hoher und bei niederiger Fettaufnahme ......310 6.13: Fettaufnahme von österrreichischen Personengruppen in Energie% ......................312 Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. 7.1: Verbrauch an Brotgetreide bzw. Weizen und Roggen 1947/48-2000/01 ....................316 7.2: Verbrauch an Gerste, Hafer, Mais und Reis 1947/48-2000/01...................................317 7.3: Verbrauch an Kartoffeln und Hülsenfrüchten 1947/48-2000/01 ................................317 7.4: Verbrauch an Gemüse 1947/48-2000/01 ...............................................................318 7.5: Verbrauch an Obst, Zitrusfrüchten und Fruchtsäften 1947/48-2000/01.....................320 7.6.: Verbrauch an Trinkmilch 1947/48-2000 in Litern pro Kopf und Jahr .......................321 7.7: Verbrauch an Milchprodukten 1947/48-2000 ..........................................................322 7.8: Verbrauch an Rind-, Kalb-, Schweine- und Geflügelfleisch 1947/48-2000..................322 7.9: Verbrauch an Fisch 1947/48-2000 .........................................................................323 7.10: Verbrauch an Eiern 1947/48-1999 ......................................................................324 7.11: Verbrauch an pflanzlichen Ölen 1947/48-2000/01 ................................................324 7.12: Verbrauch an Zucker und Zuckerwaren 1947/48-1996/97 .....................................325 7.13: Verbrauch an Nüssen und Kastanien, Honig und Kakao 1947/48-2000/01...............325 7.14: Verbrauch an Wein und Bier 1947/48-1999/00 bzw. 2000/01 in l/Kopf und Jahr .....326 XII Kapitel 1. Lebensmittelverbrauch Kapitel 1: Lebensmittelverbrauch Österreichs, ein Überblick Zusammenfassung Der Lebensmittelverbrauch der österreichischen Bevölkerung entwickelt sich größtenteils in eine wünschenswerte Richtung. Der Verbrauch von Gemüse, Obst (ausgenommen Zitrusfrüchte) und auch Fisch ist ansteigend. Insgesamt nimmt zwar auch der Verbrauch von Brotgetreide (Weizen) zu, aber der Verbrauch von dunklen Brotsorten (aus Roggen), die einen wünschenswert höheren Ballaststoffgehalt aufweisen, zeigt eine fallende Tendenz. Da pflanzliche Öle wichtige Lieferanten von essentiellen Fettsäuren und fettlöslichen Vitaminen sind, ist der steigende Verbrauch insgesamt positiv zu bewerten. Da die Gesamtfettzufuhr in Österreich zu hoch ist, sollten weniger tierische Fette (aus Fleisch und Fleischwaren, fettreichen Milchprodukten, Butter, Rahm etc.) konsumiert werden. Ein negativer Trend zeigt sich bei Hülsenfrüchten. Der stark rückläufige Trend bei den Hülsenfrüchten ist weniger wünschenswert, da diese Lebensmittelgruppe ein hohes nutritives Potential aufweist. Insgesamt ernährt sich "der Österreicher" nach wie vor sehr traditionsbewusst und deftig. Fleisch und Fleischwaren sind beliebt. Beispielsweise werden in Österreich pro Kopf und Monat 5 kg Schweinefleisch verbraucht. Dagegen liegt der Fischverbrauch bei nur 450 g pro Kopf und Monat. Die Entwicklung des Verbrauchs aller Lebensmittelgruppen seit 1950 ist im Anhang dieses Ernährungsberichts ausführlich beschrieben. Allgemeines Der Ernährungszustand einer Bevölkerung wird durch die Lebensmittel bzw. Nährstoffe bestimmt, die mit der Nahrung aufgenommen werden. Die chronologische Betrachtung des Lebensmittelverbrauchs auf nationaler Ebene liefert dazu ein erstes Bild über die Gesamtversorgung der österreichischen Bevölkerung. Diese Zahlen lassen aber keine geschlechts-, alters- oder zielgruppenspezifischen Auswertungen zu, sondern dienen allein zur Betrachtung der potentiellen Veränderungen im Warenangebot und Verzehrsverhalten. Die Datensammlung erlaubt auch keine regionalen Unterscheidungen zwischen den österreichischen Bundesländern, ist aber für die Beurteilung und den Vergleich nationaler und auch internationaler Trends notwendig. Den Ergebnissen zur Entwicklung des Lebensmittelverbrauchs seit 1946/47 liegen die Versorgungsbilanzen (Ernährungsbilanzen vor 1994/95) des Österreichischen Statistischen Zentralamtes zugrunde. Ferner wurden die Jahresberichte des Fachverbandes der Nahrungs- und Genussmittelindustrie als erläuternde Informationen verwendet. Im Allgemeinen geben Ernährungs- und Versorgungsbilanzen Auskunft über Herkunft und Verbrauch von Nahrungsmitteln für ganz Österreich. Sie liefern Informationen auf der Basis von Agrarstatistiken, bei denen es sich um Verbrauchs- und nicht um Verzehrsangaben handelt. Die Angaben umfassen ausschließlich das Angebot an Nahrungsmitteln. Das Angebot ergibt sich aus der Produktion und den Lagerbeständen und berücksichtigt Exporte und Importe. Aktuelle Trends im Lebensmittelverbrauch Für aktuelle Tendenzen hat die Entwicklung innerhalb der vergangenen Jahre zusätzliche Informationskraft. Seit 1995 - mit dem EU-Beitritt Österreichs - hat sich auch der Erhebungsmodus verändert. Aus diesem Grund sollen die Veränderungen seit dem EU-Beitritt (1994/95) interpretiert werden. Dazu wurden jeweils die mittleren Pro-Kopf-Verbrauchszahlen der Jahre 1994/95 mit den ak- 1 Kapitel 1. Lebensmittelverbrauch tuellsten Verbrauchszahlen der Jahre 2000/01 verglichen. In Abb. 1 sind die Ergebnisse dieses Vergleichs dargestellt, wobei nicht die absoluten Differenzen des Verbrauchs sondern die relative Veränderung dargestellt wurde. Die Veränderungen im Verbrauch von ausgewählten Lebensmittelgruppen sollen im Folgenden kurz kommentiert werden: Getreide und Brot Bei Brotgetreide zeigt sich ein Anstieg im Verbrauch, obwohl der Roggenverbrauch in Summe etwas gefallen ist. Die Verbrauchszuwächse bei Brotgetreide können vor allem auf die Anstiege bei Weizen zurückgeführt werden. 1996/97 lag der Pro-Kopf-Verbrauch an Brotgetreide bei 63.4 kg/Jahr, der an Weizen bei 53.1 kg/Jahr. 2000/01 stieg der Pro-Kopf-Verbrauch an Brotgetreide auf 68.3 kg/Jahr, der an Weizen auf 57.7 kg/Jahr. Der Rückgang bei Roggen setzt den sinkenden Trend der vergangenen Jahre weiter fort. Insgesamt ist der Verbrauch zwischen 1988-93 mit 14 kg/Kopf und Jahr um etwa ein Fünftel geringer als zwischen 1983-87, wo er noch knapp 17 kg/Kopf und Jahr betrug. 2000/01 betrug der Verbrauch nur noch 10.6 kg/Kopf und Jahr. Dies lässt auf einen weiteren Rükkgang des Verbrauchs dunkler Brotsorten schließen. Gründe für die Rückläufigkeit sind im insgesamt veränderten Ernährungsverhalten zu suchen. Die Entwicklung ist Ausdruck der Gewohnheiten bei der Wahl von Brot- und Backwaren, wo der Hauptteil (etwa 50% der Brotsorten) aus Weizenmehlen bzw. Mehlmischungen mit hohem Weizenanteil besteht. Nur etwa ein Drittel der Backwaren werden aus dunklen Mehlen mit höherem Roggenanteil zubereitet. Aus ernährungsphysiologischer Sicht ist dies ungünstig, da Weizenmehle einen deutlich niedrigeren Ballaststoffanteil besitzen als entsprechende Roggenmehle. Der an sich schon sehr geringe Anteil der Kohlenhydrate an der Energieaufnahme ist, unter diesem Aspekt betrachtet, einmal mehr verbesserungswürdig. Mit 5.3 kg Reis pro Kopf und Jahr lagen die österreichischen Verbraucher 1993/94 nach den Italienern (Italien ist der Hauptreiserzeuger der EU) an der Spitze im europäischen Vergleich. Auch seit dem Beitritt Österreichs zur EU zeigt der Reisverbrauch einen eher konstanten Verlauf in vergleichbarer Größenordnung wie die Verbrauchsdaten davor. Die Versorgungsbilanzen zum Reisverbrauch von 1996/97 betrugen 4.5 kg pro Kopf und Jahr und machen 2000/01 jedoch nur mehr 3.8 kg pro Kopf und Jahr aus. Die deutlichen Verbrauchszuwächse bei den Getreidesorten Körnermais (größter Zuwachs), Gerste und Hafer sind in erster Linie auf die Angleichung an den EU-üblichen Erhebungsmodus zurükkzuführen. Verglichen mit Brotgetreide ist die Rolle dieser Getreidesorten nach wie vor für die menschliche Ernährung von geringerer Bedeutung. Hülsenfrüchte Bedingt durch den überdurchschnittlich hohen Verbrauch an Hülsenfrüchten in den Jahren 1987/88 und 1990/91 (1.6 bzw. 1.7 kg/Kopf und Jahr) ist die relative Veränderung in dieser Lebensmittelgruppe in den letzten Jahren sehr hoch. 1996/97 lag der Hülsenfrüchte-Verbrauch bei 0.7 kg/Kopf und Jahr und damit trotz veränderter Erfassungsmethodik in vergleichbarer Größenordnung wie die Verzehrsdaten kurz vor dem Beitritt Österreichs zur EU. 2000/01 zeigt sich ein Hülsenfrüchte-Verbrauch von 0.5 kg/Kopf und Jahr. Das bedeutet, dass in Österreich bei einer durchschnittlichen Portionsgröße von etwa 75 g nur einmal in zwei Monaten Leguminosen gegessen werden. Gemüse und Obst Erfreulicherweise zeigen sich bei Gemüse Zuwächse, nämlich von etwa 85.8 kg/Kopf und Jahr seit dem EU-Beitritt auf 100.5 kg/Kopf und Jahr (2001). Im internationalen Vergleich gehört Österreich trotzdem noch zu den Ländern mit mäßigem Gemüseverbrauch. Gemüse ist ernährungsphysiologisch als Quelle für Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe besonders wertvoll. Es weist einen bedeutenden Nährstoffgehalt bei gleichzeitig niedrigem Energiewert auf, woraus sich eine sehr günstige Nährstoffdichte ergibt. Der Gehalt einzelner Nährstoffe ist bei der großen Vielfalt der heimischen Gemüse sehr unterschiedlich. An dieser Stelle soll lediglich beispielhaft auf den Nährstoffgehalt ausgewählter Sorten hingewiesen werden: "grüne" Blattgemüse (Feldsalat, Mangold, Spinat) sind wichtige Quellen für Folsäure und außerdem gemeinsam mit den "rot-gelben" Gemüsesorten (Tomaten, Karotten, Kürbis) reich an ß-Carotin (Provitamin A); Paprika und sämtliche Kohlarten sind gute Vitamin C-, Feldsalat, Schwarzwurzel und Porree sind wertvolle Vitamin B1-Quellen. Eine weitere Steigerung 2 Kapitel 1. Lebensmittelverbrauch des Gemüseverzehrs in Österreich auf mehr als 250 g Gemüse pro Tag und eine stärkere Einbeziehung von Gemüse als Hauptgerichte in den Speiseplan ist erstrebenswert. Bei Obst sind ähnliche Tendenzen vorhanden, wenn auch die Zuwächse weniger deutlich als bei Gemüse ausfallen. 1996/97 lag der Pro-Kopf-Verbrauch von Frischobst (inkl. Zitrusfrüchte) bei 84.6 kg/Jahr und 2000/01 bei 92.8 kg/Jahr. Den Hauptanteil machen Äpfel, Bananen, Birnen und Orangen aus. Erwähnenswert ist außerdem, dass nicht nur bei Zitrus- und Südfrüchten sondern auch bei Tafeltrauben ausschließlich importierte Waren verbraucht werden. Obst leistet einen wichtigen Beitrag zur Versorgung mit zahlreichen Nährstoffen, wobei vor allem die Versorgung mit Vitamin C (hier sind in erster Linie bestimmte Apfelsorten, Erdbeeren und schwarze Johannisbeeren hervorzuheben), ß-Carotin (vor allem die rot-orange gefärbten Sorten) und Kalium zu nennen ist. Nicht zuletzt tragen Gemüse und Obst auch maßgeblich zur Ballaststoffversorgung bei. Milch und Milchprodukte Von den Milchprodukten hat sich der Verbrauch an Käse in den letzten Jahren am deutlichsten verändert. Bezogen auf den Vergleichszeitraum 1994/95 mit durchschnittlich 14.1 kg/Kopf und Jahr ist der Verbrauch im Jahr 2000 mit 17.3 kg/Kopf und Jahr um rund ein Fünftel gestiegen. Jedoch ist der Verbrauch an Milch erneut gesunken. Durch eine Umstellung der statistischen Erfassung für Milch und Milchprodukte ab 1994/95 mit dem EU Beitritt ist ein effektiver Vergleich der Verbrauchsdaten nur schwer möglich. Jedenfalls lag der Verbrauch an Kuhmilch 1993/94 bei 102.9 l/Kopf und Jahr. Die aktuellsten Verbrauchszahlen nach dem EU-Beitritt stammen aus den Versorgungsbilanzen von 2000. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Trinkmilch (Rohmilch und Konsummilch) betrug damals 92.9 l/Kopf und Jahr und ist im Vergleich zu 1997 wieder gesunken. Verglichen mit der Situation vor etwa 40 Jahren ist der Verbrauch von Kuhmilch (Frischmilch) in Österreich, wie in allen westlichen Industrieländern, stark zurückgegangen. Dem steht ein höherer Verbrauch an Milchprodukten gegenüber. Daten für Joghurt, Sauermilch- und Buttermilchprodukte scheinen in den Ernährungsbilanzen nicht gesondert auf, der tendenziell höhere Verbrauch gilt hier wahrscheinlich ebenso wie für andere Milchprodukte. Fleisch und Fleischprodukte Bei Fleisch und Fleischwaren zeichnen sich vor allem Zuwächse für Geflügel ab. Der Geflügelverbrauch stieg von 15.3 kg/Kopf und Jahr (1994/95) auf 17.1 kg/Kopf und Jahr (2000/01). Auch der Verbrauch an Schweinefleisch stieg im selben Beobachtungszeitraum von etwa 56.8 kg/Kopf und Jahr auf 60.7 kg/Kopf und Jahr. Steigende Tendenzen im Verbrauch wurden schon vor dem Beitritt zur Europäischen Union festgestellt und halten auch nach dem Beitritt an. Bis Mitte der 70er Jahre war auch der Verbrauch an Rindfleisch im Steigen begriffen, seit dieser Zeit nimmt er jedoch kontinuierlich ab. Die höchsten Verbrauchszahlen wurden in den 70er Jahren erreicht, das heutige Niveau entspricht etwa jenem, das Ende der 60er Jahre zu beobachten war. Der Verbrauch an Kalbfleisch ist quantitativ von geringerer Bedeutung und seit den letzten 30 Jahren recht stabil. Seit 1995 erfolgte - wie bereits erwähnt aufgrund der Angleichung an den EU-Erhebungsmodus - keine getrennte Erfassung des Kalbfleischverbrauchs. Der Verbrauch an Rindund Kalbfleisch lag 1994/95 bei 19.5 kg/Kopf und Jahr und ist im Vergleich zu 2000/01 mit 19.6 kg so gut wie unverändert geblieben. Über Auswirkungen der BSE-Fälle in Großbritannien auf den Verbrauch an Rindfleisch können aufgrund der Veränderung im Erhebungsmodus ab 1994/95 keine Aussagen getroffen werden. Neben den Hauptbestandteilen Fett, hochwertigem Protein und Wasser enthält Fleisch eine Reihe von Nährstoffen, die in unterschiedlichem Ausmaß zur durchschnittlichen Bedarfsdeckung beitragen (z.B. Eisen und Zink, sowie an Vitaminen der B-Gruppe). Fleisch und Wurst werden jedoch in wesentlich höherem Umfang konsumiert, als dies aus ernährungsphysiologischen Gründen wünschenswert ist. Fisch Der Verbrauch an Fisch erhöhte sich in den vergangenen 10 bis 15 Jahren langsam. Ausgehend von 4.4 kg/Kopf und Jahr zwischen 1983 und 1987; 5.0 kg/Kopf und Jahr zwischen 1994/95 erreicht der Fischverbrauch im Jahr 2000/01 5.4 kg/Kopf und Jahr. Damit hält der seit Beginn der 80er Jahre einsetzende Trend weiter an, wenn auch zwischenzeitlich eine Stagnation festzustellen war. Von der ernährungswissenschaftlichen Seite ist dieser Trend als sehr begrüßenswert einzustufen. 3 Kapitel 1. Lebensmittelverbrauch Abb. 1.1: Veränderung im Verbrauch einzelner Lebensmittelgruppen nach dem EU-Beitritt (Beobachtungszeitraum 1994/95 bis 2001) Gerste/Hafer/Mais Käse Weizen Gemüse Brotgetreide gesamt Geflügel Pflanzliche Öle Obers/Rahm Fisch Schweinefleisch Honig Frischobst Fruchtsäfte Rind-/Kalbfleisch Nüsse und Kastanien Wein Kartoffeln Butter Roggen Zucker Eier Bier Milch Zitrusfrüchte Reis Hülsenfrüchte 54 % 18,5 % 18 % 15 % 15 % 10,5 % 10 % 9,5 % 7% 6% 6% 5% 4% 0,5 % -0,3 % -0,5 % -2 % -2 % -2,5 % -3 % -5 % -6 % -17 % -24 % -60 % -50 % 0% 50 % Basis der Darstellung sind die Differenzen des mittleren Verbrauchs des Zeitraumes 1994/95 (in der Formel Wert 'B') vom mittleren Verbrauch des Beobachtungszeitraum 2000/01 (in der Formel Wert 'A'), wobei die prozentuelle Abweichung bezogen auf den Wert 1994/95 dargestellt ist. Formel: ((A - B) / A) * 100 = % Veränderung. Ausnahmen: Der Verbrauch von Eiern und Wein beruht auf dem Verbrauchsjahr 1999. Auf die Bedeutung von Fisch für die menschliche Ernährung soll insbesondere in Zusammenhang mit seiner Funktion als Lieferant der mehrfach ungesättigten n-3 Fettsäuren hingewiesen werden. Weitere bedeutende Inhaltsstoffe sind das hochwertige Eiweiß, Vitamin D und Jod. Die empfohlene Steigerung des Fischverzehrs könnte die Versorgung an beiden letzteren Nährstoffen beachtlich verbessern. Dem gestiegenen Fischverbrauch der letzten Jahre sollte insofern Beachtung geschenkt werden, da diese Entwicklung durch gezielte Aufklärung der Bevölkerung weiter ausgebaut werden könnte. Die Vorteile von Fischmahlzeiten überwiegen nach derzeitigen Kenntnissen auch gegenüber den Bedenken der Schadstoffbelastung der Meeresfische durch Pestizide und Schwermetalle. Darüber hinaus können auch manche heimischen Fische, die eine wesentlich geringere Schadstoffbelastung als Meeresfische aufweisen, einen nicht unbeträchtlichen Anteil an n-3 Fettsäuren (Forellen), Vitamin D (Aal) und Jod (Zander) liefern. Die Steigerung des Fischkonsums auf eine bis zwei Fischmahlzeiten pro Woche ist nach Abwägung der genannten Vor- und Nachteile nach wie vor empfehlenswert. Hinsichtlich des Beitrags von Fisch zur Versorgung mit wertvollen Inhaltsstoffen sind Fischkonserven ebenfalls geeignet. Pflanzenöle Bei den pflanzlichen Ölen stagnierte der Verbrauch zu Beginn der 80er Jahre auf einem Niveau von etwa 15.4 kg/Kopf und Jahr. Im Zeitraum zwischen 1988 und 1993 waren Steigerungen auf 17 kg/Kopf und Jahr zu beobachten. Im Zeitraum 1994/95 bis 2000/01 waren erneute Verbrauchszuwächse auf 18.7 kg/Kopf und Jahr zu verzeichnen. Ernährungsphysiologisch sind Pflanzenöle wichtige energieliefernde Baustoffe, Träger und Transportmittel fettlöslicher Vitamine sowie Lieferanten der essentiellen Fettsäuren. In Österreich ist neben der zu hohen Fettaufnahme auch die Zusammensetzung der verbrauchten Fette ungünstig. Im Rahmen der ÖSES (Österreichische Studie zum Ernährungsstatus) durchgeführte Verzehrserhebungen zeigen, dass der Konsum tierischer Fette (aus Fleisch und Fleischwaren, fettreichen Milchprodukten, Butter, Rahm etc.) den Anteil an Pflanzenölen, die reich an ungesättigten Fett- 4 Kapitel 1. Lebensmittelverbrauch säuren sind, nach wie vor deutlich übersteigt. Auch würde die richtige Auswahl der Öle die Zufuhr an Polyenfettsäuren verbessern und die Relation n-6/n-3 Fettsäuren dem empfohlenen Verhältnis von 5:1 näher bringen (aktuell ist es 8:1). Die Änderung des Fettkonsums sollte daher quantitativ in Richtung einer Reduktion der Gesamtfettaufnahme vor allem zu Lasten der tierischen Fette gehen, während gleichzeitig verstärkt auf qualitative Kriterien wie den Gehalt an essentiellen Fettsäuren und Vitaminen bei der Fettauswahl geachtet werden sollte. 5 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Kapitel 2: Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Zusammenfassung Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung: Die 1991 begonnene Österreichische Studie zum Ernährungsstatus ÖSES (Austrian Study on Nutritional Status, ASNS) hat zum Ziel, den Ernährungszustand verschiedener Bevölkerungsgruppen in Österreich zu erheben und zu dokumentieren. Erste umfassende Ergebnisse dazu wurden im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 veröffentlicht. Um die langfristige Entwicklung des Ernährungszustands beschreiben zu können und auch weiterhin international vergleichbare Daten liefern zu können, wurden bei verschiedenen Bevölkerungsgruppen Follow-up-Studien durchgeführt. Aktuelle Erhebungen wurden an 3-6-jährigen Vorschulkindern (erstmals bundesweit), Schulkindern, Lehrlinge (erstmals erhoben), Erwachsenen, Breitensportlern (erstmals erhoben), Senioren (in privaten Haushalten erstmals erhoben) und Schwangeren durchgeführt. Nahrungsenergie: In westlichen Industriegesellschaften und somit auch in Österreich kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die überwiegende Mehrheit der Allgemeinbevölkerung ausreichend mit Nahrungsenergie versorgt ist. Die Energieaufnahmen entsprachen im Mittel bei fast allen Bevölkerungsgruppen lediglich den D-A-CH-Richtwerten für geringe körperliche Aktivität (PAL, Physical Activity Level = 1,4). Langfristig lässt sich eine adäquate Versorgung mit Nahrungsenergie an einem im Normalbereich liegenden Körpergewicht ablesen. Zur Beurteilung des Körpergewichts eignet sich am besten der Body Mass Index (BMI = Körpergewicht in kg/(Körpergröße in m)2 [kg/m2]). Im Rahmen der einzelnen Teilstudien wurde aus den Angaben der Probanden zu ihrer Körpergröße und ihrem Körpergewicht der BMI ermittelt: ¾ Bei den weiblichen Studienteilnehmern zeigte sich insgesamt häufiger ein BMI im Normbereich als bei den männlichen. ¾ Mit zunehmendem Alter war ein Anstieg der Prävalenz von Übergewicht (BMI>25 kg/m2) und Adipositas (BMI>30 kg/m2) feststellbar. Erst ab dem Alter von etwa 65 Jahren ergab sich eine Umkehr dieses Trends. ¾ Der höchste Anteil an therapiebedürftigem Übergewicht (= Adipositas, BMI>30 kg/m2) wurde mit 11% bei den männlichen Lehrlingen (15-18 J.) festgestellt. ¾ Bei 41% der männlichen Österreicher zwischen 25 und 54 Jahren wurde ein BMI>25 kg/m2 und damit Übergewicht festgestellt. Bei den Freizeitsportlern der selben Altersgruppe lag diese Rate bei nur 23%. ¾ Eine nicht unbedeutende Prävalenz von Untergewicht zeigte sich bei den 7-10-jährigen Mädchen mit 9% (BMI<9. Perzentile) und bei den über 65-jährigen Frauen und Männern (BMI<24 kg/m2) mit 18-29%. (für Kinder und Senioren werden andere BMI-Bewertungen verwendet als für Erwachsene zwischen 18-55 J.) Fette, Fettsäuren, Cholesterin: Fett bleibt in der Ernährung sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht ein kritischer Nährstoff. Je nach Bevölkerungsgruppe lag der durchschnittliche Fettverzehr zwischen 35 und 40% der Gesamtenergiezufuhr. Zwar zeigt sich im Vergleich zum Österreichischen Ernährungsbericht 1998 insgesamt eine fallende Tendenz, dennoch wird in Österreich nach wie vor zu viel Fett aufgenommen. Lediglich bei den 3-6-jährigen Vorschulkindern lag die mittlere Fettzufuhr im Bereich der D-ACH-Richtwerte. Die Art bzw. Zusammensetzung des aufgenommenen Nahrungsfettes ist für die Gesunderhaltung nicht weniger wichtig. In dieser Hinsicht muss die Zufuhr an gesättigten Fettsäuren als zu hoch (15-20% der Energiezufuhr) und jene an mehrfach ungesättigten Fettsäuren (rund 6% der Energiezufuhr) insgesamt als zu gering beurteilt werden. Zu den mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Polyenfettsäuren, PFS) zählen auch die essentiellen Fettsäuren (n-6 und n-3 Fettsäuren). Zwar kann die Versorgung an essentiellen Fettsäuren als gesichert angesehen werden (Tab. 2.0), wenngleich das Verhältnis von n-6 zu n-3 Fettsäuren von derzeit etwa 8:1 auf 5:1 abgesenkt werden sollte. Diese Empfehlung wäre leicht in die Praxis umzusetzen, wenn sowohl im Haushalt als auch in der Lebensmittelverarbeitung anstelle von n-6-fettsäure- 6 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung reichen Pflanzenölen (z.B. Sonnenblumenöl, Maiskeimöl) vermehrt n-3-fettsäurehaltige Pflanzenöle (z.B. Rapsöl, Sojaöl) zum Einsatz kämen. Altersgruppe LS (g/d) 3-6 J., m w 7-10 J., m w 11-14 J., m w 15-18 J.*, m w 19-65 J., m w 4,9 5,2 6,2 5,6 8,9 7,6 9,7 9 12,6 9,9 α-LS (%E)1 3,3 3,4 3,4 3,5 4,2 4,1 3,4 4 4,5 4,4 (g/d) 0,8 0,7 0,8 0,7 1,2 1 1,2 1 1,5 1,3 (%E)2 0,5 0,5 0,4 0,4 0,6 0,5 0,4 0,5 0,5 0,6 AS EPS DHS (g/d) (g/d) (g/d) 0,1 0,1 0,1 0,1 0,2 0,2 0,2 0,2 0,3 0,3 0,02 0,02 0,02 0,02 0,03 0,03 0,03 0,03 0,08 0,07 0,08 0,08 0,07 0,07 0,1 0,09 0,09 0,1 0,2 0,2 Tab. 2.0: Mittlere tägliche Zufuhr an Polyenfettsäuren bei verschiedenen Altersgruppen in Österreich 1 DACH-Referenzwert: 2,5 E%; 2 DACH-Referenzwert: 0,5 E% E%...Energieprozent; LS...Linolsäure; α-LS...α-Linolensäure; AS...Arachidonsäure; EPS...Eicosapentaensäure; DHS...Docosahexaensäure; m...männlich; w...weiblich; *Lehrlinge Ferner lag die durchschnittliche Cholesterinzufuhr bereits ab der Altersgruppe der Schulkinder (>12 Jahre) über dem Richtwert von 300 mg pro Tag. Protein: Die Proteinversorgung ist mehr als ausreichend, da die Empfehlungen seit vielen Jahren in fast allen Altersgruppen und bei beiden Geschlechtern deutlich überschritten werden. Lediglich bei den Höchstbetagten lag die ermittelte Eiweißaufnahme im Durchschnitt nur knapp über den Empfehlungen. Die hohe Eiweißzufuhr entspricht dem üblichen Ernährungsmuster aller industrialisierten Länder, in denen tierische Produkte (Fleisch, Wurst, Milch- und Milchprodukte) einen großen Stellenwert haben. So stammten in den aktuellen Untersuchungen auch etwa 2/3 der zugeführten Proteine aus tierischen Quellen. Die deutliche Dominanz des tierischen Anteils kann als nachteilig bewertet werden, da die Aufnahme an Protein tierischen Ursprungs generell mit einer gleichzeitigen Zufuhr an Fett bzw. gesättigten Fettsäuren, Cholesterin und - ausgenommen Ei- und Milchprotein - auch an Purinen verbunden ist. Eine Erhöhung des Verzehrs pflanzlicher zu Lasten von tierischen Produkten würde im allgemeinen eine Verbesserung der Nährstoffrelation bedeuten. Kohlenhydrate, Ballaststoffe: Als Folge der hohen Fett- und Eiweißaufnahme werden bei fast allen Altersgruppen durchschnittlich zu wenig Kohlenhydrate aufgenommen. Hinsichtlich der Kohlenhydratversorgung werden vor allem stärkehaltige und ballaststoffreiche Lebensmittel, die auch essentielle Nährstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe enthalten, in zu geringem Umfang verzehrt. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass der Richtwert für die Ballaststoffzufuhr von mindestens 30 g pro Tag im Mittel nur zu etwa zwei Drittel erreicht wird. Alkohol: Der Alkoholkonsum ist im Vergleich zum Österreichischen Ernährungsbericht 1998 vor allem bei den Frauen stark angestiegen. Bei Männern zwischen 25 und 64 Jahren ergab die aktuelle Erhebung eine Alkoholaufnahme von rund 5% der Gesamtenergiezufuhr und bei den Frauen der gleichen Altersgruppe von rund 3%. Mikronährstoffe: Die allgemeine Aufnahme an einigen Mikronährstoffen (Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente) ist innerhalb mehrerer Bevölkerungsgruppen niedriger als empfohlen. In dieser Hinsicht und 7 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung in Bezug auf die Gesundheitsrelevanz, ist es möglich, Kategorien abnehmender Signifikanz vorzuschlagen: ¾ Versorgung ist kritisch, dringender Handlungsbedarf: Bei allen Bevölkerungsgruppen benötigen Folsäure, Jod und Calcium spezielle Aufmerksamkeit. Außerdem ist die Vitamin D-Zufuhr über Lebensmittel beim Großteil der Bevölkerung unzureichend. Ältere Menschen mit atrophischer Gastritis (Prävalenz bis 30%) sind auch hinsichtlich der Vitamin B12-Versorgung als Risikogruppe anzusehen. Eisen ist speziell für Frauen im gebärfähigen Alter ein kritischer Nährstoff. Bei Stillenden ist zusätzlich die Vitamin A- sowie die Vitamin B6-Versorgung sorgsam zu überwachen. Nicht zuletzt darf auch die exzessive Natriumaufnahme für gewisse Hochrisikogenotypen nicht außer Acht gelassen werden. ¾ Versorgung mancher Personengruppen grenzwertig, mittelfristig Verbesserung anzustreben: Personen >65 J.: Vitamin C, Vitamin E, Vitamin B1 und B2 (weibl.), Magnesium Personen >86 J.: Zink (männl.) Schwangere: Vitamin E, Magnesium Lerhlinge (15-18 J.): Vitamin C (männl.), Vitamin E, Vitamin B1 und B2, Magnesium ¾ Versorgung ausreichend, keine Intervention erforderlich: Niacin, Biotin, Pantothensäure, Kalium, Phosphor, Mangan, Kupfer ¾ Vorläufig noch nicht exakt bewertet: Vitamin K, Fluorid, Selen, Carotinoide Lebensmittelverzehrsmengen: Bei mehreren Bevölkerungsgruppen wurden auch die Verzehrsmengen von verschiedenen Lebensmittelgruppen erhoben. Dabei zeigte sich, dass vor allem Lebensmittel mit hoher Nährstoffdichte in viel zu geringem Umfang konsumiert wurden (z.B. Gemüse, Brot und Getreideflocken, Milch und Milchprodukte, etc.). Insgesamt kommt der Verzehr von pflanzlichen Lebensmitteln oft zu kurz. Im Gegensatz dazu zeigte sich bei allen Altersgruppen ein hoher Verzehr an Fleisch und Wurst, wobei Männer viel häufiger zu dieser Lebensmittelgruppe greifen. Die dargestellte Nährstoffversorgung ließe sich allgemein weiter optimieren, wenn sich die Lebensmittelauswahl noch mehr an den präventiven Empfehlungen orientieren würde: Gemüse und Obst sollten nicht nur täglich, sondern besser mehrmals täglich auf dem Speiseplan stehen. Milch und Milchprodukte, bevorzugt fettarme Produkte, sollten täglich verzehrt werden und 1 bis 2mal wöchentlich sollte ein Fischgericht auf den Tisch kommen. Vollkornprodukte sollten soweit machbar Weißmehlprodukte ersetzen. Dagegen kann der Konsum von Fleisch und Wurst durchaus auf 2 bis 3mal pro Woche reduziert werden. Diese Empfehlungen gelten besonders für Männer, deren Verzehrsgewohnheiten sich insgesamt ungünstiger darstellen als jene der Frauen. Der Richtwert für eine wünschenswerte Getränkezufuhr aus nicht-koffeinhaltigen und nicht-alkoholischen Getränken (1000-1500 ml/d) wurde von den österreichischen Erwachsenen im Mittel erreicht. 8 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung 2.1 Allgemeine Einführung Bereits 1991 hat das Institut für Ernährungswissenschaften damit begonnen, den Ernährungsstatus von verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Österreich zu dokumentieren. Der Ernährungsstatus beschreibt mittels empirischer und laborchemischer Methoden die jeweilige Versorgungslage mit Nahrungsenergie und einzelnen Nährstoffen. Sämtliche zu diesem Thema durchgeführten Teilstudien werden unter dem Begriff ÖSES – Österreichische Studie zum Ernährungsstatus (= ASNS, Austrian Study on Nutritional Status) – zsammengefasst. Die ersten Ergebnisse dazu wurden im 1. Wiener Ernährungsbericht [Elmadfa et al., 1994] sowie im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 [Elmadfa et al., 1998] veröffentlicht. Um international weiterhin vergleichbare Daten liefern zu können und um die Entwicklung der Nährstoffversorgung aller Personengruppen unter Berücksichtigung des aktuellen Lebensmittelangebots beschreiben zu können, wurden zahlreiche Follow-up-Studien bei verschiedenen Bevölkerungsgruppen durchgeführt. Die Ergebnisse sollen in diesem Ernährungsbericht dargestellt werden. Eine der Grundsatzfragen in der Interpretation von Nährstoffaufnahmen ist, wie groß der Anteil jener Individuen in einer Bevölkerungsgruppe ist, deren Aufnahme an einem bestimmten Nährstoff unter dem Bedarf für diesen Nährstoff liegt. Dadurch sollte es möglich sein, etwaige "Risikonährstoffe", also Nährstoffe mit einer hohen Prävalenz einer unzureichenden Zufuhr, zu identifizieren. Dass diese Frage nicht einfach zu beantworten ist, liegt auf der Hand. Einzelne Personen einer Bevölkerungsgruppe unterscheiden sich sowohl hinsichtlich der Nährstoffzufuhr als auch im diesbezüglichen Nährstoffbedarf. Dabei gilt für den Großteil der Nährstoffe, dass die Aufnahmemengen einer größeren Streuung unterliegen als der Bedarf [IOM, 2000]. Als Konsequenz muss die durchschnittliche Nährstoffzufuhr einer Gruppe die korrespondierende Empfehlung großzügig übertreffen, um bei möglichst allen Individuen des betrachteten Kollektivs eine dem Bedarf entsprechende Nährstoffaufnahme zu gewährleisten. Liegen alle Individuen eines Kollektivs in ihrer Nährstoffaufnahme oberhalb der empfohlenen Zufuhr für diesen Nährstoff, ist eine Unterversorgung sehr unwahrscheinlich. Je weiter jedoch die mittlere Aufnahme an einem Nährstoff innerhalb des untersuchten Kollektivs unterhalb des Referenzwerts liegt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei Einzelpersonen eine mangelnde Versorgung vorliegt. Der tatsächliche Versorgungszustand einzelner Personen muss jedoch mit anderen Methoden überprüft werden. Wiederholte Verzehrserhebungen mit Wiegeprotokollen und laborchemische Untersuchungen ermöglichen letztendlich eine viel genauere Definition von Risikogruppen. Außerdem sind die wissenschaftlichen Kenntnisse über den Bedarf des Menschen noch nicht für jeden Nährstoff ausreichend, um eindeutige Empfehlungen (= Recommended Dietary Allowance, RDA) auszusprechen. In diesen Fällen wurden Schätzwerte für eine angemessene und gesundheitlich unbedenkliche Zufuhr festgesetzt [DACH, 2000]. Die Interpretation von Verzehrsdaten anhand von Schätzwerten ist somit noch schwieriger. Grundsätzlich wird ein Schätzwert (= Adequate Intake, AI) für die angemessene Zufuhr eines Nährstoffs dann festgelegt, wenn der Bedarf noch nicht mit der wünschenswerten Genauigkeit bestimmt werden kann. Die Werte sind experimentell gestützt und meist aus dem Verzehr gesunder, adäquat ernährter Personengruppen abgeleitet. Liegt nun die mittlere Zufuhr eines Nährstoffs über dem entsprechenden Schätzwert, kann für das betrachtete Kollektiv ein geringes Risiko einer Unterversorgung erwartet werden. Liegt sie jedoch unter diesem Schätzwert, so sind keinerlei Aussagen über die Versorgungslage möglich [IOM, 2000]. Die in den Tabellen angeführten D-A-CH-Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr sind als Orientierungshilfe für die Beurteilung der Nährstoffaufnahme gedacht. Sie geben weder den durchschnittlichen individuellen Nährstoffbedarf noch den Mindestbedarf eines Nährstoffs an. An dieser Stelle soll auch auf die Problematik von nutritiven Referenzwerten bei Kindern und Jugendlichen hingewiesen werden. Die entsprechenden Zahlenwerte sind oft von Erwachsenenkollektiven abgeleitet worden und aus diesem Grund nicht immer auf die Altersgruppen der Kinder und Jugendlichen anwendbar. Dennoch sind sie als Orientierungspunkte unersetzlich. Um den Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung zu beschreiben, wurden die in Tab. 2.1 dargestellten Erhebungen durchgeführt. 9 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Tab. 2.1: Übersicht zu den durchgeführten Erhebungen zur Beurteilung des Ernährungszustands der österreichischen Bevölkerung Personengruppen BMI Vorschulkinder (3-6 n=441 J.) Nahrungszufuhr ErnähErnähErnährungswis- rungsver- rungssen halten status 3-d-Wiegeprotokoll n=151 FFQ n=346 Volksschulkinder (7- n=11661 7-d-Wiegepro- n=1171 9 J.) tokoll n=423 FFQ n=1171 Mittelschulkinder (10-14 J.) 7-d-Wiegeprotokoll n=313 FFQ n=549 Lehrlinge (15-18 J.) n=100 3-d-Wiegepro- n=151 tokoll n=110 FFQ n=151 Erwachsene (19->65 J.) n=2059 24-h-Recall n=2581 FFQ n=887 Senioren (55->84 J.)2 n=627 24-h-Recall n=643 Schwangere n=240 24-h-Recall n=262 n=260 3-d-Wiegeprotokoll n=39 n=198 24-h-Recall n=198 Stillende3 Breitensportler4 (19-65 J.) Trinkverhalten n=887 FFQ n=444 24-hRecall, FFQ n=826 n=226 leere Felder bedeuten, dass die entsprechenden Daten nicht erhoben wurden; 1 Niederösterreichisches Kollektiv; 2 Wiener Kollektiv; 3 Neubeurteilung der Daten aus dem Ernährungsbericht 1998, Wiener Kollektiv; 4 Ostösterreichisches Kollektiv, FFQ...Food Frequency Questionnaire 2.2 Body Mass Index (BMI) verschiedener Personengruppen Zusammenfassung Bei der Beurteilung des Körpergewichts zeigte sich bei Männern häufiger ein über der Norm liegender Body Mass Index (BMI) als bei Frauen. Mit zunehmendem Alter konnte ein Ansteigen der Prävalenz von Übergewicht und Adipositas festgestellt werden. Eine Umkehr dieses Trends ergab sich in etwa ab dem Alter von 65 Jahren. Der höchste Anteil an therapiebedürftigem Übergewicht (BMI >30 kg/m2) wurde mit 11% bei den männlichen Lehrlingen (15-18 J.) festgestellt. Über einem BMI von 25 kg/m2 lagen insgesamt 24% dieser Personengruppe. Bei 41% des männlichen Kollektivs zwischen 20 und 54 Jahren wurde ein BMI über 25 kg/m2 und damit Übergewicht festgestellt. Im Vergleich dazu wiesen nur rund 23% der Freizeitsportler derselben Altersgruppe einen BMI über 25 kg/m2 auf. Eine nicht unbedeutende Prävalenz von Untergewicht zeigte sich bei den über 65-jährigen Frauen und Männern. Allgemeines Anhand anthropometrischer Messungen ist es möglich, Angaben über langfristige Wirkungen der Ernährung und somit auch über den Ernährungszustand zu 10 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung machen. So stellen das Körpergewicht und die Körpergröße unter anderem die Grundlage der Klassifizierung von Unter-, Normal- und Übergewicht dar. Bekanntlich gibt es zahlreiche Indizes (z.B. Nomogramme, BROCA-Index), um die Relation von Körpergewicht und Körpergröße zueinander zu bestimmen, jedoch hat sich der BMI [BMI = Körpergewicht/ Körperhöhe2 (kg/m2)] über alle Altersstufen hinweg als bester Index erwiesen. Der BMI berücksichtigt die unterschiedlichen Körperlängen besser und es besteht ein engerer Zusammenhang mit der Körperfettmasse [Schneider, 1997]. Letzteres ist besonders wichtig, da nur von einem hohen Körperfettgehalt ein erhöhtes Gesundheitsrisiko ausgeht. Seine Anwendung für die Bewertung von Übergewicht und Adipositas wird somit auch bei Kindern und Jugendlichen empfohlen [Kromeyer-Hauschild et al., 2001]. Jedoch eignet sich der BMI nicht, um das Körpergewicht von Personen mit besonders ausgeprägter Muskulatur (z.B. Kraftsportler) oder von Schwangeren zu beurteilen. Im Rahmen der Aktualisierung der Daten zum Ernährungsstatus von ausgewählten Bevölkerungsgruppen in Österreich (ÖSES), wurde zusätzlich auch der Body Mass Index ermittelt. Dieser beruht auf den eigenen Angaben der Probanden zum Körpergewicht bzw. zur Körpergröße. Bei den Vorschulkindern wurden die Körpermaße mittels geeichter Waage und Maßband bestimmt. Die Ergebnisse aus den Selbstangaben sind zwar nicht so exakt wie Messungen mit Waage und Maßband, aber sie sind dennoch geeignet, einen Eindruck über die Versorgung mit Nahrungsenergie in Österreich zu liefern. 2.2.1 BMI von Vorschulkindern In der Altersgruppe der 3-6-jährigen Vorschulkinder (n=441) konnten anthropometrische Messungen (Körpergewicht und Körpergröße) durchgeführt werden. Aus den ermittelten Messwerten wurde der BMI errechnet. Anders als bei Erwachsenen können bei Kindern und Jugendlichen im Wachstum keine festen Klassifikationsgrenzen für die Beurteilung des Körpergewichts angesetzt werden, was die Interpretation der BMI-Werte erschwert. Es ist daher notwendig, entsprechende Referenzwerte zur Verfügung zu haben. Dazu wurden bis dato für Länder, in denen keine national repräsentativen Daten zur Verfügung standen, die BMI-Normtabellen von Rolland-Cachera et al. [1982; 1991] herangezogen. Vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien wurden ebenfalls solche Standards für Kinder und Jugendliche erstellt [Zarfl und Elmadfa, 1995]. Im Rahmen der ÖSES (Österreichische Studie zum Ernährungsstatus) wurden dabei an 5145 Kindern und Jugendlichen in ganz Österreich anthropometrische Daten (Gewicht, Größe, Körperzusammensetzung) erhoben. Als Grenze zum Übergewicht wurde die Verwendung der 85. Perzentile vorgeschlagen, welche eine relativ gute Übereinstimmung mit den etablierten Bewertungen auf der Basis von alters- und größenspezifischen Gewichtsreferenzen ergab. Mittlerweile sind von der Arbeitsgemeinschaft "Adipositas im Kindes- und Jugendalter" (AGA) BMIReferenzwerte für deutsche Kinder und Jugendliche erarbeitet worden. Gemeinsam mit der European Childhood Obesity Group (ECOG) wird empfohlen, diese BMI-Perzentilen zumindest in Mitteleuropa zur Definition von Übergewicht und Adipositas heranzuziehen. Laut diesen Empfehlungen wird die 90. Perzentile (90. P.) als Grenze für die Definition von Übergewicht und die 97. Perzentile als Grenzwert für die Definition von Adipositas verwendet. Von einem klinisch relevanten Untergewicht spricht man bei einem BMI unterhalb der 3. Perzentile und der Normalbereich liegt zwischen der 10. und der 90. BMI-Perzentile [Kromeyer-Hauschild et al., 2001]. Aufgrund der genannten Normwerte ergab sich die in Abb. 2.1 dargestellte BMI-Klassifikation für 3-6-jährige Mädchen (n=227) und Buben (n=214) in Österreich. Demnach waren 10% des untersuchten Kollektivs als übergewichtig (>90. P.) und darüber hinaus noch 5% als stark übergewichtig (adipös) einzustufen, d.h. 15% der Vorschulkinder wiesen ein Körpergewicht oberhalb der empfohlenen Grenzen auf. Wachstum ist ein dynamischer und komplexer Prozess, der einerseits von genetischen Voraussetzungen, andererseits von der Umwelt, z.B. Ernährung, beeinflusst wird [Wachtl, 1994]. Da Übergewicht als Gesundheitsrisiko eingeschätzt wird, ist eine Vorbeugung schon im Kindesalter wichtig. 2.2.2 BMI von Schulkindern Für die Personengruppe der Schulkinder (7-14 J.) liegen keine aktuellen für Gesamtösterreich repräsentativen, verwertbaren Daten zu Körpergröße und Körpergewicht vor. Im Rahmen der Untersuchung "Ernährungsphysiologische Beurteilung der Schuljausen an gesundheitsfördernden Volks- 11 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung schulen in Niederösterreich" [Gschaider, 2002] war jedoch die Ermittlung der BMIIndizes und die daraus resultierende Körpergewichtsbeurteilung der Probanden ein Teilaspekt. Im Sommersemester des Schuljahres 1998/99 wurden in ganz Niederösterreich 1737 Fragebögen an Volksschulkinder der 2.-4. Klassen (7-10 Jahre) verteilt, von denen 1166 Fragebögen (67%) ausgewertet werden konnten. Diese Erhebung erfolgte mittels anonymer Selbstausfüller-Fragebögen im Rahmen des Projekts "Bewegte Klasse" des Gesundheitsforums Niederösterreichs. Die Bewertung des Körpergewichts basiert wie bei den Vorschulkindern auf den Perzentilen der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA). Daraus ergab sich die in Abb. 2.2 dargestellte Gewichtsverteilung. Demnach waren insgesamt rund 16% der Buben bzw. 14% der Mädchen als übergewichtig (>90. P.) zu beurteilen. Nicht unbedeutend scheint die Prävalenz von Untergewicht bei den Volksschulkindern zu sein. 9% des befragten Kollektivs lagen unter der 9. Perzentile. Der BMI ist jedoch als Indikator für Untergewicht nicht so gut geeignet wie für Übergewicht, da zwischen dem BMI und dem Körperfett ein besserer Zusammenhang besteht [Zarfl und Elmadfa, 1995]. Wie bereits erwähnt, wurden vor etwa 10 Jahren anthropometrische Messungen an 5145 Kindern und Jugendlichen zwischen 5 und 18 Jahren durchgeführt. Dabei wurden österreichische BMI-Perzentilen erstellt und der Prozentsatz der Kinder und Jugendlichen in den Jahrgängen ermittelt, deren BMI-Werte über den jeweiligen Perzentilen lagen [Zarfl und Elmadfa, 1995]. Damals lagen durchschnittlich 15% der Mädchen und 11% der Buben in der Altersgruppe von 7-10 Jahren über der 90. Perzentile. Nach diesem Vergleich wäre es bei den Buben zu einer starken Zunahme der Übergewichtigen gekommen und bei den Mädchen wäre der Anteil an Übergewichtigen gleich geblieben bzw. leicht zurückgegangen. An dieser Stelle soll nochmals angemerkt werden, dass die Ergebnisse der aktuellen Erhebung auf eigenen Angaben der Kinder beruhen und lediglich im Raum Niederösterreich durchgeführt wurden. Verzerrungen können in diesem Fall nicht ausgeschlossen werden. 2.2.3 BMI von Lehrlingen Aus den Angaben einer Stichprobe von Lehrlingen (n=100) zum eigenen Körpergewicht und Körpergröße konnte der BMI dieser Personengruppe (15-18 J.) errechnet werden. Die Bewertung des Körpergewichts basiert wie bei den Vorschulkindern und Schülern auf den Perzentilen der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im 90 79 80 80 < 9. Perzentile 10-90. Perzentile > 90. Perzentile > 97. Perzentile 70 60 Abb. 2.1: BMI-Bewertung bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.), getrennt nach Geschlecht (Angaben in %) % 50 40 Untergewicht Normalgewicht Übergewicht Adipositas 30 20 10 5 10 7 10 6 3 0 UG NG Buben 3-6 J. ÜG Mädchen 3-6 J. UG...Untergewicht; NG...Normalgewicht; ÜG...Übergewicht 12 Adipositas Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung 90 75 80 77 70 < 9. Perzentile 10-90. Perzentile > 90. Perzentile > 97. Perzentile 60 50 % 40 Untergewicht Normalgewicht Übergewicht Adipositas 30 20 10 9 11 9 10 5 4 0 UG NG Buben 7-10 J. ÜG Adipositas Abb. 2.2: BMI-Bewertung bei niederösterreichischen Volksschulkindern (710 J.), getrennt nach Geschlecht (Angaben in %) Mädchen 7-10 J. UG...Untergewicht; NG...Normalgewicht; ÜG...Übergewicht Kindes- und Jugendalter (AGA). Daraus resultierte die in Abb. 2.3 dargestellte Gewichtsverteilung. Der Anteil der übergewichtigen und adipösen Mädchen war mit 10% gegenüber dem der männlichen Lehrlinge (24%) wesentlich geringer. Diese Daten müssen allerdings nicht unbedingt bedeuten, dass bei männlichen Jugendlichen generell der Anteil der Übergewichtigen und Adipösen höher liegt. Dieses Ergebnis könnte auch darauf zurückzuführen sein, dass übergewichtige Mädchen gerade in diesem Alter sich oft sehr für ihr Äußeres schämen und daher erst gar nicht an der Studie teilgenommen haben. Der Anteil der Jugendlichen, die als untergewichtig einzustufen sind, lag bei 5%. Dabei ist das Verhältnis zwischen den Geschlechtern ähnlich. Auf die Frage nach der Zufriedenheit mit dem eigenen Körpergewicht zeigte sich ein geschlechtsspezifisch höchst signifikanter Unterschied (p < 0,001). 30% der männlichen Lehrlinge machten sich darüber keine Gedanken bzw. 20% waren mit ihrem Körpergewicht zufrieden. 50% der weiblichen Studienteilnehmer fanden sich zwar nicht dick, wollten aber trotzdem gerne abnehmen. Im Vergleich mit der bereits im Kapitel der Schulkinder zitierten Studie [Zarfl und Elmadfa, 1995] zeigen sich vor allem im männlichen Kollektiv der 15-18-Jährigen auffallend große Unterschiede. Damals lagen durchschnittlich nur 10% der männlichen 15-18-Jährigen über der 90. BMI-Perzentile, wobei es in der aktuellen Lehrlingsstudie 24% waren. Bei den weiblichen Jugendlichen (15-18 J.) waren es damals rund 7% und aktuell 10%. Es darf bei diesem Vergleich allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass das Kollektiv der Lehrlinge einem anderen soziokulturellen Hintergrund zuzuord- 84 90 80 72 70 < 9. Perzentile 10-90. Perzentile > 90. Perzentile > 97. Perzentile 60 50 % 40 Untergewicht Normalgewicht Übergewicht Adipositas 30 20 10 13 4 6 11 6 4 0 UG NG männlich ÜG Adipositas weiblich UG...Untergewicht; NG...Normalgewicht; ÜG...Übergewicht 13 Abb. 2.3: BMI-Bewertung bei österreichischen Lehrlingen (1518 J.), getrennt nach Geschlecht (Angaben in %) Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung nen ist und die errechneten BMI-Werte auf eigenen Angaben zu Körpergewicht und Körpergröße der Probanden beruhen. 2.2.4 BMI von Erwachsenen In der aktuellen Follow-up-Studie über den Ernährungszustand von Erwachsenen in Österreich wurde auch das Körpergewicht und die Körpergröße erfragt (n = 2059). Dazu soll angemerkt werden, dass Selbstangaben oftmals von entsprechenden Messungen abweichen. So wird von älteren Menschen häufig ihre Körpergröße überschätzt, Untergewichtige überschätzen, Übergewichtige dagegen unterschätzen ihr Körpergewicht eher [Schneider, 1997]. Es ist daher davon auszugehen, dass mit den untenstehenden Angaben (Abb. 2.4) die Häufigkeit von Übergewicht in Österreich eher unterschätzt wird. Demnach war ein gravierend größerer Anteil der Männer als übergewichtig einzustufen als Frauen. Umgekehrt war das Verhältnis bei den Untergewichtigen. Starkes Übergewicht (BMI>30) war bei beiden Geschlechtern gleich häufig festzustellen. In der Untersuchung wurde außerdem festgestellt, dass Frauen weitaus häufiger mit ihrem Körpergewicht unzufrieden waren als Männer. Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körpergewicht stieg mit dem Lebensalter an. In der Altersklasse der 20-29-Jährigen waren es nur 13% Frauen, die sich selbst als zu dick bezeichneten. Diese Zahl nahm stetig zu und war bei Frauen ab 60 Jahren am höchsten (37,5%). Prinzipiell waren nur 38% der Frauen, aber immerhin 43% der Männer mit ihrem derzeitigen Körpergewicht zufrieden. Die Unzufriedenheit drückte sich aus, indem sich 3% der Männer (2% der Frauen) zu dünn, aber 18% bzw. 25% zu dick fühlten und 24% der Österreicher bzw. 31% der Österreicherinnen sich als nicht zu dick klassifizierten, aber trotzdem Gewicht verlieren wollten. In diesem Zusammenhang sollte auch erwähnt werden, dass signifikant mehr Frauen (5,6%) angaben, zu Laxantien zu greifen als Männern (1,2%). Alter, Bildungsgrad und BMI hatten hier keinen merklichen Einfluss. Im Vergleich zu den im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 dargestellten Ergebnissen, hat sich der Anteil an stark Übergewichtigen (6% bei den Männern sowie 5% bei den Frauen) kaum geändert. Gleichgeblieben ist auch der Anteil der übergewichtigen Männer. Allerdings ist unter den österreichischen Frauen der Anteil der Übergewichtigen in den letzten Jahren von 16% auf 20% angestiegen. 2.2.5 BMI von Freizeitsportlern Aufgrund der Angaben der befragten Sporttreibenden zu Körpergewicht und Körpergröße konnte der BMI ermittelt werden. Die Ergebnisse sind in Abb. 2.5 dargestellt. Die Unterschiede im BMI der Sportler einzelner Sportkategorien waren lediglich geringfügig. 2 66 70 kg/m Untergewicht Normalgewicht Übergewicht Adipositas 55 60 50 Abb. 2.4: BMI-Bewertung bei österreichischen Erwachsenen, getrennt nach Geschlecht (Angaben in %) % 35 40 30 20 20 10 4 8 6 6 0 UG NG ÜG männlich Adipositas weiblich UG...Untergewicht; NG...Normalgewicht; ÜG...Übergewicht 14 Männer <20 20-25 25-30 >30 Frauen <19 19-24 24-30 >30 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung 75 80 2 kg/m Untergewicht Normalgewicht Übergewicht Adipositas 71 70 60 50 Männer <20 20-25 25-30 >30 Frauen <19 19-24 24-30 >30 % 40 30 20 21 20 10 2 6 3 2 Abb. 2.5: BMI-Bewertung bei Freizeitsportlern, getrennt nach Geschlecht (Angaben in %) 0 UG NG ÜG männlich Adipositas weiblich UG...Untergewicht; NG...Normalgewicht; ÜG...Übergewicht; Drei Viertel und demnach ein höherer Anteil als bei der Allgemeinbevölkerung zeigte einen BMI im Normalbereich. Ein BMI >30 (adipös) ergab sich nur bei rund 2,5% des untersuchten Kollektivs. Außerdem können Sportler aufgrund ihres zu erwartenden höheren Muskelanteils, leicht einen BMI über 25 bzw. 24 und dennoch einen Körperfettgehalt im Normalbereich haben. Um exaktere Informationen über die Körperzusammensetzung zu erhalten, müsste deshalb vor allem bei Sportlern zusätzlich der Körperfettanteil bestimmt werden (z.B. mit Kaliper). Immerhin gaben über 50% der Befragten an, mindestens 1mal pro Woche ihr Körpergewicht zu kontrollieren und rund 20% des Kollektivs kannte nach eigenen Angaben den persönlichen BMI. Männliche Freizeitsportler waren mit ihrem Körpergewicht eher zufrieden, als weibliche. 58% der Männer aber nur 49% der Frauen fühlten sich mit dem aktuellen Körpergewicht wohl. Mehr als die Hälfte aller Sportlerinnen gab an, abnehmen zu wollen. 2.2.6 BMI von Senioren Zur Beschreibung des Ernährungszustands wurden von den Studienteilnehmern die Körpergröße und das Körpergewicht erfragt, um daraus den BMI zu berechnen. Jedoch nimmt die Validität dieses Vohersageindikators für ernährungsbezogene Krankheiten mit dem Alter ab [Bates et al., 2001]. Vermutlich ist bei Personen im fortgeschrittenen Lebensalter das Körpergewicht bzw. der BMI anders zu bewerten als bei jüngeren Erwachsenen. Die prognostische Bedeutung des Körpergewichts ändert sich und höhere BMI-Werte sind bei Älteren im Gegensatz zu jüngeren Personen mit einem geringeren Mortalitätsrisiko verbunden als bei jün- BMI (MW ± SD) Untergewicht Normalge1 wicht2 Übergewicht/ Adipositas3 55-64 J (n=194) 27,3 ± 4,2 10 59 31 65-74 J (n=142) 27,1± 4,2 18 57 25 75-84 J (n=180) 26,6 ± 4,2 25 58 17 >84 J (n=107) 25,4 ± 3,5 29 60 11 Gesamt (n=627) 26,7 ± 4,1 22 57 21 1BMI <23 (55-64 J); BMI <24 (ab 65 J) 2BMI 23-28 (55-64 J); BMI 24-29 (ab 65 J) 3BMI>28 (55-64 J); BMI >29 (ab 65 J) nach NRC [1989] 15 Tab. 2.2: BMI des Gesamtkollektivs sowie Verteilung (Angaben in %) von Unter-, Normalund Übergewicht innerhalb der Altersgruppen von Senioren Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Abb. 2.6: BMI-Bewertung bei Wiener Senioren, getrennt nach Altersgruppen (Angaben in %) 100% 80% 60% 40% 20% 0% 55-64 J 65-74 J Untergew icht Tab. 2.3: Körperlänge, Gewicht und BMI (MW ± SD) der männlichen und weiblichen Studienteilnehmer 75-84 J Norm algew icht >84 J Übergew icht/Adipositas Männer Körpergröße (cm) Gewicht (kg) BMI 55-64 J (n=21) 174,1 ± 8,2 84 ± 15 27,7 ± 2,9 65-74 J (n=22) 174,1 ± 7,1 77 ± 20 25,5 ± 6,9 75-84 J (n=22) 172,0 ± 5,9 76 ± 11 25,5 ± 2,8 >84 J (n=22) 152,9 ± 5,7 68 ± 26 26,0 ± 3,7 55-64 J (n=180) 162,5 ± 18,6 74 ± 13 27,3 ± 4,3 65-74J (n=121) 163,0 ± 5,6 72 ± 12 27,1 ± 4,1 75-84 J (n=160) 159,5 ± 6,0 67 ± 13 26,5 ± 4,8 >84 J (n=93) 156,1 ± 17,5 61 ± 14 24,3 ± 5,7 Frauen geren Personen [DGE, 2000]. Dieser Umstand wurde in den altersabhängigen Normbereichen des National Research Council (NRC) berücksichtigt [NRC, 1989]. Die Ergebnisse sind in den Tab. 2.2 und 2.3 dargestellt. Demnach wurden mit zunehmendem Alter bei Männern und Frauen geringere Werte für Größe, Gewicht und BMI gemessen. Der durchschnittliche BMI lag für das Gesamtkollektiv bei 26,7 kg/m2. Insgesamt lagen 57% der untersuchten Männer und Frauen im Normbereich des NRC. 22% waren als untergewichtig und 21% als übergewichtig einzustufen. Ein Vergleich zwischen Bewohnern von Pensionistenwohnhäusern (PWH) und selbstständig Lebenden zeigte hinsichtlich der Häufigkeit des Auftretens von Untergewicht (PWH 18,5% und Wohnung 18%) und Übergewicht (PWH 18,5% und Wohnung 19,3%) keine Unterschiede. Große Unterschiede bestanden zwischen den Altersgruppen. Die Prävalenz von Untergewicht war bei den über 84-Jährigen rund 3mal so hoch wie bei den 55-64Jährigen. Umgekehrt verhielt es sich in der Prävalenz des Übergewichts. Aus der hohen Prävalenz von Untergewicht bei den über 65-Jährigen kann auf eine negative Energiebalance geschlossen werden. Generell neigt bei Älteren das Körpergewicht selbst bei gesunden Individuen zu einem Absinken [Bates et al., 2001]. 16 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung 2.3 Kinder und Jugendliche Allgemeines "Richtige" Ernährung drückt sich im Allgemeinen in einem zufriedenstellenden Ernährungszustand aus, dem bei Kindern und Jugendlichen eine besondere Bedeutung zukommt. Ein partieller Nährstoffmangel bzw. jegliche Form der Fehlernährung über einen längeren Zeitraum bedingen, besonders im sich entwickelnden Organismus, gesundheitliche Beeinträchtigungen, physiologische Störungen und Leistungsverminderung. Der überwiegende Teil der durch chronische Über- und Fehlernährung bedingten sogenannten Zivilisationskrankheiten, wird zwar erst im Erwachsenenalter klinisch relevant, die ursächlichen fehlerhaften Ernährungsgewohnheiten bestehen aber meist schon von Kindesalter an. Der Österreichischen Ernährungsbericht 1998 [Elmadfa et al., 1998] enthielt noch keine Angaben zur Ernährungssituation 3-6-jähriger Kinder in Österreich. In einer aktuellen Fortführung der Studie zum Ernährungsstatus in Österreich wurde in einer Teilstudie nun auch die Gruppe der Vorschulkinder (3-6 Jahre) bundesweit untersucht. Damit kann die "Lücke" zur Altersgruppe der Schulkinder und Jugendlichen geschlossen werden. Es soll primär dargestellt werden, in welche Richtung sich das Ernährungsverhalten und die Nährstoffaufnahme aller österreichischen Kinder und Jugendlichen entwickelt. Die Stichprobe wurde so ausgewählt, dass eventuelle regionale (Nord/Süd/West/Ost) Unterschiede aufgezeigt und jene Personengruppen herausgefunden werden können, bei denen eine besonders ungünstige Ernährungsweise vorliegt (Risikogruppen). 2.3.1 Vorschulkinder (3-6 J.) Zusammenfassung Eine Österreichweit durchgeführte Analyse der Ernährungssituation von Vorschulkindern zeigt ein weitgehend zufriedenstellendes Bild. Einige Punkte stellen sich dennoch als verbesserungswürdig dar. Die energieliefernden Hauptnährstoffe (Kohlenhydrate 54%, Proteine 13%, Fette 33%) sind in guter Relation an der Energiezufuhr beteiligt. Eine detaillierte Analyse weist jedoch auf eine ungünstige Lebensmittelauswahl hin. Die Zufuhr an gesättigten Fettsäuren ist zu hoch hingegen die an mehrfach ungesättigten Fettsäuren, zu denen auch die essentiellen Fettsäuren zählen, ist zu gering. Bei den Kohlenhydraten sollte der Schwerpunkt der Versorgung auf stärkehaltige und ballaststoffreiche Lebensmittel (Nudel, Reis, Getreideflocken, Vollkornbrot etc.) gelegt und der Zuckerkonsum eingeschränkt werden. Bei den Mikronährstoffen ist die Versorgung mit Nahrungsfolat, Jod und Calcium unzureichend. Auch die Vitamin D-Aufnahme über Lebensmittel ist nicht zufriedenstellend. Auf Grund der Lebensmittelgruppenauswertung wird ersichtlich, dass vor allem Mehlspeisen und Süßigkeiten aber auch Fleisch und Wurst im überhöhten Ausmaß gegessen werden. Damit hängt die hohe Aufnahme an Saccharose, Proteinen sowie gesättigten Fettsäuren und die geringe Ballaststoffzufuhr zusammen. Vergleicht man die tatsächlich verzehrten Lebensmittel mit den lebensmittelbasierten Empfehlungen für diese Altersgruppe, schneiden Gemüse, Fisch, Brot und Getreideflocken, Nudeln sowie Reis am schlechtesten ab. Würden Österreichs Vorschulkinder mehr von diesen Lebensmittel zu Lasten von Mehlspeisen und Süßigkeiten verzehren, könnte sicher auch die Versorgungslage mit den "Schlusslichtern" unter den Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen entscheidend verbessert werden. Allgemeines Der Begriff "Vorschulalter" bzw. "Vorschulkinder" bezieht sich in weiterer Folge auf Kinder der Altersgruppe von 3-6 Jahren. Die Datenerhebung bei Vorschulkindern ist oftmals schwierig, da die Kinder auf der einen Seite die Fragebögen noch nicht selbst ausfüllen können, auf der anderen Seite aber, abgesehen von ihren Eltern, auch noch von anderen Personen betreut werden (z.B. Großeltern, Kindergärtner/innen) [Stein et al., 1992]. Der bundesweite Studienteil zu den Ernährungsgewohnheiten von Vorschulkindern wurde vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien im Nord-Osten, im Süd-Osten und im Westen von Österreich durchgeführt. Die Durchführung der Fragebogenerhebungen in den ange- 17 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Tab. 2.4: Stichprobenzahl (n=151) der Wiegeprotokolle gegliedert nach Regionen Region Bundesländer Anzahl (n) 51 führten Regionen fiel in die Periode Januar bis Juni 2001. Die Endzahl der NordWien und OberStichprobe belief sich auf insgesamt Osten österreich 151 Kinder. Zur Erfassung der Energie- und SüdBurgenland und 42 Nährstoffzufuhr diente ein 3-Tage-WieOsten Südsteiermark geprotokoll. Die Auswertung der insgeSüden Graz und Kärnten 23 samt 151 Verzehrsprotokolle erfolgte mit Hilfe des ErnährungswissenschaftWesten Tirol und Vorarl- 35 lichen Programms EWP 2.5 und einer berg vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien entwikkelten Access-Datenbank auf Basis des Bundeslebensmittelschlüssels II.3. In den Tab. 2.5-2.8 sind jeweils die Mittelwerte der drei Erhebungstage dargestellt. Um Unterschiede in der Nährstoffzufuhr innerhalb von Österreich feststellen zu können, wurden die Protokolle der Kinder nach Regionen und Geschlecht getrennt ausgewertet. Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei Vorschulkindern Tab. 2.5 zeigt die mittels Wiegeprotokollen ermittelten durchschnittlichen Aufnahmen an Energie, Eiweiß, Kohlenhydraten, Fett, Cholesterin und Ballaststoffen sowie die korrespondierenden D-A-CH-Referenzwerte. Buben gesamt Westen Nord/ Osten Süd/ Osten Süden D-A-CH Energie (MJ) 5,7 ± 1,5 6,3 ± 1,0 6,1 ± 1,3 4,6 ± 1,3 5,8 ± 2,3 6,4 E% Eiweiß 13 ± 2 13 ± 2 13 ± 3 12 ± 2 13 ± 3 10-15 E% KH 55 ± 6 55 ± 6 54 ± 6 56 ± 7 55 ± 6 >50 davon Zucker 15 ± 5 16 ± 6 14 ± 4 15 ± 4 12 ± 4 - Ballaststoffe (g) 12 ± 5 13 ± 4 13 ± 5 10 ± 4 13 ± 8 - E% Fett 32 ± 5 32 ± 6 33 ± 3 32 ± 6 32 ± 4 30-35 davon GFS 16 ± 2 17 ± 3 17± 2 16 ± 2 17 ± 1 max. 10 davon MFS 12 ± 1 11 ± 2 12 ± 1 12 ± 2 11 ± 1 13 davon PFS 4±2 4±2 4±1 4±2 4±3 7 Cholesterin (mg) 220 ± 102 248 ± 110 250 ± 84 154 ± 78 238 ± 124 max. 300 Mädchen Tab. 2.5: Mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Energie und Makronährstoffen bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.), getrennt nach Geschlecht und Region Energie (MJ) 5,6 ± 1,1 5,9 ± 1,4 5,7 ± 1,1 5,2 ± 1,1 5,7 ± 1 5,8 E% Eiweiß 13 ± 3 13 ± 2 13 ± 2 13 ± 3 13 ± 2 10-15 E% KH 54 ± 6 53 ± 6 54 ± 7 54 ± 6 55 ± 5 >50 davon Zucker 15 ± 5 15 ± 5 15 ± 6 13 ± 3 16 ± 5 - Ballaststoffe (g) 12 ± 4 13 ± 3 13 ± 4 11 ± 4 11 ± 3 - E% Fett 33 ± 5 34 ± 5 33 ± 6 33 ± 5 32 ± 4 30-35 davon GFS 17 ± 2 17 ± 2 17 ± 3 17 ± 2 17 ± 2 max. 10 davon MFS 12 ± 1 13 ± 2 11 ± 1 12 ± 2 11 ± 1 13 davon PFS 4±2 4±1 5±3 4±2 4±1 7 Cholesterin (mg) 206 ± 89 242 ± 110 218 ± 94 162 ± 66 209 ± 61 max. 300 KH...Kohlenhydrate; GFS...Gesättigte Fettsäuren; MFS...Monoenfettsäuren; PFS...Polyenfettsäuren 18 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Die mittlere Energiezufuhr der 13% Vorschulkinder in Österreich lag außer bei den Mädchen in Westösterreich, unter den korrespondierenden Richtwer54% 33% ten [DACH, 2000]. Betrachtet man die Energiezufuhr im Detail, so nahmen die Kohlenhydrate Fett Eiweiß Vorschulkinder aus dem Süd/Osten von Österreich signifikant weniger Energie auf als die Kinder in den anderen Regionen. Eine Erklärung dafür liefert jedoch eine genauere Betrachtung der Altersverteilung in der Stichprobe. Viele Kinder (47,5%) aus dem Burgenland bzw. der Steiermark hatten zum Zeitpunkt der Erhebung gerade erst das 4. Lebensjahr erreicht bzw. standen knapp davor. Somit war ihre Energiezufuhr und auch der tatsächliche Energiebedarf sicherlich geringer als von Sechsjährigen, deren Anteil in anderen Regionen höher war. Auch können generell in allen Altersgruppen von Wachsenden infolge der großen unterschiedlichen körperlichen Aktivität große Unterschiede im Energieumsatz beobachtet werden. Unterschiede in den Arbeitsumsätzen von Gleichaltrigen um ein Mehrfaches sind keine Seltenheit [Elmadfa und Leitzmann, 1998]. Die für 4-6jährige Kinder angegebenen Richtwerte von 6,4 MJ/d (Buben) bzw. 5,8 MJ/d (Mädchen) [DACH, 2000] beziehen sich auf "mäßige körperliche Aktivität" und dementsprechend wären bei "geringer körperlicher Aktivität" nochmals 12% (entspricht der zweifachen Standardabweichung) abzuziehen. Allgemein korreliert die Energiezufuhr meist sehr gut mit dem Energiebedarf. Wie Abb. 2.7 zeigt, deckte sich die ermittelte Relation der Energieträger zueinander sehr gut mit den D-A-CH-Referenzwerten: Kohlenhydrate: 50-55% Fett: 30-35% Eiweiß: 10-15% Die Relation der energieliefernden Nährstoffe zueinander scheint sich somit in den letzten Jahren verbessert zu haben. In einer vor 10 Jahren im Raum Wien und Niederösterreich durchgeführten Erhebung stammten noch etwa 36% der zugeführten Energie aus Fett [Elmadfa et al., 1994; Demitsch-Santner, 1994]. Der Rükkgang des Fettverzehrs der österreichischen Vorschulkinder wurde durch eine wünschenswerte höhere Zufuhr an Kohlenhydraten kompensiert. Offensichtlich zeigen die Bemühungen der Ernährungswissenschaft und Medizin um eine Reduzierung der Fettzufuhr und einer Erhöhung des Kohlenhydratanteils der Nahrung erste Erfolge. Weitere Anstrengungen sind jedoch nötig um diesen Trend zu stabilisieren. Nahrungsfett ist nicht nur ein wichtiger Energieträger. Die Menge und die Qualität des aufgenommenen Fettes hat bereits im Kindesalter einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden. Das Kollektiv der Vorschulkinder führte im Mittel rund 50 g Fett pro Tag zu sich. Neben der Information über die quantitative Aufnahme sind jedoch auch Aussagen zur Fettqualität von Bedeutung. Ein wesentliches Kriterium bei der Charakterisierung der Fettaufnahme ist die Relation der gesättigten (GFS) zu den einfach (MFS) und mehrfach (PFS) ungesättigten Fettsäuren. Dabei sollten die GFS nicht mehr als 10% der Nahrungsenergie liefern. Der Anteil der PFS sollte etwa 7% der Nahrungsenergie liefern bzw. bis zu 10%, wenn die Zufuhr an GFS, wie im vorliegenden Fall, 10% der Gesamtenergiezufuhr überschreitet. Damit soll einem Anstieg der Cholesterinkonzentration im Plasma entgegengewirkt werden. MFS decken den Rest der Fettsäurezufuhr ab, d.h. sie können bis 13% der Nahrungsenergie liefern [DACH, 2000]. Das ermittelte Fettsäuremuster entsprach jedoch bei weitem nicht den wünschenswerten Vorgaben. Die viel zu hohe Aufnahme an gesättigten Fettsäuren soll- 19 Abb. 2.7 Anteil der Hauptenergielieferanten an der Gesamtenergiezufuhr bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.) Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Abb. 2.8: Wünschenswerte Höhe der Fettsäurezufuhr und die tatsächliche Zufuhr bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.) Mädchen Buben D-A-CH Linolsäure (n-6) in g 5,2 ± 2,8 4,9 ± 2,3 - α-Linolensäure (n-3) in g 0,8 ± 0,3 0,7 ± 0,3 - Linolsäure (n-6) in E% 3,4 ± 1,5 3,3 ± 1,2 2,5 α-Linolensäure (n-3) in E% 0,5 ± 0,2 0,5 ± 0,2 0,5* n-6 : n-3 Fettsäuren 7:1 7:1 5:1 * Schätzwert te zugunsten der mehrfach ungesättigten Fettsäuren reduziert werden, d.h. es sollten mehr pflanzliche Öle und Fette in der Ernährung der Vorschulkinder berükksichtigt werden. Die erhöhte Aufnahme der gesättigten Fettsäuren ging eindeutig zu Lasten der mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Vorschulkinder aus dem Nord/Osten wiesen eine geringfügig höhere Polyenfettsäurezufuhr auf, als ihre Altersgenossen in anderen Teilen Österreichs. Fett ist neben seiner Aufgabe als wichtiger Energielieferant vor allem als Träger der essentiellen Fettsäuren wichtig. Für den menschlichen Organismus sind n6 Fettsäuren (Linolsäure und die aus ihr gebildeten längerkettigen Fettsäuren Arachidon- und Eicosatriensäure) und n-3 Fettsäuren (α-Linolensäure und ihre längerkettigen Derivate, wie z.B. Docosahexaen- und Eicosapentaensäure) essentielle Nährstoffe. Sie werden hauptsächlich für die Synthese von Strukturlipiden und von Eicosanoiden benötigt. Ihrem empfindlichen biochemischen Gleichgewicht und der diätetischen Beeinflussbarkeit kommt eine große Bedeutung in der Prävention zu [Arbeitskreis OMEGA-3, 2002]. Tab. 2.6 zeigt die Ergebnisse zur Aufnahme an diesen Fettsäuren getrennt nach dem Geschlecht. In den D-A-CH-Referenzwerten wird für die Linolsäurezufuhr (n-6) eine Empfehlung von rund 2,5% der Gesamtenergiezufuhr angegeben. Im Durchschnitt wurde dieses Kriterium sowohl von den Mädchen als auch von den Buben erreicht. Für die wünschenswerte Zufuhr an α-Linolensäure (n-3) konnte der D-A-CH-Referenzwert (Schätzwert) von 0,5% der Gesamtenergiezufuhr angegeben werden. Im Bereich dieses Werts lag auch die mittlere Aufnahme im untersuchten Kollektiv. Da eine höhere Zufuhr an α-Linolensäure mit protektiven Effekten in Bezug auf koro- % der Gesamtenergiezufuhr Tab. 2.6 : Mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Linolsäure und α-Linolensäure in g und Energie% bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.) 20 15 10 5 0 PFS GFS Soll (DACH) 20 MFS Ist (Vorschulkinder) Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung nare Herzerkrankungen in Verbindung gebracht wird [HCN, 2001], wäre eine Verbesserung der Zufuhr an α-Linolensäure bzw. n-3 Fettsäuren im Allgemeinen wünschenswert. Als weiteres Kriterium, nach dem die Qualität der Aufnahme von Fett beurteilt werden kann, gilt das Verhältnis von n-6 zu n-3 Fettsäuren. Die D-A-CH-Referenzwerte ergeben ein Verhältnis von weniger als 5:1 als Richtwert. Das tatsächliche Verhältnis lag bei 7:1. Somit wäre auch anhand dieses Maßstabs eine höhere Zufuhr an α-Linolensäure bzw. ein "Austausch" von Linolsäure zugunsten von α-Linolensäure anzustreben. Diese Empfehlung wäre leicht in die Praxis umzusetzen, wenn sowohl im Haushalt als auch in der Lebensmittelverarbeitung anstelle von n-6-fettsäurereichen Pflanzenölen (z.B. Sonnenblumenöl, Maiskeimöl) vermehrt n-3-fettsäurehältige Pflanzenöle (z.B. Rapsöl, Sojaöl) zum Einsatz kämen. Obwohl die Assoziation zwischen der Höhe der Serumcholesterinspiegel und der Höhe des Nahrungscholesterins nicht immer belegt werden konnte, besteht der Richtwert, dass im Durchschnitt maximal 300 mg Cholesterin pro Tag konsumiert werden sollten. Bei den Mädchen lag die durchschnittliche Cholesterinaufnahme bei 206 mg/d und bei den Buben bei 220 mg/d. Somit wurde der als Obergrenze formulierte Richtwert im Mittel nicht überschritten. Signifikante Unterschiede gab es in der Cholesterinaufnahme der Kinder (beide Geschlechter) in der Region Süd-Osten und der im Westen bzw. Osten. Vorschulkinder im Süd-Osten, aber auch im Süden, verzehrten weniger Cholesterin als Kinder ihrer Altersgruppe in anderen Teilen von Österreich. Allerdings hängt dies wahrscheinlich auch mit der zu Beginn besprochenen Altersverteilung zusammen. Die mittlere Eiweißdichte (Nährstoffdichte wird definiert als der Quotient aus dem Nährstoffgehalt (µg, mg, g) und dem Brennwert (MJ)) betrug bei den Mädchen 7,6 g/MJ und bei den Buben 7,4 g/MJ. Geschlechts- bzw. regionalspezifische Unterschiede waren lediglich geringfügig. Die empfohlene Proteindichte für Mädchen beträgt 2,9 g/MJ und für Buben 2,8 g/MJ. Wie zu erkennen ist, lagen die Werte beträchtlich über den jeweiligen D-A-CH-Empfehlungen, wonach von einer sehr guten Eiweißversorgung ausgegangen werden kann. Bezogen auf die Gesamtenergiezufuhr lag der Eiweißanteil mit 13% aber noch im Bereich der Richtwerte. Die Aufnahme an Protein aus tierischen Quellen war in allen Regionen Österreichs höher (61%) als aus pflanzlichen Lebensmitteln (39%). Die deutliche Dominanz des tierischen Anteils kann als nachteilig bewertet werden, da die Aufnahme an Protein tierischen Ursprungs generell mit einer gleichzeitigen Zufuhr an Fett bzw. gesättigten Fettsäuren, Cholesterin und – ausgenommen Ei- und Milchprotein – auch an Purinen verbunden ist [DACH, 2000]. Eine Erhöhung des Verzehrs pflanzlicher zu Lasten von tierischen Produkten würde im Allgemeinen eine Verbesserung der Nährstoffrelation bedeuten. Der Kohlenhydratanteil an der gesamten Energiezufuhr betrug über 50% und lag somit in einem wünschenswerten Bereich. Im Detail überwog jedoch die Zufuhr an niedermolekularen Kohlenhydraten (Mono- bzw. Disacchariden) gegenüber der an Polysacchariden. Die Saccharosezufuhr (isolierter Rohr-/Rübenzucker bzw. Haushaltszucker) lag im Mittel bei 47 g/d. Das entspricht rund 15% der Gesamtenergieaufnahme. Betrachtet man den Zucker isoliert, so liefert er ausschließlich schnell umsetzbare Energie und keine Vitamine und Mineralstoffe. Zucker wird nur selten pur gegessen und hebt bei vielen Speisen den Genusswert. Je niedriger jedoch der Gesamtenergieverbrauch (z.B. aufgrund geringer körperlicher Aktivität) ist, desto sorgsamer muss auf eine hohe Nährstoffdichte geachtet werden, um ausreichend mit allen essentiellen Mikronährstoffen versorgt zu sein. Im Sinne einer präventiven Ernährung sollte deshalb insbesondere bei Kindern der Schwerpunkt der Versorgung mit Kohlenhydraten auf stärkehaltige und ballaststoffreiche Lebensmittel, die auch essentielle Nährstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe enthalten, gelegt werden. Bezüglich der Ballaststoffzufuhr wird auch für Kinder ein Richtwert von 2,4 g/MJ als erstrebenswert erachtet [DACH, 2000]. Dem gegenüber lag die Ballaststoffzufuhr der Buben und Mädchen bei durchschnittlich 2,2 g/MJ. Eine Erhöhung der Zufuhr wäre wünschenswert, welche durch einen erhöhten Verzehr von Vollkorngetreideprodukten, Hülsenfrüchten, Kartoffeln und Gemüse leicht erreicht werden könnte. Zufuhr an Mikronährstoffen bei Vorschulkindern In Tab. 2.7 und 2.8 sind die anhand der 3-d-Wiegeprotokolle ermittelten durchschnittlichen Aufnahmen an Mikronährstoffen sowie die korrespondierenden D-A-CH-Referenzwerte im Detail dargestellt. Die mittleren Aufnahmemengen an Nahrungsfolat und Vitamin D lagen im untersuchten Kollektiv der Vorschulkinder beträchtlich unter den korrespondierenden D-A-CH-Empfehlungen. Dem- 21 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Tab. 2.7: Mittlere tägliche Vitaminzufuhr (MW ± SD) bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 Jahre), getrennt nach Geschlecht und Region Buben gesamt Westen Vitamin A1 (mg) Nord/ Süd/ Süden D-A-CH Osten Osten 0,8 ± 0,5 0,9 ± 0,6 0,8 ± 0,5 0,6 ± 0,4 0,8 ± 0,6 0,7 β-Carotin2 (mg) 1,6 ± 1,4 2,0 ± 1,6 1,8 ± 1,5 1,2 ± 1,1 1,4 ± 0,8 2-4 Vitamin D (µg) 2,1 ± 2,2 2,1 ± 2,1 2,5 ± 2,3 1,5 ± 1,7 2,8 ± 3,5 5 Vitamin E3 (mg) 5,8 ± 2,5 5,7 ± 2,8 6,3 ± 2,6 5,4 ± 2,4 5,4 ± 2,2 8 Vitamin B1 (mg) 0,9 ± 0,4 1,0 ± 0,3 1,0 ± 0,4 0,6 ± 0,4 1,1 ± 0,3 0,8 Vitamin B2 (mg) 1,2 ± 0,5 1,4 ± 0,4 1,4 ± 0,7 1,0 ± 0,4 1,2 ± 0,2 0,9 Niacin4 (mg) 16 ± 6 17 ± 5 19 ± 6 13 ± 5 16 ± 4 10 Pantothens. (mg) 3,7 ± 1,5 4,1 ± 1,3 4,2 ± 1,6 2,7 ± 1,2 3,6 ± 1,1 4 Vitamin B6 (mg) 1,1 ± 0,4 1,1 ± 0,4 1,3 ± 0,5 0,9 ± 0,4 1,2 ± 0,4 0,5 Biotin (µg) 35 ± 22 Folsäure5 (µg) 155 ± 57 165 ± 52 165 ± 59 132 ± 57 160 ± 55 300 39 ± 12 46 ± 33 22 ± 6 29 ± 12 10-15 Vitamin B12 (µg) 2,7 ± 1,3 2,9 ± 0,8 3,0 ± 1,8 2,2 ± 1,3 2,3 ± 0,6 1,5 Vitamin C (mg) 105 ± 71 123 ± 73 112 ± 93 78 ± 40 110 ± 37 70 Mädchen Vitamin A1 (mg) 0,7 ± 0,5 0,8 ± 0,3 0,9 ± 0,6 0,5 ± 0,3 0,7 ± 0,5 0,7 ß-Carotin2 (mg) 1,8 ± 1,7 1,8 ± 1,0 2,2 ± 1,9 1,3 ± 0,9 2,4 ± 0,6 2-4 Vitamin D (µg) 1,9 ± 2,1 2,3 ± 2,9 2,5 ± 2,6 1,3 ± 0,9 1,3 ± 0,5 5 Vitamin E3 (mg) 5,9 ± 2,7 5,5 ± 1,3 6,5 ± 3,3 5,3 ± 2,5 5,9 ± 2,5 8 Vitamin B1 (mg) 0,9 ± 0,3 0,8 ± 0,3 0,9 ± 0,4 0,8 ± 0,3 0,9 ± 0,2 0,8 Vitamin B2 (mg) 1,2 ± 0,5 1,1 ± 0,4 1,3 ± 0,5 1,2 ± 0,5 1,2 ± 0,4 0,9 Niacin4 (mg) 16 ± 5 15 ± 3 16 ± 6 16 ± 5 16 ± 4 10 Pantothens. (mg) 3,6 ± 1,3 3,4 ± 1,0 3,8 ± 1,4 3,4 ± 1,3 3,5 ± 1,1 4 Vitamin B6 (mg) 1,1 ± 0,4 0,9 ± 0,2 1,2 ± 0,5 1,1 ± 0,4 1,1 ± 0,4 0,5 Biotin (µg) 35 ± 19 Folsäure5 (µg) 172 ± 118 148 ± 49 196 ± 167 140 ± 46 32 ± 12 41 ± 28 31 ± 12 35 ± 10 10-15 196 ± 121 300 Vitamin B12 (µg) 2,5 ± 1,2 2,9 ± 1,5 2,3 ± 1,0 2,8 ± 1,4 2,3 ± 1,1 1,5 Vitamin C (mg) 95 ± 60 102 ± 52 94 ± 80 86 ± 47 102 ± 42 70 1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin; 2 dieser Wert mal 0,16 ist in den Retinol-Äquivalenten enthalten; 3 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γ-Tocopherol x 0,25 + mg α-Tocotrienol x 0,33; 4 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan; 5 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA) nach sind bei diesen beiden Vitaminen die höchsten Prävalenzen einer unzureichenden Zufuhr zu erwarten. Obwohl eine regelmäßige Sonnenexposition zur Bedarfsdeckung an Vitamin D beiträgt, kann nicht bei allen Kindern vorausgesetzt werden, dass sie immer genügend Sonnenlicht ausgesetzt sind. Deshalb sollte im Hinblick auf die Knochengesundheit auch auf eine ausreichende alimentäre Zufuhr geachtet werden. Bei Vitamin A und Vitamin B1 lagen die mittleren Aufnahmen der Studienpopulation nur knapp über den entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen. Die Versorgungslage ist demnach auch bei diesen beiden Vitaminen verbesserungswür- 22 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Buben Gesamt Westen Calcium (mg) Nord/ Süd/ Süden D-A-CH Osten Osten 646 ± 302 726 ± 139 728 ± 430 477 ± 193 637 ± 264 700 Kalium (g) 1,6 ± 0,5 1,7 ± 0,4 1,8 ± 0,5 1,2 ± 0,4 1,8 ± 0,7 Magnesium (mg) 200 ± 73 222 ± 51 220 ± 60 146 ± 46 229 ± 135 120 Natrium (g) 1,5 ± 0,6 1,6 ± 0,5 1,6 ± 0,5 1,4 ± 0,7 1,7 ± 0,6 0,41 Eisen (mg) 8,6 ± 2,8 9,7 ± 2,5 9,1 ± 2,3 7,0 ± 2,8 8,6 ± 3,3 8 Zink (mg) 6,5 ± 2,1 7,5 ± 1,9 6,8 ± 1,5 4,9 ± 1,7 6,8 ± 3,4 5 Jod (µg) 67 ± 24 80 ± 22 67 ± 24 74 ± 31 120 50 ± 15 1,4 Mädchen Calcium (mg) 663 ± 259 589 ± 235 710 ± 279 649 ± 219 672 ± 299 700 Kalium (g) 1,6 ± 0,5 1,6 ± 0,4 1,7 ± 0,5 1,5 ± 0,4 1,7 ± 0,6 1,4 Magnesium (mg) 193 ± 56 174 ± 38 203 ± 55 178 ± 46 214 ± 74 120 Natrium (g) 1,5 ± 0,5 1,9 ± 0,6 1,2 ± 0,4 1,5 ± 0,6 1,5 ± 0,5 0,41 Eisen (mg) 7,9 ± 2,4 7,0 ± 1,4 8,3 ± 2,8 7,4 ± 1,8 9,0 ± 2,8 8 Zink (mg) 6,2 ± 1,6 6,3 ±1,4 6,3 ±1,5 5,7 ±1,5 6,4 ±2,1 5 Jod (µg) 69 ± 25 70 ± 15 73 ± 26 62 ± 29 70 ± 26 120 dig, da aufgrund dieser Verzehrsdaten unzureichende Zufuhrmengen nicht bei allen Kindern ausgeschlossen werden können. Hingegen waren die Verzehrsdaten bei Vitamin B2, Vitamin C, Niacin, Vitamin B12 und Vitamin B6 weitgehend zufriedenstellend. Insbesondere bei Vitamin B6, Vitamin B12 und Niacin ist eine sehr gute Versorgungslage zu erwarten. Bezüglich einer bedarfsdeckenden Zufuhr an Vitamin E, Biotin und Pantothensäure werden lediglich Schätzwerte angeführt [DACH, 2000]. Vor allem bei Vitamin E ist es daher schwierig, die Versorgungslage ohne laborchemische Analysedaten abzuschätzen. Jedenfalls lag die mittlere Vitamin E-Zufuhr der Probanden unterhalb des D-A-CH-Schätzwerts. Durch eine wünschenswert höhere Zufuhr an pflanzlichen Ölen im Austausch gegen tierische Fette würde sich auch die Vitamin E-Versorgung verbessern. Die Pantothensäurezufuhr lag im Mittel ebenfalls unterhalb des Schätzwerts. Jedoch sind Mangelerscheinungen bei diesem Vitamin sehr selten und wurden lediglich nach Verabreichung von Vitamin-Antagonisten oder bei pantothensäurearmer künstlicher Ernährung beobachtet [DACH, 2000]. Die durchschnittliche Biotinaufnahme lag hingegen über dem entsprechenden Schätzwert, womit eine Unterversorgung unwahrscheinlich ist. Aus β-Carotin (Provitamin A) kann einerseits Vitamin A entstehen, was in den Angaben zur mittleren Vitamin A-Aufnahme (Retinol-Äquivalente) auch berükksichtigt wurde. Andererseits kann β-Carotin wie nahezu alle anderen Carotinoide vor oxidativen Schäden schützen. Über die wünschenswerte Höhe der Aufnahme an β-Carotin bestehen bis dato aber nur unsichere Vorstellungen. Somit wird in den D-A-CH-Referenzwerten lediglich ein Schätzwertbereich von 2-4 mg pro Tag angeführt. Die beobachtete mittlere Zufuhr an β-Carotin lag unter diesem Bereich und ist demnach verbesserungswürdig. β-Carotin gilt auch als "Marker" einer wünschenswert gemüse- und obstreichen Ernährung. Die Jodaufnahme der Vorschulkinder ist als unzureichend einzustufen. Die Jodaufnahme aus Jodsalz wurde in den Berechnungen berücksichtigt und trotz der relativ hohen Kochsalzzufuhr (durchschnittlich 4 g/d) lag die mittlere Jodaufnahme nur bei knapp 50% der D-A-CH-Empfehlungen. Eine weitere Steigerung des Salzkonsums bei Vorschulkindern ist nicht wünschenswert, da ein Verstärken des an sich nicht vorhandenen Bedürfnisses, Speisen stark zu salzen, zu überhöhter Na- 23 Tab. 2.8: Mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Mineralstoffen und Spurenelementen bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 Jahre), getrennt nach Geschlecht und Region Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Abb. 2.9: Abweichung (in %) der mittleren täglichen Vitaminzufuhr von den D-ACH-Referenzwerten bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.) 150 Buben Mädchen 100 50 D-A-CH 0 -50 -100 B6 B12 Niacin Vit. C B2 B1 Vit. A Vit. E Folat Vit. D Vitamin K wurde noch nicht exakt bewertet triumzufuhr führt, die unter anderem zur Manifestation von Bluthockdruck im späteren Leben beitragen kann. Die Jodversorgung ließe sich sehr gut durch einen häufigeren Verzehr von Seefisch (2 Portionen pro Woche) verbessern. Im Mittel wurden auch bei Calcium die entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen um etwa 10% nicht erreicht. Jod und Calcium sind daher unter den Mineralstoffen und Spurenelementen als Risikonährstoffe anzusehen. Die durchschnittliche Eisenaufnahme lag zwar im Bereich der Empfehlungen, aber eine Verbesserung der Zufuhr wäre dennoch wünschenswert. Hingegen war die Zink- und Magnesiumzufuhr im Mittel zufriedenstellend. Für Kalium wird in den D-A-CH-Referenzwerten lediglich ein Schätzwert für eine minimale Zufuhr angeführt. Da die durchschnittliche Zufuhr im Kollektiv der Vorschulkinder über diesem Schätzwert lag, ist eine Unterversorgung unwahrscheinlich. Die Buben im Süd/Osten lagen in ihrer mittleren Zufuhr jedoch knapp unter diesem Referenzwert. Wie Tab. 2.7 und 2.8 sowie Abb. 2.9 und 2.10 sehr gut verdeutlichen, sind die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Aufnahme der Mikronährstoffe nur marginal. Auf den ersten Blick fallen hingegen die durchgehend niedrigere Mikronährstoffzufuhr bei Kindern in der Region Süd/Osten auf. Allerdings dürfte das mit der eingangs erwähnten Besonderheit in der Altersverteilung der Stichprobe zusammenhängen. Auf Basis der Nährstoffdichte zeigen sich auch kaum regionalspezifische Unterschiede in der Versorgung der Vorschulkinder. Ebenso verhält es sich hinsichtlich der Relation der energieliefernden Hauptnährstoffe. Da für die Bevölkerungsgruppe der Vorschulkinder erstmals bundesweite Verzehrserhebungen durchgeführt wurden, können über die Entwicklung der NährAbb. 2.10 Abweichung (in %) der mittleren täglichen Zufuhr an Mineralstoffen bzw. Spurenelementen von den D-ACH-Referenzwerten bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.) 80 60 Buben Mädchen Calcium Jod 40 20 0 D-A-CH -20 -40 -60 Magnesium Zink Kalium Eisen Phosphor, Chlorid, Kupfer, Mangan: Unterversorgung unwahrscheinlich; Fluorid, Selen, Chrom: noch nicht exakt bewertet 24 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Lebensmittelgruppe Empfohle- Studiener- % der ne Mengen gebnis Empfehlungen Mehlspeisen, Süßigkeiten (g/d) Max. 50 106 212% Fleisch, Wurst (g/d) 45 50 111% Getränke (ml/d) 800 680 85% Milch, Milchprodukte (ml/d) 350 281 80% Obst (exkl. Fruchtsäfte) (g/d) 180 113 63% Nudeln, Reis, Kartoffel, Getreide (g/d) 120 74 62% Fette, Öle, Butter (g/d) 25 13 52% Eier (Stück/Woche) 2 1 50% Brot und Getreideflocken (g/d) 170 81 47% Fisch (g/Woche) 100 36 36% Gemüse (g/d) 180 49 27% stoffzufuhr keine definitiven Aussagen gemacht werden. Ein grober Vergleich kann mit den Zahlenwerten des 1. Wiener Ernährungsberichts von 1994 [Elmadfa et al., 1994] angestellt werden. Dabei wurde bei 75 Wiener Kindergartenkindern die Nährstoffzufuhr mittels 7-Tage-Wiegeprotokoll ermittelt. Im Vergleich dazu ist durchaus ein allgemein positiver Trend zu verzeichnen. Einerseits hat sich die Relation der energieliefernden Nährstoffe zueinander in eine wünschenswerte Richtung entwickelt (Fettenergie um 3% weniger) und andererseits hat sich auch die Zufuhr an Mikronährstoffen teilweise verbessert. Eine exaktere Trendanalyse wird aber erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich sein, wenn auch für die Gruppe der Vorschulkinder bundesweite Folgeuntersuchungen vorliegen. Lebensmittelverzehrsmengen von Vorschulkindern Mit Hilfe einer vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien entwickelten Access-Datenbank (auf Basis des Bundeslebensmittelschlüssels II.3) konnte eine Menükomponentenanalyse durchgeführt werden. Die berechneten mittleren Verzehrsmengen der Vorschulkinder wurden mit wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen der "Optimierten Mischkost" (OptimiX) [Alexy und Kersting, 1999] für 3-6-Jährige verglichen. OpitimiX wurde vom Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund entwickelt und soll einerseits den Nährstoffbedarf von Heranwachsenden decken und andererseits auch präventive Aspekte in der Ernährung berücksichtigen. In diesem Ernährungskonzept werden die in Deutschland üblichen Ernährungsgewohnheiten, die Verfügbarkeit und die Kosten der Lebensmittel ebenso berücksichtigt wie Essensvorlieben und abneigungen von Kindern. Es ist realistisch und ausreichend, wenn die Verzehrsmengen im Durchschnitt innerhalb einer Woche erreicht werden. Tab. 2.9 zeigt, dass vor allem Gemüse, Fisch und auch Getreideprodukte in viel zu geringem Umfang konsumiert wurden. Die Aufnahme von Milch- bzw. Milchprodukten sowie der Getränkekonsum sollte ebenfalls gesteigert werden. Hingegen lag der Verzehr von Mehlspeisen und Süßigkeiten weit über dem veranschlagten moderaten Konsum von ca. 50 g pro Tag. Streichfette und Fette/Öle für die Zubereitung von Speisen wurden anscheinend in geringem Ausmaß aufgenommen. Durch die Art der Protokollierung kann jedoch oft nicht auf die verzehrte Menge geschlossen werden, da Rezepturen nicht erfragt wurden. Wie die Menükomponentenanalyse veranschaulicht, nahmen die Kinder reichlich Fleisch- und Wurstwaren, aber zuwenig Fisch zu sich. Dieses Ernährungsverhalten, welches "typisch für Mitteleuropa" ist, bedarf einer Korrektur. Mit dem ho- 25 Tab. 2.9: Vergleich der wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen (Optimierte Mischkost) mit tatsächlichen Verzehrsdaten (3-d-Wiegeprotokoll, n=151) bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.) Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung hen Verzehr von Mehlspeisen und Süßigkeiten, aber auch Fleisch und Wurst, geht die oben dargestellte hohe Aufnahme an Haushaltszucker, Fett, gesättigten Fettsäuren und Proteinen sowie die geringe Ballaststoffzufuhr einher. Kinderfragebogen – Allgemeines Ernährungsverhalten von Vorschulkindern Im Rahmen der Studie wurden auch Fragen an die Kinder selbst gestellt. Dabei sollten allgemeine Ernährungseinstellungen und Lebensmittelpräferenzen der Vorschulkinder erfragt werden. Da man durch die gewonnenen Erfahrungen aus den Kindergärten im Osten bereits wusste, dass der Food Frequency Questionnaire das Maß der Konzentrationsfähigkeit der Kinder übersteigt, wurde der Kinderfragebogen kürzer und allgemeiner gehalten. Ziele der Diskussion waren die subjektiven Angaben der Vorschulkinder zu ihren Lebensmittelpräferenzen, Lieblingsspeisen und Essgewohnheiten. Über 90% der befragten Kinder in Graz, Burgenland und Wien gaben an, regelmäßig zu frühstücken. In Kärnten waren es nur 75%. Ähnlich war die Situation in den westlichen Bundesländern. Hier gaben 63% der Vorschulkinder an, regelmäßig zu frühstücken. Nur rund 40% der Kinder aus Oberösterreich frühstücken regelmäßig, was unter Umständen damit zusammenhängt, dass viele Kinder morgens das Haus sehr zeitig verlassen müssen. Insgesamt kann gesagt werden, dass ein recht hoher Prozentsatz (75%) der Kinder regelmäßig frühstückt. Generell kann eine Tendenz im Frühstücksverhalten der Kinder beobachtet werden: Je urbaner das Gebiet umso häufiger wird gefrühstückt. Auf die Frage "hast du immer eine Jause eingesteckt" kam es zu sehr unterschiedlichen Aussagen. Da es sich bei den untersuchten Kindergärten in Kärnten um Halbtageskindergärten handelt, die keine Jause zur Verfügung stellen, hatten fast alle Kinder eine Jause dabei. In Wien dagegen bekamen nur 64% der Kinder eine Jause von zu Hause mit. Der Grund dafür ist, dass Brot, Obst und Gemüse oft in den Kindergärten zur Verfügung gestellt werden. In Graz hatten 87% der Kinder eine Jause mit. In Oberösterreich hingegen, wo keine Jause im Kindergarten ausgeteilt wird und viele Kinder zu Mittag die Betreuungsstätte verlassen, hatten mindestens 9 von 10 Kindern eine Jause dabei. Auch in den westlichen Bundesländern hatte der Großteil der Kinder (91%) immer eine Jause mit. Für Kinder in diesem Alter (3-6 Jahre) scheint es noch schwierig zu sein, selbst eine Lieblingsspeise zu nennen. Dennoch wurden Nudeln und Nudelgerichte häufig als "Leibspeise" genannt. Rund ein Viertel aller Kinder gaben an, am liebsten Nudeln und Nudelgerichte aller Art zu essen, gefolgt von Mehlspeisen und Fleischund Fleischprodukten (rd. 20%) und Fast Food (rd. 14%). Nur wenige Kinder – Österreichweit betrachtet – nannten Obst und/oder Gemüse als eine ihrer Lieblingsspeisen (rd. 2%). Konzentriert man sich auf den westlichen Teil von Österreich (Vorarlberg und Tirol) so zeigte sich, dass immerhin je 7% der Vorschulkinder Obst und Gemüse als eines ihrer Lieblingsgerichte nannten. Obst hat bei Vorschulkindern jedenfalls einen höheren Beliebtheitsgrad als Gemüse, was bestimmt auf den süßen Geschmack der Früchte zurückzuführen ist. Fleisch/-produkte Abb. 2.11 Lebensmittelpräferenzen der österreichischen Vorschulkinder (3-6 J.) Milch/-produkte Obst/Gem üse Mehlspeisen Getreide/-produkte Knabbereien 0% 10% 20% 30% 40% 50% mag ich gerne 26 60% 70% mag ich nicht 80% 90% 100% Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Abb. 2.11 zeigt die Ergebnisse zur Frage der Lebensmittelpräferenzen der Vorschulkinder in Österreich. Es scheint, als hätten alle 3-6-jährigen Kinder Österreichs eine ähnliche Meinung zu dem, was sie gerne mögen bzw. was sie nicht essen wollen. Es konnten kaum regionalen Unterschiede festgestellt werden. Auf die Frage nach der Beliebtheit von Milch und Milchprodukten unterschieden sich die Antworten der Kinder aus Kärnten bzw. Oberösterreich von jenen der übrigen Bundesländer. In Kärnten und Oberösterreich gaben nur rund 70% der Kinder an, Milch und Milchprodukte gerne zu essen. In Wien, im Westen von Österreich und in Graz waren es hingegen über 90%. Auf die Frage, ob gerne Fleisch gegessen wird, antworteten 72% der Kinder aus dem Osten und 75% der Kinder aus dem Westen Österreichs mit "Ja". Etwa 80% der Kinder aus der Stadt Graz gaben zu Protokoll, gerne Fleisch zu essen. Insgesamt scheint es kaum ausgeprägte Abneigungen gegen bestimmte Lebensmittelgruppen zu geben. Ernährungspsychologisch wäre es daher sinnvoll, mit einer gesunden vielseitigen Ernährung so früh wie möglich zu beginnen. Kinder sind sehr flexibel und lernbereit, diese Chance sollte in der Ernährungserziehung genutzt werden. Dabei kommt der Vorbildfunktion der Eltern besondere Bedeutung zu, denn gerade in der Zeit vom 3. bis zum 6. Lebensjahr kennt der Nachahmungstrieb der Kinder keine Grenzen und sie nehmen Wissen vorurteilsfrei auf [Pudel und Westenhöfer, 1998]. 27 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung 2.3.2 Schulkinder (7-14 J.) Zusammenfassung Eine Follow-up-Studie zum Ernährungszustand von 7-14-jährigen Schülern in Österreich zeigte zwar einen Rückgang des Fettverzehrs, jedoch ist dieser mit durchschnittlich 36% der Nahrungsenergieaufnahme immer noch sehr hoch. Ein erhöhter Fettverzehr und ein geringer Kohlenhydratkonsum spielt bereits im Kindesalter eine wichtige Rolle in der Manifestation von Übergewicht und Adipositas. Erhöhtes Augenmerk ist auch auf die Qualität des konsumierten Fettes und der Kohlenhydrate zu legen. Unter den Mikronährstoffen ergab sich vor allem bei Folsäure, Vitamin D, Calcium und Jod eine nicht zufriedenstellende Aufnahme. Die beim Teilkollektiv der 7-9-Jährigen ermittelten Lebensmittelverzehrsmengen bestätigen die Ergebnisse der Nährstoffanalyse. Eine ausgewogenere Lebensmittelauswahl könnte u.a. die Versorgungslage an den genannten Vitaminen und Mineralstoffen/Spurenelementen merklich verbessern. Allgemeines Die Schulzeit ist durch stetiges körperliches Wachstum und geistige Entwicklung gekennzeichnet. In dieser Zeit bilden sich auch bestimmte Ernährungsgewohnheiten, wie Vorlieben oder Abneigungen für bestimmte Lebensmittel oder das Weglassen von Mahlzeiten. Das Ernährungsverhalten hat großen Einfluss auf die Nährstoffversorgung und damit nicht zuletzt auch auf die schulischen Leistungen. Ernährungsgewohnheiten eines Menschen werden bereits in den ersten Lebensjahren geprägt und beeinflussen das Ernährungsverhalten eines Menschen bis ins hohe Alter. Es ist daher wesentlich mit Ernährungserziehung bereits im Kleinkindalter zu beginnen. Ernährungserziehung richtet sich somit vorwiegend an Kinder bis zum Beginn des Jugendalters und sollte in der Familie, im Kindergarten und in der Schule angewendet werden. Mit dem Besuch der Volksschule beginnt eine andere Art der Sozialisation und außerfamiliäre Erfahrungen werden zunehmend wichtiger. Der Beginn der Pubertät bringt meist auch Veränderungen in den Ernährungsgewohnheiten mit sich. Geschlechtsspezifische Unterschiede kommen in diesem Alter immer mehr zum Tragen. Im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 wurde der Ernährungsstatus von Kindern und Jugendlichen in Österreich erstmals ausführlich dokumentiert. Um die Entwicklung der Nährstoffzufuhr bzw. der Ernährungsgewohnheiten Österreichischer Kinder beurteilen und international weiterhin vergleichbare Daten liefern zu können, wurde im Rahmen der ÖSES (ASNS) in Follow-up-Studien die Gruppe der Volks- bzw. Mittelschüler (Altersgruppe von 7-14 Jahren) neuerlich untersucht. Die Ernährungserhebungen im Osten und Westen Österreichs wurden in den Jahren 2001/2002 durchgeführt. Diese Studien sollen auch dazu dienen, eventuelle regionale Unterschiede im Ernährungsverhalten Österreichischer Schulkinder aufzuzeigen. Zur Erfassung der Energie- und Nährstoffzufuhr diente ein 7-d-Wiegeprotokoll. Insgesamt wurden 736 Protokolle von 338 Buben und 398 Mädchen gesammelt. Mit Hilfe des Ernährungswissenschaftlichen Programms EWP 2.5 und der vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien entwickelten Access-Datenbank (Basis des Bundeslebensmittelschlüssels II.3) konnten die Daten entsprechend ausgewertet werden. In den Tab. 1,3,4 und 6 sind jeweils die Mittelwerte der sieben Erhebungstage dargestellt. Um etwaige Unterschiede in der Nährstoffzufuhr innerhalb von Österreich feststellen zu können, wurden die Protokolle der Kinder nach Region, Alter und Geschlecht getrennt ausgewertet. Die Alterseinteilung entspricht der Einteilung in den D-A-CH-Referenzwerten. Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei Schulkindern In diesem Abschnitt soll die Zufuhr an Nahrungsenergie bzw. der energieliefernden Nährstoffe, Ballaststoffen sowie Cholesterin interpretiert werden. Tab. 2.10 zeigt die mittels 7-d-Wiegeprotokoll ermittelten Ergebnisse zur Energie- und Makronährstoffaufnahme von österreichischen Schulkindern (7-14 Jahre). Da alkoholische Getränke erst bei den 15-18-Jährigen in nennenswerten Mengen getrunken werden, setzt sich die zugeführte Energie bei den 7-14-jährigen Kindern primär aus Kohlenhydraten, Fett und Eiweiß zusammen. Die Schulkinder in Westösterreich nahmen durchschnittlich weniger Energie auf als ihre Altersgenossen in Ostösterreich. Außer bei den 7-9-jährigen Mädchen in Ostösterreich lag die Energiezufuhr des untersuchten Kollektivs im Mittel unter den korrespondierenden D-A-CH- Richtwerten. Aus folgenden Überlegungen ist dennoch keine energetische Unterversorgung der Kinder zu befürchten: Wie bereits in der Altersgruppe der Vorschulkinder erwähnt, können in allen Altersgruppen von Wachsenden infolge der großen unterschiedlichen körperlichen Aktivität generell große Unterschiede 28 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Buben Westen 7-9 Jahre 10-12 Jahre Osten 13-14 Jahre 7-9 Jahre 10-12 Jahre D-A-CH 13-14 Jahre Energie (MJ) 6,3 ± 1,8 6,7 ± 1,6 8,0 ± 2,8 7,8 ± 1,4 8,9 ± 2,3 8,9 ± 2,5 7,9-11,21 E% Eiweiß 15 ± 3 15 ± 3 16 ± 4 15 ± 3 15 ± 3 16 ± 4 10-15 E% KH 51 ± 7 49 ± 7 47 ± 5 50 ± 7 52 ± 6 53 ± 6 >50 10 ± 4 11 ± 3 9±4 13 ± 4 11 ± 3 14 ± 5 - Ballaststoffe (g) davon Zucker 13 ± 5 11 ± 3 16 ± 7 14 ± 4 17 ± 5 15 ± 5 - E% Fett 34 ± 5 36 ± 6 37 ± 6 35 ± 6 33 ± 5 31 ± 6 30-35 davon GFS 16 ± 2 17 ± 1 17 ± 2 17 ± 2 15 ± 2 15 ± 2 max. 10 davon MFS 13 ± 1 13 ± 2 14 ± 2 13 ± 1 12 ± 1 11 ± 2 13 davon PFS 5±1 6±3 6±2 5±2 5±2 5±2 7 242 ± 96 233 ± 94 304 ± 116 350 ± 142 350 ± 119 409 ± 371 max. 300 Cholesterin (mg) Mädchen Energie (MJ) 4,9 ± 1,6 6,7 ± 1,5 6,7 ± 2,5 7,2 ± 1,2 7,4 ± 2,4 7,5 ± 2,3 7,1-9,41 E% Eiweiß 14 ± 2 15 ± 3 14 ± 2 14 ± 3 15 ± 3 15 ± 3 10-15 E% KH 50 ± 2 50 ± 7 52 ± 6 50 ± 6 54 ± 7 51 ± 6 >50 11 ± 5 10 ± 4 12 ± 6 13 ± 4 13 ± 5 11 ± 4 - Ballaststoffe (g) 8±4 13 ± 5 13 ± 6 14 ± 3 16 ± 6 15 ± 5 - E% Fett 36 ± 5 35 ± 5 34 ± 6 36 ± 6 31± 5 34 ± 6 30-35 davon GFS 18 ± 2 16 ± 2 17 ± 3 17 ± 2 15 ± 2 17 ± 2 max. 10 davon MFS 13 ± 1 13 ± 1 12 ± 2 13 ± 2 11 ± 2 12 ± 2 13 davon PFS 5±2 6±2 5±3 6±2 5±2 5±2 7 davon Zucker Cholesterin (mg) 212 ± 115 245 ± 139 234 ± 140 314 ± 205 293 ± 149 299 ± 128 max. 300 E%...Energieprozent; KH...Kohlenhydrate; GFS...Gesättigte Fettsäuren; MFS...Monoenfettsäuren; PFS...Polyenfettsäuren; 1 Mittelwerte der Altersgruppe, BMI im Normbereich, mäßige körperliche Aktivität im Energieumsatz beobachtet werden. Unterschiede in den Arbeitsumsätzen von Gleichaltrigen um ein Mehrfaches sind keine Seltenheit [Elmadfa und Leitzmann, 1998]. Die angeführten Richtwerte beziehen sich auf "mäßige körperliche Aktivität" und dementsprechend wären bei "geringer körperlicher Aktivität" nochmals 12% (entspricht der zweifachen Standardabweichung) abzuziehen. Letztendlich entspricht die Energiezufuhr meist auch dem Energiebedarf. Abb. 2.12 zeigt den jeweiligen Anteil der einzelnen Energieträger an der Gesamtenergiezufuhr bei den 7-14-Jährigen. Die ermittelte Relation deckt sich nicht mehr so gut mit den D-A-CH-Richtwerten wie es noch bei den 3-6-jährigen Kindern der Fall war. Nahrungsfett hat neben seiner Funktion als Energieträger bereits im Kindesalter einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit. Für letzteres ist vor allem die aufgenommene Fettmenge und Fettqualität von entscheidender Bedeutung. Die mittlere Fettzufuhr des untersuchten Kollektivs der Schulkinder überschritt mit 36% der Gesamtenergiezufuhr die oberen Grenze der Richtwerte. Bei einzelnen Untergruppen der Schulkinder machte der Anteil von Fett an der Gesamtenergiezufuhr sogar mehr als 36% aus, wie beispielsweise bei den 13-14-jährigen Buben in Westösterreich (37%). Die Fettzufuhr der 10-14-jährigen Buben und Mädchen im Osten von Österreich war tendenziell geringer (rund 33%). Leider wurde 29 Tab. 2.10: Mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Energie und Makronährstoffen bei österreichischen Schulkindern (7-14 J.), getrennt nach Alter, Geschlecht und Region Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Abb. 2.12 Anteil der Hauptenergielieferanten an der Gesamtenergiezufuhr bei österreichischen Schulkindern (7-14 J. ) Kohlenhydrate: Fett: Eiweiß: 50-55% 30–35% 10–15% 14% 50% 36% Kohlenhydrate Fett Eiweiß Abb. 2.13: Wünschenswerte Höhe der Fettsäurezufuhr und die tatsächliche Zufuhr bei österreichischen Schulkindern (714 J.) % der Gesamtenergiezufuhr diese "Energielücke" nicht durch eine wünschenswert höhere Kohlenhydrataufnahme kompensiert, sondern durch eine erhöhte Eiweißzufuhr. Neben der Information über die quantitative Aufnahme an Fett sind jedoch auch Aussagen zur Fettqualität von Bedeutung. Ein wesentliches Kriterium dabei ist die Relation der gesättigten (GFS) zu den einfach (MFS) bzw. mehrfach (PFS) ungesättigten Fettsäuren zu einander. Die Aufnahme gesättigter Fettsäuren, welche hauptsächlich tierischen Ursprungs sind, sollte so gering wie möglich sein. Jedenfalls maximal 10% der Gesamtenergiezufuhr. Dass dieses Kriterium bei weitem nicht erfüllt wurde, zeigt Abb. 2.13. Der Anteil der GFS an der Energiezufuhr lag im Mittel sogar bei 17%. Hingegen war die Aufnahme an PFS zu gering (knapp über 5%). Wie schon bei den 3-6-jährigen Kindern sollte auch bei den Kindern der Altersgruppe von 7-14 Jahren die viel zu hohe Aufnahme an gesättigten zugunsten der mehrfach ungesättigten Fettsäuren reduziert werden. Die Schulkinder in Ostösterreich nahmen um durchschnittlich 100 mg pro Tag mehr Cholesterin auf als ihre Altersgenossen im Westen von Österreich. Der vorgegebene Richtwert von maximal 300 mg pro Tag wurde dabei von den ostösterreichischen Kindern überschritten. Zwar konnte die Assoziation zwischen der Höhe der Serumcholesterinspiegel und der Höhe des Nahrungscholesterins nicht immer belegt werden, doch kann die Höhe der Cholesterinzufuhr (<300 mg/d) als "Marker" für eine insgesamt ausgewogene Kost gesehen werden. Die berechnete durchschnittliche Eiweißdichte lag bei den 7-9-jährigen Kindern in Österreich bei etwa 8 g/MJ und bei den 10-14-jährigen sogar bei über 9 g/MJ. Geschlechts- bzw. regionalspezifische Unterschiede waren lediglich geringfügig. Die entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen betragen für Mädchen dieser Altersgruppen 3,4 g/MJ und für Buben 3,0 g/MJ. Wie zu erkennen ist, liegen die Wer- 20 15 10 5 0 PFS GFS Soll (DACH) MFS Ist (Volksschulkinder) PFS…Polyenfettsäuren; GFS…Gesättigte Fettsäuren; MFS…Monoenfettsäuren 30 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Buben Mädte beträchtlich über den Empfehlungen, chen womit eine mehr als ausreichende Eiweißversorgung aller Mädchen und Bu↓↓ ↓↓ Energie ben sichergestellt ist. Bezogen auf die ↑↑ ↑ Eiweiß Gesamtenergiezufuhr lag die Eiweißauf↔ ↔ Kohlenhydrate nahme mit rund 15% noch im oberen Bereich der Richtwerte. Die Proteinzu↔ ↔ Ballaststoffe fuhr aus tierischen Quellen war in allen ↓↓ ↓ Fett Regionen Österreichs höher (2/3) als aus pflanzlichen Lebensmitteln (1/3). Die ↔ ↔ Gesättigte Fettsäuren deutliche Dominanz des tierischen Proteins kann als nachteilig bewertet wer↔ ↔ Monoenfettsäuren den, da die Aufnahme an tierischem Pro↔ ↔ Polyenfettsäuren tein generell mit einer gleichzeitigen hohen Zufuhr an Fett bzw. gesättigten Fett↓↓ ↓↓ Cholesterin säuren, Cholesterin und – ausgenom↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9%, ↔ nahezu unverändert (< 5%), men Ei- und Milchprotein – auch an Pu↑(↓) höher (niedriger) um weniger als 9% rinen verbunden ist [DACH, 2000]. Eine Erhöhung des Verzehrs pflanzlicher zu Lasten von tierischen Produkten würde im allgemeinen eine Verbesserung der Nährstoffrelation nach sich ziehen. Die mittlere Kohlenhydrataufnahme der Schulkinder erreichte mit einem Anteil von knapp 50% der Energiezufuhr die D-A-CH-Richtwerte. Die Detailanalyse der einzelnen Kohlenhydratkomponenten ergab ein eher ungünstiges Bild: Es fiel die relativ hohe Zufuhr an niedermolekularen Kohlenhydraten (Mono- bzw. Disaccharide) zu Lasten der Zufuhr an verwertbaren Polysacchariden auf. Bezogen auf die Gesamtenergiezufuhr lag der Saccharoseanteil (isolierter Rohr-/Rübenzucker bzw. Haushaltszucker) bei insgesamt rund 12%, wobei die Kinder in Ostösterreich tendenziell mehr Zucker aufnahmen. Betrachtet man den Zucker für sich, so liefert er ausschließlich schnell umsetzbare Energie und keine Vitamine und Mineralstoffe. Je niedriger jedoch der Gesamtenergieverbrauch (z.B. aufgrund geringer körperlicher Aktivität) ist, desto sorgsamer muss auf eine hohe Nährstoffdichte der Lebensmittel geachtet werden, um ausreichend mit allen essentiellen Mikronährstoffen versorgt zu sein. Somit gilt auch für Schulkinder, dass im Sinne einer präventiven Ernährung der Schwerpunkt der Versorgung mit Kohlenhydraten auf stärkehaltige und ballaststoffreiche Lebensmittel, die auch essentielle Nährstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe enthalten, gelegt werden soll [DACH, 2000]. Bezüglich der Ballaststoffzufuhr wird auch für Kinder ein Richtwert von 2,4 g/MJ als erstrebenswert erachtet [DACH, 2000]. Dem gegenüber lag die durchschnittliche Ballaststoffzufuhr der 7-14-jährigen Buben und Mädchen bei knapp 2,0 g/MJ. Eine Erhöhung der Zufuhr wäre wünschenswert, welche durch einen erhöhten Verzehr von Vollkorngetreideprodukten, Hülsenfrüchten, Kartoffeln und Gemüse leicht erreicht werden könnte. Vergleicht man die aktuell ermittelten Aufnahmen an Energie und Makronährstoffen mit den Zahlen des Österreichischen Ernährungsberichtes 1998, so zeigen sich die in Tab. 2.11 dargestellten Veränderungen. Auf die Differenzierung in Altersgruppen wurde verzichtet, da diesbezügliche Unterschiede lediglich gering waren. Die Energiezufuhr der 7-14-Jährigen ist demnach gesunken. Ohne Daten zur körperlichen Aktivität, ist dieser Vergleich jedoch problematisch. Da beim Großteil der Schulkinder in Österreich keine energetische Unterversorgung zu befürchten ist, kann eher auf eine geringe körperliche Aktivität geschlossen werden. Die Proteinzufuhr ist angestiegen und erreicht nun bei den Schulkindern sogar mehr als das Doppelte der empfohlenen Aufnahme. Hinsichtlich der Fett- und Cholesterinzufuhr zeigt sich eine abfallende Tendenz. Dennoch ist Fett in der Ernährung weiterhin als kritische Größe anzusehen. Vor al- 31 Tab. 2.11: Trends (Beobachtungszeitraum 1998-2002) in der Energie- und Makronährstoffzufuhr bei österreichischen Schulkindern (7-14 J.) Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Buben Westen 7-9 J. 10-12 J. Osten 13-14 J. 7-9 J. 10-12 J. D-A-CH 13-14 J. Vitamin A1 (mg) 0,7 ± 0,4 0,9 ± 0,7 0,8 ± 0,4 1,0 ± 0,8 0,8 ± 0,4 0,7 ± 0,5 0,8-1,1 β-Carotin2 1,5 ± 1,3 1,4 ± 0,9 1,8 ± 1,7 2,0 ± 1,9 2,0 ± 1,2 1,5 ± 0,8 2-4 Vitamin D (µg) 1,6 ± 1,1 1,4 ± 0,7 1,5 ± 0,8 1,8 ± 1,1 2,1 ± 1,9 1,7 ± 1,2 5 Vitamin E3 (mg) 7,2 ± 2,6 9,0 ± 3,4 10,5 ± 4,0 8,5 ± 3,1 8,0 ± 3,2 7,4 ± 2,9 10-14 Vitamin B1 (mg) 1,0 ± 0,6 1,0 ± 0,4 1,2 ± 0,5 1,3 ± 2,0 1,4 ± 0,6 1,1 ± 0,5 1,0-1,4 Vitamin B2 (mg) 1,2 ± 0,6 1,2 ± 0,5 1,2 ± 0,6 1,5 ± 0,4 1,5 ± 0,5 1,3 ± 0,5 1,1-1,6 Niacin4 (mg) 19 ± 9 20 ± 7 25 ± 8 26 ± 4 28 ± 9 29 ± 12 12-18 Pantothensäure (mg) 3,6 ± 2,2 3,5 ± 1,6 3,9 ± 1,4 4,8 ± 1,6 4,7 ± 1,6 4,0 ± 1,7 5-6 Vitamin B6 (mg) 1,2 ± 0,8 1,2 ± 0,5 1,4 ± 0,7 1,7 ± 0,6 1,5 ± 0,6 1,5 ± 1,0 0,7-1,4 Biotin (µg) 28 ± 25 Folsäure5 (µg) 169 ± 91 152 ± 81 152 ± 61 207 ± 63 222 ± 80 203 ± 62 300-400 Vitamin B12 (µg) 3,5 ± 1,6 4,2 ± 2,2 4,5 ± 1,7 4,4 ± 2,6 4,2 ± 1,5 4,9 ± 3,1 1,8-3,0 Vitamin C (mg) 85 ± 55 30 ± 14 70 ± 42 33 ± 13 81 ± 45 40 ± 20 39 ± 11 34 ± 11 130 ± 77 119 ± 65 71 ± 45 15-35 80-100 Mädchen Vitamin A1 (mg) 0,7 ± 0,5 0,7 ± 0,3 0,6 ± 0,3 0,8 ± 0,7 0,7 ± 0,5 0,8 ± 0,6 0,8-1,0 β-Carotin2 1,3 ± 1,2 1,5 ± 1,0 1,4 ± 1,2 1,8 ± 1,7 1,9 ± 1,1 Vitamin D (µg) 1,3 ± 0,8 1,4 ± 1,0 1,3 ± 0,8 1,9 ± 1,2 1,5 ± 1,1 1,5 ± 0,8 5 Vitamin E3 (mg) 5,9 ± 3,0 9,9 ± 3,4 9,2 ± 5,9 8,0 ± 3,0 7,1 ± 2,9 6,5 ± 2,3 10-14 Vitamin B1 (mg) 0,8 ± 0,4 1,1 ± 0,5 0,9 ± 0,3 1,1 ± 0,4 1,1 ± 0,5 1,1 ± 0,5 1,0-1,1 Vitamin B2 (mg) 0,9 ± 0,4 1,2 ± 0,5 1,0 ± 0,3 1,3 ± 0,4 1,3 ± 0,5 1,2 ± 0,5 1,1-1,3 Niacin4 (mg) 14 ± 6 20 ± 7 18 ± 7 23 ± 6 25 ± 15 2,1 ± 2,0 2-4 24 ± 10 12-15 Pantothensäure (mg) 2,9 ± 1,3 3,5 ± 1,2 3,1 ± 1,1 4,2 ± 1,4 4,1 ± 2,9 3,7 ± 1,4 5-6 Vitamin B6 (mg) 1,0 ± 0,4 1,3 ± 0,6 1,1 ± 0,5 1,5 ± 0,5 1,6 ± 2,6 1,3 ± 0,6 0,7-1,4 Biotin (µg) 23 ± 10 Folsäure5 (µg) 132 ± 68 169 ± 86 151 ± 61 189 ± 51 196 ± 73 183 ± 60 300-400 Vitamin B12 (µg) 2,9 ± 1,6 3,2 ± 1,4 2,8 ± 1,0 4,1 ± 3,1 3,8 ± 4,5 3,9 ± 2,5 1,8-3,0 Vitamin C (mg) 63 ± 33 32 ± 16 77 ± 35 29 ± 12 85 ± 50 37 ± 17 33 ± 12 33 ± 11 115 ± 66 102 ± 66 99 ± 73 15-35 80-100 1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin; 2 dieser Wert mal 0,16 ist in den Retinol-Äquivalenten enthalten; 3 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γ-Tocopherol x 0,25 + mg α-Tocotrienol x 0,33; 4 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan; 5 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA) Tab. 2.12 Mittlere tägliche Vitaminzufuhr (MW ± SD) bei österreichischen Schulkindern (7-14 J.), getrennt nach Alter, Geschlecht und Region lem auch hinsichtlich der Qualität des aufgenommenen Fettes, da die Zufuhr an gesättigten Fettsäuren unverändert hoch ist. Als Folge der hohen Zufuhr an Fett und Protein blieb die Kohlenhydrataufnahme auf einem niedrigen Niveau. Letztendlich wurde auch der Richtwert für die Ballaststoffaufnahme weiterhin nicht erreicht. 32 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Zufuhr an Mikronährstoffen bei Schulkindern Tab. 2.12 und 2.13 zeigen die anhand von Verzehrsprotokollen (7-d-Wiegeprotokoll) ermittelte Mikronährstoffaufnahme (MW ± SD) von österreichischen Schulkindern (7-14 Jahre). Die Einteilung nach Altersgruppen entspricht wiederum derselben Einteilung wie in den D-A-CH-Referenzwerten. Damit soll die Bewertung der ermittelten Zahlenwerte erleichtert bzw. überhaupt erst ermöglicht werden. Generell zeigte sich bei den österreichischen Schulkindern eine sehr uneinheitliche Zufuhr an Mikronährstoffen. Dabei scheint die Vitaminversorgung in Ostösterreich insgesamt besser zu sein als in Westösterreich. Vermutlich hängt diese Beobachtung mit der erwähnt höheren Nahrungsenergieaufnahme der Schulkinder im Osten des Bundesgebietes zusammen. Differenziert man die Mikronährstoffaufnahme nach dem Geschlecht, waren die Buben tendenziell besser versorgt als die Mädchen derselben Altersklasse. Davon auszunehmen waren jedoch die 10-12-jährigen Buben in Westösterreich. Das Kollektiv der 13-14-Jährigen war unter den Schulkindern relativ zu den D-A-CH-Referenzwerten am schlechtesten versorgt. Eine Erklärung dafür sind sicher die hoch angesetzten Referenzwerte der Nährstoffe für diese Altersgruppe, die teilweise über den Erwachsenenwerten liegen. Da jedoch auch die Richtwerte für die Energiezufuhr entsprechend hoch sind, sollten die Vorgaben dennoch zu erreichen sein. Voraussetzung dafür ist eine Lebensmittelauswahl mit entsprechend hoher Nährstoffdichte, wie sie z.B. Vollkornprodukte, fettarme Milchprodukte, Gemüse und Obst aufweisen. Im Vergleich zu den D-A-CH-Referenzwerten ergab sich bei Vitamin D und bei Nahrungsfolat eine deutlich zu geringe Aufnahme durch die Nahrung. Demnach sind bei diesen beiden Vitaminen die höchsten Prävalenzen einer unzureichenden Versorgung zu erwarten. Bei Vitamin D reichen zwar bereits 15-30 Minuten Sonnenexposition von Hand und Gesicht um den täglichen Vitamin D-Bedarf zu decken [HCN, 2000], allerdings erreicht in unseren Breiten die maßgebliche UVB-Strahlung zwischen November und April nicht die Erdoberfläche [Zittermann, 2003]. Bei den heute üblichen Lebensgewohnheiten der Kinder kann auch nicht immer vorausgesetzt werden, dass alle Kinder genügend oft der Sonne ausgesetzt sind. Deshalb sollte vor allem im Hinblick auf die Knochengesundheit auch auf eine adäquate Vitamin D-Zufuhr über Lebensmittel geachtet werden. Buben Westen Osten Tab. 2.13: Mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Mineralstoffen und Spurenelementen bei österreichischen Schulkindern (714 J.), getrennt nach Alter, Geschlecht und Region D-A-CH Calcium (mg) 7-9 Jahre 10-12 13-14 7-9 10-12 13-14 Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre 718 ± 384 611 ± 240 632 ± 290 742 ± 253 819 ± 308 733 ± 296 900-1200 Kalium (g) 1,7 ± 0,7 1,6 ± 0,5 2,0 ± 0,7 2,1 ± 0,5 2,3 ± 0,6 2,1 ± 0,8 1,6-1,9 Magnesium (mg) 241 ± 94 192 ± 56 240 ± 103 243 ± 55 292 ± 82 297 ± 125 170-310 Eisen (mg) 10,0 ± 4,2 8,9 ± 2,6 11,3 ± 4,8 11,5 ± 2,7 12,0 ± 3,6 12,6 ± 3,7 10-12 Zink (mg) 7,7 ± 2,8 7,6 ± 2,7 10,1 ± 3,6 8,1 ± 1,6 10,5 ±3 11,1 ± 3,8 7,0-9,5 Jod (µg) 90 ± 55 85 ± 33 99 ± 27 100 ± 50 140-200 102 ± 39 96 ± 41 Mädchen Calcium (mg) 560 ± 215 628 ± 172 645 ± 303 664 ± 214 667 ± 254 688 ± 276 900-1200 Kalium (g) 1,6 ± 0,4 1,7 ± 0,4 1,7 ± 0,6 1,9 ± 0,5 2,0 ± 0,7 2,0 ± 0,6 1,6-1,9 Magnesium (mg) 186 ± 58 202 ± 64 200 ± 67 224 ± 52 255 ± 83 255 ± 85 170-310 Eisen (mg) 8,4 ± 2,7 9,5 ± 3,8 8,4 ± 2,8 10,1 ± 2,6 10,4 ± 3,7 10,7 ± 3,4 10-15 Zink (mg) 6,6 ± 1,8 7,5 ± 2,6 7,4 ± 2,7 7,9 ± 1,7 8,5 ± 3,1 9,1 ± 3,4 7,0 Jod (µg) 84 ± 32 98 ± 36 88 ± 45 87 ± 26 89 ± 46 33 91 ± 39 140-200 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Tab. 2.14 Trends (Beobachtungszeitraum 1998-2002) in der Mikronährstoffzufuhr bei österreichischen Schulkindern (714 J.) Buben Mädchen Buben 7-9 J. Mädchen Buben 10-12 J. Mädchen 13-14 J. Vitamin A1 ↑↑ Vitamin D ↔ ↔ ↓ ↓ ↓ ↓ Vitamin E2 ↓ ↓↓ ↔ ↔ ↓↓ ↓↓ Vitamin B1 ↑↑ ↑↑ ↑↑ ↑↑ ↔ ↔ Vitamin B2 ↔ ↔ ↔ ↑ ↓↓ ↓↓ Vitamin B6 ↑↑ ↑↑ ↑ ↑↑ ↔ ↔ Folsäure3 ↑ ↔ ↔ ↑ ↓↓ ↓↓ Vitamin B12 ↓↓ ↑ ↔ ↔ ↔ ↓↓ Calcium ↔ ↓ ↓↓ ↓ ↓↓ ↓↓ Kalium ↓↓ ↓↓ ↓↓ ↓↓ ↓↓ ↓↓ Magnesium ↔ ↓ ↓↓ ↔ ↓↓ ↓↓ ↑↑ ↑↑ ↑↑ ↔ ↓ Eisen ↔ ↔ ↓ ↔ ↓ ↓↓ Jod ↓↓ ↓↓ ↓↓ ↓↓ ↓↓ ↓↓ Zink ↔ ↔ ↔ ↔ ↔ ↓ 1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin; 2 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γ-Tocoph- erol x 0,25 + mg α-Tocotrienol x 0,33; 3 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA) ↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9%, ↔ nahezu unverändert (<5%); ↑ (↓) höher (niedriger) um weniger als 9%; Vitamin C-Aufnahme wurde 1998 nicht bewertet Bei den Vitaminen B1, B2, A und C lag die durchschnittliche Zufuhr der Studienpopulation großteils im Bereich der entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen. Einzelne Subgruppen lagen jedoch auch darunter. Die Versorgungslage ist demnach auch bei den genannten Vitaminen verbesserungswürdig, da aufgrund der Verzehrsdaten unzureichende Aufnahmen nicht bei allen Kindern ausgeschlossen werden können. Bei Vitamin B12, Niacin und großteils auch bei Vitamin B6 ist hingegen eine gute Versorgungslage zu erwarten. Die mittleren Aufnahmemengen des Kollektivs lagen großzügig über den jeweiligen D-A-CH-Empfehlungen. Die mittlere Vitamin E-Aufnahme des Gesamtkollektivs lag unter den korrespondierenden D-A-CH-Schätzwerten. Aussagen über die Versorgungslage sind jedoch schwierig, da der Vitamin E-Bedarf nicht ausreichend genau bestimmt werden kann. Eine Verbesserung der Vitamin E-Versorgung könnte relativ einfach durch eine wünschenswert höhere Zufuhr an pflanzlichen Ölen, im Austausch gegen tierische Fette, erreicht werden. Im Mittel lag auch die Pantothensäureaufnahme der Kinder unter dem D-ACH-Schätzwert, jedoch kommen Mangelerscheinungen an diesem Vitamin nur sehr selten vor. Bei Biotin ist eine Unterversorgung ebenfalls unwahrscheinlich, da die mittleren täglichen Aufnahmen an diesem Vitamin durchwegs oberhalb des Schätzwertbereichs der D-A-CH-Referenzwerte lagen. Hinsichtlich der Zufuhr an Mineralstoffen bzw. Spurenelementen zeigte sich weitgehend der gleiche Trend wie bei den Vitaminen, nämlich höhere Aufnahmemengen der Kinder in Ostösterreich. Zum Teil kann die geringere Mikronährstoffzufuhr im Westen des Bundesgebietes sicher mit der ebenfalls geringeren Nahrungsenergiezufuhr erklärt werden. 34 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Beurteilt man nun die Versorgungslage der Schulkinder an Mineralstoffen und Spurenelementen anhand der korrespondierenden D-A-CH-Referenzwerte so ist diese insgesamt nicht sehr zufriedenstellend. Vor allem hinsichtlich der durchschnittlichen Calcium- und Jodaufnahme wurden die D-A-CH-Referenzwerte bei weitem nicht erreicht. Die Calcium- und Jodversorgung der Schulkinder ist demnach unzureichend. Auch bei Magnesium, Zink und Eisen muss aufgrund der Verzehrsdaten mit entsprechend hohen Prävalenzen unzureichender Aufnahmen gerechnet werden. Die Kaliumversorgung kann hingegen als weitgehend zufriedenstellend beurteilt werden. Tab. 2.14 zeigt die relativen Veränderungen in der Mikronährstoffzufuhr im Vergleich zu den Daten des Österreichischen Ernährungsberichtes 1998. Die Empfehlungen für die Folsäurezufuhr wurden auch für Kinder und Jugendliche erhöht, da der Einfluss von Folsäure auf die Homocysteinkonzentration im Plasma mit berücksichtigt worden ist [DACH, 2000]. Die Versorgung mit diesem wichtigen Vitamin ist nach wie vor nicht ausreichend und sinkende Aufnahmen zeigten sich vor allem im Kollektiv der 13-14-jährigen Kinder. Ein ähnlicher Trend ergibt sich hinsichtlich der Vitamin D-Versorgung. Da Vitamin D neben anderen Nährstoffen eine hervorragende Rolle in der Knochentwicklung von Kindern zukommt, sollte einerseits auf häufige körperliche Aktivität im Freien und andererseits auch auf eine ausreichende alimentäre Vitamin D-Zufuhr geachtet werden. Eine ungünstige Entwicklung lässt sich auch bezüglich der Vitamin E-Versorgung beobachten sowie generell bei den Mineralstoffen und Spurenelementen (außer Zink). Lebensmittelverzehrsmengen von Schulkindern Für das Teilkollektiv der Volksschulkinder (7-9 J.) wurde eine Menükomponentenanalyse durchgeführt. Die berechneten mittleren Verzehrsmengen der 7-9-jährigen Buben und Mädchen wurden mit wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen der "Optimierten Mischkost" (OptimiX) [Alexy und Kersting, 1999] für 7-9-Jährige verglichen. Wie bereits erwähnt, soll OpitimiX die Ernährungsbedürfnisse von Heranwachsenden optimal berücksichtigen. Dabei ist es realistisch und ausreichend, wenn die Verzehrsmengen im Durchschnitt innerhalb einer Woche erreicht werden. Das Ergebnis der Berechnungen zeigt eine insgesamt sehr unausgewogene Zusammenstellung der Kost (Tab. 2.15). Vor allem Gemüse, Getreideprodukte und auch Fisch wurden in viel zu geringem Umfang konsumiert. Der Verzehr von Obst, Milchprodukten (bevorzugt fettarme Varianten) sowie der Getränkekonsum sollte ebenfalls gesteigert werden. Zu diesen genannten Gruppen zählen durchwegs Lebensmittel mit einem hohen Gehalt an essentiellen Nährstoffen sowie anderen für Lebensmittelgruppe Empfohlene StudienerMengen gebnis % der Empfehlungen Fleisch, Wurst (g/d) 50 130 260 % Mehlspeisen, Süßigkeiten (g/d) Max. 60 70 117 % Getränke (ml/d) 900 789 88 % Milch, Milchprodukte (ml/d) 400 283 71 % Obst (exkl. Fruchtsäfte) (g/d) 220 130 59 % Fisch (g/Woche) 150 84 56 % Nudeln, Reis, Kartoffel, Getreide (g/d) 150 82 55 % Brot und Getreideflocken (g/d) 200 110 55 % Eier (Stück/Woche) 2 1 50 % Gemüse (g/d) 220 96 44 % 35 Tab. 2.15: Vergleich der wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen (Optimierte Mischkost) mit tatsächlichen Verzehrsdaten (7-d-Wiegeprotokoll, n=326) bei österreichischen Schulkindern (7-9 J.) Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Gesundheit und Wohlbefinden zuträglichen Inhaltsstoffen. Da sich diese Lebensmittel auch durch einen relativ geringen Energiegehalt und somit hoher Nährstoffdichte auszeichnen, wäre eine Steigerung des aktuellen Verzehrs sehr wünschenswert. Gleichzeitig könnte der Konsum von Fleisch, Wurst und Süßigkeiten ohne weiteres um die Hälfte reduziert werden. Dieses Ernährungsverhalten der Volksschulkinder ähnelt bereits dem der Erwachsenen, welches "typisch für Mitteleuropa" ist. Mit dem hohen Verzehr von Fleisch, Wurst, Mehlspeisen und Süßigkeiten geht die vorhin beschriebene hohe Aufnahme an Haushaltszucker, Fett, gesättigten Fettsäuren und Proteinen sowie die geringe Ballaststoffzufuhr einher. Von Kindheit an geübte ungünstige Ernährungsgewohnheiten werden im Erwachsenenalter meist nur noch schwer abgelegt. Die Ernährungs- und Gesundheitsaufklärung an den Schulen sollte jedenfalls weiter verstärkt werden. 36 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung 2.3.3 Lehrlinge (15-18 J.) Zusammenfassung Zusammengefasst zeigt die erste in Österreich durchgeführte Untersuchung des Ernährungszustands von Lehrlingen in einigen Belangen eine verbesserungswürdige Situation. Mengenmäßig entsprachen die Kohlenhydrat-, Fett- und Proteinaufnahmen weitgehend den D-A-CH-Richtwerten. Die Auswertung der Wiegeprotokolle zeigte jedoch einige qualitative Mängel auf. Ungünstige Ernährungsgewohnheiten führten vor allem zu einer hohen Aufnahme an gesättigten Fettsäuren und im Gegensatz dazu wurden zu wenig mehrfach ungesättigte Fettsäuren aufgenommen. Ein besonderes Augenmerk ist auf die Versorgung mit α-Linolensäure zu legen. Die mittlere Aufnahme lag im Kollektiv der Lehrlinge unter dem D-A-CH-Schätzwert. Weitere Risikonährstoffe sind Folsäure, Vitamin D (bei nicht ausreichender Sonnenexposition), Jod, Calcium, Magnesium sowie Eisen bei den weiblichen Lehrlingen. Lehrlinge scheinen eine besondere Vorliebe für Fleisch, Wurst und Süßigkeiten zu haben. Das führte dazu, dass bis zu 18% der Energiezufuhr aus Zucker stammte und die Ballaststoffzufuhr lediglich bei 50% der Richtwerte lag. Außerdem war trotz hoher Energieaufnahme die Versorgung mit Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen insgesamt nicht sehr zufriedenstellend. Es sind somit verstärkt Interventionsprogramme nötig, um das Ernährungsverhalten dieser wichtigen Bevölkerungsgruppe zu verbessern. Allgemeines Die Untersuchung zum Ernährungszustand von 110 österreichischen Lehrlingen (15-18 Jahre) wurde in einem Wiener Lehrlingsheim durchgeführt. Die Lehrlinge kamen aus acht österreichischen Bundesländern und besuchten für 10 Wochen die Berufsschule in Wien. Die Erhebung war in zwei Teilbereiche gegliedert. Im ersten Teil wurden mittels Fragebogen die allgemeinen Rahmendaten, Daten zum Thema Körper und Gesundheit sowie das Ernährungswissen erhoben. Im zweiten Teil wurde mittels Food Frequency Questionnaire (FFQ) sowie einem 3-Tage-Wiegeprotokoll die Ernährungsgewohnheiten und die Energie- bzw. Nährstoffaufnahme ermittelt. Der Großteil der Lehrlinge (n=73) wurde ersucht, auch einen 4. Tag Protokoll zu führen. Dabei handelte es sich um einen Tag am Wochenende, um dadurch etwaige Abweichungen zu erfassen. Die entsprechenden Ergebnisse sind in die Auswertung eingeflossen, wobei die Abweichungen zum 3-Tages-Protokoll allerdings nur marginal waren. Die Studie trägt im Rahmen der ÖSES (Österreichische Studie zum Ernährungsstatus) dazu bei, eine möglichst umfassende Beschreibung des Ernährungszustands einzelner Bevölkerungsgruppen in Österreich zu liefern. 110 Lehrlinge aus vier verschiedenen Berufsgruppen wurden befragt. Der Erfassungszeitraum erstreckte sich von Ende Oktober 2001 bis Mitte Januar 2002. 102 Fragebögen und Protokolle konnten für die statistische Auswertung verwendet werden. 45% der Studienteilnehmer waren männlich und 55% weiblich. Da die Studie in einem Lehrlingsheim in Wien durchgeführt wurde, in dem ausschließlich Lehrlinge aus den Bundesländern wohnten, wurden keine Wiener Lehrlinge berücksichtigt. Diese Personengruppe wird zu einem späteren Zeitpunkt gesondert untersucht. Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei Lehrlingen Tab. 2.16 zeigt die mittels 3-d-Wiegeprotokoll ermittelten Ergebnisse zur Energie- und Makronährstoffaufnahme von österreichischen Lehrlingen (15-18 Jahre). Als Orientierungshilfe sind die jeweils korrespondierenden D-A-CH-Referenzwerte angeführt. Erwartungsgemäß war die Energieaufnahme der männlichen Lehrlinge mit durchschnittlich 11 MJ pro Tag (2630 kcal/d) signifikant höher als die der weiblichen (p<0,001). Die mittlere tägliche Energieaufnahme der Mädchen lag bei 8,6 MJ (2064 kcal). Damit lag sowohl das männliche als auch das weibliche Kollektiv unter den entsprechenden D-A-CH-Richtwerten. Wie jedoch schon mehrmals erwähnt, ist es grundsätzlich problematisch hinsichtlich der Energiezufuhr, einen einheitlichen Richtwert für ein Kollektiv zugrunde zu legen. Für die Energiebilanz ist neben der Energiezufuhr auch der Energieverbrauch durch körperliche Aktivität entscheidend. Zudem können große physiologische Unterschiede, z.B. in der fettfreien Körpermasse und im Grundumsatz auch innerhalb derselben Bevölkerungsgruppe bestehen. Diese Faktoren erschweren die Bewertung der Energiebilanz. Außerdem beziehen sich die D-A-CH-Richtwerte auf Personen mit einem wünschenswerten Normalgewicht (BMI im Normbereich) und einer wünschenswerten körperlichen Aktivität. Da die Energiezufuhr im Allgemeinen sehr gut mit dem Energieverbrauch korreliert [IOM, 2000], lässt die geringe Energieaufnahme eher auf eine geringe körperliche Aktivität schließen. Letztendlich 37 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Tab. 2.16 Mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Energie und Makronährstoffen bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) männlich weiblich D-A-CH m w 13 10,5 Energie (MJ) 11,0 ± 2,7 8,6 ± 1,7 E% Eiweiß 16 ± 3 15 ± 3 10-15 E% KH 49 ± 6 51 ± 7 >50 davon Zucker 16 ± 6 18 ± 6 - Ballaststoffe (g) 14 ± 5 15 ± 5 >30 E% Fett 31 ± 6 34 ± 6 30-35 davon GFS 15 ± 2 16 ± 3 max. 10 davon MFS 11 ± 2 12 ± 1 13 davon PFS 5±2 6±2 Cholesterin (mg) 367 ± 131 262 ± 93 max. 300 7 E% Alkohol 4,5 ± 5,6 0,7 ± 1,6 - E%...Energieprozent; KH...Kohlenhydrate; GFS...Gesättigte Fettsäuren; MFS...Monoenfettsäuren; PFS...Polyenfettsäuren Tab. 2.17: Mittlere tägliche Zufuhr an Linolsäure und α-Linolensäure (MW ± SD) in g und Energie% bei österreichischen Lehrlingen (1518 J.) kann der tatsächliche Energiebedarf einer Person am besten durch regelmäßige Gewichtskontrollen beurteilt werden. Die durchschnittliche Proteinzufuhr betrug bei den männlichen Lehrlingen 99 g und bei den weiblichen 72 g pro Tag. Damit lag das männliche Kollektiv um mehr als 60% über den Empfehlungen und das weibliche um etwa 50%. In Bezug zur Gesamtenergiezufuhr wurde der D-A-CH-Richtwert von maximal 15% von den männlichen Lehrlingen knapp überschritten. Etwa zwei Drittel des aufgenommenen Proteins stammte aus tierischen Quellen, wobei es diesbezüglich keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern gab. Diese deutliche Dominanz des tierischen Anteils kann als nachteilig bewertet werden, da die Aufnahme an Protein tierischen Ursprungs generell mit einer gleichzeitigen Zufuhr an Fett bzw. gesättigten Fettsäuren, Cholesterin und – ausgenommen Ei- und Milchprotein – auch an Purinen verbunden ist [DACH, 2000]. Eine Hebung des Verzehrs pflanzlicher zu Lasten von tierischen Produkten würde im Allgemeinen eine Verbesserung der Nährstoffrelation bewirken. In quantitativer Hinsicht entsprach die durchschnittliche Fettaufnahme der Lehrlinge den Richtwerten. Jedoch spielt auch die Art bzw. Qualität des zugeführten Fettes eine wesentliche präventive Rolle in der Gesunderhaltung. Leider wurden die diesbezüglichen Vorgaben, wie auch schon bei anderen Bevölkerungsgruppen, nicht erreicht. Bei den männlichen Lehrlingen lag der Anteil der gesättigten Fettsäuren (GFS) an der Gesamtenergiezufuhr bei 14% bzw. bei den weiblichen Lehrlingen bei über 15%. Hingegen sollte die Zufuhr gesättigter Fettsäuren 10% der Gesamtenergiezufuhr nicht überschreiten. Der Richtwert für die Aufnahme an mehrfach ungesätmännlich weiblich D-A-CH Linolsäure (n-6) in g 9,7 ± 3,9 9,0 ± 3,0 - α-Linolensäure (n-3) in g 1,2 ± 0,6 1,0 ± 0,4 - Linolsäure (n-6) in % 3,4 ± 1,3 4,0 ± 1,3 2,5 α-Linolensäure (n-3) in % 0,42 ± 0,21 0,45 ± 0,17 0,5* n-6 : n-3 Fettsäuren 8:1 9:1 5:1 * Schätzwert 38 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung männlich weiblich tigten Fettsäuren (PFS) wird mit etwa 7% der Energiezufuhr angegeben Alkohol (g/d) 18 ± 27 2 ± 4 [DACH, 2000]. Diese Aufnahmemenge E% Alkohol 4,5 ± 5,6 0,7 ± 1,6 wurde wiederum weder von den weibE%...Energieprozent lichen noch von den männlichen Jugendlichen erreicht. Die Zufuhr an einfach ungesättigten Fettsäuren (MFS) entsprach hingegen den D-A-CH-Richtwerten. Bei den PFS hat das Verhältnis zwischen n-6 Fettsäuren (Linolsäure) und n-3 Fettsäuren (α-Linolensäure) Priorität. Die Relation von n-6 zu n-3 Fettsäuren sollte bei 5:1 liegen [DACH, 2000]. Laut den aktuellen Verzehrsdaten ergab sich bei männlichen Lehrlingen jedoch ein Verhältnis von 8:1 und bei den weiblichen von 9:1 (Tab. 2.17). Für Linolsäure wird in den D-A-CH-Referenzwerten eine Aufnahme von etwa 2,5% der Gesamtenergiezufuhr empfohlen. Wie obige Tabelle zeigt, lag die berechnete mittlere Zufuhr der Lehrlinge in einem Bereich, der eine gute Versorgungslage an Linolsäure erwartet lässt. Hingegen sollte die Zufuhr an α-Linolensäure höher sein. Die durchschnittliche tägliche Aufnahme lag unter dem D-A-CH-Schätzwert von 0,5 Energie%. α-Linolensäure wird neben dem essentiellen Mindestbedarf auch eine bedeutende Rolle in der Prävention ernährungsabhängiger Erkrankungen (insbesondere KHK) zugeschrieben [HCN, 2001]. Die mittlere Cholesterinaufnahme der männlichen Lehrlinge lag bei 367 mg pro Tag und überschritt somit den als Obergrenze formulierten Richtwert von 300 mg/d [DACH, 2000]. Die weiblichen Lehrlinge lagen mit einer durchschnittlichen Cholesterinzufuhr von 262 mg pro Tag unter diesem Wert. Die hohe Cholesterinzufuhr der männlichen Probanden, lässt auf einen höheren Konsum von tierischen Lebensmitteln schließen. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Cholesterinaufnahme waren signifikant (p<0,01). Unabhängig vom Geschlecht korrelierte die Cholesterinaufnahme hoch signifikant positiv mit der Höhe der Energieaufnahme, mit der Proteinzufuhr (insbesondere von tierischen Proteinen) und dem Konsum gesättigter Fettsäuren (p<0,001). Die durchschnittliche Kohlenhydratzufuhr lag im Kollektiv der Lehrlinge bei knapp 50% der Gesamtenergieaufnahme. Damit wurde der Richtwert mehr oder weniger erreicht. Ein sehr großer Anteil davon stammte jedoch aus dem Verzehr von Saccharose (Haushaltszucker). Vor allem weibliche Lehrlinge nahmen durchschnittlich 18% der Gesamtenergiezufuhr in Form von Zucker auf. Betrachtet man den Zucker isoliert, so liefert er ausschließlich schnell verwertbare Energie und keine Vitamine und Mineralstoffe. Bei entsprechend hohem Zuckerkonsum ist deshalb mit einer geringeren Versorgung an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen zu rechnen [IOM, 2002]. Die mittlere tägliche Aufnahme an Ballaststoffen lag um 50% unter dem DA-CH-Referenzwert von mindestens 30 g/d. Die geringe Ballaststoffaufnahme in dieser Studie zeigt, dass der Verzehr von Getreide, Vollkornprodukten, Obst, Gemüse, Kartoffeln und Hülsenfrüchten in dieser Altersgruppe zu niedrig ist. Das Ergebnis spiegelte sich auch in der Auswertung des Food Frequency Questionnaire (FFQ) wider. Insbesondere bei männlichen Lehrlingen trug Alkohol mit einem Anteil von durchschnittlich etwa 4,5% nicht unwesentlich zur täglichen Gesamtenergiezufuhr bei. Weibliche Lehrlinge nahmen sowohl absolut als auch relativ zur Gesamtenergiezufuhr signifikant (p<0,05) weniger Alkohol zu sich (Tab. 2.18). Der Alkoholkonsum war durch große Schwankungen innerhalb des Kollektivs gekennzeichnet. So nahmen manche Lehrlinge gar keinen Alkohol zu sich und andere wieder täglich. Die Auswertung des FFQ ergab, dass 13% der männlichen Jugendlichen fast täglich und über 50% ein- bis dreimal pro Woche Bier oder Wein tranken, während es bei den weiblichen Lehrlingen deutlich weniger waren. 39 Tab. 2.18 Mittlere tägliche Alkoholzufuhr (MW ± SD) bei österreichischen Lehrlingen (1518 J.) Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Tab. 2.19 Vergleich der mittleren täglichen Energie- und Makronährstoffzufuhr bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) mit den Zufuhrdaten gleichaltriger Schüler (Österreichischer Ernährungsbericht 1998) männ- weiblich lich Energie ↓ ↔ Eiweiß ↑ ↑↑ Kohlenhydrate ↓ ↔ Fett ↓↓ ↔ Alkohol ↑↑ ↑↑ Cholesterin ↔ ↓↓ Ballaststoffe ↓↓ ↓↓ Gesättigte Fettsäuren ↔ ↔ Monoenfettsäuren ↔ ↔ Polyenfettsäuren ↔ ↔ ↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9%, ↔ nahezu unverändert (< 5%), ↑ (↓) höher (niedriger) um weniger als 9% Tab. 2.19 vergleicht die aktuellen Aufnahmemengen an Energie und Makronährstoffen Österreichischer Lehrlinge mit den im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 dokumentierten Aufnahmedaten von Schülern derselben Altersgruppe. Die aufgezeigten Unterschiede können jedoch sowohl auf veränderte Verzehrsgewohnheiten als auch auf die unterschiedliche sozioökonomische Struktur (Lehrlinge vs. Schüler) des Kollektivs zurückzuführen sein. Wie dieser Vergleich erkennen lässt, ergibt sich aus dem Ernährungsverhalten der Lehrlinge ein sehr ungünstiges Verzehrsmuster. Mit Ausnahme der Cholesterinzufuhr bei den weiblichen Lehrlingen ist die Charakteristik der Zufuhr an Makronährstoffen deutlich schlechter als sie 1998 im Kollektiv der gleichaltrigen Schüler war. Zufuhr an Mikronährstoffen bei Lehrlingen Im folgenden Abschnitt wird die anhand von Wiegeprotokollen ermittelte Mikronährstoffaufnahme von österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) beschrieben. Durch den Bezug zu den korrespondierenden D-A-CH-Referenzwerten sollen Nährstoffe mit etwaiger ungenügender Zufuhr identifiziert werden (Tab. 2.20). Die Zufuhr an Nahrungsfolat muss aufgrund der vorliegenden Daten als unzureichend charakterisiert werden. Die entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen wurden vom Kollektiv der Lehrlinge im Mittel nicht einmal zu 50% erreicht. Tab. 2.20 Mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Vitaminen bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) männlich weiblich Vitamin A1 (mg) 0,9 ± 0,5 0,9 ± 0,5 D-A-CH m w 1,1 0,9 β-Carotin2 (mg) 1,6 ± 1,7 2,1 ± 2,2 2-4 Vitamin D (µg) 1,3 ± 0,7 1,5 ± 1,0 Vitamin E3 (mg) 9,9 ± 4,3 10,9 ± 4,6 15 12 Vitamin B1 (mg) 1,4 ± 0,4 1,1 ± 0,4 1,3 1,0 Vitamin B2 (mg) 1,4 ± 0,5 1,3 ± 0,5 1,5 1,2 Niacin4 (mg) 38 ± 16 25 ± 6 Pantothensäure (mg) 5,7 ± 3,4 4,3 ± 1,8 Vitamin B6 (mg) 2,0 ± 1,0 1,6 ± 0,9 Biotin (µg) 41 ± 23 42 ± 38 30-60 Folsäure5 (µg) 175 ± 61 164 ± 62 400 Vitamin B12 (µg) 5,2 ± 1,9 3,5 ± 1,4 3,0 Vitamin C (mg) 88 ± 56 109 ± 80 100 5 17 13 6 1,6 1,2 1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin; 2 dieser Wert mal 0,16 ist in den Retinol-Äquivalenten enthalten; 3 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γ-Tocoph- erol x 0,25 + mg α-Tocotrienol x 0,33; 4 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan; 5 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA) 40 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung männlich weiblich Auch die Vitamin D-Aufnahmen waren nicht zufriedenstellend. Die Stu↓↓ ↔ Vitamin A1 dienteilnehmer erreichten durch↓↓ ↓↓ Vitamin D schnittlich nur etwa 25% der empfohlenen Menge [DACH, 2000]. Allerdings ↓ ↑ Vitamin E2 ist die notwendige Vitamin D-Zufuhr Vitamin B1 ↓ ↔ insbesondere im Wachstumsalter Vitamin B2 ↓↓ ↓ wegen der bedarfsdeckenden Eigensynthese bei ausreichender UV-ExposiVitamin B6 ↔ ↔ tion schwer festzustellen. Der Vitamin ↔ ↔ Folsäure3 D-Status kann deshalb nur anhand von Vitamin B12 ↓↓ ↓↓ laborchemischen Messungen verlässlich bestimmt werden. Durch die Mes1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg sung des im Blut zirkulierenden Hauptall-trans-β-Carotin; 2 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tometaboliten (25-Hydroxy-Cholecalcifcopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γerol) wird nämlich sowohl die endogeTocopherol x 0,25 + mg α-Tocotrienol x ne Synthese als auch die alimentäre Zu0,33; 3 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfofuhr berücksichtigt. lat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure Nur sehr wenige Lebensmittel wie (PGA) z.B. fettreiche Fische (Hering, Makre↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9%, le), Lebertran, Leber, Margarine (ange↔ nahezu unverändert (<5%); reichert) und Eigelb enthalten Vitamin ↑ (↓) höher (niedriger) um weniger als 9%; Vitamin C-Aufnahme wurde 1998 nicht beD in nennenswerten Mengen [DACH, wertet 2000]. Dies macht deutlich, dass eine Deckung des Bedarfs durch eine übliche Mischkost nur schwer möglich ist. Bei Vitamin B2, Vitamin C und Vitamin A lagen die durchschnittlichen Aufnahmen der weiblichen Probanden über den jeweiligen D-A-CH-Referenzwerten und die der männlichen knapp darunter. Somit ist die Wahrscheinlichkeit, dass Einzelpersonen unzureichend mit diesen Vitaminen versorgt sind, bei den männlichen Lehrlingen größer. Verbesserungswürdig sind die Zufuhrmengen jedoch auch bei den weiblichen Lehrlingen. Im Mittel lagen die Vitamin B6-, B12- und B1-Aufnahmen der Studienteilnehmer über den entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen. Die Versorgung sollte somit beim Großteil der Lehrlinge ausreichend sein. Bei den männlichen Lehrlingen ist vor allem eine sehr gute Vitamin B12-Versorgung zu erwarten. Die durchschnittliche Niacinzufuhr des Gesamtkollektivs lag sogar rund 100% über der korrespondierenden D-A-CH-Empfehlung. Die Niacinversorgung kann demnach als sehr zufriedenstellend beurteilt werden. Die mittlere Vitamin E-Aufnahme lag insbesondere bei den männlichen Lehrlingen weit unter dem D-A-CH-Schätzwert. Aussagen über die Versorgungslage sind jedoch schwierig, da der Vitamin E-Bedarf nicht ausreichend genau bestimmt werden kann. Vitamin E wird hinsichtlich chronischer Erkrankungen als möglicherweise präventiv wirksam diskutiert, deshalb wäre schon alleine unter diesem Aspekt eine höhere Vitamin E-Zufuhr wünschenswert. Im Mittel lag die Pantothensäureaufnahme zwar auch unter dem D-A-CHSchätzwert, jedoch kommt ein Pantothensäuremangel generell nur sehr selten vor, da der Mindestbedarf offenbar immer gedeckt wird [DACH, 2000]. Bei Biotin ist eine Unterversorgung ebenfalls unwahrscheinlich. Der in den DA-CH-Referenzwerten angegebene Schätzwertbereich wurde aus der durchschnittlichen Zufuhr adäquat ernährter Bevölkerungsgruppen abgeleitet und die mittlere Biotinzufuhr der Lehrlinge lag zumindest innerhalb dieses Bereichs. Tab. 2.21 vergleicht die aktuelle Vitaminzufuhr des Lehrlingskollektivs (15-18 J.) mit den im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 dargestellten Aufnahmemengen gleichaltriger Schüler. Außer bei Folsäure und Vitamin B6 sind die Vitaminaufnahmen der Lehrlinge demnach schlechter als sie 1998 bei den 15-18-jäh- 41 Tab. 2.21 Vergleich der mittleren täglichen Vitaminzufuhr bei österreichischen Lehrlinge (15-18 J.) mit den Zufuhrdaten gleichaltriger Schüler (Österreichischer Ernährungsbericht 1998) Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Abb. 2.14 Abweichung (in %) der mittleren täglichen Vitaminzufuhr von den D-ACH-Referenzwerten bei österreichischen Lehrlingen (1518 J.) 100 75 männlich weiblich 50 25 D-A-CH0 -25 -50 -75 -100 Niacin B12 B6 B1 B2 Vit. C Vit. A Vit. E Folat Vit. D Vitamin K wurde noch nicht exakt bewertet Tab. 2.22 Mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Mineralstoffen/Spurenelementen bei österreichischen Lehrlingen (1518 J.) Tab. 2.23 Vergleich der mittleren täglichen Zufuhr an Mineralstoffen/Sp urenelementen bei österreichischen Lehrlingen (1518 J.) mit den Zufuhrdaten gleichaltriger Schüler (Österreichischer Ernährungsbericht 1998) männlich weiblich Calcium (mg) 675 ± 277 718 ± 276 D-A-CH m w 1200 Kalium (g) 2,3 ± 0,7 2,1 ± 0,7 2 Magnesium (mg) 289 ± 102 245 ± 73 400 350 Eisen (mg) 12,2 ± 3,2 10,0 ± 2,5 12 15 Zink (mg) 11,0 ± 2,8 9,0 ± 2,1 10 Jod (µg) 106 ± 32 106 ± 376 7 200 rigen Schülern waren. Die Mineralstoff- und Spurenelementzufuhr der Lehrlinge war generell nicht sehr zufriedenstellend (Tab. 2.22). Insbesondere sind die mit der Nahrung aufgenommenen Mengen an Magnesium, Calcium und Jod als unzureichend zu charakterisieren. Die durchschnittliche Zufuhr an diesen Mikronährstoffen lag beträchtlich unter den korrespondierenden D-A-CH-Empfehlungen. Hinsichtlich der Eisenversorgung sind vor allem die weiblichen Lehrlinge als Risikogruppe einzustufen, da die mittlere Eisenzufuhr des weiblichen Kollektivs bei lediglich zwei Drittel der empfohlenen Menge lag [DACH, 2000]. Die durchschnittliche Zinkaufnahme der Studiengruppe lag über dem D-A-CHReferenzwert. Dementsprechend sollte die Prävalenz einer unzureichenden Zinkversorgung gering sein. Die Kaliumzufuhr wurde anhand des D-A-CH-Schätzwerts bewertet. Im Mittel wurde dieser Schätzwert für eine minimale Zufuhr von den Lehrlingen erreicht bzw. leicht überschritten. Die Kaliumversorgung ist demnach ausreichend. Allgemein sind für Kinder und Jugendliche bei einer mitteleuropäischen gemischten Kost, Kaliumaufnahmen im Bereich von 2 bis 3g/d zu erwarten. Die durchschnittliche Mineralstoffund Spurenelementzufuhr stellte sich männlich weiblich bei den österreichischen Lehrlingen ↓↓ ↓↓ Calcium (15-18 Jahre) im Vergleich zu gleichaltrigen Schülern (Österreichischer Er↓↓ ↓↓ Kalium nährungsbericht 1998) generell ↓↓ ↓↓ Magnesium schlechter dar (Tab. 2.23). Wie bereits erwähnt, können diese Beobachtungen ↓↓ ↔ Eisen einerseits auf veränderte Verzehrsge↓↓ ↓↓ Zink wohnheiten oder andererseits auch auf ↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9%, die unterschiedliche sozioökonomische ↔ nahezu unverändert (< 5%), Struktur (Lehrlinge vs. Schüler) des Kol↑ (↓) höher (niedriger) um weniger als 9% lektivs zurückzuführen sein. 42 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung 50 m ännlich w eiblich 25 D-A-CH0 -25 -50 Zink Kalium Eisen Mg Ca Jod Phosphor, Chlorid, Kupfer, Mangan: Unterversorgung unwahrscheinlich; Fluorid, Selen, Chrom: noch nicht exakt bewertet Abb. 2.15 Abweichung (in %) der mittleren täglichen Zufuhr an Mineralstoffen/Sp urenelementen von den D-A-CH-Referenzwerten bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) Ernährungswissen von österreichischen Lehrlingen Das Ernährungsverhalten wird unter anderem durch das eigene Ernährungswissen beeinflusst. Zwar spielen vor allem im Jugendalter auch sozialökologische Einflüsse, wie z.B. Elternhaus, peer-groups und Arbeitsplatz eine bedeutende Rolle in der Lebensmittelauswahl, jedoch stellt die Förderung des individuellen Ernährungswissens eine grundlegende Möglichkeit dar, das Ernährungsverhalten zu verbessern. Das Ernährungswissen der Lehrlinge wurde anhand der Anzahl richtiger Antworten aus einem eigens für diesen Zweck entwickelten Fragebogen beurteilt und anschließend mit dem subjektiven Ernährungswissen des Kollektivs verglichen. Die Bewertung des tatsächlichen Wissens erfolgte anhand eines Punktesystems, wobei für jede richtige Antwort ein Punkt vergeben wurde: - gut (25-32 Punkte) - befriedigend (16-24 Punkte) - mangelhaft (0-15 Punkte) Bei der Einschätzung des eigenen Wissens (subjektives Ernährungswissens) konnte ebenfalls zwischen gut, befriedigend und mangelhaft gewählt werden. Die Auswertung ergab insgesamt ein nicht sehr zufriedenstellendes Bild (Abb. 2.16), wobei sich signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern (p<0,05) zeigten. Über der Hälfte der männlichen Lehrlinge konnte lediglich ein mangelhaftes Ernährungswissen attestiert werden. Bei den weiblichen Lehrlingen waren es 21%. Über ein gutes Ernährungswissen verfügten lediglich knapp 4% der weiblichen Studienteilnehmer und keiner der männlichen! Unterschiede im Ernährungswissen zeigten sich auch hinsichtlich des höchsten Schulabschlusses vor der Lehre. Absolventen einer Haushaltungsschule oder landwirtschaftlichen Fachschule schnitten besser ab als Lehrlinge, die als 9. Schulstufe einen Polytechnischen Lehrgang absolvierten. Die größte Übereinstimmung zwischen dem tatsächlichen Ernährungswissen und der subjektiven Einschätzung fand man sowohl bei männlichen als auch bei 100% weiblichen Lehrlingen mit befriedigen80% den Ernährungskenntnissen. 62% der m angelhaft 60% männlichen bzw. 74% der weiblichen befriedigend Lehrlinge schätzten ihr Ernährungswis40% gut sens als befriedigend ein und zeigten tat20% sächlich ein solches Ernährungswissen. 0% Bei jenen, die ein mangelhaftes Ernähm ännlich w eiblich rungswissen aufwiesen, stimmte die 43 Abb. 2.16 Ernährungswissen Österreichischer Lehrlinge (15-18 Jahre), (Angaben in %) Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung subjektive Einschätzung bei 20% der männlichen Jugendlichen und bei 8% der weiblichen Jugendlichen überein. "Milchprodukte sind wichtig für unsere Ernährung, weil sie reich an Calcium sind", wurde von 64% aller Studienteilnehmer richtig beantwortet. 24% gaben eine falsche Antwort und 12% kreuzten die Möglichkeit "weiß nicht" an. Bei der Beantwortung dieser Frage bestand zwischen männlichen und weiblichen Lehrlingen ein signifikanter Unterschied (p<0,05). Mehr junge Frauen als Männer konnten die richtige Antwort geben. Auf die Fragestellung "welche der folgenden Nahrungsmittel enthalten deiner Meinung nach nennenswerte Mengen an Vitamin C?" wussten über 80% der Teilnehmer, dass Zitrusfrüchte sehr reich an Vitamin C sind. Grüner Paprika wurde nur von 37% der männlichen und von immerhin 71% der weiblichen Lehrlinge als Vitamin C-haltiges Nahrungsmittel richtig erkannt. 15% der männlichen Lehrlinge hielten aber auch Milchprodukte fälschlicherweise für reich an Vitamin C. Knapp 60% der Lehrlinge wussten nicht, dass man unter Kilokalorien (kcal) den Energiegehalt der Nahrung versteht. Die meisten Lehrlinge verstanden darunter den "Fettgehalt der Nahrung". Die Bedeutung der Ballaststoffe für das Sättigungsgefühl und für die Verdauung wurde von über zwei Drittel der weiblichen Lehrlinge (70%) und von einem etwas geringeren Prozentsatz der männlichen Lehrlinge (60%) richtig erkannt. Die dritte zutreffende Antwort (Prävention von Darmkrankheiten) wurde von etwa einem Drittel der weiblichen Lehrlinge und einem Viertel der männlichen Lehrlinge richtig bewertet. Butter wurde von mehr als der Hälfte der Studienteilnehmer richtig als cholesterinreiches Nahrungsmittel erkannt, während es bei den Innereien nur etwa ein Fünftel war. Eigelb wurde vom weiblichen Kollektiv zu über 50% und vom männlichen zu 37% als Nahrungsmittel mit einem relativ hohen Cholesteringehalt bewertet. 40% der weiblichen Lehrlinge kreuzten auch Nüsse fälschlicherweise als cholesterinreiches Lebensmittel an. Mehr als ein Drittel aller Befragten schätzten fälschlicherweise auch Alkohol als cholesterinreich ein. Auf die Frage: "Wie häufig informierst du dich bewusst über Ernährung?" zeigte sich ein ernüchterndes Ergebnis: 54% bzw. 39% der männlichen Lehrlinge meinten, sie informieren sich selten bzw. nie bewusst über Ernährung. Bei den Mädchen informierten sich 70% selten und 20% nie. Zu den wichtigsten Ernährungsinformationsquellen für Lehrlinge zählten in erster Linie Berichte und Sendungen im Fernsehen (49,5%), gefolgt von Informationen aus dem Kreis der Familie/Bekannten/Freunde (47,5%) und Artikeln aus Zeitschriften und Illustrierten (41,5%). Das Internet (6%) und die Werbung aus Radio (10%) und Tageszeitungen (14%) spielten für Jugendliche als Informationsquellen keine Rolle. Die befragten Lehrlinge weisen großteils erhebliche Defizite im Ernährungswissen auf. Demnach besteht großer Handlungsbedarf, um österreichische Lehrlinge verstärkt über Ernährungsthemen aufzuklären bzw. zu informieren. Lehrlingsausbildungsstätten und Berufsschulen können als ideale Stätten angesehen werden, um Aufgaben in diesem Bereich zu übernehmen. Insbesondere im Jugendalter finden Entwicklungsprozesse statt, die gegenwärtige und zukünftige Ernährungsgewohnheiten entscheidend prägen können. Somit sollte auch in Berufsschulen die Chance genützt werden, auf diese Prozesse positiv einzuwirken. Ohne Zweifel könnte damit ein wesentlicher Beitrag zur Gesundheitsförderung der Bevölkerung geleistet werden. Ernährungsverhalten und -gewohnheiten von Lehrlingen Das Ernährungsverhalten wird zusammenfassend als die Art und Weise der individuellen Nahrungsauswahl, -zubereitung und -aufnahme beschrieben. Ernährungsbezogene Verhaltensweisen sind die Folge des Zusammenspiels von anlage- und umweltbedingten Einflussfaktoren [BECKER, 1992]. Fast ein Fünftel der männlichen Lehrlinge gab an, nicht regelmäßig zu frühstücken. Bei den weiblichen Lehrlingen waren es nur knapp 9%. Der Großteil (78% bzw. 75%) nahm das Frühstück zu Hause bzw. im Heim ein. 16% der jungen Frauen aßen ihr Frühstück erst am Arbeitsplatz bzw. in der Berufsschule. Die Vormittagsjause wurde von fast einem Viertel der männlichen Lehrlinge und von fast der Hälfte (45 %) der weiblichen Lehrlinge regelmäßig ausgelassen. Das Mittagessen fand bei den meisten männlichen Lehrlingen entweder zu Hause/im Heim oder am Arbeitsplatz/in der Berufsschule statt. Bei den weiblichen Lehrlingen waren die häufigsten Antworten Arbeitsplatz/Schule und Restaurant/Gasthaus. Immerhin ein Zehntel der Mädchen nahm das 44 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Lebensmittelgruppe Empfohlene StudienerMengen gebnis % der Empfehlungen Fleisch, Wurst (g/d) 90 151 168 % Mehlspeisen, Süßigkeiten (g/d) Max. 80 110 138 % Getränke (ml/d) 1400 1526 109 % Fette, Öle, Butter (g/d) 35 28 80 % Nudeln, Reis, Kartoffeln, Getreide (g/d) 250 157 63 % Obst (exkl. Fruchtsäfte) (g/d) 300 135 45 % Milch, Milchprodukte (ml/d) 500 193 39 % Brot und Getreideflocken (g/d) 300 116 39 % Eier (Stück/Woche) 3 1 33 % Gemüse (g/d) 300 77 26 % Fisch (g/Woche) 200 41 21 % Mittagessen bei einem Schnellimbiss oder einer Würstelbude ein, bei den Jungen lag der Anteil unter 5%. Das Abendessen wurde von 87% der männlichen und von 96% der weiblichen Lehrlinge entweder zu Hause oder im Heim gegessen. Wurde eine Spätmahlzeit verzehrt, so geschah dies zum größten Teil auch zu Hause. Allerdings suchten dafür auch rund 11% der männlichen Lehrlinge einen Schnellimbiss oder eine Würstelbude auf. Etwa drei Viertel der Studienteilnehmer bezeichneten ihre Ernährungsform als gemischte Normalkost. Der Anteil der männlichen Lehrlinge war hier um etwa 20% höher. 20% der weiblichen Lehrlinge bevorzugten eine gemischte Kost unter Berücksichtigung von Gesundheitsaspekten, und weitere 16% der weiblichen Teilnehmer gaben an, vor allem Gemüse, Obst, Vollkornprodukte, aber wenig Fleisch zu essen. Bei den Jungen lag der Anteil an den beiden letzt genannten Ernährungsformen unter 10%. Vegetarisch ernährte sich keiner der befragten Lehrlinge. Über die Hälfte der Studienteilnehmer meinten selbst, täglich zu wenig Vollkornprodukte zu essen, und über 40% waren der Ansicht, dass ihr Fischkonsum zu gering sei. Betreffend Gemüse- und Obstkonsum meinten besonders die männlichen Jugendlichen, dass ihre Verzehrshäufigkeit ungenügend sei (38% für Gemüse und Salate / 42% für Obst). Ein Drittel der jungen Frauen schätzte den täglichen Konsum von Milch- und Milchprodukten als zu gering ein. Dieser Meinung waren hingegen nur 15% der jungen Männer. 40% der weiblichen Lehrlinge meinten, nicht genügend Flüssigkeit aufzunehmen, bei den männlichen Lehrlingen waren es rund 10%. Lebensmittelverzehrsmengen von Lehrlingen Mithilfe einer vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien entwickelten Access-Datenbank (auf Basis des Bundeslebensmittelschlüssels II.3) konnte eine Menükomponentenanalyse durchgeführt werden. Die berechneten mittleren Verzehrsmengen der Lehrlinge wurden mit wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen der "Optimierten Mischkost" (OptimiX) [ALEXY und KERSTING, 1999] für 15-18-Jährige verglichen (Tab. 2.24). OpitimiX wurde vom Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund entwickelt und soll einerseits den Nährstoffbedarf von Heranwachsenden decken und andererseits auch präventive Aspekte in der Ernährung berücksichtigen. In diesem Ernährungskonzept werden die in Deutschland üblichen Ernährungsgewohnheiten, die Verfügbarkeit und Kosten der Lebensmittel ebenso berücksichtigt wie Essensvorlieben und -abneigungen von Heranwachsenden. Dabei ist es realistisch und ausreichend, wenn die Verzehrsmengen im Durchschnitt innerhalb einer Woche erreicht werden. 45 Tab. 2.24: Vergleich der wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen (Optimierte Mischkost) mit den tatsächlichen Verzehrsdaten (3-dWiegeprotokoll, n=110) bei österreichischen Lehrlingen (15-18 J.) Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Die Berechnungen ergaben eine unausgewogene Lebensmittelauswahl. Lebensmittel mit hoher Nährstoffdichte, wie z.B. Gemüse, Obst, Milchprodukte und vor allem auch Fisch wurden in viel zu geringem Umfang konsumiert. Diese Ergebnisse bestätigen die anhand der Wiegeprotokolle ermittelten unzureichenden Aufnahmen an Nahrungsfolat, Vitamin D, Calcium und Jod. Anzustreben und wünschenswert wäre eine Annäherung der Verzehrsgewohnheiten an die empfohlenen Verzehrsmengen. Dadurch würde sich u. a. die Versorgung mit Ballaststoffen, Vitaminen, Mineralstoffen und auch sekundären Pflanzenstoffen entscheidend verbessern. Der hohe Fleisch- und Wurstkonsum führte im Wesentlichen zur überhöhten Zufuhr an Fett, gesättigten Fettsäuren und Cholesterin. Bei der Vorliebe für Fleisch und Wurst ergab sich ein signifikanter (p<0,001) Unterschied zwischen den Geschlechtern, wobei männliche Lehrlinge durchschnittlich 188 g/d und weibliche Lehrlinge 120 g/d verzehrten. In der "Optimierten Mischkost" gehören Kuchen, Torten und Süßigkeiten in die Gruppe der "geduldeten Lebensmittel". Die Vorliebe der Lehrlinge gerade für diese Lebensmittel spiegelt sich im hohen Verzehr von durchschnittlich 110 g pro Tag wider. Die Getränkeaufnahme kann aufgrund der berechneten Gesamttrinkmenge (durchschnittlich 1500 ml pro Tag) positiv beurteilt werden. Allerdings müssen die Qualität betreffend auch hier Einschränkungen gemacht werden, da der Anteil von alkoholischen Getränken (durchschnittlich 203 ml pro Tag) und Colagetränken (durchschnittlich 250 ml pro Tag) an der Gesamttrinkmenge sehr hoch war. 46 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung 2.4 Erwachsene Zusammenfassung Fett ist in der Ernährung der erwachsenen Bevölkerung in Österreich nach wie vor als kritischer Nährstoff anzusehen. Je nach Altersgruppe lag die Fettzufuhr des untersuchten Kollektivs zwischen 35 und 39% der Nahrungsenergieaufnahme. Im Vergleich zu den im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 dokumentierten Daten, ist der Fettverzehr auch lediglich tendenziell gesunken. Neben der zugeführten Fettmenge ist die Fettqualität für die Gesunderhaltung ebenso bedeutend. In dieser Hinsicht muss die Zufuhr an gesättigten Fettsäuren nach wie vor als zu hoch beurteilt werden. Im Gegensatz dazu wäre eine höhere Zufuhr an mehrfach ungesättigten Fettsäuren (PFS) wünschenswert. Für die praktische Umsetzung bedeutet das, dass weniger tierische Fette (Wurst, Fleisch, fettreiche Milchprodukte...) verzehrt werden sollten und stattdessen mehr Pflanzenöle, wobei solche mit einem hohen Gehalt an α-Linolensäure (z.B. Raps-, Soja- und Walnussöl) zu bevorzugen sind. Die richtige Auswahl der Öle würde auch die Relation der aufgenommenen PFS dem empfohlenen Verhältnis n-6 zu n-3 Fettsäuren von 5:1 näher bringen (aktuell ist es 8:1). Als Folge der hohen Fett- und Proteinaufnahme war die Kohlenhydratzufuhr der Studienpopulation zu gering. Reis, Nudeln, Vollkorngetreide, Kartoffel etc. sind stärkehaltige und ballaststoffreiche Kohlenhydratlieferanten, die sich durch einen hohen Vitamin- und Mineralstoffgehalt und eine geringe Energiedichte auszeichnen. Ein höherer Verzehr von Gemüse, Obst, fettarmen Milchprodukten und Fisch, würden zusammen mit den zuvor genannten Lebensmitteln auch die Versorgungslage an den Risikonährstoffen Folsäure, Vitamin D, Jod und Calcium sowie Eisen bei Frauen im gebärfähigen Alter, entscheidend verbessern. Allgemeines Der Österreichische Ernährungsbericht von 1998 stellte erstmals eine Situationsanalyse des Ernährungszustands der Erwachsenen in Österreich dar. Um international weiterhin vergleichbare Daten zu liefern und die Entwicklung des Ernährungszustands beurteilen zu können, wurden im Zeitraum von 1998 bis 2001 abermals Ernährungsprotokolle von Erwachsenen in Österreich gesammelt und ausgewertet. Zusätzlich wurde mit Hilfe von Strukturfragebögen das Ernährungswissen, die Quellen der Ernährungsinformation sowie das allgemeine Ernährungsverhalten erfasst. Nicht zuletzt konnte aus den Angaben der Probanden zu Körpergewicht und Körpergröße auch der Body Mass Index (BMI) errechnet werden. Ein Ziel ist die Suche und Erfassung von Risikogruppen. In der Folge soll durch verbesserte lebensmittelbasierte Empfehlungen möglichst die gesamte Bevölkerung sowohl vor einer Unterversorgung als auch vor einer Überversorgung an einzelnen Nährstoffen im Sinne der Prävention vor Krankheiten geschützt werden. Auch diesmal bildete die Evaluation der 24-h-Verzehrsprotokolle die Basis, um die Nährstoffversorgung zu beurteilen. Die Ergebnisse der 24-h-Recalls haben zwar nicht dieselbe Genauigkeit wie Wiegeprotokolle, jedoch eignet sich dieses Instrument sehr gut, um die tägliche Versorgung mit Mikro- und Makronährstoffen von größeren Bevölkerungsgruppen abzuschätzen bzw. Trends in der Nährstoffzufuhr zu beobachten. In den folgenden Abschnitten soll die Energie- und Nährstoffversorgung der österreichischen Erwachsenen beschrieben werden. Für die Darstellung der Ergebnisse wurden zwei Betrachtungsweisen gewählt. Zunächst wurde die Aufnahme nach Geschlechts- und Altersgruppen getrennt bewertet (Absolutaufnahmen und Vergleich mit den D-A-CH-Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr). Anschließend fand eine Differenzierung nach Ernährungsformen statt, um eventuelle Unterschiede bezüglich Energie- und Nährstoffaufnahmen erkennen zu können. Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei Erwachsenen Tab. 2.26 zeigt die mittels 24-h-Recall ermittelten Ergebnisse zur Energie- und Hauptnährstoffaufnahme bei Erwachsenen. Als Orientierungshilfe sind die jeweils korrespondierenden D-A-CH-Referenzwerte angeführt. Erwartungsgemäß war die durchschnittliche Energieaufnahme der Männer mit rund 11 MJ (2540 kcal) pro Tag höher als die der Frauen (8 MJ / 2000 kcal pro Tag). Beinahe alle betrachteten Bevölkerungsgruppen lagen unter den jeweiligen D-A-CH-Referenzwerten. Aus folgenden Überlegungen ist dennoch keine energetische Unterversorgung der österreichischen Bevölkerung zu befürchten: 47 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Tab. 2.25 Charakteristik der Stichprobe (n=2581) Geschlecht Altersverteilung weiblich männlich ≤ 24 J. 25 - 50 J. 51 - 64 J. ≥ 65 J. n=2581 1568 1013 560 1280 620 113 % 60,8 39,2 21,7 49,9 24 4,4 Grundsätzlich ist es problematisch, hinsichtlich der Energiezufuhr für ein Kollektiv einen einheitlichen Richtwert festzulegen. Für die Energiebilanz ist neben der Energiezufuhr auch der Energieverbrauch durch körperliche Aktivität entscheidend. Zudem können große physiologische Unterschiede, z.B. in der fettfreien Körpermasse und im Grundumsatz auch innerhalb derselben Bevölkerungsgruppe bestehen. Diese Faktoren erschweren die Bewertung der Energiebilanz. Außerdem beziehen sich die D-A-CH-Richtwerte auf Personen mit einem wünschenswerten Normalgewicht (BMI im Normbereich, 20-24 kg/m2) und einer wünschenswerten körperlichen Aktivität (PAL = 1,6-1,75, je nach Altersgruppe). Tab. 2.26: Mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Energie und Makronährstoffen bei österreichischen Erwachsenen, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht Frauen gesamt =24 J. 25-50 J. 51-64 J. =65 J. D-A-CH Energie (MJ) 8,4 ± 2,9 8,8 ± 2,9 8,4 ± 2,9 8,5 ± 2,7 6,7 ± 2,4 7,5-10* E% Eiweiß 15 ± 4 14 ± 4 15 ± 5 15 ± 5 17 ± 5 10-15 E% KH 46 ± 11 48 ± 11 45 ± 11 44 ± 10 44 ± 10 >50 davon Zucker 11 ± 7 12 ± 7 11 ± 6 10 ± 6 7±4 - Ballaststoffe (g) 19 ± 9 19 ± 8 19 ± 9 19 ± 8 17 ± 8 >30 E% Fett 36 ± 10 36 ± 10 36 ± 10 38 ± 9 37 ± 9 30 davon GFS 16 ± 5 16 ± 5 17 ± 5 17 ± 3 18 ± 5 max. 10 davon MFS 14 ± 4 14 ± 5 13 ± 4 15 ± 3 13 ± 3 13 davon PFS 6±3 6±3 6±3 6±3 6±4 7 Cholesterin (mg) 317 ± 203 323 ± 212 306 ± 204 333 ± 187 338 ± 218 max. 300 E% Alkohol 3±5 2±5 4±5 3±5 2±5 - Energie (MJ) 10,6 ± 4,0 11,3 ± 4,7 10,7 ± 3,9 10,6 ± 3,7 8,0 ± 2,9 9,5-12,5* E% Eiweiß 15 ± 5 15 ± 5 15 ± 5 15 ± 5 18 ± 7 10-15 E% KH 43 ± 10 45 ± 11 43 ± 10 41 ± 9 41 ± 11 >50 Männer davon Zucker 10 ± 7 10 ± 7 10 ± 7 9±6 6±5 - Ballaststoffe (g) 20 ± 9 19 ± 9 20 ± 9 21 ± 9 19 ± 10 >30 E% Fett 37 ± 10 36 ± 10 37 ± 10 39 ± 9 35 ± 11 30 davon GFS 17 ± 5 17 ± 5 17 ± 5 18 ± 4 16 ± 6 max. 10 davon MFS 14 ± 4 13 ± 4 14 ± 4 15 ± 4 13 ± 5 13 davon PFS 6±3 6±4 6±3 6±5 6±2 7 Cholesterin (mg) 429 ± 328 411 ± 286 436 ± 383 440 ± 257 366 ± 181 max. 300 E% Alkohol 5±6 4±7 5±6 5±6 6±7 - E%...Energie%; KH…Kohlenhydrate; GFS…Gesättigte Fettsäuren; MFS…Monoenfettsäuren; PFS…Polyenfettsäuren; * Richtwerte für die durchschnittliche Energiezufuhr in MJ bei Personen mit einem BMI im Normbereich und mit altersangepasster habitueller körperlicher Aktivität, PAL zwischen 1,6-1,75 48 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung % der Gesamtenergiezufuhr Männer Frauen Da die Energiezufuhr im Allgemeinen sehr gut mit dem Energieverbrauch tierisches 59 ± 30 44 ± 25 korreliert [IOM, 2000], lässt die gerinProtein (g) ge Energieaufnahme eher auf eine gepflanzliches 31 ± 14 26 ± 11 ringe körperliche Aktivität schließen. Protein (g) Letztendlich kann der tatsächliche Gesamt (g) 90 ± 35 70 ± 27 Energiebedarf einer Person am besten durch regelmäßige Gewichtskontrollen beurteilt werden. Österreichische Erwachsene führten im Mittel ca. 1,2 g Protein pro kg Körpergewicht und Tag zu sich. Damit lag die Proteinzufuhr etwa 50% über den Empfehlungen (0,8 g pro kg Körpergewicht und Tag). Bezogen auf die Gesamtenergiezufuhr lag der Proteinanteil bei etwa 15% und somit noch im Bereich der Richtwerte. Personen die bereits das 65. Lebensjahr erreicht hatten, nahmen mit ihrer täglichen Nahrung rund 17,5% der Gesamtenergiezufuhr in Form von Eiweiß zu sich. Frauen in dieser Altersgruppe konsumierten bezogen auf die Gesamtenergiezufuhr etwas weniger Eiweiß als Männer. Der prozentuelle Anteil von Eiweiß an der Energiezufuhr der erwachsenen Bevölkerung ist während der letzen Jahre nahezu unverändert geblieben und entspricht dem üblichen Ernährungsmuster aller industrialisierten Länder, in denen tierische Produkte (Fleisch, Milch- und Milchprodukte, Wurst) einen großen Stellenwert haben. So stammten in der aktuellen Untersuchung auch etwa 2/3 der zugeführten Proteine aus tierischen Quellen. Ebenfalls hoch war die Fettzufuhr. Für Erwachsene mit leichter bis mittelschwerer Arbeit nennen die D-A-CH-Referenzwerte eine Fettzufuhr von 30% der Gesamtenergiezufuhr als Richtwert (bei hohem Energiebedarf bis 35 Energie%). Jedoch lag der mittlere Fettverzehr der Erwachsenen bei rund 37%. Das entspricht den Richtwerten für Schwerstarbeiter. Neben der Fettmenge ist die Art bzw. die Qualität des zugeführten Fettes eine wesentliche präventive Maßnahme zur Gesunderhaltung. In diesem Sinne sollten gesättigte Fettsäuren (GFS) nicht mehr als 10% der Gesamtenergiezufuhr liefern, der Anteil der mehrfach ungesättigten Fettsäuren (PFS) sollte bei etwa 7% liegen und die verbleibende Fettzufuhr sollte von einfach ungesättigten Fettsäuren (MFS) gedeckt werden. Die MFS sollen den Hauptanteil ausmachen und können je nach Energiebedarf auch bis zu 13% zur Gesamtenergiezufuhr beitragen. Insgesamt wäre ein Verhältnis der Summe der ungesättigten Tab. 2.27 Mittlere tägliche Proteinzufuhr (MW ± SD) bei österreichischen Erwachsenen (Angaben in g) 20 15 10 5 0 PFS GFS Soll (DACH) MFS Ist (Kollektiv) PFS…Polyenfettsäuren; GFS…Gesättigte Fettsäuren; MFS…Monoenfettsäuren 49 Abb. 2.17 Wünschenswerte Höhe der Fettsäurezufuhr für Personen mit leichter und mittelschwerer Arbeit und die tatsächliche Zufuhr bei österreichischen Erwachsenen Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Tab. 2.28 Mittlere tägliche Aufnahme an Linolsäure und αLinolensäure (MW ± SD) in g und Energie% bei österreichischen Erwachsenen Männer Frauen D-A-CH Linolsäure (n-6) in g 12,5 ± 8,6 9,8 ± 7,2 - α-Linolensäure (n-3) in g 1,5 ± 0,8 1,3 ± 0,8 - Linolsäure (n-6) in % 4,5 ± 2,7 4,4 ± 2,8 2,5 α-Linolensäure (n-3) in % 0,54 ± 0,21 0,58 ± 0,24 0,5* n-6 : n-3 Fettsäuren 8:1 8:1 5:1 * Schätzwert zu gesättigten Fettsäuren von mindestens 2:1 wünschenswert, wobei der Quotient PFS/GFS etwa 0,7 beträgt [DACH, 2000]. Wie in Abb. 2.17 leicht zu erkennen ist, wurden die wünschenswerten Vorgaben vom untersuchten Kollektiv bei weitem nicht erreicht. Der hohe Anteil an GFS an der Gesamtenergieaufnahme (16-18%) in allen Alters- und Geschlechtsgruppen, sowie die überhöhte Cholesterinzufuhr, insbesondere bei den Männern, bestätigten den hohen Verzehr von tierischen Produkten. Bei den PFS hat das Verhältnis zwischen n-6 Fettsäuren (Linolsäure) und n-3 Fettsäuren (α-Linolensäure) Priorität. Die Relation von n-6 zu n-3 Fettsäuren sollte laut D-A-CH-Referenzwerten weniger als 5:1 betragen. Aufgrund der aktuellen Verzehrsdaten ergab sich jedoch ein Verhältnis von 8:1 (Tab. 2.28). Für Linolsäure wird in den D-A-CH-Referenzwerten eine Aufnahme von etwa 2,5% der Gesamtenergiezufuhr empfohlen. Da die beobachtete mittlere Zufuhr bei 4,5% lag, darf eine gute Versorgungslage an Linolsäure erwartet werden. Hingegen könnte die Zufuhr an α-Linolensäure höher sein. Die durchschnittliche tägliche Aufnahme lag mit 0,5% der Gesamtenergiezufuhr knapp über dem Schätzwert, womit keine Mangelsymptome zu erwarten sind. Jedoch wird eine höhere α-Linolensäurezufuhr mit protektiven Effekten in Bezug auf koronare Herzkrankheiten (KHK) in Verbindung gebracht [HCN, 2001]. Für die praktische Umsetzung bedeuten diese Ergebnisse, dass in der Speisenzubereitung mehr Pflanzenöle verwendet werden sollten, wobei solche mit einem hohen α-Linolensäureanteil zu bevorzugen sind. Dazu zählen z.B. Raps-, Soja-, Walnuss- und Leinsamenöl. Um aber die Gesamtfettaufnahme nicht zu erhöhen, sollten stattdessen weniger tierische Fette (Wurst, Fleisch, fettreiche Milchprodukte...), verzehrt werden. Der zuvor dargestellte hohe Eiweiß- und Fettanteil in der Ernährung der Erwachsenen in Österreich ging zu Lasten des Kohlenhydratanteils. Kohlenhydrate machten bei den Frauen im Durchschnitt etwa 46% der Gesamtenergiezufuhr und bei den Männern nur etwa 43% aus. Der Richtwert Kohlenhydrate: Fett: Eiweiß: Alkohol: Abb. 2.18: Anteil der Hauptenergielieferanten an der Gesamtenergiezufuhr bei österreichischen Erwachsenen 15% mind. 50% max. 30%* max. 15% 4% 44% 37% KH Fett Eiweiß Alkohol KH...Kohlenhydrate; * für Personen mit leichter und mittelschwerer Arbeit 50 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Männer Frauen für die Kohlenhydratzufuhr ist in den DA-CH-Referenzwerten mit über 50% Saccharose (g/d) 59 ± 48 52 ± 39 der Nahrungsenergie angegeben. DieSaccharose E% 10 ± 7 11 ± 7 ser Wert zielt darauf ab, die Fettzufuhr E%...Energieprozent zu bilanzieren bzw. zu vermindern. Wie aus Abb. 2.18 hervorgeht, sollte die Fettzufuhr zugunsten der Kohlenhydratzufuhr reduziert werden. Um den Kohlenhydratverzehr zu erhöhen, sind stärkehaltige und ballaststoffreiche Lebensmittel, die auch essentielle Nährstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe enthalten, zu bevorzugen [DACH, 2000]. Zur Senkung der Energiedichte wird ein "moderater Umgang" mit Saccharose (Haushaltszucker) empfohlen. Frauen nahmen relativ gesehen signifikant mehr (p<0,05) Haushaltszucker auf als Männer. Es zeigte sich, dass der Kohlenhydratanteil an der Gesamtenergiezufuhr mit steigendem Lebensalter abnahm. Nur Männer ab dem 65. Lebensjahr hatten eine etwas höhere Aufnahme, als beispielsweise Männer im Alter von 51 bis 64 Jahren. Die D-A-CH-Referenzwerte beinhalten auch Richtwerte für die Ballaststoffzufuhr. Die physiologische Bedeutung liegt in der Prävention zahlreicher Ernährungsassoziierter Krankheiten. Der Richtwert von mindestens 30 g Ballaststoffen (Nahrungsfasern) pro Tag wurde vom untersuchten Kollektiv jedoch nur zu etwa zwei Drittel erreicht und lag im Mittel bei 20 g/d. Die durchschnittliche Alkoholzufuhr lag bei den männlichen Erwachsenen bei 4,7 Energieprozent und leistete damit einen wesentlichen Beitrag zur täglichen Gesamtenergiezufuhr. In absoluten Mengen war der Alkoholkonsum mit durchschnittlich 20 g pro Tag (entsprechen ca. 0,5 l Bier) vor allem in der Altersgruppe der 51-65-jährigen Männer relativ hoch. Frauen nahmen sowohl absolut als auch relativ zur Gesamtenergiezufuhr signifikant (p<0,05) weniger Alkohol zu sich (Tab. 2.30). Die gesundheitlich verträgliche Dosis wird für die stoffwechselgesunde Frau auf lediglich 10 g geschätzt, die auch nicht täglich konsumiert werden sollte. Für Männer werden 20 g (nicht täglich konsumiert) als gesundheitlich verträglich angegeben. Bei Frauen steigt das Risiko für Organschäden und Brustkrebs im Vergleich zum Mann bereits bei der halben Dosis an [DACH, 2000]. Tab. 2.31 vergleicht die aktuelle Energie- und Makronährstoffaufnahme von österreichischen Erwachsenen mit den korrespondierenden Daten aus dem Österreichischen Ernährungsbericht 1998. Langfristige Trends im Ernährungsverhalten sollen dadurch aufgezeigt werden.Demnach ist die Energiezufuhr im Mittel leicht angestiegen, wobei sich aber in der Relation der Hauptenergielieferanten zueinander kaum etwas geändert hat. Ohne nähere Informationen über das Ausmaß der körperlichen Aktivität, ist der Trend hinsichtlich der Energieaufnahme jedoch schwer zu interpretieren. Auffallend ist der in allen Altersgruppen der Erwachsenen zu verzeichnende Anstieg des durchschnittlichen Alkoholkonsums. Vor allem bei den Frauen scheint sich dieser in den letzten Jahren verdoppelt zu haben. In der Relation der Hauptenergielieferanten (Kohlenhydrate, Fett, Protein) zueinander sind kaum Veränderungen bemerkbar. Obschon tendenziell eine Entwicklung in eine wünschenswerte Richtung vorhanden (mehr Kohlenhydrate, weniger Fett) ist. Nahezu unverändert hoch (16-17 Energie%) ist die Aufnahme an gesättigten Fettsäuren. Die Ballaststoffzufuhr ist zwar angestiegen, liegt aber immer noch weit unter der wünschenswerten Mindestzufuhr von 30 g pro Tag. Der Verzehr von Haushaltszucker (Saccharose) ist beim weiblichen Kollektiv leicht zurückgegangen und Gesamt =24 J. 25-50 J. 51-64 J. =65 J. D-A-CH Männer (g) 17 ± 23 15 ± 26 16 ± 23 20 ± 23 17 ± 22 20* Frauen (g) 9 ± 14 6 ± 13 10 ± 15 9 ± 14 5±9 10* *maximal und nicht täglich 51 Tab. 2.29 Mittlere tägliche Aufnahme (MW ± SD) an Saccharose bei österreichischen Erwachsenen Tab. 2.30: Mittlere tägliche Alkoholzufuhr (MW ± SD) bei österreichischen Erwachsenen (in g) Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Tab. 2.31 Trends (Beobachtungszeitraum 1998-2002) in der Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei österreichischen Erwachsenen weiblich Energie männlich ↑ ↑ ↔ ↓ im Gegensatz dazu bei den Männern stark angestiegen. Zufuhr an Mikronährstoffen bei Erwachsenen ↔ ↑ Kohlenhydrate Im folgenden Abschnitt wird die anhand von 24-h-Recalls ermittelte Auf↓ ↑↑ Zucker nahme an Mikronährstoffen verschie↑ ↑↑ Ballaststoffe dener Altersgruppen der Erwachsenen ↓ ↓ Fett in Österreich dargestellt. Durch den Bezug zu den korrespondierenden D-A↓ ↑ Gesättigte Fettsäuren CH-Referenzwerten sollen Risikogrup↔ ↔ Cholesterin pen mit ungünstiger Versorgung an Mikronährstoffen identifiziert werden. ↑↑ ↑ Alkohol Die durchschnittliche Zufuhr an ↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9% Nahrungsfolat lag beträchtlich unter ↑ (↓) höher (niedriger) um weniger als 9% ↔ nahezu unverändert (< 5%) den D-A-CH-Empfehlungen. Demnach muss bei den Erwachsenen mit entsprechend hohen Prävalenzen einer unzureichenden Folsäureversorgung gerechnet werden. Die mittlere Vitamin D-Zufuhr über Lebensmittel war ebenfalls unzureichend. Allerdings ist eine Beurteilung der Vitamin D-Versorgung nur aufgrund von Zufuhrwerten alleine nicht möglich. Bekanntlich kann Vitamin D nach UV-Bestrahlung der Haut auch endogen gebildet werden. Das Ausmaß der Synthese wird aber von vielen Faktoren limitiert (Jahreszeit, Wetterbedingungen, Hautpigmentierung, mit der Kleidung oder Sonnenschutzmittel bedeckte Haut etc.). Deshalb sollte ein möglichst großer Anteil des Bedarfs durch die Nahrung gedeckt werden. In diesem Zusammenhang sind besonders Frauen der Altersgruppe über 65 hervorzuheben, welche hinsichtlich der Vitamin D-Aufnahme lediglich 26% der empfohlenen Zufuhr erreichten. Mit zunehmendem Alter nimmt die Kapazität der Haut dieses "hormonähnliche" Vitamin endogen zu synthetisieren auch immer mehr ab [Need et al., 1993] und meist halten sich ältere Menschen weniger oft im Freien auf (z.B. Heimbewohner). Um dem erhöhten Knochenabbau im Alter Rechnung zu tragen, sollte somit unbedingt auf eine ausreichende alimentäre Vitamin D-Zufuhr (z.B. fettreiche Meeresfische) und/oder auf eine entsprechende UV-Exposition durch längere Aufenthalte im Freien geachtet werden. Die mittleren Aufnahmemengen der Vitamine B1, B2, B6, A und C lagen um einige Prozentpunkte über den entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen, womit eine weitgehend zufriedenstellende Versorgungslage zu erwarten ist. Hervorzuheben ist jedoch die Bevölkerungsgruppe der über 65-Jährigen, welche im Vergleich zu den anderen Altersgruppen eine weit geringere Zufuhr insbesondere an den Vitaminen B1, B2, B6 und C aufwies. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei Einzelpersonen dieser Gruppe eine mangelnde Versorgung an den genannten Vitaminen vorliegt, ist demnach entsprechend größer. Eine äußerst gute Versorgung ist für männliche Erwachsene bei Vitamin B12 (Cobalamin) zu erwarten. Männer nahmen über die Nahrung signifikant (p<0,05) mehr Cobalamin auf als Frauen. Aber auch bei Frauen unter 65 Jahren zeigte sich eine im Mittel ausreichende Vitamin B12-Zufuhr. Bei älteren Personen muss jedoch allgemein mit höheren Prävalenzen einer unzureichenden Cobalaminversorgung gerechnet werden, da im Alter häufiger Absorptionsstörungen zu beobachten sind als in jungen Jahren. Bei Niacin lag die mittlere Zufuhr bei beiden Geschlechtern um rd. 100% über den entsprechenden Empfehlungen. Dementsprechend kann bei diesem Vitamin eine Unterversorgung der Erwachsenen in Österreich ausgeschlossen werden. Eine in Form von Supplementen aufgenommene Niacinmenge von 35 mg/Tag [DACH, 2000; IOM, 1998] sollte jedoch nicht überschritten werden, da die Einnahme hoEiweiß 52 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Frauen gesamt =24 J. 25-50 J. 51-64 J. =65J. D-A-CH Vitamin A1 (mg) 1,2 ± 1,1 1,2 ± 0,9 1,3 ± 1,2 1,3 ± 1,3 0,9 ± 0,7 0,8 β-Carotin2 (mg) 3,6 ± 3,8 3,3 ± 3,3 3,8 ± 4,1 3,5 ± 3,6 2,6 ± 2,1 2-4 Vitamin D (µg) 3,7 ± 5,0 3,3 ± 4,0 3,7 ± 5,1 4,1 ± 5,8 2,6 ± 2,5 5/10* Vitamin E3 (mg) 12,5 ± 8,1 12,7 ± 8,1 12,9 ± 8,5 12,3 ± 7,6 8,2 ± 4,6 12/11* Vitamin B1 (mg) 1,3 ± 0,8 1,3 ± 0,9 1,3 ± 0,8 1,2 ± 0,7 0,9 ± 0,4 1,0 Vitamin B2 (mg) 1,7 ± 1,0 1,7 ± 1,1 1,7 ± 0,9 1,6 ± 0,9 1,2 ± 0,5 1,2 Niacin4 (mg) 29 ± 13 29 ± 14 30 ± 14 29 ± 12 25 ± 11 13 Pantothensäure (mg) 5,5 ± 3,2 5,7 ± 3,3 5,7 ± 3,4 5,3 ± 2,8 3,9 ± 1,5 6 Vitamin B6 (mg) 1,8 ± 1,4 1,9 ± 1,6 1,9 ± 1,5 1,7 ± 0,9 1,3 ± 0,6 1,2 Biotin (µg) 58 ± 54 61 ± 55 62 ± 59 51 ± 42 36 ± 17 30-60 Folsäure5 (µg) 255 ± 115 256 ± 110 264 ± 120 247 ± 112 199 ± 91 400 Vitamin B12 (µg) 5±6 3 Vitamin C (mg) 131 ± 110 127 ± 106 138 ± 114 126 ± 111 98 ± 84 Männer gesamt =24 J. 25-50 J. 51-64 J. =65J. Vitamin A1 (mg) 1,4 ± 1,2 1,4 ± 1,5 1,3 ± 1,0 1,4 ± 1,2 1,3 ± 2,0 1,0 β-Carotin2 (mg) 3,5 ± 3,5 3,1 ± 2,8 3,5 ± 3,5 3,9 ± 4,0 2,7 ± 2,6 2-4 Vitamin D (µg) 4,2 ± 5,8 3,3 ± 4,1 4,1 ± 5,7 4,9 ± 6,5 5,4 ± 7,0 5/10* Vitamin E3 (mg) 13,8 ± 9,1 14,3 ± 10,3 14,1 ± 9,2 13,8 ± 8,7 9,0 ± 4,6 15/14/13/12* Vitamin B1 (mg) 1,6 ± 0,9 1,7 ± 0,9 1,6 ± 1,1 1,5 ± 0,7 1,1 ± 0,5 1,3/1,2/1,1/1,0* Vitamin B2 (mg) 2,0 ± 1,2 2,1 ± 1,5 2,0 ± 1,2 1,9 ± 1,1 1,3 ± 0,6 1,5/1,4/1,3/1,2* Niacin4 (mg) 38 ± 17 42 ± 21 39 ± 17 36 ± 15 30 ± 9 17/16/15/13* Pantothensäure (mg) 6,5 ± 4,0 7,2 ± 5,3 6,7 ± 4,0 6,1 ± 3,2 4,4 ± 1,7 6 Vitamin B6 (mg) 2,2 ± 1,6 2,6 ± 2,3 2,3 ± 1,6 2,0 ± 1,0 1,5 ± 0,5 1,5/1,4* Biotin (µg) 64 ± 63 66 ± 72 69 ± 72 56 ± 37 39 ± 19 30-60 Folsäure5 (µg) Vitamin B12 (µg) 284 ± 137 286 ± 152 294 ± 138 277 ± 123 217 ± 115 400 Vitamin C (mg) 151 ± 132 161 ± 154 156 ± 130 142 ± 123 108 ± 107 100 7 ± 13 5±5 8±9 5±4 7±8 5±7 7±7 4±3 8 ± 10 100 3 1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin; 2 dieser Wert mal 0,16 ist in den Retinol-Äquivalenten enthalten; 3 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γ-Tocopherol x 0,25 + mg Tocotrienol x 0,33; 4 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan; 5 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA) * D-A-CH-Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr für Senioren ab dem 65. Lebensjahr α- Tab. 2.32 Mittlere tägliche Vitaminzufuhr (MW ± SD) bei österreichischen Erwachsenen, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht her Niacinmengen nämlich zum sogenannten "Flushing" (brennendes, prickelndes, juckendes Hitzegefühl im Gesicht, an den Händen und Oberkörper) führen kann. Vor etwa einem Jahr wurde vom wissenschaftlichen Lebensmittelausschuss (SCF) der EU-Kommission ebenfalls ein Tolerable Upper Intake Level (UL) für Nicotinsäure und Nicotinamid formuliert. Beide biologisch aktiven Vitaminformen werden unter dem Begriff Niacin zusammengefasst. Das zuvor beschriebene Flushing wird jedoch nur durch Nicotinsäure ausgelöst. Daher wird der UL für Nicotinsäure vom 53 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung SCF mit 10 mg/d (Erwachsene) angegeben und der für Nicotinamid mit 900 mg/d (Erwachsene) [SCF, 2002a]. Über die Aufnahme an Nicotinsäure aus Lebensmitteln, wo es hauptsächlich in gebundener Form vorliegt, wurden keine negativen Effekte beschrieben. Bei Frauen der Altersgruppe bis 64 Jahren lag die mittlere Vitamin E-Zufuhr erfreulicherweise knapp über dem D-A-CH-Schätzwert. Bei Frauen ab 65 und dem männlichen Kollektiv erreichte die Vitamin E-Aufnahme im Mittel nicht die jeweiligen Schätzwerte. Da der Vitamin E-Bedarf nicht genau bestimmt werden kann, sind Aussagen über die Versorgungslage schwierig. Durch einen wünschenswert höheren Konsum von pflanzlichen Ölen (Raps-, Oliven-, Soja-, Maiskeimöl etc.) ließe sich jedoch die Vitamin E-Versorgung relativ einfach verbessern. Wie bereits erwähnt, sollten allerdings stattdessen vor allem weniger gesättigte tierische Fette (Schmalz, Butter, Wurst, Fleisch,...) verzehrt werden, um die Gesamtfettzufuhr nicht zu erhöhen. Die mittlere Pantothensäurezufuhr lag beim männlichen Kollektiv bis 64 Jahren über dem D-A-CH-Schätzwert. Die anderen Personengruppen lagen knapp darunter. Generell kann gesagt werden, dass ein Pantothensäuremangel nur sehr selten vorkommt, da der Mindestbedarf offenbar immer gedeckt wird [DACH, 2000]. Da die durchschnittliche Biotinaufnahme der Erwachsenen zumindest innerhalb des entsprechenden Schätzwertbereichs lag, ist eine Unterversorgung an diesem Vitamin ebenfalls unwahrscheinlich. Tab. 2.33 vergleicht die aktuellen Vitaminaufnahmen Erwachsener in Österreich mit den korrespondierenden Verzehrsdaten des Österreichischen Ernäh80 Frauen 60 40 20 bis 24J. 25-50J. D-A-CH0 51-64J. ab 65J. -20 -40 -60 -80 B12 Vit. A B6 B2 Vit.C B1 Vit. E Folat Vit. D 100 Männer 80 60 Abb. 2.19 Abweichung (in %) der mittleren täglichen Vitaminzufuhr von den D-ACH-Referenzwerten bei österreichischen Erwachsenen 40 bis 24J. 25-50J. 20 51-64J. D-A-CH0 ab 65J. -20 -40 -60 -80 B12 B6 Vit.C Vit. A Vitamin K wurde noch nicht exakt bewertet 54 B2 B1 Vit. E Vit. D Folat Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Frauen Männer rungsberichts 1998. Demnach hat sich die Vitaminversorgung bei den Er↔ ↑ Vitamin A1 wachsenen in den letzten fünf Jahren ↔ ↓ Vitamin D tendenziell verbessert. Davon ausgenommen ist jedoch Nahrungsfolat. ↑ ↑ Vitamin E2 Die Empfehlungen für die FolsäuVitamin B1 ↔ ↔ rezufuhr wurden auf 400 µg Folat (FoVitamin B2 ↑ ↑ lat-Äquivalente) pro Tag erhöht, da der Einfluss von Folsäure auf die Homo3 ↑ ↑ Niacin cysteinkonzentration im Plasma mit be↑ ↑ Pantothensäure rücksichtigt worden ist [DACH, 2000]. Ein erhöhter Homocysteinspiegel im Vitamin B6 ↑ ↑ Blut gilt als Risikofaktor für die Entste↑↑ ↑↑ Biotin hung der Koronarsklerose. Die Versor↓ ↓ gung mit diesem wichtigen Vitamin ist Folsäure4 in Österreich nicht ausreichend. Auch Vitamin B12 ↑ ↑ die Vitamin D-Aufnahme über Lebens↑↑ ↑↑ Vitamin C mittel bleibt auf einem riskant niedri1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg gen Niveau und ist bei den Männern soall-trans-β-Carotin; gar leicht gesunken. Hingegen ist die 2 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-ToBiotin- und Vitamin C-Zufuhr deutlich copherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γangestiegen. Tocopherol x 0,25 + mg α-Tocotrienol x Die durchschnittlichen täglichen 0,33; 3 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Aufnahmemengen an einzelnen MineTryptophan; Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg ralstoffen bzw. Spurenelementen sind Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutain Tab. 2.34 im Detail dargestellt. Als minsäure (PGA) "Maßstab" sind wiederum die entspre↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9% ↔ nahezu unverändert (<5%) chenden D-A-CH-Referenzwerte ange↑ (↓) höher (niedriger) um weniger als 9% führt. Bei Jod zeigte sich eine deutlich zu geringe Aufnahme durch Lebensmittel und Jodsalz. Besonders geringe Aufnahmemengen ergaben sich generell bei Frauen und bei über 65-Jährigen. Die Jodversorgung ist in Österreich nach wie vor als unzureichend zu charakterisieren. In den österreichischen Haushalten wird jodiertes Speisesalz verwendet, was auch in der Auswertung der Protokolle berücksichtigt wurde. Jedoch wird bei der Herstellung von Lebensmitteln in der Industrie und durch das Lebensmittelgewerbe in den seltensten Fällen mit Jodsalz gewürzt. Abgesehen von einem vermehrten Seefischkonsum (1-2mal pro Woche) wäre in einer umfassenden Verwendung von Jodsalz in der Lebensmittelproduktion ein großes Potential für die Verbesserung der Jodversorgung in Österreich vorhanden. Nach Schätzungen beträgt der Anteil der Natriumchloridaufnahme aus dem Verzehr von industriell/gewerblich be- und verarbeiteten Lebensmitteln beachtliche 70%. Die Zubereitung von Lebensmitteln im Haushalt und das individuelle Nachsalzen bei Tisch tragen lediglich zu etwa 16% zur Gesamtsalzaufnahme bei [Hötzel et al., 1992]. Die Möglichkeiten zur Verbesserung des Jodstatus über die Verwendung von Jodsalz im Haushalt sind bereits voll ausgeschöpft. Das zeigte sich vor allem an den hohen Aufnahmemengen an Natriumchlorid (Speisesalz), welche bei den männlichen Erwachsenen bei rund 8 g pro Tag und bei den weiblichen Erwachsenen bei rund 6 g pro Tag lagen. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern war signifikant (p<0,05). Unter den Lebensbedingungen in Mitteleuropa ist für Erwachsene eine Speisesalzzufuhr von 6 g pro Tag ausreichend. Von einer höheren Zufuhr sind eher Nachteile zu erwarten (Hypertonie, Knochenstoffwechsel, Gastritis etc.). Bei der Auswertung des Fragebogens zum allgemeinen Ernährungsverhalten zeigten sich hinsichtlich der Salz- bzw. Nachsalzgewohnheiten geschlechtsspezifische Unterschiede. Es salzen signifikant weniger Frauen (13,4%) regelmäßig ihre Speisen nach als Männer (26,7%). Alter, Bildungsgrad und BMI hatten keinen ersichtlichen Einfluss auf das Verlangen nach mehr Salz (Nachsalzen). 55 Tab. 2.33: Trends (Beobachtungszeitraum 1998-2002) in der Vitaminzufuhr bei österreichischen Erwachsenen Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Frauen gesamt =24 J. 25-50 J. 51-64 J. =65J. D-A-CH Calcium (mg) 889 ± 469 938 ± 461 900 ± 474 844 ± 467 727 ± 433 1000 Kalium (g) 2,6 ± 1,0 2,5 ± 0,9 2,7 ± 1,0 2,6 ± 0,9 2,3 ± 0,9 2 Magnesium (mg) 315 ± 112 313 ± 110 323 ± 117 307 ± 100 268 ± 104 300 Eisen (mg) 13,3 ± 6,8 13,1 ± 7,2 13,7 ± 7,0 13,0 ± 5,5 11,1 ± 4,5 10/15* Zink (mg) 10,2 ± 3,7 10,3 ± 3,6 10,2 ± 3,8 10,3 ± 3,7 9,8 ± 3,7 7 Jod (µg) 131 ± 76 127 ± 73 137 ± 80 128 ± 70 103 ± 68 180 Mangan (mg) 4,6 ± 2,4 4,5 ± 2,5 4,6 ± 2,4 4,5 ± 2,3 5,1 ± 2,9 2-5 Kupfer (mg) 2,0 ± 0,7 2,0 ± 0,7 2,1 ± 0,7 2,1 ± 0,7 1,8 ± 0,7 1-1,5 Männer gesamt =24 J. 25-50 J. 51-64 J. =65J. D-A-CH Calcium (mg) 987 ± 570 1045 ± 588 1000 ± 582 981 ± 528 661 ± 504 1000 Kalium (g) 3,0 ± 1,5 3,0 ± 1,4 3,1 ± 1,7 3,0 ± 1,1 2,4 ± 0,8 2 Magnesium (mg) 371 ± 150 385 ± 169 379 ± 154 362 ± 129 286 ± 95 350 Eisen (mg) 15,4 ± 7,1 15,6 ± 6,7 15,5 ± 7,8 15,6 ± 6,4 12,9 ± 4,4 10 Zink (mg) 12,7 ± 4,9 13,3 ± 5,5 12,5 ± 4,9 12,8 ± 4,9 11,7 ± 4,0 10 Jod (µg) 154 ± 211 160 ± 234 165 ± 254 135 ± 74 109 ± 59 180 Mangan (mg) 4,6 ± 2,4 4,5 ± 2,6 4,6 ± 2,3 4,7 ± 2,3 4,8 ± 2,4 2-5 Kupfer (mg) 2,3 ± 0,8 2,3 ± 0,9 2,3 ± 0,8 2,3 ± 0,8 2,1 ± 0,8 1-1,5 * Frauen von 15-50 Jahren Tab. 2.34: Mittlere tägliche Aufnahme (MW ± SD) an Mineralstoffen/ Spurenelementen bei österreichischen Erwachsenen, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht Unter den Mineralstoffen und Spurenelementen ist neben Jod auch Calcium ein kritischer Nährstoff. Im Vergleich zu den D-A-CH-Referenzwerten war die durchschnittliche Calciumaufnahme in allen Altersgruppen der Männer und Frauen zu niedrig. Die geringsten Aufnahmemengen zeigten sich im Kollektiv der Frauen und im Kollektiv der über 65-Jährigen. Hinsichtlich der Eisenversorgung ist generell auf menstruierende Frauen ein besonderes Augenmerk zu legen. Da diese Personengruppe die durch die Monatsblutung bedingten zusätzlichen Eisenverluste (etwa 15 g pro Monat) kompensieren muss, sind die entsprechenden Empfehlungen auch höher als für Männer (w/m: 15/10 mg) [DACH, 2000]. Nun zeigten sich gerade bei dieser Personengruppe niedrige Eisenaufnahmen. Demnach muss davon ausgegangen werden, dass bei einem Großteil der Frauen im gebärfähigen Alter der physiologisch bedingte, erhöhte Bedarf an Eisen nicht gedeckt ist. Hingegen lag die durchschnittliche Eisenaufnahme bei den Männern um rund 50% über den korrespondierenden Empfehlungen. Die Hypothese, dass zwischen einer hohen Eisenzufuhr und dem Risiko HerzKreislauf-Erkrankungen zu entwickeln, ein Zusammenhang bestünde, konnte bis dato nicht bestätigt werden [IOM, 2002]. Die durchschnittliche Magnesiumzufuhr lag zwar im Bereich der Empfehlungen, jedoch wäre eine Verbesserung der Aufnahme dennoch wünschenswert, da vor allem das Kollektiv der über 65-Jährigen im Mittel sogar unter den D-A-CHEmpfehlungen lag. Die durchschnittliche tägliche Zinkaufnahme lag in allen Altersgruppen der Frauen um rund 40% über den entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen. Tendenziell schlechter und damit verbesserungswürdig war die Zinkaufnahme bei den Männern. Bei Kalium, Mangan und Kupfer ist aufgrund der Verzehrsdaten eine Unterversorgung unwahrscheinlich. Wie Tab. 2.35 zeigt, hat sich mit Ausnahme von Jod die Aufnahme an Mineralstoffen bzw. Spurenelementen gegenüber den letzten Verzehrserhebungen allgemein verbessert. Hat sich die Jodaufnahme bereits aufgrund 56 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Frauen Männer 50 50 25 bis 24 J. 25 25-50 J. 0 D-A-CH 51-64 J. 0 D-A-CH ab 65 J. -25 -25 -50 -50 Zn K Mg Fe Ca J Fe K Zn Mg Ca J Zn...Zink; K...Kalium; Mg...Magnesium; Fe...Eisen; Ca...Calcium; J...Jod Phosphor, Chlorid: Unterversorgung unwahrscheinlich; Fluorid, Selen, Chrom: noch nicht exakt bewertet der 1998 publizierten Daten als verbesserungswürdig dargestellt, so steht dies nach den Ergebnissen der aktuellen Erhebung außer Frage. Allgemeines Ernährungsverhalten Erwachsener In einer Österreichweiten Untersuchung des Instituts für Ernährungswissenschaften der Universität Wien wurde das allgemeine Ernährungsverhalten, das Ernährungswissen sowie die Quellen der Ernährungsinformation von österreichischen Erwachsenen ab dem 20. Lebensjahr (n=887) erhoben. Als statistisches Instrumentarium wurde der Chi-Quadrat-Test nach Pearson eingesetzt. Das Signifikanzniveau lag bei p=0,05. Die Ernährungsform hat einen wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit. Unter anderem kann sie über eine optimale Zufuhr an Nährstoffen präventiv dazu beitragen, ernährungsbedingte Risikofaktoren zu minimieren und nicht ernährungsbedingte Risikofaktoren zu kompensieren. Das "allgemeine Ernährungsverhalten" hat sich im Vergleich zum Österreichischen Ernährungsbericht 1998 [ELMADFA et al., 1998] nicht wesentlich geändert. Nach wie vor gaben signifikant mehr Männer (72%) als Frauen (52%) an, dass sie einer gemischten Normalkost (österreichische Hausmannskost) den Vorzug geben. Ein Viertel der Frauen und rund 19% der Männer essen eine österreichische Standardkost mit Gesundheitsaspekten (weniger Fleisch, mehr Gemüse, Obst und Vollkornprodukte). Vegetarisch ernähren sich insgesamt hingegen nur etwa 3%. Hinsichtlich der bevorzugten Ernährungsform zeigten sich signifikante geschlechts- und bildungsspezifische Unterschiede (p<0,05). Frauen griffen häufiger zu Obst und Gemüse und ernährten sich fleischärmer als Männer. Betrachtet man den Einfluss des Bildungsgrades, zeigte sich, dass die Normalkost bzw. "Hausmannskost" vor allem von der Gruppe mit niedriger Bildung bevorzugt wird. Frauen Männer Bei Personen der Gruppe mit höherer Bildung wird eher einer fleischärmeren ↑↑ ↑↑ Calcium Ernährungsweise mit viel Gemüse und ↑ ↑ Kalium Obst der Vorzug gegeben. Nach eige↑ ↑ Magnesium ner Einschätzung nannte das befragte Kollektiv vor allem Vollkornprodukte, ↑ ↑ Eisen Obst, Fisch, Gemüse und Salat, als zu ↔ ↔ Zink wenig konsumierte Nahrungsmittelgruppen. ↓↓ ↓↓ Jod Der Großteil der Frauen und Män↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9% ner gaben an, regelmäßig sowohl ein ↑ (↓) höher (niedriger) um weniger als 9% ↔ nahezu unverändert (<5%) Frühstück (90% der Frauen; 87% der 57 Abb. 2.20: Abweichung (in %) der mittleren täglichen Zufuhr an Mineralstoffen und Spurenelementen von den D-ACH-Referenzwerten bei österreichischen Erwachsenen Tab. 2.35: Trends (Beobachtungszeitraum 1998-2002) in der Zufuhr an Mineralstoffen/Spurenelementen bei österreichischen Er- Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Abb. 2.21: Allgemeines Ernährungsverhalten bei österreichischen Erwachsenen, getrennt nach Bildungsgrad und Geschlecht (Angaben in %) 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Frauen Männer hohe Bildung mittlere Bildung niedrige Bildung Normalkost Normalkost, mit Gesundheitsaspekten viel Obst und Gemüse, wenig Fleisch vegetarisch, vegan Männer), ein Mittagessen (93% der Frauen; 91% der Männer) als auch ein Abendessen (94% der Frauen; 96% der Männer) einzunehmen. Der Anteil jener Personen, die regelmäßig frühstücken, nahm proportional mit dem Alter zu. Unterschiede zur Energie- und Nährstoffversorgung bei verschiedenen Ernährungsformen Mit Hilfe der Fragebogenerhebung zum allgemeinen Ernährungsverhalten von österreichischen Erwachsenen (n=886) wurden auch die Anteile der verschiedenen Ernährungstypen ("Normalkost", "Normalkost mit Gesundheitsaspekten", "bewusst gemischt mit viel Obst/Gemüse und wenig Fleisch" und "vegetarische Kost") ermittelt (Abb. 2.21). Bei einem Teilkollektiv (n=376) wurde die Energie- und Nährstoffaufnahme (Mittelwerte), getrennt nach Kostform, errechnet (Tab. 2.36). Die Ergebnisse dürfen allerdings nicht überbewertet werden, da die Stichprobengröße, insbesondere bei den Vegetariern, nicht sehr groß war. In Abb. 2.22 sind die relativen Unterschiede zwischen der "Normalkost" (57% des Teilkollektivs), welche der österreichischen Hausmannskost gleichzusetzen ist, und der "bewusst gemischten Kost mit viel Obst/Gemüse und wenig Fleisch" (15% des Teilkollektivs) nochmals verdeutlicht. Letztere Kostform wurde für den Vergleich gewählt, da sie der vegetarischen Ernährung am nächsten kommt und die Stichprobe größer und somit aussagekräftiger als die der Vegetarier war. Abb. 2.22 Abb. 2.22: Relative Abweichungen in der Energie- und Nährstoffaufnahme einer "bewusst gemischten Kostform" zur österreichischen "Normalkost" (= Hausmannskost) bei österreichischen Erwachsenen beta-Carotin Ballaststoffe Vitamin A Jod Vitamin E Kohlenhydrate Calcium Pflanzliches EW Folsäure Vitamin C Magnesium Kalium Vitamin B6 Pantothensäure Eisen Zucker GFS PFS Fett Protein ges. Vitamin B2 Cholesterin Niacin Biotin Zink Energie Vitamin B1 Tierisches EW Vitamin B12 Vitamin D Alkohol 24 % 24 % 18 % 14 % 11 % 10 % 9% 4% 4% 4% 3% -3 % -6 % -7 % -7 % -7 % -8 % -9 % -10 % -17 % -21 % -23 % -25 % -40 % -40 % -20 % 0% 20 % EW...Eiweiß; GFS...Gesättigte Fettsäuren; PFS...Polyenfettsäuren; MFS...Monoenfettsäuren bewusst gemischt = vor allem Gemüse, Obst, Vollkornprodukte, aber nur wenig Fleisch mittlere Abweichung lag bei ±10% = gestrichelte senkrechte Linien 58 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Normalkost Normalkost mit bewusst ge(n=216=57%) Gesundheitsmischt aspekten (n=58=15%) (n=97=26%) vegetarisch (n=5=2%) D-A-CH Energie (MJ) 8,4 ± 3,2 7,9 ± 7,6 7,6 ± 2,8 6,0 ± 2,5 7,5-10 E% Eiweiß 16 ± 6 15 ± 7 15 ± 7 12 ± 3 10-15 davon tier. (g) 52 ± 26 46 ± 28 41 ± 26 15 ± 12 - davon pfl. (g) 26 ± 14 26 ± 12 27 ± 14 22 ± 10 - 42 ± 19 46 ± 20 46 ± 22 56 ± 21 >50 davon Zucker 8±8 8±6 8±7 8±4 - Ballaststoffe (g) 17 ± 9 21 ± 10 21 ± 8 20 ± 11 >30 E% Fett 37 ± 19 36 ± 16 36 ± 16 30 ± 17 30 davon GFS 18 ± 9 17 ± 7 18 ± 7 12 ± 5 max. 10 davon MFS 14 ± 7 13 ± 5 13 ± 6 11 ± 6 13 davon PFS 5±3 6±4 5±3 7±6 7 Cholesterin (mg) 387 ± 246 338 ± 175 359 ± 339 138 ± 172 max. 300 E% Alkohol 5±9 3±5 3±4 2 ± 19 - Vit. A1 (mg) 1,1 ± 1,2 1,4 ± 1,8 1,3 ± 1,3 0,8 ± 0,4 0,9 β-Carotin2 (mg) 2,5 ± 2,9 3,3 ± 3,4 3,1 ± 2,5 3,0 ± 2,5 2-4 Vit. D (µg) 5,1 ± 8,2 3,4 ± 3,4 3,8 ± 5,2 4,8 ± 6,3 5 Vit. E3 (mg) 8,5 ± 5,5 9,5 ± 5,7 9,4 ± 5,1 9,3 ± 6,6 12,5 Vit. B1 (mg) 1,2 ± 0,6 1,1 ± 0,6 1,0 ± 0,5 0,8 ± 0,3 1,0 Vit. B2 (mg) 1,4 ± 0,6 1,4 ± 0,5 1,3 ± 0,8 1,2 ± 0,4 1,3 Niacin4 (mg) 30 ± 12 28 ± 14 28 ± 21 18 ± 8 14 Pantothens. (mg) Vit. B6 (mg) 4,6 ± 2,1 4,5 ± 1,8 4,6 ± 3,9 4,3 ± 2,1 6 1,6 ± 0,8 1,5 ± 0,7 1,6 ± 2,4 1,3 ± 0,4 1,4 Biotin (µg) 44 ± 32 44 ± 25 41 ± 19 52 ± 26 30-60 Folsäure5 (µg) Vit. B12 (µg) 214 ± 91 235 ± 99 222 ± 79 240 ± 70 400 5,3 ± 4,1 4,4 ± 3,8 4,1 ± 3,3 1,9 ± 1,9 3 Vit. C (mg) 125 ± 123 138 ± 136 130 ± 94 117 ± 54 100 Calcium (mg) 760 ± 450 785 ± 385 826 ± 429 606 ± 197 1000 Kalium (g) 2,5 ± 1,1 2,5 ± 1,0 2,5 ± 1,0 2,4 ± 0,6 2 Magnesium (mg) 298 ± 126 301 ± 115 306 ± 138 280 ± 106 325 Eisen (mg) 12 ± 5,0 13 ± 5,5 12 ± 4,2 11 ± 3,2 10/15 Zink (mg) 11 ± 4,5 11 ± 4,4 10 ± 3,7 6 ± 2,1 8,5 Jod (µg) 121 ± 81 122 ± 78 138 ± 128 117 ± 29 180 E% KH E%...Energieprozent; EW...Eiweiß; KH...Kohlenhydrate; GFS...Gesättigte Fettsäuren; MFS...Monoenfettsäuren; PFS...Polyenfettsäuren; 1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin; 2 dieser Wert mal 0,16 ist in den Retinol-Äquivalenten enthalten; 3 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γ-Tocopherol x 0,25 + mg α-Tocotrienol x 0,33; 4 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan; 5 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA) Normalkost = österreichische Hausmannskost; Normalkost mit Gesundheitsaspekten = österreichische Hausmannskost mit bewusst weniger Fleisch und mehr Gemüse, Obst und Vollkornprodukten; bewusst gemischt = vor allem Gemüse, Obst, Vollkornprodukte, aber nur wenig Fleisch; vegetarisch = ohne Trennung zwischen vegan/ovolacto-vegetarisch) Tab. 2.36 Mittlere tägliche Nährstoffzufuhr (MW ± SD) bei österreichischen Erwachsenen (n=376), getrennt nach Kostform zeigt für das Kollektiv mit der "bewusst gemischten" Ernährung (Gruppe A) gegenüber der "Normalkost"-Gruppe (Gruppe B) eine durchschnittlich höhere Kohlenhydrat- und Ballaststoffaufnahme. Die Gesamtenergiezufuhr war etwas geringer und der Anteil von Eiweiß, insbesondere von Eiweiß tierischem Ursprungs, war zugunsten des Kohlenhydratanteils niedriger. Der beachtlich geringere Alkoholkonsum 59 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Abb. 2.23 Ernährungswissen (in %) von österreichischen Erwachsenen 100% 80% m angelhaft 60% befriedigend 40% gut 20% 0% m ännlich w eiblich der Gruppe A kann wahrscheinlich auf ein höheres Gesundheitsbewusstsein zurückzuführen sein. Hinsichtlich des Fettkonsums zeigten sich weder quantitativ noch qualitativ Unterschiede. Die höhere Aufnahme an β-Carotin der Gruppe A lässt auf eine gemüse- und obstreiche Ernährung schließen und bestätigt dadurch die subjektiven Angaben der Probanden. Die Versorgung mit den Vitaminen A und E sowie Jod war in der Gruppe A ebenfalls wesentlich besser. Hingegen waren die Aufnahmen an den Vitaminen D, B1 und B12 geringer. Für den Großteil der anderen Nährstoffe waren die Unterschiede zwischen den beiden Ernährungsformen allerdings nicht mehr so stark ausgeprägt. Insgesamt kam jedoch die Gruppe mit der "bewusst gemischten Kostform" den D-A-CH-Referenzwerten näher als das Kollektiv, welches die "Hausmannskost" bevorzugte. Aufgrund der geringen Stichprobengröße soll dieser Vergleich lediglich dazu dienen, einen groben Überblick über potentielle Unterschiede hinsichtlich der Energie- und Nährstoffversorgung bei unterschiedlichen Kostformen zu geben. Die Ergebnisse dürfen nicht überbewertet werden. Ernährungswissen von österreichischen Erwachsenen Das Ernährungsverhalten wird zwar nicht nur durch das eigene Ernährungswissen beeinflusst, dennoch ist es aber eine Voraussetzung für die Anwendung einer bedarfsgerechten Ernährung. Ungünstige Ernährungsmuster in der Bevölkerung können zum Teil auch auf mangelndes Wissen zurückgeführt werden. Im folgenden Abschnitt soll das Ernährungswissen von Österreichischen Erwachsenen näher beleuchtet werden. Die Beurteilung erfolgte anhand der Anzahl richtiger Antworten aus einem eigens für diesen Zweck entwickelten Fragebogen. Für jede richtige Antwort wurde ein Punkt vergeben, für mehr oder weniger richtige Antworten ein halber. In Summe konnten 38 Punkte erzielt werden: - gut (30-38 Punkte) - befriedigend (20-29,5 Punkte) - mangelhaft (0-19 Punkte) Antwortmöglichkeiten richtig % Antwortmöglichkeiten falsch % Frauen Männer Verdauungsfördernd Tab. 2.37: Ernährungswissen: Antworthäufigkeiten (in %) auf die Frage nach der Wirkung von Ballaststoffen Frauen Männer 90 81 Entziehen Vitamine 1 2 Heben das Sättigungs- 67 gefühl 64 Führen zu Verstopfung 3 4 Beugen Darmkrankhei- 60 ten vor 62 Machen dick 3 4 Belasten den Kreislauf 1 2 Bewirken nichts 1 Mehrfachangaben waren möglich 60 0,5 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung BMI Ernährungswissen Gut Befriedigend Mangelhaft Männer Wien Bundesland Wien Bundesland Wien Bundesland <20 0 50 67 17 33 33 20-25 22 16 57 70 21 14 25-30 22 30 62 54 17 16 >30 31 19 62 38 8 44 <19 24 22 71 61 5 17 19-24 26 30 63 60 11 10 25-30 34 27 54 63 12 10 >30 33 21 56 64 11 14 Frauen Wie aus Abb. 2.23 hervorgeht, war das Ernährungswissen der weiblichen Studienteilnehmer besser als jenes der männlichen. Außerdem übte das Lebensalter einen signifikanten Einfluss auf das Ernährungswissen aus. Über ein gutes bzw. mangelhaftes Ernährungswissen verfügten 28 bzw. 11% der Frauen und nur 22,5 bzw. 18,5% der Männer. Der Anteil der Österreicher, die ein gutes Ernährungswissen hatten, stieg proportional mit dem Lebensalter an und sank ab dem 60. Lebensjahr wieder ab. So hatten Frauen und Männer, die jünger als 20 Jahre waren ein schlechteres Ernährungswissen als ältere Personen (<60 Jahre) innerhalb ihrer Geschlechtsgruppe. Rund ein Drittel der Befragten konnte den persönlichen täglichen Energiebedarf richtig einschätzen. Signifikant mehr Frauen (37%) als Männer (29%) stuften ihren Kalorienbedarf richtig ein. 18% der Männer und 13% der Frauen konnten den Bedarf hingegen gar nicht schätzen. Erfreulicherweise wussten aber rund 90% des befragen Kollektivs (86% Männer und 93% der Frauen), dass Milch und Milchprodukte wichtige Calciumlieferanten darstellen. Käse wurde von etwa 88% der Frauen und Männer als fettreiches Lebensmittel erkannt. 75% der Frauen aber immerhin rund 80% der Männer (94% aus Wien, 67% aus den Bundesländern) wussten auch, dass Käse nennenswerte Mengen an Eiweiß enthält. Mehr Männer als Frauen wussten, dass Fleisch fettreich sein kann. Beim Eiweißgehalt verhält es sich umgekehrt, hier wussten Frauen besser Bescheid. Das Ernährungswissen zum Eiweißgehalt von Fisch war innerhalb beider Geschlechter ungefähr gleich gut. Fast alle Frauen und Männer wussten, dass man pro Tag mindestens einen Liter Flüssigkeit trinken soll. Rund 70% der Männer und Frauen in Österreich waren sich einig, dass der tägliche Flüssigkeitsbedarf etwa zwei bis drei Liter beträgt; ein Viertel war der Meinung, dass er ein bis zwei Liter pro Tag ausmachen soll. Rund 4% überschätzten die tägliche Flüssigkeitszufuhr (>3 Liter). Verschimmeltes Brot ist nicht zum Verzehr geeignet, da sich unter den Schimmelpilzen auch solche mit sehr gesundheitsschädigender Wirkung befinden können. Das wusste der Großteil der österreichischen Erwachsenen (95% der Frauen und 93% der Männer). Ein großer Teil der österreichischen Erwachsenen wusste auch über die Wirkung von Ballaststoffen im menschlichen Organismus Bescheid. Aus einer Anzahl von Antwortmöglichkeiten durften max. drei als richtig ausgewählt werden (Tab. 2.38). Insgesamt zeigten Personen mit einem höheren BMI ein relativ gutes Ernährungswissen. Jedoch hatten adipöse Männer (BMI >30 kg/m2) aus den einzelnen Bundesländern Österreichs ein signifikant schlechteres Ernährungswissen als das weibliche Kollektiv. Bei den Frauen zeigten sich keine signifikanten Unterschiede innerhalb der einzelnen BMI-Gruppen. In Wien war der Anteil der Männer mit einem schlechten Wissen indirekt proportional mit der Höhe des BMI, genau 61 Tab. 2.38 Einfluss des BMI auf das Ernährungswissen getrennt nach BMI-Klassen bzw. Geschlecht (in %) Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Abb. 2.24: Quellen der Ernährungsinformation von österreichischen Erwachsenen (in %) Apotheke FC TZ/Inser. Arzt GZS/FB ZS Radio TZ/RB TV FFB 0 10 20 30 Frauen FFB... TZ/RB.. ZS... FC... Freunde, Familie, Bekannte Tageszeitung, red. Beiträge Zeitschriften, red. Beiträge Fitness Center 40 50 60 Männer TV... Reportagen, Beiträge im Fernsehen Radio... Berichte, Beiträge GZS/FB... Gesundheitszeitschriften/-bücher Apotheke/Reformhaus umgekehrt verhielt es sich bei den Frauen. Zwischen dem Bildungsgrad der Österreicher und dem Ernährungswissen ließen sich keine signifikanten Zusammenhänge erkennen. Ernährungsinformation bei Erwachsenen In der Gesundheitspolitik versucht man heute zunehmend die Prävalenz ungünstigen Ernährungsverhaltens und ernährungsabhängiger Erkrankungen durch Intervention, wie beispielsweise Information, zu verringern. Im Hinblick auf Ernährungsaufklärung und Ernährungsinformation war das Interesse bei Männern und Frauen verschieden. So informierten sich mehr als ein Drittel der österreichischen Frauen regelmäßig über aktuelle Ernährungsthemen und mehr als die Hälfte der Frauen informierte sich zumindest gelegentlich. Lediglich 9% der Frauen informierten sich nie. Im Gegensatz dazu erklärten 16% der befragten Männer, sich nie bewusst mit Ernährungsinformationen auseinander zu setzen. Männer und Frauen griffen zum Teil auch auf unterschiedliche Informationsquellen zurück. Für Männer waren die Familie, Freunde und Bekannte die wichtigsten Ratgeber in Sachen Ernährung. Für Frauen war das Fernsehen (Reportagen, Beiträge, Berichte etc.) die wichtigste Informationsquelle, gefolgt von Gesundheitszeitschriften und/oder Fachbüchern. Während nur ein geringer Prozentsatz der Männer ihre Ernährungsinformationen aus Apotheken bzw. Reformhäusern holte, taten dies mehr als 20% der Frauen. Lebensmittelwahl von österreichischen Erwachsenen Tab. 2.39 zeigt, in welchem Ausmaß österreichische Erwachsene neun vorgegebene Kriterien bei der Auswahl von Lebensmitteln beachten. Sowohl bei Männern als auch bei Frauen war der gute Geschmack bzw. Genusswert der Lebensmittel das wichtigste Auswahlkriterium. Betrachtete man die Kollektive differenziert nach ihrem BMI, so fand man unter Übergewichtigen und Adipösen den größten Anteil des Gesamtkollektivs, der auf den Genuss großen Wert legt. Frauen achteten signifikant häufiger auf die Zusammensetzung bzw. die Inhaltsstoffe von Lebensmitteln als Männer. Für Verpackung und Aufmachung der Lebensmittel war kaum Interesse vorhanden. Auch Image und Bekanntheitsgrad waren bei der Auswahl der täglichen Lebensmittel nicht von großer Bedeutung. Etwa die Hälfte der Befragten gab an, selten darauf zu achten. Der Einfluss des Images machte sich beim Einkauf bei Personen, die eine niedrigere Bildung aufweisen, eher bemerkbar als bei höher Gebildeten. 62 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Frauen Männer Signifikant mehr Frauen als Männer achteten beim Einkauf auf möglichst wenig Zusatzstoffe in ihren Lebensmitguter Geschmack guter Geschmack teln. Der Anteil der Personen, der bei 94% 94,5% der Lebensmittelwahl auf den Gehalt MindesthaltbarMindesthaltbarvon Zusatzstoffen achtete, stieg prokeitsdatum keitsdatum portional mit dem Alter an. Das ge81,5% 72,8% ringste Interesse zeigte sich innerhalb ZusammensetPreis des Kollektivs der Adipösen. Es zeigten zung/Inhaltsstoffe 48,1% sich keine geschlechtsspezifischen 62,3% Unterschiede im Interesse an der Schnelligkeit bei der Speisenzubereimöglichst wenige Ursprungs-/Hertung. Männer und Frauen aus Wien achZusatzstoffe stellungsland 59,5% 45,6% teten häufiger auf eine schnelle Küche (41%) als das Kollektiv aus anderen Ursprungs-/HerZusammensetBundesländern (25%). Je älter das stellungsland zung/Inhaltsstoffe männliche Kollektiv, desto weniger 51,9% 38,7% Interesse an einer möglichst schnellen Preis möglichst wenig Zubereitung war vorhanden. Der Bil50% Zusatzstoffe dungsgrad hatte keinen ersichtlichen 37,4% Einfluss auf dieses Auswahlkriterium. schnelle Zuberei- schnelle ZubereiDas Herstellungsland interessierte ettung tung wa die Hälfte des Gesamtkollektivs. 34,6% 30,9% Während fast jeder vierte Mann angab, nie auf das Herstellungsland der LeImage/BekanntImage/Bekanntbensmittel zu achten, tat dies nicht einheitsgrad heitsgrad mal jede sechste Frau. 15,6% 21,2% Für etwa die Hälfte der Befragten Verpackung/ Verpackung/ spielte der Preis eine Rolle bei der KaufAufmachung Aufmachung entscheidung. Dabei zeigte sich ein al9% 9,5% tersabhängiger Trend. Vor allem 20- bis 29-Jährige achteten häufig auf den Preis. Je älter die Befragten waren, umso weniger war der Preis für die Lebensmittelwahl entscheidend. 2.4.1 Trinkverhalten und Flüssigkeitsaufnahme von österreichischen Erwachsenen Zusammenfassung Der menschliche Organismus ist auf eine regelmäßige und mengenmäßig ausreichende Flüssigkeitszufuhr angewiesen. Mit einer vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien durchgeführten Untersuchung sollte das Trinkverhalten und der Getränkekonsum von österreichischen Erwachsenen (n= 826) erfasst werden. Von Juni bis Oktober 2002 wurden in 5 verschiedenen Regionen von Österreich Fragebögen verteilt. Die Fragebögen bestanden aus einem allgemeinen Fragenteil, einem Food Frequency Questionnaire sowie aus einem 24-hRecall. Es wurde ausschließlich der Getränkekonsum erfragt. Zusammengefasst kann das Trinkverhalten und die Flüssigkeitsaufnahme aus Getränken als sehr zufriedenstellend beurteilt werden. Die durchschnittliche Trinkmenge von nicht-koffeinhaltigen und nicht-alkoholischen Getränken lag im Bereich von 1,5-1,8 Liter pro Tag und somit über dem Richtwert von 1-1,5 Liter pro Tag [DACH, 2000]. Leitungswasser und Mineralwasser ergaben sich als die beliebtesten Durstlöscher. Es wird regelmäßig zum Frühstück (neben Kaffee), zu den Hauptmahlzeiten sowie auch zwischen den Mahlzeiten getrunken. Alkoholische Getränke werden vor allem von Männern an den meisten Tagen der Woche konsumiert. Erfrischung, Geschmack und Gesundheit wurden von den Probanden haupt- 63 Tab. 2.39 Kriterien von österreichischen erwachsenen Frauen und Männern bei der Lebensmittelwahl (in %) Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Tab. 2.40 Altersverteilung der Stichprobe Altersgruppe Häufigkeit (n) Prozent (%) sächlich als Gründe für die Getränkewahl genannt. Frauen nannten auch =21 Jahre 67 8,1 den Kaloriengehalt und Männer die Gewohnheit als Faktoren. 21-30 Jahre 227 27,5 Nach subjektiver Einschätzung des 31-40 Jahre 166 20,1 befragten Kollektivs wird im Winter (bevorzugt Trinkwasser, Tee) zwischen 1,141-50 Jahre 130 15,7 1,5 Liter pro Tag und im Sommer (be51-60 Jahre 120 14,5 vorzugt Trinkwasser, Fruchtsäfte) zwi>60 Jahre 116 14,1 schen 1,6-2 Liter getrunken. Kaffee wird signifikant häufiger im Winter geGesamt 826 100 trunken als im Sommer. Bei Alkohol verhält es sich genau umgekehrt. Bei den älteren Probanden zeigte sich zwar eine etwas geringere Trinkhäufigkeit, welche auch positiv mit der Trinkmenge korrelierte, aber insgesamt zeigte sich auch bei den über 60-Jährigen ein zufriedenstellendes Trinkverhalten. Das Studienkollektiv wusste sehr gut über die Bedeutung einer ausreichenden Wasseraufnahme Bescheid und erfreulicherweise zeigte sich auch ein dem entsprechendes Verhalten. Allgemein Wasser ist für alle Lebensformen einer der wichtigsten, wenn nicht der wichtigste, Nährstoff überhaupt. Bekanntlich kann ein Mensch ohne Wasserzufuhr unter optimalen Umgebungstemperaturen etwa eine Woche überleben. Starke Wasserverluste (z.B. bei Durchfall) können unter ungünstigen klimatischen Bedingungen bereits nach wenigen Stunden zum Tod führen. Aber bereits eine geringfügige Dehydratation wirkt sich negativ auf die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit im Berufsalltag oder bei Freizeitaktivitäten aus. Eine lang anhaltende suboptimale Flüssigkeitsaufnahme erhöht wahrscheinlich auch das Risiko zur Bildung von Harnsteinen und Entstehung von Krebserkrankungen des Dickdarms und der Harnwege. Bei durchschnittlichen Klimabedingungen in Mitteleuropa sollten Erwachsene rund 2650 ml Flüssigkeit pro Tag aufnehmen [DACH, 2000]. Dieser Wert gilt für 19-51-Jährige mit mittlerer körperlicher Aktivität, entsprechend einem PAL (= Physical Activity Level) von etwa 1,7. Je nach Höhe der Nahrungszufuhr liefern feste Lebensmittel bis zu 1000 ml Wasser. Oxidationswasser trägt mit ca. 300 ml zur Deckung des täglichen Wasserbedarfs bei. Somit sollten 1000-1500 ml Wasser in Form von nicht-koffeinhaltigen und nicht-alkoholischen Getränken aufgenommen werden. Studien deuten darauf hin, dass ein beachtlicher Anteil der Bevölkerung die von Fachgesellschaften empfohlenen Trinkmengen nicht erreicht [Heseker und Weiss, 2002]. Methode In einer vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien durchgeführten Untersuchung sollte das Trinkverhalten der österreichischen Bevölkerung über 18 Jahren erhoben werden. Von Interesse waren alle durch Getränke aufgenommenen Flüssigkeiten, wie Wasser, Säfte, Kaffee, Tee, Alkohol etc. Neben geschlechts- und altersspezifischen Unterschieden sollten auch saisonale Einflüsse auf die Trinkgewohnheiten aufgezeigt werden. Im Zeitraum von Ende Juni bis Ende Oktober 2002 wurden insgesamt 977 Fragebögen in fünf Bundesländern (Oberösterreich, Steiermark, Kärnten, Niederösterreich und Wien) verteilt. Bei einer Rücklaufquote von 84,5% konnten 826 Fragebögen ausgewertet (SPSS für Windows 10) werden. Von den 826 Probanden waren 457 (55,3%) weiblich und 368 (44,6%) männlich, 1 Proband machte keine Angaben zum Geschlecht. In einem allgemeinen Teil des Fragebogens wurden soziodemographische und anthropometrische Daten (Körpergröße, Körpergewicht) 64 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung <3m al 3-5m al 6-8m al Abb. 2.25 Trinkhäufigkeit pro Tag bei österreichischen Erwachsenen >8m al 60 Prozent 50 40 30 20 10 0 <21 J. 21-30 J. 31-40 J. 41-50 J. 51-60 J. >60 J. erfasst. Die Trinkgewohnheiten und der Getränkekonsum wurde durch einen modifizierten Food Frequency Questionnaire sowie ein 24-h-Recall erfragt. Um etwaige Unterschiede zwischen einer retrospektiven (24-h-Recall) und einer prospektiven Erhebung aufzuzeigen, wurde zusätzlich ein 1-d-Protokoll ausgegeben. Allgemeines Trinkverhalten von Erwachsenen Abb. 2.25 zeigt die ermittelten Trinkhäufigkeiten in Abhängigkeit vom Alter. Kaffee und Alkohol sind in diese Auswertung nicht miteingeflossen. Sie zählen zu den Genussmitteln und sind als Durstlöscher eher ungeeignet. Zwischen den Geschlechtern wurde hinsichtlich der Trinkhäufigkeit kein Unterschied festgestellt. Jüngere griffen jedoch signifikant häufiger zu einem Getränk als ältere Probanden. D.h. mit zunehmendem Alter wurde weniger oft getrunken. Die Trinkfrequenz korrelierte dabei positiv mit der Trinkmenge. Die Akzeptanz von Leitungswasser als Getränk kann aufgrund der Ergebnisse als sehr hoch eingestuft werden. Immerhin 88% der Befragten konsumieren demnach regelmäßig Leitungswasser und 69% sogar täglich. Dabei gaben signifikant mehr Frauen (77%) als Männer (58%) an, täglich Leitungswasser zu trinken. 592 Probanden lieferten brauchbare Informationen, um die tägliche Trinkmenge von Leitungswasser zu errechnen. Demnach konsumierte ein Großteil (88%) täglich zwischen einem halben und zwei Liter Leitungswasser. 6% tranken weniger als ¼ Liter und nur weitere 6% mehr als zwei Liter dieses Getränks pro Tag. Die ermittelte Trinkhäufigkeit von Mineral-/Sodawasser ist insgesamt mit der von Leitungswasser vergleichbar. Im Gegensatz zu Leitungswasser trinken mehr Männer (57%) als Frauen (41%) täglich Mineralwasser oder Soda. Die Trinkhäufigkeit von alkoholischen Getränken wurde separat erfragt. Wie aus Abb. 2.26 hervorgeht, greifen Männer insgesamt häufiger zu alkoholischen Getränken als Frauen. Da Wasser auch ein "Kühlmittel" für den Körper ist (Schwitzen), besteht bei sommerlichen Umgebungstemperaturen ein erhöhter Flüssigkeitsbedarf. 86% des befragten Kollektivs waren auch der Meinung, im Sommer mehr zu trinken als im Prozent Frauen Männer 50 40 30 20 10 0 täglich 3-6mal 1-2mal pro pro Woche Woche 65 selten nie Abb. 2.26 Trinkhäufigkeit alkoholischer Getränke bei österreichischen Erwachsenen Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Som m er Winter 40 Prozent Abb. 2.27: Subjektive Einschätzung der täglichen Trinkmenge bei österreichischen Erwachsenen 30 20 10 0 <1 l Tab. 2.41: Gründe für die Getränkewahl bei österreichischen Erwachsenen (Mehrfachnennungen waren möglich) 1,1-1,5 l 1,6-2 l 2,1-2,5 l >2,6 l Winter. In Abhängigkeit von der Jahreszeit sollten die Probanden ihren täglichen Getränkekonsum angeben. Diese subjektive Einschätzung zur täglichen Trinkmenge ist in Abb. 2.27 dargestellt. Insgesamt schätzte die Mehrheit der Probanden den eigenen Flüssigkeitskonsum zwischen einem und zwei Liter pro Tag ein. Immerhin knapp 25% gaben an, im Winter weniger als 1 Liter täglich zu trinken. Unterschiede zeigten sich auch hinsichtlich der Art der Getränke. Erwartungsgemäß wurde Wasser bzw. Mineralwasser als bevorzugtes Getränk im Sommer mit 82% der Nennungen am häufigsten genannt. Gefolgt von Fruchtsäften und Limonaden. Ebenso wenig ist es überraschend, dass Tee (56%) im Winter nahezu gleich häufig als bevorzugtes Getränk genannt wird wie Wasser bzw. Mineralwasser (58%). Kaffee wird signifikant häufiger im Winter getrunken als im Sommer. Bei Alkohol verhält es sich genau umgekehrt. 93% der Befragten gaben an, regelmäßig zum Frühstück etwas zu trinken. Dabei gab es auch so gut wie keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern und Altersgruppen. Auf die Frage nach der Art der konsumierten Getränke, wurden Kaffee (61%), Tee (37%), Wasser (24%) und Fruchtsäfte (18%) am häufigsten genannt (Mehrfachangaben waren möglich). Insgesamt 91% beantworteten die Frage nach dem Getränkekonsum zu den Hauptmahlzeiten mit "ja". Dabei zeigte sich jedoch, dass Personen ab 51 Jahren deutlich häufiger keine Getränke zu den Hauptmahlzeiten konsumieren. Weitaus am häufigsten wurde Wasser bzw. Mineralwasser (70%) als Getränk genannt. Gefolgt von Fruchtsäften (34%) und Alkohol rangiert mit 25% der Nennungen bereits an dritter Stelle. Männer gaben signifikant häufiger an, Alkohol zu den Hauptmahlzeiten zu trinken als Frauen. Frauen bevorzugen Wasser bzw. Mineralwasser. Die überwiegende Mehrheit des Kollektivs (93%) trinkt auch zwischen Prozent (%) den Mahlzeiten. Wasser bzw. Mineralwasser (80%) sowie Fruchtsäfte (26%) Erfrischung 79 lagen an erster und zweiter Stelle der Geschmack 61 Nennungen. Auch dabei ließen sich signifikante Unterschiede zwischen den Gesundheit 58 Geschlechtern feststellen. Frauen trinKaloriengehalt 27 ken demnach zwischendurch häufiger Gewohnheit 25 Wasser und Tee, während Männer alkoholische Getränke und Limonaden Nährstoffgehalt 22 bevorzugen. Preis 16 Kohlensäuregehalt 14 Alkoholgehalt 5 Verpackung 3 Überlegungen Erwachsener zur Getränkewahl Die Probanden hatten beim Ausfüllen des Fragebogens 10 Punkte zur 66 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Prozent Auswahl, von denen sie jene ankreuzen (%) sollten, welche für die Getränkewahl Probiotische Getränke 55 von Bedeutung sind. Die Auswertung ist in Tab. 2.41 aufgeschlüsselt. Tee-Fruchtsaftgetränke 50 Aus den 10 Faktoren wurden 5 ausWellness-Getränke 43 gewählt, bei denen die Unterschiede zwischen den Geschlechtern am auSportgetränke, Isotonische 35 genscheinlichsten waren. Mehr als Getränke doppelt so viele Frauen als Männer ACE-Getränke 24 nannten den Kaloriengehalt der GeLight-Getränke 21 tränke als mitentscheidend für den Konsum. Außerdem war für Frauen der Gesundheitsaspekt wichtiger als der Geschmack. Der Faktor Erfrischung blieb in jeder Altersgruppe an erster Stelle der Nennungen. Hingegen nahm die Bedeutung des Geschmacks mit zunehmendem Alter ab. Nahezu im gleichen Ausmaß stieg die Wichtigkeit der Gesundheit für die Getränkewahl an. 79% der Befragten waren der Meinung, sich nicht von Trends in ihrem Trinkverhalten beeinflussen zu lassen. Das Alter übte bei diesem Punkt wieder einen signifikanten Einfluss aus. Je älter die Probanden, desto weniger war die Meinung vorherrschend, sich von der Werbung oder Modeerscheinungen beeinflussen zu lassen. Diejenigen, welche angaben, sich auch nach Trends zu richten, nannten die in Tab. 2.42 angeführten Trendgetränke am häufigsten. Außerdem war von Interesse, wie viele der Befragten häufig ihr Durstgefühl unterdrücken. Das schien unter anderem im Hinblick auf das Trinkverhalten von älteren Menschen von Bedeutung zu sein, da besonders im fortgeschrittenen Alter schnell Störungen im Wasserhaushalt auftreten können. Die Reabsorption von Wasser in der Niere ist beeinträchtigt und das Durstempfinden der Senioren ist abgeschwächt. 81% des Gesamtkollektivs antworteten mit "nein", sie würden ihr Durstgefühl nicht unterdrücken. Speziell die Probanden aus den älteren Altersgruppen gaben sogar weniger häufig an, ihr Durstgefühl zu unterdrücken. Wahrscheinlich dürfte die große Bedeutung einer ausreichenden Flüssigkeitsaufnahme in jedem Lebensalter, durch verschiedene Aufklärungsmaßnahmen, schon vielen älteren Menschen geläufig sein. Bei körperlicher Aktivität, wie z.B. bei Sport, erhöht sich aufgrund der Flüssigkeitsverluste durch schwitzen der Wasserbedarf. Erstaunliche 439 der 826 Befragten gaben an, regelmäßig Sport zu betreiben (2mal pro Woche 45 min). 87% dieser körperlich aktiven Personen beantworteten die Frage, ob sie während oder nach dem Sport mehr trinken, mit "ja". Obwohl die Mehrheit beider Geschlechter beim Sport mehr trinkt, neigten signifikant mehr Frauen als Männer dazu, trotz Bewegung nicht mehr zu trinken als sonst. Mineralwasser als Trendgetränk Der österreichische Mineralwassermarkt "boomt". Insgesamt wurden laut Industrieerhebung eines Marktforschungsinstituts in den ersten 5 Monaten des Jahres 2003 488 Millionen Liter reines natürliches Mineralwasser Österreichischer Herkunft in Österreich abgefüllt. Davon nimmt die Vöslauer AG mit 38,3% den Löwenanteil in Anspruch, gefolgt von Top-Konkurrent Römerquelle (mit einem Marktanteil von 17,2%) und den "Sonstigen" (12,3%), darunter auch Importmineralwässer. Platz vier gehört dem burgenländischen Abfüller Waldquelle (9,7%). Dahinter kommen die Marken Gasteiner, Juvina (Fa. Starzinger) und Astoria (Zweitmarke von Alpquell), mit einem Marktanteil zwischen 3-4%. Im Gastro-Geschäft hingegen dominiert Römerquelle klar vor Gasteiner und Vöslauer. Mineralwasser liegt als voll im "Trend". Der Mineralwasser-Absatz stieg in den letzten 10 Jahren nahezu kontinuierlich an. Beispielsweise betrug der Jahresabsatz im Jahr 2002 rund 723 Millionen Liter 67 Tab. 2.42 Konsumhäufigkeiten von Trendgetränken bei österreichischen Erwachsenen (Mehrfachnennungen waren möglich) Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Tab. 2.43: Mittlere tägliche Getränkezufuhr bei österreichischen Erwachsenen Getränk (ml/d) Trinkmenge (MW ± SD) Leitungswasser 711 ± 787 Mineralwasser 442 ± 572 Kaffee 261 ± 259 alkoholische Getränke 204 ± 352 Tee 190 ± 321 sonstige Getränke* 150 ± 239 und ist damit im Vergleich zu 2001 um 12,6% angestiegen. Der Pro-KopfVerbrauch für den gleichen Beobachtungszeitraum ist von 85 Liter im Jahr 2001 auf 90 Liter im Jahr 2002 (Basis jeweils: 8,06 Mio. Einwohner) angestiegen [ÖSTAT, 2002]. Trinkmenge und Energiezufuhr von Erwachsenen Wie eingangs erwähnt, sollte von Limonaden 114 ± 264 den Probanden auch ein 24-h-Recall Obst-/Gemüsesäfte 102 ± 242 sowie ein 1-d-Protokoll ausgefüllt werden. Bei beiden Protokollen wurMilch/Milchgetränke 36 ± 109 de ausschließlich nach den konsuLight-Limonaden 7 ± 56 mierten Getränken gefragt. Generell konnte bei keiner VariaSirup 6 ± 22 blen ein Unterschied zwischen den * z.B. Wellness-Getränke, Sportgetränke, beiden Protokollarten festgestellt Energy-Drinks werden. Zur weiteren Datenanalyse wurde daher ausschließlich der 24-hRecall verwendet, da die Rücklaufquote entsprechend höher war (n=746 bzw. 76,4%). Die Gesamttrinkmenge des Studienkollektivs lag im Mittel bei rund 2,3 Liter pro Tag. Darin enthalten sind jedoch auch Kaffee, Alkohol und Milch, also Getränke welche nicht zu den "echten" Durstlöschern zu zählen sind. Koffeinhaltige und alkoholische Getränke erhöhen die Wasserausscheidung und bedingen dadurch sogar einen höheren Wasserbedarf. Tee wurde nicht in koffeinhaltig und nicht-koffeinhaltig aufgeschlüsselt. Insgesamt kann die Flüssigkeitszufuhr als sehr zufriedenstellend beschrieben werden. Die höchsten Trinkmengen ergaben sich bei Wasser (Leitungswasser und Mineralwasser). Signifikante Unterschiede in der Gesamttrinkmenge zeigten sich unter anderem hinsichtlich des Geschlechts und der Altersgruppen. Männer trinken mehr als Frauen, 21-40-Jährige trinken deutlich mehr als die anderen Altersgruppen und die Gruppe der über 60-Jährigen nimmt am wenigsten Flüssigkeit in Form von Getränken zu sich. Die Gesamtenergiezufuhr aus den Getränken betrug durchschnittlich 385 kcal pro Tag. Der Großteil der Energieaufnahme stammte dabei aus Alkohol und Limonaden (je rund 113 kcal/d). Wissen Erwachsener über das Trinken Das Ernährungsverhalten bzw. in diesem speziellen Fall das Trinkverhalten wird zwar nicht nur durch das eigene Wissen darüber beeinflusst, dennoch ist es aber eine Voraussetzung für die Anwendung einer bedarfsgerechten Flüssigkeitszufuhr. Alkoholgehalt Kalorien Abb. 2.28 Gründe für die Getränkewahl bei österreichischen Erwachsenen Frauen Gewohnheit Männer Gesundheit Geschmack 0 20 40 68 60 80 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Trinken und Durststillung sind extrem variable Verhaltensweisen, die eine Kombination aus angeborenen und erlernten Mechanismen beinhalten. Üblicherweise wird ohne offensichtliche Notwendigkeit getrunken und das physiologisch benötigte Wasser wird meist schon im Voraus, d.h. bevor sich ein starkes Durstgefühl einstellt, aufgenommen [Schmidt et al., 2000]. Einige kurze Wissensfragen sollten darüber Aufschluss geben, in wie weit sich die Befragten bisher mit dem Thema "Trinken" auseinander gesetzt haben. Wie viel, denken Sie, sollten Sie mindestens täglich trinken? Aus den drei vorgegebenen Antwortmöglichkeiten auf diese Fragen wählten 0,6% der Befragten "ungefähr 1 Liter". 24,4% meinten, dass die tägliche Trinkmenge 1-2 Liter betragen soll und die verbleibenden 75% waren sogar der Ansicht, "mehr als 2 Liter" pro Tag sei die richtige Antwort. Zwischen den Geschlechtern gab es keine signifikanten Unterschiede. Jüngere waren jedoch eher der Meinung, mehr trinken zu müssen als ältere Probanden. Ein Großteil des Studienkollektivs wusste auch über die Funktionen einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr Bescheid. Aus 8 vorgegebenen Antwortmöglichkeiten fielen 89% der Nennungen (Mehrfachantworten waren möglich) auf die Wichtigkeit für die Nierenfunktion und 70% auf die Aufrechterhaltung der Herz-Kreislauffunktionen. Etwa zwei Drittel der Probanden gaben an, auch ohne Durstgefühl zu trinken. Frauen signifikant häufiger als Männer. Schlussbetrachtung Der Großteil des befragten Kollektivs gab an, zwischen 3-8mal pro Tag ein Getränk zu sich zu nehmen. Jüngere Erwachsene unter 30 Jahren jedoch signifikant häufiger als über 30-Jährige. Mit zunehmendem Alter nahm sowohl die Trinkfrequenz (unter 5mal pro Tag) als auch die Trinkmenge ab. Die Akzeptanz von Leitungswasser ist sehr hoch. 77% der Frauen und 58% der Männer gaben an, täglich Leitungswasser zu trinken. Mineral-/Sodawasser erreicht eine insgesamt ähnliche Trinkhäufigkeit, wobei jedoch mehr Männer als Frauen Mineral-/Sodawasser bevorzugen. Auch Alkohol wird vom männlichen Kollektiv signifikant häufiger getrunken, über 40% konsumieren demnach fast täglich Alkohol und die Mehrheit zumindest 1-2mal pro Woche. Hingegen meinten fast 50% der Frauen, nur selten Alkohol zu trinken. Nach subjektiver Einschätzung der Probanden wird im Sommer deutlich mehr getrunken als im Winter. Die Mehrheit war der Meinung im Sommer über 1,6 Liter täglich zu trinken und während der kalten Jahreszeit zwischen 1,1-1,5 Liter. Jeweils über 90% der Befragten gaben an sowohl zum Frühstück, als auch zu den Hauptmahlzeiten sowie dazwischen regelmäßig zu trinken. Das beliebteste Frühstücksgetränk ist eindeutig Kaffee, gefolgt von Tee und Wasser. Bei den Hauptmahlzeiten dominierten Wasser, Fruchtsäfte und alkoholische Getränke. Zwischen den Mahlzeiten werden wiederum Wasser sowie Fruchtsäfte bevorzugt. Erfrischung, Geschmack sowie gesundheitliche Überlegungen wurden vom Kollektiv als Hauptgründe für die Getränkewahl genannt. Frauen achten auch häufig auf den Kaloriengehalt und bei den Männern spielt die Gewohnheit eine Rolle bei der Trinkentscheidung. Als beliebteste Trend-Getränke wurden probiotische Getränke und Tee-Fruchtsaftgetränke (je über 50% der Nennungen) genannt. Der Großteil (79%) war jedoch der Meinung, sich nicht von Trends beeinflussen zu lassen. Erfreulicherweise wird das Durstgefühl nur selten unterdrückt und wider Erwarten ließ sich diesbezüglich auch bei den älteren Erwachsenen kein ansteigender Trend feststellen. Die mittels 24-h-Recall ermittelte Gesamttrinkmenge (rund 2,3 Liter pro Tag) ist sehr zufriedenstellend. Zwar können koffein- und alkoholhältige Getränke nicht zu den Durstlöschern gezählt werden, der D-A-CH-Richtwert von 1-1,5 Liter Flüssigkeitsaufnahme aus geeigneten Getränken wurde im Mittel mit ca. 1,8 Liter pro Tag übertroffen. In einer Multiple-Choice Frage wurde die Trinkmenge von drei Viertel der Befragten zwar überschätzt, sie meinten "mehr als 2 Liter pro Tag" sei die richtige Antwort, jedoch zeigt diese Antwort und das Ergebnis der Studie insgesamt, dass die Bedeutung einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr über Getränke dem befragten Kollektiv sehr bewusst ist. 69 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung 2.5 Senioren Zusammenfassung Der Gesundheitszustand bzw. die körperliche Verfassung österreichischer Seniorinnen und Senioren, die im Rahmen einer Studie untersucht wurden, kann als gut beurteilt werden. Im Pensionistenwohnhaus (PWH), wo die Altersstruktur des untersuchten Kollektivs wesentlich höher war als im Eigenheim, wurde der Gesundheitszustand ebenfalls von den meisten Senioren als "gut dem Alter entsprechend" eingeschätzt. Befindlichkeitsstörungen wie Müdigkeit und Appetitlosigkeit hatten im PWH mehr Bedeutung als bei den zuhause Wohnenden. Die Medikamenteneinnahme war folglich bei Heimbewohnern ebenso höher. Probleme bei der Nahrungsaufnahme wie Schwierigkeiten beim Kauen, Schlucken und Schneiden waren ebenso unter Heimbewohnern verbreiteter als bei zuhause Wohnenden. Ihr Ernährungszustand zeigte bis etwa zum 65. Lebensjahr einen Trend zu Übergewicht, der mit zunehmendem Alter jedoch geringer wurde. Im Gegensatz dazu war mit zunehmendem Alter ein Anstieg der Prävalenz von Untergewicht zu verzeichnen. Insgesamt zeigte sich bei etwa 60% der Senioren ein BMI im Normalgewichtsbereich. Der Anteil an Untergewichtigen war bei Personen aus dem PWH gegenüber zuhause lebenden Senioren höher. Die Verzehrsmuster, ermittelt durch die Auswertung des Food Frequency Questionnaire (FFQ), zeigten einen hohen Verzehr von tierischen Produkten, wie Fleisch bzw. Wurst. Der Konsum von Lebensmitteln mit erwünscht hoher Nährstoffdichte wie Gemüse, Obst, fettarmen Milchprodukten und Getreideprodukten musste hingegen als zu gering beurteilt werden. Der Fischverzehr ließ insgesamt ebenfalls zu wünschen übrig, wobei Heimbewohner noch signifikant häufiger Fisch in ihren Speiseplan integrierten. Die Auswertung des 24-h-Verzehrsprotokolls belegte eine zu hohe Zufuhr an Fett und damit verbunden eine zu geringe Kohlenhydrat- und Ballaststoffaufnahme. Da durch den starken Überhang von tierischen Lebensmitteln auch die Aufnahme an gesättigten Fettsäuren sehr hoch war (bis 20% der Energiezufuhr), ist Fett sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht als kritischer Nährstoff anzusehen. Als weitere Risikonährstoffe sind Folsäure, Vitamin D, Calcium, Jod und Magnesium einzustufen. Bei den Höchstbetagten ist vor allem auch mit einer schlechten Vitamin C-Versorgung zu rechnen. Aussagekräftige Unterschiede in der Nährstoffversorgung zwischen Senioren im Wohnheim und in Privathaushalten ergaben sich primär hinsichtlich der Aufnahme an Makronährstoffen. Senioren im Privathaushalt nahmen signifikant mehr Ballaststoffe sowie Kohlenhydrate auf und signifikant weniger Eiweiß (p<0,05). Ferner zeigten die selbstständig Lebenden einen signifikant besseren Vitamin D-Status als Heimbewohner und die Flüssigkeitsaufnahme aus Lebensmitteln und Getränken war beim Kollektiv der selbstständig lebenden Älteren signifikant höher als bei den Bewohnern von PWH. Die vorliegenden Ergebnisse liefern wichtige Basisinformationen über den Ernährungszustand von Senioren. Da diese jedoch nicht für ganz Österreich repräsentativ sind, besteht nach wie vor erheblicher Forschungsbedarf über die Ernährungssituation von älteren Menschen in Österreich. Allgemeines Derzeit ist jeder fünfte Österreicher älter als 60 Jahre, d.h. in Österreich leben rund 1,67 Mio. Senioren. Dieser Trend hält weiter an und nach Schätzungen soll im Jahr 2050 bereits jeder Dritte älter als 60 Jahre sein [Statistik Austria, 2000]. Wohlbefinden und Vitalität sind wesentliche Voraussetzungen für die Lebensqualität bis ins hohe Alter. Während des Alterungsprozesses trägt eine adäquate Ernährung zur Aufrechterhaltung der Gesundheit und des Wohlbefindens bei. Älteren Menschen fällt es aber häufig schwer, ausgewogen zu essen und zu trinken, denn mit zunehmendem Alter können Appetit, Durstgefühl und Geschmacksempfinden nachlassen. In der Folge kommt es häufig zur Entwicklung bzw. Weiterentwicklung von Krankheiten. In diesem Zusammenhang ist auch die Heterogenität der älteren Bevölkerung hervorzuheben. Verschiedene Menschen altern unterschiedlich schnell und chronologisches Alter kann nicht immer mit dem biologischen Alter gleichgesetzt werden [Bates et al., 2001]. Es kann nicht oft genug betont werden, dass sich eine bedarfsdeckende vielseitige Ernährung positiv auf die Gesundheit und ein längeres Leben auswirken. Aber nicht nur die altersbedingten Veränderungen des Körpers bestimmen den Ernährungszustand von betagten Menschen. Auch soziale und psychosoziale Faktoren wie die Lebenssituation, das Einkommen, das soziale Umfeld, die Wohnsituation und vieles mehr, nehmen Einfluss auf den Ernährungsstatus. 70 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung männ- weiblich Gesamtkollektiv In einer vom Institut für Ernählich rungswissenschaften der Universität n= 88 557 643 Wien veröffentlichten Studie [ELMADFA et al., 1996] wurden erste indivi% 14 86 100 duelle Anamnesen zu ErnährungsgePensionistenPrivathaushalt wohnheiten, Nahrungsaufnahme und wohnhaus (PHH) (m/w) Versorgungszustand mit Mikronähr(PWH) (m/w) stoffen bei älteren Menschen in Wiener n= 233 (28/205) 410 (59/351) Pensionistenwohnhäusern (PWH) erhoben. In diese Untersuchung wurden je% 36 (12/82) 64 (14/86) doch keine selbstständig zuhause lebenden Senioren mit einbezogen. In Män- 55-64 65-74 75-84 >84 J GeZusammenarbeit mit dem Kuratorium ner J J J samt Wiener Pensionistenwohnhäuser und n= 21 22 22 22 87 der MA38 – Lebensmitteluntersuchungsanstalt und MA15 der Stadt Wien % 25 25 25 25 100 wurde deshalb vom Institut für ErnähFraurungswissenschaften der Universität en Wien eine neue Studie durchgeführt. n= 180 121 160 93 554 Erstmals wurden Wiener Pensionisten in Privathaushalten (PHH) und PWH be% 32 22 29 17 100 fragt. Diese Daten sind wichtige Basisinformationen zur Beurteilung des Ernährungszustands von Älteren, sind jedoch nicht repräsentativ für ältere Personen in ganz Österreich. Instrumente der Studie waren: - Blut- und Harnuntersuchungen zur Ermittlung des Ernährungsstatus - Fragebogenunterstützte Interviews - 24-Stunden-Protokoll (24-h-Recall) zur Erfassung der Nahrungsaufnahme In diesem Kapitel werden die wichtigsten Ergebnisse dieser durchgeführten Evaluation besprochen. Tab. 2.44 und 2.45 sowie Abb. 2.29 beschreiben das Studienkollektiv. Zufuhr an Energie und Makronährstoffen älterer Menschen Bei Erhebungen mit älteren Menschen ist es häufig sehr schwierig, ein geeignetes Instrumentarium zu finden. Speziell bei Senioren kommt es bei der Verwendung eines 24-h-Erinnerungsprotokolls (24-h-Recall) häufig zu einer deutlichen Unterschätzung der tatsächlichen Nahrungsaufnahme. Dieses Phänomen des "Underreportings", wo bewusst oder unbewusst nicht alle bzw. die gesamte Menge der verzehrten Lebensmittel protokolliert wird, muss bei der Beurteilung unbedingt mitberücksichtigt werden [vam Staveren et al., 1994]. Aus diesem Grund wurde für das Kollektiv der individuelle Grundumsatz (=basal metabolic rate) nach Schofield [1985] berechnet, um Underreporting festzustellen. Underreporting liegt dann vor, wenn die Energieaufnahme kleiner als der errechnete individuelle Grundum- Frauen Tab. 2.45: Charakteristik der Studienpopulation, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht Abb. 2.29: Anteil der Studienteilnehmer, die in Pensionistenwohnhäusern oder im Privathaushalt leben, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht Männer >84 J. >84 J. PWH 75-84 J. Privat 65-74 J bis 65 J. 0% Tab. 2.44 Charakteristik der Studienpopulation, getrennt nach Geschlecht und Wohnsituation 75-84 J. 65-74 J bis 65 J. 20% 40% 60% 80% 100% 0% 71 50% 100% Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Frauen gesamt 55-64 J 65-74 J 75-84 J >84 J D-A-CH Energie (MJ) 7,4 ± 2,1 7,5 ± 2,3 7,5 ± 2,0 7,4 ± 1,9 7,1 ± 2,0 8,5 / 7,5* E% Eiweiß 16 ± 4 16 ± 4 16 ± 5 16 ± 5 16 ± 4 10-15 E% KH 46 ± 9 47 ± 9 46 ± 8 45 ± 9 43 ± 9 >50 davon Zucker 9±5 9±5 9±5 9±5 9±5 - Ballaststoffe (g) 19 ± 7 21 ± 8 20 ± 7 18 ± 7 16 ± 6 >30 E% Fett 37 ± 8 36 ± 9 37 ± 7 38 ± 8 40 ± 8 30-35 davon GFS 18 ± 3 17 ± 4 17 ± 3 19 ± 4 20 ± 3 max. 10 davon MFS 14 ± 2 14 ± 3 14 ± 2 14 ± 2 15 ± 2 13 davon PFS 5±3 5±3 6±2 5±2 5±2 7 Cholesterin (mg) 309 ± 168 299 ± 172 325 ± 222 300 ± 130 337 ± 225 max. 300 E% Alkohol 1,2 ± 2,9 1,4 ± 4,0 1,2 ± 2,2 0,8 ± 1,9 0,8 ± 2,1 - Energie (MJ) 8,4 ± 2,6 9,0 ± 3,2 8,7 ± 2,3 8,7 ± 2,3 7,4 ± 2,4 10,5 / 9,5** E% Eiweiß 15 ± 5 16 ± 5 16 ± 5 16 ± 4 14 ± 5 10-15 E% KH 44 ± 9 45 ± 9 46 ± 10 42 ± 6 44 ± 11 >50 Männer davon Zucker 9±8 8±5 8±4 7±3 11 ± 15 - Ballaststoffe (g) 20 ± 8 20 ± 7 23 ± 9 22 ± 9 15 ± 5 >30 E% Fett 38 ± 7 36 ± 6 36 ± 7 40 ± 6 40 ± 8 30-35 davon GFS 18 ± 3 16 ± 2 17 ± 3 20 ± 3 20 ± 3 max. 10 davon MFS 15 ± 2 15 ± 2 14 ± 2 15 ± 2 15 ± 2 13 davon PFS 5±2 5±2 5±2 5±2 5±2 7 Cholesterin (mg) 378 ± 166 466 ± 232 323 ± 113 377 ± 119 354 ± 155 max. 300 E% Alkohol 2,6 ± 3,8 3,4 ± 4,9 2,0 ± 3,6 2,3 ± 2,6 2,0 ± 3,3 - E%...Energieprozent; KH…Kohlenhydrate; GFS…Gesättigte Fettsäuren; MFS…Monoenfettsäuren; PFS…Polyenfettsäuren; * 7,5 MJ/Tag gelten für über 65-jährige Frauen mit einem BMI im Normbereich und PAL von 1,6; ** 9,5 MJ/Tag gelten für über 65-jährige Männer mit einem BMI im Normbereich und PAL von 1,6 Tab. 2.46 Mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Energieund Makronährstoffen bei Wiener Senioren, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht satz ist. Eine Energieaufnahme die kleiner als der eigene Grundumsatz war, wurde bei weniger als 1/5 der Studienpopulation festgestellt. Zur Erfassung der täglichen Lebensmittelzufuhr bzw. der daraus ermittelten Energie- und Nährstoffaufnahme diente ein 24-h-Verzehrsprotokoll (24-h-Recall), das die Probanden nach ausführlichen Instruktionen selbst oder auf Wunsch mit geschultem Personal ausfüllten. Zur Beurteilung des allgemeinen Ernährungsverhaltens der Senioren wurde ein Food Frequency Questionnaire (FFQ) gewählt. Erwartungsgemäß war die mittlere Energiezufuhr bei den Männern der Altersgruppe von 55-64 Jahren mit rund 9 MJ pro Tag am höchsten und nahm mit zunehmendem Alter ab. Im weiblichen Kollektiv lag die mittlere tägliche Energiezufuhr bei 7,4 MJ, wobei sich diese mit zunehmendem Alter kaum änderte. Die DA-CH-Referenzwerte für die Energiezufuhr wurden durchwegs unterschritten. Männer und Frauen über dem 65. Lebensjahr stellen hinsichtlich des Energiebedarfs eine besonders heterogene Gruppe dar. In dieser Bevölkerungsgruppe finden sich einerseits Personen, die körperlich noch sehr aktiv sind und andererseits gehören zu dieser Gruppe Personen, die in ihrer Beweglichkeit deutlich eingeschränkt sind. Neben der körperlichen Aktivität wird der Energiebedarf auch maßgeblich vom Grundumsatz beeinflusst. Je nach körperlicher Fitness und dem Anteil der fettfreien Körpermasse am Körpergewicht variiert auch der Grundumsatz entspre- 72 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung chend. Diese Faktoren erschweren die Bewertung der Energieaufnahme. Sicherheitshalber sollten vor allem Ältere ihr Gewicht regelmäßig kontrollieren oder vom Allgemeinarzt kontrollieren lassen. Eine unfreiwillige Gewichtsabnahme über einen längeren Zeitraum ist ein geeigneter Indikator für eine unzureichende Ernährung und/oder eine zehrende Krankheit [Bates et al., 2001]. Eine niedrige Energieaufnahme ist außerdem meist mit einem erhöhten Risiko für eine unzureichende Aufnahme an Mikronährstoffen verbunden. Im Gegensatz zum Energiebedarf ist der Nährstoffbedarf im Alter nicht vermindert und erfordert daher eine Nahrungsaufnahme mit hoher Nährstoffdichte. In Relation zur Gesamtenergiezufuhr lag die durchschnittliche Proteinaufnahme der Senioren mit 15% an der Obergrenze der D-A-CH-Richtwerte. Die absolute Eiweißaufnahme lag beim männlichen Kollektiv bei durchschnittlich 76 g/d und bei den Frauen dieser Altersgruppe bei rund 68 g/d. Die Proteinzufuhr kann somit beim Großteil der Senioren als zufriedenstellend charakterisiert werden. Hervorzuheben ist jedoch die Subgruppe der selbständig lebenden über 84-jährigen Männer, bei denen die mittlere Proteinaufnahme (53 g/d) nur knapp über der empfohlenen Zufuhr lag. Wie bereits erwähnt, kommt es im späteren Lebensabschnitt häufig zu unfreiwilligen Gewichtsverlusten und das Risiko für Proteinenergiemangelernährung ist erhöht. Deshalb sollte speziell bei dieser Bevölkerungsgruppe auch auf eine ausreichende Proteinversorgung geachtet werden. Im Sinne einer präventiven Ernährung sollten maximal 30% der Nahrungsenergie aus Fett stammen [DACH, 2000]. Wie bei jüngeren Bevölkerungsgruppen entsprachen die Verzehrsgewohnheiten der Senioren diesbezüglich nicht den wünschenswerten Vorgaben. Vor allem bei über 75-Jährigen wurde durchschnittlich bis zu 40% der Energiezufuhr in Form von Fett aufgenommen. Auf ein sehr ungünstiges Ernährungsmuster ließ auch die Relation der aufgenommenen Fettsäuren zueinander schließen. Die D-A-CH-Referenzwerte gehen von weniger als 10% der Gesamtenergiezufuhr in Form von gesättigten Fettsäuren (GFS) aus. Jedoch lag die aktuelle Zufuhr an GFS im Gesamtkollektiv bei durchschnittlich 18% und bei den über 75-jährigen Frauen bzw. den über 85-jährigen Männern sogar bei rund 20%. Im Gegensatz dazu war die Aufnahme an mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Polyenfettsäuren, PFS) zu gering. Diese betrug bei den Senioren durchschnittlich 5% der Energiezufuhr. Bei den höchstbetagten Männern im Mittel sogar nur 4%. Da PFS in Form von n-6 Fettsäuren (Linolsäure und die aus ihr gebildeten längerkettigen Fettsäuren) und n-3 Fettsäuren (a-Linolensäure und ihre längerkettigen Derivate) für den menschlichen Organismus essentielle Nährstoffe darstellen, muss auf eine ausreichende Zufuhr dieser geachtet werden. Der D-A-CH-Richtwert für die Zufuhr von PFS ist mit 7% der Nahrungsenergie angegeben. Die Kohlenhydratzufuhr lag mit durchschnittlich 45% der Nahrungsenergiezufuhr unter dem wünschenswerten Richtwert von mindestens 50% [DACH, 2000]. Mit zunehmendem Alter stieg der Fettkonsum bei gleichzeitig sinkender Gesamtenergieaufnahme. Der hohe Anteil an Energie aus Fett bzw. der niedrige Beitrag von Kohlenhydraten an der Energiezufuhr sind Kennzeichen traditioneller Ernährungsmuster ("Österreichische Hausmannskost"). Bedauerlicherweise war auch die Ballaststoffaufnahme der Senioren verglichen mit dem Richtwert von mindestens 30 g pro Tag zu gering. Die Aufnahme betrug durchschnittlich nur etwa zwei Drittel des Richtwerts und war bei den über 85-Jährigen noch geringer. Hingegen betrug der Anteil von Alkohol an der Energiezufuhr bei Männern fast 3% und bei Frauen knapp über 1%. Die durchschnittliche Cholesterinaufnahme war bei beiden Geschlechtern zu hoch. Mit zunehmendem Alter konnten diesbezüglich keine signifikanten Unterschiede in der täglichen Cholesterinzufuhr beobachtet werden, was mit einer sehr stabilen Beibehaltung von Ernährungstraditionen bzw. bestimmten Ernährungsmustern erklärt werden kann. Der menschliche Organismus ist auf eine regelmäßige und mengenmäßig ausreichende Flüssigkeitszufuhr angewiesen. Besonders im fortgeschrittenen Alter können schnell Störungen im Wasserhaushalt auftreten. Die Reabsorption von Wasser in der Niere ist beeinträchtigt und das Durstempfinden der Senioren ist abgeschwächt. Der Richtwert für die Gesamtwasseraufnahme (inklusive aus fester Nahrung) wird in den D-A-CH-Referenzwerten für ältere Menschen mit über 2 Liter pro Tag angegeben. Erfreulicherweise lag das untersuchte Kollektiv mit einer Gesamtflüssigkeitsaufnahme von 2384 ± 794 ml/d im Mittel über diesem Richtwert. Die Aufnahme war für Männer und Frauen fast gleich. Jedoch nahmen Frauen bzw. Männer aus der ältesten Gruppe signifikant weniger Flüssigkeit zu sich als Frauen aller anderen Altersgruppen bzw. Männer aus der 2. Altersgruppe (65-74 J.). Der Wasserkonsum war demnach für den Großteil der untersuchten älteren Menschen, mit Ausnahme der Personen ab dem 85. Lebensjahr, unproblematisch. 73 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Frauen gesamt 55-64 J 65-74 J 75-84 J >84 J D-A-CH Vitamin A1 (mg) 1,1 ± 1,0 1,1 ± 0,9 1,2 ± 1,2 1,1 ± 1,1 1,0 ± 1,0 0,8 β-Carotin2 (mg) 2,9 ± 3,0 3,2 ± 2,7 2,7 ± 3,1 2,9 ± 3,5 2,3 ± 2,6 2-4 Vitamin D (µg) 3,7 ± 5,3 3,4 ± 4,4 4,7 ± 6,2 3,6 ± 6,1 3,1 ± 3,5 5/10* Vitamin E3 (mg) 8,0 ± 4,6 8,6 ± 5,2 9,3 ± 5,5 7,2 ± 3,2 6,3 ± 2,7 12/11* Vitamin B1 (mg) 1,1 ± 0,5 1,2 ± 0,5 1,1 ± 0,5 1,0 ± 0,4 0,9 ± 0,4 1 Vitamin B2 (mg) 1,4 ± 0,6 1,4 ± 0,6 1,5 ± 0,6 1,4 ± 0,5 1,3 ± 0,6 1,2 Niacin4 (mg) 25 ± 8 25 ± 8 25 ± 10 24 ± 8 23 ± 8 13 Pantothensäure (mg) 4,3 ± 1,7 4,5 ± 1,7 4,6 ± 2,0 4,1 ± 1,5 3,8 ± 1,6 6 Vitamin B6 (mg) 1,3 ± 0,6 1,4 ± 0,6 1,4 ± 0,6 1,3 ± 0,5 1,2 ± 0,5 1,2 Biotin (µg) 39 ± 21 40 ± 16 45 ± 32 36 ± 17 33 ± 14 30-60 Folsäure5 (µg) 201 ± 76 223 ± 88 210 ± 68 189 ± 67 166 ± 60 400 Vitamin B12 (µg) 4,1 ± 2,4 3,9 ± 2,1 4,4 ± 2,9 4,1 ± 2,5 3,9 ± 2,3 3 Vitamin C (mg) 94 ± 68 109 ± 73 98 ± 66 87 ± 63 71 ± 62 100 Männer gesamt 55-64 J 65-74 J 75-84 J >84 J Vitamin A1 (mg) 1,2 ± 1,1 1,5 ± 1,6 1,3 ± 1,1 1,2 ± 0,8 0,9 ± 0,4 1 β-Carotin2 (mg) 2,7 ± 2,1 2,9 ± 2,1 2,8 ± 2,5 3,0 ± 2,1 2,2 ± 1,9 2-4 Vitamin D (µg) 4,2 ± 4,3 5,0 ± 5,7 5,1 ± 5,3 3,4 ± 2,2 3,4 ± 3,1 5/10* Vitamin E3 (mg) 8,6 ± 3,8 9,9 ± 4,2 9,0 ± 3,1 9,3 ± 4,1 6,2 ± 2,9 13/12* Vitamin B1 (mg) 1,2 ± 0,5 1,4 ± 0,7 1,2 ± 0,4 1,2 ± 0,4 1,0 ± 0,4 1 Vitamin B2 (mg) 1,4 ± 0,6 1,5 ± 0,8 1,5 ± 0,4 1,4 ± 0,3 1,3 ± 0,5 1,3/1,2* Niacin4 (mg) 27 ± 10 31 ± 13 27 ± 7 28 ± 8 23 ± 9 15/13* Pantothensäure (mg) 4,5 ± 1,8 5,0 ± 2,6 4,7 ± 1,5 4,4 ± 1,2 3,7 ± 1,5 6 Vitamin B6 (mg) 1,4 ± 0,5 1,6 ± 0,6 1,4 ± 0,4 1,5 ± 0,5 1,1 ± 0,4 1,5/1,4* Biotin (µg) 41 ± 19 50 ± 28 43 ± 15 37 ± 13 35 ± 14 30-60 Folsäure5 (µg) 218 ± 79 234 ± 92 232 ± 70 232 ± 80 174 ± 61 400 Vitamin B12 (µg) 4,7 ± 2,6 5,3 ± 3,4 4,9 ± 2,6 5,3 ± 3,2 4,0 ± 1,8 3 Vitamin C (mg) 104 ± 102 97 ± 85 113 ± 104 109 ± 86 93 ± 133 100 * D-A-CH-Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr für Senioren ab dem 65. Lebensjahr; 1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin; 2 dieser Wert mal 0,16 ist in den Retinol-Äquivalenten enthalten; 3 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γ-Tocopherol x 0,25 + mg αTocotrienol x 0,33; 4 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan; 5 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA) Tab. 2.47: Mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Vitaminen bei Wiener Senioren, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht Zufuhr und Status an Mikronährstoffen bei Senioren In der Analyse der Mikronährstoffzufuhr wurden zusätzlich eingenommene Nährstoffsupplemente nicht berücksichtigt. Nach Angaben der Probanden zu ihrem allgemeinen Ernährungsverhalten wurde ersichtlich, dass viele Senioren Vita- 74 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung min- und Mineralstoffpräparate einnahmen. Es ist daher anzunehmen, dass für viele Mikronährstoffe die Versorgungslage besser war, als sie durch das 24-h-Verzehrsprotokoll beschrieben werden kann (Tab. 2.47). Die Zufuhr an Nahrungsfolat muss aufgrund der vorliegenden Verzehrsdaten als unzureichend beurteilt werden. Die durchschnittlichen Aufnahmen erreichten nur rund die Hälfte der D-A-CH-Empfehlungen, wobei die Höchstbetagten die geringsten Zufuhrmengen aufwiesen. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern waren hingegen nur geringfügig. Eine unzureichende Folataufnahme wird zusammen mit anderen Nahrungsfaktoren (Vitamine B6, B12) mit steigenden Plasmahomozysteinspiegeln assoziiert, welche vermutlich das Arterioskleroserisiko erhöhen. Die mittlere Vitamin D-Aufnahme war ebenfalls gravierend geringer als die entsprechenden DA-CH-Empfehlungen. Prinzipiell könnte der Vitamin D-Bedarf bei ausreichender Sonnenexposition auch durch die Eigensynthese des Körpers gedeckt werden. Mit steigendem Alter sinkt jedoch die Fähigkeit der Haut, Vitamin D zu synthetisieren, selbst wenn sie dem ultravioletten Licht ausgesetzt wird. Die Nieren älterer Personen sind darüber hinaus weniger fähig, 25-Hydroxyvitamin D (25OHD) in die wirksame Form umzuwandeln. Außerdem kann bei Älteren häufig eine verminderte Absorption von Vitamin D festgestellt werden [Bates et al., 2001]. Im Hinblick auf die Knochengesundheit unterstreichen alle diese Probleme des Vitamin D-Stoffwechsels die Charakterisierung von Vitamin D als Risikonährstoff bei älteren Menschen. Zusätzlich zur Vitamin D-Aufnahme wurde bei einem Wiener Kollektiv auch der Plasmaspiegel an 25OHD ermittelt. Anhand dieses Parameters lässt sich die Vitamin D-Versorgung am besten bestimmen. Der durchschnittliche 25OHD-Spiegel betrug 41,3 ± 18,5 nmol/l, wobei die Heimbewohner signifikant niedrigere Plasmawerte aufwiesen (p<0,05) als die selbstständig Lebenden. Es zeigte sich ferner eine Altersabhängigkeit, wobei sich der Status mit zunehmenden Alter signifikant (r=-0,231, p=0,001) verschlechterte. Die Beurteilung des Vitamin D-Status erfolgte nach Referenzwerten von Sauberlich [1999]. Werte unterhalb 12 nmol pro Liter werden demnach als stark erniedrigt ausgewiesen, zwischen 12 und 25 nmol/l liegen leicht erniedrigte Werte vor und als normal gelten alle Ergebnisse über 25 nmol/l. 20% des Gesamtkollektives wiesen 25OHD-Werte unter 25 nmol/l auf und waren somit nicht adäquat mit Vitamin D versorgt. Bei rund 3% der Frauen wurden sogar 25OHD-Werte unter 12 nmol/l gefunden. Bei derart niedrigen Plasmawerten spricht man von einem Vitamin D-Defizit und das Risiko einer Mangelerkrankung (Osteomalazie) ist entsprechend hoch [Zittermann, 2003]. Spezielle Aufmerksamkeit in der Mikronährstoffversorgung älterer Menschen benötigen auch die so genannten "antioxidativen" Nährstoffe wie z.B. die Vitamine C und E. In der Altersgruppe der unter 64-Jährigen lagen die durchschnittlichen Aufnahmen an Vitamin C noch knapp über den D-A-CH-Empfehlungen. Mit zunehmendem Alter sank aber die Vitamin C-Zufuhr. Demnach ist bei den Höchstbetagten auch mit der größten Prävalenz einer unzureichenden Vitamin C-Versorgung zu rechnen. Geschlechtsunterschiede waren marginal. Im "Britisch National Diet and Nutrition Survey" wurde Vitamin C als Nährstoff definiert, der für einen Großteil älterer Menschen einen Risikonährstoff darstellt. Gründe hierfür liegen einerseits in einer inadäquaten Zufuhr andererseits an Faktoren, wie z.B. Rauchen oder Alkohol [Bates et al., 2001]. Um die Vitamin C-Versorgung der Senioren noch exakter beschreiben zu können, wurden neben den Verzehrserhebungen auch Blutuntersuchungen durchgeführt. Dabei zeigten sich bei den Männern tendenziell niedrigere Vitamin C-Plasmaspiegel, was aber statistisch nicht signifikant war. Es konnten auch keine Unterschiede zwischen den Lebensweisen festgestellt werden. Insgesamt hatten rund 30% der Studienteilnehmer leicht erniedrigte Plasmaspiegel (rund 35,7 µmol/l). Die Normwerte für Senioren wurden aus dem Österreichischen Ernährungsbericht 1998 entnommen. Demnach gelten Werte, kleiner als 17 µmol/l als stark erniedrigt, zwischen 17 µmol/l und 45 µmol/l als marginal und über 45µmol/l wird von einer ausreichenden Vitamin C-Versorgung ausgegangen. Ältere Männer stellten eine sehr problematische Gruppe dar. Bei 3,4% der stark unterversorgten Männer traten Plasmaspiegel nahe der Skorbutgrenze auf. Eine Ursache dafür lag sicher im gesunkenen Verzehr von pflanzlichen Produkten und einer an sich sinkenden Nahrungsmenge. Die Vitamin E-Aufnahme lag bei den Probanden im Mittel unterhalb des entsprechenden D-ACH-Referenzwerts. Da es sich bei diesem Referenzwert lediglich um einen Schätzwert handelt, ist eine Beurteilung der Versorgung ausschließlich anhand von Verzehrsdaten schwierig. Die zusätzlich 75 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Abb. 2.30 Abweichung (in %) der mittleren täglichen Vitaminzufuhr von den D-ACH-Referenzwerten bei Senioren, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht 60 Frauen 40 20 bis 64J. 0 D-A-CH 65-74J. 75-84J. -20 ab 85J. -40 -60 -80 B12 Vit. A B2 B6 B1 Vit. C Vit. E Folat Vit. D 80 Männer 60 40 20 bis 64J. 65-74J. 0 D-A-CH 75-84J. ab 85J. -20 -40 -60 -80 B12 Vit. A B1 B2 B6 Vit. C Vit. E Folat Vit. D Vitamin K-Status wurde im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 als ausreichend beurteilt Niacin, Biotin, Pantothensäure: Unterversorgung unwahrscheinlich durchgeführten Blutuntersuchungen waren deshalb für eine aussagekräftige Beurteilung notwendig. Nach Sauberlich [1999] spricht man bei einer α-Tocopherolkonzentration im Blutplasma von >7 mg/l (16,3 µmol/l) von einer ausreichenden Versorgung. Die bei den Wiener Senioren gefunden Werte lagen durchschnittlich bei ca. 40 µmol/l. Einem Plasmaspiegel >30 µmol/l werden präventive Effekte in Bezug auf koronare Herzerkrankung und Krebsgeschehen zugeschrieben. Rund 80% der Untersuchten lagen über diesem Wert. Unterschiede zwischen den Geschlechtern konnten nicht festgestellt werden. Ältere selbstständig lebende Frauen hatten signifikant (p<0,05) höhere Plasmaspiegel als jene im PWH. Bei den Männern konnte diesbezüglich jedoch kein signifikanter Unterschied beobachtet werden. Insgesamt stellte sich somit die Vitamin E-Versorgung beim untersuchten Kollektiv als sehr zufriedenstellend dar. Die durchschnittlichen Aufnahmen an den Vitaminen B1, B2, B6 lagen im Bereich der jeweiligen D-A-CH-Empfehlungen. Dennoch kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass ein bestimmter Anteil der Senioren unzureichend mit diesen B-Vitaminen versorgt ist. Mit steigendem Alter sank bei beiden Geschlechtern die Aufnahme an den genannten Vitaminen. Eine ausreichende Versorgung mit den 76 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Vitaminen B2 und B6 ist im Zusammenhang mit dem Homocystein-Stoffwechsel von Bedeutung. Vitamin B1 spielt bei alkoholischen Neuropathien und dem Wernicke-Korsakoff-Syndrom ein Rolle [Bates et al., 2001]. Bei Vitamin A wiesen die über 85-jährigen Männer im Mittel die niedrigsten Zufuhrmengen auf und lagen damit auch unter den entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen. Alle anderen Altersgruppen der Senioren übertrafen in der durchschnittlichen Gruppenzufuhr die Empfehlungen. Aufgrund dieser Verzehrsdaten ist vor allem für die Altersgruppe der über 85-jährigen Männer mit höheren Prävalenzen einer unzureichenden Zufuhr zu rechnen. Generell sind Vitamin A und verwandte Retinoide bei älteren Menschen in Verbindung mit einem erhöhten Krebsrisiko von Bedeutung [Bates et al., 2001]. Zur umfassenden Beurteilung der Vitamin A-Versorgung wurden zusätzlich auch Blutuntersuchungen durchgeführt. Nach Sauberlich [1999] gelten Retinolplasmaspiegel kleiner 0,35 µmol/l als stark erniedrigt, zwischen 0,35 µmol/l und 0,7 µmol/l als leicht erniedrigt und als normal werden Konzentration größer 0,7 µmol/l angesehen. Auf Grundlage dieser Normwerte zeigte sich beim untersuchten Kollektiv eine ausreichende Vitamin A-Versorgung. Kein einziger Befund lag unterhalb von 0,7 µmol/l. Auch der untersuchte Plasmaspiegel an retinolbindendem Protein (RBP) bewegte sich innerhalb der Referenzbereiche, wobei sich eine signifikante Korrelation mit dem Retinolstatus zeigte. Der Mittelwert des Plasmaretinolspiegels des untersuchten Kollektivs lag aber nicht über der als protektiv geltenden Schwelle von 2,5 µmol/l. Der β-Carotinstatus war hingegen weniger zufriedenstellend. Bewertet wurde ebenfalls nach Normwerten von Sauberlich [1999]. Es zeigte sich, dass fast 60% der untersuchten Senioren stark erniedrigte Werte (<0,37 µmol/l) aufwiesen und nur ca. 11% befriedigende Werte (>0,75 µmol/l) hatten. Zwischen den Geschlechtern und der Lebensweise wurden dabei keine signifikanten Unterschiede festgestellt. ß-Carotin gilt als "Marker" einer wünschenswert gemüse- und obstreichen Ernährungsweise. Aufgrund der ermittelten durchschnittlichen Vitamin B12-Aufnahme ist beim gesamten Kollektiv der Senioren eine sehr zufriedenstellende Versorgungslage zu erwarten. Davon auszunehmen sind jedoch ältere Menschen mit atrophischer Gastritis. Bei bis zu 30% gesunder älterer Menschen kann diese Symptomatik festgestellt werden [Bates et al., 2001; van Asselt et al., 1998]. Bei atrophischer Gastri- Tab. 2.48 Mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Mineralstoffen/Spurenelementen bei Wiener Senioren, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht Frauen gesamt 55-64 J 65-74 J 75-84 J >84 J D-A-CH Calcium (mg) 778 ± 388 831 ± 409 799 ± 402 780 ± 361 649 ± 351 1000 Kalium (g) 2,4 ± 0,8 2,6 ± 0,9 2,6 ± 0,9 2,3 ± 0,8 2,1 ± 0,8 2 Magnesium (mg) 273 ± 102 286 ± 98 288 ± 101 271 ± 110 235 ± 86 300 Eisen (mg) 11,8 ± 5,8 12,6 ± 6,6 12,3 ± 5,0 11,0 ± 4,1 11,1 ± 7,3 10 Zink (mg) 10,1 ± 3,4 10,4 ± 3,3 10,3 ± 3,7 10,1 ± 3,1 9,2 ± 3,4 7 Jod (µg) 126 ± 54 130 ± 56 135 ± 55 122 ± 56 111 ± 42 180 Männer gesamt 55-64 J 65-74 J 75-84 J >84 J D-A-CH Calcium (mg) 738 ± 376 635 ± 402 959 ± 400 695 ± 266 642 ± 348 1000 Kalium (g) 2,5 ± 1,0 2,6 ± 1,2 2,8 ± 1,0 2,5 ± 0,8 1,9 ± 0,6 2 Magnesium (mg) 292 ± 113 311 ± 152 341 ± 98 281 ± 85 233 ± 84 350 Eisen (mg) 13,3 ± 5,1 14,2 ± 5,4 14,7 ± 4,3 14,4 ± 6,0 10,0 ± 2,9 10 Zink (mg) 11,5 ± 4,8 12,7 ± 7,1 12,5 ± 3,9 11,8 ± 3,3 9,1 ± 3,3 10 Jod (µg) 120 ± 43 123 ± 52 136 ± 54 119 ± 23 102 ± 34 180 77 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Abb. 2.31 Abweichung (in %) der mittleren täglichen Zufuhr an Mineralstoffen/Sp urenelementen von den D-A-CH-Referenzwerten bei Senioren, getrennt nach Altersgruppen und Geschlecht Frauen Männer 50 50 25 bis 64J. 65-74J. D-A-CH0 75-84J. 25 D-A-CH 0 ab 85J. -25 -25 -50 -50 Zn K Fe Mg Ca J Fe K Zn Mg Ca J Zn...Zink; K...Kalium; Mg...Magnesium; Fe...Eisen; Ca...Calcium; J...Jod Kupfer- und Selen-Status war im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 bei rund 20% der Senioren erniedrigt Phosphor, Chlorid: Unterversorgung unwahrscheinlich; Fluorid, Mangan, Chrom: noch nicht exakt bewertet tis kommt es zu einer Malabsorption von in der Nahrung vorkommendem proteingebundenen Vitamin B12. Die Bioverfügbarkeit von kristallinem ungebundenen Vitamin B12 ist hingegen unverändert. Deshalb sollte bei Verdacht auf Gastritis nicht gezögert werden, Vitamin B12 in Form einer Ergänzung oder in angereicherter Form zu verabreichen. Ein Mangel an diesem Vitamin verursacht einerseits neurologische Schäden und führt andererseits zu höheren Plasmahomocysteinkonzentrationen. Wie bereits erwähnt, bedingt letzteres ein erhöhtes Risiko für vaskuläre Erkrankungen. Die durchschnittlichen täglichen Aufnahmen an einzelnen Mineralstoffen bzw. Spurenelementen sind in Tab. 2.48 im Detail dargestellt. Als "Maßstab" sind wiederum die entsprechenden D-A-CH-Referenzwerte angeführt. Jod, Calcium und Magnesium sind aufgrund der vorliegenden Verzehrsdaten bei Senioren als Risikonährstoffe anzusehen. Da die mittleren Aufnahmemengen der Studienpopulation zum Teil beträchtlich unter den jeweiligen D-A-CH-Empfehlungen lagen, muss mit entsprechend hohen Prävalenzen einer unzureichenden Versorgung gerechnet werden. Besondere Bedeutung kommt der Calciumversorgung auch im Alter zu. Es gibt Hinweise darauf, dass der altersbedingte Knochenverlust durch entsprechend hohe Calciumaufnahmen (über 1000 mg/d) verringert werden kann [IOM, 1997]. Mit fortschreitendem Alter vermindert sich jedoch die Calciumabsorption, was in erster Linie mit den oben beschriebenen Problemen im Vitamin DStoffwechsel in Zusammenhang gebracht wird. Die Eisen- und Zinkaufnahme war weitgehend zufriedenstellend. Eine Ausnahme bildeten jedoch die über 85-jährigen Männer. Die durchschnittlichen Aufnahmemengen erreichten in diesem Kollektiv nur knapp die jeweiligen D-A-CHEmpfehlungen bzw. lagen bei Zink im Mittel sogar darunter. Die Kaliumversorgung kann in Bezug zum D-A-CH-Schätzwert als ausreichend eingestuft werden. Unterhalb des Schätzwerts und damit verbesserungswürdig war wiederum die mittlere Gruppenzufuhr im Kollektiv der über 85-jährigen Männer. Unterschiede in der Energie- und Nährstoffversorgung bei Senioren im Privathaushalt und Pensionistenwohnhäusern Ein Ziel dieser Studie war es auch, mögliche Unterschiede in der Nährstoffaufnahme von Senioren, die sich selbst versorgen (Privathaushalt, PHH) und jenen, die in einem Pensionistenwohnhaus (PWH) wohnen, zu untersuchen. Für diesen Vergleich wurden Senioren ab dem 65. Lebensjahr berücksichtigt. Das Kollektiv verminderte sich dadurch auf 376 Frauen und 65 Männer. 201 Seniorinnen und 28 Senioren lebten zum Zeitpunkt der Erhebung in einem Pensionistenwohnhaus und 175 Frauen und 37 Männer im eigenen Haushalt. 78 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Frauen gesamt (n=376) PWH (n=201) PHH (n=175) D-A-CH Energie (MJ) 7,3 ± 2,0 7,4 ± 1,8 7,3 ± 2,2 7,5 E% Eiweiß 16 ± 4 17 ± 4 15 ± 5 10-15 E% KH 45 ± 9 43 ± 9 47 ± 9 >50 davon Zucker 9±5 9±5 8±5 - Ballaststoffe (g) 18 ± 7 17 ± 6 20 ± 7 >30 E% Fett 38 ± 8 39 ± 7 37 ± 8 30-35 davon GFS 19 ± 3 19 ± 3 18 ± 3 max. 10 davon MFS 14 ± 2 15 ± 2 14 ± 2 13 davon PFS 5±3 5±2 5±3 7 Cholesterin (mg) 313 ± 166 322 ± 127 303 ± 201 max. 300 E% Alkohol 0,9 ± 2,1 0,8 ± 2,0 1,1 ± 2,1 - Männer gesamt (n=65) PWH (n=28) PHH (n=37) Energie (MJ) 8,2 ± 2,4 7,6 ± 2,1 8,7 ± 2,5 9,5 E% Eiweiß 15 ± 5 17 ± 5 14 ± 4 10-15 E% KH 44 ± 9 42 ± 9 45 ± 9 >50 davon Zucker 9±9 8±4 9 ± 12 - Ballaststoffe (g) 20 ± 9 16 ± 5 23 ± 9 >30 E% Fett 39 ± 7 40 ± 7 38 ± 8 30-35 davon GFS 20 ± 3 20 ± 3 19 ± 4 max. 10 davon MFS 15 ± 2 15 ± 2 14 ± 2 13 davon PFS 4±2 5±2 5±2 7 Cholesterin (mg) 351 ± 130 349 ± 109 353 ± 147 max. 300 E% Alkohol 2,1 ± 3,1 1,4 ± 2,2 2,6 ± 4,7 - E%...Energieprozent; KH…Kohlenhydrate; GFS…Gesättigte Fettsäuren; MFS…Monoenfettsäuren; PFS…Polyenfettsäuren, PWH...Pensionistenwohnhaus; PHH...Privathaushalt Tab. 2.49 Gegenüberstellung Pensionistenwohnhaus und Privathaushalt: mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Energie und Makronährstoffen bei Wiener Senioren (ab 65 Jahre), getrennt nach Geschlecht Ältere Menschen, die in Pflegeheimen leben, sind im Allgemeinen vermehrt Gesundheitsstörungen ausgesetzt und werden als "beschleunigt Alternde" angesehen [Bates et al., 2001]. Solange jedoch keine Krankheiten vorhanden sind, gelten hinsichtlich der Nährstoffaufnahme dieselben Referenzwerte wie für selbstständig lebende ältere Menschen. Insgesamt war die Aufnahme an Makronährstoffen bei selbstständig lebenden Älteren günstiger als bei Bewohnern von Pensionistenwohnhäusern (Tab. 2.49). Senioren im Privathaushalt nahmen signifikant mehr Ballaststoffe sowie Kohlenhydrate auf und signifikant weniger Eiweiß (p<0,05). Außerdem war die Energiezufuhr bei männlichen Heimbewohnern auffallend gering. Generell waren vorhandene Unterschiede in der Nährstoffaufnahme beim männlichen Kollektiv stärker ausgeprägt. Selbstständig lebende ältere Männer nahmen signifikant (p<0,05) mehr Mikronährstoffe auf als ihre Altersgenossen in Wohnheimen (Tab. 2.50 und 2.51). Hingegen war beim weiblichen Kollektiv nur die Aufnahme an Nahrungsfolat, Magnesium und Eisen höher. Jedoch dürfen diese beobachteten Unterschiede nicht überinterpretiert wer- 79 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Tab. 2.50: Gegenüberstellung Pensionistenwohnhaus und Privathaushalt: mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Vitaminen bei Wiener Senioren (ab 65 Jahre), getrennt nach Geschlecht Frauen PWH (n=201) PHH (n=175) D-A-CH Vitamin A1 (mg) gesamt (n=376) 1,2 ± 2,1 1,3 ± 2,7 1,2 ± 1,2 0,8 β-Carotin2 (mg) 2,7 ± 3,1 2,6 ± 2,9 2,8 ± 3,4 2-4 Vitamin D (µg) 3,8 ± 5,7 3,9 ± 6,4 3,8 ± 4,7 10 Vitamin E3 (mg) 7,7 ± 4,2 6,9 ± 3,1 8,6 ± 4,9 11 Vitamin B1 (mg) 1,0 ± 0,5 1,0 ± 0,4 1,1 ± 0,5 1 Vitamin B2 (mg) 1,4 ± 0,6 1,4 ± 0,6 1,4 ± 0,6 1,2 Niacin4 (mg) 24 ± 8 25 ± 8 24 ± 9 13 Pantothensäure (mg) 4,2 ± 1,7 4,0 ± 1,6 4,3 ± 1,8 6 Vitamin B6 (mg) 1,3 ± 0,5 1,3 ± 0,5 1,3 ± 0,6 1,2 Biotin (µg) 38 ± 23 35 ± 20 41 ± 25 30-60 Folsäure5 (µg) 190 ± 68 175 ± 58 207 ± 74 400 Vitamin B12 (µg) 4,9 ± 5,6 5,0 ± 4,4 4,8 ± 6,8 3 Vitamin C (mg) 87 ± 64 82 ± 65 92 ± 63 100 Männer gesamt (n=65) PWH (n=28) PHH (n=37) Vitamin A1 (mg) 1,2 ± 0,8 1,0 ± 0,8 1,3 ± 0,8 1 β-Carotin2 (mg) 2,7 ± 2,2 2,2 ± 2,0 2,9 ± 2,3 2-4 Vitamin D (µg) 4,0 ± 3,8 3,0 ± 1,9 4,7 ± 4,7 10 Vitamin E3 (mg) 8,2 ± 3,6 6,5 ± 2,3 9,4 ± 4,0 12 Vitamin B1 (mg) 1,1 ± 0,4 1,0 ± 0,3 1,2 ± 0,5 1 Vitamin B2 (mg) 1,4 ± 0,4 1,3 ± 0,4 1,5 ± 0,4 1,2 Niacin4 (mg) 26 ± 8 26 ± 8 26 ± 8 13 Pantothensäure (mg) 4,3 ± 1,4 3,8 ± 1,3 4,7 ± 1,4 6 Vitamin B6 (mg) 1,3 ± 0,4 1,2 ± 0,3 1,4 ± 0,5 1,4 Biotin (µg) 39 ± 14 34 ± 12 42±15 30-60 Folsäure5 (µg) 212 ± 75 171 ± 65 244 ± 67 400 Vitamin B12 (µg) 5,2 ± 4,4 4,8 ± 2,8 5,4 ± 5,4 3 Vitamin C (mg) 105 ± 108 71 ± 60 133 ± 129 100 PWH...Pensionistenwohnhaus; PHH...Privathaushalt; 1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin; 2 dieser Wert mal 0,16 ist in den Retinol-Äquivalenten enthalten; 3 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γ-Tocopherol x 0,25 + mg α-Tocotrienol x 0,33; 4 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan; 5 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA) den. Vor allem bei den Männern muss die geringe Fallzahl (n=65) in Verbindung mit der Erhebungsmethode (24-h-Recall) erwähnt werden. Ein 24-h-Verzehrsprotokoll stellt nur eine "Momentaufnahme" dar und ist besonders bei Gruppen mit kleinen Fallzahlen nicht immer aussagekräftig [Schneider, 1997]. Außerdem kann es auch aufgrund der unterschiedlichen Altersverteilung zwischen intern und extern lebenden Senioren (es leben größtenteils betagte Personen im PWH) zu signifikanten Abweichungen in der Nährstoffzufuhr kommen. Eine zu geringe Flüssigkeitsaufnahme ist ein weiteres Problem bei älteren Menschen. Vor allem Heimbewohner trinken häufig zu wenig [Bates et al., 2001]. Diese Beobachtung zeigte sich auch in der vorliegenden Studie. Die Flüssigkeitsauf- 80 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Frauen gesamt (n=376) PWH (n=201) PHH (n=175) D-A-CH Calcium (mg) 754 ± 376 743 ± 363 767 ± 392 1000 Kalium (g) 2,3 ± 8,1 2,3 ± 0,8 2,4 ± 8,2 2 Magnesium (mg) 268 ± 103 260 ± 101 276 ± 106 300 Eisen (mg) 11,5 ± 5,3 11,1 ± 5,5 11,8 ± 5,2 10 Zink (mg) 9,9 ± 3,4 10,0 ± 3,3 9,9 ± 3,5 7 Jod (µg) 124 ± 53 122 ± 48 126 ± 58 180 Männer gesamt (n=65) PWH (n=28) PHH (n=37) Calcium (mg) 765 ± 365 636 ± 369 867 ± 339 1000 Kalium (g) 2,4 ± 0,9 2,0 ± 0,6 2,7 ± 1,0 2 Magnesium (mg) 285 ± 98 235 ± 64 323 ± 104 350 Eisen (mg) 13,0 ± 5,0 11,2 ± 3,7 14,1 ± 5,6 10 Zink (mg) 11,1 ± 3,8 10,3 ± 3,6 11,6 ± 3,9 10 Jod (µg) 119 ± 41 115 ± 47 123 ± 37 180 Tab. 2.51: Gegenüberstellung Pensionistenwohnhaus und Privathaushalt: mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Mineralstoffen/Spurenelementen bei Wiener Senioren (ab 65 Jahre), getrennt nach Geschlecht PWH...Pensionistenwohnhaus; PHH...Privathaushalt nahme aus Lebensmitteln und Getränml/d Pensioni- Privathaus- D-Aken war beim gesamten Kollektiv der stenwohn- halt CHselbstständig lebenden Älteren signifihaus Richtkant höher als bei jenen Älteren, die in wert einem PWH leben (Tab. 2.52). Im FalFrauen 2236 ± 2475 ± 2250 le von erhöhten Flüssigkeitsverlusten 771 787 (Krankheiten mit Fieber, Durchfällen Män- 2141 ± 2504 ± 2250 etc.) tragen somit die Älteren im PWH ner 740 852 ein höheres Risiko für Austrocknungszustände. 1996 [Elmadfa et al., 1996] wurde im Rahmen des WHO-Projekts "Wien gesunde Stadt" die Ernährungssituation in Wiener Pensionistenwohnhäusern erhobenen. Tab. 2.53 und 2.54 vergleichen die damals ermittelte Energie- und Nährstoffaufnahme mit den aktuellen Verzehrsdaten der in PWH lebenden Senioren. Erfreulich sind die fallende Tendenz in der Fett- und Alkoholzufuhr sowie der leicht steigende Kohlenhydratkonsum. Leider zeigt sich hinsichtlich der aufgenommen Fettsäuren ein ungünstiger Trend. So ist die Aufnahme an gesättigten Fettsäuren weiter angestiegen und die von mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Polyenfettsäuren) gesunken. Bei den Mikronährstoffen zeigt sich lediglich bei Vitamin D, Vitamin B6 und Zink eine Verbesserung der Zufuhr. Allerdings muss dazu angemerkt werden, dass diese Daten mit aller Vorsicht bewertet werden müssen, da die Verzehrserhebung 1996 mit einem 7-Tage-Wiegeprotokoll durchgeführt wurde und die aktuellen Zahlenwerte mittels 24-h-Recall ermittelt wurden. Gesundheitszustand und allgemeines Ernährungsverhalten älterer Menschen Im PWH, wo die Altersstruktur wesentlich höher war als im Eigenheim, wurde der Gesundheitszustand ebenfalls von den meisten Senioren als "gut, dem Alter entsprechend" eingeschätzt. 81% des Kollektivs aus den Privathaushalten und 76% aus den Wohnheimen fühlten sich ihrem Alter entsprechend wohl. Es zeigte sich, 81 Tab. 2.52: Unterschiede in der Flüssigkeitszufuhr (MW ± SD), inklusive aus fester Nahrung, zwischen älteren Menschen (ab 65 Jahren) in Pensionistenwohnhäusern und Privathaushalten Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Tab. 2.53 Trends (Beobachtungszeitraum 1996-2002) in der Energie- und Makronährstoffzufuhr bei Wiener Senioren in Pensionistenwohnhäusern Tab. 2.54: Trends (Beobachtungszeitraum 1996-2002) in der Mikronährstoffzufuhr bei Wiener Senioren in Pensionistenwohnhäusern Pensionistenwohnhaus dass die Anzahl der Personen mit "sehr gutem" Gesundheitszustand mit zu(n=233) nehmendem Alter abnahm. Auch die Mikrozensusergebnisse ↔ Energie von 1998 bestätigen, dass mit anstei↑↑ Eiweiß gendem Alter die günstigen Beurteilungen zum eigenen Wohlbefinden im↑ Kohlenhydrate mer mehr abnehmen und die schlech↔ Ballaststoffe teren analog zunehmen [Statistik ↓↓ Austria, 2000]. Fett Im Vergleich zur Erhebung mit Se↑↑ Gesättigte Fettsäuren nioren im PWH von 1995, fühlten sich ↔ Monoenfettsäuren heute mehr Wiener Senioren im Wohnheim gesünder [Beer, 1995]. ↓↓ Polyenfettsäuren An Befindlichkeitsstörungen litt et↔ Cholesterin wa ein Drittel des Befragten. Die allge↓↓ Alkohol mein vermehrte Häufigkeit von gesundheitlichen Beschwerden im PWH ↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9% ↔ nahezu unverändert (< 5%) lässt sich meist auf das höhere Alters↑ (↓) höher (niedriger) um weniger als 9% profil der Heimbewohner zurückführen. Müdigkeit war die am häufigsten genannte Befindlichkeitsstörung. DepresPensionistenwohnhaus sionen führten 10% der Senioren an. (n=233) Die Medikamenteneinnahme war ↓↓ bei Heimbewohnern höher. 96% aller Vitamin A1 PWH-Bewohner konsumierten täglich ↑↑ Vitamin D Medikamente und 84% der Senioren ↓↓ Vitamin E2 aus dem Privathaushalt. Mit zunehmendem Alter (Abb. 2.23) stieg nicht Vitamin B1 ↓ nur die Anzahl der Personen, die MediVitamin B2 ↔ kamente einnehmen, sondern gleichVitamin B6 ↑ zeitig auch die Anzahl der eingenommenen Medikamente. Die bei den 3 ↓↓ Folsäure Heimbewohnern beobachteten ErgebVitamin B12 ↓↓ nisse zur Verzehrsfrequenz von Medikamenten sind denen der Untersu↔ Calcium chung von Beer [1995] sehr ähnlich. ↔ Kalium Die Häufigkeit des Medikamentenkon↔ Magnesium sums muss im Zusammenhang mit möglichen Wechselwirkungen zu Nähr↓↓ Eisen stoffen betrachtet werden. ↓↓ Jod Multipler Medikamentenkonsum kann außerdem zur Beeinträchtigung ↑↑ Zink des Appetits, des Geschmacks- und Ge1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg ruchssinns sowie zu Übelkeit und Erall-trans-ß-Carotin; 2 RRR-a-Tocopherol-Äquivalent = mg a-Tocopherol + mg ß-Tocopherbrechen führen. Ernährungsdefizite ol x 0,5 + mg ?-Tocopherol x 0,25 + können die Folge sein [Volkert, 1997]. mg a-Tocotrienol x 0,33; 3 Folat-Äquivalent Die Minderung des Appetits durch (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmultiplen Medikamentenkonsum geht monoglutaminsäure (PGA) ↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9%, auch aus Abb. 2.23 hervor. ↔ nahezu unverändert (<5%), ↑ (↓) höher Appetitlosigkeit zeigte sich erst bei (niedriger) um weniger als 9% den über 75-Jährigen. Aufgrund dieser Altersabhängigkeit machte sich Appetitlosigkeit als Einflussgröße des Wohlbefindens bei nur 1% der zuhause Lebenden bemerkbar; jedoch bei 7% der Pensionisten aus den PWH. Auf die Frage "Haben Sie Appetit?" antworteten mehr als ein Viertel der Heimbewohner aber nur 3% der Pensionisten im Privathaushalt dezidiert mit "nein". Dieser signifikante Unterschied 82 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung >6 am Tag 4-6 am Tag Appetit 2-3 am Tag appetitlos 1 am Tag 0% 20% 40% 60% 80% 100% 0% 20% 40% 60% 80% 55-64 J. 65-74 J. 1 Med/Tag 2-3 Med/Tag 75-84 J. > 84 J. 4-6 Med/Tag > 6 Med/Tag 100% blieb im Vergleich mit dem Alter der intern und extern lebenden Teilnehmer bestehen. Senioren im PWH zeigten demnach weniger Appetit als zuhause Lebende. Ein weiterer Einflussfaktor könnte auch das soziale Umfeld sein, denn die Mahlzeiteneinnahme im Freundes- oder Familienkreis kann einen positiven Einfluss auf die Nahrungsaufnahme haben [Volkert, 1997]. Auch aus Ergebnissen einer Studie mit Deutschen Senioren geht hervor, dass Appetitlosigkeit im Privathaushalt vernachlässigbar selten vorkommt [Stehle et al., 2000]. Insgesamt verspürten nur 62% der Senioren das Bedürfnis zu trinken. Senioren aus dem PWH hatten genauso oft Durst wie selbständig lebende. Sowohl drei Viertel der Senioren im PWH als auch im eigenen Haushalt tranken regelmäßig. Mehr männliche Senioren (77%) als weibliche (59%) empfanden ein regelmäßiges Durstgefühl und auch 88% der Männer, aber nur 77% der Frauen tranken regelmäßig. Dieses Ergebnis zeigt, dass Senioren durchaus über die Wichtigkeit einer adäquaten Flüssigkeitszufuhr Bescheid wissen, da mehr Personen angaben regelmäßig zu trinken, als Durst empfunden wurde. Im Durchschnitt wurde von intern und extern lebenden Betagten gleich viel und gleich oft getrunken. Probleme bei der Nahrungsaufnahme wie Schwierigkeiten beim Kauen, Schlukken und Schneiden waren unter Heimbewohnern (29%) verbreiteter als bei zuhause Wohnenden (12%). Einwandfreie Kautätigkeit ist ein wesentlicher Faktor bei der Nahrungsaufnahme. Kauschwierigkeiten waren bei drei Viertel der Personen der Grund für ihre Probleme beim Essen. Das Einhalten althergebrachten und traditionellen Essverhaltens der Senioren spiegelte sich in der wichtigsten Hauptmahlzeit, nämlich dem Mittagessen, wider. Das Mittagessen war sowohl bei Teilnehmern im PWH als auch im Eigenheim die wichtigste Mahlzeit, obwohl sich auch hier Unterschiede zwischen den beiden Kollektiven aufzeigen ließen. 86% der Heimbewohner, aber nur 67% der zuhause Lebenden aßen zu Mittag am meisten. Hingegen spielte Frühstück und Abendessen für zuhause Lebende eine größere Rolle. Etwa zwei Drittel der Senioren im PWH jedoch mehr als zwei Drittel im eigenen Haushalt nahmen zwischen den Hauptmahlzeiten etwas zu sich. Unter Berükksichtigung des Lebensalters blieb dieser Unterschied nur mehr bei den 55- bis 64- schlecht Appetit gut appetitlos sehr gut 0% 50% 100% 83 Abb. 2.32: Medikamentenkonsum in Bezug zum Alter und Einfluss der Anzahl der Medikamente auf den Appetit bei Wiener Senioren in Pensionistenwohnhäusern und im eigenen Haushalt Abb. 2.33 Zusammenhang zwischen subjektivem Gesundheitsempfinden und Appetit bei Wiener Senioren im Pensionistenwohnhaus und im eigenen Haushalt (Angaben in %) Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Jährigen bestehen. In der Altersgruppe der >84-Jährigen nahmen nur mehr die Hälfte der Befragten Zwischenmahlzeiten auf. Deutsche Studien mit Senioren belegen, dass Zwischenmahlzeiten eine eher untergeordnete Rolle spielen [Becker et al., 1990]. Signifikant mehr Frauen (75%) als Männer (56%) konsumierten etwas zwischen den Hauptmahlzeiten. Obst war das beliebteste Zwischengericht. Beinahe jeder Pensionist, der eine Zwischenmahlzeit zu sich nahm, konsumierte Obst. Zu Milchprodukten griff etwa die Hälfte. Kompott wurde im PWH knapp doppelt so oft (31%) als Zwischenmahlzeit verzehrt wie im Privathaushalt (17%). Jedoch waren Mehlspeisen und Süßigkeiten bei den Befragten im eigenen Haushalt (49%) beliebter als bei den Heimbewohnern (30%). Der Außer-Haus-Verzehr hatte bei Bewohnern von PWH kaum Bedeutung: 60% der Senioren im PWH aßen nie "auswärts". Knapp drei Viertel (72%) der Befragten zuhause und 39% im PWH gingen somit gelegentlich auswärts essen. Dieser signifikante Unterschied war jedoch altersabhängig und zeigte sich bei den über 84-Jährigen nicht mehr. Es konnte beobachtet werden, dass sich mit zunehmendem Alter weniger Teilnehmer außer Haus verpflegen. Dieser Trend wird von Ergebnissen anderer Untersuchungen bestätigt, wo der Anteil des Außer-Haus-Verzehrs durch den Ausstieg aus dem Berufsleben ebenfalls kontinuierlich abnimmt [Stehle et al., 2000; Becker et al., 1990]. Körperliche Aktivität kann in engem Zusammenhang mit Ernährung, Appetit und dem Stoffwechsel der Nährstoffe betrachtet werden und ist daher ein weiterer wichtiger Parameter bei der Beurteilung des Gesundheitszustands. Körperliche Aktivität an der frischen Luft kann sich positiv auf den Appetit, auf die Nährstoffversorgung und die Erhaltung der körperlichen Funktionen der Senioren auswirken [Volkert, 1997]. In Punkto "körperliche Ertüchtigung", worunter bereits ein täglicher schneller Spaziergang von einer halben Stunde zu verstehen ist, standen Heimbewohner den Senioren aus dem Privathaushalt um nichts nach. 86% der Senioren machten bewusst Bewegung. Drei Viertel aller Teilnehmer waren täglich aktiv. In dem 1995 untersuchten Kollektiv war die sportliche Betätigung des Gesamtkollektives ebenfalls sehr hoch [Beer, 1995]. Soziale Isolation, Einsamkeit sowie persönliche Motivationsfähigkeit sind entscheidende Parameter für das Auftreten von Mangelernährung. Soziale Kontakte und Integration in die Gesellschaft beeinflussen die Lebensqualität der Senioren. Mehr als die Hälfte der Senioren hielten sich den halben Tag in den eigenen Räumlichkeiten auf. Mehr als doppelt so viele der zuhause Wohnenden (9 %) wie Senioren im PWH (22 %) waren fast den ganzen Tag nicht in der Wohnung bzw. am Zimmer. Die Aufenthaltsdauer am Zimmer bzw. in der Wohnung nahm mit steigendem Lebensalter zu. Geschlechtsspezifische Unterschiede waren keine zu er- Nudeln/Brot Süßspeisen Fleisch Gemüse Abb. 2.34 Veränderungen in den Verzehrsgewohnheiten seit Eintritt in ein Pensionistenwohnhaus Kartoffeln Salat Obst Milchprodukte Fisch 0% 20% 40% häufiger 84 genauso oft 60% seltener 80% 100% Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung kennen. 1995 gaben Senioren im PWH [Beer, 1995] häufiger an den halben bzw. ganzen Tag am Zimmer zu verbringen. Man spricht heute wahrscheinlich nicht zu Unrecht von den sogenannten "jungen Alten". Knapp drei Viertel der Senioren, die zum Zeitpunkt der Erhebung im PWH lebten, protokollierten, dass sich ihre Essgewohnheiten seit dem Eintritt in das Heim verändert hätten. Für mehr als die Hälfte (55 %) der Heimbewohner war das Speisenangebot im PWH abwechslungsreicher als zu Hause, jedoch führte jeder zweite an, dass markante Unterschiede im Geschmack durch Gewürze bestünden. Um die veränderte Ernährungsweise der Senioren seit ihrem Umzug ins PWH besser dokumentieren zu können, wurde nach der Verzehrsfrequenz einzelner Lebensmittelgruppen gefragt. Die größten Veränderungen zeichneten sich bei Fisch ab. 45% der Befragten aus dem PWH protokollierten, dass sie Fisch seit dem Eintritt ins PWH häufiger verzehren würden. Der Obstkonsum blieb bei der Hälfte der befragten Pensionistenwohnhausbewohner unverändert, aber immerhin jeder Dritte gab an, seit dem Umzug ins PWH häufiger Obst zu essen. Hinsichtlich der Verzehrsfrequenz von Gemüse und Fleisch ergaben sich durch den Eintritt in ein Pensionistenwohnhaus keine Veränderungen (Abb. 2.34). 85 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung 2.6 Schwangere Zusammenfassung Eine angepasste Lebensführung und eine optimale Nährstoffversorgung sind bedeutende Voraussetzungen für einen ungestörten Schwangerschaftsverlauf. Bei der Beurteilung der Nährstoffaufnahme österreichischer Schwangerer wurde die Aufnahme an nährstoffangereicherten Lebensmitteln, nicht aber der Supplemente, mit berücksichtigt. Die Daten spiegeln somit die tatsächliche Aufnahme an Makronährstoffen, Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen über Lebensmittel wider. Zusammengefasst zeigte sich dabei ein nicht in allen Belangen zufriedenstellendes Ernährungsmuster. Aufgrund des hohen Anteils an tierischen Produkten in der Ernährung der Schwangeren, werden zu viele gesättigte Fettsäuren, Cholesterin und insgesamt zu viel Fett aufgenommen. Im Gegensatz dazu ist die Zufuhr an mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die hauptsächlich in pflanzlichen Ölen vorkommen, zu gering. Bei Schwangeren steigt der Mikronährstoffbedarf stärker an als der Energiebedarf. Deshalb sollte bei der Versorgung mit Kohlenhydraten auf stärkehaltige und ballaststoffreiche Lebensmittel, die auch essentielle Nährstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe enthalten, Wert gelegt werden. Bei den Mikronährstoffen ist vor allem die Folsäure-, Vitamin D-, Eisen-, Jod- und Calciumaufnahme über Lebensmittel unzureichend. Da 92% der Schwangeren zu Nahrungsergänzungsmitteln greifen, ist die Versorgungslage an den genannten essentiellen Nährstoffen allerdings mit Sicherheit besser, als sie durch das 24-h-Verzehrsprotokoll dargestellt werden kann. Dennoch lassen sich ungünstige Ernährungsgewohnheiten nicht durch die Einnahme von Supplementen ausgleichen. Die Lebensmittelgruppenauswertung ergab einen im Mittel zu geringen Verzehr von Gemüse, Obst, Vollkornprodukten, Joghurt und Sauermilch sowie Fisch. Diese Lebensmittel zeichnen sich neben einem hohen Gehalt an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen auch durch zahlreiche andere präventiv wirksame Inhaltsstoffe (sekundäre Pflanzenstoffe, Ballaststoffe, langkettige Fettsäuren, etc.) aus. Allgemeines Die Schwangerschaft einer Frau lässt sich als Lebensabschnitt beschreiben, in dem es zu einer Reihe tiefgreifender physiologischer, aber auch psychologischer Veränderungen kommt. Sie dienen der Vorbereitung bzw. dem Aufbau der Schwangerschaft, der Förderung von Wachstum und Entwikklung des Fötus sowie der Erhaltung der Gesundheit von Mutter und Kind. Für einen optimalen Verlauf der Schwangerschaft ist die angepasste Lebensführung der werdenden Mutter eine Grundvoraussetzung. Um den physiologischen Veränderungen des Stoffwechsels für Mutter und Fötus gerecht zu werden, ist eine höhere Zufuhr an bestimmten Nährstoffen notwendig. Die Bedeutung einer ausgewogenen Ernährung als Voraussetzung für einen optimalen Schwangerschaftsverlauf und die fetale Entwicklung ist zwar hinreichend bekannt, dennoch ergeben sich in der Praxis häufig beachtliche Diskrepanzen zwischen der tatsächlichen Nährstoffaufnahme und der als wünschenswert erachteten Zufuhrhöhe der einzelnen Nährstoffe. Im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 wurden erste Basisdaten über die Energie- und Nährstoffversorgung in der Schwangerschaft veröffentlicht. Eine Follow-up-Studie (Verzehrserhebung) wurde im Jahr 2002 bundesweit durchgeführt. Damit sollen einerseits weiterhin international vergleichbare Daten geliefert werden und andererseits sollen Trends in der Nährstoffversorgung von Schwangeren aufgezeigt werden. Die Studie wurde im Osten Österreichs (Raum Wien), Oberösterreich und Tirol durchgeführt. Dabei handelte es sich um eine Erhebung mit schwangeren Frauen, die sich in unterschiedlichen Stadien ihrer Schwangerschaft befanden. Voraussetzung für die Beteiligung an der Untersuchung waren die Vollendung der 21. Schwangerschaftswoche und es durften keine Risikoschwangerschaft, kein Diabetes oder andere Stoffwechselerkrankungen vorliegen. In der Erhebung wurde auf eine mögliche Mehrlingsschwangerschaft nicht eingegangen, da eine solche Schwangerschaft keine besonderen diätetischen Maßnahmen erfordert und auch keine wesentlichen Unterschiede im Energie- und Eiweißbedarf im Vergleich zu Einlingsschwangerschaften bestehen [Quaas, 1999]. Die Nährstoffaufnahme wurde über 24-h-Verzehrsprotokolle (24-h-Recall) ermittelt. Die Einnahme von Supplementen wurde zwar erfragt, da aber keine näheren Angaben zu den verwendeten Präparaten (Marke, Dosierung) gemacht wurden, konnten diese in der Berechnung der Nährstoffaufnahme nicht berücksichtigt werden. Es ist daher anzunehmen, dass für viele Mikronährstoffe die Versorgungslage besser war, als sie durch das 24-h-Verzehrsprotokoll beschrieben werden kann. Nährstoffangereicherte Lebensmittel flossen aber in die Berechnung ein. 86 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung 21.-30. 31.-40 GesamtZufuhr an Energie und MakroSW SW kollektiv nährstoffen Schwangerer n= 108 146 254 Tab. 2.56 zeigt die mittels 24-h-Recall ermittelten Ergebnisse zur Energie% 42,5 57,5 100 und Hauptnährstoffaufnahme bei Alter < 25 J. 25-35 J. 36-45 J. Schwangeren. Als Orientierungshilfe sind die jeweils korrespondierenden Dn= 63 158 29 A-CH-Referenzwerte angeführt. Hin% 25 63 12 sichtlich der Aufnahme an NahrungsSW...Schwangerschaftswoche energie und Makronährstoffen waren zwischen schwangeren Frauen verschiedener Altersgruppen keine signifikanten Unterschiede feststellbar. Auch unter Berücksichtigung des Schwangerschaftszeitraumes konnten keine gravierenden Unterschiede gesehen werden. Aufgrund der Neubildung von Körpergewebe erhöht sich während einer Schwangerschaft der Energiebedarf um etwa 1,1 MJ (255 kcal) pro Tag [DACH, 2000]. Die in der Tabelle angeführten D-A-CH-Richtwerte berücksichtigen diesen Mehrbedarf. Wie aus den ermittelten Verzehrsdaten hervorgeht, lag das Kollektiv der Schwangeren im Mittel unter diesen Richtwerten. Wie auch bei anderen Bevölkerungsgruppen, ist es jedoch schwierig, für alle Schwangeren einen einheitlichen Wert für den Energiebedarf zugrunde zu legen. Deshalb sind die D-A-CHRichtwerte für die Energiezufuhr auch lediglich als Rechengrößen gedacht und setzen außerdem eine wünschenswerte körperliche Aktivität voraus. Ursachen für die Differenzen können aber auch in der Methode (einmalige Erhebung mittels 24-hRecall) selbst zu suchen sein, da Ungenauigkeiten bei der Protokollführung, Underreporting bzw. Erinnerungsmängel zu niedrigen Absolutergebnissen beitragen können. Die aufgenommene Nahrungsenergie sollte auch während der Schwangerschaft zu ungefähr 55% aus Kohlenhydraten, 30% aus Fett und zu 10-15% aus Eiweiß stammen. Mit fortschreitender Schwangerschaft (ab 4. Monat) wird eine Anhebung des Eiweißanteils empfohlen und ein Fettanteil von bis zu 35% toleriert [DACH, 2000]. Im Durchschnitt führte das Kollektiv der Schwangeren täglich 8,5 g Protein/MJ zu sich und lag damit um rund 34% über dem entsprechenden D-A-CH-Referenzwert. In Relation zur Gesamtenergiezufuhr lag der Proteinanteil bei 15 Energie%. Die Eiweißversorgung kann demnach als zufriedenstellend angesehen werden. We- Energie (MJ) gesamt (n=250) 8,5 ± 2,6 E% Eiweiß 15 ± 4 < 25 Jahre 25-35 Jah- 36-45 Jah- D-A-CH (n=63) re (n=158) re (n=27) 8,9 ± 3,0 8,4 ± 2,5 7,8 ± 2,3 11,1 bzw. 10,6 15 ± 4 15 ± 5 16 ± 4 10-15 E% Kohlenhydrate 50 ± 9 51 ± 7 50 ± 9 47 ± 6 55 davon Zucker 14 ± 7 14 ± 8 14 ± 8 13 ± 6 - Ballaststoffe (g) 21 ± 10 19 ± 8 22 ± 11 20 ± 8 >30 E% Fett 35 ± 7 34 ± 7 35 ± 8 37 ± 5 30-35 davon GFS 16 ± 3 16 ± 3 16 ± 3 17 ± 2 max. 10 davon MFS 13 ± 2 13 ± 2 13 ± 2 14 ± 2 13 davon PFS 6±3 5±2 6±3 6±2 7 Cholesterin (mg) 340 ± 262 394 ± 347 327 ± 234 298 ± 176 max. 300 E% Alkohol 0,2 ± 0,7 0,1 ± 0,2 0,2 ± 0,8 0,3 ± 0,9 - E%...Energieprozent; GFS...Gesättigte Fettsäuren; MFS...Monoenfettsäuren; PFS...Polyenfettsäuren 87 Tab. 2.55: Alter und Schwangerschaftswoche der untersuchten schwangeren Frauen Tab. 2.56: Mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Energie und Makronährstoffen bei schwangeren Frauen in Österreich, getrennt nach Altersgruppen Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Tab. 2.57: Trends (Beobachtungszeitraum 1998-2002) in der Zufuhr an Energieund Makronährstoffen bei Schwangeren Schwangere niger wünschenswert ist jedoch die Beobachtung, dass der überwiegende Teil des aufgenommenen Proteins aus tie↑↑ Eiweiß rischen Quellen stammte und nur ein ↔ Drittel pflanzlichen Ursprungs war. Kohlenhydrate Der Fettanteil an der Gesamtener↔ Ballaststoffe gieaufnahme der Schwangeren lag bei ↓ Fett durchschnittlich 35%. Die Energiezufuhr aus Fett stieg jedoch mit zuneh↓↓ Cholesterin mendem Alter der untersuchten ↓↓ Alkohol Schwangeren an. In der Altersgruppe ↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9% der über 35-Jährigen stammten 37% ↔ nahezu unverändert (< 5%) der aufgenommenen Nahrungsenergie ↑ (↓) höher (niedriger) um weniger als 9% aus Fett. Ebenso wie bei anderen Bevölkerungsgruppen war auch bei Schwangeren die mittlere Aufnahme an gesättigten Fettsäuren (GFS) mit rund 15% der Energiezufuhr zu hoch. Die Zufuhr an GFS sollte so niedrig wie möglich sein und möglichst 10% der Nahrungsenergiezufuhr nicht überschreiten. Im Gegensatz dazu war die Aufnahme an mehrfach ungesättigte Fettsäuren (PFS) im Mittel mit 6% der Energiezufuhr zu gering. Sehr hoch war die Cholesterinaufnahme. Diese lag bei durchschnittlich 340 mg pro Tag und damit über dem als Obergrenze formulierten Richtwert von 300 mg [DACH, 2000]. Energie ↓ 50% der Energiezufuhr wurden von den Schwangeren in Form von Kohlenhydraten aufgenommen. Mindestens 50% der zugeführten Nahrungsenergie sollten aus Kohlenhydraten stammen, wobei der Anteil zugesetzter Einfachzucker möglichst gering sein sollte, da diese zur Unterversorgung an essentiellen Nährstoffen beitragen können [DACH, 2000]. Die Zuckeraufnahme war jedoch relativ hoch und die Aufnahme an hochmolekularen Kohlenhydraten zu gering. Dementsprechend wurden zu wenige Ballaststoffe aufgenommen. Je höher die Kohlenhydrataufnahme eines Kollektivs ist, desto höher ist gewöhnlich auch die Ballaststoffzufuhr. Dieser Zusammenhang war jedoch nicht besonders ausgeprägt (r = 0,505). Die Alkoholzufuhr lag bei durchschnittlich 0,2 Energieprozent. Verglichen mit Untersuchungen an nicht schwangeren Frauen und den 1997 mit Schwangeren durchgeführten Erhebungen [Szallai, 1997], zeigte sich eine deutlich geringere Alkoholaufnahme. Vermutlich hat sich das Wissen um die Konsequenzen des Alkoholkonsums und bestehender Schwangerschaft inzwischen etwas gebessert und führt zu einem abstinenteren Verhalten. Tab. 2.57 vergleicht die aktuelle Energie- und Makronährstoffaufnahme von Schwangeren mit den korrespondierenden Aufnahmedaten aus dem Österreichischen Ernährungsbericht 1998. Langfristige Trends im Ernährungsverhalten sollen dadurch aufgezeigt werden. Demnach ist die Energie- und Fettzufuhr im Mittel leicht zurückgegangen. Hingegen ist die Eiweißaufnahme von durchschnittlich 13% auf 15% der Energiezufuhr angestiegen. Hinsichtlich der Alkohol- und Cholesterinaufnahme zeigt sich eine fallende Tendenz, wobei letztere im Mittel immer noch hoch ist. Zufuhr an Mikronährstoffen bei Schwangeren In der Schwangerschaft steigt der Bedarf an den meisten Vitaminen und Mineralstoffen im Vergleich zum Mehrbedarf an Energie erheblich an. Daher sollten verstärkt Lebensmittel mit hoher Nährstoffdichte in den Speiseplan eingebaut werden. Die im Körper befindlichen Reserven sind begrenzt und reichen insbesondere für wasserlösliche Vitamine (Ausnahme: Vitamin B12) nur sehr kurze Zeit zur adäquaten Versorgung von Mutter und Fötus [Bung, 2000]. Tab. 2.58 zeigt die aus 88 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung gesamt < 25 Jahre 25-35 Jahre 36-45 Jahre D-A-CH (n=250) (n=63) (n=158) (n=27) Vitamin A1 (mg) 1,3 ± 1,3 1,3 ± 1,0 1,2 ± 1,2 1,5 ± 1,5 1,1 β-Carotin2 (mg) 4,0 ± 4,6 3,8 ± 4,8 3,9 ± 4,4 3,3 ± 3,7 2-4 Vitamin D (µg) 2,2 ± 2,4 2,1 ± 2,2 2,3 ± 2,6 2,5 ± 2,3 5 Vitamin E3 (mg) 12,7 ± 8,4 12,6 ± 8,6 12,7 ± 8,9 12,2 ± 5,9 13 Vitamin B1 (mg) 1,3 ± 0,7 1,3 ± 0,7 1,2 ± 0,7 1,3 ± 0,5 1,2 Vitamin B2 (mg) 1,7 ± 0,9 1,8 ± 1,0 1,6 ± 0,8 1,7 ± 0,8 1,5 Niacin4 (mg) 28 ± 12 29 ± 12 27 ± 12 26 ± 9 15 Vitamin B6 (mg) 1,8 ± 1,0 1,9 ± 1,0 1,7 ± 0,9 1,6 ± 0,7 1,9 Biotin (µg) 54 ± 42 49 ± 27 54 ± 42 46 ± 22 30-60 Folsäure5 (µg) 250 ± 118 253 ± 112 245 ± 107 237 ± 113 600 Vitamin B12 (µg) 4,4 ± 6,0 4,1 ± 2,3 3,8 ± 2,5 4,6 ± 2,6 3,5 Vitamin C (mg) 144 ± 107 137 ± 109 140 ± 136 110 143 ± 122 1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin; 2 dieser Wert mal 0,16 ist in den Retinol-Äquivalenten enthalten; 3 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γ-Tocopherol x 0,25 + mg α-Tocotrienol x 0,33; 4 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan; 5 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA) den 24-h-Verzehrsprotokollen errechnete Zufuhr an Vitaminen sowie die korrespondierenden D-A-CH-Referenzwerte. Während der Schwangerschaft besteht aufgrund der beschleunigten Zellvermehrung (Uterus, Plazenta, Brustgewebe, Föten) ein beträchtlicher Mehrbedarf an Folsäure [Elmadfa und Leitzmann, 1998]. Deshalb wird Schwangeren im Vergleich zu nicht Schwangeren eine Mehraufnahme von 200 µg Nahrungsfolat pro Tag empfohlen [DACH, 2000]. Im Mittel erreichte das untersuchte Kollektiv nicht einmal die Hälfte dieser Empfehlung. Die Aufnahme an Nahrungsfolat muss daher als unzureichend charakterisiert werden. Die empfohlene Vitamin D-Zufuhr von Schwangeren ist gegenüber den altersentsprechenden Referenzwerten nicht erhöht. Dennoch zeigte sich bei den Probandinnen eine deutlich zu geringe Aufnahme durch die Nahrung. Im Mittel lag diese bei lediglich 44% der Empfehlung [DACH, 2000]. Da eine geringe regelmäßige Sonnenexposition auch zur Bedarfsdeckung beitragen kann, ist eine Interpretation der Vitamin D-Versorgung alleine aufgrund von Verzehrserhebungen jedoch problematisch. Verbesserungswürdig ist auch die Vitamin B6-Versorgung. In der 2. und 3. Altersgruppe lag die Aufnahme im Mittel unterhalb der D-A-CH-Referenzwerte. Die durchschnittliche Vitamin B1-Zufuhr lag im Studienkollektiv zwar knapp oberhalb der D-A-CH-Referenzwerte, jedoch sollte die Versorgung bei Schwangeren dennoch sorgsam überwacht werden. Weitgehend zufriedenstellend war die durchschnittliche Zufuhr an Vitamin B2, Vitamin B12, Vitamin A und Vitamin C. Diese lag um einige Prozentpunkte oberhalb der entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen. Durch den Verzehr von Leber von zwei Schwangeren der dritten Altersgruppe ergab sich bei der Vitamin A-Zufuhr allerdings eine große Streubreite. Dadurch 89 Tab. 2.58 Mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Vitaminen bei schwangeren Frauen in Österreich, getrennt nach Altersgruppen Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Abb. 2.35 Abweichung (in %) der mittleren täglichen Vitaminzufuhr von den D-ACH-Referenzwerten bei Schwangeren in Österreich 80 60 <25 J. 25-35 J. 36-45 J. 40 20 0 D-A-CH -20 -40 -60 -80 Niacin Vit.C Vit. A B12 B2 B1 Vit. E B6 Vit. D Folat Vitamin K-Status war im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 bei 4-7% des Kollektivs leicht erniedrigt; Pantothensäure: Unterversorgung unwahrscheinlich Tab. 2.59 Mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Mineralstoffen/Spurenelementen bei schwangeren Frauen in Österreich, getrennt nach Altersgruppen wurden die D-A-CH-Referenzwerte um den Faktor 8 überschritten (Tab. 2.61). Diese Personengruppe wurde in Tab. 2.61 noch einmal gesondert dargestellt. Vitamin A-Mengen über 3 mg Retinol (präformiertes Vitamin A) sollten aufgrund der fruchtschädigenden Wirkung nicht mehrmals wiederholt aufgenommen werden [DACH, 2000]. Vom wissenschaftlichen Lebensmittelausschuss (SCF) der EU-Kommission wird die physiologisch tolerierbare obere Grenze der täglichen Zufuhr (Tolerable Upper Intake Level, abgekürzt UL) für Vitamin A ebenfalls mit 3 mg/d angegeben [SCF, 2002b]. Insgesamt erreichten zwei Drittel aller Schwangeren zumindest 80% der empfohlenen Vitamin A-Zufuhr und rund ein Fünftel der Frauen lagen unter 50% der empfohlenen Zufuhr. Zur Interpretation der Vitamin E-Zufuhr steht als nutritiver Referenzwert lediglich ein Schätzwert zur Verfügung. Ohne laborchemische Messwerte ist die Versorgungslage deshalb schwierig zu beurteilen. Jedenfalls lag die ermittelte durchschnittliche Vitamin E-Aufnahme der Schwangeren knapp unter dem D-A-CH-Referenzwert. Im Vergleich zu den Daten des Österreichischen Ernährungsberichts 1998, scheint sich die Vitamin E-Aufnahme jedoch verbessert zu haben. Bei der Statusbestimmung wurden damals auch lediglich bei rund 8% der Schwangeren Vitamin E-Serumwerte unterhalb des Normalbereichs gemessen [Elmadfa et al., 1998]. Bei Niacin sowie auch bei Biotin ist eine Unterversorgung der Schwangeren aufgrund der vorliegenden Verzehrsdaten sehr unwahrscheinlich. Tab. 2.59 zeigt die aus den 24-h-Verzehrsprotokollen errechneten mittleren Aufnahmen an Mineralstoffen bzw. Spurenelementen, als Orientierungshilfe sind wiederum die entsprechenden D-A-CH-Referenzwerte angeführt. < 25 Jahre 25-35 Jahre 36-45 Jahre D-A-CH (n=250) gesamt (n=63) (n=158) (n=27) Calcium (mg) 893 ± 433 937 ± 483 872 ± 391 890 ± 517 1000 Kalium (g) 2,7 ± 1,0 2,7 ± 0,9 2,6 ± 1,0 2,8 ± 1,3 2 Magnesium (mg) 307 ± 112 296 ± 103 309 ± 113 287 ± 103 310 Eisen (mg) 13,6 ± 5,2 13,2 ± 4,5 13,4 ± 5,3 13,6 ± 5,8 30 Zink (mg) 10,8 ± 3,6 11,1 ± 3,4 10,6 ± 3,7 10,7 ± 3,7 10 Jod (µg) 149 ± 74 156 ± 71 150 ± 79 133 ± 57 230 90 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung 50 <25 J. 25 25-35 J. 36-45 J. 0 D-A-CH -25 -50 -75 K Zn Mg Ca Jod Eisen K...Kalium; Zn...Zink; Mg...Magnesium; Ca...Calcium Selen-Status war im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 bei 13-34% des Kollektivs leicht erniedrigt; Phosphor, Chlorid: Unterversorgung unwahrscheinlich; Fluorid, Kupfer, Mangan, Chrom: noch nicht exakt bewertet Während einer Schwangerschaft ist vor allem der Bedarf an Eisen, Jod und Zink erhöht. Die Empfehlungen für die tägliche Eisenzufuhr verdoppeln sich in der Schwangerschaft und lassen sich in der Regel mit der Nahrung nicht erreichen [DACH, 2000]. Somit war es nicht überraschend, dass die durchschnittlich mit der Nahrung aufgenommene Eisenmenge im Kollektiv der Schwangeren rund 50% unter den Empfehlungen lag. Auch die Jodzufuhr war nicht zufriedenstellend. Die durchschnittlichen Jodaufnahmen lagen ähnlich wie bei Eisen weit unter den D-A-CH-Empfehlungen. Der Calciumbedarf erhöht sich während der Schwangerschaft zwar nicht, jedoch war die ermittelte Calciumaufnahme in Relation zu den auch für Nichtschwangere geltenden D-A-CH-Empfehlungen im Mittel unzureichend. Magnesium und Zink werden in der Ernährung von Schwangeren häufig als kritische Nährstoffe diskutiert. Im untersuchten Kollektiv lag die durchschnittliche Zinkaufnahme oberhalb der entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen und die Magnesiumzufuhr lag im Mittel knapp darunter. Aufgrund dieser Verzehrsdaten kann eine unzureichende Aufnahme bei diesen beiden Mikronährstoffen zwar nicht bei allen Schwangeren ausgeschlossen werden, jedoch ist die Versorgungslage weit besser als sie vergleichsweise bei Eisen und Jod zu erwarten ist. Die Kaliumversorgung kann hingegen als zufriedenstellend beurteilt werden. Die mittlere Kaliumaufnahme des Gesamtkollektivs lag über dem D-A-CH-Referenzwert. Tab. 2.60 vergleicht die aktuellen Mikronährstoffaufnahmen von Schwangeren mit den korrespondierenden Verzehrsdaten des Österreichischen Ernährungsberichts 1998. Demnach hat sich die Mikronährstoffversorgung bei den Schwangeren in den letzten fünf Jahren großteils verbessert. Bei Vitamin D, Folsäure und Jod zeigten sich aktuell jedoch deutlich niedrigere Aufnahmemengen. Wie zuvor erwähnt, verzehrten zwei Probandinnen während der Untersuchung eine Portion Hühner- bzw. Kalbsleber. Dementsprechend war die Vitamin A-Zufuhr um einige Größenordnungen höher als beim restlichen Kollektiv. Inwieweit sich die restliche Nährstoffaufnahme durch den Leberkonsum im Vergleich mit dieser Al- 91 Abb. 2.36 Abweichung (in %) der mittleren täglichen Zufuhr an Mineralstoffen/Sp urenelementen von den D-A-CH-Referenzwerten bei Schwangeren in Österreich Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Tab. 2.60: Trends (Beobachtungszeitraum 19982002) in der Mikronährstoffaufnahme bei Schwangeren Schwangere Vitamin A1 ↑↑ Vitamin D ↓↓ Vitamin E2 Vitamin B1 Vitamin B2 ↑↑ Niacin3 ↑↑ Vitamin B6 ↑↑ Biotin ↑↑ Folsäure4 Vitamin B12 ↓↓ Calcium ↔ Magnesium ↔ Eisen ↑↑ Zink ↑ Jod ↓↓ ↑↑ ↑↑ ↓ 1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-ß-Carotin; 2 RRR-a-Tocopherol-Äqui- valent = mg a-Tocopherol + mg ß-Tocopherol x 0,5 + mg ?-Tocopherol x 0,25 + mg a-Tocotrienol x 0,33; 3 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA) ↑↑ (↓↓) höher (niedriger) um mehr als 9%, ↔ nahezu unverändert (<5%), ↑ (↓) höher (niedriger) um weniger als 9% tersgruppe ohne Leberkonsum abhebt, soll Tab. 2.61 veranschaulichen. An dieser Stelle soll auch angemerkt werden, dass Frauen die schwanger werden wollen oder schwanger sind, generell keine Leber verzehren sollten [SCF, 2002b]. Der Grund dafür ist der unkalkulierbar hohe Vitamin AGehalt von Leber und das damit verbundene Risiko einer fruchtschädigenden Wirkung. Wie leicht zu erkennen ist, gab es nicht nur hinsichtlich der Vitamin A-Aufnahme Unterschiede. Bei den Schwangeren, die Leber verzehrten, zeigten sich außerdem eine höhere Gesamtenergiezufuhr sowie auch eine höhere Aufnahme an Cholesterin und Fett. Die alimentäre Zufuhr an Eisen, Jod, und Calcium sowie einiger BVitamine war beim leberessenden Teilkollektiv höher. Die Energiezufuhr des Teilkollektivs mit Leberverzehr war signifikant (p=0.001) höher als die des Gesamtkollektivs. Die dem Gesamtkollektiv überlegene Energie- und Nährstoffaufnahme (mit wenigen Ausnahmen) resultierte nicht nur aus dem Leberverzehr, sondern lässt sich auch durch das übrige allgemeine Essverhalten und einen höheren Body Mass Index (BMI~24) der Probandinnen erklären. Lebensmittelwahl von Schwangeren Die Empfehlungen für die Ernährung schwangerer Frauen decken sich im Wesentlichen mit jenen für gesunde Erwachsene. Aufgrund der physiologischen Veränderungen während der Schwangerschaft stellen sich jedoch besondere Anforderungen an die Ernährung. Statt (mengenmäßig) für Zwei zu essen, wie es häufig noch angenommen wird, ist es sinnvoller, Lebensmittel mit niedrigem Energiegehalt und hoher Nährstoffdichte zu wählen, z.B. Gemüse, Obst, Vollkornprodukte und fettarme Milchprodukte. Laut eigenen Angaben achteten nur 4% der Schwangeren nicht auf eine ausgewogene und bedarfsgerechte Ernährung. 41% taten das immer und mehr als die Hälfte versuchten sich wenigstens bewusst zu ernähren. Hier konnten signifikante Unterschiede (p<0,01) unter Berücksichtigung der Schulbildung festgestellt werden. Werdende Mütter mit hoher Schulbildung achteten häufiger auf eine ausgewogene Ernährung als solche, die beispielsweise eine Lehre absolviert haben. Mithilfe einer vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien entwickelten Access-Datenbank (auf Basis des Bundeslebensmittelschlüssels II.3) wurde eine Menükomponentenanalyse durchgeführt. Dabei konnte nicht bei allen Lebensmittelgruppen eine Anpassung der Ernährungsgewohnheiten an den geänderten Bedarf von Schwangeren festgestellt werden. In Tab. 2.62 ist der Verzehr der einzelnen Lebensmittelgruppen für das gesamte Kollektiv zusammengefasst. Insgesamt gesehen, wurden vor allem Lebensmittel mit hoher Nährstoffdichte (Gemüse, Salat, Obst...) in zu geringem Umfang verzehrt. Der Fischkonsum erreichte ebenfalls nur rund die Hälfte der empfehlenswerten Menge. Täglich sollten rund 250 g Brot gegessen werden. Diese Empfehlung wurde nur zu rund 60% erreicht. 92 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Mit Leber Ohne Leber (n=2) (n=27) Energie (MJ) 11,5 ± 0,3 7,8 ± 2,3 11 bzw. 10,6 E% Eiweiß 14 ± 4 16 ± 4 10-15 E% Kohlenhydrate 47 ± 7 47 ± 6 55 Ballaststoffe g/d 26 ± 19 20 ± 8 >30 E% Fett 39 ± 7 37 ± 5 30-35 Cholesterin mg/d 872 ± 33 298 ± 176 max. 300 E% Alkohol 0,2 ± 0,7 0,3 ± 0,9 - Vitamin A1 (mg) 8,8 ± 2,0 1,5 ± 1,5 1,1 Vitamin D (µg) 2,2 ± 0,2 2,3 ± 2,5 5 Vitamin E2 (mg) Vitamin B1 (mg) 16,0 ± 6,3 12,2 ± 5,9 13 1,8 ± 0,5 1,3 ± 0,5 1,2 Vitamin B2 (mg) 6,0 ± 1,0 1,7 ± 0,8 1,5 Niacin3 (mg) 50 ± 2 26 ± 9 15 Vitamin B6 (mg) 2,9 ± 0,2 1,6 ± 0,7 1,9 Biotin (µg) 242 ± 146 46 ± 22 30-60 Folsäure4 (µg) Vitamin B12 (µg) 742 ± 111 237 ± 113 600 61,0 ± 35,6 4,6 ± 2,6 3,5 Vitamin C (mg) 99 ± 32 140 ± 136 110 Calcium (mg) 1197 ± 648 890 ± 517 1000 Kalium (g) 4,0 ± 0,3 2,8 ± 1,3 2 Magnesium (mg) 449 ± 53 287 ± 103 310 Eisen (mg) 26,0 ± 1,2 13,6 ± 5,8 30 Zink (mg) 13,9 ± 2,3 10,7 ± 3,7 10 Jod (µg) 163 ± 23 133 ± 57 230 Tab. 2.61 Gegenüberstellung der Energie- und Nährstoffzufuhr der Probandinnen mit und ohne Leberkonsum D-A-CH 1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin; 2 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γ-To- copherol x 0,25 + mg α-Tocotrienol x 0,33; 3 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan; 4 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA) Bei den genannten Lebensmittelgruppen wäre demnach eine Verdopplung des Verzehrs durchaus wünschenswert. Dagegen war die Aufnahme anderer kohlenhydratreicher Lebensmittel wie Nudeln oder Reis einigermaßen zufriedenstellend. Milch- und Milchprodukte scheinen in ausreichenden Mengen verzehrt zu werden, wenn auch die Empfehlungen im Mittel nicht zu 100% erreicht wurden. Der D-ACH-Richtwert für die Gesamtwasseraufnahme (ca. 2,7 l/d) wurde im Mittel auch nicht erreicht. Die Flüssigkeitsaufnahme (inklusive aus fester Nahrung) des Kollektivs lag bei rund 2,5 Liter pro Tag. Nährstoffangereicherte Lebensmittel in der Ernährung Schwangerer Zur Deckung des täglichen Nährstoffbedarfs sollten Schwangere vor allem Lebensmittel mit günstigem Nährstoff-Energieverhältnis konsumieren. Daneben besteht noch die Alternative des Verzehrs von nährstoffangereicherten Lebensmitteln. 93 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Tab. 2.62: Vergleich der wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen mit tatsächlichen Verzehrsdaten (3-dWiegeprotokoll, n=151) bei Schwangeren Lebensmittelgruppe Soll Ist (MW ± SD) pro Tag Brot 200 - 250 g täglich 120 ± 74 g Nudeln, Reis, Kartoffeln... 150 - 300 g 4 - 6x / Woche 157 ± 119 g Gemüse, Salat 430 - 570 g täglich 176 ± 150 g Obst 250 - 350 g täglich 191 ± 187 g Wasser 1,5 - 2 Liter täglich 1,0 ± 0,7 l Milch, Joghurt, Sauermilch... 300 - 400 g täglich 260 ± 243 g Käse 30 - 60 g täglich 26 ± 41 g Fleisch 100-150 g 2 - 3x / Woche 62 ± 75 g Wurst/Schinken Portion Fisch rd. 150 g 3 - 5x / Woche 42 ± 54 g wöchentlich 12 ± 39 g Aus diesen Überlegungen heraus galt es zu prüfen, ob Schwangere aufgrund ihrer Situation bewusst und in welchem Ausmaß zu solchen Erzeugnissen greifen. Mehr als 2/3 der befragten schwangeren Frauen protokollierten, dass sie (bewusst) nährstoffangereicherte Lebensmittel kaufen. Demnach nimmt während einer Schwangerschaft das Interesse an einer nährstoffreichen Ernährung deutlich zu. 70% der Schwangeren, die angaben, früher nie auf eine ausgewogene Ernährung geachtet zu haben, führten den Kauf von angereicherten Produkten an. Dies taten sogar 63% der Schwangeren, die sich immer ausgewogen ernährt haben. Von jüngeren Frauen wurden tendenziell häufiger nährstoffangereicherte Produkte gekauft als von älteren. In erster Linie wurden diese Lebensmittel aus Gesundheitsgründen (41% der Käuferinnen) erworben. Seit dem Beginn der Schwangerschaft erstanden 28% der Konsumentinnen vermehrt solche Produkte und für ein Drittel war die vorherrschende Schwangerschaft mitausschlaggebend für den Kauf von angereicherten Produkten. 55% der Schwangeren, die angereicherte Lebensmittel verzehren, taten dies regelmäßig zum Ausgleich eines sonst möglicherweise bestehenden Nährstoffdefizits. Rund drei Viertel aller befragten Schwangeren könnten sich vorstellen, gezielt an den Nährstoffbedarf Schwangerer angepasste Le70 % Verzehrshäufigkeit 60 50 40 30 20 10 0 Säfte Milch Cerealien Tees Instant angereicherte Produkte Abb. 2.37 Verzehrshäufigkeit ausgewählter angereicherter Produkte täglich/wöchentlich Säfte... Milch... Cerealien... Tees... Instant... selten nie Multivitaminsäfte, ACE-Limonaden, ... angereicherte Joghurts, Milchmischgetränke, ... angereicherte Müslis, Cornflakes, ... angereicherte Früchtetees, ... div. Instant-Kakao-Getränke, Getränkepulver, ... 94 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung ein Supplement 32% nicht supplementiert 9% 91% verwendeten Supplemente zwei Supplemente 44% drei Supplemente 18% Abb. 2.38: Supplementierung und Anzahl der eingenommenen Supplemente vier Supplemente 6% bensmittel zu kaufen. Zu den am häufigsten konsumierten angereicherten Lebensmitteln zählten laut Food Frequency Questionnaire Fruchtsäfte, Früchtetees, Milchprodukte, Cerealien und Kakaogetränke (Abb. 2.37). Die Auswertung der 24h-Recalls bestätigte diese Ergebnisse. Einnahme an Supplementen (Nahrungsergänzungsmittel) bei Schwangeren Bei einzelnen Mikronährstoffen ist es während einer Schwangerschaft oft nicht möglich, den erhöhten Bedarf über Lebensmittel zu decken. Zur Optimierung der Nährstoffversorgung von Mutter und Fötus ist daher eine gezielte Ernährungsberatung und häufig eine individuell abgestimmte Supplementierung notwendig. 92% der werdenden Mütter gaben bei dieser Erhebung an, dass sie Supplemente nehmen, und 81%, dass sie dies täglich tun. Mehr jüngere als ältere Frauen (p<0,05) griffen zum individuellen Ausgleich ihrer Nährstoffdefizite zu Supplementen. 97% der 19- bis 25-jährigen, 91% der 26- bis 35-jährigen und 90% der 36- bis 45-jährigen Frauen verwendeten sie. Aus Abb. 2.38 ist ersichtlich, dass mehr als 90% der Schwangeren Nahrungsergänzungsmittel einnahmen. Außerdem wurden gleichzeitig mehrere Präparate konsumiert. In erster Linie waren es Multivitamin- und Magnesiumpräparate. Mit fortschreitender Schwangerschaft griffen mehr Frauen zu Supplementen. Zwischen der 31. und 40. Schwangerschaftswoche waren es 94%, zwischen der 21. und 30. Woche nur 89% (Abb. 2.39). Gegen Ende der Schwangerschaft wurNahrungsergänzung zwischen 21.-30. Schwangerschaftswoche (n=107) Multivitamin 63% nicht supplementiert 11% 89% verwendeten Supplemente* Eisen 31% Magnesium 58% Calcium 5% Folsäure/Eisen 6% anderes 17% Nahrungsergänzung zwischen 31.-40. Schwangerschaftswoche (n=137) Multivitamin 58% nicht supplementiert 6% 94% verwendeten Supplemente* Eisen 49% Magnesium 74% Calcium 6% Folsäure/Eisen 17% anderes 10% 95 Abb. 2.39 Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln, gegliedert in Schwangerschaftswochen und Art des Präparats Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung 60 % BMI-Gruppe Abb. 2.40 Sportliche Betätigung/ Schwangerschaftsgymnastik des Kollektivs bewertet nach dem präkonzeptionellen BMI (in %) häufig 50 selten nie 40 30 20 10 0 BMI <20 BMI 20-25 BMI >25 den vor allem mehr Magnesium- und Eisenpräparate bzw. auch Folsäure oder Kombinationspräparate mit Eisen konsumiert. Nur ein Bruchteil der werdenden Mütter (3%) benannte den regelmäßigen Konsum von Nahrungsergänzungsmitteln als Möglichkeit einer Vorsorge für eine adäquate Ernährung. Weniger als 5% setzten die schon vor der Schwangerschaft übliche Supplementation fort. In erster Linie konsumierten Schwangere (94%) Nahrungsergänzungsmittel auf Anraten des betreuenden Arztes. Ernährungswissen und Sportverhalten/Schwangerschaftsgymnastik Körperliche Aktivität bis hin zu sportlicher Betätigung wird heute während einer bestehenden Schwangerschaft als durchaus sinnvoll und positiv anerkannt [Hartmann und Bung, 1999]. Durch die Schwangerschaft hervorgerufene physiologische Veränderungen müssen natürlich berücksichtigt werden. Trotz dieser Erkenntnisse gaben 43% der Probandinnen an, sich nicht sportlich zu betätigen. Lediglich 19% der Schwangeren waren regelmäßig körperlich aktiv und 38% gelegentlich. Mit fortschreitender Schwangerschaft betrieben Frauen häufiger Sport. Zwischen der 31. und 40. Schwangerschaftswoche waren es 23% und zwischen der 21. und 30. Woche 14%. Grund dafür war mit Sicherheit der Geburtsvorbereitungskurs, der in der Regel erst am Ende der Schwangerschaft abgehalten wird. Unterschiede (nicht signifikant) ergaben sich auch zwischen dem präkonzeptionellen Body Mass Index (BMI) und dem Sportverhalten während der Schwangerschaft (Abb. 2.40). Über einen Mehrbedarf an diversen Nährstoffen wussten die meisten Schwangeren Bescheid. Abb. 2.41 zeigt, bei welchen Vitaminen und Mineralstoffen Zink Vit B1 Vit. B2 Vit. D Abb. 2.41 Überblick über das Wissen eines Mehrbedarfs der angeführten Vitamine und Mineralstoffe während der Schwangerschaft (in %) Vit. E Vit. B6 Vit. A Vit. B12 Jod Vitamin C Calcium Folsäure Magnesium Eisen 0 10 20 30 40 96 50 60 70 80 90 100 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Abb. 2.42 Quellen der Ernährungsinformation während der Schwangerschaft anderes TV Verw andte/Bekannte Arzt Bücher Zeitschriften 0 10 20 30 40 50 Antw orten % schwangere Frauen einen Mehrbedarf vermuteten. Über die Wichtigkeit einer ausreichenden Folsäureversorgung vor und während einer Schwangerschaft wussten nur knapp 60% des Kollektivs Bescheid. Im Hinblick auf die Prävalenz von Neuralrohrdefekten ist in diesem Punkt ein verstärkter Informationsbedarf vorhanden. Das hervorragende Wissen um einen erhöhten Magnesiumbedarf kam vermutlich dadurch zustande, dass 67% der Frauen von ihrem betreuenden Arzt gegen vorzeitige Wehentätigkeiten oder nächtliche Wadenkrämpfe Magnesiumpräparate verordnet bekamen. Die Hauptinformationsquellen des Kollektivs über eine "schwangerengerechte" Ernährung waren in erster Linie Zeitschriften, Magazine und Sachbücher. 37% der Schwangeren bestätigten, dass auch oder ausschließlich ihr betreuender Arzt über eine adäquate Ernährung während der Schwangerschaft informierte (Abb. 2.42), womit Medizinern eine bedeutende Rolle in der Prävention ernährungsbedingter Komplikationen während oder nach der Schwangerschaft zukommt. 97 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung 2.7 Stillende Zusammenfassung Eine Neuauswertung und Neuinterpretation der Studienergebnisse von 1994/1995 im Vergleich mit den heute gültigen Empfehlungen zeigt folgendes Bild: Die mittlere Energieaufnahme des untersuchten Kollektivs entspricht den neuen D-A-CH-Richtwerten für geringe körperliche Aktivität (PAL 1,4). Die Zufuhr an Fett sowie gesättigten Fettsäuren muss auch für Stillende als zu hoch charakterisiert werden. Im Gegensatz dazu sollte die Kohlenhydratzufuhr gesteigert werden. Um gleichzeitig die Versorgungslage an Mikronährstoffen zu verbessern, sind Quellen für komplexe Kohlenhydrate (Nudeln, Reis, Getreide, Vollkornprodukte etc.) zu bevorzugen. Folgende Mikronährstoffe sind für stillende Frauen als Risikonährstoffe anzusehen: Vitamin A, Folsäure, Vitamin B6, Eisen, Magnesium sowie Vitamin D bei nicht ausreichender Sonnenexposition. Allgemeines Für die Personengruppe der Stillenden liegen bis dato noch keine neuen Untersuchungsergebnisse zum Ernährungszustand vor. Die Erhebungen von 1994/95, dokumentiert im Ernährungsbericht 1998, wurden mit den D-A-CH-Referenzwerten neu ausgewertet. Die Nährstoffaufnahme wurde mittels 3-Tage-Wiegeprotokoll ermittelt. Die Aufnahme an Mikronährstoffen aus Supplementen wurde in dieser Erhebung nicht berücksichtigt. Die Studie umfasste insgesamt vier Untersuchungstermine im Abstand von 4 Wochen (4., 8., 12. und 16. Woche postpartum). Die im folgenden dargestellten Ergebnisse beinhalten in der 4. Woche der Stillzeit Daten von 39 Frauen, aus der 8. und 12. Laktationswoche fließen Daten von 36 Frauen in die Auswertung ein, aus der 16. Laktationswoche liegen Daten von 32 Frauen vor. Zufuhr an Energie und Makronährstoffen bei Stillenden Die folgende Tabelle zeigt die mittels 3-d-Wiegeprotokoll ermittelten Ergebnisse zur Energie- und Hauptnährstoffaufnahme von Stillenden. Als Orientierungshilfe sind die jeweils korrespondierenden D-A-CH-Referenzwerte angeführt. Der zusätzliche Energiebedarf beim Stillen entspricht der mit der Muttermilch abgegebenen Energie sowie dem Energiebedarf für die Syntheseleistung. Bei ausschließlichem Stillen wird in den ersten 8 Wochen postpartum (pp) eine zusätzliche Energieaufnahme von 2,7 MJ/Tag empfohlen. Wird nach 8 Wochen weiterhin voll gestillt, werden 2,2 MJ/Tag als nötig erachtet, andernfalls beläuft sich der zusätzliche Energiebedarf nur mehr auf 1,2 MJ/Tag [DACH, 2000]. Je nach Grundumsatz und körperlicher Aktivität (PAL-Wert) ergibt sich daraus der Gesamtenergiebedarf. Die ermittelte durchschnittliche Energiezufuhr der Studienpopulation lag im Bereich der Richtwerte für geringe körperliche Aktivität. Letztendlich ist auch für Stillende das aktuelle Körpergewicht der entscheidende Kontrollparameter für eine adäquate Energieversorgung. Es soll noch darauf hingewiesen werden, dass eine zu geringe Energiezufuhr zu einer Fetteinschmelzung führt, welche während des Stillens aufgrund der daraus resultierenden Schadstoffbelastung des Säuglings nicht wünschenswert ist. Die durchschnittliche Eiweißzufuhr der Stillenden lag zu allen Untersuchungszeitpunkten um rund 40% über den D-A-CH-Empfehlungen. Die Versorgungslage ist demnach ausreichend. Bei Fett lag die durchschnittliche Aufnahme der Probandinnen zwischen 38 und 39 Energieprozent (E%). Zwar wird während der Stillzeit ein höherer Fettanteil an der Gesamtenergieaufnahme toleriert, jedoch sollte dieser 35 E% nicht übersteigen [DACH, 2000]. Auch in qualitativer Hinsicht stellt sich die Fettzufuhr als unbedingt verbesserungswürdig dar. In erster Linie sollte die hohe Zufuhr an gesättigten Fettsäuren, die zwischen 17 und 18 E% lag, um fast die Hälfte reduziert werden. Für die Praxis würde das einen geringeren Konsum an tierischen Lebensmitteln, insbesondere von Fleisch und Wurstwaren, voraussetzen. Die ausreichende Versorgung an essentiellen Fettsäuren (n-3 und n-6 Fettsäuren) kann aufgrund der ermittelten Aufnahmemengen als gesichert angesehen werden. Neben der Menge ist jedoch auch das Verhältnis der konsumierten essentiellen Fettsäuren zueinander bedeutend, welches bei 5:1 liegen sollte [DACH, 2000]. Im Kollektiv der Stillenden lag das Verhältnis bei rund 7:1. Der Richtwert für eine Aufnahme von maximal 300 mg Cholesterin pro Tag gilt auch während der Stillzeit. Dieser Richtwert wurde um durchschnittlich 34% überschritten. Die Stillenden liegen somit mit ihren Cholesterinaufnahmen deutlich höher als die nichtschwangeren, nichtstillenden Frauen (sie- 98 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung 4. Woche pp 8. Woche pp 12. Woche 16. Woche D-A-CH pp pp Energie (MJ) 9,7 ± 1,9 9,4 ± 1,8 9,7 ± 2,3 9,3 ± 2,2 9,4* Eiweiß (g/MJ) 8,1 ± 1,6 8,0 ± 1,4 7,8 ± 1,1 7,8 ± 1,2 5,8 E% Kohlenhydrate 47 ± 8 47 ± 6 47 ± 6 46 ± 5 >50 davon Zucker 16 ± 8 16 ± 6 16 ± 7 15 ± 5 - Ballaststoffe (g) 18 ± 7 18 ± 7 17 ± 6 19 ± 7 mind. 30 E% Fett 38 ± 7 38 ± 5 38 ± 6 39 ± 5 30-35 E% n-6 Fettsäuren 4,1 ± 1,3 4,4 ± 1,3 4,4 ± 1,5 4,7 ± 1,4 2,5 E% n-3 Fettsäuren 0,7 ± 9,2 0,7 ± 0,3 0,7 ± 0,1 0,7 ± 0,2 0,5 Cholesterin (mg) 414 ± 204 409 ± 248 413 ± 161 368 ± 118 max. 300 E% Alkohol 0,8 ± 1,7 1,0 ± 1,8 1,0 ± 1,6 1,1 ± 1,8 - pp…post partum; E%...Energieprozent; * Richtwerte für die durchschnittliche Energiezufuhr für Stillende bei geringer körperlicher Aktivität (PAL 1,4) he Kap. 2.4). Dies ist zwar primär durch die insgesamt höhere Nahrungsaufnahme während der Stillzeit bedingt, der erhöhte Energiebedarf scheint jedoch vor allem über eine Betonung tierischer Lebensmittel gedeckt zu werden. Der D-A-CH-Richtwert zur Kohlenhydrataufnahme von über 50 E% wurde von den untersuchten Frauen zu den verschiedenen Zeitpunkten nicht erreicht. Durchschnittlich wurden 46% der Nahrungsenergie in Form von Kohlenhydraten aufgenommen. Relativ hoch (rd. 16 E%) war auch die mittlere Saccharosezufuhr (Haushaltszucker). Diesbezüglich gilt zu bedenken, dass bei einem hohen Konsum an Haushaltszucker, die Gefahr einer geringeren Versorgung an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen besteht. In den D-A-CH-Referenzwerten wird auch ein Richtwert für die Ballaststoffzufuhr angeführt. Die physiologische Bedeutung liegt in der Prävention zahlreicher ernährungsabhängiger Krankheiten. Der entsprechende Richtwert von mindestens 30 g Ballaststoffen (Nahrungsfasern) pro Tag wurde vom untersuchten Kollektiv jedoch nicht erreicht und lag im Mittel bei 18 g/d. Eine mögliche Erklärung für die besonders ballaststoffarme Ernährung in der frühen Stillzeit könnte die Befürchtung vieler Mütter sein, der Verzehr "blähender" Lebensmittel könne Blähungen beim Säugling hervorrufen. Der durchschnittliche Alkoholkonsum lag bei 3,3 g/d oder 1% der Energieaufnahme. Dabei waren große Schwankungen innerhalb des untersuchten Kollektivs feststellbar. Ein Fünftel der befragten Frauen trank überhaupt keinen Alkohol, was für alle schwangeren und stillenden Frauen wünschenswert wäre. Die Alkoholzufuhr war zwar höher als in der Schwangerschaft, aber noch bedeutend geringer als jene nichtschwangerer, nichtstillender Frauen (siehe Kap. 2.4). Zufuhr an Mikronährstoffen bei Stillenden In der Stillzeit ist der Bedarf an verschiedenen Nährstoffen erhöht. Der Mehrbedarf ergibt sich einerseits aus der Nährstoffabgabe über die Muttermilch, andererseits wird teilweise zur Auffüllung der in der Schwangerschaft verminderten Nährstoffspeicher eine höhere Zufuhr empfohlen. Dieser Nährstoffbedarf wird zum Teil über die Einnahme von Nahrungssupplementen gedeckt. Wie bereits erwähnt, wurden für die vorliegende Bewertung der Versorgung mit Mikronährstoffen die Aufnahmedaten aus 3-d-Wiegeprotokollen gewählt. Im Folgenden soll jedoch kurz auf Häufigkeit und Art verwendeter Supplemente im Kollektiv der Wiener Stillenden eingegangen werden. Da bei Stillenden keine institutionalisierten Betreuungsmaßnahmen vorhanden sind, erfolgt die Einnahme von Supplementen meist auf Eigeninitiative. 99 Tab. 2.63 Mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Energie und Makronährstoffen bei Stillenden, getrennt nach Stillperiode Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Tab. 2.64: Überblick über die Einnahme von Supplementen bei Stillenden 4. Woche pp (n=39) Fe MV Fe + MV keine 3 (7.7%) 4 (10.3%) 6 (15.4%) 26 (66.7%) 8. Woche pp (n=36) 5 (13.9%) 5 (13.9%) 26 (72.2%) 12. Woche pp (n=36) 6 (16.7%) 4 (11.2%) 26 (72.2%) 16. Woche pp (n=32) 5 (15.6%) 3 (9.4%) 24 (75%) Fe…Eisenpräparate bzw. kombinierte Eisen/Folsäure/Vitamin B12-Päparate MV…Multivitamin/Mineralstoffpräparate; pp…post partum Tab. 2.65 Mittlere tägliche Vitaminzufuhr, bezogen auf die Energieaufnahme (µg, mg/MJ) (MW ± SD) bei Stillenden, getrennt nach Stillperiode Generell wurden Eisenpräparate (bzw. kombinierte Eisen/Folsäure/Vitamin B12Päparate) und Multivitamin/Mineralstoffpräparate eingenommen. Beim untersuchten Kollektiv der Stillenden nahm die Häufigkeit der Einnahme von Nahrungssupplementen über den Untersuchungsverlauf von 33% der Untersuchten auf 25% ab (Tab. 2.64). Aufgrund der vorliegenden Verzehrsdaten ist Vitamin A als Risikonährstoff für Stillende anzusehen. Die durchschnittliche Vitamin A-Aufnahme des Kollektivs lag lediglich bei 75% der Empfehlungen. Zwar ergab die laborchemische Untersuchung eine Plasmaretinolkonzentration im Normbereich, jedoch wird die Retinolkonzentration im Blut homöostatisch geregelt und fällt erst ab, wenn die Leberreserve fast vollständig verbraucht ist. Eine Veränderung im Blut zeigt dann bereits einen akuten Mangel an. Der Vitamin A-Bedarf von Stillenden ist gegenüber Nichtstillenden deutlich erhöht. Zur Deckung des Bedarfs des Säuglings und zur Vermeidung von Defiziten bei der stillenden Frau wird deshalb eine Zulage von 0,7 mg/Tag empfohlen [DACH, 2000]. Dies gilt vor allem für Frauen, welche länger als 4 Monate stillen. Die Vitamin D-Aufnahme über Lebensmittel war im Mittel ebenfalls deutlich geringer als der D-A-CH-Referenzwert. Für stillende Frauen gelten dieselben Empfehlungen wie für die Allgemeinbevölkerung. Da Vitamin D bei ausreichender Sonnenexposition auch endogen gebildet werden kann, ist eine Bewertung der Versorgungslage nur anhand von Verzehrsdaten kaum möglich. Ein wünschenswert höherer Fischkonsum würde die Vitamin D-Versorgung unabhängig von der körpereigenen Synthese verbessern. Für Folsäure stehen mit der Version des BLS II.3 verbesserte Analysedaten zur Verfügung. Zahlreiche Ernährungsfachgesellschaften haben sich vor einigen Jahren auch auf eine neue Definition für Folat-Äquivalente (FÄ) geeinigt. Die neue 4. Woche pp 8. Woche pp 12. Woche pp 16. Woche pp D-A-CH Vitamin A1 (mg/MJ) 0,09 ± 0,06 0,10 ± 0,08 0,11 ± 0,08 0,12 ± 0,12 0,14 Vitamin D (µg/MJ) 0,2 ± 0,2 0,4 ± 0,3 0,4 ± 0,3 0,3 ± 0,2 0,5 Vitamin E2 (mg/MJ) 1,3 ± 0,4 1,3 ± 0,4 1,3 ± 0,5 1,4 ± 0,4 1,6 Vitamin B1 (mg/MJ) 0,14 ± 0,04 0,13 ± 0,03 0,13 ± 0,03 0,13 ± 0,04 0,13 Vitamin B2 (mg/MJ) 0,2 ± 0,05 0,2 ± 0,06 0,2 ± 0,05 0,2 ± 0,07 0,15 Niacin3 (mg/MJ) 3,0 ± 0,6 2,9 ± 0,6 2,9 ± 0,5 2,9 ± 0,5 1,6 Vitamin B6 (mg/MJ) 0,17 ± 0,05 0,16 ± 0,03 0,15 ± 0,03 0,16 ± 0,04 0,18 Folsäure4 (µg/MJ) 16 ± 5 14 ± 6 14 ± 4 16 ± 6 - Vitamin B12 (µg/MJ) 0,57 ± 0,23 0,70 ± 0,94 0,65 ± 0,63 0,68 ± 1,13 0,37 1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin; 2 RRR-a-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γ-Tocopherol x 0,25 + mg Tocotrienol x 0,33; 3 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan; 4 nach alter Definition : Folat-Äquivalent (FÄ) = Monoglutamat + (0,2 x Polyglutamat) 100 α- Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Calcium (mg/MJ) 4. Woche pp 8. Woche pp 12. Woche 16. Woche D-A-CH pp pp 117 ± 40 115 ± 38 116 ± 33 118 ± 37 93 Magnesium (mg/MJ) 37 ± 9 36 ± 8 36 ±7 38 ± 10 36 Eisen (mg/MJ) 1,3 ± 0,3 1,4 ± 0,3 1,4 ± 0,3 1,4 ± 0,3 1,9 Jod (µg/MJ) 27 ± 12 26 ± 9 26 ± 8 26 ± 9 24 Zink (mg/MJ) 1,2 ± 0,3 1,2 ± 0,2 1,2 ± 0,2 1,2 ± 0,2 1,0 pp…post partum Definition lautet jetzt: 1 µg FÄ = 1 µg Nahrungsfolat = oder 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure. Die von Szallai [1997] durchgeführten Verzehrserhebungen für Folsäure (nach alter Definition) sind nach den neuen D-A-CH-Referenzwerten für FÄ nicht zu interpretieren. Jedenfalls war die durchschnittliche Folsäure-Aufnahme im Kollektiv der Stillenden in Bezug zu den damals gültigen DGE-Empfehlungen nicht zufriedenstellend. Dieser Befund bestätigte sich auch bei der Blutuntersuchung. Ab dem 2. Monat des Stillens lag die mittlere Serumkonzentration an Folsäure unter der wünschenswerten Konzentration von 3 ng/ml (7 nmol/l). Ein solcher Wert zeigt eine negative Folsäure-Bilanz zum Zeitpunkt der Blutabnahme an [IOM, 1998]. Die Vitamin B6-Versorgung sollte ebenfalls verbessert werden. Die durchschnittliche Zufuhr an diesem Vitamin lag um einige Prozentpunkte unter der korrespondierenden D-A-CH-Empfehlung. Da der Vitamin B6-Gehalt der Muttermilch stark von der Vitaminaufnahme der Mutter abhängig ist [IOM, 1998], ergibt sich für Stillende ein entsprechend höherer Bedarf. Die relativ hohen Bedarfsangaben zielen auch darauf ab, Mangelsymptome beim Säugling zu vermeiden. Die aufgrund der Verzehrsdaten festgestellte Risikoeinschätzung wurde durch die Blutanalyse bestätigt [Elmadfa et al., 1998]. Die durchschnittliche Vitamin B1-Aufnahme der Studienpopulation lag im Bereich der D-A-CH-Empfehlungen. Dennoch wäre eine Steigerung der Vitamin B1Zufuhr wünschenswert, da aufgrund dieses ermittelten Durchschnittsverzehrs nicht bei allen stillenden Frauen eine ausreichende Versorgung gewährleistet scheint. Einigermaßen zufriedenstellend ist die Vitamin B2-Versorgung. Im Studienkollektiv lag die durchschnittliche Vitamin B2-Zufuhr knapp über den korrespondierenden D-A-CH-Empfehlungen. Die zusätzlichen Blutanalysen bestätigen die Einschätzung, obwohl die Versorgungslage weiterhin sorgsam überwacht werden sollte. Da die mittlere Niacin- und Vitamin B12-Zufuhr weit oberhalb der entsprechenden D-A-CH-Referenzwerte lag, ist eine Unterversorgung von Stillenden an diesen beiden Vitaminen unwahrscheinlich. Zur Beurteilung der Vitamin E-Zufuhr steht als nährstoffbasierter Referenzwert lediglich ein Schätzwert zur Verfügung. Im Kollektiv der Stillenden lag die mittlere Vitamin E-Aufnahme unterhalb dieses D-A-CH-Referenzwerts. Daraus könnte nun irrtümlich geschlossen werden, dass eine Unterversorgung an diesem Vitamin vorläge. Auf der Basis von Schätzwerten sind solche Aussagen jedoch kaum zulässig. Das zeigen auch die zusätzlich zu den Verzehrsdaten durchgeführten Blutanalysen. Die mittlere Vitamin E-Konzentration im Blutplasma der Probandinnen lag nämlich im Normbereich, was eine ausreichende Vitamin E-Versorgung ausdrückt [Elmadfa et al., 1998]. Tab. 2.66 zeigt die aus den 3-d-Wiegeprotokollen errechnete durchschnittliche Aufnahme an Mineralstoffen und Spurenelementen. Die zusätzliche Einnahme von Nahrungsergänzungsmittel wurde dabei nicht berücksichtigt. In der Stillzeit ist der Eisenbedarf deutlich erhöht, da die Verluste der Schwangerschaft und die Abgabe über die Muttermilch ausgeglichen werden müssen. Daraus resultieren die relativ hohen Empfehlungen. Dabei wird davon ausgegangen, dass bei exklusivem Stillen die Menstruation erst wieder nach 6 Monaten einsetzt. 101 Tab. 2.66 Mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Mineralstoffen und Spurenelementen bei Stillenden, getrennt nach Stillperiode Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Im Mittel erreichte das untersuchte Kollektiv lediglich 75% der D-A-CH-Empfehlungen. Die Eisenversorgung von stillenden Frauen muss deshalb als kritisch beurteilt werden. Die durchschnittliche Magnesium-Zufuhr des Studienkollektivs lag im Bereich der D-A-CH-Empfehlungen. Dennoch muss die Magnesiumversorgung Stillender kritisch betrachtet werden, da die Blutanalyse eine grenzwertige Versorgungslage ergab. Die mittlere Serumkonzentration lag bei 0,7 mmol/l [Elmadfa et al., 1998]. Eine Serumkonzentration unter 0,75 mmol/l weist auf eine Magnesiumverarmung hin [IOM, 1997]. Die mittlere Jodaufnahme war in Bezug zu den D-A-CH-Referenzwerten einigermaßen zufriedenstellend. In der Berechnung der durchschnittlichen Zufuhr wurde der Beitrag aus jodiertem Speisesalz berücksichtigt. Dennoch muss die Jodversorgung von stillenden Frauen weiterhin sorgsam überwacht werden. Stillende haben gegenüber nicht Stillenden keinen erhöhten Calciumbedarf [DACH, 2000]. Die durchschnittliche Calciumaufnahme des untersuchten Kollektivs lag um rund 25% über den entsprechenden Empfehlungen. Somit kann von einer weitgehend zufriedenstellenden Calciumversorgung ausgegangen werden. Die Zinkversorgung kann aufgrund der überarbeiteten Empfehlungen ebenfalls als zufriedenstellend charakterisiert werden. Im Mittel lag die Zufuhr an diesem Spurenelement um 20% über der D-A-CH-Empfehlung. 102 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung 2.8 Breitensportler Zusammenfassung Untersuchungen der Ernährungsgewohnheiten von ostösterreichischen Breitensportlern machen einige Mängel deutlich. Die Auswertung von 24-h-Verzehrsprotokollen ergab eine zu hohe Fett- und Eiweißzufuhr. Die mittlere Eiweißaufnahme lag im Gesamtkollektiv sogar über dem bereits hohen Niveau der Allgemeinbevölkerung. Dagegen ist eine Kohlenhydratzufuhr, die weniger als 50% der Nahrungsenergie liefert, insbesondere für Sporttreibende zu gering. Auch Alkohol trug beim männlichen Kollektiv nicht unwesentlich zur täglichen Gesamtenergiezufuhr bei (rund 4%). Aber auch bei den Sportlerinnen war der durchschnittliche Alkoholkonsum höher als bei den Frauen der Allgemeinbevölkerung. Hinsichtlich der Versorgung mit Mikronährstoffen zeigten sich vor allem bei Nahrungsfolat, Vitamin D, Calcium, Eisen (bei Frauen) und Magnesium zu geringe Aufnahmen. Dazu muss jedoch angemerkt werden, dass der Beitrag aus Nahrungsergänzungsmittel nicht berücksichtig wurde. Wie erwähnt, griffen immerhin rund ein Drittel der Befragten regelmäßig zu Vitaminpräparaten. Erwartungsgemäß hoch war das Interesse an Ernährungsfragen, wobei jedoch nur wenige Probanden professionelle Beratung in Anspruch nahmen. Demnach wäre in der Bevölkerungsgruppe der Breitensportler ein großes Potential für eine Verbesserung des Ernährungsverhaltens vorhanden. So könnte z.B. durch einen vermehrten Konsum von kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln die Versorgungslage an einigen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen entscheidend verbessert werden. Allgemeines In den letzten Jahren gewinnt Sport in unserer westlichen Gesellschaft zunehmend an Bedeutung. Ein regelrechter Fitnessboom ist ausgebrochen. Aufgrund des allgemeinen Bewegungsmangels und der üblicherweise sitzenden Arbeitsweise, suchen Menschen heute vermehrt Ausgleich und Abwechslung im Sport. Bedarfsgerechtes Essen und Trinken ist für jeden Sporttreibenden die Voraussetzung für Leistungsfähigkeit und körperliche Fitness. Anhaltende Ernährungsfehler können Ausdauer- und Leistungsschwächen hervorrufen. Generell sind Breitensportler jedoch durch eine vollwertige Mischkost, die sich an den allgemeinen Empfehlungen der Nährstoffzufuhr orientiert, bedarfsgerecht versorgt. Als Grundlage für die Lebensmittelauswahl können sich auch Sportler an der Lebensmittelpyramide bzw. am Ernährungskreis der DGE orientieren. Die folgende Studie dient der Aktualisierung und Erweiterung der Österreichischen Studie zum Ernährungsstatus (ÖSES) verschiedener Bevölkerungsgruppen. Einerseits wurde mittels 24-h-Recall die Energie- und Nährstoffversorgung ermittelt und andererseits konnte mit Hilfe eines Strukturfragebogens das allgemeine Ernährungsverhalten und -wissen von Freizeit- bzw. Breitensportlern erfragt werden. Ziel der Studie ist es auch, eventuelle Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten im Ernährungsverhalten von "Einzelsportlern", "Mannschaftssportlern" und Sportlern in "Turnvereinen oder Fitnesscenter (TV/FC)" aufzuzeigen. Das Gesamtkollektiv (n=198) setzte sich aus 92 Männern und 106 Frauen zusammen, wobei jeweils rund ein Drittel der Sportler und Sportlerinnen den drei angeführten Sportkategorien zugeordnet werden konnte. Für die Studie wurden Probanden gewählt, die mindestens 15 Jahre alt waren. Der Großteil (etwa 75%) der Breitensportler war zum Zeitpunkt der Erhebung zwischen 19 und 50 Jahre alt. Die Erhebung wurde in Ostösterreich (hauptsächlich in Wien und Niederösterreich) durchgeführt. Zufuhr an Energie- und Makronährstoffen bei Breitensportlern In den folgenden Abschnitten soll die Versorgung von Breitensportlern mit Energie und den wichtigsten Makro- bzw. Mikronährstoffen dargestellt werden. Die Ergebnisse aus der Auswertung der 24-h-Recalls wurden nach Geschlecht und Sportkategorie differenziert. Auf eine Einteilung in Altersgruppen wurde verzichtet, da das primäre Ziel dieser Untersuchung eine erste Abschätzung der Energie- und Nährstoffversorgung von Breitensportlern insgesamt sein soll. Die Größe der Stichprobe (n=198) würde auch keine Differenzierung nach Altersgruppen erlauben. Erwartungsgemäß war die mittlere tägliche Energieaufnahme der männlichen Breitensportler mit 9,5 MJ (2280 kcal) höher als bei den weiblichen (7,4 MJ/1765 kcal). Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen war die Energieaufnahme bei den Einzelsportlern am höchsten. 103 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Männer gesamt Einzelsportler Mannschaftssportler Turnverein/Fit- D-A-CH* nesscenter Energie (MJ) 9,5 ± 4,8 10,0 ± 3,6 9,8 ± 6,3 8,1 ± 3,0 12 E% Eiweiß 17 ± 5 16 ± 5 17 ± 5 18 ± 6 10-15 E% KH 46 ± 12 45 ± 12 49 ± 12 42 ± 13 >50 10 ± 7 10 ± 7 11 ± 9 8±6 - Ballaststoffe (g) 19 ± 11 21 ± 11 17 ± 10 19 ± 11 >30 E% Fett 34 ± 11 35 ± 11 32 ± 10 36 ± 12 30 15 ± 5 16 ± 5 14 ± 5 16 ± 4 max. 10 3,5 ± 7,5 4,1 ± 7,5 2,6 ± 7,2 4,2 ± 7,9 - Energie MJ/d 7,4 ± 2,9 8,6 ± 4,0 7,5 ± 2,8 6,8 ± 2,1 9,5 E% Eiweiß 16 ± 5 16 ± 6 16 ± 4 16 ± 4 10-15 E% KH 48 ± 10 44 ± 10 49 ± 10 49 ± 9 >50 9±6 9±6 8±5 10 ± 7 - Ballaststoffe (g) 20 ± 8 20 ± 8 22 ± 8 20 ± 8 >30 E% Fett 35 ± 9 38 ± 10 35 ± 9 33 ± 8 30 16 ± 5 17 ± 6 15 ± 7 15 ± 4 max. 10 1,8 ± 4,3 2,6 ± 5,2 0,3 ± 1,0 2,0 ± 4,5 - davon Zucker davon GFS E% Alkohol Frauen davon Zucker davon GFS E% Alkohol E%...Energieprozent; KH…Kohlenhydrate; * D-A-CH-Referenzwerte für die Altersgruppe von 25 -< 51 Tab. 2.67: Mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Energie und Makronährstoffen bei ostösterreichischen Breitensportlern, getrennt nach Geschlecht und Sportkategorie Zur Abschätzung des Energiebedarfs wird üblicherweise vom Grundumsatz und der körperlichen Aktivität (= Physical Activity Level, PAL) ausgegangen. Bei vielen Erwerbspersonen mit Berufen, die vorwiegend sitzend ausgeführt werden, kann ein PAL von 1,4-1,5 angenommen werden. Für sportliche Betätigungen (30-60 Minuten, 4-5mal pro Woche) können zusätzlich pro Tag 0,3 PAL-Einheiten zum beruflichen Arbeitsumsatz addiert werden [DACH, 2000]. Aufgrund der Angaben zum Sportverhalten kann dem untersuchten Kollektiv näherungsweise ein PAL zwischen 1,6-1,8 zugrunde gelegt werden. Laut FAO/WHO/UNU-Definition entsprechen diese PAL-Werte der grundlegenden, sozial wünschenswerten und der Erhaltung der Gesundheit dienlichen körperlichen Aktivität. Die ermittelten durchschnittlichen Energieaufnahmen des sporttreibenden Kollektivs lagen durchwegs unter den entsprechenden D-A-CH-Richtwerten. Ursachen für diese Differenzen können unter anderem in der Methode (einmalige Erhebung mittels 24-h-Recall) selbst zu suchen sein, da Ungenauigkeiten bei der Protokollführung, Underreporting bzw. Erinnerungsmängel zu niedrigen Absolutergebnissen beitragen können. Wie ausreichend die tatsächliche Energieaufnahme einer Person ist, kann nur durch regelmäßige Gewichtskontrollen beurteilt werden und die Angaben zum Energiebedarf der verschiedenen Personengruppen stellen letztendlich nur Rechengrößen dar. Die durchschnittliche Eiweißaufnahme lag in Relation zur Gesamtenergiezufuhr im Gesamtkollektiv über dem D-A-CH-Richtwert von maximal 15 Energie%. Allgemein höher war der Anteil in der männlichen Gruppe, wobei bei Männern in Turnvereinen/Fitnesscenter durchschnittlich 18% der Energiezufuhr aus Proteinen stammte. Das entspricht in etwa 1,3 g/kg Körpergewicht. Zwar ist bei Proteinaufnahmen bis zu einer Höhe von 25% der Gesamtenergiezufuhr mit keinen nachteiligen Effekten auf die Gesundheit zu rechnen [HCN, 2001], allerdings ist eine überhöhte Proteinzufuhr auch nicht mit positiven physio- 104 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung logischen Effekten verbunden. Auch bei erhöhter körperlicher Aktivität konnte kein vermehrter Proteinbedarf festgestellt werden [DACH, 2000]. Ein Proteinanteil in der täglichen Nahrung von 15 Energie% (entspricht 1,2 g Protein/kg Körpergewicht) liegt bereits über der Empfehlung von 0,8 g Protein/kg Körpergewicht. Der Proteinbedarf von Leistungssportlern im Ausdauersport ist zwar um bis zu 50% erhöht, jedoch steigt der Proteinbedarf nicht überproportional zum Energiebedarf. Ausdauersportler müssen demnach einfach ausgewogen und vielseitig soviel essen, dass ihr Gewicht konstant bleibt [DGE, 2001]. Ähnliches gilt für die Proteinzufuhr im Kraftsport. Eine durchschnittliche Mischkost bei sporttreibenden Personen enthält unter Berücksichtigung des zusätzlichen Energiebedarfs etwa 100 g Protein pro Tag. Das ist mehr als selbst unter extremem Training für den Aufbau von Muskelmasse benötigt wird [DGE, 2001]. Hobby- und Breitensportler, welche viel geringere Trainingsumsätze als Spitzensportler aufweisen, benötigen jedenfalls keine Eiweißzufuhr, die 15% der Gesamtenergiezufuhr überschreitet. Nicht zuletzt gilt auch zu bedenken, dass die Aufnahme von Protein tierischen Ursprungs mit einer gleichzeitigen Zufuhr an Fett, Cholesterin und – ausgenommen Ei- und Milchprotein – Purinen verbunden ist. Ebenfalls hoch war die mittlere Fettzufuhr. Sie lag bei rund 35% der Energiezufuhr. Bei den geschätzten PAL-Werten der Breitensportler sollte der Energiebedarf auch bei einer Fettzufuhr von 30 Energie%, entsprechend dem D-A-CH-Richtwert, problemlos gedeckt werden können. Eine Fettzufuhr in der Höhe von 30% der Nahrungsenergie kann unter der Voraussetzung einer entsprechenden Fettqualität im Rahmen einer vollwertigen Ernährung und in Verbindung mit ausreichender körperlicher Aktivität das Herzinfarktrisiko senken [DACH, 2000]. Der zuvor dargestellte hohe Eiweiß- und Fettanteil in der Nahrung ging zu Lasten der Kohlenhydrataufnahme. Weibliche Breitensportler nahmen im Mittel nur 48% der Gesamtenergie in Form von Kohlenhydraten auf. Bei Männern betrug der Anteil der Kohlenhydrate an der Energiezufuhr gar nur 46%. Noch geringer war der Kohlenhydratanteil mit 42 Energie% bei den männlichen Probanden der Sportkategorie "Turnverein bzw. Fitnesscenter". Für Sportler ist es besonders wichtig, auf eine ausreichende Aufnahme von komplexen Kohlenhydraten, die auch essentielle Nährstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe enthalten, zu achten. Bei intensiver muskulärer Beanspruchung ist das muskeleigene Glykogen die erste Glucosequelle und insbesondere bei Ausdauersportarten hängt die Leistungsfähigkeit eng mit den Kohlenhydratreserven bzw. der Kohlenhydratversorgung zusammen. Kohlenhydrate stellen für Sportler eine rasch verfügbare Energiequelle dar, vor allem auch um entleerte Glykogenspeicher rasch wieder aufzufüllen und damit ein Absinken der Ausdauerleistung zu verhindern [Elmadfa und Leitzmann, 1998]. Außerdem wirken sie dem endogenen Abbau von Körperprotein entgegen. Die Kohlenhydratzufuhr sollte demnach auf deutlich über 50% der Nahrungsenergie angehoben werden [DGE, 2001]. Hinsichtlich der Ballaststoffzufuhr zeigten sich in der Studienpopulation keine großen Unterschiede. Sie lag bei durchschnittlich 20 g pro Tag. Nimmt man diesen Wert als "Indikator" für das Ernährungsverhalten der Sportler, so entspricht dieser Wert der üblichen österreichischen Normalkost. Der D-A-CH-Richtwert von mindestens 30 g pro Tag wurde somit auch von den Breitensportlern nicht erreicht. Die Alkoholzufuhr war bei den männlichen Breitensportlern mit durchschnittlich 3,5% der Energiezufuhr relativ hoch. Bei den Frauen lag der Anteil bei 1,8%. Auffallend waren die großen interindividuellen Schwankungen beim Alkoholkonsum innerhalb des untersuchten Kollektivs. Alkohol und Sport ist eine denkbar ungünstige Kombination, da Alkohol bereits in kleinen Mengen unter anderem die Gluconeogenese aus Lactat hemmt und sich damit negativ auf die sportliche Leistungsfähigkeit auswirkt. Zufuhr an Mikronährstoffen bei Breitensportlern Durch die Auswertung von 24-h-Recalls konnte die durchschnittliche Aufnahme von Mikronährstoffen berechnet werden (Tab. 2.68). Dies soll als erste Abschätzung der Versorgungslage dieser Bevölkerungsgruppe gesehen werden, da keine genaueren Daten wie laborchemische Untersuchungen bzw. Wiegeprotokolle vorliegen. Aufgrund der vorliegenden Verzehrsdaten, ist beim Großteil der Breitensportler mit unzureichenden Aufnahmen an Nahrungsfolat zu rechnen. Die mittlere Zufuhr erreichte nur knapp zwei Drittel der entsprechenden D-A-CH-Empfehlung. 105 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Männer gesamt Einzelsportler Mannschaftssportler Turnverein/Fit- D-A-CH* nesscenter Vitamin A1 (mg) 2,0 ± 4,2 2,3 ± 4,8 2,1 ± 4,7 1,1 ± 0,9 1,0 β-Carotin2 (mg) 2,3 ± 1,9 2,4 ± 2,1 2,0 ± 1,6 2,8 ± 2,3 2-4 Vitamin D (µg) 3,5 ± 5,6 4,5 ± 7,3 2,8 ± 4,1 3,1 ± 4,0 5 Vitamin E3 (mg) 11,7 ± 9,3 11,5 ± 6,6 13,1 ± 12,5 9,1 ± 4,5 14 Vitamin B1 (mg) 1,4 ± 0,7 1,5 ± 0,6 1,4 ± 0,9 1,2 ± 0,5 1,2 Vitamin B2 (mg) 1,9 ± 1,5 1,8 ± 0,9 2,0 ± 2,2 1,6 ± 0,5 1,4 Niacin4 (mg) 36 ± 19 35 ± 13 38 ± 25 32 ± 11 16 Pantothensäure (mg) 6,0 ± 5,2 5,9 ± 3,2 6,6 ± 7,3 5,0 ± 1,7 6 Vitamin B6 (mg) 2,0 ± 1,7 1,9 ± 1,0 2,3 ± 2,5 1,8 ± 0,8 1,5 Biotin (µg) 48 ± 29 52 ± 29 48 ± 34 43 ± 15 30-60 Folsäure5 (µg) Vitamin B12 (µg) 265 ± 171 282 ± 149 257 ± 188 247 ± 178 400 8 ± 11 9 ± 12 7 ± 11 7±5 3,0 Vitamin C (mg) 138 ± 148 133 ± 126 149 ± 186 124 ± 89 100 Vitamin A1 (mg) 0,9 ± 0,7 1,0 ± 0,6 0,9 ± 0,5 0,9 ± 7,6 0,8 β-Carotin2 (mg) 2,9 ± 2,6 2,8 ± 2,8 3,2 ± 2,7 2,9 ± 2,5 2-4 Vitamin D (µg) 2,9 ± 4,0 3,7 ± 3,1 1,8 ± 1,7 3,0 ± 4,9 5 Vitamin E3 (mg) 11,1± 6,1 12,9 ± 5,9 11,8 ± 5,6 9,9 ± 6,2 12 Vitamin B1 (mg) 1,0 ± 0,5 1,2 ± 0,5 1,0 ± 0,4 1,0 ± 0,5 1,0 Vitamin B2 (mg) 1,3 ± 0,6 1,3 ± 0,5 1,3 ± 0,6 1,2 ± 0,6 1,2 Niacin4 (mg) 25 ± 10 Frauen 28 ± 11 24 ± 10 25 ± 10 13 Pantothensäure (mg) 4,2 ± 1,9 4,5 ± 1,8 4,1 ± 1,5 4,0 ± 2,1 6 Vitamin B6 (mg) 1,4 ± 0,7 1,5 ± 0,6 1,4 ± 0,6 1,3 ± 0,7 1,2 Biotin (µg) 41 ± 34 47 ± 38 39 ± 16 38 ± 37 30-60 Folsäure5 (µg) Vitamin B12 (µg) 239 ± 113 258 ± 112 267 ± 141 217 ± 98 400 3±3 4±3 3±2 3±2 3,0 Vitamin C (mg) 97 ± 87 85 ± 48 101 ± 78 101 ± 105 100 *D-A-CH-Referenzwerte für die Altersgruppe von 25 -< 51; 1 Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin; 2 dieser Wert mal 0,16 ist in den Retinol-Äquivalenten enthalten; 3 RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γ-Tocopherol x 0,25 + mg αTocotrienol x 0,33; 4 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan; 5 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA) Tab. 2.68 Mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Vitaminen bei ostösterreichischen Breitensportlern, getrennt nach Geschlecht und Sportkategorie Die mittlere Vitamin D-Aufnahme der Probanden lag ebenfalls weit unter den D-A-CH-Referenzwerten. Allerdings kann die Vitamin D-Versorgung ausschließlich anhand von Verzehrsdaten alleine schwer beurteilt werden. Bei ausreichender Sonnenexposition kann ein Großteil des Vitamin D-Bedarfs durch die körpereigene 106 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Synthese gedeckt werden. Theoretisch können Freiluftsportler während der wärmeren Jahreszeiten (Mai bis Oktober) das Nahrungsdefizit ausgleichen. Die mittleren Aufnahmemengen an den Vitaminen B1, B2, B6 und C lagen im Bereich der jeweiligen Referenzwerte. Beim weiblichen Kollektiv zeigten sich Aufnahmemengen, die im Durchschnitt jeweils nur knapp über den D-A-CH-Empfehlungen lagen. Bei der zu erwartenden höheren Varianz der Zufuhrmengen gegenüber der Varianz des Bedarfs, muss somit vor allem bei den weiblichen Breitensportlern bei den genannten Vitaminen mit einem gewissen Prozentsatz an unterversorgten Individuen gerechnet werden. Ähnliches trifft für die weiblichen Breitensportler hinsichtlich der Vitamin A- und der Vitamin B12-Versorgung zu. Hingegen dürften männliche Freizeitsportler sehr gut mit diesen beiden Nährstoffen versorgt sein, da die durchschnittlichen Aufnahmen um rund 100% über den Empfehlungen lagen. Jedoch muss hinsichtlich der Vitamin A-Zufuhr angemerkt werden, dass einige Männer aus den Sportkategorien "Einzelsport" und "Mannschaftssport" den Verzehr von Leber (sehr reich an Vitamin A) im 24-h-Recall angeführt hatten. Dadurch sind die im Vergleich zu den Frauen und zur Sportkategorie "Turnverein/Fitnesscenter" doppelt so hohen Vitamin A-Aufnahmen zu erklären. Auch an Vitamin B12 nahm das männliche Kollektiv rund doppelt so viel auf wie das weibliche. Zum Teil kann diese Beobachtung auf den höheren Verzehr von tierischen Produkten (insbesondere von Innereinen) der Männer zurückzuführen sein. Die Niacinversorgung kann sowohl bei männlichen als auch bei weiblichen Breitensportlern als sehr gut eingestuft werden, da die mittleren Aufnahmemengen um rund 100% über den Empfehlungen lagen. Hinsichtlich der Vitamin E-Zufuhr zeigten sich im Kollektiv der Breitensportler kaum Unterschiede. Die durchschnittlichen Aufnahmemengen lagen jeweils mehr oder weniger knapp unter den D-A-CHSchätzwerten. Ob es sich dabei um eine bedarfsdeckende Versorgung handelt, könnte nur anhand der Tocopherolkonzentration im Blutplasma sowie in den Blutzellen genauer bestimmt werden. Bei höheren körperlichen Anstrengungen, wie z.B. beim Sport, entstehen im Körper vermehrt "freie Radikale". Als Schutz vor oxidativen Schäden werden endogen vermehrt antioxidativ wirksame Enzyme gebildet. Ob eine exogene Zufuhr von Antioxidantien (Vitamin C, Vitamin E und Carotinoide) ebenfalls eine protektive Wirkung entfaltet ist nicht geklärt. Eine Leistungssteigerung konnte durch die Einnahme von Vitamin E-Supplementen jedenfalls nicht belegt werden [SCF, 2000]. Davon abgesehen, könnte eine bessere Vitamin E-Versorgung auch ohne Vitaminpräparate über eine sorgsamere Auswahl von pflanzlichen Ölen sowie über den Verzehr von Nüssen erreicht werden. Die Pantothensäureaufnahmen lagen teilweise zwar unter den korrespondierenden Schätzwerten, jedoch kommt es bei diesem Vitamin bei üblichen Verzehrsgewohnheiten nur sehr selten zu einem Mangel [DACH, 2000]. Auch die Biotinversorgung kann als ausreichend beurteilt werden, da die mittlere Aufnahme der Breitensportler innerhalb des Schätzwertbereichs der D-A-CH-Referenzwerte lag. Tab. 2.69 zeigt die ermittelten (24-h-Recall) durchschnittlichen Aufnahmen an Mineralstoffen und Spurenelementen. Auch bei den Breitensportlern ist Calcium als Risikonährstoff anzusehen. Da die durchschnittlichen Aufnahmen im untersuchten Kollektiv entscheidend unter den D-A-CH-Empfehlungen lagen, muss mit entsprechend hohen Prävalenzen einer unzureichenden Calciumversorgung gerechnet werden. Ähnliches gilt für die weibliche Gruppe hinsichtlich der Eisenversorgung. Die Aufnahmen erreichten bei den Frauen im Mittel nur 80% der D-A-CH-Empfehlungen. Hingegen war die Eisenaufnahme bei den Männern im Bezug zur Referenzzufuhr weitaus besser. Auch die durchschnittliche Magnesiumzufuhr lag unter den entsprechenden Empfehlungen und ist somit verbesserungswürdig. Die Zinkaufnahme der Breitensportler war hingegen einigermaßen zufriedenstellend. Allgemeines Sport- und Ernährungsverhalten Männer und Frauen trainierten etwa gleich häufig. Diesbezüglich gab es auch keine Unterschiede innerhalb der einzelnen Sportklassen. 46% der Befragten gaben an, 2 bis 3mal pro Woche Sport zu betreiben. Einmal pro Woche trainierten 21% des Kollektivs. Insgesamt 5% der Befragten übten weniger als einmal pro Woche Sport aus. Die differenzierte Betrachtungsweise nach absolvierten Trainingsstunden pro Woche zeigte hingegen signifikante Unterschiede. 56% der Frauen sowie 28% der Männer betrieben bis zu drei Stunden Sport pro Woche. Drei bis fünf Stunden pro Woche trainierten 39% des männlichen und 23% des weiblichen Studienkollektivs. 33% der Männer und 21% der Frau- 107 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung Männer gesamt Einzelsportler 866 ± 419 Mannschaftssportler 913 ± 769 Turnverein/Fit- D-A-CH* nesscenter 751 ± 471 1000 Calcium (mg) 863 ± 594 Kalium (g) Magnesium (mg) 2,8 ± 1,3 2,8 ± 0,9 2,9 ± 1,8 2,6 ± 0,9 2 337 ± 159 347 ± 118 345 ± 210 301 ± 93 350 Eisen (mg) 13,8 ± 6,2 14,7 ± 4,8 13,8 ± 8,0 12,1 ± 3,9 10 Zink (mg) 12,7 ± 5,2 13,4 ± 3,9 12,7 ± 6,6 11,2 ± 4,2 10,0 Calcium (mg) 730 ± 403 763 ± 437 803 ± 446 684 ± 366 1000 Kalium (g) 2,4 ± 0,8 2,4 ± 0,7 2,5 ± 1,0 2,3 ± 0,8 2 Magnesium (mg) 291 ± 102 300 ± 109 301 ± 97 282 ± 103 300 Eisen (mg) 12,0 ± 4,7 12,9 ± 4,3 11,4 ± 4,2 11,7 ± 5,0 15 Zink (mg) 10,2 ± 3,6 11,3 ± 3,8 10,1 ± 3,6 9,6 ± 3,5 7,0 Frauen *D-A-CH-Referenzwert für die Altersgruppe von 25 -< 51 Tab. 2.69 Mittlere tägliche Zufuhr (MW ± SD) an Mineralstoffen/Spurenelementen bei ostösterreichischen Breitensportlern, getrennt nach Geschlecht und Sportkategorie Tab. 2.70 Worauf Breitensportler in ihrer Ernährung besonders achteten en versuchten sich mehr als fünf Stunden pro Woche körperlich fit zu halten. Demnach trainierten Männer zwar nicht häufiger als Frauen aber ihre Trainingseinheiten dauerten länger. Signifikante Unterschiede waren auch innerhalb der verschiedenen Sportkategorien zu finden. Personen, welche sich gerne im TV/FC bewegen, trainierten signifikant weniger lang pro Woche, als Mannschaftssportler und Einzelsportler. Aus präventivmedizinischer Sicht gilt ein Aktivitätsumsatz in der Freizeit von zwei bis drei Sportstunden pro Woche als optimal. Signifikant mehr Frauen (89%) (p=0.004) als Männer (77%) gaben an, sehr an Ernährungsfragen interessiert zu sein. Mehr als vier Fünftel der Sportler interessierten sich (sehr) für Ernährung. Weniger als 1% bekundeten kein Interesse an diesem Thema. Eine individuelle Ernährungsberatung wurde jedoch nur von 15% der untersuchten Breitensportler in Anspruch genommen. Beraten ließen sich signifikant mehr Frauen (p=0.05) (20%) als Männer (10%). Ebenso war für die befragten Sportlerinnen Ernährung signifikant (p=0.005) wichtiger als für Sportler. Für die meisten der interviewten Breitensportler mussten ihre täglichen Mahlzeiten "gut schmecken" (61%). Dieses Ergebnis ist nicht verwunderlich, da Essen in jedem Alter in erster Linie schmecken muss. Ein Großteil des befragten Kollektivs gab jedoch auch an, auf gesundheitsbezogene Aspekte zu achten. Eine ausgewogene, dem Bedarf angepasste Kost ist Grundlage für körperliche Höchstleistungen. Man braucht keine besondere Ernährung und keine speziellen Ergänzungsprodukte. Ein Drittel der Studienpopulation erklärte aber, dass sie ihre Ernährung seit Beginn der sportlichen Aktivität geändert haben. Mehr Männer als Gesamtkollektiv (%) Frauen (%) Männer (%) Gut schmecken 61 56 67 Gesund 45,5 54 36 Wenig Fett 21 22 21 Biologische Lebensmittel 19 24,5 12 Nicht dick machen 14 13 15 Viele Kohlenhydrate 10 6 14 Quantität 6 1 12 Proteinreich 4 4 4 Gar nichts 3 3 3 Mehrfachantworten waren möglich 108 Kapitel 2. Ernährungszustand der österreichischen Bevölkerung 100% 80% >5 Stunden 60% 4-5 Stunden 40% 2-3 Stunden 1 Stunde 20% 0% Männer Frauen Frauen gaben an, ihr Ernährungsverhalten geändert zu haben. 19% der Befragten verzehrten seit Beginn der regelmäßigen körperlichen Aktivität mehr Gemüse und Obst, 17% mehr Nudeln und Reis. In erster Linie wurden weniger fettreiche Produkte (23%), Fleisch und Wurst (21%) oder Alkohol (8%) konsumiert. Etwa ein Viertel der befragten Sportler ernährte sich an Trainingstagen anders als üblich. Geschlechtsspezifische Unterschiede gab es dabei nicht. Jedoch aßen signifikant (p=0.001) mehr Mannschaftssportler (38%) als Einzelsportler (16%) bzw. Sportler aus Turnvereinen/Fitnesscenter an Tagen der körperlichen Anstrengung anders als gewohnt. An Trainingstagen wurde in erster Linie mehr getrunken und die Zufuhr von Gemüse, Obst und Kohlenhydraten war höher als sonst. Wasser und Mineralwasser (81%) war der bevorzugte Durstlöscher, aber auch verdünnte Fruchtsäfte (40%) und Tees (31 %) wurden getrunken. Signifikant mehr Frauen (46%) als Männer (13%) tranken Tee gegen den Durst. Insgesamt nahm knapp ein Drittel des Kollektivs Vitaminpräparate ein, wobei mehr Frauen (34%) als Männer (26%) auf diese Supplemente zurückgriffen. Umgekehrt verhielt es sich bei Mineralstoffpräparaten und Elektrolytgetränken. 23% des Sportkollektivs nahmen diese Präparate ein, jedoch signifikant mehr Männer (30%) als Frauen (16%). Ebenfalls nahmen signifikant mehr Mannschaftssportler (34%) als Einzelsportler (19%) oder Fitnesscenterbesucher (16%) Mineralstoffpräparate zu sich. 15% des befragten Kollektivs supplementierten täglich. An Trainingstagen nahmen signifikant mehr Männer (24%) als Frauen (5%) Nahrungsergänzungen zu sich. 109 Abb. 2.43 Trainingsstunden pro Woche Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Kapitel 3: Lebensmittelqualität 3.1 Die amtliche Lebensmittelüberwachung in Österreich* Zusammenfassung Die Europäische Gemeinschaft unternimmt große Anstrengungen, um die amtliche Lebensmittelüberwachung in den Mitgliedstaaten zu harmonisieren. Dazu wird auf der Basis des Weißbuchs für Lebensmittelsicherheit der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2000 ein Vorschriftenwerk erstellt, das den Rahmen bilden soll, um es den nationalen Behörden zu ermöglichen, in harmonisierter Weise vorzugehen. Futtermittel werden nunmehr gemeinsam mit den Lebensmitteln in das generelle Kontrollkonzept einbezogen. Neben amtlichen Kontrollen wird als weiteres Grundprinzip die Verantwortung der Produzenten und des Handels für ihre Produkte im Sinne der Erfüllung der Anforderungen des Lebensmittelrechts hervorgehoben. Zum schnellen Informationsaustausch bezüglich Lebens- und Futtermittel zwischen der Europäischen Kommission und den nationalen Behörden der Mitgliedstaaten besteht ein Schnellwarnsystem, um neben anderen Informationen auch die Vermarktungswege von einzelnen Chargen gesundheitsgefährdender Waren verfolgen zu können. Aufgaben der Risikobewertung auf wissenschaftlicher Basis werden auf EU-Ebene von der Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (= European Food Safety Authority, EFSA) und auf nationaler Ebene von der "Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH" (AGES) übernommen. Die Struktur der amtlichen Lebensmittelüberwachung in Österreich ist im Vergleich zum Zeitpunkt des Ernährungsberichts 1998 unverändert geblieben. Organisation Die amtliche Lebensmittelüberwachung in Österreich agiert im Rahmen von europäischen und nationalen Regelungen zur Lebensmittelsicherheit. Die Tätigkeit der Lebensmittelaufsicht wird von vielen europaweit harmonisierten Vorschriften berührt. Ihre rechtliche Basis ist das Lebensmittelgesetz 1975 [LMG 75 BGBL. NR. 86/1975]. Dabei ist nach der österreichischen Rechtsordnung die Tätigkeit auf dem Gebiet der Lebensmittelüberwachung aufgeteilt in eine Bundeszuständigkeit und in eine Zuständigkeit der Bundesländer in Form der mittelbaren Bundesverwaltung. - Lebensmittelüberwachung Das Ziel der amtlichen Lebensmittelüberwachung in Europa ist den Verbraucher vor gesundheitlichen Gefahren sowie vor Täuschung zu schützen. Die Art, wie die Lebensmittelüberwachung in der Praxis durchgeführt wird, ist nach nationalen Gesetzen geregelt. In Österreich sind folgende Behörden und Organisationen im Bereich der amtlichen Lebensmittelüberwachung tätig: - Bundesministerin für Gesundheit und Frauen (Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, Sektion IV) - Landeshauptmann in mittelbarer Bundesverwaltung (Organe der Lebensmittelaufsichtsbehörde des jeweiligen Bundeslandes führen die Lebensmittelüberwachung durch) - Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Untersuchungslabors der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit untersuchen und begutachten die Proben) - Amtliche Untersuchungsanstalten der Bundesländer Kärnten, Vorarlberg und Wien. (Untersuchen und begutachten die Proben) - Agrarmarkt Austria (AMA) für die freiwillige Rindfleischetikettierung - Biokontrollstellen Für die Vollziehung des Lebensmittelgesetzes ist das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen zuständig. * Dr. F. Vojir, Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, Radetzkystrasse 2, 1030 Wien 110 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Dabei sind die wichtigsten Aufgaben des Ministeriums: - - Rechtssetzung (nationales Recht und Umsetzung von europäischen Richtlinien in nationales Recht) Koordinierung der von den Ländern durchgeführten Überwachung der im LMG erfassten Waren Koordinierung mit der Agrarmarkt Austria im Bereich der Rindfleischetikettierung Koordination der Tätigkeiten der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit und der Lebensmitteluntersuchungsanstalten der Länder auf dem Gebiet der Lebensmitteluntersuchung. Vertretung Österreichs bei der Europäischen Union in den entsprechenden Gremien Weiterleitung der Informationen aus dem Schnellwarnsystem (rapid alert system) der Europäischen Gemeinschaft Warnung der Bevölkerung vor Waren, die ein Gesundheitsrisiko darstellen Koordinierung der Kommission zur Herausgabe des österreichischen Lebensmittelbuchs (Büro der Codexkommission) Im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung obliegt dem Landeshauptmann die Durchführung der Lebensmittelüberwachungsmaßnahmen im jeweiligen Bundesland. Er bedient sich dabei der von ihm bestellten Lebensmittelaufsichtsorgane nach §35 LMG. Diese führen Revisionen von Betrieben durch und ziehen Proben von Waren die dem LMG unterliegen (Lebensmittel, Verzehrprodukte, Zusatzstoffe, Kosmetische Mittel und Gebrauchsgegenstände). Diese Proben werden den örtlich zuständigen Lebensmitteluntersuchungslabors der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit oder den Lebensmitteluntersuchungsanstalten der Länder zur Untersuchung und Begutachtung überbracht. Die von den Untersuchungslabors erstellten Untersuchungszeugnisse werden an die zuständigen Lebensmittelaufsichtsbehörden übermittelt. Von hier werden im Falle von Beanstandungen die Anzeigen an die betreffende Strafbehörde oder das zuständige Gericht erstattet. Zusätzlich werden im Rahmen der Kontrolle von Importen tierischer Lebensmittel durch den grenztierärztlichen Dienst Proben entnommen, die zum Teil von den Lebensmitteluntersuchungslabors untersucht werden. Werden im Rahmen von Importkontrollen nichttierischer Lebensmittel Proben von Lebensmittelaufsichtsorganen entnommen, werden diese Proben ebenfalls in den Lebensmitteluntersuchungslabors untersucht und begutachtet. Weiters werden von den Lebensmittelaufsichtsorganen auch Proben im Rahmen von EU-weiten oder nationalen Monitoring- und Kontrollprogrammen entnommen (Pestizidmonitoring in Obst und Gemüse, Kontrollprogramm hinsichtlich Tierarzneimittelrückständen in Lebensmitteln tierischen Ursprungs, Nitrat in Salat und Spinat), die in den Labors untersucht werden (Abb. 3.1). Änderungen im organisatorischen Umfeld der amtlichen Lebensmittelüberwachung seit dem Jahr 1998 im europäischen Zusammenhang Auf dem Gebiet der Lebensmittelüberwachung haben in Europa in den letzten Jahren sehr große Veränderungen stattgefunden. In diesem Zusammenhang entwickeln sich derzeit im Bereich der Europäischen Gemeinschaft Strukturen hinsichtlich der Lebensmittelkontrolle, die ihre Auswirkungen auf die Organisation der Lebensmittelüberwachung in allen Mitgliedstaaten haben. In der zweiten Hälfte der Neunziger Jahre kam es in Europa zu einer Reihe von größeren Lebensmittelskandalen, die mit zum Teil sehr bedenklichen Manipulationen im Bereich der Futtermittel zu tun hatten. Aufgrund der daraus folgenden Beunruhigung der europäischen Konsumenten, aber auch des gemeinschaftlichen Marktes, hat die Europäische Kommission begonnen ein rechtliches Rahmenwerk zu schaffen, das die Basis für eine gemeinschaftsweit harmonisierte Vorgangsweise der Lebensmittel- und Futtermittelkontrolle werden soll. Nach dem Prinzip "vom Feld bis zum Tisch" sollen alle diesbezüglichen amtlichen Aktivitäten gemeinsamen Kontrollprinzipien unterstellt werden. Die Grundidee ist, den freien Warenverkehr mit sicheren und bekömmlichen Lebensmitteln im Binnenmarkt zu gewährleisten, aber gleichzeitig die Gefährdung der Gesundheit der Konsumenten zu verhindern. Dies ist nur möglich, wenn die Anforderungen an die Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht wesentlich voneinander abweichen. Die prinzipiellen Überlegungen dazu wurden im Weißbuch für Lebensmittelsicherheit der Europäischen Kommission im Jahr 2000 formuliert und werden nun konsequent umgesetzt. Am 28. Jänner 2002 wurde die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates "zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, 111 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Abb. 3.1: Organisation der Lebensmittelüberwachung in Österreich Bundesministerium für Gesundheit und Frauen BMGF Sektion IV Mittelbare ordnet an Gruppe B Veterinärangelegenheiten koordiniert Bundesverwaltung Abteilungen Angelegenheiten des LMG betreffend IV/13, IV/14 koordinieren Landeshauptmann Landesregierung Dienstaufsicht Grenztierärztlicher Dienst Probennahme Lebensmittelaufsicht ordnet an Aufsicht Landesorgane Probennahme Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungs sicherheit (Veterinär - und Leben smittelbereich) Untersuchung Gutachten Organe der Städte mit eigenem Statut Probennahme Landesanstalten für Lebensmitteluntersuchung Untersuchung Gutachten zur Errichtung der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit" veröffentlicht [Richtlinie 92/59/EWG]. Etliche Regelungen dieser Verordnung treten allerdings erst mit 1.1.2005 in Kraft, so dass ab diesem Datum mit einem harmonisierten Vorgehen der Lebensmittelüberwachung in allen Mitgliedstaaten ausgegangen werden kann. Diese Verordnung, die als das "Lebensmittelgesetz der Europäischen Gemeinschaft" betrachtet werden kann, hat als generelles Ziel den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und den Schutz der Verbraucherinteressen, d.h. den Schutz vor Täuschung der Konsumenten. Dabei sollen lautere Handelsgepflogenheiten, der Schutz der Tiergesundheit, Tierschutz und Pflanzenschutz mit berücksichtigt werden. - Feststellung der Lebensmittelsicherheit Alle Maßnahmen auf dem Gebiet der Lebensmittelsicherheit sollen auf der Basis der Bewertung des jeweiligen Risikos erfolgen. Eine solche Bewertung (Risikobewertung) beruht auf allen verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen. Ihre Ergebnisse sind die Grundlage für behördliche Maßnahmen (Risikomanagementmaßnahmen). - Vorsorgeprinzip Wird nach einer Auswertung der verfügbaren Informationen festgestellt, dass die Möglichkeit von gesundheitsschädlichen Auswirkungen besteht, diese Tatsache aber vom wissenschaftlichen Standpunkt aus nicht ausreichend abgesichert ist, werden im Interesse der Gesundheit der Konsumenten vorläufige Risikomanagementmaßnahmen gesetzt. Diese Maßnahmen müssen innerhalb einer ange- 112 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit messenen Frist überprüft werden und beim Vorliegen neuerer Erkenntnisse entsprechend angepasst werden (Vorsorgeprinzip). - Wann ist ein Lebensmittel nicht sicher? Es wurde festgelegt, dass Lebensmittel, die nicht sicher sind, nicht in Verkehr gebracht werden dürfen. Nicht sichere Lebensmittel sind solche, die entweder gesundheitsschädlich sind oder für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind. Für den Verzehr durch den Menschen ungeeignete Lebensmittel sind durch Fremdstoffe kontaminierte Lebensmittel oder durch Verderb oder Zersetzung so veränderte Lebensmittel, dass sie für den Verzehr durch den Menschen inakzeptabel geworden sind. Als weiteres prinzipielles Element der Vorgangsweise der Behörden wird eine möglichst große Transparenz bei allen Entscheidungen verlangt. Die Öffentlichkeit soll immer möglichst umfassend über das Risiko, das von bestimmten Lebens- oder Futtermitteln ausgeht, informiert werden. Die Maßnahmen, die getroffen werden, um ein solches Risiko zu verringern, sollen ebenfalls mitgeteilt werden. - Verantwortung der Produzenten Ein weiteres Grundprinzip der Regelung ist die Verantwortung der Produzenten und des Handels dafür, dass die Produkte den Anforderungen des Lebensmittelrechts entsprechen. Die Produzenten und der Handel sind in ihrer Verantwortung verpflichtet, im Rahmen von Eigenkontrollsystemen, dies auch selbst zu überprüfen. Die Behörden sind verpflichtet, die Wirksamkeit der eingeführten Eigenkontrollsysteme zu kontrollieren. Die Behörden werden weiterhin zusätzlich auf allen Stufen der Lebensmittelproduktion amtliche Kontrollen durchführen. Ein wichtiger Punkt im Gesamtkonzept ist die Rückverfolgbarkeit von Produkten. Dazu ist es notwendig, Systeme einzurichten, die es ermöglichen, auf allen Stufen der Lebensmittelproduktion, den Lieferanten und den Empfänger von Ausgangsprodukten und Enderzeugnissen aufgrund der vorhandenen Unterlagen nachzuvollziehen. Damit soll es den Unternehmen und den Behörden ermöglicht werden, im Falle von Problemen mit einem Produkt, die Warenströme im Binnenmarkt nachzuvollziehen, um die verdächtige Ware möglichst vollständig vom Markt nehmen zu können. In den vergangenen Jahren hat es einige Fälle von Lebensmittelkontaminationen gegeben, bei denen es sich gezeigt hat, dass es bereits funktionierende Systeme gibt. Der Informationsaustausch bezüglich Risiken von Lebens- und Futtermitteln zwischen der Kommission und den nationalen Behörden der Mitgliedstaaten erfolgt mit Hilfe eines Systems, das als Schnellwarnsystem (RASFF - Rapid Alert System for Food and Feed) bezeichnet wird. Das Europäische Schnellwarnsystem existiert seit 1978. Die Vorgangsweise wurde ursprünglich in der Richtlinie 92/59/EWG festgelegt und in der Verordnung (EG) 178/2002 neu definiert. Wenn in einem Mitgliedstaat festgestellt wird, dass von einem Lebens- oder Futtermittel ein Risiko für die menschliche Gesundheit ausgeht, so teilt dies die zuständige nationale Behörde der Kommission (DG SANCO - Gesundheit und Konsumentenschutz) unter möglichst genauer Angabe aller Einzeldaten wie Hersteller, Chargennummer, Vertreiber, Vertriebswege u.ä. mit. Nach einer Überprüfung der Sachlage leitet die Kommission die vorhandenen Informationen an die jeweils zuständigen Stellen der anderen Mitgliedsstaaten weiter, so dass sie im nationalen Bereich Maßnahmen setzen können. Die Lebensmittelüberwachungsbehörden kontrollieren die nationalen Märkte und sorgen für die Entfernung der gefährlichen Produkte von den Märkten. Es kommt im Rahmen dieser europaweiten Aktionen öfter vor, dass ein Produkt vor dem gewarnt wird, auf einem nationalen Markt gar nicht vorgefunden wird. Auf diesem Weg können zwischen den Mitgliedsstaaten Informationen über Vermarktungswege von einzelnen Chargen gesundheitsgefährdender Waren ausgetauscht werden. Dies ermöglicht sehr zielgerichtete Aktionen, solche Produkte vom Markt zu entfernen. Solche Fälle treten immer wieder auf. Beispiele aus dem Jahr 2002, bei denen einzelne Lieferungen nachverfolgt wurden, waren die Nitrofenkontamination von Getreide in Deutschland oder die Kontamination von Glucosesirup mit Medroxyprogesteronacetat in den Niederlanden. Dabei war es möglich, aufgrund der Rükkverfolgung der Warenströme eine nahezu hundertprozentige Feststellung des Verbleibs der kontaminierten Ware vorzunehmen. Dieses System wird auch dazu verwendet, Meldungen über Ergebnisse von Kontrollen der Importe aus Drittländern zu übermitteln. Wenn Untersuchungen von Importen aus Drittländern vor 113 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit dem Verzollen ergeben, dass die Ware am Binnenmarkt nicht verkehrsfähig ist und deshalb der Import verweigert wird, werden über das System die Zollbehörden der anderen Mitgliedstaaten von der zurückgewiesenen Charge informiert, um einen Import dieser Charge an einer anderen Zollstelle zu verhindern. Zur wissenschaftlichen Unterstützung der Europäischen Kommission bei der Rechtssetzung hinsichtlich Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit und zur Koordinierung aller in Europa anfallender Daten aus der amtlichen Lebens- und Futtermittelkontrollen wurde eine europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit eingerichtet. Diese Behörde soll Risikobewertungen von allen Problemen, die auf dem Gebiet der Lebens- und Futtermittel in der europäischen Gemeinschaft auftreten, vornehmen und diese Ergebnisse in der EU kommunizieren. Weiters erarbeitet sie aufgrund dieser Ergebnisse Vorschläge für Risikomanagementmaßnahmen, die durch die Kommission umgesetzt werden. Dabei soll die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit mit vergleichbaren Institutionen in den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten und Informationen austauschen. Die in Österreich in diesem Sinn vergleichbare Institution ist die "Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit" (AGES), die mit 1. Juni 2002 gegründet wurde [BGBl. I NR. 63/2002]. In dieser Organisation, die als GmbH mit dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft und dem Bundesministerium für Gesundheit und Frauen als 100% Eigentümer gegründet wurde, soll das umfassende Fachwissen der bisherigen Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung, der Bundesanstalten der Landwirtschaft, der Bundesanstalten für veterinärmedizinischen Untersuchungen und der Bundesanstalten für bakteriologisch serologische Untersuchungen gebündelt werden, um möglichst schlagkräftige Strukturen zur amtlichen Untersuchung von Fragen im Lebens- und Futtermittelbereich zu schaffen. Zusätzlich hat die Agentur die Aufgabe, Risikobewertungen bezüglich in Österreich auftretende Probleme im Lebensmitteloder Futtermittelbereich vorzunehmen, diese Ergebnisse zu kommunizieren und dem jeweils zuständigen Ministerium Vorschläge für Risikomanagementmaßnahmen vorzulegen. Mit dieser Einrichtung steht Österreich eine Institution mit breiter fachlicher Kompetenz und großer Untersuchungskapazität zur Verfügung, um neben der Untersuchung der im Rahmen der amtlichen Kontrolle gezogenen Proben die zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit bei ihrer Tätigkeit zu beraten und zu unterstützen. Bis zum Inkrafttreten dieser Verordnung gelten noch die Richtlinien über die amtliche Lebensmittelkontrolle 89/397/EWG und 93/99/EWG. Nach der Veröffentlichung der Verordnung über allgemeine Kriterien der Lebensmittelsicherheit plant die Europäische Kommission eine Verordnung, welche die amtliche Futter- und Lebensmittelkontrolle im Binnenmarkt harmonisiert regeln soll. Der Entwurf dieser Verordnung wurde Ende Februar 2003 von der Kommission dem Rat vorgelegt und wird derzeit vom Rat und dem Europäischen Parlament behandelt. Mit dieser Verordnung soll ein möglichst harmonisiertes Vorgehen der Mitgliedstaaten bei den amtlichen Futter- und Lebensmittelkontrollen erreicht werden. Damit verbunden wird ein höheres Sicherheitsniveau für den Gesundheitsschutz der Konsumenten im Hinblick auf Futter- und Lebensmittel sein. Probenziehung Die amtlichen Proben werden routinemäßig, entsprechend dem vom Ministerium jährlich erstellten Revisions- und Probenplan, entnommen. Dabei ergibt sich für Österreich eine mittlere Probenzahl von 5 Proben pro 1000 Einwohner. Gründe für Probenziehungen amtlicher Natur können sein: - Planprobennahme, beruhend auf der Erfüllung des Revisions- und Probenplans des zuständigen Ministeriums - Probennahme nach einem monatlich durch das Ministerium vorgegebenen nationalen Schwerpunktsprogramm - Eigene spezielle Schwerpunktsaktionen der einzelnen Bundesländer - Warnungen im Rahmen des EU-Schnellwarnsystems. Aufgrund dieser Warnungen werden Fahndungsaktionen aktiviert und gezielt bestimmte Produkte überprüft - Das von der EU-Kommission jährlich festgelegte koordinierte Überwachungsprogramm. Dafür sind Proben zu entnehmen und auf definierte Parameter zu untersuchen (z.B. Aflatoxine in Gewürzen, in Pistazien, in Erdnüssen, Allergene in Lebensmitteln, Benzo(a)pyren in geräucherten Fleischwaren, mikrobiologische Überprüfungen verschiedener Lebensmittelgruppen) 114 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit LMU Wien + LUA Wien Niederösterreich LMU Linz Oberösterreich Wien Bgld . LMU Salzburg LUA Vorarlberg Steiermark Vbg. Tirol Salzburg Bgld Kärnten LMU Innsbruck LMU Graz LUA Kärnten Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, Lebensmitteluntersuchung Wien (LMU Wien), Kinderspitalgassse 15,A-1090 Wien,Tel.: (1) 40490/27801 (Wien, Niederösterreich, N-Burgenland) Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, Lebensmitteluntersuchung Linz (LMU Linz), Bürgerstraße 47, A-4020 Linz, Tel.: (0732) 77 90 71 (Oberösterreich) Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, Lebensmitteluntersuchung Innsbruck, Zweigstelle Salzburg (LMU Salzburg), Innsbrucker Bundesstrasse 47 A-5020 Salzburg, Tel.: (0662) 833357 (Salzburg) Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, Lebensmitteluntersuchung Innsbruck (LMU Innsbruck), Technikerstraße 70, A-6020 Innsbruck, Tel.: (0512) 22 440 (Tirol, Vorarlberg) Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, Lebensmitteluntersuchung Graz (LMU Graz), Beethovenstraße 8, A-8010 Graz, Tel.: (0316) 32 75 88 (Steiermark, Kärnten, S-Burgenland) Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt Wien (LUA Wien), Henneberggasse 3, A-1030 Wien, Tel.: (1) 79 514/97955 (Wien) Lebensmitteluntersuchungsanstalt des Landes Vorarlberg (LUA Vorarlberg), Montfortstraße 4, A-6900 Bregenz, Tel.: (05574) 51 14 225 (Vorarlberg) Landwirtschaftlich-chemische Versuchs- und Lebensmitteluntersuchungsanstalt (LUA Kärnten), Lastenstraße 40, A-9020 Klagenfurt, (0463) 32 130 (Kärnten) - - Proben im Rahmen von EU-weiten Monitoringuntersuchungen (z.B. Nitratgehalte von Salat und Spinat, Pestizide in Obst oder Gemüse, Tierarzneimittelrückstände in tierischen Lebensmitteln) sowie Proben im Rahmen von nationalen Monitoringuntersuchungen (z.B. Pestizide in Obst und Gemüse) zu ziehen. Proben aufgrund von Aufträgen von Behörden oder Gerichten Probenuntersuchung Die Untersuchung und Begutachtung der Proben erfolgt in den Labors der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit und in den amtlichen Untersuchungsanstalten der Bundesländer Kärnten, Vorarlberg und 115 Abb. 3.2: Zuständigkeitsbereiche der Untersuchungslabors für amtliche Proben Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Abb. 3.3: Revisionsergebnisse von Bäckereien und Konditoreien (Hygienebeanstandungen im Vergleich zu sonstigen Beanstandungen) Abb. 3.4: Revisionsergebnisse von Gemüse- und Obstverarbeitern (Hygienebeanstandungen im Vergleich zu sonstigen Beanstandungen) Abb. 3.5: Revisionsergebnisse im Bereich der Gemeinschaftsverpflegung, Speisenproduzenten und Speisenverteiler (Hygienebeanstandungen im Vergleich zu sonstigen Beanstandungen) Bäckereien Konditoreien 40 30 % 20 10 0 40 30 % 20 10 0 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 ( Hygienebeanstandungen 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 andere Be anstandungen ) Anzahl der Revisionen Bäckereien 1996 -3702, 1997 -3261, 1998 -3124, 1999 -2932, 2000 -2910, 2001 -2769, 2002 -2814 Konditoreien 1996 -2154, 1997 -2197, 1998 -1564, 1999 -1362, 2000 -1163, 2001 -1055, 2002 -1052 Gemüseverarbeiter Obstverarbeiter 40 30 % 20 10 0 40 30 % 20 10 0 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 ( Hygienebeanstandungen 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 andere Beanstandung en ) Anzahl der Revisionen Gemüseverarbeiter 1996 -122, 1997-109, 1998-116, 1999 -115, 2000-104, 2001-123, 2002 -95 Obstverarbeiter 1996 -100, 1997 -109, 1998 -96, 1999-98, 2000-96, 2001-72, 2002-95 Speisenverteiler für Gem einschaftsverpflegung Speisenproduzenten für Gemeinschaftsverpflegung 20 % 10 20 % 10 0 0 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 ( Hygienebeanstandunge n 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 andere Beanstandungen ) Anzahl der Revisionen: Speisenproduzenten 1996 -3200, 1997 -3010, 1998 -3129, 1999 -2925, 2000 -2591, 2001 -2053, 2002 -2352 Speisenverteiler 1996 -2128, 1997 -1615, 1998 -1729, 1999 -1555, 2000 -1226, 2001 -1449, 2002 -1267 Wien. Den Laboratorien der Agentur sind gemäß §42 LMG und der Bundesanstalten-VO [BGBl. NR. 231/1980] ihre Aufgaben und Wirkungsbereiche zugewiesen. Zusätzlich sind Untersuchungsanstalten der Länder gemäß §49 LMG eingerichtet worden (Abb. 3.2). Aufgrund der grenztierärztlichen Kontrollen von Importen tierischer Lebensmittel an der EU-Außengrenze werden Proben von Fleisch, Geflügel, Fischen, Fischprodukten, Fischkonserven, Muscheln, Milch, Milcherzeugnissen, Eiern, Eiprodukten u.ä. gezogen und zwecks Untersuchung an die Untersuchungslabors der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit weitergeleitet. Seit mehreren Jahren verlangt die Europäische Kommission eine verstärkte Kontrolle von Importen nichttierischer Produkte, die ein erhöhtes Gesundheitsrisiko aufgrund einer möglichen Aflatoxinkontamination aufweisen können. Dies sind Pistazien und Pistazienprodukte aus dem Iran, Erdnüsse und Erdnussprodukte aus China und Ägypten sowie Haselnüsse, getrocknete Feigen, Pistazien und Produkte aus den angeführten Waren aus der Türkei. Die bei diesen Importkontrollen entnommenen Proben werden ebenfalls in den Untersuchungslabors der Agentur 116 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit oder in der Lebensmitteluntersuchungsanstalt Vorarlberg untersucht. Jahr Durchgeführte amtlich entRevisionen nommene Proben Auf der Basis der EU-Verordnung 2092/91 über den ökologischen Landbau sind die Landeshauptleute zuständig für die Kontrolle der biologisch produzierten Lebensmittel. Die Kontrolle der Biobetriebe selbst wird durch unabhängige Biokontrollstellen vorgenommen. Diese Kontrollstellen werden von der Akkreditierungsstelle des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit auditiert und bei Bestehen des Audits mittels Verordnung als amtlich autorisierte Biokontrollstellen benannt. 1994 148440 41852 1995 144201 41841 1996 147009 43492 1997 132134 41941 1998 137307 41852 1999 155045 43781 2000 150123 39929 2001 120375 39590 2002 116140 38140 Einige Bereiche, wie die Einteilung der Lebensmittel in Qualitätsklassen oder die Weinproduktion werden nicht vom LMG erfasst. Die Bundesqualitätskontrolle ist gemäß Qualitätsklassengesetz [BGBl. NR. 161/1967] und der Verordnung über die örtliche Zuständigkeit der Kontrollorgane [BGBl. NR. 317/1968] unter der Aufsicht des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft tätig. Auf dem Gebiet der Weinkontrolle agiert neben der Lebensmittelaufsicht auch die Bundeskellereiinspektion nach §37(5) des Weingesetzes [BGBl. NR. 444/1985]. Die Aufsicht über die Bundeskellereiinspektion hat ebenfalls das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. Daten zur Lebensmittelüberwachung Alle verwendeten Daten stammen aus den jährlichen Berichten der Lebensmittelüberwachung, die seit kurzer Zeit auch auf der Homepage des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen zu finden sind [BMGF, 2003]. - Revisionstätigkeit Neben der Probenziehung ist die Revision von Betrieben eine weitere wichtige Tätigkeit der Lebensmittelaufsichtsorgane im Interesse der Sicherung der Volksgesundheit. Während des Zeitraums von 1994 bis 2002 wurden die im folgenden angegebenen Revisionen durchgeführt und die angeführte Zahl von amtlichen Proben gezogen. Eine Übersicht über Revisionsergebnisse von ausgewählten Betriebsarten in den Jahren 1996 bis 2002 geben die Abbildungen 3.3-3.5. Aus allen Daten ist deutlich zu erkennen, dass der Anteil der Hygienebeanstandungen im Jahr 2000 angestiegen ist, um bis zum Jahr 2002 wieder abzunehmen. Die Ursache dafür liegt in den Ende der 90er Jahre in Kraft getretenen verschiedenen Hygienevorschriften (Milchhygieneverordnung, Eiprodukteverordnung, Fischhygieneverordnung u.a.), die entsprechend dem aktuellen Wissensstand und den modernen technischen Möglichkeiten höhere Ansprüche an die verschiedenen Lebensmittelbereiche stellen. Deshalb stiegen kurzfristig die Beanstandungsraten hinsichtlich der Betriebshygiene an. Die Ergebnisse des Jahres 2002 zeigen aber deutlich, dass die Betriebe darauf reagiert haben und den neuen Vorschriften entsprechend arbeiten. Das bedeutet aber auch, dass damit die Konsumenten davon ausgehen können, dass die Produzenten und der Handel mit noch besserer hygienischer Qualität agieren als es unter den alten Vorschriften der Fall war. 117 Tab. 3.1: Übersicht über durchgeführte Revisionen und Probennahmen Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit - Aktionen im Jahr 2002 Neben der routinemäßigen Probennahmetätigkeit der Lebensmittelaufsicht werden auch aufgrund von anderen Notwendigkeiten Probennahmen durchgeführt. Dies sind vor allem Aktionen, die vom Ministerium Österreichweit oder vom jeweiligen Bundesland nur für das Bundesland durchgeführt werden. Weiters werden Proben im Rahmen von EU-weiten oder nationalen Monitorprogrammen entnommen. Wichtige Gründe für Probennahmen sind außerdem jährlich von der EU-Kommission festgelegte koordinierte Programme sowie Warnungen vor gesundheitsschädlichen Waren, die im europaweiten Schnellwarnsystem ("rapid alert system") aufgrund von Meldungen der einzelnen Mitgliedsstaaten von der Kommission an die anderen Mitgliedsstaaten weitergegeben werden. 118 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit 3.2 Aspekte der Qualität von Lebensmitteln tierischer Herkunft – aus der Praxis des Instituts für Lebensmitteluntersuchung, Wien* Zusammenfassung In der Kategorie "Lebensmittel tierischer Herkunft" (Fleisch und Fleischprodukte, Fische, Krebse, Weichtiere und daraus hergestellte Erzeugnisse, Milch und Milchprodukte, Eier und Eierprodukte) wurden im Zuständigkeitsbereich der ehemaligen Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung Wien im Zeitraum 1998-2002 jährlich zwischen 5000-7000 Proben untersucht. Die Untersuchungen von Fleisch und Fleischprodukten ergaben hinsichtlich der Zusammensetzung (Fett-, Wasser- und Eiweißgehalt) eine den Lebensmittelvorschriften entsprechende Qualität. Aufgrund aktueller Anlässe wurden zwischen 1998 und 2002 mehrer schwerpunktmäßige Untersuchungen auf Rückstände von Dioxin, Antibiotika und Hormone sowie Nitrofen durchgeführt. In keiner Probe waren Verunreinigungen feststellbar. In Fischen und Fischereierzeugnissen wird routinemäßig auf Schwermetalle untersucht. Dabei zeigten sich im Zeitraum 1998-2002 im Wesentlichen keine Veränderungen der Blei-, Cadmium und Quecksilbergehalte. Gelegentlich war der Quecksilbergehalt bei Haifischen bzw. der Cadmiumgehalt bei Tintenfischen leicht überschritten. Zudem wurden Fischereierzeugnisse und Geflügel aus Fernost auf Nitrofuranrückstände und Chloramphenicol untersucht. Während Nitrofuran in keiner Probe nachgewiesen wurde, kam es bei Chloramphenicol in einigen Fällen zu Überschreitungen. In den Beobachtungszeitraum fällt weiter die BSE-Krise, die auch in den sprunghaft angestiegenen Untersuchungen des Jahres 2001 auf Vorhandensein von Zentralnervengewebe und Separatorenfleisch in Fleischerzeugnissen ihren Niederschlag fand. Während in keinem Fall Zentralnervengewebe nachgewiesen wurde, wurde anfangs in einigen Proben Separatorenfleisch gefunden. Dies änderte sich mit dem Inkrafttreten der Codexrichtlinie, nach der Separatorenfleisch nicht mehr verwendet wird. Neben BSE-Skandal, Dioxin- und Tierarzneimittel-Rückständen treten auch immer neue Herausforderungen an die Untersuchungsstellen in Bezug auf Hygienekontrolle in der Lebensmittelproduktion und bei der Lagerung frischer verpackter tierischer Lebensmittel auf. Allgemeines Die Lebensmittel tierischer Herkunft sind in folgende Gruppen unterteilt (Honig wurde nicht miteinbezogen): - Fleisch und Fleischerzeugnisse, - Fische, Krebse, Weichtiere und daraus hergestellte Erzeugnisse, - Milch und Milchprodukte sowie - Eier und Eiprodukte. In der Kategorie "Lebensmittel tierischer Herkunft" wurden im Zuständigkeitsbereich der ehemaligen Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -Forschung Wien im Zeitraum 1998 bis 2002 jährlich folgende Anzahl amtlicher Proben untersucht: Der Zuständigkeitsbereich umfasst Wien, Niederösterreich und das mittlere und nördliche Burgenland. In Wien werden amtliche Proben aus Wien auch von der Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt Wien (LUA 3) untersucht. Fleischerzeugnisse Aus den Untersuchungen der Zusammensetzung von Fleischerzeugnissen (Fett-, Wasser- und Eiweißgehalt) lässt sich ableiten, dass der Trend zur Produktion von Würsten und anderen Fleischerzeugnissen, die in jeder Hinsicht den Lebensmittelvorschriften entsprechen, anhält. Lediglich bei Kochpökelwaren sind nicht selten Abweichungen von den Codexgrenzwerten, insbesondere überhöhte Wassergehalte festzustellen. Die Analysen auf Nitrat und Nitrit zeigen ebenfalls zufrieden stellende Ergebnisse. Nur bei wenigen Proben wurde eine Überschreitung des Höchstgehaltes an Nitrat festgestellt, hauptsächlich bei Produkten aus der bäuerlichen Produktion, wohingegen alle ermittelten Nitritgehalte weit unter dem in der Zusatzstoffverordnung festgelegten Grenzwert la* Dr. Christine Hassan-Hauser, Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Lebensmitteluntersuchung und Forschung Wien, Kinderspitalgasse 15, 1090 Wien 119 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit gen. Obwohl sich die Verfahren zur Herstellung von Räucherwaren seit vielen Jahren verbessert haben, kommt es gelegentlich bei Kleinbetrieben zu Überschreitungen des Grenzwertes für Benzo(a)pyren. Aufgrund aktueller Anlässe wurden zwischen 1998 und 2002 mehrere schwerpunktmäßige Untersuchungen durchgeführt. So hatte der Dioxinskandal auch Auswirkungen auf die Untersuchung tierischer Lebensmittel. Im Rahmen der Risikoüberwachung wurden Proben vor allem aus den Verursacherländern auf eine mögliche Kontamination mit Dioxinen und den strukturverwandten PCBs (polychlorierte Biphenyle) untersucht. Bei tierischen Lebensmitteln wurden keine positiven Proben vorgefunden. Weitere Probleme traten mit Umweltkontaminanten und Tierarzneimitteln, vor allem mit Antibiotika und Hormonen auf, so dass der Rückstandsanalytik allgemein eine immer größere Bedeutung zukommt. Auf diese Weise ist die Anzahl der Untersuchungen von Proben, die aufwändige Spezialanalytik erfordern, stark angestiegen und diese Untersuchungen werden auch von der EU gefordert. So wurde aufgrund einer Warnung vor deutschen Geflügelerzeugnissen aus biologischer Landwirtschaft mit möglicher Kontamination des Schädlingsbekämpfungsmittels Nitrofen eine größere Anzahl an Proben untersucht. In keiner Probe war Nitrofen nachweisbar. Fische und Fischereierzeugnisse In Fischen und Fischereierzeugnissen wird routinemäßig auf Schwermetalle untersucht. Dabei zeigten sich im Zeitraum zwischen 1998 und 2002 im Wesentlichen keine Veränderungen der Blei, Cadmium- und Quecksilbergehalte. Gelegentlich war der Quecksilbergehalt bei Haifischen bzw. der Cadmiumgehalt bei Tintenfischen leicht überschritten. Im Berichtszeitraum wurden Süßwasserfische vor allem aus osteuropäischen Ländern auf Malachitgrün untersucht. Malachitgrün ist ein Mittel gegen Ektoparasiten und Pilzbefall bei Fischen, welches in der EU in Lebensmitteln verboten ist und bei uns nur mehr bei Aquarienfischen zum Einsatz kommt. Aufgrund von positiven Ergebnissen wurden über die Veterinärbehörde die Importe für einige ausländische Betriebe gesperrt und erst bei Freisein von Rückständen wieder geöffnet. Durch diese Maßnahmen kam es zu einer deutlichen Verbesserung, sodass Malachitgrün in den darauf folgend durchgeführten Untersuchungen bis Ende 2002 nicht mehr nachgewiesen wurde. Fischereierzeugnisse und Geflügel aus Fernost Zudem wurden Fischereierzeugnisse und Geflügel aus Fernost auf Nitrofuranrückstände und Chloramphenicol untersucht. Beides sind Stoffe, die gemäß Tierarzneimittel-Rückstandskontrollverordnung der EU Nr. 2377/90 in Lebensmitteln nicht enthalten sein dürfen, sie führen daher bereits bei Vorhandensein von geringsten Mengen (im Spurenbereich) zu Beanstandungen. Während Nitrofuran in keiner Probe nachgewiesen wurde, kam es bei Chloramphenicol zu Überschreitungen in einigen Fällen. Tab. 3.2: Anzahl der Proben tierischer Herkunft (1998-2002) BSE-Krise In den Beobachtungszeitraum fällt weiters die BSE-Krise, die auch in den sprunghaft angestiegenen Untersuchungen des Jahres 2001 auf Vorhandensein von Zentralnervengewebe und Separatorenfleisch in Fleischerzeugnissen ihren Niederschlag fand. Während in keinem Fall Zentralnervengewebe nachgewiesen wurde, wurde anfangs in einigen Proben Separatorenfleisch gefunden. Dies änderte sich mit dem Inkrafttreten der Codexrichtlinie, nach der Separatorenfleisch nicht mehr verwendet wird. Weiters wurden verpackte Würste auf die richtige Deklaration des verwendeten Fleisches geprüft. Die Information des Verbrauchers, Jahr 1998 1999 2000 2001 2002 Probenanzahl 5977 5648 5072 6763 5824 120 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Abb. 3.6: Fleisch und Fleischerzeugnisse, unterschiedliche Entwicklung des Anteils der als "gesundheitsschädlich" beurteilten Proben von 1998-2002 12,0 1998 1999 2000 2001 2002 10,0 8,0 % 6,0 4,0 2,0 0,0 GS VD NG VF FB WG KZVO s.B. GS...gesundheitsschädlich; VD...verdorben; NG...nachgemacht; VF...verfälscht; FB...falsch bezeichnet; WG...wertgemindert; KZVO...Kennzeichnungsverordnungen; s.B....sonstige Beanstandungen welche Fleischart in der Wurst ist, Schweinefleisch oder Rindfleisch, war in den Vordergrund gerückt. Nur in wenigen Fällen waren die Angaben auf der Verpakkung mangelhaft. Gegen Ende der Beobachtungsperiode sank das Interesse der Öffentlichkeit an BSE wieder, diesbezügliche Untersuchungen werden jedoch weiterhin routinemäßig durchgeführt. Verpackte Lebensmittel Dem Trend zu mehr verpackten Lebensmitteln folgend wurde die Untersuchung tierischer Lebensmittel auch in mikrobiologischer Hinsicht angepasst. Vor allem wird auf die Hygiene von verpackten Fischen sowie von verpacktem Frischfleisch, insbesondere von rohem Faschierten geachtet. Darüber hinaus werden regelmäßig Proben bis zum deklarierten Ablaufdatum gelagert und dann mikrobiologisch überprüft. Gerade bei verpackten Frischfischen ist eine Lagerung über mehrere Tage nur bei optimalen Hygienebedingungen möglich. Ein Problem stellt die Kontamination von Fleisch- und Fischprodukten mit Listeria monocytogenes dar. Die Anzahl der Untersuchungen von Produkten wie Räucherlachs oder aufgeschnittene Wurst, aber auch von Milch und Milchprodukten auf Listerien nahm daher im Berichtszeitraum zu. Bei Milchprodukten und erhitzten Fleischwaren konnFischprodukte 15,0 12,5 10,0 % 1998 1999 2000 2001 2002 7,5 5,0 2,5 0,0 GS VD FB WG KZVO s.B. GS...gesundheitsschädlich; VD...verdorben; NG...nachgemacht; VF...verfälscht; FB...falsch bezeichnet; WG...wertgemindert; KZVO...Kennzeichnungsverordnungen; s.B....sonstige Beanstandungen 121 Abb. 3.7: Fisch und Fischereierzeugnisse, starker Rückgang des Anteils an "gesundheitsschädlich" beurteilten Proben von 19982002 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Milchprodukte Abb. 3:.8 Milch und Milchprodukte, Rückgang bei den als "gesundheitsschädlich" beurteilten Proben von 19982002 15,0 12,0 9,0 1998 1999 % 2000 2001 6,0 2002 3,0 0,0 GS VD NG VF FB WG KZVO s.B. GS...gesundheitsschädlich; VD...verdorben; NG...nachgemacht; VF...verfälscht; FB...falsch bezeichnet; WG...wertgemindert; KZVO...Kennzeichnungsverordnungen; s.B....sonstige Beanstandungen te in Zusammenarbeit mit den Erzeugern durch betriebliche Verbesserungsmaßnahmen in den meisten Fällen eine Keimreduzierung bzw. eine vollkommene Listerienfreiheit der Produkte erreicht werden. Bei rohem verzehrsfertigem Lachs (geräuchert oder ungeräuchert) werden jedoch immer wieder Listeria monocytogenes in geringer Menge (unter 100 Keime/g) gefunden. Wenn auch zahlreiche Lagerversuche ergaben, dass sich die Listerien bis zum empfohlenen Mindesthaltbarkeitsdatum nicht vermehren, werden solche Proben gemäß dem Gutachten des Ständigen Hygieneausschusses der Codexkommission, insbesondere auf Grund der Tatsache, dass die Infektionsdosis nicht bekannt ist, dennoch als gesundheitsschädlich beurteilt. Diese Vorgangsweise wurde mit dem Urteil des EuGH vom 24.10.2002, C-121/00, bestätigt, wonach nichts gegen die Anwendung einer nationalen Regelung entgegensteht, die eine Null-Toleranz hinsichtlich des Vorhandenseins von Listeria monocytogenes bei nicht chemisch konservierten Fischerzeugnissen festlegt. Beanstandungsgründe bei einzelnen Lebensmittelgruppen In den Abbildungen der folgenden Seiten sind die Beanstandungsgründe für die einzelnen Produktgruppen aufgeschlüsselt und beschrieben. Wie in Abb. 3.6 "Fleisch und Fleischerzeugnisse" zu erkennen, ist der Anteil der als gesundheitsschädlich beurteilten Proben in den Jahren 1998 bis 2002 unterschiedlich ausge5,0 4,0 Abb. 3.9: Eier und Eiprodukte, niedrigere Beanstandungsquote als "gesundheitsschädlich" bzw. als "verdorben" und "sonstige Beanstandungen" im Zeitraum 19982002 3,0 1998 1999 % 2000 2001 2,0 2002 1,0 0,0 GS VD KZV s.B. GS...gesundheitsschädlich; VD...verdorben; NG...nachgemacht; VF...verfälscht; FB...falsch bezeichnet; WG...wertgemindert; KZVO...Kennzeichnungsverordnungen; s.B....sonstige Beanstandungen 122 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit fallen und war im Jahr 2000 mit 7,5% am höchsten, im darauf folgenden Jahr mit 1,6% am niedrigsten. Für die gesundheitsschädlich beurteilten Proben sind vor allem Salmonellen in Geflügel von primärer Bedeutung. Die als verdorben beanstandeten Proben sind innerhalb der letzten fünf Jahre stark gesunken, von im Jahre 1998 10,1% auf im Jahre 2002 2,4%. Hier dürften verschärfte gesetzliche Vorgaben und verstärkte Hygienekontrollen die Hauptgründe sein. Der Anteil an verfälscht beurteilten Fleisch und Fleischerzeugnissen ist mit ca. 2% annähernd gleich bleibend niedrig. Für die Beurteilung der Verfälschung von Fleischerzeugnissen aus Österreich werden die Grenzwerte des Österreichischen Lebensmittelcodex, III. Auflage, Kapitel B 14, herangezogen. So gibt es beispielsweise Grenzwerte für den Fettgehalt von Faschiertem, für den Bindegewebegehalt in diversen Brät-, Fleisch- und Rohwürsten und für den Wassergehalt in Pökelwaren. Ein relativ häufig anzutreffender Verfälschungsgrund stellt dabei ein überhöhter Wassergehalt in Kochpökelwaren (Toastschinken, Pressschinken, usw.) dar. Der Lebensmittelcodex dient unter anderem als Beurteilungsgrundlage für traditionell hergestellte österreichische Würste und andere Fleischerzeugnisse. Seit dem EU-Beitritt dürfen jedoch in Österreich keine Handelshemmnisse für Produkte vorliegen, die in anderen EU-Mitgliedsländern zugelassen sind, auch wenn sie nicht den strengen österreichischen Codexrichtlinien entsprechen. Die Beanstandungen nach den Kennzeichnungsvorschriften sind von 3,4% im Jahre 1998 bis 4,9% im Jahre 2001 relativ konstant, beurteilt wird hierbei u.a. ob eine korrekte Information des Verbrauchers vorliegt. Die so genannte "QUID"-Kennzeichnung, tritt mit 1. Juli 2003 auch für Fleischerzeugnisse in Kraft. "QUID" bedeutet "quantitative ingredients declaration", d.h. die mengenmäßige Angabe der einzelnen Zutaten in einem zusammengesetzten Lebensmittel. Der Anteil an nicht beanstandeten Proben (nicht in Abb. 3.6 angeführt) ist von 1998 auf 2002 geringfügig von 77,0% auf 80,5% angestiegen. In Abb. 3.7, "Fisch und Fischereierzeugnisse" ist erkennbar, dass der Anteil an gesundheitsschädlich beurteilten Proben von 1998 bis 2002 einen starken Rückgang von 14,9% auf 5,7% zu verzeichnen hat. Die Hauptgründe für eine Beurteilung als gesundheitsschädlich sind Befall von Meeresfischen mit Fischparasiten und das Vorhandensein von Listeria monocytogenes bei kalt geräucherten Fischen. Wie bei Fleisch und Fleischerzeugnissen wird auch für Fische, Krebse, Weichtiere und daraus hergestellte Produkte ein umfangreiches Kapitel des österreichischen Lebensmittelcodex zur Beurteilung dieser Produkte herangezogen. Bei als verdorben beurteilten Proben ist im Jahr 2000 ein Spitzenwert mit 13,1% erkennbar. Eine der Ursachen liegt darin, dass zunehmend mehr verpackter Frischfisch im Selbstbedienungsbereich angeboten wird. Der Rückgang bis zum Jahr 2002 auf 6.6% dürfte wieder auf verbesserte Hygienebedingungen zurückzuführen sein, die durch ein Eigenkontrollsystem für Betriebe, das so genannte "HACCP-Konzept" gesetzlich vorgeschrieben sind. Die Beanstandungen nach den Kennzeichnungsvorschriften sind von 3,1% im Jahre 1998 bis 4,9% im Jahre 2002 so wie bei den Fleisch und Fleischerzeugnissen relativ konstant geblieben. Bei den sonstigen Beanstandungsgründen sind vor allem Verstöße gegen die Vorschriften der Fischhygieneverordnung, BGBl II 1997/260, z.B. das Inverkehrbringen von unausgenommenen Fischen oder überhöhter Histamingehalt bei bestimmten Fischarten, anzuführen. Auch ein überhöhter Quecksilbergehalt in Fischen wurde bis zum April 2001 in der Fischhygieneverordnung geregelt. Die Grenzwerte für die Schwermetalle Blei, Cadmium und Quecksilber bei Fischen und Meerestieren finden sich nunmehr in der Verordnung zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln (EG) Nr. 466/2001. Der Anteil an nicht beanstandeten Proben (nicht in Abb. 3.7 angeführt) ist von 1998 mit 76,4% auf 2002 mit 71,6% leicht gesunken. Aus Abb. 3.8 "Milchprodukte" geht hervor, dass bei den als gesundheitsschädlich beurteilten Proben von 1998-2002 ein Rückgang feststellbar ist. Die Beanstandung als gesundheitsschädlich erfolgte in den meisten Fällen aufgrund einer Kontamination mit Listeria monocytogenes. Wie bei den vorangegangenen Produkten Fleisch und Fleischerzeugnisse bzw. Fisch und Fischerzeugnisse wird auch bei Milch und Milchprodukten der Österreichische Lebensmittelcodex neben anderen Vorschriften zur Beurteilung der Produkte herangezogen. Die Anzahl der als verdorben beurteilten Proben hat sich im oben angeführten Zeitraum ebenfalls verringert. Die Verdorbenheit der Waren wurde meist durch Mängel der sensorischen und bakteriologischen Eigenschaften verursacht. Bei den Beanstandungen nach den Kennzeichnungsvorschriften ist von 1998-2001 ein Anstieg zu verzeichnen. Von 2001-2002 ist ein Rückgang dieser Beanstandungen feststellbar. 123 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Verstöße gegen die Vorschriften der Milchhygieneverordnung, BGBl 1993/897, stellen den Großteil der sonstigen Beanstandungsgründe dar. Der Anteil an nicht beanstandeten Proben (nicht in Abb. 3.8 angeführt) liegt in Zeitraum 19982002 zwischen 70% und 80%. Bei der Produktgruppe "Eier und Eiprodukte", ist aufgrund der Monitoringprogramme und der in Einzelfällen notwendigen verstärkten Kontrollen eine deutliche Zunahme der Probenzahl zu verzeichnen. Bei ganzen rohen Eiern werden Salmonellen recht selten festgestellt, sodass eine Beanstandung als gesundheitsschädlich dementsprechend niedrig ausfällt. Auch die als verdorben beurteilten Eier und Eiprodukte erreichten mit 3,9% im Jahr 1998 den Höchststand, mit 0,9% im Jahr 2000 den Tiefststand. Die Überprüfung der Kennzeichnung von Eiern ist neben der Lebensmittelkennzeichnungs-Verordnung, BGBl. Nr. 72/1993, auch nach der Hühnereiverordnung, BGBl. Nr 656/1995, durchzuführen. Nach diesen Kennzeichnungsvorschriften gab es relativ selten Beanstandungen. Für die Beurteilung von Eiprodukten wird die Eiprodukteverordnung 1996, BGBl Nr. 527/1996, herangezogen, hier sind aufgrund der in mikrobiologischer Hinsicht sensiblen Produkte strenge Hygienevorschriften vorgegeben. Eiprodukte müssen sowohl in flüssiger als auch in Pulverform immer einer Behandlung unterzogen worden sein um zu garantieren, dass Salmonellen und Kontaminationskeime ausreichend sicher eliminiert werden. Die Beurteilungen nach dieser Verordnung sind unter sonstige Beanstandungen eingestuft. Die Beanstandungsquoten liegen bei 4,3% im Jahre 1998, 2,7% im Jahre 2000 und 2,2% im Jahr 2002. (s. Abb. 3.9) Der Anteil an nicht beanstandeten Proben (nicht in Abbildung 3.9 angeführt) ist von 1998 mit 90,5% auf 2002 mit 77,8% deutlich gesunken. Aktionen im Zeitraum 1998 bis 2002 Neben der routinemäßigen Probenziehung (Revisions-und Probenplan gemäß § 36 LMG 1975), ergeben sich aufgrund aktueller Anlässe weitere Aktionen, die entweder österreichweit oder in einem speziellen Bundesland durchgeführt werden. Auch von der EU vorgeschriebene Monitoringprogramme werden als EU-Aktionen - oft über mehrere Jahre - geführt. Stark zugenommen hat die Information nach dem europaweiten Schnellwarnsystem RASFF (Rapid alert system for food). Hier werden vor allem Waren mit Verdacht auf Gesundheitsschädlichkeit den einzelnen Mitgliedsstaaten gemeldet. Im Jahre 1998 wurden 108 RASFF-Warnungen für den Lebensmittelbereich gemeldet, im Jahr 2002 waren es bereits 246 Meldungen, wobei die Herkunft der Proben sowohl EU-Mitgliedsländer als auch Drittländer betreffen kann. Beispiele für österreichweite (Ö) und EU-Aktionen (EU) im Zeitraum 1998 bis 2002: 1998: Kontrolle von Bauernmärkten und Bauernläden (Ö) Hygiene bei Rohmilch (Ö) Untersuchung auf gentechnische Veränderung (Ö) Arzneimittelrückstandsmonitoring (EU) 1999: Hygiene in Sushi-Restaurants (Ö) Untersuchung auf Histamin in bestimmten Fischen (Ö) Aufgeschnittene verpackte und unverpackte Fleischwaren (Ö) Arzneimittelrückstandsmonitoring (EU) 2000: Portionierter verpackter Käse aus Selbstbedienung (Ö) Hygiene bei Zeltfesten und Buschenschanken (Ö) Hygiene bei Grillfleisch, gewürzt und ungewürzt, verpackt und offen (Ö) Tierarzneimittelrückstands-Monitoring (EU) 2001 Untersuchung auf Rindfleisch und Separatorenfleisch in Fleischerwaren (Ö) Tierarzneimittelrückstände in Rohmilch (Ö) Chloramphenicol in Shrimps (Ö) Tierarzneimittelrückstands-Monitoring (EU) 2002 Ostereier auf Verdorbenheit und Farbstoffe (Ö) Nitrofen in Geflügelerzeugnissen (Ö) Geräuchertes Fleisch und Fleischerzeugnisse auf Benzo(a)pyren (Ö) Tierarzneimittelrückstands-Monitoring (EU) Untersuchungen werden auch an Screening- und Verdachtsproben des grenztierärztlichen Dienstes durchgeführt. Die Probenzahl ändert sich mit der Anzahl an EU-Aussengrenzstellen, und liegt im Berichtszeitraum bei ca. 100/Jahr. 124 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit 3.3 Risikoanalyse bei Lebensmitteln* Zusammenfassung Spätestens im Gefolge der jüngsten Lebensmittelskandale (die Schlagzeilen lauteten z.B. Rinderwahnsinn, Dioxinhühner, Importe von Hormonrindern, unerlaubte Verwendung von Antibiotika, Geflügelpest, etc.) wurde die Lebensmittelsicherheit zu einem prioritären Thema. Als Grundlage für sämtliche Maßnahmen in Bezug auf die Lebensmittelsicherheit schreibt die neue Gemeinschaftsgesetzgebung die Risikoanalyse vor. Das Konzept der Risikoanalyse umfasst drei miteinander in Wechselwirkung stehende Prozesse, Risikobewertung (risk assessment), Risikomanagement (risk management) und Risikokommunikation (risk communication). Die Risikobewertung wiederum erfolgt in vier Stufen: Gefahrenerkennung (hazard identification), Gefahrencharakterisierung (hazard characterization), Quantifizierung der Exposition (appraisal of exposure) und Risikocharakterisierung (risk characterization). Ziel des Risikomanagements ist die Wahl der geeigneten regulatorischen Optionen zur Prävention bzw. Minimierung der Exposition der Bevölkerung durch die politisch Verantwortlichen. Wirksames Risikomanagement erfordert einen permanenten Dialog zwischen den mit der Risikobewertung betrauten Experten und den für das Risikomanagement verantwortlichen administrativen und politischen Entscheidungsträgern. In die Entscheidungsprozesse werden außerdem in zunehmendem Maße auch die betroffenen Wirtschaftskreise, Verbraucherschutzverbände und andere NGO's einbezogen. Darüber hinaus müssen in der heutigen partizipatorischen Informationsgesellschaft behördliche Entscheidungen, insbesondere solche, die den sensiblen Bereich der Lebensmittelsicherheit betreffen, transparent und plausibel sein und einer breiten Öffentlichkeit verständlich gemacht werden. Diese im letzten Absatz erwähnten komplexen Interaktionen im Rahmen der Risikoanalyse werden unter dem Begriff Risikokommunikation zusammengefasst. Allgemeines Der Umgang mit Risiken ist zu einem zentralen Thema gesellschaftlicher Auseinandersetzungen geworden. Die Risikodebatte umfasst so unterschiedliche Themen wie die Nutzung der Gentechnologie, die Sicherheit von Kernkraftwerken und nicht zuletzt die Sicherheit von Lebensmitteln. Spätestens im Gefolge der jüngsten Lebensmittelskandale (Die Schlagzeilen lauteten z.B. Rinderwahnsinn, Dioxinhühner, Importe von Hormonrindern, unerlaubte Verwendung von Antibiotika, Geflügelpest, etc.) wurde die Lebensmittelsicherheit zu einem prioritären Thema. Als Grundlage für sämtliche Maßnahmen in Bezug auf die Lebensmittelsicherheit schreibt die neue Gemeinschaftsgesetzgebung die Risikoanalyse vor. Deren Elemente, Methodik und Instrumentarium werden im Folgenden am Beispiel der Lebensmittelkontaminanten erläutert. Konzept der Risikoanalyse Das Konzept der Risikoanalyse umfasst drei miteinander in Wechselwirkung stehende Prozesse: - Risikobewertung (risk assessment) - Risikomanagement (risk management) und - Risikokommunikation (risk communication) - Risikobewertung (risk assessment) Die Risikobewertung wiederum erfolgt in vier Stufen: - Gefahrenerkennung (hazard identification) - Gefahrencharakterisierung (hazard characterization) - Quantifizierung der Exposition (appraisal of exposure) und - Risikocharakterisierung (risk characterization) - Gefahrenerkennung Zur Charakterisierung der Natur der toxischen Effekte und zur Bestimmung der Dosis-Wirkungs-Beziehung ist routinemäßig die Durchführung einer Reihe von standardisierten in vivo- und in vitro-Testverfahren notwendig. Ziel dieser Versuche ist die Abschätzung der Konzentration eines * Dr. A. Zilberszac, Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, Radetzkystr. 2, 1030 Wien 125 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Abb. 3.10: Dosis-Wirkungsbeziehung, Wirkungsschwelle in der Nahrung vorkommenden Fremdstoffes (z.B. einer Umweltchemikalie oder eines Pestizids), unter welcher keine toxischen Effekte beobachtet werden können [No Observed (Adverse) Effect Level, NOAEL]. Dieser NOAEL sollte in Toxizitätstests ermittelt werden, welche die Umstände der menschlichen Exposition in bestmöglicher Weise widerspiegeln. Die Testbatterie besteht daher aus Untersuchungen der akuten, subakuten, subchronischen und chronischen Toxizität, der Mutagenität und Kanzerogenität sowie von möglichen Effekten auf die Reproduktion (siehe Abbildung 3.10 und 3.11). Ebenfalls notwendig sind Informationen über den Metabolismus, die Toxikokinetik und Toxikodynamik. Mechanistische Daten sind hilfreich bei der Interpretation der Toxizitätstests und bei der Beurteilung ihrer Signifikanz für den Menschen. - Gefahrencharakterisierung Gefahrencharakterisierung ist der Extrapolationsschritt der Risikobewertung. Basierend auf den Ergebnissen von Tierversuchen mit hohen Dosierungen wird auf die Gefährdung des Menschen bei der Exposition gegenüber für gewöhnlich niedrigen Konzentrationen geschlossen. Diese Schlussfolgerung erfordert zwei Extrapolationsschritte: - von Spezies zu Spezies (Versuchtstier zu Mensch) und - von hohen zu niedrigen Konzentrationen. Das Ergebnis ist die Abschätzung des so genannten "provisional tolerable intake" (PTI). Das ist diejenige Menge eines Schadstoffes ausgedrückt in mg/kg Körpergewicht, die zeitlebens (auf Tages- oder Wochenbasis) mit der Nahrung aufgenom- Abb. 3.11: NOAEL, LOAEL 126 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit NOAEL (mg/kg KG Tierversuch) TDI (mg/kg KG Mensch) = men werden kann, ohne gesundheitliSicherheitsfaktor che Beeinträchtigungen zu verursa10x human variability chen (siehe Abbildung 3.12). 10x extrapolation from animals to human Generell werden PTI's nur dann 10x use of less than chronic data 10x use of LOAEL instead of NOAEL festgelegt, wenn das Vorhandensein 0.1x-10x modifying factor eines Schwellenwerts in der Dosis-Wirkungs-Beziehung auf Grundlage der Kenntnisse über den Wirkungsmechanismus angenommen werden kann. Für Kontaminanten mit kumulativen Eigenschaften (z.B. Ochratoxin A) wird die tolerierbare Aufnahme auf Wochenbasis festgelegt (provisional tolerable weekly intake oder PTWI). Die Festlegung eines "provisional tolerable daily intake" (PTDI) hingegen ist dann gerechtfertigt, wenn einerseits eine Anreicherung des Schadstoffes im menschlichen Gewebe nicht zu erwarten, und andererseits die Aufnahme von höheren Mengen über eine kurze Zeitperiode denkbar ist (z.B. Patulin). Für die Ableitung des TDI's ist es üblich, den NOAEL aus einem geeigneten Tierversuch durch einen Sicherheitsfaktor (normalerweise 100) zu dividieren. Höhere Sicherheitsfaktoren können bei unbefriedigender Datenlage verwendet werden. Abb. 3.12: TDI, Sicherheitsfaktoren Für genotoxische Kanzerogene (z.B. Aflatoxin B1) ist die Annahme eines Schwellenwerts, unter dem die Initiation eines kanzerogenen Prozesses nicht erfolgen kann, grundsätzlich nicht zulässig. Daraus folgt, dass die Ableitung eines PTWI oder PTDI-Werts für Kontaminanten mit diesem Wirkungsmechanismus nicht üblich ist. Stattdessen empfiehlt die JECFA die Anwendung des so genannten "ALARA-Prinzips" (as low as reasonable achievable). Das ist jene (niedrigste) Konzentration einer unerwünschten Substanz in Lebensmitteln, die mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Technologie (Stand der Technik) erzielbar ist ohne jedoch die Lebensmittelversorgung zu gefährden. Bei technisch vermeidbaren und toxikologisch bedenklichen (kanzerogenen) Kontaminanten wird von den wissenschaftlichen Ausschüssen normalerweise die Forderung gestellt, dass deren Konzentration unter der analytischen Nachweisgrenze liegen soll. Die US-FDA berechnet für genotoxische Kanzerogene mit Hilfe einer linearen Extrapolation von der niedrigsten Dosis, die im Tierversuch Krebsfälle verursacht hat, jene Dosis, die, wenn sie täglich zugeführt wird, zu einem zusätzlichen Krebstoten pro Jahr auf Hundertausend bzw. eine Million Menschen führen würde (siehe Abbildung 3.13). Dies wäre zugleich das höchste noch tolerierbare zusätzliche Krebsrisiko. Für diese Berechnungen werden mathematische Modelle verwendet, deren wissenschaftlicher Wert allerdings umstritten ist. Abb. 3.13: Lineare Extrapolation für genotoxische Kanzerogene 127 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit - Quantifizierung der Exposition Die Exposition gegenüber Schadstoffen in Lebensmitteln hängt einerseits von ihrer Konzentration in verschiedenen Lebensmitteln und andererseits von den Aufnahmemengen dieser Lebensmittel durch unterschiedliche Bevölkerungsgruppen ab. In Bezug auf die Aufnahmemengen diverser Lebensmittel sind große nationale und regionale Unterschiede vorhanden. Außerdem sind auch Modifikationen der Schadstoff-Konzentration aufgrund von Verarbeitungsschritten bzw. bei der Zubereitung dieser Lebensmittel möglich. Zur Quantifizierung der Exposition sind daher sowohl analytische Daten (Vorkommen in Lebensmitteln) als auch aktuelle quantitative Daten zu den Verzehrsgewohnheiten und -mengen, insbesondere von besonders empfindlichen Bevölkerungsgruppen wie von Kleinkindern, Schwangeren und älteren Personen, erforderlich. Solche differenzierten Informationen über die Ernährungsgewohnheiten und die Ernährungssituation der Bevölkerung müssen daher regelmäßig auf nationaler Basis erhoben und ausgewertet werden, vor allem als Basis für gesundheits- und verbraucherpolitische Maßnahmen der Bundesregierung. Für die Gesamtexposition nicht zu vernachlässigen, ist auch das Vorhandensein von Schadstoffen in Futtermitteln und dadurch bedingte Carry-over-Effekte auf Lebensmittel tierischer Herkunft (z.B. Ochratoxin A in Blutwürsten bzw. Aflatoxin M1 in der Kuhmilch durch Verfütterung von kontaminierten Futtermitteln). - Risikocharakterisierung Das ist die qualitative und/oder quantitative Abschätzung der Wahrscheinlichkeit, Häufigkeit und des Schweregrades der bekannten oder potentiellen negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, die durch die Aufnahme von Kontaminanten über die Nahrung auftreten können. Sie basiert auf den vorgenannten Schritten und berücksichtigt auch die Unsicherheiten und Annahmen, die im Zuge der Risikobewertung vorgenommen wurden. Die Risikocharakterisierung kann in der Festlegung einer täglichen Expositionshöhe bestehen, die mit einem vernachlässigbaren Risiko toxischer Effekte über eine Lebensspanne verbunden ist (d.h., die tägliche Exposition liegt unter dem PTDI). Bei Substanzen, für die ein PTDI (PTWI) nicht festlegbar ist, ist die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von schädlichen Effekten bei Menschen aus der "Sicherheitsspanne" zwischen der wahrscheinlichen Expositionshöhe und den Dosierungen, die in Tierversuchen zu toxischen Effekten (Tumorbildung) geführt haben, abschätzbar. Bei der Risikocharakterisierung ist es erforderlich, jene Verbrauchergruppen besonders zu berücksichtigen, die aufgrund einer erhöhten Empfindlichkeit einem höheren Risiko ausgesetzt sind ("vulnerable groups", wie Kleinkinder, ältere Menschen, Menschen mit bestimmten Enzymdefekten, etc.). Künftige Entwicklungen im Bereich Risikobewertung Die konventionelle Gefahrencharakterisierung beruht hauptsächlich auf der Extrapolation von tierexperimentellen Daten auf den Menschen unter Anwendung von Unsicherheitsfaktoren. Die wissenschaftlichen Grundlagen dieses Vorgehens sind nicht ausreichend gesichert und es wird dabei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Entwicklungen nicht ausreichend Rechnung getragen. Erforderlich ist daher eine kritische Bewertung des derzeitigen Wissensstandes im Bereich Risikobewertung, die Überprüfung der wissenschaftlichen Basis und die Entwicklung neuer qualitativer und quantitativer Bewertungsmethoden mit dem Ziel, einen ganzheitlichen wissenschaftlich begründeten Ansatz für die Charakterisierung und Quantifizierung der durch Schadstoffe in Lebensmitteln bedingten Risiken zu schaffen. Ein aktueller Trend ist die Erweiterung des wissenschaftlichen Instrumentariums für die Ermittlung der Konsumentenexposition gegenüber Schadstoffen in Lebensmitteln. Als Alternative zu den bisher für regulatorische Zwecke verwendeten deterministischen (d.h. auf einer Kaskade von worst case-Annahmen hinsichtlich der Grunddaten beruhenden) Modellen der Expositionsabschätzung wird zunehmend der probabilistische Ansatz, der von Zufallsverteilungen der miteinander zu kombinierenden Datenkollektive ausgeht, propagiert. Die probabilistischen Modelle liefern zwar exaktere Ergebnisse und sind daher vom wissenschaftlichen Standpunkt den simplifizierten deterministischen Expositionsabschätzungen in Bezug auf Einzelursachen (einzelne Schadstoffe) überlegen. Ihr faktischer Nachteil im Hinblick auf den Gesundheitsschutz liegt darin, dass VerbraucherInnen im realen Leben kumulierten Belastungen mit einer Vielzahl von Schadstoffen aus unterschiedlichen Quellen ausgesetzt sind, über deren mögliche Interaktionen wenig bekannt ist. Solange diese "Cocktaileffekte" in den Modellberechnungen keine ihrer Bedeutung entsprechende Berücksichtigung finden, erscheinen für Zwecke des präventiven Ge- 128 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Höchstwert (mg/kg Lebensmittel) = TDI x kg KG g max. tägl. Verzehrmenge des LM sundheitsschutzes die deterministischen Expositionsabschätzungen wegen ihrer konservativen Natur vorerst besser geeignet. - Risikomanagement Risikomanagement ist der Prozess der Abwägung der Handlungsalternativen unter Zugrundelegung der Risikobewertung und anderer sozioökonomischer und politischer Faktoren (other legitimate factors oder OLF). Ziel dieses Prozesses ist die Wahl der geeigneten regulatorischen Optionen zur Prävention bzw. Minimierung der Exposition der Bevölkerung durch die politisch Verantwortlichen. In Bezug auf Schadstoffe in Lebensmitteln gibt es eine Reihe von Risikomanagement-Optionen, die dazu geeignet sind, die Exposition der Bevölkerung zu minimieren und somit eine ausreichende Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten. Die Bandbreite dieser Maßnahmen reicht von Empfehlungen (Code of Practice) für gute landwirtschaftliche Praxis (GAP), sachgerechte Lagerung, sachgerechten Transport, gute Herstellungspraxis (GMP) bis zur Festlegung von Höchstwerten in bestimmten Lebensmitteln (siehe Abbildung 3.14). Am zielführendsten ist eine Kombination sowohl von Vermeidungsstrategien als auch von regulatorischen Grenzwerten, deren Unterschreitung eine "benchmark" für die Anwendung der in den "Codes of Practice" empfohlenen Maßnahmen darstellt. Unverzichtbare Voraussetzung für die Einhaltung von Grenzwerten ist ein konsequentes analytisches Monitoring. Dazu bedarf es harmonisierter Probenahmepläne, der Anwendung gleichwertiger analytischer Methoden und einer internationalen Zusammenarbeit der Überwachungsbehörden. Eine wirksame Minimierung der Exposition der Bevölkerung gegenüber Schadstoffen in Lebensmitteln (landwirtschaftliche Produkte und deren Verarbeitungserzeugnisse) im Interesse der Prävention von Gesundheitsschäden kann nur dann gelingen, wenn bei eindeutiger Überschreitung von Grenzwerten die entsprechenden Produkte aus dem Verkehr genommen werden. Bestehende harmonisierte Regelungen und Regelungsvorhaben Gestützt auf die Verordnung 315/93/EG des Rates zur Festlegung von gemeinschaftlichen Verfahren zur Kontrolle von Kontaminanten in Lebensmitteln wurden bereits Höchstgehalte für Nitrat im Gemüse, Aflatoxine in Getreide, Getreideprodukten, Erdnüssen, Schalenfrüchten und getrockneten Früchten, Aflatoxin M1 in der Milch, Ochratoxin A, Blei, Cadmium, Quecksilber sowie Dioxine und verwandte Verbindungen in Lebensmitteln tierischer und/oder pflanzlicher Herkunft festgelegt. Gleichzeitig wurden auch Probenahmeverfahren und Analysemethoden für die amtliche Kontrolle von Lebensmitteln auf Einhaltung der Höchstgehalte für Kontaminanten vorgeschrieben. Von der Generaldirektion SANCO eingerichtete Expertenarbeitsgruppen arbeiten derzeit an weiteren Regelungsvorhaben im Bereich Mykotoxine sowie im Bereich der industriellen Kontaminanten. Diese Vorhaben basieren auf Risikobewertungen des SCF und der JECFA sowie auf Expositionsdaten, die im Rahmen der wissenschaftlichen Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten (SCOOP-Vorhaben) erhoben wurden. Auch der FAO/WHO-Codex Alimentarius ist im Bereich der Festlegung von Standards für Höchstgehalte von Kontaminanten aktiv. Konkrete Festlegungen wurden aber bislang nur für Aflatoxine in Erdnüssen sowie für Aflatoxin M1 in der Milch getroffen. Im fortgeschrittenen Stadium befinden sich Höchstwertvorschläge für Blei. Die Verordnung 178/2002 des europäischen Parlaments und des Rats zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts ermöglicht den Risikomanagern bei Vorliegen von deutlichen Hinweisen auf schädliche Wirkungen von Bestandteilen der Nahrung auf die Gesundheit und/oder Umwelt auch trotz bestehender wissenschaftlicher Unsicherheit (z.B. 129 Abb. 3.14: Höchstwertberechnung Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit fehlende oder mangelhafte toxikologische Daten) vorläufige, angemessene Massnahmen zur Reduktion des Risikos zu ergreifen. Die dazu erforderliche Rechtsgrundlage schafft die Verankerung des Vorsorgeprinzips (siehe auch Mitteilung der Europäischen Kommission COM 2000 (1) vom 2.2.2000: "Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips") im Artikel 7 dieses Regelwerks. Im Gegensatz dazu basieren die Risikomanagementstrategien außerhalb Europas und auch im Rahmen des FAO/WHO-Codex Alimentarius auf der Abschätzung des Populationsrisikos aufgrund von möglichst vollständigen Dosis-Wirkungs-Daten und epidemiologischen Studien und lassen Unbekannte wie z.B. die Möglichkeit von additiven Wirkungen und Interaktionen zwischen verschiedenen gleichzeitig vorhandenen Schadstoffen außer Acht. Unterschiedliche Auffassungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und anderen CodexMitgliedsstaaten herrschen auch bezüglich der Festlegung eines der Gesellschaft zumutbaren Risikogrades - eine Problematik von hoher politischer Brisanz, die auch wesentliche ethische und soziologische Aspekte umfasst. Probleme rechtlicher Natur ergeben sich aus den unterschiedlichen Schutzphilosophien vor allem im Zusammenhang mit dem WTO-Abkommen. Wirksames Risikomanagement erfordert einen permanenten Dialog zwischen den mit der Risikobewertung betrauten Experten und den für das Risikomanagement verantwortlichen administrativen und politischen Entscheidungsträgern. In die Entscheidungsprozesse werden außerdem im zunehmenden Maße auch die betroffenen Wirtschaftskreise, Verbraucherschutzverbände und andere NGO's einbezogen. Darüber hinaus müssen in der heutigen partizipatorischen Informationsgesellschaft behördliche Entscheidungen, insbesondere solche, die den sensiblen Bereich der Lebensmittelsicherheit betreffen, transparent und plausibel sein und einer breiten Öffentlichkeit verständlich gemacht werden. Diese im letzten Absatz erwähnten komplexen Interaktionen im Rahmen der Risikoanalyse werden unter dem Begriff Risikokommunikation zusammengefasst. 130 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit 3.4 Lebensmittelsicherheit anhand einiger Beispiele* Zusammenfassung Die Risikobewertung auf dem Lebensmittelsektor ist unter anderem im Österreichischen Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz als Kernkompetenz der Österreichischen Agentur für Gesundheits- und Ernährungssicherheit (AGES) festgelegt. In diesem Beitrag wird die Problematik der Pestizidrückstände in Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft, des Vorkommens der polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) sowie der Belastung mit einigen ausgewählten Mykotoxinen (Patulin, Fusarientoxin) dargestellt. Vorläufige Ergebnisse der Expositionsabschätzung auf diesem Gebiet sind im Folgenden zusammengefasst: - - - - Sowohl im EU-koordinierten Monitoringprogramm (seit 1996) als auch im nationalen Überwachungsprogramm (seit 1997) haben die Anzahl der untersuchten Proben und der Parameter je Probe stark zugenommen. Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln zeigen, dass sowohl die Anzahl der Proben mit Höchstwertüberschreitungen als auch die ohne Höchstwertüberschreitung (weniger kritisch) zwischen 1997-2002 zugenommen hat. Der österreichische Konsument nimmt PAK insbesondere über geräucherte Fleisch und Fleischprodukte auf. Bei Patulin gilt eine vorläufige tolerierbar maximale Tagesdosis (PMTDI-Wert) von 400 ng/kg Körpergewicht. In Bezug auf das Körpergewicht zeigt sich bei Kindern die höchste Patulin-Belastung, die allerdings weit unter dem genannten kritischen Wert liegt. Bei den Mykotoxinen der Fusarienpilze beträgt die mittlere tägliche Aufnahme an Desoxynivalenol etwa 0,3 µg/kg Körpergewicht (KG) und bei Zearalenon etwa 0,2 µg/kg KG. Das entspricht lediglich einem Bruchteil der derzeit erlaubten Dosis von 1 µg/kg KG und Tag. Die Risikobewertung umfasst neben den oben beschriebenen Ergebnissen der chemischen Analyse vor allem auch Aspekte der mikrobiologischen Untersuchung, auf die an anderer Stelle dieses Berichts eingegangen wird. Die angeführten Beispiele zeigen nur einen kleinen Teilbereich des Untersuchungsspektrums, in dem die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit analytisch tätig ist. Das Untersuchungsspektrum reicht von der Untersuchung von chemischen Parametern, von denen einige Beispiele angeführt wurden, über die mikrobiologischen Untersuchungen bis zur Untersuchung von physikalischen Parametern, die alle für die Lebensmittelsicherheit und somit für den Konsumenten wesentlich von Bedeutung sind. Allgemeines Im Bereich der Risikoanalyse ist die Risikobewertung mit ihren vier Stufen der Gefahrenidentifizierung, Gefahrencharakterisierung, Expositionsabschätzung sowie Risikocharakterisierung eine wesentliche Aufgabe, die unter anderem im Österreichischen Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz als Kernkompetenz für die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) festgelegt ist. Die AGES ist mit den verschiedensten Aufgaben auf dem Gebiet der Risikobewertung betraut, einige Beispiele sind in Folge dargestellt, wobei diese Beispiele nicht das komplette Spektrum der Aufgaben der Agentur im Zuge der Risikobewertung wiedergeben. Die Aufgabe der Risikobewertung in einer unabhängigen, objektiven und transparenten Art und Weise als Teilaufgabe der Risikoanalyse wird auch in der Verordnung 178/2002 des Europäischen Parlaments zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Lebensmittelbehörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung der Verfahren zur Lebensmittelsicherheit als grundlegend angesehen, um das allgemeine Ziel eines hohen Maßes an Schutz für Leben und Gesundheit des Menschen zu erreichen. * Dr. R. Grossgut, Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Spargelfeldstrasse 191, 1226 Wien 131 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Tab. 3.3: EU-koordinierte MonitoringProgramme zur Abschätzung der Exposition der Konsumenten zu Pflanzenschutzmittelrückständen EU-koordiniertes Programm seit 1996 1996 Äpfel, Erdbeeren, Kopfsalat, Tomaten, Weintrauben (inkl. nationalem Kontrollprogramm) 1997 Bananen, Birnen, Fisolen, Kartoffeln, Mandarinen 1998 Karotten, Orangen, Pfirsiche, Spinat 1999 Karfiol, Melonen, Paprika, Weizen 2000 Erbsen, Gurken, Kraut, Reis 2001 Äpfel, Erdbeeren, Kopfsalat, Tomaten, Weintrauben 2002 Bananen, Birnen, Fisolen, Karotten, Kartoffeln, Orangen/Mandarinen, Pfirsiche/Nektarinen, Spinat 2003 Karfiol, Paprika, Weizen, Aubergine, Reis, Trauben, Gurken, Erbsen Als spezielle Themen seien in Folge die Problematik der Pestizidrückstände in Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft, die Problematik der polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe sowie einiger ausgewählter Mykotoxine (Patulin, Fusarientoxine) wiedergegeben. Pestizidrückstände in Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft Wie in allen europäischen Staaten werden auch in Österreich Pflanzenschutzmittel und darin enthaltene Wirkstoffe einem umfangreichen Zulassungsverfahren unterworfen und einer eingehenden Risikobewertung unterzogen. Im Zuge des Zulassungsverfahrens sind umfassende Informationen hinsichtlich toxikologischer Eigenschaften von Wirkstoff und Formulierung beizubringen. Es werden in vivo und in vitro Studien sowie sonstige relevante Informationen seitens der Antragsteller beigebracht und diese dann detailliert bewertet. Resultierend aus diesen Daten können dann für den Wirkstoff, aber auch für das Präparat ein toxikologisches Profil erstellt und entsprechende Kennzahlen festgelegt werden. Dies sind u.a. der ADI-Wert (Acceptable Daily Intake = akzeptierbare tägliche Aufnahmemenge), der ARfD-Wert (Acute Reference Dose = akute Referenzdosis) und sowie der AOEL-Wert (Acceptable Operator Exposure Level = akzeptierbare Anwenderexpositionsmenge). Für die Exposition der Konsumenten sind insbesondere der ADI-Wert bzw. der ARfD-Wert von Bedeutung. Im Zuge der Risikobewertung des Wirkstoffes wird der ADI-Wert bzw. die akute Referenzdosis dem Höchstwert und den daraus resultierenden Aufnahmemengen durch den Konsumenten gegenübergestellt und damit die Exposition bezüglich des Wirkstoffes ermittelt. Würde aufgrund der geregelten bzw. angestrebten Höchstwerte eine Überschreitung der ARfD bzw. des ADI-Wertes resultieren, wäre eine Zulassung des Wirkstoffes unter diesen Umständen nicht möglich. Aufgrund der beigebrachten Angaben und Unterlagen im Zuge des Zulassungsverfahrens und den angestrebten Indikationen werden dann auch auf Basis der beigebrachten Rüchstandsuntersuchungen zur Belegung der allgemein üblichen Anwendungspraxis Höchstwerte festgelegt, die für den Konsumenten sicher sein müssen. Diese Höchstwerte werden dann einerseits EU-weit in Richtlinien bzw. in Österreich in der Schädlingsbekämpfungsmittel-Höchstwerteverordung geregelt. Da die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu Rückständen in/auf Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft, wie Obst, Gemüse und Getreide führen kann, werden die geregelten Höchstwerte sowohl in Österreich als auch im gesamten europäischen Raum einer Kontrolle unterzogen und im Zuge von koordinierten Programmen überwacht. Auch Österreich führt derartige Programme regelmäßig durch. Zur Kontrolle der Situation am Markt und zur Abschätzung der Exposition der Konsumenten werden von der Europäischen Union seit 1996 diese MonitoringProgramme koordiniert und von allen Mitgliedsstaaten durchgeführt. Im koordi- 132 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Nationales Überwachungs-Programm seit 1997 1997 Karotten, Paprika, Pfirsiche, Pflaumen 1998 Erdbeeren, Gurken, Marillen 1999 Erdbeeren, Gurken, Marillen, Paprika, Pfirsiche 2000 Äpfel, Birnen, Kartoffeln, Kohl, Eis/Bummerlsalat, Kopfsalat 2001 Brokkoli, Kopfsalat, Orangen, Weintrauben, Zucchini 2002 Äpfel, Erdbeeren, Kopfsalat, Paprika, Pfirsiche, Tomaten 2003 Champignons, Karotten, Paprika, Kirschen, Trauben, Zwetschken Tab. 3.4: Nationale Monitoring-Programme zur Abschätzung der Exposition der Konsumenten zu Pflanzenschutzmittelrückständen nierten Kontrollprogramm sind die zu untersuchenden Waren und Parameter seitens der Europäischen Union vorgegeben. Zusätzlich sollen die Mitgliedsstaaten auf nationaler Ebene Kontrollprogramme durchführen. Im nationalen Programm erfolgt die Probenziehung verteilt über das ganze Jahr und das Bundesgebiet nach statistischen Erwägungen. Weiters sind die Ergebnisse vergangener Jahre Basis für die Auswahl der zu untersuchenden Obst- und Gemüsesorten. Diese teilweise gezieltere Probenziehung kann jedoch zu höheren Beanstandungsquoten durch Höchstwertüberschreitungen führen. In Tabelle 3.3 sind jene Programme angeführt, die seit 1996 auf EU- Ebene aufgrund der entsprechenden Entscheidungen durchzuführen waren bzw. sind. Die Programme und der Analysenumfang sind vorgegeben und von den Mitgliedstaaten zu erfüllen. Es ist als wesentlich anzumerken, dass dieses Programm seit 2001, jedoch in engerem Zeitrahmen, wiederholt wird und dadurch einen Vergleich gegenüber früheren Jahren erlaubt. Im nationalen Überwachungsprogramm wurden ursprünglich Waren eher nach allgemeinen Kriterien ausgewählt, doch in den letzten Jahren waren für die Auswahl einerseits die Untersuchungsergebnisse vergangener Jahre maßgeblich und andererseits die Verzehrsmengen der einzelnen Lebensmittel pflanzlicher Herkunft relevant. So wurden für die einzelnen Jahre im nationalen Monitoringprogramm folgende Lebensmittel pflanzlicher Herkunft ausgewählt, wobei die Probenziehung österreichweit nach einem statistisch abgesicherten Probenahmeprogramme Produkt nach Quartal, Region und Herkunft (In/Ausland) erfolgte. Im Laufe der Jahre hat sich nicht nur die Anzahl der untersuchten Proben erhöht, wobei hier natürlich auch die Kapazitätsfrage der beteiligten Laboratorien nicht unerwähnt bleiben sollte, sondern auch die Anzahl der untersuchten Analyten je Probe deutlich gesteigert. Seitens der Laboratorien der AGES wird jede Anstrengung unternommen, den Untersuchungsumfang je Probe ständig den Notwendigkeiten anzupassen und neue Wirkstoffe im Untersuchungsspektrum aufzuy 250 200 150 100 50 0 1996 1997 1998 1999 2000 133 2001 2002 Abb. 3.15: Entwicklung der untersuchten Analyten je Probe im österreichischen Lebensmittelmonitoring, Anzahl der untersuchten Parameter je Probe hat, den Notwendigkeiten angepasst, stark zugenommen Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Abb. 3.16: Entwicklung der untersuchten Probenzahlen im österreichischen Lebensmittelmonitoring, Probenstatistik 1997 - 2002 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 1997 1998 1999 2000 2001 2002 nehmen. Trotz aller zwischen den Laboratorien gegebenen Unterschiede ist diesbezüglich ein Trend in Richtung mehr Untersuchungskriterien gegeben. Nachfolgend sei eine Übersicht über die Anzahl der maximal untersuchten Analyten je Probe angeführt, wobei hierbei die maximale Anzahl der untersuchten Substanzen je Probe angegeben ist. Wie schon angeführt, konnte auch eine Steigerung der Anzahl der untersuchten Proben erreicht werden. Kombiniert man die Zahl der untersuchten Proben mit der Zahl der untersuchten Parameter, so erkennt man besonders die deutlich erweitere Untersuchungstätigkeit. Der Anteil an Proben, die nicht den gesetzlichen Regelungen entsprechen, variieren zwischen 3 und 10%. Man muss jedoch darauf hinweisen, dass aufgrund gezielterer Probenziehung bzw. Programmen und zusätzlichen speziellen Schwerpunktsaktionen automatisch mit höheren Beanstandungsquoten zu rechnen ist. Da man seitens der Kontrollbehörden die Programme eher auf problematischere bzw. für den Konsumenten relevantere Lebensmittel pflanzlicher Herkunft ausrichtet, sind auch höhere Beanstandungsquoten vorherzusehen. Ziel ist ja nicht die Überwachung unproblematischer Lebensmittel, sondern die Kontrolle jener Lebensmittel, in/auf denen erfahrungsgemäß eher Höchstwertüberschreitungen zu erwarten sind und in weiterer Folge ein Verbesserung der Situation für den Konsumenten aufgrund der Reaktionen auf diese Ergebnisse. Auffallend ist die Tatsache, dass die Anzahl der Proben mit Rückständen und insbesondere mit Mehrfachrückständen im Steigen begriffen ist. Dies ist jedoch nicht unbedingt auf eine unkontrolliertere Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zurückzuführen, sondern einerseits auf die umfangreichere Untersuchungstätig- 80 Abb. 3.17: Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln, Anzahl der Höchstwertüberschreitungen und der wenige kritischen Proben nahm zwischen 1997 und 2002 zu 70 60 50 % <BG 40 % <HW 30 % >HW 20 10 0 1997 1998 1999 Probenstatistik 1997 - 2002 134 2000 2001 2002 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Abb. 3.18: Anteil der Proben mit "Mehrfachrückständen" in Österreich (% aller Proben) 30,0 25,0 20,0 15,0 10,0 5,0 0,0 1998 1999 2000 2001 2002 Pr oz en t keit der Laboratorien und andererseits auf die Anwendung verschiedener Pflanzenschutzmittel auch aufgrund der pflanzenschützerischen Maßnahmen zur Verhinderung von ungewollten Effekten, wie z.B. Resistenzbildungen. Interessant ist weiters die Tatsache, dass sich diese Situation in Österreich nicht grundsätzlich von jener in der EU unterscheidet. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass normalerweise bei einer Überschreitung des Höchstwertes bei weitem noch nicht eine Gefahr der Gesundheitsschädigung gegeben ist. Einerseits sind Höchstwerte im Normalfall nicht so festgelegt, dass sie den ADI-Wert bzw. die ARfD zur Gänze ausschöpfen. Außerdem ist bei der Festlegung des ADI-Wertes zusätzlich ein (Un)Sicherheitsfaktor von normalerweise 100 gegenüber jener Dosis, die im Tierversuch noch zu keinerlei Effekten führte einbezogen, beinhaltet. Das bedeutet, dass bei kurzfristigem Konsum eines Lebensmittels mit Gehalten über dem Höchstwert nicht mit Gesundheitsschädigungen zu rechen ist. Nichtsdestotrotz sind Höchstwertüberschreitungen immer Anlass für entsprechende Maßnahmen seitens der Behörde. Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK, PAH) Im Gegensatz zur allgemein angenommen Meinung, dass nur der Bereich der Pestizide im Zuge der Lebensmittelsicherheit von Bedeutung ist, werden im Zuge der allgemeinen Kontrolle der Lebensmittel auch Untersuchungen im Bezug auf polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe durchgeführt. In Österreich ist es geübte Praxis, hier in den Proben insbesondere die Leitsubstanz Benzo[a]pyren zu 35 30 25 20 15 10 5 0 B DK D EL E F IRL I L NL A 135 P FIN S UK NL IS FL Abb. 3.19: Prozent-Anteil der Proben mit "Mehrfachrückständen" in Europa 2001 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Tab. 3.5: Benzo(a)pyren bei Fleischprodukten, Analyseeckdaten Fleisch Wust/Schinken/Speck Anzahl Proben 410 Niedrigster Gehalt 0,04 µg/kg Höchster Gehalt 191,7 µg/kg Mittelwert (pos. Werte) 4,86 µg/kg Median (pos. Werte) 1,2 µg/kg Mittelwert (LOQ/2) 3,43 µg/kg Median (LOQ/2) 0,5 µg/kg Anzahl Proben 471 Niedrigster Gehalt 0,1 µg/kg Höchster Gehalt 44 µg/kg Mittelwert (pos. Werte) 4,16 µg/kg Median (pos. Werte) 1,5 µg/kg Mittelwert (LOQ/2) 2,23 µg/kg Median (LOQ/2) 0,25 µg/kg LOQ/2 bedeutet, dass im Falle nicht bestimmbarer Gehalte die halbe Bestimmungsgrenze als Wert eingesetzt wurde ("medium bound level") untersuchen und aufgrund der Gehalte dieser Substanz die Produkte entsprechend zu beurteilen. Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe sind wegen ihrer kanzerogenen Eigenschaften besonders von Bedeutung und werden deshalb in Lebensmitteln entsprechend überwacht. Benzo[a]pyren wird, wie schon angeführt, als Leitsubstanz untersucht und die Gehalte auch als Beurteilungskriterium herangezogen. Auch EU-Gremien haben sich mit dieser Substanzgruppe in Lebensmitteln beschäftigt und festgestellt, dass Benzo[a]pyren als "Markersubstanz" herangezogen werden kann. Nichtsdestotrotz sollten weitere polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (insgesamt wurden 15 Substanzen als relevant seitens des wissenschaftlichen Ausschusses SCF – Scientific Committee for Food angesehen) entsprechend beachtet und untersucht werden. In Österreich liegt das Hauptaugenmerk bezüglich der Untersuchungen auf polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe bei geräucherten Produkten. Es sind dies einerseits Fleischwaren und andererseits geräucherte Fischprodukte. Zusätzlich waren in den vergangenen Jahren bestimmte Öle, insbesondere Olivenöle von besonderem Interesse, da hier auch im EU-Raum entsprechendes Augenmerk auf diese Produkte gerichtet wurde, da überhöhte Gehalte aufgrund unzulänglicher technologischer Prozesse festgestellt wurden. Die meisten Untersuchungen liegen im Bereich der tierischen Lebensmittel vor. So wurden u.a. 1998 - 2002 410 Fleischproben (geräucherte Ware) sowie 4187 Wurst und Schinken/Speckprodukte untersucht. Die Gehalte reichten von nicht bestimmbar bis zu 191 µg/kg, wobei derartig hohe Werte sehr selten auftreten und auf nicht zulässige Verarbeitungsprozesse hindeuten. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass derartig hohe Werte statistische Mittelwerte stark beeinflussen können. Deshalb ist bei Aussagen normalerweise die Angabe der Gehalte als Median sinnvoller als die Angabe eines Mittelwertes. Am Beispiel der Gehalte in Fleisch- bzw. Wurst/Schinken/Speck-Proben sei dies erläutert: Die Ergebnisse der Untersuchungen erlaubten eine Abschätzung der Aufnahme an Benzo[a]pyren durch Erwachsene und Kinder, wobei die Verzehrsdaten dankenswerterweise vom Institut für Ernährungswissenschaften, Prof. Elmadfa, zur Verfügung gestellt wurden. Aufgrund der Tatsache, dass in vielen Fällen aufgrund eines organoleptischen Vorscreenings die Untersuchung durchgeführt wurde, handelt es sich somit teilweise zwar um Routineproben, die aber dann gezielt 136 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Erwachsene µg/Person/Tag 1,200 1,000 mean (LOQ/2) mean consumer 0,800 mean (LOQ/2) high consumer 0,600 median (LOQ/2) mean consumer 0,400 median (LOQ/2) high consumer Abb. 3.20: Aufnahme an Benzo(a)pyren von österreichischen Erwachsenen 0,200 0,000 Fisch/Fischprodukte Fleisch Wust und Speck Pflanzenöle einer Untersuchung auf Benzo[a]pyren zugeführt werden. Es ist somit zu erwarten, dass die ermittelten Werte als zu hoch angesehen werden können, da die Untersuchungen bereits gezielt angeordnet wurden. Aufgrund der Daten ersieht man, dass der Österreicher insbesondere über die Produkte Fleisch und Fleischwaren polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe aufnimmt, wobei man jedoch bemerken muss, dass aufgrund der Untersuchungsaktivitäten auch die meisten Untersuchungen auf Benzo[a]pyren in diesen Lebensmitteln vorliegen. Aufgrund der Ergebnisse der SCOOP-Arbeitsgruppe (Scientific Cooperation) und den Erfahrungen werden nunmehr Höchstwerte in Lebensmitteln angestrebt, wobei anfänglich über die Gehalte in pflanzlichen Ölen diskutiert wird. Benzo[a]pyren dient auch hier als Leitsubstanz, doch werden die Mitgliedstaaten dazu angehalten, auch die weiteren 14, in der Bewertung des Scientific Committee for Food genannten polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe zu untersuchen. Nähere Vorgaben werden in nächster Zeit diskutiert werden. Patulin Patulin ist ein Stoffwechselprodukt (Mykotoxin) verschiedener Schimmelpilze wie z.B. Penicillium patulum, die sich u.a. auf Obst befinden. Patulin als sekundäres Stoffwechselprodukt tritt insbesondere in Obstsäften (Apfelsaft), aber auch in Traubenmost auf. Bei der alkoholischen Gärung wird Patulin abgebaut und tritt somit in den Produkten Sturm und Wein kaum bzw. nicht mehr auf. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Produkte Apfelsaft und Traubenmost insbesondere für Kinder als wesentlich anzusehen ist. Traubenmost ist ein eher saisonales Produkt und trägt dadurch nicht in dem Ausmaß zur Patulinexposition bei wie Apfelsaft. GrundKinder µg/Person/Tag 1,200 1,000 mean (LOQ/2) mean consumer 0,800 mean (LOQ/2) high consumer 0,600 median (LOQ/2) mean consumer 0,400 median (LOQ/2) high consumer 0,200 0,000 Fisch/Fischprodukte Fleisch Wust und Speck 137 Pflanzenöle Abb. 3.21: Aufnahme an Benzo(a)pyren von österreichischen Kindern Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Lebensmittel Jahr Anzahl BG Proben Anzahl Anzahl Proben mit Patulinge- Maxi- Mittel- Mittel- Medi<BG halten im Bereich LOQ-9.9, maler wert 1 wert 2 an 10-24.9,25-50,>50 Gehalt (BG/6) positive Werte BG- 1025-50 >50 9.9 24.9 Apfelsaft 1996 5 4-5 4 0 0 1 0 36 7,8 36 0.8 (<BG) Apfelsaft 1997 55 4 2 24 18 11 0 50 15,6 16,2 10,7 Apfelsaft 1998 127 4-10 89 20 14 4 0 36 4,2 11,7 0.8 (<BG) Apfelsaft 1999 31 4-10 26 2 3 0 0 22 3,5 14,8 1.7 (<BG) Apfelsaft 2000 18 4-8 2 0 1 0 41 4,1 18,5 1.3 (<BG) Apfelsaft 2001 6 4-16 2 0 2 2 0 32 15,2 22,0 12,5 Traubensaft 1996 8 0 5 3 0 0 17 6,4 6,4 5,7 Traubensaft 1997 5 4-5 2 1 2 0 37 15,5 25,3 4 Traubensaft 1998 47 4-5 21 12 5 9 0 41 9,8 17,1 4,3 Traubensaft 1999 5 4-8 5 0 0 0 0 Traubensaft 2000 21 8 19 0 2 0 0 22 3,1 19,5 1.3 (<BG) 10 2,3 10 1,5 13 1,4 11 0.8 (<BG) 15 Säuglingsnahrung 1996 10 8-10 9 0 1 0 0 Säuglingsnahrung 1997 11 5-8 11 0 0 0 0 Säuglingsnahrung 1998 35 5-8 33 1 1 0 0 Säuglingsnahrung 2000 16 8 16 0 0 0 0 Säuglingsnahrung 2001 11 8 11 0 0 0 0 Traubenmost 1996 37 4 5 5 8 9 10 162 38,4 44,3 25,0 Traubenmost 1997 110 5 69 13 15 4 9 107 10,4 26,6 0.8 (<BG) Traubenmost 1998 11 8 0 3 2 1 5 750 120,5 120,5 28 Traubenmost 2000 6 8 4 0 2 0 0 23,6 6,6 Tab. 3.6: Gehalte an Patulin in Lebensmitteln (µg/kg) 17,0 1.3 (<BG) sätzlich ist jedoch festzuhalten, dass bei Verwendung von "gesundem" Obst bei der Fruchtsaftproduktion auch mit sicheren Lebensmitteln gerechnet werden kann, da nur durch entsprechend ungeeignetes Obst (z.B. Fallobst oder schimmliges Obst) entsprechende Mengen an Patulin in die Produkte (Obstsäfte) eingebracht werden. In Österreich gibt es umfangreiche Untersuchungen an Apfelsäften, doch aufgrund der Erfahrungen wurde auch das saisonale Produkt Traubenmost eingehenden Untersuchungen unterzogen. Diese Ergebnisse sind auch an die SCOOPArbeitsgruppe übermittelt worden und in den entsprechenden Bericht eingeflossen. Zusätzlich liegen auch noch Daten an Apfelsaftkonzentraten vor, die jedoch, abgesehen von den höheren Gehalten aufgrund der Aufkonzentration, kein grundsätzlich anderes Verteilungsmuster zeigen. 138 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Bevölkerungsgruppe Apfelsaft Trauben- Gesamtsaft/Most aufnahme Kinder: 3-6 y, Gesamtpopulation 21,65 1,72 23,37 Kinder: 7-9 y, Gesamtpopulation 20,8 2,27 23,07 Kinder: 10-12 y, Gesamtpopulation 17,06 1,88 18,94 Kinder: 13-14 y, Gesamtpopulation 13,52 1,74 15,26 Kinder: 15-19 y, Gesamtpopulation 14,81 1,63 16,44 Erwachsene: ≤ 25 y, Gesamtpopulation 6,61 0,72 7,34 Erwachsene: 26 - 35 y, Gesamtpopulation 3,83 0,42 4,24 Erwachsene: 36 - 45 y Gesamtpopulation 2,51 0,27 2,78 Erwachsene: 46 - 55 y, Gesamtpopulation 2,44 0,27 2,7 Erwachsene >56 y, Gesamtpopulation 1,95 0,21 2,16 Ältere Personen: ≥ 75 y, Gesamtpopulation 2,67 0,29 2,96 Ältere Personen: 75-84 y, Gesamtpopulation 11 1,21 12,21 Schwangere, Consumer 12,25 1,34 13,59 Stillende Mütter, Consumer 12,22 1,34 13,56 Kinder: 3-6 y, Consumer 80,85 Kinder: 7-9 y, Consumer 61,19 45,76 106,95 Kinder: 10-12 y, Consumer 53,27 32,6 85,87 Kinder: 13-14 y, Consumer 41,04 43,41 84,45 Kinder: 15-19 y, Consumer 45,67 27,83 73,5 Erwachsene: ≤ 25 y , Consumer 31,45 44,3 75,75 Erwachsene: 26 - 35 y, Consumer 34,61 30,37 64,98 Erwachsene: 36 - 45 y, Consumer 23,82 34,96 58,78 Erwachsene: 46 - 55 y, Consumer 34,15 45,99 80,14 Erwachsene >56 y, Consumer 28,38 23,82 56,2 Schwangere, Consumer 24,99 24,99 Stillende Mütter, Consumer 46,56 46,56 80,85 PMTDi-Wert: 0,4 µg/kg Körpergewicht Für nachfolgende Tabelle, aus der die Patulinaufnahme in ng/kg Körpergewicht und Tag ersichtlich ist, wurden ebenfalls die Verzehrsdaten von Prof. Elmadfa, Institut für Ernährungswissenschaften, zur Verfügung gestellt. Für Patulin wurde seitens des wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses eine vorläufige tolerierbare maximale Tagesdosis (PMTDI-Wert) von 0,4 µg/kg Körpergewicht festgelegt. Aufgrund des SCOOP-Berichtes kann festgehalten werden, dass dieser seitens der europäischen Bevölkerung nicht ausgelastet wird, bestimmte Gruppen (z.B. Kinder) diesen jedoch mehr ausschöpfen. Es sollten somit alle Maßnahmen ergriffen werden, die Exposition möglichst niedrig zu halten. Seitens der Europäischen Kommission wurde nun auch eine Verordnung erlassen, in der Höchstwerte für Patulin in diversen Produkten festgelegt sind (Verordnung (EG) Nr. 1425/2003 der Kommission vom 11. August 2003 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 4666/2001 in Bezug auf Patulin). Für Fruchtsäfte beträgt der Höchstgehalt derzeit 50 µg/kg. 139 Tab. 3.7: Patulinaufnahme in Österreich aus Apfelsaft und Traubensaft in Abhängigkeit vom Alter. Angegeben ist der Mittelwert (µg/kg Körpergewicht) der Gesamtpopulation einer Altersgruppe und der der korrespondierenden Consumer Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Lebensmittel Jahr Anz. BG Anz. Anzahl der Proben im Bereich Proben Max. Mittel Mittel MediGe- wert wert an halt (1) (2) <BG BG99.9 100299.9 300499.9 500749.9 750999.9 1000- >2000 1999.9 5 8 Mais 1996 45 50 4 9 5 9 3 Mais 1997 58 50 20 13 23 1 1 Mais 1998 48 50 13 4 13 9 6 Hafer 1999 96 100 88 8 Hafer 2000 96 100 83 10 Hafer 2001 40 100 36 4 Weizen 1999 68 100 29 25 9 3 1 1 Weizen 2000 62 100 24 15 7 1 2 6 Weizen 2001 36 100 18 12 4 1 1 2 1 2 2 1 7 2810 590,2 647 350 575 94,7 1360 285,1 387,9 170 180 25,9 127,5 <BG 530 43,5 214,6 <BG 200 29,3 142,5 <BG 1250 185,3 310,8 137,5 6090 744 1230 175,6 334,4 72,5 140,1 80 1203 160 Mittelwert (1): Mittelwert unter Beachtung von BG/6 für Proben mit Gehalten unter der Bestimmungsgrenze Mittelwert (2): Mittelwert der positiven Proben TDI: 1 µg/kg Körpergewicht und Tag Tab. 3.8: Toxikologische Bewertung von Desoxynivalenol aus Mais, Hafer und Weizen in Österreich Fusarientoxine In/auf Getreide und in Getreideprodukten treten u.a. Mykotoxine auf, die von Fusarienpilzen gebildet werden. Diese Toxine sind im Laufe der vergangenen Jahre aufgrund ihrer teilweise negativen toxikologischen Eigenschaften immer mehr in den Blickpunkt des Interesses gelangt und werden auch im Zuge der Beratungen der zuständigen Expertengruppen in der Europäischen Kommission intensiv diskutiert. Für diese Toxine sollen zukünftig auch Höchstwerte an Getreide und Getreideprodukten sowie Lebensmitteln für Kleinkinder und Säuglinge festgelegt werden, die Diskussionen diesbezüglich sind im Gange. In Österreich existieren entsprechende Untersuchungen an Getreide, die auch seitens der AGES durchgeführt wurden. Insbesondere am Standort Linz hat man sich für die Analytik dieser Stoffe spezialisiert und dort entsprechende Untersuchungen an Getreide und Getreideprodukten durchgeführt. Desoxynivalenol (DON, Vomitoxin) Deoxynivalenol ist ein Typ-B-Trichothecen, das insbesondere in Mais und Weizen vorkommt. Für Deoxynivalenol liegt eine entsprechende toxikologische Bewertung vor, als TDI-Wert wurde derzeit 1 µg/kg Körpergewicht und Tag festgelegt. Nachfolgend sind die Untersuchungsergebnisse aus Österreich zusammengefasst. Aufgrund der Verzehrsdaten ergibt sich eine mittlere Aufnahme von etwa Tab. 3.9: Toxikologische Bewertung von Zearalenon aus Mais und Hafer Lebensmittel Jahr Anz. Proben BG Anz. Anzahl der Proben im Bereich <BG LOD- 109,9 29,9 Mais 1996 92 10 34 16 Mais 1997 58 10 53 4 Mais 1998 48 10 28 Hafer 1999 96 20 96 Hafer 2000 96 20 93 2 6 Max. Mittel Mittel MediGewert wert an halt (1) (2) 3049,9 5074,9 7599,9 100- >200 199,9 6 6 6 20 4 1 4 3 3 3 1 1 275 63 99 20 140 5,2 43 <BG 340 28,3 65,5 <BG 30 3,3 <BG 4,1 26,7 <BG Mittelwert (1): Mittelwert unter Beachtung von BG/6 für Proben mit Gehalten unter der Bestimmungsgrenze Mittelwert (2): Mittelwert der positiven Proben PMTDI: 0,2 µg/kg Körpergewicht und Tag 140 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit LeJahr bensmittel Anz. Proben BG Anz. Anzahl der Proben im Bereich <BG < BG- 2524.9 49.9 5074.9 7599.9 Max. Mittel- Mittel- MediGehalt wert wert an (1) (2) 100- 150- >200 149.9 199.9 Mais 1996 46 100 45 1 Mais 1997 58 100 58 Mais 1998 48 100 46 1 1 Hafer 1999 96 100 73 9 4 Hafer 2000 96 100 93 2 1 Hafer 2001 40 100 40 255 10 21,8 255 <BG <BG 16,7 <BG 150 21,8 140 <BG 550 68,3 232,2 <BG 190 20,7 146,7 <BG <BG 16,7 <BG PMTDI: 0,06 µg/kg Körpergewicht und Tag 0,3 µg/kg Körpergewicht und Tag. Eine Überschreitung des TDI-Wertes ist somit nicht gegeben. Zearalenon (ZEA) Zearalenon kommt hauptsächlich in Mais und Weizen vor. Als vorläufiger TDIWert wurde für Zearalenon 0,2 µg/kg Körpergewicht und Tag festgelegt. Nachfolgende Gehalte wurden ermittelt: Aufgrund der Verzehrsdaten ergibt sich eine mittlere Aufnahme von etwa 0,03 µg/kg Körpergewicht und Tag. Eine Überschreitung des TDI-Wertes ist somit nicht gegeben. T-2 und HT-2-Toxin Diese Mykotoxine gehören zu den Typ-A-Trichothecenen und kommen hauptsächlich in Mais, Hafer und Weizen vor. Auch für diese Toxine existiert ein vorläufiger TDI-Wert, der als Summe der beiden Toxine ausgedrückt ist und 0,06 µg/kg Körpergewicht und Tag beträgt. Aufgrund der Verzehrsdaten ergibt sich eine durchschnittliche tägliche Aufnahme von etwa 0,04 µg T2-Toxin bzw. 0,1 µg HT2-Toxin pro kg Körpergewicht. Eine Überschreitung des TDI-Wertes ist somit gegeben. Die Situation ist jedoch nicht auf Österreich beschränkt, sondern tritt, wie aus dem SCOOP-Bericht ersichtlich, in mehreren Staaten Europas auf. Auf diese Mykotoxine wird man sicher in den nächsten Jahren speziell achten müssen und deren Auftreten in Lebenmitteln entsprechend überwachen. Lebensmittel Jahr Anz. Proben BG Anz. Anzahl der Proben im Bereich <BG < BG- 2524.9 49.9 Mais 1996 46 100 45 Mais 1997 58 100 58 Mais 1998 48 100 46 Hafer 1999 96 100 42 Hafer 2000 96 100 Hafer 2001 40 100 5074.9 7599.9 Tab. 3.10: Toxikologische Bewertung von T-2 -Toxin aus Mais und Hafer in Österreich Tab. 3.11: Toxikologische Bewertung von HT-2-Toxin aus Mais und Hafer in Österreich Max. Mittel Mittel MediGe- wert wert an halt (1) (2) 100- 150- >200 149.9 199.9 1 110 10,5 110 <BG <BG 8,3 <BG 120 <BG 1 1 3 2 4 8 37 1150 229,4 401,3 110 64 11 6 7 4 4 880 51,4 137,5 <BG 26 5 1 7 1 220 42,2 105 PMTDI: 0,06 µg/kg Körpergewicht und Tag 141 12,2 100 <BG Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Le- Jahr Anz. BG bensPromittel ben Anz. Anzahl der Proben im Bereich <BG LOD99.9 100299.9 300499.9 500749.9 750999.9 Max. Mittel Mittel MediGe- wert wert an halt (1) (2) 1000- >2000 1999.9 Mais 1996 46 50 44 1 1 Mais 1997 58 50 55 1 1 170 <BG 1 250 1030 29,1 410 Mais 1998 48 50 43 1 1 1 Mais 2001 19 50 12 3 2 1 <BG 2 1750 97,8 867 <BG Anz. Anzahl der Proben im Bereich 1 940 8,3 153,2 401,4 <BG Tab. 3.12: Gehalte an Fumonisin B1 in Mais Le- Jahr Anz. BG bensPromittel ben Max. Mittel Mittel MediGe- wert wert an halt (1) (2) <BG LOD- 10- 30- 50- 75- 100- >200 9.9 29.9 49.9 74.9 99.9 199.9 Mais 1996 46 100 46 Mais 1997 58 100 57 1 255 20,8 255 <BG Mais 1998 48 100 46 2 390 29,3 320 <BG Mais 2001 19 100 17 1 230 35,4 195 <BG Tab. 3.13: Gehalte an Fumonisin B2 in Mais <BG <BG <BG <BG 1 Fumonisine B1 und B2 Diese Mykotoxine sind insbesondere in Mais und Maisprodukten anzutreffen. Der Summen-TDI-Wert für diese Mykotoxine beträgt 2 µg/kg Körpergewicht und Tag. Aufgrund der Verzehrsdaten ergibt sich eine durchschnittliche tägliche Aufnahme von etwa 0,03 µg Fumonisin B1 bzw. 0,08 µg Fumonisin B2 pro kg Körpergewicht. Eine Überschreitung des TDI-Wertes ist somit bei weitem nicht gegeben. Die oben angeführten Beispiele zeigen nur einen kleinen Teilbereich des Untersuchungsspektrums, in dem die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit analytisch tätig ist. Das Untersuchungsspektrum reicht von der Untersuchung von chemischen Parametern, von denen einige Beispiele angeführt wurden, über die mikrobiologischen Untersuchungen bis zur Untersuchung von physikalischen Parametern, die alle für die Lebensmittelsicherheit und somit für den Konsumenten wesentlich von Bedeutung sind. 142 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit 3.5 Trinkwasser* Zusammenfassung Das österreichische Trinkwasser wird zu 99% aus Grundwasser und zu 1% aus Oberflächengewässern (Flüsse und Seen) gewonnen. Der Großteil der österreichischen Haushalte ist an ein öffentliches Wasserversorgungsnetz angeschlossen. Etwa 1 Million Österreicher beziehen das Trinkwasser direkt aus Quellen und Hausbrunnen. In Österreich beträgt der häusliche Wasserverbrauch pro Kopf und Tag 140 bis 150 Liter. Grundwassergüteuntersuchungen werden in allen Bundesländern nach einheitlichen Methoden und Untersuchungsumfang auf Basis der Wassergüte-Erhebungsverordnung (WGEV) durchgeführt. Eine Reihe von Institutionen und Sachverständigen überprüfen periodisch die Qualität des Grundwassers, wobei der Schwerpunkt bei chemischen Parametern wie Nitrat- oder Atrazinanalysen liegt. Die gesetzlichen Regelungen für Trinkwasser erfolgen im Rahmen des Lebensmittelgesetzes und durch die Trinkwasserverordnung. Nach der Trinkwasserverordnung (TWV) sind Parameterwerte und Indikatorparameterwerte festgelegt. Die Parameterwerte beruhen auf den Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation und sind zwingend einzuhalten. Der Wasserbelastung durch pathogene Mikroorganismen kann durch Desinfektionsverfahren gewöhnlich wirksam begegnet werden. Ein anderes Problem stellt die Belastung des Wassers mit Schwermetallen, Nitrat, Nitrit, Pestizide und so fort dar. Gefahr durch Nitratbelastung aufgrund von Überdüngung landwirtschaftlicher Nutzflächen gilt vor allem für die Ackerbaugebiete Ostösterreichs (Tullnerfeld, Marchfeld). Die Nitrat-Mittelwerte der öffentlichen Wasserversorgung lagen in den einzelnen Bundesländern jedoch durchwegs unter dem Richtwert von 25 mg/l (Ost-West-Gefälle). Im Allgemeinen ist jedoch die Wasserqualität in Österreich als hervorragend zu bezeichnen. Anzustreben wäre die Verbesserung der mikrobiologischen Analytik sowie die Errichtung einer zentralen, unabhängigen Stelle zur Erfassung, Koordination und Evaluierung von Wasseruntersuchungen. Allgemeines Von Meer und Binnengewässern verdunstetes Wasser gelangt in die Atmosphäre und nimmt beim Durchgang durch die Atmosphäre verschiedene Gase, Aerosole und Staub auf. Es erreicht als Niederschlag wieder die Erde, wo es versickert - also zu Grundwasser wird - oder in Oberflächenwässer gelangt. Beim Versickern im Boden werden weitere Stoffe gelöst, welche die Eigenschaften des Wassers wie z. B. die Gesamthärte bestimmen. Im Boden finden aber auch Selbstreinigungsvorgänge statt: Die oberste, gut durchlüftete Bodenschicht weist reichlich Lebewesen wie Bakterien, Pilze, Algen und Protozoen auf. Herkunft des Trinkwassers in Österreich Trinkwasser kann aus Grundwasser, Oberflächenwasser und Niederschlagswasser gewonnen werden. Trinkwasser stammt in Österreich zu 99 % aus Grundwasser (Grund- und Quellwasser). Nur 1% wird aus Oberflächengewässern (Flüsse und Seen) gewonnen. Der gesamte Wasserbedarf in Österreich wird jährlich auf 2,6 Mrd. Kubikmeter geschätzt, 0,7 Mrd. Kubikmeter davon wird als Trinkwasser verwendet. Vergleicht man diese Werte mit denen anderer Länder, so befindet sich Österreich in einer bevorzugten Situation, wenn man bedenkt, dass etwa ein Fünftel der Weltbevölkerung kein sauberes Trinkwasser hat und Jahr für Jahr ca. 2,2 Millionen Menschen an verunreinigtem Wasser sterben. Trinkwasserversorgung Der Großteil der österreichischen Haushalte ist an ein öffentliches Wasserversorgungsnetz angeschlossen, ca. 5 Millionen Menschen werden von 185 großen Wasserwerken versorgt, weitere 1,8 Millionen von kleinen Orts-Wasserwerken. Bedingt durch die Streulage sind im Westen weniger, im Osten mehr Einwohner angeschlossen. Etwa 1 Million Österreicher beziehen das Trinkwasser direkt aus Quellen und Hausbrunnen. Neben den Porengrundwasservorkommen sind für die österreichische Wasserversorgung vor allem Karst- und Kluftgrundwasservorkommen mit ihren Quellen von besonderer Bedeutung, da diese zumeist große Ergiebigkeit aufweisen. Etwa die Hälfte der österrei- * ao. Univ.-Prof. Dr. M. Manafi, Klinisches Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie der Uiversität Wien, Kinderspitalgasse 15, 1090 Wien 143 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Tab. 3.14 Wasserverbrauch in Österreich, gerundet in Liter/Tag Wasserverbrauch für... Liter/Tag Trinken, Kochen 3 Autowaschen 3 Gartenbewässerung 6 chischen Bevölkerung wird mit Karstund Kluftgrundwasser, das vor allem alpinen Bereichen entstammt, versorgt. Wasserverbrauch In Österreich beträgt der häusliKörperpflege 9 che Wasserverbrauch pro Kopf und Tag 140 bis 150 Liter (Tab. 3.14). Nur Wäschewaschen 18 3-4 Liter pro Tag und Person werden Baden, Duschen 43 tatsächlich für Ernährungszwecke verToilettenspülung 48 wendet. Der Wasserverbrauch der Industrie beträgt 1,5 bis 1,7 Mrd. Gesamt 136 m3/Jahr. Der Bedarf für Bewässerungszwecke in der Landwirtschaft dürfte etwa 100 bis 200 Mio. m3 pro Jahr betragen. Der gesamte Wasserbedarf in Österreich beträgt somit etwa 2,6 Mrd. m3/Jahr. Großstädten stehen fast zu 100% Grund- und Quellwasser zur Verfügung. Die Österreicher liegen mit ihrem Wasserverbrauch in Europa im Mittelfeld. Deutschland und Belgien verbrauchen etwas weniger Trinkwasser, Spanien, die Schweiz und Italien mit bis zu 250 Litern wesentlich mehr. Ein US-Amerikaner verbraucht ca. 400 Liter pro Tag. Geschirrspülen 6 Die Überprüfung der Wasserqualität Eine Reihe von Institutionen und Sachverständigen überprüfen periodisch die mikrobiologische und chemische Qualität des Wassers. Die zentrale Erfassung dieser Werte wird jedoch nicht lückenlos durchgeführt. Einige Stellen wie z.B. das Umweltbundesamt http://www.ubavie.gv.at/ oder der Magistrat der Stadt Wien (http://www.magwien.gv.at/ma31/wasweg6a.htm) untersuchen regelmäßig gleiche Messstellen und veröffentlichen diese Werte. Diese Messergebnisse betreffen vor allem chemische Parameter wie Nitrat- oder Atrazinwerte. Ergebnisse bakteriologischer Untersuchungen werden kaum registriert, die Untersuchungsanstalten stellen diese Werte nur dem Auftraggeber bzw. den Behörden zur Verfügung. Sie sind Momentaufnahmen und werden durch Umwelteinflüsse leicht beeinflusst. Ferner ist zu bemerken, dass Privatpersonen, die ihr Brunnenwasser nur für den eigenen Bedarf nutzen, nicht zur Trinkwasseruntersuchung verpflichtet sind. Sehr oft werden Trinkwasseruntersuchungen nur dann durchgeführt, wenn die Behörde einen Wasserbefund verlangt. Rechtsgrundlagen der Trinkwasserkontrolle in Österreich Die gesetzlichen Regelungen für Trinkwasser erfolgen im Rahmen des Lebensmittelgesetzes und durch die Trinkwasserverordnung (TWV). Im Bundesgesetzblatt wurde die neue Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung, TWV) kundgemacht (BGBl. II Nr. 304/2001 ausgegeben am 21. August 2001). Durch diese Verordnung wurde die Richtlinie des Rates 98/83/EG vom 5. Dezember 1998 in österreichisches Recht umgesetzt. Die neue Verordnung fasst zum einen die Bestimmungen über das Inverkehrbringen von Trinkwasser zusammen, die bisher auf mehrere Verordnungen verteilt waren. Die Trinkwasserverordnung ersetzt die erste diesbezügliche Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch, BGBl. II Nr. 235/1998, und auch die Trinkwasser-Nitratverordnung (BGBl 557/1989), die Trinkwasser-Pestizidverordnung (BGBl. 448/1991), die Trinkwasser-Ausnahmeverordnung (BGBl. 384/1993) und die Trinkwasser-Informationsverordnung (BGBl. 352/1999), die mit 1. September 2001 außer Kraft getreten sind. Zum anderen gibt es Änderungen gegenüber den bisherigen Vorschriften bei den zu überwachenden Parametern, bei Grenzwerten und bei der Untersuchungshäufigkeit. Neu aufgenommen wurde auch ein Indikatorparameter für die Radioakti- 144 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit vität sowie Mindestanforderungen an die eingesetzten Analysenverfahren (http://www.univie.ac.at/ hygiene-aktuell/Trinkwasserverordnung.pdf) Weitergehende Qualitätskriterien im Trinkwasserbereich definiert das Kapitel B1 "Trinkwasser" des Österreichischen Lebensmittelbuches (Codex). Die neuen gesetzlichen Regelungen erforderten die Anpassung und ausführliche Überarbeitung dieses Codexkapitels. Die Neufassung wurde am 22. Juli 2002 vom BMSG auf Grund des Beschlusses der Codexkommission bekannt gemacht und erschien als Sonderheft in den "Mitteilungen der Sanitätsverwaltung" im Dezember 2002. Anforderungen an die Trinkwasserqualität Wasser wird dann als Trinkwasser bezeichnet, wenn es in nativem Zustand oder nach Aufbereitung geeignet ist, von Menschen ohne Gefährdung ihrer Gesundheit genossen zu werden und geruchlich, geschmacklich und dem Aussehen nach einwandfrei ist. Um diese Wasserbeschaffenheit einhalten zu können, wurden Hygiene-Richtlinien festgesetzt. Für die Feststellung, ob ein Wasser für Trinkzwecke geeignet ist, müssen neben dem Lokalaugenschein eine mikrobiologische, chemische und physikalische Überprüfung des Wassers, nötigenfalls eine biologische und mikroskopische Untersuchung und eine Radioaktivitätsmessung durchgeführt werden. Beim Lokalaugenschein werden die Herkunft des Wassers, der baulich-technische Zustand der Wassergewinnungs- und Förderungsanlagen, mögliche Kontaminationsquellen sowie Schutz- und Schongebiete berücksichtigt. Die Verhütung von Seuchen steht im Vordergrund der Wasserhygiene, allerdings nehmen heute durch die starke Belastung der Umwelt mit Schadstoffen die chemischen Schadstoffe an Bedeutung zu. Letztere stammen im Wesentlichen aus intensiv betriebener Landwirtschaft sowie aus Industrie- und Gewerbe-Emissionen, können aber auch durch Unachtsamkeit oder Unfälle ins Wasser gelangen. Von Unfällen abgesehen, kommt der akuten Toxizität eine relativ geringe Bedeutung zu, die Gefahren einer chronischen Toxizität überwiegen. Nach der Trinkwasserverordnung (TWV) werden Parameterwerte und Indikatorparameterwerte festgelegt. Die Parameterwerte (Codex Kapitel B1 "zulässige Höchstkonzentrationen", "Grenzwerte") beruhen auf den Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation und sind zwingend einzuhalten. Parameterwerte im Wasser sind die oberen Begrenzungen der Gehalte von Inhaltsstoffen und Mikroorganismen, die nicht überschritten werden dürfen. Bei Einhaltung dieser Konzentrationen ist nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft zu erwarten, dass auch bei lebenslangem Genuss des Wassers keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen auftreten. Zum anderen wurden Indikatorparameterwerte definiert (Codex Kapitel B1 "Richtzahlen"), die Gehalte an Inhaltsstoffen, Mikroorganismen und Strahlenaktivitäten darstellen, bei deren Überschreitung zu prüfen ist, ob bzw. welche Maßnahmen erforderlich sind. Routinemäßig werden einige chemische und physikalische Parameter überprüft, die eine orientierende hygienische Beurteilung des Wassers ermöglichen. An dieser Stelle soll auf die Notwendigkeit der fachgerechten Probenentnahme, der geeigneten Probenentnahmegefäße (mit allenfalls notwendiger Vorbehandlung), eventuell erforderlicher Konservierung der Proben und Bestimmungen vor Ort sowie auf einwandfreien Probentransport hingewiesen werden, da dies die Voraussetzungen für eine sinnvolle chemische und bakteriologische Untersuchung sind. Mikrobiologie des Trinkwassers Bei der Übertragung pathogener Mikroorganismen kommt dem Wasser wegen seiner weiten Verbreitung und Nutzung eine besonders große Bedeutung zu. Diese Organismen gelangen entweder direkt durch tierische und menschliche Ausscheidungen oder indirekt über das Abwasser in Trinkund Badewässer. Je nach Art der Ausscheider können eine Vielzahl von Bakterien, Viren oder Parasiten übertragen werden (water-borne diseases). Die "klassischen" bakteriellen Erreger von Trinkwasserepidemien sind Salmonellen, Shigellen, Vibrio cholerae, pathogene E. coli-Stämme, Yersinia enterocolitica und Campylobacter. Neben den genannten Bakterien können auch andere Bakterienarten, die ihren natürlichen Standort in der Umwelt haben, Erkrankungen hervorrufen, wenn sie mit dem Wasser in großer Zahl übertragen werden (Enterobacter, Serratia, Klebsiella, Aeromonaden, Acinetobacter, Pseudomonaden und Flavobakterien). Wasser, das mit den genannten Bakterien kontaminiert ist, kann beim Trinken oder Baden verschiedene Erkrankungen - v.a. bei resistenzgeschwächten Personen - hervorrufen. Da die Nachweismethoden für pathogene Mikroorganismen sehr langwierig sind, werden in der Trinkwasserhygiene diese Organismen routinemäßig nicht geprüft. Die Nachweismethoden für pathogene Mikroorganismen werden primär nur dort angewandt, wo die Ursachen einer Epidemie ab- 145 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Tab. 3.15: Wichtigste durch Trinkwasser auf den Menschen übertragbare Erreger Krankheit Erreger Bakterielle Erkrankungen Typhus Salmonella typhi Paratyphus Salmonella paratyphi A,B,C Enteritis Y. enterocolitica, C. jejuni Traveller's disease, Säuglings-Enteritis E. coli (verschiedene Serotypen) Bakterienruhr Shigella sp. Cholera Vibrio cholerae Eiterungen Pseudomonas aeruginosa Legionellose Legionella sp. Virale Erkrankungen Enterovirosen Poliomyelitis-Viren, Coxsackie-Viren, Echo-Viren Hepatitis Hepatitis-A- und E-Viren Gastroenteritis Rota-Viren, Adeno-Viren, Corona-Viren, Astro-Viren, Norwalk-Viren, Calici-Viren Parasitäre Erkrankungen Tab. 3.16: Mikrobiologische Parameter für nicht desinfiziertes Wasser (natives Wasser) Amoebiasis Entamoeba histolytica (Amoebenruhr) Giardiasis Giardia lamblia Cryptosporidiose Cryptosporidium sp. Parameter Escherichia coli Parameterwert (Anzahl/ 100 ml) 0 coliforme Bakterien 0 Enterokokken 0 Pseudomonas aeruginosa 0 Clostridium perfringens Tab. 3.17: Mikrobiologische Parameter für desinfiziertes Wasser, unmittelbar nach Abschluss der Desinfektion 0 Parameter Parameterwert (Anzahl/250 ml) Escherichia coli 0 coliforme Bakterien 0 Enterokokken 0 Pseudomonas aeruginosa 0 Clostridium perfringens 0 146 zuklären sind oder ein besonderer Verdacht vorliegt. Deshalb wird bei Routineuntersuchungen nur die Verseuchbarkeit eines Trinkwassers geprüft, d.h., ob die Möglichkeit einer Fäkalkontamination besteht. Dazu wird Trinkwasser auf Indikatorbakterien für Fäkalverunreinigung untersucht. Als mikrobiologische Parameter dienen dazu: E. coli, coliforme Bakterien, Enterokokken, Clostridium perfringens und P. aeruginosa. Coliforme Bakterien sind Enterobakterien, die bei 36 ± 2°C Bebrütungstemperatur auf einem definierten Lactose Medium unter Produktion von Säure Kolonien bilden können und Cytochromoxidase-negativ sind. Für die Spaltung von Laktose in die Glucose und Galaktose unter Bildung von Gas und Säure sind ß-D-galactosidase und Permease, verantwortlich. Etwa 95% der Coliformen können Laktose fermentieren und Gas und Säure bilden, 5% nicht. Außerdem wird das Vorhandensein jenes Genabschnitts (lac Z gene) vorausgesetzt, der das Enzym ß-Galactosidase codiert. Die Expression dieses Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Gens ist aber stark von Faktoren wie Zeit, Temperatur und Nährmedium abhängig. Die Laktose-Fermentation findet unter veränderten Bedingungen ungenügend oder gar nicht statt. Die Wasseruntersuchung nach dem coliformen Konzept hat im Laufe der Geschichte zu einer starken Abnahme von wasserbedingten Krankheiten wie Cholera und Typhus geführt. Das coliforme Konzept beinhaltet alle coliformen Bakterien und schließt daher auch Bakterien, die nicht fäkalen Ursprungs sind und kein Gesundheitsproblem darstellen, ein. Daher kann bei der Anwesenheit von coliformen Bakterien eine fäkale Verunreinigung von Wasser nur vermutet werden, sie muss aber nicht zwingend gegeben sein. Als Kritikpunkt des coliformen Konzepts muss in Betracht gezogen werden, dass es vor beinahe einem Jahrhundert entwickelt worden ist und somit das Krankheitsprofil der damaligen Zeit, nicht der heutigen reflektiert. In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der wasserbedingten Erkrankungen, die durch virale und parasitäre Überträger hervorgerufen wurden, erhöht. Während das coliforme Konzept dazu imstande ist, die Konsumenten vor den primären bakteriellen Pathogenen "begrenzt" zu schützen, bietet es bei weitem nicht ausreichend Schutz vor den neuen viralen und parasitären Pathogenen, die nun für das Ausmaß an Wasser- und Lebensmittelerkrankungen verantwortlich sind. In der USA gab es zwischen 1978 und 1986 502 berichtete wasserbedingte Epidemien, die mehr als 110000 Fälle von gastrointestinalen Erkrankungen verursachten. In vielen dieser Wasserproben wurden keine E. coli und schon gar keine coliformen Bakterien festgestellt (Sobsey, 1989). Eine weitere Studie in der USA stellte fest, dass ein Drittel der Wasserproben, die Epidemien verursachten, keine coliformen Bakterien aufwiesen (Craun et al., 1997). Heute wird zunehmend die Meinung vertreten, dass E. coli, das ausschließlich in den Fäzes von Warmblütern zu finden ist, besser als die Gesamtzahl der coliformen Bakterien zur Trinkwasserüberwachung geeignet ist. Im Laufe der Zeit wurden eine Reihe von Eigenschaften der coliformen Bakterien festgestellt, die Indikatorbakterien nicht besitzen sollten: - Vermehrung im Wasser und in Wasserleitungen, - Unterdrückung des Wachstums der Coliformen bei einem starken Gesamtbakterienwachstum, - Coliforme Bakterien sind kein Indikator für Gesundheitsgefährdung, - Mangelnde Korrelation zwischen der Anzahl der coliformen und der pathogenen Keime, - Kein Zusammenhang in der Anzahl von coliformen Bakterien mit dem Vorhandensein von Parasiten und Viren, - Das Auftreten von falsch positiven und falsch negativen Ergebnissen. Ferner wurde als neuer mikrobiologischer Parameter Clostridium perfringens anstelle der Gruppe "sulfitreduzierende Clostridien", eingeführt (TWV, Anhang I, Teil A). Dieser Parameter braucht nur bestimmt zu werden, wenn das Wasser von Oberflächenwasser stammt oder von Oberflächenwasser beeinflusst wird. Ist dieser Parameterwert überschritten, so sind Nachforschungen in der Wasserversorgungsanlage vorzunehmen, um festzustellen, ob eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch krankheitserregende Mikroorganismen oder Parasiten (wie z.B. Cryptosporidium) besteht. Dieser Parameter ist bei jeder Wirksamkeitsprüfung von Desinfektionsanlagen sowohl im Wasser vor Desinfektion (100 ml) als auch unmittelbar nach Abschluss der Desinfektionsmaßnahme (250 ml) zu untersuchen. Ist das Trinkwasser mikrobiologisch nicht einwandfrei, muss es desinfiziert werden. Bei der Desinfektion von Trinkwasser müssen gezielt Krankheitserreger abgetötet werden. Auch desinfiziertes Trinkwasser ist nicht steril; Sporen beispielsweise können eine Desinfektion überleben. Parasiten sind mit den üblichen Verfahren nicht abzutöten, sie müssen vor der Desinfektion mechanisch, z.B. durch Flockung und Filtration, entfernt werden. Für die Trinkwasserdesinfektion sind in Österreich die Verfahren der Chlorung, die Behandlung mit Chlordioxid, die Ozonung und die UV-Bestrahlung zulässig. In Notsituationen kann Trinkwasser durch Abkochen desinfiziert werden. Chlor als Chlorlauge, Chlorgas oder feste Chlorverbindung ist ein ausgezeichnetes, hochwirksames und relativ billiges Desinfektionsmittel. Organische Wasserinhaltsstoffe können Chlor zehren, man unterscheidet deshalb bei der Bestimmung das freie Chlor vom gebundenen Chlor. Eine Einwirkzeit von zumindest einer halben Stunde ist erforderlich. Ein weiterer Vorteil von Chlor ist, dass es auch im Leitungsnetz gegen Wiederverkeimung wirkt (Depotwirkung). Ein Nachteil von Chlor (nicht bei Chlordioxid) ist die mögliche Bildung von leichtflüchtigen halogenierten aliphatischen Kohlenwasserstoffen (HKW) in Anwesenheit von organischen Substanzen. Durch die gute Desinfektionswirkung gegen Bakterien und Viren und die Depotwirkung ist die Chlorung vor allem in Notsituationen (Hochwasser, Rohrbrüche) trotz Geruchsbelästigung besonders ratsam. 147 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Ozon ist ebenfalls ein ausgezeichnetes Desinfektionsmittel, es wird durch Oxidation von Luftsauerstoff erzeugt. Ozon beeinflusst den Geruch und den Geschmack von Wässern günstig, da es organische Substanzen, wie z.B. Huminstoffe, abbaut. Ozon hat wenig Depotwirkung, dadurch kann es in den Rohrleitungen zu Verkeimungen kommen. Ozon benötigt ebenfalls eine Einwirkzeit (nach 4 Minuten Restkonzentration von 0,1 mg/l, bei Abgabe an den Verbraucher nur maximal 0,05 mg/l). UV-Strahlen mit einer Wellenlänge von 254 nm sind eine relativ kostengünstige und einfach anzuwendende Desinfektionsmethode. Wichtig ist die Dimensionierung der Anlage, die von der UVDurchlässigkeit des Wassers und von der zu desinfizierenden Durchflussmenge abhängig ist. Die UVDurchlässigkeit des Wassers ist abhängig von der Menge UV-absorbierender Stoffe im Wasser, z.B. Huminstoffe. Die Desinfektion des Wassers erfolgt beim Durchströmen der Anlage, eine Depotwirkung ist nicht vorhanden. Chemische Schadstoffe im Wasser - Blei Blei wurde bis etwa vor dem Zweiten Weltkrieg als Material für Trinkwasserleitungen verwendet. Blei im Trinkwasser stammt meist aus alten bleihaltigen Rohrleitungen, Armaturen (z.B. in alten Wohnbauten) oder aber von bleihaltigem Lötmittel bei Kupferrohren her. Typische Symptome einer chronischen Bleivergiftung sind Kopf-, Gelenk-, Glieder-, Muskel- und Herzschmerzen, Darmkrämpfe, Anämie, Kribbeln in den Extremitäten, Schädigung von Gehirn, Nieren und Herz wie auch Ohnmachtsanfälle, Angstzustände, Depressionen oder Schlafstörungen. Kinder reagieren besonders empfindlich auf Blei im Trinkwasser und sind daher wegen einer dadurch bewirkten Behinderung der Entwicklung des Nervensystems, einer Minderung der Intelligenz, Konzentrationsschwäche sowie Hyperaktivität besonders gefährdet. Die Bleibelastung des menschlichen Organismus über Nahrungsmittel und vor allem über Atemluft (Antiklopfmittel im Benzin) spielt jedoch eine bedeutendere Rolle als jene durch Wasser. In geogen und anthropogen unbelasteten Oberflächengewässern liegt der Bleigehalt < 3 µg/l. Die WHO hat 1977 ihren ursprünglich mit 100 µg/l (1961) empfohlenen Richtwert für Blei im Trinkwasser auf 50 µg/l - wie er auch in die EU-Richtlinie aus 1980 und in die österreichische TWV 1998 übernommen worden war - und in der Überarbeitung 1996 auf 10 µg/l gesenkt. Dieser Wert wurde in erster Linie zum Schutz von Säuglingen, Kleinkindern und Schwangeren vor den neurotoxischen Wirkungen von Blei eingeführt. Der Parameterwert für Blei beträgt gemäß Trinkwasserverordnung bis 1. Dezember 2003 50 µg/l und für den Zeitraum zwischen Dezember 2003 und 1. Dezember 2013 25 µg/l, danach 10 µg/l. Für die Parameterwerte von Blei, Kupfer und Nickel gilt jedoch folgende Besonderheit (TWV, Anhang I, Teil B, Anmerkung 3): Der Wert gilt für eine Probe von Wasser für den menschlichen Gebrauch, die mit einem geeigneten Probenahmeverfahren an der Wasserentnahmestelle in der Weise entnommen wird, dass sich eine für die durchschnittliche wöchentliche Aufnahme durch Verbraucher repräsentative Probe ergibt. Ein Ausschuss nach Art. 12 der EU-Trinkwasserrichtlinie ist damit befasst, ein solches harmonisiertes Probenahmeverfahren auszuarbeiten. Es ist abzusehen, dass das Verfahren der so genannten Tageszufallsprobe, d.h. die Entnahme von 1 Liter Trinkwasser unmittelbar nach Aufdrehen des Entnahmehahnes zu einer beliebigen Tageszeit (innerhalb der üblichen Geschäftszeiten) als einheitliches Probenahmeverfahren von der EU-Kommission festgelegt wird. Kleinste Probemengen, die von Konsumenten selbst entnommen und zur Untersuchung übersandt werden, entsprechen diesen Anforderungen an repräsentative Proben keinesfalls und können für eine fachlich korrekte Beurteilung der durchschnittlichen wöchentlichen Aufnahme dieser Stoffe nicht herangezogen werden. - Kupfer Kupfer kommt in natürlichen Wässern praktisch nicht vor. Im Trinkwasser festgestellte Kupferkonzentrationen stammen meist aus dem Leitungsnetz, wo je nach Wasserbeschaffenheit und besonders nach Stagnation des Wassers Kupferkorrosion auftreten kann. Zwar ist Kupfer ein lebensnotwendiges (essentielles) Element, doch kann ein Überangebot der Gesundheit schaden. Erhalten Säuglinge mit stark kupferhaltigem Wasser zubereitete Nahrung, besteht die Gefahr, dass sie überschüssiges Kupfer in der Leber speichern, weil sie es noch nicht ausscheiden können, und in der Folge an Leberzirrhose erkranken. Kupfer ist heute das wichtigste Material für Trinkwasserinstallationen. 148 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit In der Regel ist das auch kein Problem. Nur bei bestimmten Wasserqualitäten und ganz neuen Installationen kann es zur Überschreitung der Grenzwerte kommen. Wasser und die darin in Spuren gelösten Stoffe Sauerstoff, Kohlendioxid, Säuren und Salze greifen die Metalle der Trinkwasserleitungen an. Die bei diesen Korrosionsvorgängen entstehenden Verbindungen, überwiegend Oxide/Hydroxide und Carbonate/Hydrogencarbonate, bilden eine dünne, relativ fest haftende Schicht auf der Metalloberfläche. Dennoch sind sie in geringem Umfang wasserlöslich, so dass immer etwas von den Metallverbindungen an das im Rohr befindliche Wasser abgegeben wird. Je niedriger der pH-Wert, desto stärker die Korrosion. Ein höherer TOC-Gehalt (TOC = Total Organic Carbon) führt unter bestimmten Bedingungen zu höheren Kupfergehalten. Hartes Wasser enthält viel Calciumhydrogencarbonat, welches für die Bildung einer Schutzschicht wichtig ist. Sehr weiches Wasser bildet keine Schutzschicht. Der Parameterwert für Kupfer im Trinkwasser beträgt 2 mg/l. Kupfer kann als Installationsmaterial eingesetzt werden, wenn der pH-Wert mindestens 7,4 beträgt, liegt der pH-Wert zwischen 7,0 und 7,4, soll Kupfer nur eingesetzt werden, wenn der TOC-Gehalt kleiner als 1,5 mg/l ist. Ist er größer, sollen andere Materialien verwendet werden. - Zink Zink ist ein essentielles Spurenelement, dessen Mangel zu Hautveränderungen, Störungen des Körperwachstums und im Hormonhaushalt sowie zu Funktionsstörungen der Metalloenzyme führt. Abwässer von metallverarbeitenden Betrieben und Druckereien sowie verzinkte Trinkwasserleitungen und Behälter sind Kontaminationsquellen für Wasser. Auch beim Zink erfolgt eine Herauslösung des Metalls aus den Materialien der Hausinstallation, z.B. aus verzinkten Stahlrohren oder Legierungen von Armaturen oder Boilern. Ähnlich wie bei den anderen Metallen steigt die Konzentration mit zunehmender Verweilzeit des Wassers in der Leitung (Stagnationszeit) und mit fallendem pH-Wert. Auch sollen verzinkte Leitungen nicht in Fließrichtung nach Kupfer eingebaut werden. Für Zink wurde im Codexkapitel B1 ein Richtwert von 5 mg/l für Wasser aus Installationen festgelegt. - Cadmium Cadmium wird unter anderem in Korrosionsschutzmitteln, Farbstoffen und Batterien verwendet. Auch durch Zigarettenrauch wird die Umwelt mit Cadmium-Emissionen belastet. Die Speicherung im Körper erfolgt vor allem in der Niere, der Leber und der Plazenta. Durch die orale Aufnahme hoher Dosen treten Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen auf. Die bekannte Knochenkrankheit Itai-Itai ist die Spätfolge einer toxischen Cadmiumwirkung. Hauptquellen der Cadmiumkontamination für den Menschen sind Nahrungsmittel (vor allem Austern, Tierlebern und -nieren). Der Parameterwert für Cadmium im Trinkwasser beträgt 5 µg/l. - Quecksilber Quecksilber wird vielfältig verwendet, in der chemisch-pharmazeutischen Industrie, der Papier-, Farben- und Elektroindustrie sowie in der Landwirtschaft als Saatbeizmittel. Hohe Gehalte wurden vor allem bei Fischen und Wildpilzen festgestellt. Folgen chronisch erhöhter Quecksilberaufnahme sind u.a. Kribbeln der Haut, Konzentrationsschwierigkeiten und Störungen der Bewegungskoordination. 1963 wurde Quecksilber erstmals als Verursacher der Minamata-Krankheit von japanischen Forschern erkannt. Die Quecksilberaufnahme durch den Körper ist von der chemischen Form des Metalls abhängig. Durch orale Aufnahme wird die methylierte Form bis zu 95%, anorganische Salze bis zu 15% und metallisches Quecksilber nur bis zu 0,01% vom Organismus resorbiert. Quecksilberdampf wird hingegen fast vollständig aufgenommen. Wie bei Cadmium erfolgt die Quecksilberaufnahme hauptsächlich durch Lebensmittel. Der Parameterwert für Quecksilber im Trinkwasser beträgt 1 µg/l. - Chrom Biologisch aktiv ist nur 3-wertiges Chrom, das eine wichtige Rolle im Kohlenhydrat-Metabolismus spielt, 6-wertiges Chrom kann jedoch in kleinen Mengen im Magen zu 3-wertigem Chrom reduziert werden. Schwerer Chrommangel kann über verminderte Glucosetoleranz und Hyperglykämie zu Diabetes und möglicherweise zu Arteriosklerose führen. Toxikologisch bedeutsam ist 6-wertiges Chrom, da stark erhöhte Aufnahme Verätzungen, Geschwüre und Lungenkrebs zur Folge haben kann. Chromverbindungen im Wasser stammen hauptsächlich aus Abwässern der metallverarbeitenden Industrie, weiters aus Gerbereien, Druckereien und Galvanikbetrieben. Der Parameterwert für Chrom im Trinkwasser beträgt 50 µg/l. 149 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit - Arsen Einige organische Arsenverbindungen wie z.B. Arsenocholin, Arsenobetain oder Dimethylarsinsäure sind wahrscheinlich biochemisch und physiologisch von Bedeutung, ihre Essentialität ist aber noch nicht eindeutig definiert. Arsenige Säure sowie Arsenik und Arsenate (III) sind hochgiftig. Sie führen zu schweren Gewebeschädigungen, Knochenmarksschädigungen, sekundärer Anämie und Leberzirrhose. Die chronische Aufnahme von Arsen ist krebsfördernd. Erhöhte Arsengehalte im Wasser können geologischen Ursprungs sein. Häufiger ist aber die Verunreinigung des Grund- und Oberflächenwassers durch Abwässer aus Gerbereien, Metallindustriebetrieben und Mülldeponien. Der Parameterwert für Arsen im Trinkwasser wurde auf 10 µg/l abgesenkt. Dieser Wert ist spätestens ab 1. Dezember 2003 einzuhalten. Der Parameterwert beträgt bis zum 30. November 2003 50 µg/l. - Selen Die Wirkung dieses Metalls ist zwiespältig, in geringen Mengen (µg/kg-Bereich) ist es ein essentielles Spurenelement und integraler Bestandteil der Glutathion-Peroxidase. Es setzt in dieser Funktion als Antioxidans die Wirksamkeit krebserregender Stoffe herab und steigert die Funktion des Immunsystems. Selengaben wirken einer Toxizität von Cadmium, Quecksilber oder Silber entgegen. In hohen Dosen (etwa 10 mg/kg) kann Selen jedoch zu schweren Gesundheitsschäden wie Leberzirrhose, Herzmuskelschwäche und Polyneuropathien führen sowie selbst kanzerogen wirken. Selen kommt in der Natur in geringen Konzentrationen, jedoch mit sehr großer regionaler Schwankungsbreite vor, vor allem als Begleiter des elementaren Schwefels. Anthropogen wird es bei der Öl- und Kohleverbrennung in der Elektro- und Papierindustrie freigesetzt und gelangt über Niederschläge in Oberflächen- und Grundwasser. Der Parameterwert für Selen im Trinkwasser beträgt 10 µg/l. - Aluminium Aluminium kommt in der Natur sehr häufig vor und wird nicht als lebensnotwendig erachtet. Für den Menschen ist Aluminium im Allgemeinen nicht toxisch, bei chronisch stark erhöhter Aluminiumaufnahme oder -speicherung können irreversible Gewebsveränderungen auftreten, auf Fische und Pflanzen kann es letal wirken. Der Indikatorparameterwert für Aluminium im Trinkwasser beträgt 0,2 mg/l. - Eisen und Mangan Die für den menschlichen Organismus essentiellen Elemente Eisen und Mangan bewirken im Trinkwasser bei höheren Konzentrationen unter Einfluss des Luftsauerstoffes Trübungen, Verfärbungen und Bodensatzbildung. Sie können durch das Wachstum von eisen- und manganhaltigen Bakterien indirekt Probleme verursachen. Die Indikatorparameterwerte betragen für Eisen 0,2 mg/l und für Mangan 0,05 mg/l. - Ammonium Ammonium wird als Zwischenprodukt beim Abbau stickstoffhaltiger organischer Substanzen gebildet und kann daher auch aus Exkrementen menschlichen oder tierischen Ursprungs stammen. In oberflächennahen, sauerstoffhaltigen Grundwässern sind Ammoniumgehalte über 0,2 mg/l meist ein Hinweis auf anthropogene Verunreinigungen. Laut TWV liegt der Indikatorparameterwert für Ammonium bei 0,5 mg/l, wobei geogen bedingte Überschreitungen bis 5 mg/l zugelassen sind. Sauerstoffarme, mikrobiologisch einwandfreie Grundwässer (z.B. Tiefenwässer) können höhere Ammoniumgehalte aufweisen. Beim Auftreten von Ammonium in Trinkwasser muss dessen Ursprung fachlich beurteilt werden (weitere Analysenparameter wie z.B. Sauerstoffgehalt, und den Ortsbefund beachten). Es ist nicht in jedem Fall ein Hinweis auf organische Verunreinigung. Ammonium kann vielmehr durch reduktive Vorgänge im sauerstoffarmen oder -freien Grundwasser aus Nitrat gebildet werden bzw. kann Nitrit aus Ammonium bei Luftzutritt und mit gewissen Bakterien wieder entstehen. Ammonium stört die Desinfektion mit Chlor (Chloraminbildung und ev. Nitritbildung). Ab einem Gehalt von mehr als 0,2 mg/l NH4 dürfen daher gewisse Chlorungsverfahren nicht angewendet werden. - Sulfat Sulfat ist in reinem Grundwasser - abgesehen von geogen bedingten höheren Konzentrationen bei Wasser aus Gipslagerstätten - meistens unter 50 mg/l enthalten. Anthropogen bedingt können höhere Gehalte im Wasser durch Düngung, Industrieabwässer, Deponiesickerwässer und Emissionen des Verkehrs verursacht werden. Der Indikatorparameter beträgt für Sulfat 250 mg/l, wobei Über- 150 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit schreitungen bis 750 mg/l zugelassen sind, sofern der dem Calcium nicht äquivalente Gehalt des Sulfats 250 mg/l nicht übersteigt. Sulfatkonzentrationen über 1000 mg/l werden als bedenklich eingestuft. Ab 250 mg/l Sulfat können Magen- und Darmstörungen (laxierende Wirkung) auftreten, die allerdings zurückgehen, wenn sich der Körper an die erhöhte Sulfatzufuhr gewöhnt hat. - Chlorid Chlorid ist in jedem natürlichen Wasser mit etwa 10-40 mg/l enthalten. Anthropogen bedingte (z.B. durch Steaßenstreusalz) höhere Chloridwerte im Grundwasser wurden bis 300 mg/l gemessen. Chlorid wird im Boden kaum zurückgehalten und nicht verändert. Verunreinigte Wässer haben meist einen erhöhten Chloridgehalt. Geringe Chloridkonzentrationen im Wasser sind gesundheitlich unbedenklich, da in der übrigen Nahrung bedeutend mehr Chlorid vorkommt als im Trinkwasser. Je nach übriger Zusammensetzung des Wassers tritt bei einem Wert von > 100 mg/l Chlorid ein salzartiger Geschmack auf. Die Grenze der Genusstauglichkeit liegt bei 400 mg/l, entsprechend etwa 660 mg/l gelöstem NaCl. Im Organismus dient Chlorid als Gegenion für Natrium und bewirkt den osmotischen Druck der extrazellulären Flüssigkeit. Eine spezifische Wirkung übt es bei der Sekretion des Magensaftes aus. Der Indikatorparameterwert für Chlorid im Trinkwasser beträgt 200 mg/l. - Fluorid Im Grundwasser liegen die Konzentrationen an Fluorid in der Regel < 0,5 mg/l. Fluor vermindert die Löslichkeit des Zahnschmelzes oder hemmt die Säurebildung am Zahn durch Verminderung bakterieller Enzymtätigkeit im Zahnbelag und hat deshalb Bedeutung in der Kariesprophylaxe. Zahnkaries wird hingegen nicht durch Fluormangel ausgelöst, sondern ist ein Folgezustand falscher Ernährung (Elmadfa und Leitzmann 1998). Der Parameterwert für Fluor beträgt 1,5 mg/l. Fluoridkonzentrationen im Trinkwasser von ca. 1 mg/l wirken kariesprophylaktisch, weshalb in einigen Ländern eine künstliche Fluoridierung des Trinkwassers erfolgt oder diskutiert wird. In Österreich ist eine derartige Anreicherung des Trinkwassers nicht zugelassen. Die Spanne zwischen der notwendigen täglichen Fluordosis (1-2 mg) und der zu einer chronischen Fluorintoxikation (z.B. Dentalfluorose) führenden Dosis (etwa 4-5 mg täglich) ist so gering, dass im Einzelfall Überdosierungen bei einer allgemeinen Fluoridierung des Trinkwassers nicht verhindert werden könnten. Nitrat-/Nitrit-Problematik und ihre toxikologische Bedeutung Nitrat ist in Trinkwasser und Lebensmitteln fast immer vorhanden, in den im Allgemeinen im Wasser vorkommenden Konzentrationen aber als nicht toxisch anzusehen. Nahrungsmittel, insbesondere Gemüse, weisen meist wesentlich höhere Nitratgehalte als das Trinkwasser auf. Nitrit entsteht als Zwischenprodukt natürlicher Ab- und Umbauvorgänge, sowohl bei der Oxidation von Ammonium, als auch bei der Reduktion von Nitrat. Der Parameterwert laut TWV beträgt 0,1 mg/l. Comly (1945) wies auf den Zusammenhang zwischen Säuglingsmethämoglobinämie (Cyanose, Blausucht) und Nitrit sowie hohem Nitratgehalt des Trinkwassers hin. Nitrat wird durch Bakterien (z.B. durch Enterobakterien) oder Metalle (z.B. Zink aus neuverlegten, verzinkten Eisenrohren) zu Nitrit reduziert. Dieses kann beim Säugling - insbesondere in den ersten 6 Lebensmonaten - Cyanose (innere Erstickung) hervorrufen. In dieser Zeit besitzt der Säugling noch fetales Hämoglobin, das gegenüber Nitrit wesentlich empfindlicher reagiert als das Hämoglobin des erwachsenen Menschen. Zusätzlich haben Neugeborene im ersten Lebensvierteljahr noch einen erhöhten pH-Wert des Magensaftes, weshalb oral aufgenommene Bakterien, welche Nitrate der Nahrung zu Nitriten reduzieren vermögen, nicht inaktiviert werden können. Im fetalen Hämoglobin wird das II-wertige Eisen zum III-wertigen Eisen oxidiert, wodurch die Sauerstoffabgabe an das Gewebe verhindert und die Methämoglobinämie verursacht wird. Eine weitere Gefahr der Nitritaufnahme besteht in der möglichen Bildung kanzerogener Nitrosamine, die im Magen beim Zusammentreffen von sekundären Aminen mit exogenem (von außen zugeführtem) oder endogenem (im Organismus gebildetem) Nitrit entstehen können. - Nitratgehalte des Trinkwassers Die Nitratbelastung unserer Gewässer hat verschiedene Ursachen. Gründe dafür liegen einerseits in undichten Senkgruben, defekten Kanalisationssträngen, undichten Abfalldeponien mit Sicherheit aber in der intensiv betriebenen Landwirtschaft. Überhöhter Mineraldüngereinsatz, Klärschlammaufbringung und unsachgemäßer Gülleentsorgung (Massentierhaltung) gelten als Hauptverursacher. Am meisten gefährdet sind dabei Einzelwasserversorgungsanlagen (Hausbrunnen). 151 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Tab. 3.18: Nitrat-, Nitrit-, und Ammoniumwerte ausgewählter Wasserwerke Wasserwerke Nitrat (mg/Liter) Nitrit (mg/Liter) Ammonium (mg/Liter) Eisenkappel-Vellach 1-3 n. n. n. n. Klagenfurt 15-17 n. n. n. n. Klosterneuburg 12 - <0,03 Leibnitzerfeld 9-25 n. n. n. n. Linz 10-39 a n. n. n. n. Münster-Kufstein 7 <0,01 <0,01 NÖSIWAG 1-49 a <0,01 <0,01 Salzburg 5-9 n. n. n. n. n. n. n. n. Schenkenfelden (33) 5 b Strengberg 2 n. n. n. n. Nördliches Burgenland 15-30 a - - Graz 5-10 <0,02 <0,02 Mittleres Burgenland 13 <0,01 <0,05 Lockenhaus 10 <0,02 <0,02 Wien 2-6 <0,008 <0,01 n. n. : nicht nachweisbar bzw.< BG: unter Bestimmungsgrenze a je nach Wasserspender b vor und nach der Aufbereitung - keine Angaben Diese sind mit einem wesentlich höheren Risiko behaftet als zentrale Versorgungsanlagen, da fast immer notwendige Schutz- und Schongebiete fehlen. Die stetige Belastung der Grundwässer ist mittlerweile aber auch für größere Wasserwerke problematisch. Die Hauptbelastungsgebiete sind in Niederösterreich, der Steiermark und in Oberösterreich zu finden. In diesen Bundesländern gibt es Akkerbaugebiete, wo Nitratwerte bis zu 200, vereinzelt sogar bis 300 mg/l auftreten. Trinkwasser mit mehr als 50 mg/l Nitrat darf gemäß TWV nicht in Verkehr gebracht werden und sollte insbesondere nicht für die Ernährung von Säuglingen bis zum Ablauf des sechsten Lebensmonats verwendet werden. Der Nitratgehalt des Trinkwassers in Österreich stellt im Allgemeinen noch kein Problem dar. In vielen Grundwässern hat aber in den letzten Jahrzehnten die Nitratkonzentration auf Grund der Überdüngung von landwirtschaftlich genutzten Flächen erheblich zugenommen. Die erfassten Daten des Umweltbundesamtes weisen auf die sanierungsbedürftigen Grundwassergebiete hin. Die österreichweit durchgeführten Messungen des Grundwassers (1994/95) zeigen, dass etwa 70% der Proben einen Nitratgehalt 30 mg/l und ca. 82% einen Nitratgehalt 45 mg/l aufweisen (WassergüteErhebungsverordnung, BGBL. Nr. 338/91). Problemregionen stellen hinsichtlich der gegebenen Nitratbelastung insbesondere Teile der landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebiete im Norden, Osten und Südosten Österreichs dar. Festzuhalten ist, dass im Allgemeinen die Nitratwerte an den seit 1991/92 kontinuierlich beobachteten Messstellen im Beobachtungszeitraum relativ stabil sind. 72% der Messstellen weisen keinen statistisch abgesicherten Trend auf. Dessen ungeachtet zeigen die Messstellen im Jahresverlauf jedoch zumeist kleinere, insbesondere im Nahbereich von Fließgewässern auch größere, saisonale Schwankungen. Generell kann der öffentlichen Wasserversorgung in Österreich ein gutes Zeugnis ausgestellt werden. Die Nitrat-Mittelwerte liegen mit 24,6 mg/l im Burgenland, 24,1 mg/l in Oberösterreich und 23 mg/l in Niederösterreich unter dem Richtwert von 25 mg/l. In der Steiermark und in Kärnten liegt der Mittelwert bei 14 bzw. 10 mg/l. Die Bundesländer mit den besten Nitrat-Mittelwerten sind Salz- 152 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Bundesland Atrazin Desethylatrazin Anzahl >0,1 der Werte ges. >0,5 Anzahl >0,1 der Werte ges. >0,5 Burgenland 1273 336 85 1274 354 86 Kärnten 2317 234 23 2320 597 74 Niederösterreich 3939 897 203 3939 1049 188 Oberösterreich 2689 1080 124 2689 1453 224 Salzburg 831 46 13 831 88 15 Steiermark 2449 917 186 2449 1.182 457 Tirol 1475 66 20 1474 158 14 Vorarlberg 710 23 1 710 33 0 Wien 490 154 19 490 216 47 Quelle: Wassergüteerhebungsverordnung BGBl.Nr.338/91, Auswertung: Umweltbundesamt (Stichtag 11.1.1996) burg (5 mg/l), Vorarlberg (3,9 mg/l), Wien (4,7 mg/l) und Tirol (2,25 mg/l). Bei der Hausbrunnenqualität lässt sich ein starkes Ost-West Gefälle der Nitratwerte feststellen: Sehr niedrige Werte von Brunnenuntersuchungen stammen aus Tirol (4 mg/l), gefolgt von Salzburg (5 mg/l) und Vorarlberg (6 mg/l). In der Steiermark liegt der Mittelwert bei 27 mg/l, in Oberösterreich bei 26 mg/l und in Kärnten bei 17 mg/l. Neben naturräumlichen Gegebenheiten können u. a. folgende Faktoren für eine Belastung des Grundwassers mit Nitrat ausschlaggebend sein: - zu hohe Viehbesatzdichte und Problem der Entsorgung des anfallenden Wirtschaftsdüngers, - zu hohe Stickstoffgaben (Mineral- und Wirtschaftsdünger) führen zu Überbilanzierungen, - ungünstige Fruchtfolge (mit Brache), - nicht ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung, - zu geringe Lagerraumkapazitäten bedingen, dass Wirtschaftsdünger auch zu ungünstigen Zeitpunkten (auf schneebedeckten oder gefrorenen Böden) ausgebracht werden. Nitratgehalte <50 mg/l stellen hygienisch keine Probleme dar. Im Allgemeinen aber darf das Nitratproblem nicht bagatellisiert werden und es müssen entsprechende Vorkehrungen getroffen werden, um diese Werte zu reduzieren und die Ursachen für einen hohen Nitratgehalt (Überdüngung, Abwässer) zu beseitigen. Die Konsumenten haben das Recht auf Informationen über die Qualität ihres Trinkwassers. Die Wasserversorgungsunternehmen sind gemäß TWV verpflichtet, dem Konsumenten die Pestizid- und Nitratwerte mitzuteilen. Organische Schadstoffe - Aliphatische Kohlenwasserstoffe Aliphatische Kohlenwasserstoffe, wie Mineralöle und deren Produkte, verursachen in Wässern in geringsten Konzentrationen Geruchs- und Geschmacksveränderungen. Verdünnungen von ca. 1:10 Millionen sind geruchlich und geschmakklich nachweisbar. - Phenole Phenole sind einerseits natürliche, abbaubare Stoffwechselprodukte, andererseits können sie auch aus schädlichen Industrieabfällen stammen. Halogenierte 153 Tab. 3.19: Anzahl der Messungen von Atrazin und Desethylatrazin im Bundesländervergleich Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Tab. 3.20: Ergebnisse zur Qualitätsuntersuchung der Wiener Wasser Parameter I. Hochquelle II. Hoch- Wasser- Paramequelle werk Lo- terwert*) bau Analysedatum 05.03.03 05.03.03 05.03.03 Koloniebildende Einheiten (KBE)/ml (22 Grad C Bebrütungstemperatur) 0 0 3 **) Koloniebildende Einheiten (KBE)/ml (37 Grad C Bebrütungstemperatur) 0 0 0 **) coliforme Bakterien/250 ml 0 0 0 0 Escherichia coli/250 ml 0 0 0 0 elektrische Leitfähigkeit (µS/cm) 358 234 326 **) pH-Wert 7,84 8,21 7,88 **) Gesamthärte (Grad deutsche Härte) 10,55 7,30 12,14 Karbonathärte (Grad deutsche Härte) 9,02 7,64 8,42 Totaler organischer Kohlenstoff (mg/l) 0,58 1,08 1,43 **) Ammonium (mg/l) <0,01 <0,01 <0,01 **) Nitrit (mg/l) <0,008 <0,008 <0,008 0,1 Nitrat (mg NO3/l) 6,25 3,10 5,70 50 Chlorid (mg/l) 3,06 0,90 2,72 **) Sulfat (mg/l) 21,28 4,00 16,94 **) Quelle: Institut für Umweltmedizin der Stadt Wien Phenole, wie sie z.B. durch Chlorung des Wassers entstehen, rufen eine intensive Geruchs- und Geschmacksbeeinflussung hervor. - Leichtflüchtige halogenierte aliphatische Kohlenwasserstoffe Leichtflüchtige halogenierte aliphatische Kohlenwasserstoffe wie Trichlorethen (Trichlorethylen) oder Tetrachlorethen (Perchlorethylen) werden als technische Lösungsmittel (Metallentfettung, Putzereien) verwendet und gelangen durch Unfälle oder Unachtsamkeit ins Grundwasser. Gewisse Substanzen dieser Gruppe können auch bei der Chlorung von Trinkwasser entstehen (z.B. Chloroform). Die Problematik dieser Verbindungen liegt in der vermuteten und teilweise auch nachgewiesenen Kanzerogenität bei chronischer Vergiftung. Eine notwendige Chlorung von Trinkwasser wegen dieser möglichen Gefährdung einzustellen ist allerdings nicht gerechtfertigt. - Pestizide Pestizide werden zur Bekämpfung von Schädlingen bei Pflanzen und Tieren sowie zur Unkrautvernichtung verwendet. Der Gehalt an Pestiziden im Trinkwasser ist durch die Trinkwasserverordnung geregelt, die den Betreiber einer Wasserversorgungsanlage auch zur Untersuchung auf diese Substanzen verpflichtet. Pestizide gelangen hauptsächlich durch die Landwirtschaft in das Grundwasser, durch Unfälle und Sorglosigkeit auch größere Mengen. Die eigentliche Problematik der Pestizide ist ihre teilweise sehr geringe Abbaubarkeit im Grundwasser. Es wurde festgestellt, dass Atrazin und sein Hauptabbauprodukt Desethylatrazin die am häufigsten festgestellten Substanzen der positiven Befunde sind. Atrazin wurde überwiegend in Mais und Wein als Unkrautvernichtungsmittel eingesetzt. Andere Wirkstoffe sind sehr selten im Wasser nachweisbar (im unteren Prozentbereich der Proben). Der Parameterwert für Pestizide im Grund- und Trinkwasser beträgt 0,1 µg/l für ein einzelnes Pestizid und 0,5 µg/l für die Summe der festgestellten Pestizide. 154 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit - Polychlorierte Biphenyle Polychlorierte Biphenyle werden im technischen Bereich verwendet, sind ebenfalls schwer abbaubar und reichern sich dadurch in der Natur an. - Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe entstehen hauptsächlich bei der Verbrennung von organischem Material wie Kohle, Öl oder Teer und gelangen so in die Luft, wo sie von Niederschlagswässern ausgewaschen werden und in das Grundwasser gelangen. In höheren Konzentrationen gelten sie als kanzerogen. Schlussbetrachtung Im Allgemeinen gibt die Wasserqualität in Österreich, geht man von bisher bekannten Daten aus, keinen Grund zur Beunruhigung. Die potentiellen Grundwasser-Sanierungsgebiete (z.B. OstÖsterreich und das Marchfeld für Nitrat, oder die Mitterndorfer Senke für die leichtflüchtigen halogenierten aliphatischen Kohlenwasserstoffen) stellen sicher ein Problem dar. Ferner sollte eine unabhängige Stelle die chemische und bakteriologische Beschaffenheit des Wassers in Österreich und die Untersuchungsergebnisse zentral erfassen, auswerten und die eventuellen Sanierungsmaßnahmen koordinieren. Entsprechend der Berichtspflicht an die EU-Kommission werden Daten von Wasserversorgungsanlagen, die mehr als 5000 Personen versorgen, von den Bundesländern gemeldet und zentral vom zuständigen Ministerium erfasst. In mikrobiologischer Hinsicht sind vor allem die Vereinheitlichung der Untersuchungsmethoden und deren Evaluierung von großer Bedeutung. Der Einsatz neuer Technologien wie molekularbiologische, immunologische und enzymatische Methoden in der Mikrobiologie sind international längst anerkannte Alternativen zu den herkömmlichen klassischen Nachweismethoden (OECD, 1998). Dauerhafter Schutz des Grundwassers und damit des Trinkwassers der österreichischen Bevölkerung kann daher nur durch Verringerung bzw. Vermeidung des Schadstoffeintrags ins Grundwasser erfolgen. Das heißt einerseits Vermeidung des punktuellen Eintrags von Schadstoffen in die Grundwasserleiter durch Industrieanlagen, Deponien, lecke Abwassersysteme, undichte Senk- und Sikkergruben sowie Unfälle. Flächenhafter Schadstoffeintrag ins Grundwasser stellt ein Problem dar, das in seiner Bedeutung ständig zunimmt. Insbesondere der Einsatz von mineralischem und Wirtschaftsdünger sowie der Einsatz von Pestiziden gefährdet großflächig die Grundwasserqualität. 155 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit 3.6 Bioproduke Zusammenfassung Die Nachfrage nach Biolebensmitteln steigt in vielen Ländern und so auch in Österreich ständig an. Der geschätzte Marktanteil soll 2025 5-10% betragen. Die Mehrheit der Österreicher greift zumindest gelegentlich zu Bioprodukten. Der durchschnittliche Käufer solcher Lebensmittel ist heute älter als noch vor 20 Jahren. Er verfügt über zumindest mittleres Bildungsniveau, höheres Einkommen und lebt meist in einem Haushalt mit 2-5 Personen. Als Kaufmotive der Konsumenten sind vor allem gesundheitsbewusste Ernährung, Umweltschutz und Geschmack, zu nennen. Bei pflanzlichen Lebensmitteln aus biologischem Anbau ist generell mit weniger Rückständen zu rechnen (z.B. Nitrat, Pestizide). Die Unterschiede im Gehalt an wertgebenden Inhaltsstoffen (essentielle Nährstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe, Ballaststoffe etc.) fallen meist weniger deutlich aus. Zwar können Lebensmittel aus biologischer Produktion im Rahmen einer insgesamt ausgewogenen Ernährung, dem Kaufmotiv gesundheitsfördernde Lebensmittel entsprechen, dass sie generell gesünder sind, lässt sich derzeit wissenschaftlich aber nicht belegen. Die Bevorzugung von Nahrungsmitteln aus biologischer Produktion stellt nicht nur eine Absage an die konventionelle Praxis der Lebensmittelproduktion dar, sondern leistet auch einen aktiven Beitrag zur Nachhaltigkeit und zu einem zukunftsfähigen ökologischen Gleichgewicht. Da eines der zentralen Kaufmotive für Bioprodukte das Interesse der Konsumenten an Umweltfragen ist, kann dieses bestätigt werden. Schlussendlich kann die Frage, ob Bioprodukte die Erwartungen der Konsumenten hinsichtlich des Geschmacks erfüllen, mit "Ja" beantwortet werden. In so genannten Degustationstests, in denen die sensorische Qualität von Lebensmitteln beurteilt werden kann, werden Bio-Lebensmittel großteils besser beurteilt. Allgemeines Die wachsende Sensibilisierung der Bevölkerung für Fragen der Nahrungsmittelsicherheit und des Umweltschutzes hat in den letzen Jahren zu einer steigenden Anerkennung des Biologischen Landbaus beigetragen. Nicht zuletzt können die Verbraucher sicher sein, dass Biolebensmittel auch in Hinkunft ohne gentechnische Hilfsmittel hergestellt werden. Die steigende Akzeptanz ermutigt umgekehrt die Produzenten von Bioprodukten, ihren Weg fortzusetzen. Rund 54% der Österreicherinnen und Österreicher kaufen zumindest gelegentlich Bioprodukte ein [BMLUF, 2001]. Von der Agrarmarkt Austria (AMA) wurde der Anteil von biologischen Erzeugnissen im Lebensmittelhandel 1998 auf rund 5% geschätzt [Wendt et al., 1999]. Eine interessante Frage in diesem Zusammenhang ist, inwieweit Bioprodukte den Kaufmotiven der Konsumenten gerecht werden können. Erkenntnisse aus der Qualitätsforschung sollen zu diesem Zweck der Erwartungshaltung der Käufer gegenüber gestellt werden. Im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 wurden neben allgemeinen Anforderungen und gesetzlichen Bestimmungen auch Qualitätsmerkmale von Bioprodukten näher beschrieben [Elmadfa et al., 1998]. Hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen hat es seither eine wesentliche Neuerung gegeben: die Produktion tierischer Lebensmittel wurde Mitte 2000 in den Geltungsbereich der EU-Verordnung (2092/91) über biologischen Landbau einbezogen. Die Regelungen erstrecken sich von der Fütterung und Haltung der Tiere bis zur medikamentösen Behandlung. Die Verwendung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) ist darin verboten. Biologischer Landbau wird in zahlreichen Ländern der Welt praktiziert und erfreulicherweise wachsen die bewirtschafteten Flächen ständig an. Obwohl in Österreich schon um 1930 die ersten biologisch-dynamischen Landwirtschaftsbetriebe entstanden sind, begann erst Mitte der 90er Jahre die große Umstellungsperiode. Ohne Zweifel wurde der Weg durch zahlreiche Förderungsprogramme 156 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit (z.B. Biobauernzuschuss, Agrar-Umweltprogramm ÖPUL, etc.) der österreichischen Agrarpolitik geebnet. Zur Zeit (Stand 2002) gibt es in Österreich rund 19.000 Biobauern, die rund 8,5% der landwirtschaftlichen Nutzfläche, das sind 254.000 ha, nach biologischen Kriterien bewirtschaften. Damit nimmt Österreich relativ betrachtet die Spitzposition unter den europäischen Ländern ein [BMLUF, 2001]. Der Markt für Bioprodukte ist in vielen Ländern noch relativ klein, er wächst jedoch überall kontinuierlich an. Es wird geschätzt, dass die Biolebensmittel bis zum Jahr 2025 einen Anteil von 5-10% am europäischen Gesamtmarkt ausmachen werden. Wer kauft Bioprodukte? Die Produktionsausweitung der biologischen Landwirtschaft mit dem Ziel eines größeren Marktangebots zeigte gleichzeitig steigende Markterfolge. Eine unmittelbare Erklärung dafür lieferte die deutlich wachsende Kritik der Konsumenten an den Strukturen der konventionellen Landwirtschaft und der Qualität ihrer Produkte. Nach Ergebnissen der Verbraucherforschung, berücksichtigen große Konsumentengruppen in ihrer Kaufentscheidung auch ökologische und ethische Wertmaßstäbe. Außerdem spielen Produktmerkmale wie Authentizität, Regionalität und Transparenz eine zentrale Rolle [Oppermann, 2000]. Das Alter gilt in den meisten Fällen als wesentlicher Parameter für den Einkauf von biologischen Produkten. In den letzten Jahren fand eine sukzessive Verschiebung hin zu kaufkräftigeren Konsumenten statt. Vor rund 20 Jahren wurden Produkte aus ökologischem Anbau noch verstärkt von jüngeren Verbrauchern (25-34 J.) nachgefragt. Ältere Konsumenten, etwa ab 35 Jahren, reagierten erst mit zeitlicher Verzögerung auf die damalige Innovation biologischer Produkte. 10 Jahre später (Mitte der 90er) wiesen die 50-65-Jährigen den höchsten Konsumanstieg auf, während bei den jüngeren Verbrauchern der Konsum von Bioprodukten auf dem Niveau von 1989 stagnierte [Fricke, 1995; 1996]. In westlichen Industrieländern macht die Altersgruppe der 30-49-Jährigen mit einem Anteil von 76% die größte Gruppe der Ökokäufer aus [Jung, 1998]. Unabhängig vom Alter handelt es sich jedoch um eine sehr heterogene Personengruppe und der Kauf von Bioprodukten ist auf alle Fälle von der Sozialisation abhängig [JUNG, 1998c]. Der durchschnittliche Käufer von biologisch erzeugten Lebensmitteln ist überwiegend jünger als 50 Jahre, mit einem oder zwei Kindern in einem 2 bis 5-Personen-Haushalt lebend und verfügt über ein höheres, zumindest mittleres Bildungsniveau [Meier-Ploeger et al., 1997]. Kartoffel Milch 1999 Gem üse 1998 Käse 1997 Obst 0 5 10 15 Prozent 157 20 Abb. 3.22: Anteil von Bioprodukten bei ausgewählten Warengruppen [mod. nach AMA, 1999] Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Eine weitere wesentliche Rolle scheint die Höhe des Einkommens zu spielen. Da Biolebensmittel meist teurer sind, werden diese eher von Haushalten mit höherem Einkommen gekauft. Warum greifen Konsumenten zu Bioprodukten? Neben den genannten soziodemographischen Merkmalen können Käufer auch anhand ihrer Motive und Einstellungen charakterisiert werden. Der Motivbegriff umfasst Bezeichnungen wie Bedürfnis, Trieb, Neigung, Streben etc. Gemeinsamkeiten ergeben sich bei all diesen Begriffen aus der Ausrichtung auf ein Ziel, das es zu erreichen gilt. Mit Einstellungen verbindet man hingegen Umwelteinflüsse und Erfahrungen, welche Meinungen und Anschauungen prägen. Eine inhaltliche Trennung zwischen beiden Begriffen und den daraus resultierenden Verhaltensweisen ist oft nicht möglich. Obwohl sich mit Hilfe von Einstellungen eher Käufergruppen segmentieren und Kaufverhaltensweisen prognostizieren lassen. Hingegen sind Kaufmotive mehr von einem kurzfristigen Charakter geprägt und sie können durch marketingpolitische Maßnahmen verkaufsfördernd beeinflusst werden [Ziemann und Thomas, 2003]. Kaufmotive: Das zentrale Motiv für den Kauf von biologisch erzeugten Lebensmitteln scheint die "Gesundheit" zu sein, gefolgt von "Umweltschutzmotiven", erst dann dürften "geschmackliche Qualitätsmerkmale" eine Rolle spielen. Die Reihenfolge der Kaufmotive wird auch vom betreffenden Lebensmittel beeinflusst, welches gekauft wird. Einstellungen: Als Einstellungen mit hohem Erklärungswert für das Kaufverhalten können folgende genannt werden [Fricke, 1996c]: - Vertrauen/Misstrauen in konventionell erzeugte Nahrungsmittel - Wichtigkeit von gesunder Ernährung - Bessere Eigenschaften von biologischen Produkten Wobei die Entwicklung einiger Einstellungsdimensionen auf einen Trendwechsel hindeutet. Das zwischen 1984 und 1989 sehr stark gesunkene Vertrauen in konventionelle Lebensmittel ist in den letzten Jahren wieder angestiegen. In einer Kreuzauswertung nach Käufertyp zeigt sich eine positive Korrelation zwischen Misstrauen und steigendem Konsum von Bioprodukten [Fricke, 1996c]. Eine inhaltliche Übereinstimmung lässt sich somit in Bezug auf eine gesundheitsbewusste Ernährung, Umweltschutz und Geschmack im Sinne von Lebensmittelqualität erkennen. Diese Äquivalenz ist deswegen von Bedeutung, da positive Einstellungen erst in Verbindungen mit entsprechenden Motiven zu einem Kauf führen [Ziemann und Thomas, 2003]. Qualität von Lebensmitteln aus Biologischer Landwirtschaft Der subjektive Begriff Qualität wird nach DIN-EN-ISO 8402 vorerst wertfrei definiert als die "Gesamtheit von Merkmalen einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen" [Beck, 1998]. Im Hinblick auf divergierende Anforderungen (Lebensmittelproduzent, Verarbeiter, Verbraucher, etc.) kann die Definition von Qualität sehr unterschiedlich ausfallen. Entsprechend der klassischen Ernährungswissenschaft wird die ernährungsphysiologische Qualität in erster Linie durch die Anforderungen, wie sie die Handelsklassenverordnung vorschreibt (Gewicht, Form, Größe, Farbe, Fehlerfreiheit) beurteilt. Außerdem durch einen hohen Anteil an wertgebenden Inhaltsstoffen (essentielle Nährstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe, etc.) bei gleichzeitig geringem Anteil an wertmindernden Inhaltsstoffen (Schwermetalle, Pestizide, Nitrat, Toxine) [Meier-Ploeger, 1988]. In der konventionellen Landwirtschaft wird die Produktqualität hauptsächlich nach den drei Gesichtspunkten Genuss-, Gesundheits- und Eignungswert eingeteilt. Traditionell stehen dabei die unmittelbaren Eigenschaften des Produkts für die Bedürfnisse von Handel, Verarbeitung, Lagerung und Transport (Eignungswert) im Vordergrund. Die Bedürfnisse des Konsumenten (Genuss-, Gesundheitswert) werden oftmals nur zum Teil berücksichtigt. Zunehmend wird aber der Produktionsweise und Verarbeitung von Lebensmitteln bezüglich ihrer Wirkung auf Gesellschaft und Umwelt (ökologischer, politischer, Sozialwert) eine höhere Beachtung eingeräumt. 158 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit In den letzten Jahrzehnten beschäftigte sich eine Reihe von Forschungsarbeiten mit dem Thema der Qualität von Produkten aus biologischem Anbau, häufig im Vergleich zu konventionellen Lebensmitteln. Sensorische Qualitätsbeurteilung: Die sensorische Qualität von Lebensmitteln wird mit Hilfe geschulter Sinne (Sehen, Riechen, Schmecken, Tasten) ermittelt und dabei werden die Faktoren Aussehen (Farbe, Form), Aroma (Geruch, Geschmack) und die Textur (Konsistenz, Saftigkeit) durch Verkostungstests (Degustation) beurteilt. Zwar sind die Ergebnisse solcher Degustationstests nicht immer eindeutig, aber dennoch werden Bioprodukte tendenziell meist besser beurteilt. Beispielsweise bevorzugten 77% (n=482) bei einem solchen Test mit Äpfeln, die biologisch angebaute Sorte [Velimirov et al., 1995]. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam Varis et al. [1996], der die geschmackliche Qualität von biologisch angebauten Kartoffeln untersuchte. Auch vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien wurden bereits solche vergleichende sensorische Untersuchungen zwischen biologischer und konventioneller Ware (Apfelsäfte, Schafkäse, Fleischarten) durchgeführt (siehe Österreichischer Ernährungsbericht 1998). Dabei wurden die biologischen Varianten von Rindfleisch und Apfelsäften in Summe besser beurteilt. Es zeigt sich aber oft auch eine Abhängigkeit vom getesteten Produkt sowie von den technologischen Produktionsbedingungen. In einer anderen Studie wurde untersucht, ob durch verschiedene Düngevarianten der Parameter Geschmack beeinflusst wird. Dabei ergab sich mit steigender Düngung eine leichte Abnahme von Geschmack, Konsistenz, Farbe und Geruch. Besonders deutlich war diese Tendenz bei den mineralisch gedüngten Varianten [Schulz et al., 1997]. Nitratgehalt: In der Diskussion um die Vorteile des biologischen Landbaus hat die möglicherweise geringere Nitratanhäufung in Boden, Grundwasser und Ernteprodukt eine zentrale Stellung eingenommen. Aber auch organisch produziertes Gemüse weist in der Regel weniger Nitratgehalt auf als konventionell erzeugtes bzw. mineralisch gedüngtes. Höherer Nitratgehalt in konventionell angebauten Produkten tritt vor allem bei nitrophilen Gemüsearten wie Blatt-, Wurzel- und Knollengemüse auf [Woese et al., 1995]. Ernährungsphysiologisch relevante Inhaltsstoffe: Eine Fähigkeit der Pflanzen ist es, sich an unterschiedliche Umweltbedingungen anzupassen. Neben der äußerlichen Gestaltveränderung werden auch Veränderungen in deren stofflichen Zusammensetzung beschrieben. Zahlreiche Analysen von wertgebenden Inhaltsstoffen (Vitamine, Mineralstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe etc.) zeigen entweder keine signifikanten Unterschiede zwischen biologischen und konventionellen Produkten oder Bioprodukte sind hinsichtlich der beschriebenen Inhaltsstoffe und des Trockenmassegehalts tendenziell überlegen. Auch bei Milch, Fleisch und Eiern können verschiedene Qualitätsmerkmale durch die Fütterung beeinflusst werden. Über die Bedeutung von konjugierten Fettsäuren wurde in jüngster Vergangenheit diskutiert. Im Pansen von Wiederkäuern entstehen durch bakterielle Hydrierung aus Linolsäure und anderen mehrfach ungesättigten Fettsäuren (PFS) konjugierte Derivate. Ihnen wird, wie den PFS, unter anderem eine antikanzerogene und antiatherogene Wirkung zugeschrieben. Wegen ihrer besonderen ernährungsphysiologischen Eigenschaften findet die Linolsäure mit zwei konjugierten Doppelbindungen (CLA) hervorragende Beachtung. Im Fleisch von Rindern aus biologischer Haltung wurde in einer Studie von Pastushenko et al. [2000] im Vergleich zur herkömmlichen Tierhaltung eine 10fach höhere Konzentration an CLA ermittelt. Die Erklärung für diesen Unterschied wird im unterschiedlichen verwendeten Futter gesehen. Durch den höheren Rohfaser- und geringeren Energiegehalt des Weidefutters bei Freilandhaltung (wie auf Biobetrieben üblich) wird die Entstehung von CLA durch begünstigte Fermentationsbedingungen gefördert. 159 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Pestizidrückstände und Schwermetallbelastung: Im biologischen Landbau ist der Einsatz von Xenobiotika stark eingeschränkt bzw. dürfen chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel nicht eingesetzt werden. Deshalb ist es nicht überraschend, dass Produkte aus biologischer Landwirtschaft deutlich geringer mit Rückständen von Pflanzenschutzmitteln belastet sind als Produkte aus konventionellem Landbau. Hinsichtlich der Schwermetallbelastung fallen die Unterschiede weniger deutlich aus. Vermutlich ist die Ursache im ubiquitären Vorkommen von Schwermetallen, wie Blei, Cadmium und Quecksilber zu finden. Lagerungsverhalten: Bei der Beurteilung der Produktqualität wird oft auch das "Nachernteverhalten" zur Differenzierung zwischen biologischer und konventioneller Ware herangezogen. Der Begriff "Nachernteverhalten" wird häufig synonym mit Lagerungsverhalten, Lagerungsfähigkeit, Lagerungseignung, Haltbarkeit oder aus dem Englischen "post harvest condition" verwendet. Die Resultate aus diversen Untersuchungen weisen im Allgemeinen darauf hin, dass ein besseres Lagerungsverhalten der biologischen Produkte ein durchaus geeigneter Parameter für die Differenzierung unterschiedlicher Anbausysteme sein kann [FAO, 2000]. Tierversuche: Futtermittel aus unterschiedlichen Anbaubedingungen dienen als Grundlage für Fütterungsversuche und Futterwahlversuche, mittels deren Aussagen über die Qualität der Nahrungspflanzen und ihre Auswirkungen auf biologische Merkmale (z.B. Fruchtbarkeit der Versuchstiere) getroffen werden. Durch Fütterungsversuche kann die Bedeutung der Inhaltsstoffe für die Gesunderhaltung von Lebewesen beurteilt werden. Die entsprechenden Forschungsergebnisse zeigten dabei einen positiven Einfluss von biologischer Fütterung auf die Fruchtbarkeit und Gesundheit der Versuchstiere. Bei Futterwahlversuchen wird das instinktive Wissen der Versuchstiere, ihre physiologischen Bedürfnisse zu befriedigen, zu Hilfe genommen. Damit soll auf ganzheitliche Weise die physiologische Produktqualität geprüft werden. Die Bevorzugung von Bioprodukten konnte in solchen Futterwahlversuchen mehrfach belegt werden. Eine im Jahr 1999 vom Ludwig-Boltzmann Institut für Biologischen Landbau durchgeführte marktorientierte Vergleichsuntersuchung an Karotten zeigte, dass bei dem einwöchigen Futterwahlversuch mit Laborratten von den biologischen Karotten signifikant mehr gefressen (81%) wurde als von der konventionellen Variante [Velimirov, 1999]. Schlussbetrachtung Biologische Landwirtschaft zeichnet sich gegenüber der konventionellen hauptsächlich durch den Verzicht von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln, eine nachhaltige Fruchtfolge sowie eine standortangepasste Auswahl der Nutztierrassen aus. Außerdem benötigt der biologische Landbau gegenüber dem herkömmlichen pro Fläche nur etwa ein Drittel der fossilen Energie. Somit ist die Biologische Landwirtschaft von hohem Nutzen für die Umwelt, z.B. für die Sicherung der Artenvielfalt und des Klima- und Trinkwasserschutzes. Eines der zentralen Kaufmotive der Konsumenten ist ihr Interesse an Umweltfragen. Dieses kann von Seiten des gegenwärtigen Standes der Wissenschaft bestätigt werden. Die Bewertung der Lebensmittelqualität im vergleichenden Sinn ist ebenfalls von besonderer Bedeutung. Bei pflanzlichen Lebensmitteln aus biologischem Anbau ist generell mit weniger Rückständen zu rechnen (z.B. Nitrat, Pestizide). Die Unterschiede im Gehalt an wertgebenden Inhaltsstoffen (essentielle Nährstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe, Ballaststoffe etc.) fallen meist weniger deutlich aus. Zwar können Lebensmittel aus biologischer Produktion im Rahmen einer insgesamt ausgewogenen Ernährung, dem Kaufmotiv gesundheitsfördernder Lebensmittel entsprechen, dass sie generell gesünder sind, lässt sich derzeit wissenschaftlich aber nicht belegen. Die Rangfolge von Ernährungsrisiken wird aus der Sicht der Konsumenten häufig falsch gewichtet, da nicht Umweltkontaminanten oder Zusatzstoffe, sondern noch immer das Ernährungsverhalten (Fehlernährung), pathogene Keime (mangelhafte Hygiene) und natürlich vorkommende toxische Inhaltsstoffe die Rangfolge der Risiken im Ernährungssystem anführen. Schlagworte wie "gesünder" sollten im Rahmen von wissenschaftlichen Diskursen zurückhaltend verwendet werden, vor allem in Bezug auf Fremd- und Schadstoffe. Das Freisein der Lebensmittel von diesen Stoffen wird von den 160 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Konsumenten als eine Selbstverständlichkeit betrachtet und nicht als eine Besonderheit. Eine realisierbare Gesundheitsförderung und Risikominimierung chronischer Erkrankungen stellt die bedarfsgerechte, vielseitige, überwiegend vegetabile Ernährungsweise, mit einem hohen Ballaststoff- und Frischeanteil dar. Die Bevorzugung von Nahrungsmitteln aus biologischer Produktion stellt nicht nur eine Absage an die konventionelle Praxis der Lebensmittelproduktion dar, sondern leistet auch einen aktiven Beitrag zur Nachhaltigkeit und zu einem zukunftsfähigen ökologischen Gleichgewicht. Schlussendlich kann die Frage, ob Bioprodukte die Erwartungen der Konsumenten hinsichtlich des Geschmacks erfüllen, mit "Ja" beantwortet werden. In so genannten Degustationstests, in denen die sensorische Qualität von Lebensmitteln beurteilt werden kann, werden Bio-Lebensmittel großteils besser beurteilt. 161 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit 3.7 Gentechnisch veränderte Lebensmittel Zusammenfassung Obwohl die Europäer keine Angst vor neuen Technologien (Computer, Telekommunikation, Solarenergie, etc.) haben, lehnt der Großteil und allen voran die österreichische Bevölkerung den Einsatz von gentechnologischen Methoden im Bereich der Landwirtschaft und Lebensmittelherstellung mit der Begründung "unsicher", "ökologisch bedenklich" und "unnatürlich" ab. Vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien wurden 1996, 2000 und 2002 Umfragen zum Thema Gentechnik und ihren Anwendungen im Lebensmittelbereich durchgeführt. Das allgemeine Wissen über Bio- und Gentechnologie hat sich in diesem Zeitraum von 7 Jahren geringfügig verbessert. In einem europaweiten Vergleich des Allgemeinwissens über Biotechnologie platziert sich die österreichische Bevölkerung im Mittelfeld. Das ergab die letzte "Eurobarometer-Umfrage, 2002" zum Thema Biotechnologie. Als Hauptinformationsquellen wurden Massenmedien (TV, Zeitungen, etc.) genannt. Der Anteil derjenigen, die sich nicht ausreichend über GV-Lebensmittel informiert fühlten, war in allen drei Befragungen mit rund 85% weitgehend gleich groß. Obwohl sich die Kaufbereitschaft von gentechnisch veränderten Lebensmitteln wesentlich erhöht hat, lag diese in der letzten Befragung immer noch unter 20%. Am ehesten würden GV-Lebensmittel noch gekauft werden, wenn diese für den Verbraucher einen nachvollziehbaren und akzeptierten Nutzen mit sich brächten. Der Kennzeichnung kommt in diesem Zusammenhang eine herausragende Bedeutung zu. Über 90% des Studienkollektivs in allen drei Umfragen wünschte sich eine entsprechende Kenntlichmachung solcher Produkte. Diese soll informieren und dem Käufer Wahlmöglichkeiten einräumen. Von der Mehrheit der Befragten wurden Zusatzinformationen über die Unterschiede zwischen den GV-Lebensmitteln und den herkömmlichen Lebensmitteln gewünscht. In den voraussichtlich noch 2003 im EU-Raum in Kraft tretenden neuen und strengeren Regelungen im Bereich gentechnisch modifizierter Lebensmittel wurde versucht, viele Forderungen der Konsumenten und Verbraucherschutzorganisationen zu berücksichtigen. Als unmittelbare Folge der neuen Verordnung wird jedoch aller Voraussicht nach das seit 1998 bestehende De-facto-Moratorium für GV-Pflanzen fallen. Auch wenn sich nach wie vor einige Länder und deren Bevölkerung für eine Verlängerung dieses Stillhalteabkommens aussprechen. Allgemeines Zulassung und Kennzeichnung von Lebensmitteln aus gentechnisch veränderten Organismen (GVO) werden in der EU bisher durch die seit 1997 gültige Novel-Food-Verordnung geregelt (VO Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997). Dort zählen sie zu einer von sechs Kategorien von "neuartigen Lebensmitteln" (= Novel Food). Im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 sind diese ausführlich beschrieben [Elmadfa et al., 1998]. Im Juli 2003 hat das EU-Parlament zwei neue Regelungen im Bereich gentechnisch veränderter Lebensmittel angenommen. Somit werden gentechnisch hergestellte Lebens- und Futtermittel künftig unter eine eigene Verordnung fallen. Die neuen, deutlich strengeren Regelungen werden voraussichtlich noch 2003 in Kraft treten. Es handelt sich dabei um die Verordnung über "genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel" (Kommissionsvorschlag KOM/2001/425) sowie um die Verordnung "über die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von genetisch veränderten Organismen und über die Rückverfolgbarkeit von aus genetisch veränderten Organismen hergestellten Lebensmitteln und Futtermitteln" (Kommissionsvorschlag KOM/2001/182). Unter die neue Verordnung fallen erstmals auch Futtermittel, die jetzt genauso wie Lebensmittel behandelt werden. Lebensmittel und Zutaten mit geringfügigen GVO-Beimischungen sind von der neuen Regelung ausgenommen. Es gilt ein Schwellenwert von 0,9% und zudem müssen diese Anteile zufällig und technisch unvermeidbar in ein Produkt gelangt sein. Bedingungen für die Zulassung von GV-Lebensmitteln Die Kriterien um eine Zulassung zu erhalten bleiben grundsätzlich wie in der Novel Food-Verordnung: 1. gesundheitliche Unbedenklichkeit 2. keine Irreführung, Täuschung des Verbrauchers 162 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit EU-Land Gentests Klonen Enzymvon produkmensch- tion lichen Zellen XenoPflanzen- Lebenstransproduk- mittelplantation tion produktion Spanien ++ ++ ++ + ++ + Portugal ++ ++ + + + + Irland ++ + + + + + Belgien ++ + + + + - Schweden ++ ++ + + - - Dänemark ++ + + + - - UK ++ + + + + - Finnland ++ + + - + + Luxemburg ++ ++ + + - -- Deutschland + + + + + - Italien ++ ++ + + - - Niederlande + + + + + - Frankreich ++ + - + - -- Griechenland ++ + + - - -- Österreich + + + - - - ++ starke Unterstützung (0,5 und darüber); + schwache Unterstützung (0,0 bis 0,49) - schwache Ablehnung (0,0 bis -0,49); -- starke Ablehnung (-0,5 und darunter) 3. der normale Verzehr als Ersatz des konventionellen Lebensmittels führt zu keinen Ernährungsmängeln Umfangreiche Änderungen sind jedoch bei den Genehmigungsvoraussetzungen zu erwarten. So wird beispielsweise vom Prinzip der "Substanziellen Äquivalenz" abgegangen werden. Auch bei der Kennzeichnung wird vom derzeitigen Nachweisprinzip abgegangen. Alle Lebens- und Futtermittel, in denen auch nur ein Teil des Ausgangsprodukts gentechnisch verändert wurde, müssen mit der Kennzeichnung "Produkt enthält gentechnisch veränderte Organismen" bzw. "...wurde aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellt" versehen werden. Voraussetzung für das neue Kennzeichnungskonzept ist die Rückverfolgbarkeit und lückenlose Dokumentationen von gentechnischen Veränderungen über die gesamte Produktionskette hinweg. Akzeptanz von GV-Lebensmitteln in Europa Wie die letzten Eurobarometer-Umfragen im Bereich Biotechnologie (n=16500) zeigten, haben die Europäer keine Angst vor neuen Technologien. Die überwiegende Mehrheit glaubt, dass Computer, Internet, Telekommunikation, Solarenergie etc. die Lebensqualität in den nächsten 20 Jahren verbessern werden. Hingegen lehnt der Großteil der Europäer den Einsatz von Nuklearenergie ab und in der Bio- bzw. Gentechnologie wird zwischen den verschiedenen Anwendungsgebieten unterschieden. Im medizinischen Bereich werden neue Technologien vom europäischen Konsumenten weitgehend akzeptiert. Im Gegensatz dazu stößt der Einsatz von Gentechnik im Bereich der Landwirtschaft und Lebensmittelherstellung überwiegend auf Ablehnung. In Österreich ist die Akzeptanz für die Anwendung der Gentechnik im Vergleich zu anderen Ländern sehr gering (Tab. 3.21) [Eurobarometer BT, 2002]. 163 Tab. 3.21: Ausmaß der Unterstützung bzw. Ablehnung für sechs Einsatzmöglichkeiten der Gentechnik [mod. nach EUROBAROMETER BT, 2002] Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Abb. 3.23 Trends in der Kaufbereitschaft von gentechnisch veränderten Lebensmitteln in Österreich 100% 80% 60% Nein 40% Ja 20% 0% 1996 2000 2002 Bekanntlich existiert in der EU seit 1998 ein vom Umweltministerrat beschlossenes de-facto-Moratorium für alle Neuzulassungen von gentechnisch veränderten Lebensmitteln. In allen Ländern (Ausnahme: Belgien), die für eine Verlängerung dieses Zulassungsstopps sind (Frankreich, Italien, Griechenland, Dänemark, Luxemburg und Österreich), spricht sich die Mehrheit der Bevölkerung gegen den Einsatz von Gentechnik im Bereich der Lebensmittelproduktion aus [EB BT, 2002]. Bis vor einigen Jahren bestand zwischen Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitern, Handel und Verbrauchern ein Vertrauensverhältnis. Daher war in der Vergangenheit das Interesse der Bevölkerung an Details bezüglich Herstellungsmethoden nicht sehr groß. Zahlreiche Lebensmittelskandale (z.B. BSE, Nitrofen in Hühnerfleisch etc.) haben das Vertrauen der Konsumenten erschüttert. Zusätzlich hat der Einsatz von Gentechnik in der Lebensmittelproduktion eine neue Situation geschaffen. Mangelnde Transparenz und Nichtwissen bezüglich der Sinnhaftigkeit von neuen Technologien und Produktionsmethoden können den Konsumenten verunsichern und letztendlich zur ablehnenden Haltung gegenüber innovativer Produktionsmethoden führen. Trends und Akzeptanz von GV-Lebensmitteln in Österreich Vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien wurden in den letzten drei Jahren zwei Studien zum Thema gentechnisch veränderte Le- Unnatürlichkeit Unsicherheit ökologisch bedenklich 2002 2000 1996 Ethik Abb. 3.24: Gründe für die Ablehnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln, Vergleich 1996-2002 Gesundheitsgefährdung Unnötigkeit* 0 5 10 15 20 Antw orten in % 164 25 30 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit bensmittel durchgeführt. Aufgrund der aktuellen Gegebenheiten sollen die Untersuchungen vor allem im Hinblick auf die Kaufbereitschaft von solchen Erzeugnissen und der Erwartungshaltung hinsichtlich der Kennzeichnung ausgewertet werden. Außerdem können die Ergebnisse mit der inhaltlich nahezu identischen Umfrage des Instituts aus dem Jahre 1996 verglichen werden. Die damaligen Ergebnisse wurden im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 beschrieben [Elmadfa et al., 1998]. Eine der beiden aktuellen Teilstudien wurde im Herbst 2000 in Oberösterreich (Stadt und ländlicher Bereich) durchgeführt. Von den 600 an Erwachsene ausgegebenen Fragebögen konnten 452 ausgewertet werden. Davon waren 182 von Frauen, 266 von Männern, 4 Personen machten keine Angaben zum Geschlecht. Die zweite Erhebung zu dieser Thematik fand im April/Mai 2002 in Wien und Wien/Umgebung statt. Unter den insgesamt 600 gültig befragten Erwachsenen waren 327 Frauen und 273 Männer. Das allgemeine Wissen der Bevölkerung zur Bio- und Gentechnologie kann aufgrund der Ergebnisse durchaus als beachtlich eingestuft werden. Die überwiegende Mehrheit des Gesamtkollektivs (zwischen 72 und 95%) aus beiden Teilstudien konnte die Begriffe "Gene", "Gentechnologie" und "Biotechnologie" richtig zuordnen. 1996 wussten zwischen 69 und 88% die richtigen Antworten zu den Fragen [Elmadfa und Weiss, 1997]. In einem Vergleich mit anderen EU-Ländern liegen die österreichischen Konsumenten mit ihrem allgemeinen Wissen über Gene und Biotechnologie im Mittelfeld [EB BT, 2002]. Der Kenntnisstand hat sich in den letzten drei bis vier Jahren tendenziell verbessert. Nahezu unverändert ist aber der Anteil an Personen geblieben (rund 85%), die sich zum Thema "gentechnisch veränderte Lebensmittel" (GVL) nicht ausreichend informiert fühlten. Der Großteil der Befragten kam über Tageszeitungen und Fernsehen mit dem Thema in Kontakt. In "Massenmedien" werden Informationen jedoch oft nur verkürzt und dadurch leicht missverständlich aufbereitet. Wie Abb. 3.23 veranschaulicht, verdoppelte sich die Kaufbereitschaft im Vergleich zu den vergangenen Jahren. Dennoch war der Prozentsatz derjenigen, die GVL kaufen würden mit 16% vergleichsweise gering. Weil sie "länger haltbar sind", "Zusatzstoffe ersetzen" und "billiger sind" wurden hauptsächlich als Gründe für einen Kauf genannt. In der Eurobarometer-Befragung waren der Gesundheitsnutzen durch geringere Pestizidrückstände und ein möglicher Nutzen für die Umwelt die überzeugendsten Argumente, welche für einen Kauf sprachen. Überraschenderweise lag bei dieser Studie der Preis als Kaufanreiz für GVL an letzter Stelle [EB BT, 2002]. Die Ablehnung von GV-Lebensmitteln hält noch an Viele Bemühungen von Seiten der Regierung, Industrie oder Organisationen wie Greenpeace bezüglich Gentechnik zu informieren, sind von der Annahme geleitet, dadurch die Einstellung der Öffentlichkeit beeinflussen zu können. Die These über den Zusammenhang zwischen spezifischem Wissen und Akzeptanz dürfte aber vielmehr auf Vermutungen und Hoffnungen beruhen [Pfister et al., 1999]. Gentechnisch veränderte Lebensmittel wurden in den beiden letzten Umfragen häufiger aufgrund ökologischer Bedenken abgelehnt als noch 1996. Hingegen waren ethische Gründe und die Unnatürlichkeit von GVL für die vorhandene Skepsis aktuell weniger ausschlaggebend (Abb. 3.24). Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Studien eine breite Ablehnung von GVL, wonach es ziemlich schwierig sein dürfte, für solche Produkte Käufer zu finden. Auf die Frage, ob das Studienkollektiv ein gentechnisch modifiziertes Weißbrot kaufen würde, das länger frischt bleibt und nicht teurer als herkömmliches Weißbrot ist, antwortete die überwiegende Mehrheit mit "eher nein". In der vor drei Jahren in Oberösterreich durchgeführten Befragung gaben nur 10% an, ein solches Brot kaufen zu wollen und 2002 im Raum Wien waren es 15%. Insgesamt sprachen sich signifikant mehr Männer als Frauen für einen Kauf aus. Auch hinsichtlich des Alters waren signifikante Unterschiede zu erkennen. Größere Kaufbereitschaft zeigte sich bei den unter 30-Jährigen. Das bedeutet, dass sich selbst bei einem offensichtlichen Nutzen für den Verbraucher (längere Haltbarkeit, billiger, etc.) keine erhöhte Kaufbereitschaft zeigte. In den USA ist seit 1998 eine gentechnisch veränderte Tomate – Flavr-Savr® – zugelassen, die trotz Ernte im ausgereiften Zustand bis zu 6 Wochen gelagert werden kann, ohne matschig zu werden ("Anti-Matsch-Tomate"). Zu dieser Aussage sollten vorgegebene Antwortmöglichkeiten ausgewählt werden. 93% (2000) bzw. 87% (2002) waren der Meinung, dass "heimische Tomaten eher nach biologischen Richtlinien produziert werden sollten", womit sich die große Mehrheit gegen GVTomaten aussprach. 165 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Abb. 3.25: Gewünschte Zusatzinformationen bei der Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln Unterschied Anteil im Produkt 2002 2000 1996 Herstellungsland Kalorien und Nährwert 0 20 40 60 80 Häufigkeiten* in % *Mehrfachantworten waren möglich Anders als in USA, Japan und Kanada sind in der EU weder gentechnisch veränderte Tomaten, noch die daraus hergestellten Produkte, zugelassen. Der Anbau von GV-Tomaten geht derzeit jedoch auch in den USA zurück und es bestehen Tendenzen, dass dieser ganz eingestellt wird. Die Firma Calgene (heute Monsanto) führt den mangelnden Erfolg auf die geringen Erträge und schlechte Resistenzeigenschaften der Anti-Matsch-Tomate zurück [Transgen, 2003]. Kennzeichnung von GV-Lebensmitteln: Mehr Information, höhere Akzeptanz? Dennoch wird, wenn überhaupt, nur dann ein entsprechender Marktanteil zu erreichen sein, wenn GV-Lebensmittel für den Konsumenten in bestimmter Weise nützlich sein werden (Gesundheit, Umwelt, Preis, etc.) und dementsprechend gekennzeichnet sind. Der Vorteil muss für den Verbraucher jedoch nachvollziehbar und unmissverständlich sein. Die Einführung neuer Produkte und Verfahren muss von einem Gestaltungsdialog begleitet sein, in dessen Rahmen die Nutzungsformen der neuen Technik zwischen allen Beteiligten und Betroffenen der Gesellschaft ausgehandelt werden. Nur eine verbraucherorientierte Information durch Wirtschaft, Wissenschaft und Politik und die Transparentmachung von Produktionsprozessen kann das Vertrauen des Konsumenten in Lebensmittelproduktion und -verarbeitung gewinnen [Simonis, 1996]. Wie erwähnt, kommt der Kennzeichnung in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. Sie ist nötig, um den Verbraucher richtig zu informieren und ihm Wahlmöglichkeiten zu eröffnen. Dass der Bedarf nach Kenntlichmachung gentechnisch modifizierter Produkte besteht, zeigt auch das Ergebnis der hier diskutierten Umfragen: Über 80% der Befragten sprachen sich für eine "unübersehbare, unmissverständliche Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel" aus und für weitere 13% war zumindest ein "kurzer Hinweis auf eine eventuelle gentechnische Veränderung" wichtig. Mit Sicherheit ist die Kennzeichnung von GV-Lebensmitteln im Sinne von Produzenten und Verbrauchern. Neben dem verfahrensspezifischen Hinweis auf die Gentechnik wären zusätzliche Hinweise für den Verbraucher nützlich (z.B. mögliches Allergen für Allergiker). Auf die Frage nach der Art der Zusatzinformation entschied sich die Mehrheit (rund 60%) des Studienkollektivs (Oberösterreich und Wien) für die Antwortmöglichkeit "Informationen über Unterschiede des gentechnisch veränderten Produkts zum herkömmlichen". Rund die Hälfte der Befragten wollte wissen, "wie hoch der gentechnisch modifizierte Anteil am Gesamtprodukt ist" (Abb. 3.25). 166 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Um das Vertrauen der Konsumenten in "Gütesiegel" zu steigern, scheint eine sachgerechte und Zielgruppenorientierte Aufklärung über GV-Lebensmittel durch Wirtschaft, Wissenschaft und Politik angebracht. Schlussfolgerung Die Gentechnologie als Querschnittstechnologie wird in unterschiedlichen Anwendungsfeldern genutzt. Ihr Einsatzbereich erstreckt sich über die Medizin und Pharmazie sowie Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion. Seit ihrer Einführung in den 80er Jahren bis heute ist sie Gegenstand von überwiegend emotionell geführten Debatten. Von der Bevölkerung wird Gentechnologie nach Anwendungsbereichen differenziert bewertet. In der Pflanzen- und Tierzucht ist die ablehnende Haltung Europaweit am größten. Das generelle Unbehagen, das diese Technologie oft auslöst, scheint an Einfluss zu verlieren, sobald über spezifische Anwendungen gesprochen wird. Auch in der Öffentlichkeit sind die Tendenzen dahingehend, dass nüchterner über diese Technologien diskutiert wird. Die einzelnen Anwendungen werden offenbar stärker aufgrund ihrer spezifischen Effekte und vor allem aufgrund des erwarteten Nutzens beurteilt. Es bestehen Theorien, welche die geringe Akzeptanz der GVL in zu geringem Wissen über Gentechnologie vermuten. Die vorliegenden Untersuchungen bestätigen diese Thesen jedoch nicht. Information ist dennoch erwünscht und auch nötig. Die Verständigung mit dem Konsumenten kann nur durch einen offenen transparenten Dialog erfolgen, in dem Wirtschaft und Politik die Bedenken der Verbraucher Ernst nehmen. 167 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit 3.8 Nährstoffanreicherung von Lebensmitteln Zusammenfassung Das Interesse an nährstoffangereicherten Lebensmitteln (NAL) nimmt sowohl von Seiten der Konsumenten als auch von Seiten der Lebensmittelproduzenten ständig zu. Dementsprechend wird das Angebot am Markt immer umfangreicher. Das Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien führte deshalb in den letzten Jahren einige Studien zu diesem Thema durch. So ergab eine zwischen Dezember 1997 und Mai 1998 durchgeführte Geschäftsbegehung, dass 73% der insgesamt fast 500 verschiedenen am österreichischen Markt befindlichen Produkte mit Vitamin C angereichert waren. Damit kam dieses Vitamin mit Abstand am häufigsten zum Einsatz, obwohl der Ernährungsstatus der Bevölkerung mit Vitamin C als gut eingestuft werden kann. Mineralstoffe wurden weitaus seltener zugesetzt. Die wenigsten NAL waren auf die Bedürfnisse von speziellen Zielgruppen zugeschnitten. Die Mehrheit (rund 60%) eines aktuell befragten Kollektivs von Erwachsenen (n=312) stand der Nährstoffanreicherung von Lebensmitteln eher skeptisch gegenüber. Die "Unnatürlichkeit" solcher Produkte und eine "ausreichend gesunde Ernährung" wurden als Begründung für die ablehnende Haltung angeführt. Als Argumente für einen Kauf wurden das "Wohlbefinden" und etwaige "Nährstoffdefizite aufzufüllen" genannt. Eine weitere Österreichweit durchgeführte Fragebogenerhebung (n=1700) zeigte eine gestiegene Akzeptanz von NAL. Rund 50% des befragten Kollektivs gaben an, solche Produkte zu kaufen. Ohne Zweifel wird durch den Verzehr von NAL die Zufuhr an einigen Vitaminen wirksam angehoben. Das Gesamtkollektiv (n=1700) deckte z.B. 40% der empfohlenen Vitamin C-Zufuhr alleine durch den Konsum von NAL. Leider erfolgt die Anreicherung meist willkürlich und besondere Belange von etwaigen Risikogruppen, wie z. B. alte Menschen, werden zu wenig beachtet. Bei Mikronährstoffen, bei denen eine Anhebung der Zufuhr durchaus sinnvoll wäre (Folsäure, Vitamin D), ist wiederum die Dosierung zu gering. Andere Nährstoffe werden in Mengen zugesetzt, die weit über das erforderliche Maß hinausgehen (z.B. Niacin). Jedoch besteht unter der üblichen Anreicherungspraxis derzeit für die Allgemeinbevölkerung durch den Konsum von NAL keine Gefahr einer Überdosierung mit einzelnen Mikronährstoffen. Allgemeines Unter Anreicherung versteht man die Zugabe eines oder mehrerer essentieller Nährstoffe zu einem Lebensmittel, egal ob dieser Nährstoff natürlich in dem Lebensmittel enthalten ist oder nicht. Das Konzept der Nährstoffanreicherung soll in diesem Beitrag klar von den sogenannten "Funktionellen Lebensmitteln" bzw. Functional Foods abgegrenzt werden, obwohl das oftmals schwierig ist. Die primäre Funktion von Lebensmitteln ist die Grundversorgung mit Nahrungsenergie und essentiellen Nährstoffen. Der sekundäre Wert umfasst die sensorischen Eigenschaften. Funktionelle Lebensmittel sollen eine zusätzliche gesundheitsfördernde Wirkung bieten (tertiäre Funktion), die über die erwähnten zwei Funktionen hinausgeht. Eckdaten zur Entwicklung der Lebensmittelanreicherung Die Nährstoffanreicherung von Lebensmitteln wurde bereits vor rund 80 Jahren eingeführt. Die Jodierung von Tafelsalz in der Schweiz, Österreich und Deutschland, die Anreicherung von Margarine mit den Vitaminen A und D in Dänemark und Großbritannien sowie die Zugabe von Vitamin D zu Milch und Milchprodukten in Skandinavien können als eine der ersten belegten Beispiele einer Nährstoffanreicherung von Lebensmitteln genannt werden. Das ursprüngliche Ziel von Anreicherungsmaßnamen war die Sicherstellung der Nährstoffversorgung in der Bevölkerung. Selbst bei einer ausgewogenen Ernährung ist es je nach geographischer Lage und regionalen Besonderheiten nicht immer möglich, alle essentiellen Nährstoffe in ausreichenden Mengen über die vorhandenen Lebensmittel und üblichen Konsumgewohnheiten aufzunehmen. Ein gutes Beispiel dafür ist die unzureichende Jodversorgung in Alpenländern, wie der Schweiz, Süddeutschland und auch Österreich. Seit 1924 ist daher auch in Österreich ein mit Jod angereichertes Salz auf dem Markt und 1963 wurde die Jodierung (10 mg Kaliumjodid/kg) von Tafelsalz (für Endverbraucher) per Gesetz vorgeschrieben. 1990 wurde per Bundesgesetz eine Erhöhung des Kaliumjodid-Gehalts von 10 mg auf 20 mg/kg Speisesalz beschlossen. Der Grund dafür war, dass der Jod-Status immer noch nicht zufriedenstellend war, bei geringer gewordenem Salzkonsum (um etwas mehr als die Hälfte). 168 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Produktgruppe n % HerRechtliche Rahmenbedingungen steller Diese Zugabe von Kaliumjodid zu (n) Tafelsalz ist die einzige gesetzlich geBabynahrung 137 29,3 4 regelte Anreicherungsmaßnahme in Österreich. Davon abgesehen ist die Getränke 97 20,7 33 Lebensmittelanreicherung in ÖsterSüßwaren 79 16,9 27 reich frei, solange kein GesundheitsriGetränkepulver 50 10,7 18 siko gegeben ist und die Kennzeichnung nicht irreführend ist oder zur Zerealien 41 8,8 11 Täuschung führt [LMG, 1975]. D.h. es Milchprodukte 38 8,1 14 gilt das Missbrauchsprinzip, wonach alles erlaubt ist, solange es nicht ausSpeisefette 14 3,0 1 drücklich verboten wird. Derzeit besteSalz 10 2,1 4 hen in den einzelnen Mitgliedsstaaten Sonstiges 2 0,4 2 der Europäischen Union unterschiedliche nationale Vorschriften über den Summe 468 100 87 Zusatz von Nährstoffen zu Lebensmitteln. In den letzten Jahren ist eine verstärkte Vermarktung und Nutzung von angereicherten Lebensmitteln festzustellen. Daher hat die Europäische Kommission im Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit die Notwendigkeit harmonisierter Regeln betont und für 2003 Vorschläge für Rechtsakte angekündigt. Tab. 3.23 Anzahl der Produkte und Hersteller von nährstoffangereicherten Lebensmitteln am österreichischen Markt (1997/98) Gründe für die Nährstoffanreicherung Dem Anschein nach erfolgt die Nährstoffanreicherung heute, wo es keine gesetzlichen Normen gibt, eher aufgrund von technologischen und/oder ökonomischen Überlegungen. Häufig wird nicht auf etwaige Bedürfnisse von Risikogruppen eingegangen, sondern ein Produkt, bzw. ein Nährstoff gewählt, das bzw. der eine bestimmte Zielgruppe marktwirksam anspricht und sich somit besser verkaufen lässt. Im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 wurde in einem Kapitel zu diesem Thema der Anteil der Jodaufnahme aus Jodsalz beschrieben und ein erster Überblick über die Gesamtnährstoffaufnahme aus angereicherten Fruchtsäften von österreichischen Schulkindern (6-18 J.) gegeben. Außerdem wurden die damals in Österreich erhältlichen nährstoffangereicherten Lebensmittel aufgelistet. Seither führte das Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien weitere Studien dazu durch. Die wichtigsten Ergebnisse sollen im Folgenden dargestellt werden. Vitamine Mineralstoffe /Spurenelemente n (%) n (%) C 342 (73%) Calcium B1 218 (47%) Eisen 76 (16%) B6 203 (43%) Jod 40 ( 9%) Niacin 175 (37%) Magnesium 33 ( 7%) B2 168 (36%) Phosphor 33 ( 7%) E 165 (35%) Restliche Pantothensäure 144 (31%) D 27 (8%) K 8 (2%) 169 109 (23%) < 0.5% Tab. 3.24: Häufigkeitsverteilung der angereicherten Nährstoffe in den untersuchten Lebensmitteln (n=468=100%) Abb. 3.26: Relativer Anteil von nährstoffangereicherten Lebensmitteln für spezielle Zielgruppen in % Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit 50 40 30 20 10 0 er tik be ia re D ge an hw he Sc lic nd ge Ju r tl e or Sp rn r lte de in .E K w bz pe ys up ab gr el Zi B e in ke Nährstoffangereicherte Lebensmittel in Österreich Im Zuge von Geschäftsbegehungen (zwischen Dezember 1997 und Mai 1998) ausgesuchter Lebensmitteleinzelhandelsketten in Österreich sollte die Anzahl der am österreichischen Markt angebotenen nährstoffangereicherten Lebensmittel (NAL) erhoben werden [Wagner et al., 1999]. Die Ergebnisse bieten eine Übersicht über die Anzahl angereicherter Lebensmittelgruppen und deren Hersteller, sowie über das Nährstoffspektrum in Art und Menge. Insgesamt wurden 468 verschiedene NAL in Österreich erfasst. Die Produkte konnten in die Produktgruppen Getränke, Cerealien, Babynahrung, Süßwaren, Milchprodukte, Speisefette und Salz eingeteilt werden (Tab. 3.23). Ein Vergleich mit einer ähnlichen Studie aus dem Jahr 1994 [Elmadfa et al., 1994] zeigt, dass das Angebot an NAL in Österreich in diesen vier Jahren stark angestiegen ist (von 327 auf 468). Zugenommen hat aber auch die Anzahl der Produktgruppen, in welchen angereicherte Lebensmittel zu finden sind. Eine starke Zunahme an angereicherten Produkten ist vor allem bei den Getränken und den Cerealien zu beobachten. Für die Anreicherungsmaßnahmen kamen 29 verschiedene Mikronährstoffe zum Einsatz. Dabei wurden Vitamine, vor allem Vitamin C, weit häufiger zugesetzt als Mineralstoffe und Spurenelemente (Tab. 3.24). 37% der untersuchten Lebensmittel (insbesondere Babynahrung, Süßwaren und Salz) waren mit einem bestimmten Mikronährstoff angereichert, bis zu 5 Mikronährstoffe waren in 27% der Produkte enthalten und in weiteren 27% waren zwischen 6-10 Mikronährstoffe (Cerealien, Getränkepulver) zugesetzt. Die restlichen 9% wurden mit mehr als 10 verschiedenen Vitaminen bzw. Mineralstoffen/Spurenelementen angereichert. Die Produkte waren zumeist nicht eindeutig an eine bestimmte Zielgruppe gerichtet. Die Produktgruppe der Babynahrung setzte Eltern als Käufer voraus, an Kinder wendeten sich v.a. Hersteller von Energy Drinks. Sportler bildeten nur eine sehr kleine Zielgruppe, ebenso wie Schwangere, Jugendliche oder Diabetiker (Abb. 3.26). Der Beweggrund der Lebensmittelindustrie zur Anreicherung von Lebensmitteln mit Nährstoffen war nicht immer ersichtlich und es kann daher angenommen werden, dass ein Nährstoffzusatz nicht primär zur Verbesserung der Nährstoffversorgung der österreichischen Bevölkerung vorgenommen wurde. Einstellung und Konsum von nährstoffangereicherten Lebensmitteln in Österreich Von Mai bis Oktober 1998 wurde vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien eine Fragebogenerhebung zum Thema "Einstellung und Konsum von nährstoffangereicherten Lebensmitteln" durchgeführt. Dabei sollten die Fragen geklärt werden, welche Einstellung Erwachsene in Österreich zu NAL haben und in welchem Umfang sie diese bewusst bzw. unbewusst konsumieren. Das Gesamtkollektiv bestand aus 312 Erwachsenen (Stadt und Land), davon waren 63,5% weiblich und 36,5% männlich. Jedes 24-h-Protokoll wurde spezi- 170 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Abb. 3.27: Anteil von nährstoffangereicherten Lebensmitteln in der Ernährung von Erwachsenen in Österreich Süßigkeiten Fertiggerichte Margarine Milchprodukte Cerealien Getränke Instantgetränke 0 10 20 30 40 in % fisch auf angereicherte Produkte hin untersucht. 43% der befragten Frauen und 40% der befragten Männer gaben an, am Vortag angereicherte Lebensmittel verzehrt zu haben. Diesbezüglich war kein signifikanter Unterschied zwischen den Geschlechtern festzustellen. Die Analyse der konsumierten Produkte ergab folgendes Bild (Abb. 3.27). Die Mehrheit der Befragten (83%) kannte die richtige Antwort zur Frage Antwortmöglichkeit % der "Was sind nährstoffangereicherte LeNennunbensmittel?". Aber nur 22% des Kolgen lektivs standen einer Erzeugung von fraglich, ob es einer emp- 24% nährstoffangereicherten Produkten fehlenswerten Ernährung positiv gegenüber. entspricht Auf die Frage nach der persönwichtig, bei besonderem 18% lichen Einstellung zu NAL ergab sich Nährstoffbedarf aus 8 vorgegebenen Antwortmöglichwichtig, bei keinen drei aus- 16% keiten die in Tab. 3.25 zusammengegewogenen Mahlzeiten fasste Reihung. Nährstoffbezogene bzw. häufig überflüssig 10% gesundheitsbezogene Angaben auf nur Werbestrategie 10% den Verkaufsverpackungen solcher Lezuviel ist ungesund 8% bensmittel führten bei 81% des Kollektivs zu keiner Verunsicherung. 59% kein Beitrag zur gesunden 8% der Befragten glaubten auch nicht darErnährung an, dass durch den täglichen Konsum wertvoller Beitrag zur Er6% von NAL eine Überdosierung mit Vitanährung minen und Mineralstoffen möglich ist. Weniger Frauen (37%) und mehr Männer (46%) konnten sich dieses RiAntwortmöglichkeit % der siko jedoch sehr wohl vorstellen. NennunTrotzdem würden 59% einen mit Vitagen min C angereicherten Fruchtsaft kauNährstoffdefizit auffüllen 37% fen, wenn kein Preisunterschied zu eiWohlbefinden 35% nem ähnlichen Saft bestünde. Die Kaufbereitschaft eines solchen Saftes weil sie besser schmecken 9% war bei Frauen tendenziell höher, als weniger Kalorien 7% bei Männern (nicht signifikant). Maßgeblich für den Kauf von fortifizierten längere Haltbarkeit 7% Produkten war nach Meinung der Beweil sie billiger sind 3% fragten ein plausibler Nutzen, den ein weil sie schöner aussehen 2% solches Lebensmittel bietet. Das Wohl- 171 Tab. 3.25: Persönliche Einstellung des befragten Kollektivs (n=312) zu nährstoffangereicherten Lebensmitteln Tab. 3.26: Gründe für den Kauf von nährstoffangereicherten Lebensmitteln (n=90) Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Tab. 3.27: Gründe gegen den Kauf von nährstoffangereicherten Lebensmitteln (n=178) Antwortmöglichkeit % der Nennungen ausreichend gute Ernährung 37% Unnatürlichkeit 29% Unsicherheit 11% höherer Preis 11% Etikettenschwindel 8% ethische Gründe 3% befinden zu steigern und etwaige Nährstoffdefizite aufzufüllen waren in der vorliegenden Erhebung die Hauptargumente für einen Kauf (Tab. 3.26). Dagegen sprach eine ohnehin ausreichend gute Ernährung sowie die Unnatürlichkeit solcher Lebensmittel (Tab. 3.27). Im diesem Zusammenhang scheint es sinnvoll zu wissen, wie das Kollektiv seinen Vitamin- und MineralGesundheitsgefahr 1% stoffstatus bzw. die tägliche Nährstoffversorgung einschätzte. Immerhin schätzten 37% ihren Versorgungszustand als "gut", 38% als "befriedigend" und nur 6% als "schlecht" ein. 19% hatten sich darüber noch "nie Gedanken gemacht". Bei jungen Personen (jünger als 25 Jahre) war der Prozentsatz derer, die sich keine Gedanken über ihren Nährstoffhaushalt machen, kleiner als bei älteren Personen (>50 Jahre). NAL haben sicher einen "gewissen" Stellenwert in der Ernährung der Erwachsenen in Österreich. Jedoch achten Österreicher genauso auf den Verzehr von "frischen" und "natürlichen" Lebensmitteln. Im Allgemeinen war die Haltung zu NAL nicht eindeutig festzulegen. Die zusätzliche Nährstoffanreicherung von Lebensmitteln entsprach für den Großteil der Befragten keiner empfehlenswerten Ernährungsweise. Gleichzeitig wurde aber angeführt, dass angereicherte Produkte wichtig für etwaige Risikogruppen sein könnten. Nährstoffaufnahme aus nährstoffangereicherten Lebensmitteln Da sich das Angebot und der Konsum von nährstoffangereicherten Lebensmitteln am österreichischen Markt rasant entwickelt, führte das Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien im Jahr 2001 eine weitere Untersuchung zu diesem Thema durch. Die daraus gewonnenen Daten sollten die vorangegangenen Studien verifizieren und in einigen Punkten ergänzen. Insbesondere sollte die Nährstoffaufnahme aus NAL ermittelt werden. Insgesamt konnten 1700 Fragebögen (24-h-Recall mit Food Frequency Questionnaire) ausgewertet werden. Es wurden ausschließlich gesunde erwachsene (19-60 J.), in Österreich lebende Personen befragt. Um eine Stichprobe aus ganz Österreich zu erhalten, wurden jeweils Personen aus dem Osten (Wien, Niederösterreich), Süden (Kärnten, Steiermark) und dem Westen (Tirol, Vorarlberg) befragt. Das Gesamtkollektiv setzte sich aus 642 Männern (38%) und 1058 Frauen (62%) zusammen. Von den 1700 Befragten gaben 1057 (rd. 62%) Personen an, nährstoffangereicherte Lebensmittel zu kaufen (Abb. 3.28). Davon waren 346 (33%) Männer und 711 (67%) Frauen: 100% 80% Abb. 3.28: Kaufen Sie nährstoffangereicherte Lebensmittel? Antworten des Gesamtkollektivs (n=1700) 60% Nein 40% Ja 20% 0% Männer 172 Frauen Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Gesamt- "USER" Auf die Frage "Achten Sie auf eine kollektiv ausgewogene Ernährung?", gaben signifikant mehr Frauen (34%) als Män(n=1700) (n=914) in % in % ner (19%) an, darauf zu achten. Der Grund für dieses Ergebnis ist wahrVitamin C 40 74 scheinlich die allgemein gesündere LeVitamin B6 37 71 bensweise der Frauen. Zwischen den Niacin 29 52 Konsumenten ("USERN") und NichtKonsumenten von NAL konnte in dieVitamin B1 27 45 sem Punkt kein Unterschied festgeVitamin B 23 38 stellt werden. 2 In der Auswertung der 24-h-RePantothensäure 22 38 calls wurden nur jene Lebensmittel beVitamin B12 20 37 rücksichtigt, die zum Zeitpunkt der ErVitamin E 17 31 hebung am österreichischen Markt zu erwerben waren. Der Beitrag zur tägVitamin A 11 11 lichen Bedarfsdeckung (in % der D-AFolsäure 10 19 CH-Referenzwerte) aus NAL wurde jeweils für das Gesamtkollektiv sowie für Vitamin D 2 3 die tatsächlichen Konsumenten ("USER") von angereicherten Lebensmitteln ermittelt. Die Ergebnisse sind in Tab. 3.28 und 3.29 dargestellt. Beispielsweise deckte das Gesamtkollektiv alleine durch den Verzehr von NAL 40% der empfohlenen Vitamin C-Zufuhr. Demnach kann durch den Konsum von NAL die Zufuhr an einigen Vitaminen wirksam angehoben werden. Allerdings wird durch die aktuelle Praxis der Anreicherung hauptsächlich die Versorgung bei jenen Vitaminen verbessert, bei denen ohnehin eine zufriedenstellende Aufnahme in der österreichischen Bevölkerung vorliegt (siehe Kapitel 2). Hingegen wäre bei anderen Mikronährstoffen, wie Vitamin D und Folsäure, eine Anhebung der Zufuhr durchaus sinnvoll, wofür die Dosierungen in den NAL jedoch zu gering sind. Bei den angereicherten Mineralstoffen war der errechnete Beitrag zur Bedarfsdeckung nie höher als 10% (Tab. 3.29). Hier dürfte es sich einerseits also eher um Werbemaßnahmen handeln, weshalb sich der Griff zu angereicherten Produkten, um die Aufnahme an Mineralstoffen bzw. Spurenelementen zu verbessern, nicht lohnt. Andererseits muss die Anreicherung mit Mineralstoffen und Spurenelementen auch bedachtsamer erfolgen, da die relative physiologisch tolerierbare obere Grenze der täglichen Zufuhr (Tolerable Upper Intake Level, abgekürzt UL) niedriger liegt als bei den meisten (wasserlöslichen) Vitaminen. Mit dem Einsatz der nachträglichen Nährstoffanreicherung eröffnen sich neue Möglichkeiten zur qualitativen Verbesserung von Nahrungsmitteln. Diese Maßnahme sollte dazu dienen, bei Risikogruppen in der Bevölkerung NährstoffdefiziGesamtkol- "USER" te zu verhindern. Es fällt jedoch auf, lektiv (n=914) in dass die bisherigen Anreicherungsmaß(n=1700) in % nahmen noch zu wenig mit den tat% sächlichen Bedürfnissen abgestimmt Eisen 10 19 sind und eher aus Beweggründen des Kupfer 8 Marketings und des Bekanntheitsgrads der Nährstoffe in der Bevölkerung einCalcium 8 14 gesetzt werden [Erbersdobler, 2000]. Magnesium 7 14 Eine zu hohe Zufuhr an Vitaminen und Mineralstoffen/Spurenelementen Zink 4 7 kann jedoch auch schädliche WirkunJod 2* gen haben. Da dieses Risiko bei einem Fluor 1 exzessiven Konsum von NAL nicht aus- 173 Tab. 3.28: Mittlere tägliche Vitaminaufnahme aus nährstoffangereicherten Lebensmitteln in % der D-A-CHReferenzwerte (Altersgruppe 25-<51 J.) Tab. 3.29: Mittlere tägliche Aufnahme an Mineralstoffen/Spurenelementen aus nährstoffangereicherten Lebensmitteln in % der D-A-CHReferenzwerte (Altersgruppe 25-<51 J.) Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Tab. 3.30 "High Consumer" (= 95. Perzentile) der Mikronährstoffaufnahme und der Beitrag aus nährstoffangereicherten Lebensmitteln (NAL) bei österreichischen Erwachsenen (n=1700), getrennt nach dem Geschlecht Gesamtaufnah- Aufnahme aus me NAL D-A-CH UL m w m w m w m, w Vitamin A1 (mg) 3,0 3,2 0,5 0,4 1,0 0,8 3* β-Carotin2 (mg) 12,1 13,3 3,0 3,2 2-4 2-4 -ª Vitamin D (µg/d) 13,2 12,0 0 0 5 5 50* Vitamin E3 (mg) Vitamin B1 (mg/d) 35,0 31,9 13,5 10,5 14 12 300* 3,7 2,9 1,5 1,3 1,2 1,0 - Vitamin B2 (mg/d) 4,3 3,7 1,5 1,4 1,4 1,2 - Niacin4 (mg) 75 57 25 20 16 10 900ªª Vitamin B6 (mg/d) 5,7 4,3 3,0 2,2 1,5 1,2 25* Folsäure5 (µg) 571 489 204 167 400 400 1000* Vitamin B12 (µg/d) 15,4 10,3 2,2 1,3 3,0 3,0 - Vitamin C (mg/d) 435 360 230 180 100 100 2000** Calcium (mg/d) 2046 1851 432 323 1000 1000 2500* Phosphor (mg/d) 2630 2052 258 218 700 700 4000** Magnesium (mg/d) 683 524 144 100 350 300 250* ªªª Eisen (mg/d) 30 24 6 6 10 15 45** Zink (mg/d) 22,6 16,9 1,6 1,6 10 7 25* Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-β-Carotin; dieser Wert mal 0,16 ist in den Retinol-Äquivalenten enthalten; RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = mg α-Tocopherol + mg β-Tocopherol x 0,5 + mg γ-Tocopherol x 0,25 + mg α-Tocotrienol x 0,33; 4 Niacin-Äquivalent (NE) = 1 mg NE = 60 mg Tryptophan; 5 Folat-Äquivalent (FÄ) = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg Pteroylmonoglutaminsäure (PGA); * Scientific Committee on Food (SCF); ** Institute of Medicine/Food and Nutrition Board (IOM/FNB); ª Raucher sollten nicht mehr als 20 mg/d durch Supplemente aufnehmen; ªª für Nicotinamid, welches hauptsächlich für die Nährstoffanreicherung verwendet wird; ªªª aus Supplementen u. inkludiert nicht natürlich in Lebensmittel vorkommendes Magnesium keine Daten über nachteilige Effekte, kein UL abgeleitet 1 2 3 zuschließen ist, wurden die Gesamtnährstoffaufnahme sowie der Beitrag von NAL zur Gesamtaufnahme berechnet. Tab. 8 zeigt die aus dem 24-h-Recall ermittelte Zufuhr an ausgewählten Mikronährstoffen von "High Consumern" (= 95. Perzentile). D.h. 95% der Österreicher liegen in ihrer Nährstoffzufuhr unterhalb der angeführten Werte. Als Bezugswerte sind die entsprechenden D-A-CH-Referenzwerte sowie die vom wissenschaftlichen Lebensmittelausschuss (SCF) der EU-Kommission erstellten UL angeführt. Bei einigen Mikronährstoffen liegen noch keine UL vom SCF vor. In diesen Fällen sind die für den nordamerikanischen Raum gültigen meist vergleichbaren UL vom Institute of Medicine/Food and Nutrition Board angeführt. Das Risiko einer Überdosierung mit einem Mikronährstoff besteht demnach am ehesten bei Vitamin A. Bei diesem Nährstoff wurde der entsprechende UL von den "High Consumern" erreicht bzw. überschritten. Der Beitrag von NAL zur Gesamtaufnahme war bei Vitamin A jedoch eher gering. Im Gegensatz dazu trugen fortifizierte Produkte nicht unwesentlich zur hohen Niacinaufnahme bei. Der D-ACH-Referenzwert wurde um das 5fache überschritten. Eine Gesundheitsgefährdung besteht dennoch nicht. Laut ÖSES (Österreichische Studie zum Ernährungs- 174 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit status) handelt es sich bei Niacin um keinen Risikonährstoff, da alle untersuchten Bevölkerungsgruppen gut mit diesem Vitamin versorgt sind. Zwar besteht insgesamt bei Erwachsenen derzeit keine Gefahr einer Überdosierung durch nährstoffangereicherte Lebensmittel, jedoch unterstreichen die vorliegenden Ergebnisse die aktuell wenig zufriedenstellende Praxis der Nährstoffanreicherung. Ausblick Grundsätzlich besteht durch die Nährstoffanreicherung von Lebensmitteln die Möglichkeit die Nährstoffversorgung der Bevölkerung zu verbessern. Das wichtigste Kriterium bei der Auswahl der zugesetzten Mikronährstoffe sollte jedoch ein Mangel bzw. eine Unterversorgung in Teilen der Bevölkerung sein. Aktuell scheint die Nährstoffanreicherung aber eher willkürlich zu erfolgen, wodurch dem Verbraucher die scheinbare Sicherheit einer ausreichenden Nährstoffversorgung vorgegaukelt wird. Ferner kann es bei einer übermäßigen Zufuhr an Mikronährstoffen auch zu nachteiligen Wirkungen kommen. Allerdings besteht bei der derzeit üblichen Anreicherungspraxis keine Gefahr einer Überdosierung. Die Akzeptanz und die Kaufbereitschaft von NAL sind in der österreichischen Bevölkerung ohne Zweifel vorhanden. Das bestätigen die vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien durchgeführten Untersuchungen. Unsinnige Zusätze aus Gründen des Marketings könnten das Vertrauen der Konsumenten untergraben und Chancen für die Optimierung des Ernährungszustands der Bevölkerung entgegenwirken. 175 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit 3.9 Babynahrungsprodukte Zusammenfassung Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass alle Babynahrungsprodukte, insbesondere jene aus Gemüse, sowohl eine ausreichende Menge an Carotinoiden als auch an Retinoläquvalenten (RÄ) bereitstellen. Manche Breie aus Karotten wiesen sogar Werte von bis zu 4.6 mg RÄ/Glas (1 Glas = 190, 220 oder 250 g) auf, welche die Empfehlungen (D-A-CH -Referenzwerte) für Säuglinge im Alter zwischen 4 und 12 Monaten (0.6 mg RÄ/d) um ein Vielfaches übersteigen. Obwohl man annimmt, dass eine hohe Zufuhr an Carotinoiden keine gesundheitliche Gefährdung darstellt und die Verwertung von Carotinoiden im Körper zu keiner Hypervitaminose A führt, sollten diese Produkte nicht im Übermaß verzehrt werden. Die Analysen ergaben ferner, dass Gemüseprodukte hinsichtlich aller Carotinoide, mit Ausnahme von Lycopin und somit auch hinsichtlich der Retinoläquivalente, signifikant höhere Konzentrationen aufwiesen als die Obst- und Getreideprodukte. Produkte auf Obst- und Getreidebasis, welche auch Proben mit Aprikosen einschlossen, zeigten ausgeglichene Gehalte der beiden Carotinoidgruppen, d.h. Provitamin-A und Nicht-Provitamin-A-Carotinoiden. Dies unterstreicht die oftmals unterschätzte Bedeutung der Carotinoide aus Früchten und befürwortet die Einbeziehung von Obstbreien in die Säuglinsernährung. Außerdem sprechen neue Erkenntnisse, welche Carotinoiden aus orange gefärbten Früchten eine bessere Bioverfügbarkeit bescheinigen als denen aus Gemüse für eine vermehrte Aufnahme von Obstprodukten. Als Resultat sei festzuhalten, dass die untersuchten Produkte eine sehr gute Quelle an Provitamin A-Carotinoiden darstellen und sich in dieser Hinsicht hervorragend als Beikost und somit als ergänzende Nahrung zur Muttermilch eignen. Auf der anderer Seite sind sie aber auch durch den Gehalt an Nicht-Provitamin-A-Carotinoiden befähigt, einen Beitrag zur antioxidativen Abwehr gegen freie Radikale im Körper zu leisten. Aufgrund der hohen Vitamin E-Gehalte und Vitamin E/Poyenfettsäure-Quotienten von 1.9-3.4 (mg/g) sind Baby Food Produkte auch eine sehr gute zusätzliche Vitamin E-Quelle zur Muttermilch und Formulamilch für Säuglinge ab dem 5. Monat. Sie erhöhen die Gesamtzufuhr an Vitamin E (von ca. 15 bis 30%) und leisten einen wesentlichen Beitrag zur Prävention der Lipidperoxidation. Hinsichtlich der Vitamin K Empfehlungen für Säuglinge im Alter zwischen 4 und 12 Monaten, die bei einem Wert von 10 µg/d liegen und des niedrigen Vitamin K-Gehalts der Muttermilch (0.5 µg/100 g), können alle Gemüseprodukte mit einem durchschnittlichen Wert von 65 µg/100 g (1 Glas = 190, 220, 250 g) einen großen Beitrag zur Vitamin K-Versorgung leisten. Unter Berücksichtigung der Proben mit Spinat, die im Schnitt 700 µg Vitamin K/100 g enthalten, könnte dieser Beitrag wesentlich erhöht werden. Ferner können die untersuchten Babysäfte als potentielle Quelle für viele Nährstoffe, wie wasserlösliche Vitamine und Carotinoide betrachtet werden. Vitamin C und Carotinoide tragen zur Vitaminversorgung bei, besitzen aber auch antioxidative Eigenschaften, d.h. durch diese Produkte wird dem Baby ein bedeutender Anteil antioxidativ wirksamer Substanzen zugeführt. Obwohl Obst und Gemüse nicht zu den besten Vitamin B-Lieferanten gehören, wurde durch diese Arbeit deutlich, dass der mögliche Beitrag dieser Säfte zur Vitamin B1-, B2- und B6-Versorgung der Kinder nicht unterschätzt werden sollte. Allgemeines Muttermilch ist das Beste für das Baby. Alle Nährstoffe, die das Baby braucht, sind in ihr enthalten. Zwischen dem 4. und 6. Lebensmonat erlebt das Baby einen gewaltigen Entwicklungsschub und in dieser Phase kann der Energie- und Nährstoffbedarf nicht mehr alleine über die Milchnahrung gedeckt werden. Deshalb sollte ab diesem Zeitpunkt mit der Zufütterung von Beikost begonnen werden, wobei unter Beikost alle Lebensmittel außer Frauenmilch, Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung verstanden werden, die während des 1. Lebensjahres in die Ernährung des Säuglings eingeführt werden. Laut den Daten des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund (FKE), erhalten 95% der 6-12 Monate alten Säuglinge industriell hergestellte Beikostprodukte (Alexy und Kersting 1998, Kersting et al. 1998). Zu diesen Beikostprodukten in Gläschen (Baby Foods), die als Ergänzung der Muttermilch dienen sollen, gehören sowohl Gemüse-, Gemüse-Fleisch- oder Obstprodukte (ready-to-eat) als auch Obst- und Gemüsesäfte (ready-to-drink) (Commission Directive 96/5/EC). 176 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Babynahrungsprodukte in Österreich Um einen Überblick über das in Österreich im Handel befindliche Sortiment von Baby Food Produkten zu bekommen, wurden am Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien 65 Babynahrungsprodukte in Gläschen und 35 Babysäfte der Firmen Nestle (Alete), Hipp, Ja! Natürlich und Alnatura untersucht. Alle Produkte wurden in der Zeit zwischen August 1998 und Juni 2000 aus verschiedenen Wiener Lebensmittelgeschäften bezogen. Aus dem gesamten Sortiment, das im Einzelhandel erhältlich war, wurden Gemüseprodukte, für Säuglinge ab dem 5., 8. und 12 Lebensmonat und Obst- und Getreideprodukte für Säuglinge ab dem 5., 6. und 8 Monat ausgewählt. Von Babysäften, die ab dem 5. Lebensmonat vorgesehen sind, wurden alle, die sich auf dem Markt befunden haben, zur Untersuchung herangezogen, d.h. Säfte und Getränke ohne Anreicherung, Säfte mit Tee oder Mineralwasser (teilweise mit Vitamin C angereichert) und angereicherte Säfte (mit einer oder mehreren der folgenden Substanzen angereichert: Vitamin A, C, B1, B2, B6, B12, E, β-Carotin, Folsäure, Niacin, Pantothenat, Calciumlactat, Eisencitrat, Eisen-II-Sulfat, Zitronensäure). Da von jeder Sorte jeweils 2 Gläschen bzw. 2 Fläschchen mit unterschiedlichen Chargennummern herangezogen wurden, bestand das Analysematerial aus insgesamt 200 Proben. Babynahrungsprodukte in Gläschen Carotinoide und Vitamin A-Wirksamkeit In den Gemüseprodukten ab dem 5. Monat stellte β-Carotin mit 57% (4510 µg/100g) der durchschnittlichen Menge an Carotinoiden (7830 µg/100g) den Hauptanteil dar. Gefolgt wurde dieser Wert von Lycopin mit 19% (1480 µg/100g), α-Carotin mit 18% (1460 µg/100g), Lutein mit 4% (290 µg/100g) und Cryptoxanthin und Zeaxanthin mit jeweils 1% (40 µg/100g). Der Gehalt an Provitamin A-Carotinoiden betrug somit 76% und der an Nicht-Provitamin A-Carotinoiden 24%. Ein ähnliches Carotinoidprofil zeigten die Gemüseprodukte ab dem 8. und 12. Monat, wobei jedoch der Gesamtcarotinoidgehalt niedriger war (3072 µg/100g). Die Anteile betrugen 53% (1653 µg/100g) für β-Carotin, 21% (645 µg/100g) für Lycopin, 19% für α-Carotin (578 µg/100g), 5% (147µg/100g) für Lutein und wieder jeweils 1% (27 und 22 µg/100g) für Cryptoxanthin und Zeaxanthin. Anders verhielten sich jedoch die Konzentrationen der einzelnen Carotinoide in den Obst- und Getreideprodukten. Nicht nur der Gesamtcarotinoidgehalt war deutlich niedriger als in den Gemüseprodukten (436 µg/100 g), sondern auch die mengenmäßigen Anteile an ß-Carotin (36% oder 158 µg/100 g) und an α-Carotin (9% oder 38 µg/100 g). Im Gegensatz dazu waren die Carotinoide Lycopin, das allerdings nur in Proben mit Aprikosen nachgewiesen werden konnte (39% oder 169 µg/100 g), Lutein (8% oder 35 µg/100 g), Cryptoxanthin (5% oder 22 µg/100 g) und Zeaxanthin (3% oder 14 µg/100 g) dominanter vertreten, auch wenn die absoluten Konzentrationen wieder geringer waren als in den Gemüseprodukten. In dieser Produktgruppe waren die Gehalte an Vitamin Awirksamen und Nicht-Vitamin A-wirksamen Carotinoiden ausgeglichen (jeweils 50%) (Abb.3.29). Da Retinol hauptsächlich in tierischen Lebensmitteln vorkommt und in Pflanzen nur in Spuren enthalten ist, zeigten die Ergebnisse der Retinol-Analyse durchwegs niedrigere Gehalte. Die Gesamte Vitamin A-Aktivität berechnet aus Retinol und den Vitamin A-wirksamen-Carotinoiden, ausgedrükkt als Retinol-Äquivalente (RÄ), bewegte sich in Gemüseprodukten zwischen 0.03 und 2.43 mg RÄ/100 g und in Obst- und Getreideprodukten zwischen 0.01 und 0.12 mg RÄ/100 g. Der durchschnittliche Wert in der Gruppe Obst- und Getreideprodukte (0.03 mg RÄ/100 g) war signifikant niedriger als dieser Wert in den beiden Gruppen von Gemüseprodukten: 0.88 mg RÄ/100 g - Gemüseprodukte ab dem 5. Monat; 0.33 RÄ/100 g - Gemüseprodukte ab dem 8. und 12. Monat (Abb. 3.30). Die große Streubreite unter Gemüseprodukten wurde durch hohe β- und α-Carotin Konzentrationen in Frühkarotten- und Karotten-Gläschen verursacht, welche die höchsten Gehalte an Vitamin A-Äquivalenten zeigten (bis zu 4.5 RÄ/Glas; 1 Glas = 190, 220 oder 250 g) (Frank 1999, Majchrzak et al. 2000). Vitamin E-Gehalt und Fettsäuremuster Die α-Tocopherolgehalte waren in Gemüseprodukten 1.5 bis 2.5mal und in Obst- und Getreideprodukten 3mal höher als die γ-Tocopherolgehalte. Der berechnete Wert von Tocopheroläquivalenten (mg TÄ/100 g) lag bei Gemüseprodukten zwischen 0.6 bis 0.8 und betrug bei Obst- und Getreideprodukten 0.4 (Abb. 3.31). Bei der Berücksichtigung der Vitamin E-Empfehlung (D-A-CH-Referenzwerte) für Säuglinge zwischen 4 und 12 Monaten, die bei 4 mg TÄ/Tag liegt, und der α- und γ-Kon- 177 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Abb. 3.29. Zusammensetzung der Carotinoide in verschiedenen Gruppen von Babynahrung Tab. 3:.31 Fettsäuremuster (%), P/SQuotient, n6/n3-Quotient der untersuchten Babynahrungsprodukte Produkt- Gemüse Gemüse gruppen Produkte Produkte ab dem ab dem 5. Monat 8., 12. Monat Obstund Getreideprodukte GFS 31 37 36 MFS 23 24 26 PFS 46 39 38 P/S 1.5 1.1 1.1 n6/n3 13.5:1 11.6:1 10:1 GFS…Gesättigte Fettsäuren MFS…Monoenfettsäuren PFS...Polyenfettsäuren Obst- u. Gemüseprodukte zentrationen in Baby Food Produkten allgemein (im Mittel 0.52 mg α-Tocopherol/100 g und 0.25 mg γ-Tocopherol/100 g) trugen α-Tocopherol 88% und γ-Tocopherol 12% zur Vitamin EAktivität bei. Von allen identifizierten Fettsäuren war die Linolsäure die am meisten vertretene Fettsäure in Baby Food Produkten (92%). Danach kamen die Palmitinsäure mit 88% und Ölsäure mit 78%. Die Stearinsäure wurde in 64% der Proben festgestellt. Die drei anderen gesättigten Fettsäuren wurden in 31% (Miristinsäure), 16% (Laurinsäure) und 13% (Caprinsäure) der Proben nachgewiesen. Die α-Linolensäure wurde in 33% der Proben gefunden, 0,03 GP am dem 8. und 12. Monat 0,3 GP am dem 5. Monat Abb. 3.30: Mittlerer Gehalt an RetinolÄquivalenten in ausgewählten Babynahrungsprodukten 0,9 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 Retinol-Äquivalente (mg/100 g) GP...Gemüseprodukte; Retinol-Äquivalent = 1 mg Retinol = 6 mg all-trans-â-Carotin; 178 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit 1,1 GP ab dem 8. und 12. Monat 1,9 2,3 0,6 mg TÄ/g GL mg TÄ/g DÄ 2,3 GP ab dem 5. Monat mg TÄ/ g PFS 2,9 4,2 mg TÄ/100 g Produkt 0,8 Abb. 3.31: Mittlerer Gehalt an Tocopherol-Äquivalenten in ausgewählten Babynahrungsprodukten 2,4 Obst- u. Getreideprodukte 3,4 4,5 0,4 0 2 mg TÄ 4 6 GP...Gemüseprodukte; GL...Gesamtlipide; DÄ...Diensäureäquivalent; PFS...Polyenfettsäuren; TÄ = RRR-á-Tocopherol -Äquivalent = mg á-Tocopherol + mg â -Tocopherol x 0,5 + mg ã-Tocopherol x 0,25 + mg á-Tocotrienol x 0,33 die Palmitoleinsäure in 13% der Proben (Abb. 3.32). Allgemein betrachtet war der Gehalt an gesättigten und ungesättigten Fettsäuren in allen drei untersuchten Gruppen von Baby Food Produkten ziemlich ausgeglichen (31, 37, 36% - GSF, 23, 24, 26% - MFS, 46, 39, 38% - PFS). Der P/S-Quotient (Polyunsaturated/Saturated-Ratio) variierte von 1.1 bis 1.5. Das Verhältnis zwischen n:6/n:3 (Linolsäure/α-Linolensäure) betrug 10:1 in Obst- und Getreideprodukten bis zu 13.5:1 in Gemüseprodukten ab dem 5. Monat (Tabelle 3.31). Dieses Verhältnis entspricht den Empfehlungen für Infant Formulas and follow-on Formulas (5:1 bis 15:1) der ESPGAN Committee (European Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition) (Aggett et al. 1991). Die TÄ/PFS-Quotienten (2.3-4.5) stimmten mit den ESPGAN Empfehlungen für Formulas, dh. sie waren > 0.9 mg Vitamin E/g PFS. Die durchschnittlichen TÄ/DÄ-Quotienten (1.9-3.4) entsprachen den SCFEmpfehlungen (0.5 mg TÄ/g DÄ) (Abb. 3.32) (Elmadfa und Majchrzak 2000; Majchrzak und Elmadfa 2001a). Vitamin K-Gehalte Vitamin K als Phyllochinon war in 100% der untersuchten Proben nachweisbar. Allgemein betrachtet erbrachten Gemüseprodukte ab dem 5. Monat vergleichbare Vitamin K-Mengen wie Gemüseprodukte ab dem 8. und 12. Monat. Die signifikanten Unterschiede entstanden erst bei der Berücksichtigung von Proben mit Spinat (Abb. 3.33), was auf den Vitamin K-Gehalt im Spinat zurückzuführen ist Abb. 3.32. Häufigkeit des Vorkommens verschiedener Fettsäuren in den untersuchten Babynahrungsprodukten 179 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Abb. 3.33. Vergleich der Vitamin K-Gehalte verschiedener Babynahrungsprodukte Obst - und Getreideprodukte 17 GP ab 8. und 12. Monat 64 GP ab 5. Monat ohne Spinat 67 GP ab 5. Monat mit Spinat 132 0 20 40 60 80 100 120 140 Vitamin K (µg/100 g) GP... Gemüseprodukte (270-400 µg/100g) (Booth et al. 1993, 1995). Zu den Produkten, die hohe Phyllochinon-Konzentrationen zeigten, gehörten auch jene, die Broccoli beinhalteten (Broccoli: 110-270 µg/100 g) (Booth et al. 1993, 1995). Ebenfalls hohe Vitamin KWerte wurden in den reinen Karottenprodukten gefunden, obwohl die Karotte nicht zu den Vitamin K-reichsten Produkten zählt. Die Zugabe von Sonnenblumenoder Maiskeimöl, deren Vitamin K-Gehalte zwischen 6-10 und 3 µg/100 g liegen, konnte die Ergebnisse nicht wesentlich beeinflussen. Das Sojaöl beinhaltet hingegen 145-190 µg Vitamin K/100 g. Leider wird auf dem Etikett nicht immer bekannt gegeben, welche Ölsorte bei der Zubereitung verwendet wurde. In Obst- und Getreideprodukten waren die Vitamin K-Konzentrationen geringer und bewegten sich lediglich zwischen 10 und 20 µg/100 g (Majchrzak und Elmadfa 2001b). Dies kann damit erklärt werden, dass in verschiedenen Obstsorten nur geringe Vitamin KMengen vorkommen (Bananen: 0.1-0.5 µg/100 g, Pfirsiche, Aprikosen 3-5 µg/100 g, Äpfel und Birnen ca. 6 µg/100 g, Heidelbeeren 6-12 µg/100 g) (Booth et al. 1993, 1995, Koivu et al. 1997, Shearer et al. 1996). Babysäfte Ab einem Alter von 6 Monaten erhalten fast alle Kinder Obst- und Gemüsesäfte, die das Baby u.a. mit Antioxidantien, wie Carotinoide und Vitamin C, versorgen. Die untersuchten Babysäfte waren eine gute Quelle sowohl an Provitamin A als auch Nicht-Provitamin-A-Carotinoiden. Von allen identifizierten Provitamin-ACarotinoiden wurde β-Carotin in 71% der Proben gefunden, α-Carotin in 57% und Cryptoxanthin in 26% der untersuchten Säfte. Unter Nicht-Provitamin-A-Carotinoiden wurde Lutein in 60% der Proben, Zeaxanthin in 50% der analysierten Säfte detektiert. Lycopin wurde allerdings nur in einem Saft, der Aprikosen beinhaltete, gefunden (39 µg/100 ml) (Majchrzak et al. 2001) (Abb. 3.34). Einige Karottensäfte wiesen sehr hohe Konzentrationen an ß-Carotin auf (2100-11500 µg β-Carotin/100 m), was bei einem übertriebenen Konsum zu einer Hypercarotinämie der Säuglinge führen kann. Da aber kleine Saftmengen verzehrt werden (Alexy und Kersting, 1998), sollte keine Gefahr für den Säugling bestehen. Um dem Auftreten der Hypercarotinämie bei Kindern vorzubeugen, wird eine genaue Kontrolle der β-Carotin-Konzentration von Karotten, die für Babyprodukte verwendet werden, empfohlen. Die Gehalte der anderen Carotinoide betrugen: α-Carotin: 650-3700 µg/100 ml, Lutein 6-170 µg/100 ml, Zeaxanthin 0.9-9.3 µg/100 ml, Cryptoxanthin 0.2-4.4 µg/100 ml (Lindahl 2002). Im Gegensatz zur bisherigen Praxis, wo im Bezug auf eine adäquate Vitamin A-Einnahme die Mengen an Provi- 180 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Abb. 3.34. Häufigkeit des Vorkommens der Carotinoide in den untersuchten Babysäften tamin-A-Carotinoiden im Vordergrund standen (die empfohlene Einnahme an Carotinoiden bezieht sich immer noch ausschließlich auf β-Carotin), sollte auf die gesamte Menge an Carotinoiden in der jeweiligen Obst- und Gemüseart geachtet werden. Die Vitamin C-Gehalte variierten sehr stark (2-50 mg/100 ml) in den untersuchten Babysäften. Hohe Vitamin C-Konzentrationen zeigten nicht nur Vitamin Cangereicherte Säfte, sondern zum Teil auch solche ohne Anreicherung, was auf die Bestandteile wie Acerolakirschen, schwarze Johannisbeeren und rote Trauben zurückzuführen ist. Bei der Zufuhr von Vitamin C mit angereicherten und nicht angereicherten Säften konnten keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden. Der Beitrag von beiden betrug zwischen 6 und 22% der D-A-CH-Referenzwerte (Tabelle 3.32). Obwohl Obst und Gemüse nicht zu den besten Vitamin B-Lieferanten gehören, zeigten unsere Untersuchungen, dass sowohl angereicherte als auch nicht angereicherte Babysäfte aus verschiedenen Obst- und Gemüsesorten einen wesentlichen Beitrag zur Versorgung mit B-Vitaminen leisten können. Basierend auf den Angaben der Aufnahme von Babysäften für Säuglinge zwischen 6 und 12 Monaten (16-53 g/Tag) (Alexy und Kersting 1998), lag der Beitrag der Babysäfte an der Zufuhr von B-Vitaminen mit nicht angereicherten Säften bei 2-14% der DA-CH-Referenzwerte. Mit angereicherten Säften bewegte sich die mittlere Aufnahme an Vitamin B2 und B6 zwischen 10 und 30%, bei Vitamin B1 erreichte sie bis zu 44% der Empfehlungen (Tabelle 3.32) (Majchrzak et al. 2001, Lindahl et al. 2001, Lindahl 2002, Majchrzak et al. 2003). Zufuhr mit Säften (% des D-A-CH-Referenzwertes) für Säuglinge im Alter von 6 9 12 Monaten angereichert mit Vit. C 7 22 16 nicht angereichert 6 20 14 angereichert mit Vit. B1 nicht angereichert 13 44 31.5 4 12 9 angereichert mit Vit. B2 nicht angereichert 8 27.5 20 2 7 5 angereichert mit Vit. B6 nicht angereichert 9 30 21 4 14 10 181 Tab. 3.32: Zufuhr an wasserlöslichen Vitaminen (C, B1, B2, B6) mit angereicherten und nicht angereicherten Säften für 6, 9 und 12 Monate alte Säuglinge (in % der D-ACH Referenzwerte) Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit 3.10 Light-Produkte Zusammenfassung Um die Akzeptanz und den Konsum von "light"-Produkten zu testen, wurde im Jahr 2002 in Wien, Oberösterreich, Tirol und Südtirol eine Fragebogenuntersuchung durchgeführt. "Light"-Produkte gewinnen in unserer Gesellschaft, wo Übergewicht ein massives Gesundheitsproblem darstellt, immer mehr an Bedeutung. Bereits jeder Zweite der befragten Österreicher konsumiert "light". Zu den Hauptkonsumenten von "light"-Produkten zählen Frauen, Adipöse und Personen mit höherem Bildungsniveau. Gekauft werden "light"-Lebensmittel, um das Gewicht zu halten und aus gesundheitlichen Gründen. Die Mehrheit der Befragten sehen "light"-Produkte als "typisches Produkt unserer Wohlstandsgesellschaft", ein Drittel halten sie für "überflüssig" und "teuer". Die beliebtesten "light"-Produkte sind Milch(produkte), Käse, Fruchtsäfte und Öle. Geschmack, Gesundheit und Preis sind die wichtigsten Auswahlkriterien beim Einkauf von Lebensmitteln. "Light"-Produkte können eine Gewichtsreduktion unterstützen, wenn man sie sinnvoll einsetzt und gleichzeitig seine Ernährungsgewohnheiten hin zu mehr Getreideprodukten, Obst und Gemüse, welche von Natur aus "light" sind, umstellt. Allgemeines Die stetige Zunahme von stark Übergewichtigen ist ein Problem mit dem sich heute fast alle westlichen Industriestaaten beschäftigen müssen. Auch für Österreich lassen sich die Prognosen bestätigen, dass die Prävalenz der Fettsucht im Ansteigen begriffen ist. Es ist allgemein bekannt, dass unter anderem ungünstige Ernährung sowie wenig Bewegung wesentliche Faktoren für die Entstehung von Übergewicht darstellen. Das heißt, mögliche Angriffspunkte für eine Prävention oder Therapie sind die Reduktion der Energiezufuhr und/oder die Erhöhung des Energieverbrauchs durch Bewegung. Ob light-Produkte die Lösung für das Problem Übergewicht darstellen, ist umstritten. Seit es light-Produkte auf dem Markt gibt, stehen sie im Kreuzfeuer von Befürwortern, die meinen, light-Produkte können bei einer Gewichtsreduktion behilflich sein, und Gegnern, die der Ansicht sind, dass light-Produkte nur ein "Marketing-Gag" sind und sogar eine vernünftige Ernährungsweise verhindern würden. Begriffsbestimmung "Light"-Produkte nehmen in den Supermarktregalen immer größeren Raum ein. Dem Konsumenten ist jedoch kaum bekannt, was sich hinter dem Begriff "light" verbirgt. Bei den light-Lebensmitteln handelt es sich nicht um völlig neue Produktinnovationen, sie sind lediglich Abwandlungen herkömmlicher Varianten. Das heißt, der Verbraucher kann die gleichen Produkte genießen, wie er es gewohnt ist, mit dem Unterschied, dass er dabei in erster Linie entweder weniger Energie, Fett oder Zucker aufnimmt. In der Regel wird nämlich der Brennwert der Lebensmittel durch Zusatz von Luft, Wasser, Bestandteilen ohne Brennwert (Ballaststoffe, Süßstoffe, Fettersatzstoffe) oder durch Bestandteile mit geringerem Brennwert, d.h. Protein statt Fett, Kohlenhydrate statt Fett, Zuckerersatzstoffe statt Zucker vermindert (Bergmann, 1999). Der Begriff "light" oder "leicht" ist im Zusammenhang mit Lebensmitteln weder lebensmittelrechtlich definiert noch geschützt. Die Bedeutung von "light" variiert je nach Kontext in dem das Wort gebraucht wird. So kann "light" verschiedenes bedeuten: kalorienarm, kalorienreduziert, nährstoffreduziert, fettreduziert, fettarm, wenig Zucker, leicht gesalzen, leicht bekömmlich, alkoholarm oder alkoholfrei, kohlensäurearm oder koffeinarm (DGE, 1999). Es kann sogar Ausdruck für ein Lebensgefühl sein ("sich leicht fühlen"). Auf jeden Fall geht es darum, dass es sich bei Lebensmitteln und auch anderen Waren (z.B. Zigaretten light) um eine bedarfsangepasste Abweichung vom jeweiligen Standardprodukt handelt. Die Kennzeichnung "light" soll dem Verbraucher zu erkennen geben, dass die Ware eine spezielle Anforderung erfüllt. Light muss allerdings nicht automatisch weniger Fett, Zucker, oder Kalorien enthalten als ein herkömmliches Produkt. Die Kennzeichnung erfolgt freiwillig durch Produzenten und Verpacker. Eines der wichtigsten Gebote ist, dass der Konsument nicht getäuscht werden darf (Blass, 1993). Im Österreichischen Lebensmittelbuch (ÖLMB) sind nur einige Produktgruppen geregelt (Brustbauer, 1993): - "Leichtbier darf höchstens 9° Stammwürze und maximal 3,7 Vol.-Prozent Alkohol enthalten - "Light-Würste" (fettarme Würste) dürfen höchstens einen Fettgehalt von 15% (±2%) aufweisen 182 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit reduziert/ leicht/ „light“ Kalorische Inhalts- Andere Inhaltsstofstoffe z.B. fe z.B. Kalorien/“Brennwert“ Sonstiges z.B. - Fett - Natrium - Handhabung - Zucker - Cholesterin - Aroma - gesättigte Fettsäuren - Alkohol - Verdaulichkeit - Farbe - "Light-Mayonnaise" ist eine gestreckte Mayonnaise mit einem Fettgehalt von 25% - "Leichtkonfitüre" hat einen erhöhten Mindestfruchtanteil - "Leicht-Milchprodukte" müssen verglichen mit dem Standardprodukt um 33% weniger Kalorien enthalten - "Light" gereifter Käse und Schmelzkäse müssen = 25% F.i.T. aufweisen; - "light-Frischkäse" = 10% F.i.T. (Foissy, 1996) Bezieht sich "light" allerdings auf den Energiegehalt, muss das Produkt jedenfalls kalorienreduziert sein. Die Bezeichnungen "kalorienarm" und "kalorienreduziert" sind lebensmittelrechtlich definiert. "Kalorienreduzierte" Produkte müssen mindestens 30% weniger Energie liefern als herkömmliche Lebensmittel. "Kalorienarme" Nahrungsmittel dürfen nicht mehr als 50 kcal pro 100 g verzehrsfertiges Produkt enthalten, bei Getränken, Suppen und Brühen nicht mehr als 20 kcal pro 100 ml. Die Produkte müssen nicht im Energiegehalt reduziert werden, auch Produkte, die von Natur aus kalorienarm sind (z.B. Gemüse, Obst), können als solche deklariert werden. Lebensmittel für eine "kalorienarme Ernährung zur Gewichtsreduktion" müssen nach der Richtlinie 96/8/EG der Kommission vom 26.02.1996 aus Gründen des Verbraucherschutzes verschiedene Vorschriften, die Zusammensetzung und Etikettierung betreffend, erfüllen. Für light-Produkte als Tagesration wird ein Brennwert zwischen 800 und 1200 kcal vorgeschrieben, für einzelne Mahlzeiten zwischen 200 und 400 kcal. Pro Tag sollen diese Produkte zwischen 10 und 30 g Ballaststoffe enthalten. Für Proteine und Fette sind Höchstwerte vorgeschrieben und für 12 Vitamine und 11 Mineralstoffe Mindestwerte. Der Verbraucher muss sich über die Etiketten über Brennwert (in kcal und kJ) und Gehalt an Proteinen, Kohlenhydraten und Fetten, sowie über die durchschnittlichen Mengen der Mineralstoffe und Vitamine informieren können. Die Österreicher geben jährlich etwa 92 Millionen Euro für light-Produkte aus. Doch diese Produkte sind nicht zwangsläufig ernährungsphysiologisch günstiger als herkömmliche Nahrungsmittel. So bringt beispielsweise der Austausch von Zucker durch Süßstoff wenig, wenn das Produkt nach wie vor fettreich ist. LightProdukte verführen möglicherweise zu höherem Konsum und sind daher nicht immer die Lösung bei Gewichtsproblemen. Es darf nicht übersehen werden, dass Wasser und Luft in diversen light-Produkten oft teuer bezahlt werden. Mit einem kritischen Blick auf die Zutatenliste, insbesondere den Fettgehalt, kann der Konsument preisgünstiger einkaufen (Buttermilch, Joghurt mit 1% Fett, Krakauer, Schinken, Hüttenkäse, usw.). Sinnvoll ist nach wie vor eine Umstellung des Essverhaltens hin zu fettarmen Milchprodukten, mageren Käse-, Wurst- und Fleischsorten sowie zu den natürlicherweise "leichten" Produkten mit hoher Nährstoffdichte wie Obst, Gemüse, Rohkostsalaten, Kartoffeln und Vollkornprodukten. Eine gesunde Alternative zu energiereduzierten Erfrischungsgetränken stellen z.B. Mineralwasser, verdünnte Obst- und Gemüsesäfte und ungesüßte Tees dar. Akzeptanz von Light-Produkten bei Erwachsenen Bereits 1996 wurde vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien eine Erhebung über die Akzeptanz von light-Produkten bei Wiener Erwachsenen durchgeführt (Ernährungsbericht 1998). Ziel der Untersuchung war, 183 Tab. 3.33: Kennzeichnung von "light" im Zusammenhang mit Lebensmittelqualität (Foissy, 1996) Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Tab. 3.34: Stichprobenumfang des Gesamtkollektivs (Wien, OÖ, Tirol u. Südtirol) bzw. der Altersgruppen n % n % n % weibl. weibl. männl. männl. Gesamt Gesamt 18-25 Jahre 83 56 64 44 147 28 26-35 Jahre 67 47 77 53 144 27 36-45 Jahre 56 63 33 37 89 17 46-55 Jahre 60 68 28 32 88 16 56-65 Jahre 26 55 21 45 47 9 > 65 Jahre 9 64 5 36 14 3 Gesamtkollektiv 301 57 228 43 529 100 die Akzeptanz und ihre Auswirkungen auf den Konsum zu erfassen. Im Jahr 2002 wurde die Befragung ausgeweitet und in Wien, Oberösterreich, Tirol und Südtirol erneut durchgeführt (Doliana 2003, Wastlbauer 2003). Insgesamt wurden 800 Fragebögen ausgeteilt, 614 wurden retourniert. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 77%. Nach Berücksichtigung der Ausschlusskriterien wurden 529 Fragebögen (66%) in die Endauswertung miteinbezogen. Die Ausschlusskriterien waren folgende: - Fehlen von persönlichen Daten wie Alter, Geschlecht, Körpergewicht und Körpergröße - unbeantwortete Fragenkomplexe - inhaltliche, inkohärente Zusammenhänge - formale Fehler (wenn z.B. mehr Antworten angekreuzt wurden als vorgegeben war) Der Fragebogen besteht aus 12 Fragen, die sich direkt oder indirekt mit dem Thema "light" beschäftigen. Meist wurde ein bipolares Ratingsystem angewendet, d.h. es musste nur zwischen trifft zu/trifft nicht zu oder wichtig/nicht wichtig entschieden werden. Bei Frage 2 handelt es sich um einen Food Frequency Questionnaire (FFQ). Inhalte des Fragebogens: - Image und Konsum von light-Produkten - Ernährungswissen - Erwartungen des Konsumenten Abschließend mussten die Rahmendaten wie Alter, Geschlecht, Körpergröße, Körpergewicht, Ausbildung, Beruf, Nettoeinkommen und Ausgaben für Nahrungsmittel eingetragen werden. Für das Gesamtkollektiv wurden vier Gebiete ausgewählt: Zwei Regionen aus dem Westen, Tirol und Südtirol, sowie Oberösterreich und Wien als Vertreter der östlichen Bundesländer. Die Befragten waren ausschließlich Erwachsene ab 18 Jahren und aus allen sozialen Schichten. 150 Personen sind Wiener (28%), 105 Personen (20%) kommen aus Oberösterreich. Aus dem Westen stammen 121 aus Tirol (23%) und 153 Personen (29%) aus Südtirol. Tab. 3.35 Verteilung des Gesamtkollektivs in den BMI-Gruppen bezogen auf die verschiedenen Bundesländer, Angaben in % in % Südtirol Tirol Wien Oberöster- Gesamt reich Untergewicht 15 6 6 8 9 Normalgewicht 68 68 67 65 67 Übergewicht 14 20 22 27 20 Adipositas 3 6 5 0 4 184 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Insgesamt nahmen 301 Frauen (57%) und 228 Männer (43%) an der Befragung teil. Tabelle 3.34 gibt eine Übersicht über die Einteilung nach Altersgruppen. Aus den Angaben der Befragten zu Körpergewicht und -größe wurde der BMI (Body Mass Index) ermittelt. Bei der Einteilung der Personen des gesamten Stichprobenumfangs, liegen neun Prozent im Bereich des Untergewichts (BMI < 20 kg/m2), über zwei Drittel (67%) in der Gruppe der Normalgewichtigen (BMI 20-25 kg/m2), zwanzig Prozent des Gesamtkollektivs zählen zu den Übergewichtigen (BMI > 25 kg/m2) und 4% leiden an Adipositas (BMI > 30 kg/m2). Beim Vergleich der vier Gebiete fällt auf, dass Südtirol einen besonders hohen Anteil an Untergewichtigen (15%) aufweist. Es ist klar ersichtlich, dass mit steigendem Alter auch eine Gewichtszunahme erfolgt. Während jüngere Frauen und Männer vorwiegend im Bereich des Normalgewichts liegen, sind bei den über 55-jährigen Personen die meisten Übergewichtigen zu finden. Auffällig ist auch, dass es sich bei den Untergewichtigen vor allem um jüngere Erwachsene unter 25 Jahren handelt. Diejenigen, die light-Produkte kaufen, gehören nicht zu einer Minderheit: die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass etwa die Hälfte der Befragten light-Produkte konsumiert. Von der gesamten Stichprobe im Osten (255 Personen) kreuzten 56% an, dass sie light-Produkte kaufen. In Tirol und Südtirol zeigte sich ein ähnliches Bild (Konsumenten: 42%; Nicht-Konsumenten: 58%). Wie schon die Studie 1996 beobachtete, werden light-Produkte eindeutig von Frauen bevorzugt (65% der Käufer): Im Osten zeigte sich, dass 62% der Frauen solche Lebensmittel kaufen, im Westen 68%. Die Männer liegen sowohl im Osten mit 38% als auch im Westen mit 32% im Konsum von light-Produkten deutlich (p<0,001) hinter den Frauen. Der höhere Verzehr bei Frauen lässt sich möglicherweise auch darauf zurückführen, dass Frauen oft ein stärkeres Gesundheitsbewusstsein aufweisen und sich mehr mit Lebensmitteln und deren Inhaltsstoffen auseinandersetzen. Im Gegensatz zu den Ergebnissen von 1996 konnten 2002 keine signifikanten Unterschiede bezüglich des Kaufs von light-Produkten zwischen den Altersgruppen beobachtet werden. Im Osten spielt die BMI-Klasse, aus welcher die Befragten stammen, keine bedeutende Rolle beim Konsumverhalten: mit Ausnahme der Adipösen kaufen jeweils mehr als die Hälfte der Befragten "light" ein (Untergewicht 53%, Normalgewicht 57%, Übergewicht 55%, Adipositas 43%). Im Westen kaufen nur 35% der Normalgewichtigen, aber 83% der Adipösen light-Produkte. Bezüglich des Bildungsniveaus zeigte sich ein signifikanter Unterschied (p<0,01) zwischen Konsumenten mit Maturaabschluss (62%) und jenen ohne Matura (38%). Motive für den Kauf von Light-Produkten Die Motivation zum Kauf von light-Produkten ist vielfältig. Einerseits scheinen sie die Lösung aller Gewichtsprobleme zu sein. Andererseits gehören light-Produkte heutzutage zum modernen Lebensstil. Verwender von light-Produkten kaufen "light" vor allem weil sie damit ihr Körpergewicht halten wollen (44% der Verwender) und aus gesundheitlichen Gründen (weil sie glauben, dass sie gesünder sind; 43% der Verwender). In unserer Gesellschaft herrscht das Schönheitsideal des jungen, schlanken und sportlichen Körpers vor. Vor allem das weibliche Geschlecht, aber auch immer mehr Männer, stehen unter dem sozialen Druck schlank zu werden bzw. zu bleiben. Viele Frauen gehören zu den gezügelten Essern, d.h. sie achten sehr bewusst auf die Menge und Zusammensetzung der Nahrung. Mit Hilfe von light-Produkten haben sie die Möglichkeit die Energiezufuhr niedriger zu halten, auch wenn sie dieselbe Menge wie vom Standardprodukt verzehren. Während bei der Befragung 1996 (Österreichischer Ernährungsbericht 1998) festgestellt wurde, dass die Jüngeren vor allem light-Produkte konsumieren, um ihr Körpergewicht zu halten, und die älteren Personen vor allem der Annahme waren, damit gesünder zu leben, konnten 2002 keine altersbedingten Unterschiede nachgewiesen werden. Bei der Gruppe der Übergewichtigen steht bei der Kaufmotivation die Gesundheit im Vordergrund, während die Adipösen, "weil ich abnehmen will" zum Kauf bewegt. Dass in der vorliegenden light-Produkte-Befragung im Vergleich zu 1996 v.a. bei den jüngeren Befragten eine bessere geschmackliche Akzeptanz vorherrscht, ist eventuell darauf zurückzuführen, dass das Geschmacksempfinden anders ausgeprägt ist. Man darf aber auch nicht vergessen, dass Verwender von light-Produkten diese zum Großteil auch für gesund halten. Falls es geschmackliche Einbußen gibt, wird dies daher oft bereitwillig akzeptiert. Möglicherweise haben technologische Fortschritte auch zu einer geschmacklichen Verbesserung der light-Produkte beigetragen. Werbung bzw. krankheitsbedingte Kaufmotive scheinen eine untergeordnete Rolle zu spielen. Beim krankheitsbedingten Kauf kann man feststellen, dass dieser Grund mit dem Alter signifikant ansteigt. 185 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Abb. 3.35: Kaufmotive für light-Produkte Osten Westen krankheitsbedingt wegen der Werbung um abzunehmen weil sie besser schmecken weil sie gesünder sind um mein Gewicht zu halten 0 10 20 30 40 50 % Assoziationen mit dem Begriff "light" Von der Mehrheit der Befragten wird der Begriff "light" mit den Begriffen "kalorienreduziert", "fettreduziert" und "zuckerreduziert" in Zusammenhang gebracht. Etwa zwei Drittel der Befragten sind der Meinung, dass light-Produkte für Personengruppen bestimmt sind, die Diät halten müssen oder abnehmen wollen. Weder im Osten, noch im Westen assoziiert man light mit "qualitativ hochwertig". Aber eine Mehrheit (etwa 70%) findet es zutreffend, dass es sich um ein "typisches Produkt unserer Wohlstandsgesellschaft" handelt. Außerdem halten etwa ein Drittel aller Befragten light-Produkte für "überflüssig" und "teuer". Verwender von light-Produkten assoziieren im Gegensatz zu Nicht-Käufern auch häufiger "gesund", "schlank" und "fit", und "qualitativ hochwertig" mit dem Begriff. Zwischen Ost- und Westösterreich sowie zwischen den Geschlechtern gibt es keine nennenswerten Unterschiede. Prinzipiell ist es zu befürworten, wenn bei der Ernährung auf den Energiegehalt geachtet wird, doch sollte darüber hinaus nicht vergessen werden, dass die gesamte Nahrungs- bzw. Nährstoffzusammensetzung für eine optimale Versorgung eine wichtige Rolle spielt. Den light-Produkten sind in dieser Hinsicht Gren- teuer Osten Westen überflüssig Diät halten zum Abnehmen zuckerreduziert fettreduziert kalorienreduziert Abb. 3.36: Assoziationen mit dem Begriff "light" 0 20 40 60 % 186 80 100 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit zen gesetzt, denn ihr alleiniger Einsatz reicht nicht für eine gesunde Ernährungsweise aus. Verzehr von Light-Produkten Zu den beliebtesten light-Produkten zählen wie schon 1996 fettreduzierte Milchprodukte (62% der Verwender konsumieren diese mehr als 1x/Woche), was sicher auch auf das vielfältige Angebot zurückzuführen ist. Käse, Fruchtsäfte, Öle, sowie Limonaden, Margarine und Brot- und Backwaren nehmen ebenfalls einen wichtigen Platz ein. Demgegenüber stellen der Konsum der light-Varianten von Bier, Mayonnaise, Fertigprodukten, Süßwaren, Konfitüre und Wurst eine untergeordnete Rolle dar. Eine Ursache für den geringeren Verzehr dieser Produkte ist möglicherweise, dass diese Lebensmittel eher zu den weniger gesunden gezählt werden. Verwender von light-Produkten kaufen "light" aber vor allem aus gesundheitlichen Gründen und weil sie damit ihr Körpergewicht halten wollen. Zudem ist das Angebot an light-Wurst- und Süßwaren noch wesentlich geringer im Vergleich zu Milch und Milchprodukten. Im Osten werden neben Milch(produkten) und Käse die light-Varianten von künstlichen Süßstoffen, Limonaden und Margarine, im Westen von Brot und Konfitüre vermehrt verzehrt. Auch bei dieser Fragestellung wird deutlich, dass Frauen light-Produkte signifikant häufiger verwenden. Verglichen mit den Männern, konsumieren Frauen signifikant häufiger Milchprodukte und künstliche Süßstoffe. Männer hingegen trinken vermehrt light-Bier und Limonade. In der Befragung stellte sich heraus, dass der Großteil der Personen beim Einkaufen auf light-Produkte stößt oder diese über die Medien kennen lernt. Ärzte und Ernährungsberater kommen als Informationsquelle praktisch nicht vor. Geschmack, Gesundheit und Preis sind für die Befragten wichtig bei der Auswahl von Lebensmitteln. Für Verwender von light-Produkten spielen außerdem Kalorien-, Fett- und Zuckergehalt eine bedeutende Rolle. Von geringer Bedeutung sind Produkte mit prä- oder probiotischer Wirkung, rasche Zubereitung (z.B. Fertigprodukte) sowie Markenname und Verpackung. Etwa die Hälfte aller Befragten ist der Meinung, dass light-Produkte, mehr Zusatzstoffe enthalten als normale Produkte, zum Abnehmen geeignet sind und eine gute Alternative darstellen. Je ein Drittel meint, dass man vollen Geschmack bei weniger Kalorien erhält, aber auch mehr davon konsumiert und einem das Geld aus der Tasche gezogen wird. Wobei letztere Aussage im Westen mehr Bedeutung hat verglichen mit dem Osten. Mayonnaise Osten Westen Bier Fertigprodukte Süßwaren/Eis Konfitüre Wurstwaren Künstl. Süßstoffe Brot-/Backwaren Limonade Margarine Öle Fruchtsäfte Käse Milch(produkte) 0 10 20 30 40 % 187 50 60 70 Abb. 3:.37 Verzehr von "light"-Produkten mindestens 1x/Woche Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Die Verwender von light-Produkten kreuzten signifikant häufiger an, zum Abnehmen geeignet, voller Geschmack bei weniger Kalorien und eine gute Alternative, während bei den Nicht-Verwendern der gesteigerte Verzehr und der teurere Preis im Vordergrund stehen. 36% der Befragten gaben an, dass bei kalorienreduzierten Produkten der Energiegehalt um 30% reduziert sein muss. Fast die Hälfte war der Meinung, dass die Reduktion 40, 50 und mehr Prozente ausmachen sollte. Die meisten Probanden (Verwender und Nichtverwender) wünschen sich eine Auflistung der Inhaltsstoffe auf den Verpackungen von Lebensmitteln. Bei Frauen ist dieser Wunsch ausgeprägter, da sie sich auch intensiver mit dem gesundheitlichen Wert von Lebensmitteln auseinandersetzen. Eine Kalorienangabe ist eher für Verwender von light-Produkten wichtig, der Kaloriengehalt ist bei ihnen auch ein wichtiges Kaufkriterium bei der Lebensmittelauswahl. Die Hälfte der Verwender stimmt auch für einen deutlichen Hinweis, warum Produkte als light bezeichnet werden. Die Kennzeichnung von light-Begriffen wirft aber einige Probleme auf: der Begriff ist nicht gesetzlich geschützt und in Österreich gibt es nur für bestimmte Lebensmittel Richtlinien, um wie viel Energieprozente die jeweiligen light-Varianten erniedrigt sein müssen. Eine weitere Gefahr ist, dass ein Produkt z.B. mit der Aufschrift fettreduziert oder sogar 0,1% Fett beschriftet und beworben wird und der Konsument nur beim aufmerksamen Studieren der (kleingedruckten) Inhaltsstoffe erkennen kann, dass anstelle von Fett z.B. mehr Zucker zugesetzt wurde. In diesem Fall nimmt der Käufer nicht wirklich ein energiereduziertes Produkt zu sich. Das heißt, Kennzeichnungen sind nur dann eine Hilfe, wenn sie auch richtig gelesen und beurteilt werden können. Auf dem Markt gibt es inzwischen eine Vielzahl an light-Produkten. Die meisten Befragten finden das Angebot als ausreichend (39% im Osten, 27% im Westen), nur 15% der Befragten wünschen sich eine größere Vielfalt. 16% sind der Meinung, dass light-Produkte überflüssig sind und 36% haben sich mit dem Angebot nicht beschäftigt, wobei dies insbesondere auf die westliche Bevölkerung zutrifft (43%). Zwischen den Geschlechtern zeigt sich ein signifikanter Unterschied bei der Beurteilung des derzeitigen Angebots von light-Produkten: zum einen haben sich die Männer weniger häufig mit dem Angebot auseinandergesetzt, zum anderen schätzen sie aber das Angebot öfter als unzureichend ein, verglichen mit den Frauen. Signifikante Unterschiede lassen sich auch zwischen Verwendern und Nicht-Konsumenten von light-Produkten erkennen: die Hälfte der light-Verwender ist mit dem Angebot an Produkten zufrieden, während sich 31% für mehr Vielfalt aussprechen. Mehr als die Hälfte (55%) der Nicht-Käufer hat sich mit dem Angebot nicht auseinandergesetzt bzw. finden etwa ein Drittel diese Produkte überflüssig. Ausblick Die Bezeichnungen "light" oder "leicht" können irreführen, da sich dahinter eine Vielzahl verschiedenster Produkte verbirgt. Das heißt, um welche Komponenten die Produkte jeweils "erleichtert" werden, kann unterschiedlich sein. Außerdem lässt das gesunde Image vergessen, dass auch light-Produkte Kalorien enthalten und verglichen mit den herkömmlichen Produkten nicht unbedingt gesündere Nahrungsmittel sind. Man darf nicht glauben, dass ein einzelnes kalorienreiches Produkt schuld an Übergewicht ist. Vielmehr sind die Ursachen falsches Ernährungsverhalten und Bewegungsmangel. So können light-Produkte kontraproduktiv wirken in der Bemühung die Verbraucher dahinzuführen, von Natur aus kalorienarme Lebensmittel wie Obst und Gemüse zu konsumieren. Bei sinnvollem Einsatz können light-Produkte eine Gewichtsreduktion unterstützen, wenn sie die Compliance der übergewichtigen Patienten eine Diät durchzuhalten, durch mehr Flexibilität bei der Speisenplanung erhöhen. Damit man sich aber gesund ernährt, genügt es sicherlich nicht, nur lightProdukte einzusetzen. Konsumenten sollten so aufgeklärt und informiert werden, dass sie die Kennzeichnungen auf den einzelnen Lebensmitteln richtig verstehen und den gesundheitlichen Wert des Produkts abschätzen können. Aufgeklärte Konsumenten lassen sich höchstwahrscheinlich weniger durch Werbung täuschen und beeinflussen bzw. sind fähig, light-Produkte in angemessener Weise einzusetzen. 188 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit 3.11 Lebensmittelzusatzstoffe Zusammenfassung Gegenwärtig sind in der EU 296 Stoffe, nach dem Prinzip einer Positivliste, zur Verwendung zugelassen. Für viele dieser Stoffe gelten Anwendungs- und Mengenbegrenzungen. Aus Gründen der Gesundheitsvorsorge dürfen sie also nur bestimmten Lebensmitteln und nur bis zu einer bestimmten Höchstmenge zugesetzt werden. Die Höchstmenge kann mit der aus dem ADI (Acceptable Daily Intake) -Wert berechneten Konzentration identisch sein. Sie liegt im Allgemeinen aber viel niedriger, weil grundsätzlich nur diejenigen Konzentration als Höchstmenge erlaubt wird, die bei Zusatzstoffen technologisch notwendig ist, um den gewünschten Zweck zu erreichen. Die Bewertung der Zusatzstoffaufnahme erfolgt nach einem EU-weit harmonisierten "Stufenkonzept". Innerhalb von 3 Stufen wird die Aufnahme mit steigender Genauigkeit ermittelt. Lebensmittelzusatzstoffe, bei denen die geschätzte Zufuhr in einer Stufe über dem ADI liegt, werden in der nächsthöheren Stufe exakter bewertet. Aus den Ergebnissen könnten, wenn notwendig, Änderungen der rechtlichen Vorgaben abgeleitet werden. In Österreich wurden bis dato 3 Zusatzstoffmonitorings (1996, 1998, 2002) durchgeführt. Die Ergebnisse der ersten beiden wurden im Österreichischen Ernährungsbericht 1998 beschrieben (für die Altersgruppen ab 6 Jahren). Dabei zeigte sich, dass die Aufnahme der meisten Lebensmittelzusatzstoffe unterhalb der duldbaren täglichen Aufnahme (ADI) liegt. Nach Stufe 3 wurde der ADI lediglich bei Schwefeldioxid (SO2) und der Gruppe der Sulfite an der 95. Perzentile (High Consumer) überschritten. Bei weiteren 9 Zusatzstoffgruppen wurde der ADI nach Stufe 2 (entspricht einer "worst case"-Situation) überschritten. In der 2002 durchgeführten Studie wurde die Zusatzstoffaufnahme speziell bei 3-6-jährigen Kindern nach Stufe 2 und wo es möglich war nach Stufe 3 ermittelt. Insgesamt wurden 90 Additive untersucht. Bei 10 Lebensmittelzusatzstoffen bzw. -gruppen (dazu zählten z.B. Farbstoffe E 110, 120, 142, 151; Sorbate E 200, 202,203; Schwefeldioxid E 220) wurde der ADI nach Stufe 3 an der 95. Perzentile überschritten. Bei weiteren 14 lag die Zufuhr nach Stufe 2 an der 95. Perzentile über dem ADI (dazu zählten z.B. Lactylate E 481-482, div. Ester E 473-474, Ascorbate E 315-316). Letztere Risikoabschätzung führt jedoch zu einer groben Überschätzung der Belastung, da mit Höchstmengen gerechnet wird. Hier wären Analysedaten oder Herstellerangaben über die tatsächlich zu den Lebensmitteln zugesetzten Mengen wünschenswert, um eine exaktere Berechnung der Zusatzstoffaufnahme durchführen zu können. Der ADI beinhaltet großzügige Sicherheitsspannen. Deshalb ist eine gelegentliche Überschreitung eines ADI-Werts gesundheitlich nicht bedenklich. Obschon eine über längere Zeiträume anhaltende Aufnahme von Lebensmittelzusatzstoffen über dem ADI unerwünscht ist. Allgemeines Die Nachfrage nach Lebensmitteln, die lange haltbar sind, schnell zubereitet werden können, geschmacklich einwandfrei und zudem auch noch billig sind, steigt ständig an. Dieser Trend ist seit vielen Jahrzehnten ungebrochen. Durch den entsprechenden Einsatz von Hilfsmitteln bzw. Zusatzstoffen ist es möglich, diesem Bedarf nachzukommen und gleichzeitig ein größtes Maß an Sicherheit (z.B. vor mikrobiologischem Verderb) und ernährungsphysiologischer Qualität (z.B. geringst mögliche Nährstoffverluste) zu garantieren. Außerdem können viele Lebensmittel durch Additive optisch und geschmacklich auf gutem Niveau gehalten oder gar verbessert werden. Auf der anderen Seite dürfen die verwendeten Lebensmittelzusatzstoffe selbstverständlich nicht gesundheitsschädlich sein und lediglich kontrolliert eingesetzt werden. Das europäische Zusatzstoffrecht schreibt jedem EU-Mitgliedstaat vor, den Verbrauch und die Verwendung von Zusatzstoffen nach einem einheitlichen System zu überwachen. Ziel ist eine Risikoabschätzung der Belastung der Bevölkerung mit einzelnen Additiven. Aus den Ergebnissen könnten, wenn notwendig, Änderungen der rechtlichen Vorgaben abgeleitet werden. Österreich ist dieser Verpflichtung, für den Großteil der Bevölkerung, bereits durch zwei Querschnittsstudien (1996,1998) nachgekommen [Elmadfa et al., 1996; 1998]. Eine umfassende "Risikoanalyse" bei Kindern im Vorschulalter (3-6 Jahre) wurde vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien im Jahr 2002 nachgeholt. Diese Untersuchung wur- 189 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit de für Notwendig erachtet, zumal Kinder aufgrund ihres Körpergewichts und ihres Ernährungsverhaltens hinsichtlich der Zusatzstoffaufnahme eine mögliche Risikogruppe darstellen. Unter anderem galt es, jene Zusatzstoffe herauszufiltern, die in Zukunft verstärkt überwacht werden sollten und für die genauere Informationen und Angaben über den tatsächlichen Einsatz ermittelt werden müssen. Rechtliche Rahmenbedingungen Alle EU-Mitgliedsstaaten haben sich auf ein gemeinschaftliches Zusatzstoffrecht für Lebensmittel geeinigt. In jedem EU-Land dürfen die gleichen Lebensmittelzusatzstoffe unter definierten Bedingungen eingesetzt werden. Damit ist einerseits eine Grundbedingung für den freien Warenverkehr gewährleistet und andererseits ist für jeden Verbraucher in Europa das gleiche Schutzniveau garantiert. Die Basis des gemeinschaftlichen Regelwerks bildet die so genannte "Rahmen-Richtlinie" (89/107/EWG bzw. 94/34/EG). Diese Rahmenrichtlinie enthält grundlegende Bestimmungen des Zusatzstoffrechts, welches die Definition, die Grundsätze der Regelungen in den fünfzehn Artikeln, die Zulassungskriterien, die Kennzeichnungsbestimmungen sowie den Umfang beziehungsweise Geltungsbereich festlegt. Ausgehend von dieser Richtlinie erließen der Rat und das Europäische Parlament drei Einzelrichtlinien: - Süßungsmittelrichtlinie (94/35/EG geändert durch 96/83/EG) - Farbstoffrichtlinie (94/36/EG) - "Miscellaneous-Richtlinie" (95/2/ EG geändert durch 96/85/EG, 98/72/EG und 2001/EG) Das europäische Lebensmittelzusatzstoffrecht, regelt nicht nur die Zulassung, Grenzwerte und Kennzeichnung der Zusatzstoffe in den einzelnen Richtlinien, sondern auch die Reinheitsanforderungen und die Analytik. Gegenwärtig sind in der EU 296 Stoffe, nach dem Prinzip einer Positivliste (es dürfen nur die Stoffe eingesetzt werden, die ausdrücklich erlaubt sind) zur Verwendung zugelassen. Für viele dieser Stoffe gelten Anwendungs- und Mengenbegrenzungen, sie dürfen also nur bestimmten Lebensmitteln und nur bis zu einer bestimmten Höchstmenge zugesetzt werden. Höchstmengen, angegeben in mg/kg bzw. mg/l, sind Konzentrationen von (Fremd-)Stoffen in Lebensmitteln, die aus Gründen der Gesundheitsvorsorge nicht überschritten werden sollten. Die Höchstmenge kann mit der aus dem ADI (Acceptable Daily Intake) -Wert berechneten Konzentration identisch sein. Sie liegt im Allgemeinen aber viel niedriger, weil grundsätzlich nur diejenigen Konzentration als Höchstmenge erlaubt wird, die bei Zusatzstoffen technologisch notwendig ist, um den gewünschten Zweck zu erreichen. Das ADI-Konzept wurde bereits in den 50er Jahren von der JECFA (Joint Expert Committee on Food Additives), einem Expertengremium der FAO/WHO, entwickelt. Der ADI ist definiert als "die tolerierbare Tagesdosis einer Substanz, d.h. die Menge, die ein Mensch lebenslang jeden Tag aufnehmen kann, ohne gesundheitliche Schäden davonzutragen" [Elmadfa und Leitzmann, 1998]. Jeder in den EU-Richtlinien aufgelistete Lebensmittelzusatzstoff erhält eine E-Nummer. Das "E" steht sowohl für Europa oder EU, als auch für Essbar/Edible. Jeder Zusatzstoff wird innerhalb des vorgesehenen Verwendungszwecks als sicher erachtet, wenn die Gesamtzufuhr einer Person kleiner oder ähnlich dem ADI ist [ILSI, 2000]. Monitoring der Zusatzstoffaufnahme Eine möglichst präzise Schätzung der Gesamtzufuhr an Zusatzstoffen setzt folgende Informationen voraus: - alle Lebensmittel, die Zusatzstoffe enthalten - die Konzentration im Lebensmittel - die verzehrte Menge dieser Lebensmittel Im Rahmen der wissenschaftlichen Zusammenarbeit innerhalb der EU wurde ein so genanntes "Stufenkonzept" zur Bewertung der Aufnahme entwickelt. Ziel ist es, potentielle Höchstaufnahmen zu identifizieren. Das geschieht in sehr konservativen Ansätzen, mit denen die Zusatzstoffaufnahme eher überschätzt wird. Stufe 1 stellt zunächst ein erstes Screening dar, um diejenigen Zusatzstoffe zu identifizieren, für die weitere Informationen benötigt werden. Hierfür werden theoretische Daten zum Lebensmittel- 190 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit konsum in Verbindung mit den zulässigen Höchstwerten für die Verwendung des Zusatzstoffes verknüpft ("Danish-Budget-Methode"). Mit dieser Methode wird jedoch nicht die tatsächliche tägliche Aufnahme an Zusatzstoffen berechnet, sondern die maximale, theoretische Zufuhr eines Stoffes in einem "worst-case" Szenario (TMDI, Theoretical Maximum Daily Intake). Ist der TMDI kleiner als der ADI, dann ist es höchst unwahrscheinlich, dass der ADI in irgendeiner Lebenssituation überschritten wird. Im umgekehrten Fall, der TMDI liegt über dem ADI, sind weitere genauere Studien nötig (Stufe 2). In der Stufe 2 werden diejenigen Lebensmittelzusatzstoffe der Stufe 1 geprüft, bei denen die errechnete Aufnahme über dem ADI lag. In dieser Stufe des Monitorings werden nationale Daten zum tatsächlichen Lebensmittelkonsum der Bevölkerung mit den zulässigen Höchstwerten für die Verwendung des Zusatzstoffes kombiniert. Lebensmittelzusatzstoffe, bei denen die berechnete Aufnahme nach Stufe 2 über dem ADI lag, werden in Stufe 3 übernommen. In der Stufe 3 werden die Daten zum tatsächlichen Lebensmittelverzehr mit tatsächlich eingesetzten Zusatzstoffmengen (Herstellerangaben und/oder Analysedaten amtlicher Lebensmitteluntersuchungsanstalten) verknüpft. Wie hoch ist die Zusatzstoffaufnahme in Österreich? In Österreich wurde das Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien vom Bundeskanzleramt, Sektion VI, damit beauftragt, das stufenweise Vorgehen zur Beurteilung der Zusatzstoffaufnahme durchzuführen. Die erste genauere Abschätzung erfolgte im Rahmen des Forschungsvorhabens GZ353.117/0III/9/96- "Aufnahmen an Zusatzstoffen in Österreich" [Elmadfa et al., 1996]. Die Untersuchung entsprach der Stufe 2 und es konnten alle Bevölkerungsgruppen inklusive Vorschulkinder (3-6 J.) berücksichtigt werden. Das Ergebnis zeigte eine überhöhte Aufnahme (95. Perzentile) an fünfzehn Lebensmittelzusatzstoffen. Im Rahmen des Forschungsvorhabens GZ353.117/2-VI/9/98- "Risikoabschätzung der Zusatzstoffbelastung in der österreichischen Bevölkerung" konnte größtenteils das Konzept der Stufe 3 angewendet werden [Elmadfa et al., 1998]. Erwartungsgemäß konnte durch diese 3. Stufe des Screenings die Liste der nach Stufe 2 ermittelten Zusatzstoffe weitgehend reduziert werden. Für den größten Teil der derzeit verwendeten Additive ergab sich auch bei überdurchschnittlich hohem Konsum bestimmter Lebensmittel (95. Perzentile), keine Überschreitung der derzeit gültigen ADI-Werte. Lediglich bei 8 Zusatzstoffgruppen kam es an der 95. Perzentile (= High Consumer) zu einer Überschreitung des ADI-Werts (Tab. 3.36). Bei den in Tab. 3.36 angeführten Gruppen musste jedoch, mit Ausnahme von Schwefeldioxid (SO2) und Sulfiten, mangels ausreichender Hersteller- und Analysedaten mit den gesetzlich zulässigen Höchstmengen gerechnet werden. D.h. die Ergebnisse entsprechen bei den mit * markierten Stoffen lediglich der Stufe 2 der Risikoabschätzung (= konservativer Ansatz bzw. ein sog. "worst case scenario"). Abb. 3.38 verdeutlicht beispielhaft den Unterschied der Risikoanalyse zwischen Stufe 2 und Stufe 3 anhand der Analysedaten für Nitrit (E 249-250). Dargestellt sind jeweils die berechneten Mittelwerte. Die tatsächliche Aufnahme dieses Konservierungsmittels liegt für alle betrachteten Altersbzw. Personengruppen sowohl nach Stufe 2 als auch nach Stufe 3 unter den jeweiligen ADI-Werten." Wie hoch ist die Zusatzstoffaufnahme bei österreichischen Vorschulkindern? Wie bereits in den einleitenden Worten erwähnt, wurde in der 1998 durchgeführten Untersuchung (nach Stufe 3) die Zusatzstoffaufnahme der Vorschulkinder (3-6 Jahre) noch nicht erhoben. Gründe hierfür waren sowohl die geringe Stichprobengröße als auch die unvollständig erfassten Daten, sodass eine statistisch signifikante Auswertung für diese Bevölkerungsgruppe nicht erfolgen konnte. 2002 wurde die Abschätzung der Zusatzstoffaufnahme (nach Stufe 3) für diese Bevölkerungsgruppe vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien nachgeholt. Es wurde analog zu 1998 und nach dem EU-weit geregelten Prinzipien vorgegangen [Elmadfa et al., 1998]. - Oftmals wurde die Frage aufgeworfen, ob (Klein-) Kinder durch das ADI-Konzept ausreichend geschützt sind. Aufgrund der vorhandenen wissenschaftlichen Basis kann diese hypothetische Frage eindeutig mit Ja beantwortet werden. 191 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Abb. 3.38: Vergleich der Risikoabschätzung nach Stufe 2 (keine Analysedaten und/oder keine Angaben des Herstellers) zu Stufe 3 (Analysedaten und/oder Angaben des Herstellers liegen vor) am Beispiel der Nitritaufnahme bei österreichischen Personengruppen Zusatzstoff E 220 Überschreitungen des ADIt1 an der 95. Perzentile (= High Consumer) alle Altersgruppen SO2 E 221-224, 226-228 Sulfite alle Altersgruppen E 321* BHT (Butylhydroxytoluol) 6-12 J. und 15-25 J. E 416* Karayagummi 6-19 J. E 432-436* Polysorbate 6-25 J. und Schwangere E 473-474* Saccharoseester von Fett- alle Altersgruppen, teilweise bei säuren, Zuckerglyderide den Mittelwerten E 481-482* Stearoyllachtylate alle Altersgruppen E 483* Stearyltartrat 6-12 J. und 20-35 J. E492* Sorbitantristearat 6-12 J. E493-494* Sorbitanfettsäureester (2) alle Altersgruppen, teilweise bei den Mittelwerten E554-559* Aluminiumsilikate alle Altersgruppen bei den Mittelwerten * weder ausreichende Hersteller- noch Analysendaten (Stufe 2); 1 total Acceptable Daily Intake bezogen auf das jeweilige mittlere Körpergewicht - Bei Kindern ist es aber eher wahrscheinlich, dass der ADI für bestimmte Substanzen überschritten wird. Einerseits ist der Nahrungsbedarf (z.B. Energie, Protein, Wasser) von kleinen Kindern in Relation zum Körpergewicht 2-5mal höher als bei Erwachsenen. Andererseits haben sie oft eine weniger abwechslungsreiche Kost und bestimmte Lebensmittel werden bevorzugt. In der Folge konsumiert diese spezielle Bevölkerungsgruppe 5mal mehr (in Relation zum Körpergewicht) Zuckerwaren, Kakao- und Schokoladenprodukte, aromatisierte Getränke, Fruchtsäfte, Getränke auf Milchbasis oder Desserts als Erwachsene [ILSI, 2000]. Aufnahme an Nitrit (mg/d) 14 Stufe 3 Stufe 2 ADIt liegt im Bereich von 152 -372 mg/d 12 10 8 6 4 2 0 69 J. 10 -1 2 J. 13 -1 4 J. 15 -1 9 J. 20 -2 5 J. 26 -3 5 J. 36 -4 5 J. 46 -5 5 J. 56 -6 5 J. > 6 5 Sc J. hw an ge re St ill en de Tab. 3.36: Zusatzstoffaufnahme >ADI nach Stufe 2 (keine Analysedaten und/oder keine Angaben des Herstellers) bzw. Stufe 3 (Analysedaten und/oder Angaben des Herstellers liegen vor) bei High Consumern (95. Perzentile) verschiedener Österreichischer Personengruppen ab 6 Jahren; Beurteilung nach Stufe 2 führt zu starker Überschätzung der Aufnahme 192 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Vorschulkin- weiblich (n) männlich (n) Gesamt (n) der 3-6 Jahre 85 66 Körpergewicht kg 151 weiblich männlich 20,3 21,2 Tab. 3.37 Charakteristik des Untersuchungskollektivs - Die Daten zum Lebensmittelverzehr (g/d) von Vorschulkindern im Alter von 36 Jahren, ermittelt durch 3-d-Wiegeprotokolle, wurden gemäß der CFCS-Kategorisierung (Codex Food Categorisation System) den einzelnen Lebensmittelgruppen zugeordnet. Die Resultate der 3. Stufe können in weiterer Folge für den angestrebten internationalen Vergleich herangezogen werden. Zur Abschätzung der Zusatzstoffaufnahme wurden die Lebensmittel-Verzehrsdaten mit der Zusatzstoffdatenbank des Instituts für Ernährungswissenschaften der Universität Wien verknüpft. Für das Gesamtkollektiv (n=151) wurde jeweils der Mittelwert (MW), die Standardabweichung, der Median sowie die 75. und 95 Perzentile (P.) berechnet. Von jedem untersuchten Zusatzstoff, der auf seine gesundheitliche Unbedenklichkeit überprüft wurde, ist ein ADI-Wert bekannt. Da die Zusatzstoffaufnahme in mg/d erfolgt, jedoch der ADI-Wert in mg/kg Körpergewicht und Tag angegeben ist, muss für die Bewertung der sogenannte ADIt-Wert (total Acceptable Daily Intake) herangezogen werden. Zur Errechnung des ADIt-Werts wurde der ADI-Wert mit dem tatsächlichen mittleren Körpergewicht der 3-6-Jährigen multipliziert, welches im Mittel 20,7 kg für beide Geschlechter betrug. Insgesamt wurden 90 Zusatzstoffe untersucht. Sie entsprechen der reduzierten Liste, welche von der SCOOP (Scientific Cooperation) ausgearbeitet wurde und Lebensmittelzusatzstoffe enthält, die im Hinblick auf ihre Aufnahme kontrolliert werden sollen [SCOOP, 1998]. Viele dieser Additive können typischen Lebensmitteln, die von Kindern häufig und in großen Mengen verzehrt werden (s.o.), zugesetzt werden. Tab. 3.38 zeigt diejenigen Lebensmittelzusatzstoffe, bei denen die nach Stufe 3 berechnete Zufuhr zumindest an der 95. Perzentile (= High Consumer) über dem ADIt lag. Der Quotient aus der Zufuhr an der 95. Perzentile und dem ADIt soll veranschaulichen, inwieweit der ADIt überschritten wurde. Die Farbstoffe Gelborange S, Echtes Karmin, Grün S und Brillantschwarz werden vor allem in Dessertspeisen, Süßwaren und Marmeladen eingesetzt. Da es Zusatzstoff MW > ADIt1 95. P. > ADIt1 + Quotient 95. P./ADIt1 1,3-1,5 Gelborange S (E 110) - + 1,4 Echtes Karmin (E 120) - + 1,3 Grün S (E 142) - + 1,4 - + 1,5 Sorbate (E 200, 202, 203) - + 2,5-3,1 Benzoate (E 210-213) + + 2,9-9,2 Schwefeldioxid (E 220) - + 3,3 Sulfite (E 221-224; E 226-228) + + 6,7 Nitrite (E 249-250) + + 1,8-5,7 Phosphate (E 338-341, E 450-452) + + 2,6-3,0 Farbstoffe Brillantschwarz BN (E 151) 1 total Acceptable Daily Intake bezogen auf das mittlere Körpergewicht 20,7 kg (mg/d); Aufnahme unterhalb (-) bzw. oberhalb (+) des Mittelwerts bzw. der 95. Perzentile 193 Tab. 3.38: Ausmaß der Belastung mit Zusatzstoffen bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.), Zusatzstoffaufnahme (in mg/d) >ADI nach Stufe 3 (Analysedaten und/oder Angaben des Herstellers liegen vor) Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Tab. 3.39 Tägliche Aufnahme (Stufe 3) an ausgewählten Zusatzstoffen bei österreichischen Vorschulkindern (3-6 J.) sowie die jeweiligen Hauptaufnahmequellen aus Lebensmitteln Zusatzstoff Aufnahme aus Lebensmittel Sulfite (E 221-224; 226-226) ADIt MW 50. P. 75. P. 95. P. (mg/d) (mg/d) (mg/d) (mg/d) (mg/d) 14,49 19,75 2,38 22,09 96,74 aus Trockenobst 3,5 aus Obst- u. Gemüsesäfte 31,6 aus Gemüse in Essig, Lake, Öl 9,9 aus Fischgerichte 10 aus aromatisierten Getränken 19,5 aus restl. Lebensmitteln 21,24 Natriumnitrit (E 250) 2,07 4,3 3,22 6,14 11,4 aus Fleischspeisen u. Schinken 9,7 aus restl. Lebensmitteln 1,7 Orthophosphorsäure (E 338) 1449 1150 534 1594 4029 aus Schmelzkäse 220 aus Fischgerichten 405 aus Snacks auf Kartoffelbasis 375 aus Fleischspeisen 271 aus Brüh- u. Kochwürste 276 aus Speiseeis 100 aus Zuckerarten 217 aus Getränken 403 aus restl. Lebensmitteln 1762 ADIt... total Acceptable Daily Intake bezogen auf das mittlere Körpergewicht 20,7 kg; MW... Mittelwert; P....Perzentile; 50. Perzentile = Median sich dabei durchwegs um Lebensmittelgruppen handelt, die von Kindern bevorzugt gegessen werden, erklärt das die Überschreitung der ADI-Werte an der 95. Perzentile. Sorbate, Schwefeldioxid und Sulfite sind häufig verwendete Konservierungsstoffe, die einer Vielzahl von Lebensmitteln zugesetzt werden können. Die Palette reicht von Obst- und Gemüsesäften, Brot und Gebäck sowie Trockenfrüchte (Obst), über Fischgerichte bis hin zu Snacks auf Kartoffelbasis. Bei den Benzoaten standen zwar für den Großteil der Lebensmittel, denen diese Konservierungsstoffe zugesetzt werden, Analysedaten und Herstellerangaben zur Verfügung, jedoch waren vor allem die Herstellerangaben nicht immer ausreichend exakt. Jedenfalls werden Benzoate vor allem zur Konservierung von Suppen, Fischgerichten, Kakao- und Schokoladeprodukten, Zuckerwaren sowie Obst- und Gemüsesäften eingesetzt. Kaliumnitrit und Natriumnitrit dürfen nur gepökelten Fleischerzeugnissen sowie Fleischerzeugnissen in Dosen zugesetzt werden. Die Hauptmenge der Natriumnitritaufnahme stammte in der vorliegenden Untersuchung aus Fleischspeisen und Schinken. Bei Nitrit kann auch die umweltbedingte Kontamination von Obst, Gemüse und Trinkwasser (Überdüngung, ungünstige Furchtfolge, Abwässer etc.) entscheidend zur Gesamtexposition beitragen. In den Berechnungen konnte dieser Umstand jedoch nicht berücksichtigt werden. Phosphate stellen hinsichtlich ihrer Einsatzfähigkeit eine vielseitige Gruppe dar. Sie können den Säuerungsmitteln, Antioxidationsmitteln sowie den Schmelz- 194 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit salzen zugeordnet werden. Zur Herstellung von Schmelzkäse werden vor allem Di-, Tri- und Polyphosphate eingesetzt. Der Zusatz beschränkt sich jedoch nicht nur auf Käse. Sie können auch wie die anderen Phosphate einer Vielzahl von Lebensmitteln zugesetzt werden. Tab. 3.39 zeigt die tägliche Aufnahme an ausgewählten Zusatzstoffen, welche nach Stufe 3 bewertet wurden. Zusätzlich sind die Hauptaufnahmequellen aus Lebensmitteln angeführt. Beispielsweise wird alleine durch den Verzehr von aromatisierten Getränken (Limonaden etc.) der ADI-Wert für Sulfite bezogen auf das mittlere Körpergewicht bei den 3-6-Jährigen an der 95. Perzentile überschritten. Noch deutlicher ist die Situation hinsichtlich der Aufnahme an Natriumnitrit. Rund 85% des an der 95. Perzentile aufgenommenen Natriumnitrits (als Zusatzstoff) stammen aus gepökelten Fleischspeisen, Fleischerzeugnissen in Dosen sowie Schinken. Da nicht für alle 90 zur Bewertung vorgeschlagenen Zusatzstoffe Analysedaten bzw. Herstellerangaben zur Verfügung standen, wurde für die betreffenden Additive die Zufuhr nach dem konservativen Ansatz der Stufe 2 (Basis: Höchstmengen) durchgeführt. Dabei ergab sich bei insgesamt 14 Zusatzstoffen bzw. Zusatzstoffgruppen eine Überschreitung der ADI-Werte an der 95. Perzentile (= "worst case scenario"). Dazu zählten beispielsweise Farbstoffe (Patentblau E 131), Antioxidantien (Gallate E 310-312, Ascorbate E 315-316), Polysorbate (E 432-436), Cyclamat (E 952) etc. Wie bereits erwähnt, führt eine Bewertung nach Stufe 2 zu einer groben Überschätzung der tatsächlichen Belastung. Um eine genauere Risikoabschätzung durchführen zu können (nach Stufe 3), ist die Bereitstellung von Analysedaten bzw. Herstellerangaben erforderlich. Schlussbetrachtung Beim Großteil der insgesamt 90 untersuchten Lebensmittelzusatzstoffe (laut SCOOP-Liste), lag die Aufnahme der 3-6-jährigen Kinder an der 95. Perzentile unterhalb der ADI-Werte. Die Zufuhr von zehn nach Stufe 3 untersuchten Additiven (Tab. 3.38) lag darüber. Im Vergleich zu älteren Kindern oder Erwachsenen überschreiten 3-6-Jährige demnach häufiger den ADI bei bestimmten Lebensmittelzusatzstoffen. Die Ursache liegt wie bereits eingangs erwähnt in der besonderen Ernährungssituation bei Kindern dieses Alters. Der Nahrungsbedarf ist bezogen auf das Körpergewicht höher und meist ist die Ernährung noch weniger abwechslungsreich. Der ADI basiert auf einem sogenannten NOAEL(No Observed Adverse Effect Level). Da der NOAEL für gewöhnlich von Fütterungsversuchen, die sich über die gesamte Lebensspanne der Versuchstiere erstreckt, abgeleitet wurde, ist eine zeitweise Überschreitung des ADI-Werts gesundheitlich nicht bedenklich [ILSI, 2000]. Generell ist es jedoch nicht wünschenswert, wenn die Aufnahme von bestimmten Lebensmittelzusatzstoffen den jeweiligen ADI über längere Zeiträume hinweg übersteigt. In den meisten Fällen werden sehr hohe Aufnahmen lediglich bei einzelnen Personen einer Bevölkerungsgruppe vorliegen und dieselben Personen werden diese Höchstaufnahmen nicht jeden Tag und über die gesamte Lebensspanne hinweg aufweisen [ILSI, 2000]. Klarerweise bestehen zwischen Individuen große Unterschiede im Essverhalten. Sogar bei ein und derselben Person variiert der Konsum bestimmter Lebensmittel von Tag zu Tag, je nach Jahreszeit und Lebensabschnitt. Die technologische Verwendung einzelner Zusatzstoffe bleibt ebenfalls nicht über längere Zeiträume konstant. Die beschriebenen Screenings sind daher innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens zu wiederholen, insbesondere bei den Lebensmittelzusatzstoffen, die nach Stufe 3 über den ADI-Werten lagen. Von Fall zu Fall wird die Verwendung (Höchstmengen, Einsatz nur bei bestimmten Lebensmitteln etc.) des einen oder anderen Zusatzstoffes dann nach einer Risikobewertung den Gegebenheiten entsprechend angepasst werden um die Zufuhr, wenn angezeigt, zu reduzieren. 195 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit 3.12 Acrylamid in Lebensmitteln Zusammenfassung Acrylamid (AA) ist eine toxische Substanz, die unter anderem neurotoxische Effekte auslöst und im Tierversuch kanzerogen ist. Zigarettenrauch ist eine Quelle (neben vielen anderen) für die AA-Belastung, aber auch in stark erhitzten, stärkehältigen Lebensmitteln wurde AA nachgewiesen. Für die chronische Toxizität hinsichtlich der Neuropathie gilt ein NOAEL von 0,5 mg/kg KG/d. Bei Ratten wurde bei einer Dosis von 2 mg/kg KG/d über zwei Jahre eine erhöhte Zahl benigner und maligner Tumore festgestellt. Acrylamid ist in hohen Konzentrationen in vivo gegenüber somatischen Zellen und Keimzellen genotoxisch. Die FAO/WHO Consultation ordnet Acrylamid in die Gruppe 2A der IARC-Klassifikation ein: Potentiell Kanzerogen (= probably carcinogenic to humans). Es wird angenommen, dass Lebensmittel einen messbaren Beitrag zur Gesamtbelastung mit AA leisten, wobei sich verschiedene Verzehrsmuster definieren lassen, die zu unterschiedlichen Aufnahmemengen führen. Im Rahmen einer ersten Risikobewertung und unter Einbeziehung veröffentlichter Untersuchungsergebnisse zur Lebensmittelbelastung mit AA wurde vom Institut der Ernährungswissenschaften der Universität Wien eine Studie durchgeführt, um einen Hinweis darauf zu erhalten, wie hoch die durchschnittliche Belastung der österreichischen Bevölkerung mit AA ist. Je nach Bevölkerungsgruppe lag die mittlere tägliche AA-Aufnahme über Lebensmittel in Österreich zwischen 0,15-0,65 µg/kg Körpergewicht. Die Exposition über Lebensmittel ist in Hinblick auf die Neurotoxizität (NOAEL: 500 µg/kg KG/d) also nicht bedenklich. Bei Kindern war aufgrund der Präferenz von Kartoffelchips, Knabbergebäck und Pommes frites sowohl in absoluten Mengen als auch relativ zum Körpergewicht die höchste AA-Belastung festzustellen. Das bestätigt die Annahme, dass bestimmte Ernährungsgewohnheiten einen Einfluss auf die Höhe der AA-Aufnahme haben. Letztendlich sind im Zusammenhang mit AA in Lebensmittel noch einige offene Fragen zu klären. Bis dahin gilt es, alle vernünftigen und realisierbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die AA-Belastung aus Lebensmitteln zu minimieren. Allgemeine Ernährungsempfehlungen, sich nach den Prinzipien einer ausgewogenen Mischkost (z.B. nach den 10 Regeln der DGE) zu ernähren, können dazu beitragen. Zusätzlich sollten im Haushalt stärkehaltige Kartoffel- und Getreideprodukte (z.B. Rösti, Toastbrot, etc.) nicht zu lange und nicht zu hoch erhitzt werden. Auch auf der Ebene der Lebensmittelproduktion ist die Lebensmittelindustrie bemüht, die Acrylamidgehalte der im Handel befindlichen Lebensmittel zu reduzieren. Allgemeines In Schweden war Acrylamid (AA) erstmals 1997 in den Blickpunkt des Interesses gerückt. Damals waren Tunnelarbeiter bei Bauarbeiten hohen Konzentrationen dieses Stoffes ausgesetzt. Bei diesen Arbeiten wurde eine acrylamidhaltige Dichtungsmasse verwendet, um in den Tunnel auslaufendes Wasser zu stoppen. In der Folge zeigten Studien bei nicht berufsbedingt exponierten Personen in Schweden eine Hintergrundbelastung mit AA. Rauchen ist eine Quelle für die AA-Belastung, aber auch in stark erhitzten, stärkehältigen Lebensmitteln wurde AA nachgewiesen. AA ist eine toxische Substanz, die unter anderem neurotoxische Effekte auslöst und im Tierversuch kanzerogen ist. In diesem Zusammenhang besteht kein Grund zur Annahme, dass diese Effekte beim Menschen nicht auftreten könnten. Oral aufgenommenes AA wird schnell und gleichmäßig im Körper verteilt, zu Glycidamid metabolisiert und relativ rasch ausgeschieden. Im Körper bilden sich Addukte zu Hämoglobin. Diese Hämoglobinaddukte werden auch zum Nachweis von AA im Körper ("Biomarker") verwendet. Die akute und subchronische Toxizität ist im Vergleich zu den anderen toxikologischen Eigenschaften vernachlässigbar. So liegt die LD50 je nach Tier- und Applikationsart bei 150-400 mg/kg Körpergewicht (KG). Hinsichtlich der Neurotoxizität existiert ein NOAEL (No Observed Adverse Effect Level) von 0,5 mg/kg KG. Die genotoxische Wirkung von AA ist sowohl in vitro als auch in vivo positiv und im Tierversuch können Genmutationen und Chromosomenbrüche festgestellt werden. Bei chronischer Aufnahme von 1-2 mg/kg Tiergewicht kommt es bei der Ratte zu einer kanzerogenen Wirkung an Brust, Schilddrüse, Hoden und Zentralnervensystem (ZNS). Aufgrund der genotoxisch-kanzerogenen Wir- 196 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Personengruppe Gesamtkollek- weiblich n= tiv n= männlich n= 151 85 66 325 174 151 174 101 73 687 405 282 262 262 - 645 557 88 Vorschulkinder (3-6 Jahre) 3-d-Wiegeprotokoll Volksschulkinder (7-10 Jahre) 7-d-Wiegeprotokoll Mittelschulkinder (11-15 Jahre) 7-d-Wiegeprotokoll Erwachsene (18-59 Jahre) 24-h-Recalls Schwangere 24-h-Recalls Senioren (ab 60 Jahre) 24-h-Recalls kung ist eine Schwellenwertbildung nicht möglich. Es besteht eine lineare DosisWirkungsbeziehung, wobei jedoch die "Reparaturmechanismen" beim Menschen nicht quantifiziert werden können. Epidemiologische Untersuchungen konnten bis dato noch keinen Hinweis auf die krebserzeugende Wirkung liefern. Wie hoch ist die Belastung der Konsumenten mit Acrylamid über die Nahrung? Als Reaktion auf die Untersuchungsergebnisse zur Lebensmittelbelastung mit AA wurde vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien eine erste Untersuchung durchgeführt, um einen Hinweis darauf zu erhalten, wie viel AA die österreichische Bevölkerung im Durchschnitt pro Tag aufnimmt. Zusätzlich sollte abgeschätzt werden, in welchem Ausmaß ausgewählte Lebensmittel zur Gesamtaufnahme beitragen und welchen Einfluss eine Reduzierung des Konsums bestimmter Nahrungsmittel auf die Aufnahme von AA haben könnte. Die Daten zum Lebensmittelverzehr stammen aus der ÖSES (Österreichische Studie zum Ernährungsstatus), welche in der vorliegenden Studie hinsichtlich der AA-Aufnahme ausgewertet wurden. Die einzelnen Stichproben mit näheren Beschreibungen des Gesamtkollektivs sind in Tab. 3.40 dargestellt. Die Abschätzung der Belastung erfolgte auf Basis von konsumierten Lebensmittelmengen. Potentiell acrylamidreiche Lebensmittel wurden zu diesem Zweck in einzelne Gruppen zusammengefasst. Da bei der Protokollführung der Probanden nicht immer auf Herstellerangaben bzw. Markennamen der verzehrten Produkte eingegangen wurde und auch keine Rezepturen der verspeisten Gerichte vorlagen, wurde mit "Standardrezepten" operiert. Die AA-Gehalte der Lebensmittel wurden den schweizerischen Messergebnissen (Zustand vom 16.07.2002) entnommen [BAG, 2002a]. Wie aus Tab. 3.41 hervorgeht, variieren die aufgelisteten Werte innerhalb einer Kategorie sehr stark. Nicht nur industriell hergestellte Produkte sind die Ursache der AA-Belastung, sondern jede Speise, die zu Hause als Mahlzeit zubereitet wird, kann zur Aufnahme an AA beitragen. Insgesamt wurden 14 Lebensmittelgruppen erstellt. Es handelte sich hierbei in erster Linie um stärkehältige Produkte, die beim Zubereiten hoch erhitzt werden und AA bilden können. Die Berechnungen basieren einerseits auf extremen Verzehrsgewohnheiten (95. Perzentile = High Consumer (HC)) und andererseits auf durchschnittlichen Aufnahmemengen (MW ± SD) bestimmter Lebensmittel. Zusätzlich wurden in die Berechnung nur diejenigen Personen mit einbezogen, die ein bestimmtes Lebensmittel bzw. eine bestimmte Lebensmittelgruppe überhaupt konsumierten - also die tatsächlichen Verwender (User). Die resultierenden Wer- 197 Tab. 3.40 Charakteristik des Untersuchungskollektivs und Erhebungsmethoden Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Tab. 3.41 Acrylamidgehalt diverser Lebensmittel modifiziert nach [BAG, 2002], (Stand vom 16.07.2002) Kategorie der Produkte aus dem Handel Acrylamid µg/kg LM Ø µg/kg LM Brot, Gebäck 30-40 35 Knäckebrot 370-450 410 Zwieback 20-35 27,5 Knabbergebäck, Cracker, … 60-560 310 Spätzle 30 30 Trockenfrüchte 30 30 Cerealien, Müsli (ohne Naturflocken) 100-220 160 Kartoffelchips 1500-2000 1750 Süßes Kleingebäck 80-150 115 Caramelbonbons <20 20 Rührei 30 30 Kartoffelflocken 20-100 60 Kaffee (Getränk) 20 20 Pommes frites* 330-490 410 * Ergebnis der Lebensmittelprobenziehung aus Norwegen. 4 Pommes frites Sorten bekannter Hersteller te beschreiben demnach die durchschnittliche AA-Aufnahme für eine Personengruppe. Die Auswertung für alle angeführten Personengruppen soll als Basis für die Abschätzung eines Gesamtrisikos für Österreichs Bevölkerung gelten. Die entsprechenden Ergebnisse sind in Tab. 3.42 zusammengefasst. Lebensmittel leisten demnach einen messbaren Beitrag zur AA-Gesamtbelastung nicht berufsbedingt exponierter Personen in Österreich. Bei Kindern (10-15 J.) ergab sich aufgrund des geringen Körpergewichts und der Vorliebe für Snakkprodukte (Kartoffelchips, Knabbergebäck) die höchste Belastung. Wobei deutlich zwischen den "Usern" (nur Individuen, welche die relevanten Lebensmittel konsumierten) sowie den "High Consumern" (= 95. Perzentile, d.h. weniger als 5% der jeweiligen Altersgruppe liegen über diesem Wert) einerseits und dem statistischen Mittelwert der gesamten Altersgruppe andererseits zu unterscheiden ist. In die Acrylamidelastung in µg/d Gesamtkollektiv Tab. 3.42: Expositionsabschätzung mit Acrylamid (µg/d) verschiedener Personengruppen (MW ± SD der Personengruppe und korrespondierenden User) in Österreich User* Ø pro kg Ø KG pro kg KG 3-6-Jährige (20,7 kg KG) 11 ± 30,6 0,5 91 ± 47,3 4,4 7-10-Jährige (32,9 kg KG) 18 ± 65,4 0,5 226 ± 151,9 6,9 11-15-Jährige (45 kg KG) 30 ± 106,2 0,7 282 ± 224,4 6,2 20-29-Jährige (68,5 kg KG) 22 ± 62,0 0,3 217 ± 102,7 3,2 30-39-Jährige (68,5 kg KG) 15 ± 0,2 0,2 296 ± 123,5 4,3 40-49-Jährige (73,5 kg KG) 12 ± 23,8 0,2 126 ± 37,1 1,7 50-59-Jährige (73,5 kg KG) 15 ± 24,7 0,2 70 ± 35,1 1,0 ab 60 Jahren (72 kg KG) 11 ± 14,5 0,2 50 ± 8,6 0,7 Schwangere (71,7 kg KG) 12 ± 0,2 0,2 153 ± 86,5 2,1 * nur Individuen, welche die relevanten Lebensmittel konsumierten; KG...Körpergewicht 198 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Mittelwert HC USER 8 7 NOAEL (Neurotox.): 500 µg/kg KG/d Mittlere Aufnahme: 0,15-0,65 µg/kg KG/d µg/kg KG/d 6 5 4 3 Abb. 3.39: Acrylamid-Belastung (µg/kg KG/d) aus 14 relevanten Lebensmittelgruppen bei österreichischen Personengruppen 2 1 0 3-6 J. 7-10 J. 11-15 J. 20-39 J. 40-59 J. >60 J. Schw. HC...High Consumer (= 95. Perzentile); User…nur Individuen, welche die relevanten Lebensmittel konsumierten; KG...Körpergewicht; Schw....Schwangere NOAEL: No Observed Adverse Effect Level letztere Berechnung fließen auch die Personen ein, welche gar keine bzw. keine nennenswerten Mengen AA-haltiger Lebensmittel verzehrten. Die berechnete AABelastung bezogen auf das Körpergewicht ist in Abb. 3.39 nochmals grafisch dargestellt. Abb. 3.40 zeigt in welchem Ausmaß unterschiedliche Lebensmittelgruppen zur Gesamtaufnahme beitragen. Die Basis für diese Darstellung bildet die absolute tägliche AA-Aufnahme (MW ± SD). In der Gruppe "Snacks" sind Kartoffelchips, Pommes frites sowie Knabbergebäck zusammengefasst. Dabei zeigt sich eindeutig, dass verschiedene Verzehrsgewohnheiten zu unterschiedlich hohen Aufnahmemengen führen. In der Personengruppe der 50-59-Jährigen war die durchschnittliche AA-Aufnahme um rund die Hälfte geringer als bei den 11-15-Jährigen. In erster Linie, weil Erwachsene dieser Altersgruppe deutlich weniger Snackprodukte als Jugendliche verzehrten. Anteilsmäßig nahm jedoch die AA-Aufnahme aus Brot und insbesondere aus Kaffee zu (Abb. 3.41). Die Größe des Kreissegments in Abb. 3.41 gibt an, welche Lebensmittelgruppe welchen prozentuellen Anteil an der AA-Aufnahme einbrachte. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Verzehrsmuster mit einem überdurchschnittlich hohen Konsum an Kartoffelchips, Pommes frites und anderer Knabbereien zu einer höheren AA-Belastung führen. Brot,Gebäck Kaffee (Getränk) Snacks restl. LM 35 30 µg/d 25 20 15 10 5 0 10 7- J. 1 15 1- J. 2 29 0- J. 199 5 59 0- J. Abb. 3.40: Beitrag einzelner Lebensmittelgruppen zur absoluten Acrylamid-Aufnahme (MW ± SD) bei ausgewählten Personengruppen Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Abb. 3.41: Beitrag einzelner Lebensmittelgruppen (%) zur errechneten Gesamtaufnahme an Acrylamid am Beispiel 1115 J. und 5059 J. (MW...Mittelwert) Gesamtaufnahme (MW): 30 µg/d Gesamtaufnahme (MW): 15 µg/d Brot Kartoffelchips Knabbergebäck Pommes frites Cerealien Kleingebäck süß restl.LM-Gruppen 11-15 J. Kaffee 50-59 J. Aber auch Lebensmittel mit einem relativ geringen AA-Gehalt können bei genügend hohem Verzehr maßgeblich zur Gesamtbelastung beitragen (z.B. Kaffee). Das zeigte sich auch in einer in der Schweiz durchgeführten "Duplicate Diet"-Studie [BAG, 2002b]. Eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten in Hinblick auf einige wenige Lebensmittel könnte demnach bereits eine deutliche Reduzierung der AA-Aufnahme bewirken. Laut einer Berechnung des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) ließe sich die AA-Aufnahme bereits um den Faktor 5-6 verringern, würden pro Woche eine Portion Pommes frites, eine Tüte Kartoffelchips und eine Tüte Kräcker weniger verzehrt werden [BFR, 2002]. Lebensmittel, bei denen hohe Konzentrationen an AA festgestellt werden, sind vorwiegend solche, die aufgrund ihres hohen Energiegehalts und ihrer geringen Nährstoffdichte vom ernährungsphysiologischen Standpunkt aus nur in geringem Ausmaß konsumiert werden sollten. Das sind z.B. Knabberartikel oder Kartoffelchips, welche jedoch gerade von Kindern besonders gerne konsumiert werden. Sehr einseitiges Ernährungsverhalten - auch über kürzere Zeiträume - kann ungewöhnlich hohe Aufnahmemengen an AA zur Folge haben. Vergleich mit anderen Studien Die von der FAO/WHO initiierte Expertenberatung schätzt die langfristige durchschnittliche AA-Zufuhr der allgemeinen Bevölkerung auf 0,3 bis 0,8 µg pro kg Körpergewicht und Tag. Die Werte beziehen sich auf Ernährungsgewohnheiten, die für Westeuropa, USA und Australien typisch sind. Für Kinder wird eine zwei- bis dreimal so hohe Belastung erwartet. Bei "High Consumern" kann die geschätzte Zufuhr noch um einige Größenordnungen über dem Durchschnitt liegen [FAO/WHO, 2002]. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Deutschland schätzt, dass der durchschnittliche Bundesbürger durch den Verzehr von Lebensmitteln, die viel AA enthalten, täglich ungefähr 0,5 µg AA pro kg Körpergewicht aufnimmt [BGVV, 2003]. Die Food Safety Group, Institute of Environmental Science and Research in Neuseeland, errechnete in einer Querschnittsstudie für Konsumenten mit Vorlieben für Kartoffelchips und Kartoffelsnacks, eine durchschnittliche AA-Zufuhr von 0,3 µg/kg Körpergewicht und Tag [Shaw und Thomson, 2003]. In der bereits erwähnten "Duplicate Diet"-Studie in der Schweiz lag bei den 27 Probanden (13 Frauen und 14 Männer im Alter von 16-57 Jahren) die mittlere Aufnahme an AA bei 0,28 µg/kg Körpergewicht und Tag [BAG, 2002b]. 200 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Schlussbetrachtung Wie bereits erwähnt, beziehen sich die Analysedaten ausschließlich auf die in den 14 Lebensmittelgruppen zusammengefassten Produkte. Es ist davon auszugehen, dass weitere Lebensmittelgruppen zu einer AA-Belastung der Verbraucher beitragen, die noch nicht untersucht wurden bzw. die in dieser Expositionsabschätzung nicht berücksichtigt wurden. Insgesamt weisen alle Untersuchungen große Unsicherheiten auf: - Die Analysedaten über den AA-Gehalt für einzelne Lebensmittel streuen oft über mehr als eine Zehnerpotenz und die Lebensmittelgruppen enthalten meist unterschiedliche Produkte. - Außerdem können Lebensmittel mit einem niedrigen AA-Gehalt einen großen Anteil an der Gesamtaufnahme haben (z.B. Kaffee), wenn diese entsprechend häufig verzehrt werden. - Letztendlich basieren die Aufnahmeabschätzungen größtenteils auf dem Verzehr von industriell hergestellten Produkten, wohingegen die Aufnahme von AA aus Lebensmitteln, die im privaten Haushalt zubereitet wurden, unberücksichtigt bleibt. Die Lebensmittelindustrie ist auf der Ebene der Produktion bemüht, alle vernünftigen realisierbaren Maßnahmen zur Reduktion der AA-Belastung der österreichischen Bevölkerung zu ergreifen. Für den Privathaushalt bleiben die Empfehlungen einer möglichst ausgewogenen Ernährung (z.B. nach den 10 Regeln der DGE) weiterhin aufrecht. Zusätzlich sollten im Haushalt stärkehaltige Kartoffel- und Getreideprodukte (z.B. Rösti, Toastbrot, etc.) nicht zu lange und nicht zu hoch erhitzt werden. 201 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit 3.13 Nitrat Zusammenfassung Nitrat ist in Lebensmitteln und Trinkwasser fast immer vorhanden, einerseits aus der Verwendung als Lebensmittelzusatzstoff, andererseits jedoch auch zu einem beträchtlichen Anteil aus anderen Quellen (Gemüse, Trinkwasser etc.). Nitrit kann u.a. durch Reduktion von Nitrat (z.B. durch Enterobakterien) entstehen. Die Nitratbelastung stellt ein nicht unbeträchtliches gesundheitliches Problem dar. In diesem Zusammenhang ist vor allem die mögliche Bildung kanzerogener Nitrosamine, die im Magen beim Zusammentreffen von sekundären Aminen mit exogenem (von außen zugeführtem) oder endogenem (im Organismus gebildetem) Nitrit entstehen können, zu nennen. Für die Ermittlung der Nitratexposition der österreichischen Bevölkerung wurden bei Gemüse einerseits Daten aus privaten Untersuchungen der Landwirtschaftlichen Gemeinschaft Wiener Gärtner (LGV) und andererseits Daten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und Forschung (BALUF), die anhand von in der EU-Verordnung geregelten Probenahmekriterien ermittelt wurden, herangezogen. Nitratgehalte in Lebensmitteln, denen Nitrat als Zusatzstoff zugesetzt werden darf, stammen aus den Recherchen des Instituts für Ernährungswissenschaften der Universität Wien im Rahmen des Forschungsvorhabens zur Zusatzstoffaufnahme in Österreich. Für Trinkwasser-Nitratgehalte existieren zwar umgangreiche österreichische Daten, für die Expositionsermittlung wurde allerdings der geltende Richtwert für Nitrat (<25 mg/l) verwendet, da der Beitrag verschiedener Trinkwasserversorger für die vorliegende Arbeit nicht abschätzbar war und die Werte hohen Schwankungen unterliegen. Nach der Verknüpfung der Nitratgehalte in Lebensmitteln mit den österreichischen Daten zum Lebensmittelverzehr (aus der Österreichischen Studie zum Ernährungsstatus), konnte die Nitrataufnahme in Österreich nach Alter und Geschlecht getrennt errechnet werden. Für eine Risikobewertung wurden die resultierenden Werte mit dem sog. ADIt-Wert (total acceptable daily intake) der jeweiligen Altersgruppe, der sich durch Multiplikation des ADIs (acceptable daily intake) von 0-5 mg/kg Körpergewicht mit den entsprechenden mittleren Körpergewichten errechnet, verglichen. Die Gesamtbelastung einzelner Personengruppen mit Nitrat liegt an der 95. Perzentile (= High Consumer) zwischen 132 und 486 mg/d (höchste Aufnahme bei 46 bis 55-Jährigen). Bei dieser Belastung wird der ADI zu durchschnittlich 93% erreicht, wobei in der Altersgruppe der 25 bis 65-Jährigen der Grenzwert (ADI) um 20-30% überschritten wird. Es zeigen sich große geschlechtsspezifische Unterschiede. Während bei den Männern der ADI-Wert an der 95. Perzentile zu höchstens 15% (16-25-Jährige) überschritten wird, kommen bei der weiblichen Bevölkerung Überschreitungen des toxikologischen Grenzwerts von 56% (46-55-Jährige) vor. D.h. erwachsene Frauen sind hinsichtlich der Nitratbelastung als Risikogruppe anzusehen. Die Nitrataufnahme in Österreich liegt in mit anderen europäischen Ländern vergleichbaren Bereichen. Ebenso wie in anderen europäischen Ländern macht Gemüse mit insgesamt 62% (durchschnittlich 42 mg/d) den Hauptanteil der Nitrataufnahme aus. Gemüse enthält aber u.a. Nitrosierungsinhibitoren (Vitamin C, E, Polyphenole etc.), die wahrscheinlich für die Tatsache verantwortlich sind, dass in epidemiologischen Studien nach wie vor Gemüseverzehr und Krebsrisiko negativ korrelieren. An zweiter Stelle folgt Trinkwasser (insgesamt 25% bzw. 17 mg/d). Hingegen ist die Nitrataufnahme aus Zusatzstoffen mit 13% (rd. 9 mg/d) geringer als allgemein befürchtet. Die Überschreitungen des ADI-Werts der High Consumer erscheinen derzeit nicht bedenklich, trotzdem sollte durch verbessertes Qualitätsmanagement und Senkung der gesetzlichen Höchstwerte in den stärksten kontaminierten Lebensmitteln eine insgesamt geringere Exposition gewährleistet werden. Allgemeines Nitrate und Nitrite in der Ernährung des Menschen stammen einerseits aus ihrer Verwendung als Lebensmittelzusatz, andererseits jedoch auch zu einem beträchtlichen Anteil aus anderen Quellen. Insgesamt stellt die Verwendung von Nitraten als Lebensmittelzusatzstoff nur einen geringen Anteil an der Belastung, während der Großteil aus Gemüse und Trinkwasser stammt. Die Nitratbelastung stellt ein beträchtliches gesundheitliches Problem dar. In diesem Zusammenhang ist auch die 202 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Bildung von N-Nitroso-Verbindungen in nitrat- und nitrithaltigen Lebensmitteln und der potentiellen Bildung von Nitrosaminen im menschlichen Gastrointestinaltrakt und somit die Begünstigung der Tumorbildung zu berücksichtigen. Die Aufnahmen an Nitraten aus Lebensmitteln liegen im Allgemeinen innerhalb der Grenzen des ADI-Wertes, mit Ausnahme der Regionen, wo hohe Gehalte an Nitraten in Gemüsen und Trinkwasser gefunden werden. Direkte toxische Effekte sind daher aus der Verwendung von Nitraten und Nitriten als Zusatzstoffe nicht zu erwarten, solange die entsprechenden Grenzwerte eingehalten werden. Für die Rolle von N-Nitrosoverbindungen lässt sich eine weniger eindeutige Aussage treffen, da es beträchtliche Schwierigkeiten bei der Identifizierung und Messung der Menge solcher Verbindungen in Lebensmitteln gibt. Eine Ausnahme bilden die gut charakterisierbaren flüchtigen Nitrosamine. Die vorliegenden Daten für diese Nitrosamine mit ihrem bekannten kanzerogenen Potential zeigen eine wahrscheinlich geringe Beeinträchtigung der Gesundheit des Menschen bei der derzeit ermittelbaren Aufnahmemenge aus Ernährungserhebungen. Dennoch sieht sich der wissenschaftliche Lebensmittelausschuss der europäischen Kommission nicht in der Lage, eine quantitative Abschätzung des Risikos aus allen N-Nitroso-Verbindungen durchzuführen, die mit Lebensmitteln aufgenommen oder im menschlichen Magen-Darm-Trakt gebildet werden. Daher wird empfohlen, der Entwicklung von Analysenmethoden, der Bestimmung des karzinogenen Potentials sowie der in vivo Nitrosierung Priorität einzuräumen, da erst hierdurch eine bessere Abschätzung des Risikos von NNitroso-Verbindungen aus Lebensmitteln erfolgen kann. Insgesamt ist es daher angebracht, die Gehalte an präformierten Nitrosoverbindungen in Lebensmitteln so weit wie möglich zu reduzieren. Der wissenschaftliche Lebensmittelausschuss empfiehlt eine Minimierung der Belastung mit präformierten Nitrosoverbindungen durch entsprechende technologische Maßnahmen wie die Senkung der Gehalte an Nitrit und Nitrat als Lebensmittelzusatzstoffen bis zu der minimal erforderlichen Menge, die zur Erhaltung des konservierenden Effektes und zur mikrobiologischen Sicherheit erforderlich ist. Zukünftige Forschungsarbeiten nach alternativen Konservierungsmethoden sollten stärker verfolgt werden. Bis Ergebnisse hierzu vorliegen, sollten Methoden entwickelt werden, die die Nitrosierungsreaktion in Lebensmitteln hemmen. So wurde durch den wissenschaftlichen Lebensmittelausschuss ein ADI-Wert (Acceptable Daily Intake) von 0-5 mg Nitrat/kg Körpergewicht (in Form von Natriumnitrat) festgelegt. Zudem wird ein temporärer ADI-Wert von 0-0,1 mg Nitrit/kg Körpergewicht formuliert. Diese ADI-Werte umfassen die Aufnahme aus allen Quellen. Da die Umweltkontamination mit Nitrat immer noch ein größeres Gesundheitsproblem darstellt, muss dieses Problem weiterhin als Tagesordnungspunkt beibehalten werden. Seit der Formulierung dieser Stellungnahme wurde von mehreren Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die Absicht mitgeteilt, nationale Grenzwerte für Nitrat in bestimmten Gemüsearten wie Kopfsalat und Spinat einzuführen. Dies führte dazu, dass die Kommission die Einführung von Höchstwerten für diese Lebensmittel diskutiert. Zusätzlich wurde in der Direktive 95/2/EC zu Lebensmittelzusatzstoffen mit Ausnahme von Farb- und Süßstoffen Regelungen für die Verwendung von Nitriten und Nitraten als Lebensmittelzusatzstoffe auf europäischer Ebene festgelegt. Für den vorliegenden Bericht galt es einerseits zu klären, ob es in Österreich Personengruppen/Risikogruppen gibt, die durch die aktuellen Verzehrsgewohnheiten einer überhöhten Nitratbelastung und damit einem zusätzlichen Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind, und für welche Lebensmittel(gruppen) andererseits eine (Neu)regelung der Grenzwerte notwendig bzw. sinnvoll wäre. Vorkommen Nitrat ist ein wichtiges Zwischenprodukt im biologischen Kreislauf und kommt als natürlicher Bestandteil - wenn auch in unterschiedlichen Konzentrationen - in allen Lebensmitteln vor. Da Pflanzen ihren Stickstoffbedarf über Nitrat decken, ist es natürlicherweise vor allem in pflanzlichen Lebensmitteln zu finden. Einerseits wird Nitrat als Endstufe der Nitrifikation, des Abbaus organischer Stikkstoffsubstanzen, im Boden ständig produziert und andererseits wird es absichtlich in Form von Düngemitteln ausgebracht. Im Bereich des konventionellen Anbaus von Sonderkulturen wie z.B. Gemüse kommt es teilweise zum Einsatz hoher Stickstoff- bzw. Nitratmengen, um Massenerträge zu erzielen. Daher können die Erzeugnisse erhebliche bis extreme Nitratgehalte aufweisen. Durch Auswaschung durch das Regenwasser gelangt Nitrat außerdem in das Grundwasser. Daher stellt auch Trinkwasser eine wichtige alimentäre Nitratquelle dar. Je intensiver die konventionelle landwirtschaftliche Nutzung eines Gebietes, umso höher sind die Nitratgehalte des Grundwassers. 203 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Die Nitratgehalte in Lebensmitteln tierischen Ursprungs sind im Allgemeinen recht niedrig, da es im tierischen Organismus kein Organ gibt, das Nitrat speichern würde. In einigen Fleisch- und Fischerzeugnissen und manchen Käsesorten kommt Nitrat allerdings dann in nennenswerteren Mengen vor, wenn es aus technologischen oder lebensmittelhygienischen Gründen als Lebensmittelzusatzstoff zugesetzt wurde. In letzterem Fall wird die bakteriostatische Wirkung ausgenutzt, um das Wachstum gesundheitsgefährdender Bakterien zu verhindern. Toxizität Aus den verfügbaren toxikologischen und epidemiologischen Daten kann geschlossen werden, dass Nitrat per se eine relativ geringe Toxizität aufweist (Europäische Kommission 1997). 5-20% der insgesamt aufgenommenen Nitratmenge wird jedoch im menschlichen Organismus, überwiegend in der Mundhöhle durch den Speichel, zum weitaus giftigeren Nitrit reduziert (Walker 1995). Die Sicherheitsbeurteilung von Nitrat basiert daher auf der Toxikokinetik von Nitrat beim Menschen und der Toxizität von Nitrit. Die LD50 für Nitrit beträgt bei Tieren allgemein ca. 100-200 mg/kg KG, für die Humanintoxikation wird eine ähnliche Empfindlichkeit vermutet. Der No Observed Effect Level (NOEL) in Studien zur subchronischen Toxizität beträgt 10 mg/kg Körpergewicht (als Kaliumnitit) entsprechend 5,4 mg Nitrit/kg Körpergewicht. Bei chronischen Toxizitätsstudien an Ratten betrug der NOEL 10 mg/kg Körpergewicht (als Natriumnitrit) entsprechend 6,7 mg Nitrit/kg Körpergewicht basierend auf histologischen Veränderungen der Lunge und des Herzens (Europäische Kommission 1997). Da unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. niedriger pH) aus Nitrit und gleichzeitig vorhandenen N-nitrosierbaren Vorstufen (sekundäre bzw. tertiäre Amine z.B. aus dem Nahrungsprotein) auch N-Nitroso-Verbindungen entstehen können, sollten auch die toxischen Effekte dieser Verbindungen in die Bewertung der gesundheitlichen Risiken von Nitrat für den Menschen einfließen (Shephard 1995). In Lebensmitteln werden überwiegend flüchtige Nitrosamine gefunden, von welchen Nitrosodimethylamin (NDMA), Nitrosopyrrolidin (NPYR) und Nitrosopiperidin (NPIP) die wichtigsten Vertreter darstellen. Nichtflüchtige Nitrosamine sind zwar in höheren Konzentrationen enthalten, jedoch toxikologisch nicht von Bedeutung. Für die endogene Bildung kanzerogener N-Nitroso-Verbindungen nach Exposition gegenüber realistischen Nitratmengen und N-nitrosierbaren Vorstufen gibt es jedoch keine quantitativen Belege (Speijers 1995). Das Joint Expert Committee der FAO/WHO stellte 1996 fest, dass es keine Anzeichen für einen Zusammenhang zwischen Nitratexposition und Krebsrisiko gäbe und stufte Nitrat als nicht gentoxisch ein (WHO 1996). Aus den epidemiologischen Studien ergaben sich keine Beweis für einen kausalen Zusammenhang zwischen einer Nitratexposition und einem Krebsrisiko für den Menschen (Gangolli et al. 1994). Die zur Nitrataufnahme und zum Magenkrebsrisiko durchgeführten epidemiologischen Studien sind widersprüchlich, wobei insbesondere die zuverlässigeren Fall-Kontroll- und Kohortenstudien nicht auf irgendeinen Zusammenhang schließen lassen. Aus jenen Fall-Kontrollstudien, die auf Fragebögen bzgl. Lebensmittelverzehr beruhen, ergibt sich sogar in der Regel eine Schutzwirkung der geschätzten Nitrataufnahmemenge in Bezug auf das Risiko einer Magenkrebserkrankung, die wahrscheinlich auf die Obst- und Gemüsezufuhr zurückzuführen ist. Studien, die die Wirkung von Nitrat aus anderen Quellen (Trinkwasser, arbeitsbedingte Exposition etc.) untersuchten, zeigten ebenfalls keine positiven Zusammenhänge mit einem Magenkrebsrisiko (Møller 1995). ADI-Wert 1992 wurde vom SCF der ADI für Nitrat mit 0-5 mg/kg KG festgelegt, der sich aus einem NOEL in Langzeitstudien an Ratten und einem Sicherheitsfaktor von 500 zusammensetzt. Die erneute Überprüfung dieses Wertes schloss auch Daten zum Umfang der Speichelsekretion und der Umwandlung zu Nitrit beim Menschen sowie neue toxikologische Daten zu Nitrit und dem daraus abgeleiteten ADI-Wert von 0-0,06 mg/kg KG ein. Die Risikocharakterisierung von Nitrat basiert folglich auf der Toxikokinetik von Nitrat beim Menschen und der Toxizität von Nitrit. Dabei wird eine Umwandlung von Nitrat zu Nitrit von 5% bei normal ansprechenden Individuen und 20% bei Risikogruppen (z.B. Säuglingen, Personen mit hoher Umwandlungsrate) sowie eine 100%ige Nitritabsorption angenommen. In weiterer Folge liegt für die generelle Bevölkerung und für Risikogruppen der Faktor 40 bzw. 10 zwischen "transponiertem" NOAEL und dem aktuellen ADI-Wert. Der wissenschaftliche Lebensmittelausschuss gelangte daher zu dem Schluss, daß der ADI-Wert von 0-3,7 mg/kg KG für das Nitration (entsprechend 0-5 mg/kg KG für Natriumnitrat) beibehalten werden sollte und dass dieser ADI-Wert für alle Quellen einer nahrungsbedingten Exposition gilt. 204 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit In Anbetracht ihrer genotoxischen Wirkungsmechanismen lässt sich für N-Nitrosoverbindungen keine unbedenkliche Konzentration festlegen. Allgemein gilt, dass für Karzinogene, die gleichzeitig genotoxisch sind, keine Schwellendosis existiert, unterhalb derer es nicht zur Tumorentstehung kommt. Lebensmittel n NO3-Gehalt (mg/kg) Gurken Jungzwiebeln 11 7 185,4 181,4 Kohlarten 28 848,1 Lauch (Porree) 3 450,0 Paprika 7 137,1 Radieschen, Rettich 11 1446,4 Salate 356 1423,4 Nitratgehalt in Lebensmitteln Sellerie 1 240,0 Für die Ermittlung der NitratexpoSpinat 58 1180,0 sition der vorliegenden Arbeit wurden Tomaten 8 56,3 bei Gemüse einerseits Daten aus privaten Untersuchungen der Landwirtschaftlichen Gemeinschaft Wiener Gärtner (LGV) und andererseits Daten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und Forschung (BALUF), die anhand von in der EU-Verordnung geregelten Probenahmekriterien ermittelt wurden, herangezogen. Nitratgehalte in Lebensmitteln, denen Nitrat als Zusatzstoff zugesetzt werden darf, stammen aus Recherchen des Instituts für Ernährungswissenschaften der Universität Wien im Rahmen des Forschungsvorhabens zur Zusatzstoffaufnahme in Österreich (Elmadfa et al. 1998). Für Trinkwasser-Nitratgehalte existieren zwar umfangreiche, österreichische Daten, für die Expositionsermittlung wurde allerdings der geltende Richtwert für Nitrat verwendet, da der Beitrag verschiedener Trinkwasserversorger für die vorliegende Arbeit nicht abschätzbar war, und die Werte hohen Schwankungen unterliegen. Gemüse Grundsätzlich ist die Nitratakkumulation vom Stickstoffangebot im Boden abhängig. Bei normalen Stickstoffgaben haben jedoch allgemeine Wachstumsbedingungen einen grösseren Einfluß auf die Nitratakkumulation als die Düngung. Die Nitratgehalte in Gemüse werden durch genetische und umweltbedingte Faktoren beeinflusst, z.B. durch die Art, die Sorte und die in wechselseitigem Zusammenhang stehenden geographischen und jahreszeitlichen Faktoren wie Lichtintensität, Temperatur, Umfang des Düngemitteleinsatzes und etwaiger Glashaus-Anbau. Blattsalatsorten ohne Kopfbildung weisen in der Regel höhere Nitratkonzentrationen auf als solche mit festen Köpfen wie z.B. Eisbergsalat. Ferner sind bei Erzeugnissen aus den nördlichen Breiten Europas zumeist höhere Gehalte zu finden als bei solchen aus dem Mittelmeerraum, was auf klimatisch und geographisch bedingte Schwankungen zurückzuführen ist. Diese Unterschiede sind bei Blattsalaten stärker ausgeprägt als bei Kulturen wie Spinat, Kartoffeln oder Karotten. Besonders hohe Nitratgehalte werden in Salat, Roten Rüben, Rettich und Radieschen gefunden. Andere Gemüsearten weisen dagegen meist deutlich niedrigere Konzentrationen auf. Durch die übliche küchenmäßige Be- und Verarbeitung der Lebensmittel wie Putzen, Waschen, Schälen, Entfernen von verschmutzten Hüllblättern etc. kann der Nitratgehalt in den Lebensmitteln, die besonders hohe Ausgangskonzentrationen an Nitrat aufweisen, in der Regel vermindert werden. Die für die Abschätzung der Nitrataufnahme in Österreich herangezogenen Nitratkonzentrationen in verschiedenen Gemüsesorten sind in Tab. 3.43 dargestellt. Es lagen Analysenergebnisse für Gurken, Jungzwiebeln, Lauch, Paprika, Radieschen, Rettich, Tomaten, Sellerie, Blattsalate, Spinat und Kohlgemüse vor, wobei zu letzteren neben herkömmlichem Kohl Werte für Chinakohl, Broccoli, Karfiol, Kohlrabi und Kraut zusammengefasst wurden. Es wurden jeweils gewichtete Mittelwerte in Bezug auf die Anzahl der untersuchten Proben berechnet. 205 Tab. 3.43: Nitratgehalte in österreichischen Gemüsesorten (gewichtete Mittelwerte aus Analysenergebnissen der BALUF und der LGV) Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Trinkwasser In vielen Grundwässern hat in den letzten Jahrzehnten die Nitratkonzentration auf Grund der Überdüngung von landwirtschaftlich genutzten Flächen erheblich zugenommen. In den Ackerbaugebieten Ostösterreichs, wie dem Tullnerfeld und dem Marchfeld, sind bereits Überschreitungen von 100 mg/l keine Ausnahme. Eine Untersuchung des World Wildlife Funds von 1996 war der größte jemals durchgeführte Trinkwassertest Österreichs. Demnach überschneiden sich die Trinkwasser-Problemgebiete zumeist mit jenen Gebieten, in denen auch das Grundwasser bereits belastet ist. Generell kann der öffentlichen Wasserversorgung in Österreich jedoch ein gutes Zeugnis ausgestellt werden. Da der Großteil der Daten zu Nitratgehalten in österreichischem Trinkwasser nur geringe Werte aufweist, erscheint für die Ermittlung der Nitratbelastung der gesetzliche Richtwert von 25 mg/l Wasser angemessen. Eine "worst-case"-Annahme im Sinne des Höchstwertes (50 mg/l) ist nicht erforderlich. Die Schwankungen im Jahresverlauf und das Fehlen von genauen Zahlen zum Beitrag einzelner Wasserwerke zur Gesamtversorgung der Österreicher lassen für den vorliegenden Bericht keine exaktere Einberechnung der Nitratwerte für Trinkwasser in die Risikobeurteilung zu. Neben Trinkwasser wurde auch der Konsum an Tee und Kaffee in die Ermittlung einbezogen. Nitrat als Zusatzstoff Die vielfach gefürchtete Belastung mit Nitrit bzw. Nitrat über die Aufnahmen aus Lebensmitteln, denen die Zusatzstoffe bei der Verarbeitung zugesetzt wurden, ist im Vergleich zu jener, die durch die umweltbedingte Kontamination (Überdüngung, ungünstige Fruchtfolge, Abwässer etc.) von Obst, Gemüse und Trinkwasser zustande kommt, verschwindend gering. CFCS- Lebensmittel Gruppe MW ± SD 1.6 8.2.1 7,8 167,0 167,9 183,8 58,4 30,5 35,1 56,7 42,7 52,5 63,2 27,4 75,2 87,5 83,0 58,8 47,2 37,2 56,8 33,4 29,6 52,1 46,2 48,7 49,0 31,3 8.2.2 Tab. 3.44: Nitratgehalte (mg/kg) in Lebensmitteln, denen Nitrat als Zusatzstoff zugesetzt werden darf, aus Analysendaten der amtlichen Lebensmittelkontrolllaboratorien sowie für die Verknüpfung mit Verzehrsdaten verwendete Mittelwerte pro Lebensmittelgruppe 8.3.1 8.3.2 9.3 Käse Osso Collo, Bündnerfleisch Speck Schinken Geselchtes Surfleisch Cervelat Knoblauchwurst Rohwurst Sucuk Kantwurst Salami Cabanossi Landjäger Mettwurst, Streichwurst Extrawurst Wiener Polnische Dürre Verhackertes Faschiertes Cevapcici Bratwürstel Burenwurst Leberkäse Fische, Meeresfrüchte 206 ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± ± 5,2 170,6 163,9 182,2 98,4 56,5 46,4 67,9 78,5 56,2 93,6 64,5 29,4 77,4 117,6 89,6 52,2 16,7 23,3 32,4 38,8 103,3 36,0 19,0 26,7 48,1 Proben Mittelwert ge samt 19 7,8 27 208 167,9 67 108 35 93,7 34 101 36 69 177 531 21 55 93 46,5 26 23 16 34 36 76 23 75 10 9 42,2 24 31,3 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Bei der Lebensmittelverarbeitung wird Nitrat - ebenso wie Nitrit - in Form seiner Natrium- bzw. Kaliumsalze (Salpeter) als Pökelsalz für die Konservierung von Fleisch- und Wurstwaren sowie einigen Käsesorten verwendet. Die Wirkung tritt erst nach Umwandlung zu Nitrit ein, verstärkt die Haltbarkeitswirkung von Kochsalz und führt zu einer Umrötung, die durch die Bildung des hitze- und lagerungsbeständigen Nitrosomyoglobins aus Myoglobin zustande kommt. Zusätzlich entstehen bei diesem Prozess besondere Aromakomponenten, die für gepökelte Fleischwaren typisch sind. Das SCF unterstrich in seiner letzten Stellungnahme die Bedeutung der ausschließlichen Verwendung von Pökelzusätzen in Fleischprodukten mit Kochsalz, da dies die hinzuzufügende Zusatzstoffmenge automatisch begrenzen und versehentliche Vergiftungen durch den Zusatz übermäßiger Mengen zu Nahrungsmitteln verhindern würde (Europäische Kommission 1997). Für Gehalte an Nitrat als Zusatzstoffe konnten die von der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung (BALUF) im Rahmen des Forschungsvorhabens "Risikoabschätzung der Zusatzstoffbelastung in der österreichischen Bevölkerung" zur Verfügung gestellten Analysendaten herangezogen werden (Tab. 3.44), die aufgrund routinemäßiger Untersuchungen amtlicher Lebensmittelkontrolllaboratorien in ganz Österreich erhoben und gesammelt wurden. Die betroffenen Lebensmittel wurden CFCS (Codex Food Categorisation System)-Lebensmittelgruppen zugeordnet und mit den Aufnahmedaten der entsprechenden Lebensmittelgruppe verknüpft (Elmadfa et al. 1998). Lebensmittel GesamtFrauen2 Männer2 Kinder3 bevölkerung1 mw % der mw % der mw % der mw % der (mg/d) Auf(mg/d) Aufnah- (mg/d) Aufnah- (mg/d) Aufnahme me me nahme Blattsalat 20,6 30 22,9 31 17,7 27 12,3 27 Spinat 3,2 5 3,7 5 2,2 3 2,9 6 23,8 35 26,5 36 19,9 30 15,2 33 Gurke 0,9 1 0,9 1 0,7 1 0,7 1 Jungzwiebel 0,0 0 0,0 0 0,0 0 0,0 0 Kohlarten 12,2 18 12,4 17 12,2 19 8,9 20 Lauch 0,7 1 0,7 1 0,7 1 0,6 1 Paprika 0,5 1 0,4 0 0,5 1 0,4 1 Sellerie 0,1 0 0,1 0 0,1 0 0,1 0 Tomate 0,6 1 0,6 1 0,5 1 0,6 1 Radies., Rettich 3,4 5 5,5 8 1,3 2 1,4 3 andere Gemüse 18,5 27 20,6 28 16,0 25 12,7 28 Gemüse 42,3 63 47,1 64 35,9 55 27,9 61 Wasser 8,2 12 8,3 11 7,7 12 6,7 15 Kaffee, Tee 8,6 13 9,5 13 8,9 14 3,0 7 16,7 25 17,8 24 16,6 26 9,7 21 8,6 13 8,4 11 13,1 20 7,9 17 67,6 100 73,3 100 65,5 100 45,6 100 Salat, Spinat Trinkwasser4 Zusatzstoff5 Gesamtnitrat 1 ab 6 Jahren einschließlich Schwangerer, Stillender und Senioren 2 jeweils ab 6 Jahren (Gesamtbevölkerung) 3 6 bis 19jährige Mädchen und Burschen 4 Mangels ausreichend interpretierbarer Daten zu Trinkwasser-Nitratgehalten in Österreich wurden die ge- setzlichen Richtwerte für Trinkwasser (25 mg/l) herangezogen, die von den meisten Wasserwerken jedoch nicht erreicht werden; bei dem Beitrag dieser Lebensmittelgruppe handelt es sich daher um eine Überschätzung der Aufnahme. 5 detailliertere Darstellung s. Elmadfa et al. 1998 207 Tab. 3.45: Nitrataufnahme in Österreich, Mittelwerte über alle Altersgruppen und Beitrag verschiedener Lebensmittelgruppen zur Gesamtaufnahme Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Nitratexposition in Österreich Aufnahme nitrathaltiger Lebensmittel Für die Ermittlung der Nitratexposition in Österreich mussten auch Verzehrsdaten der dafür verantwortlichen Lebensmittel ermittelt werden: Für die Nitrataufnahme aus Zusatzstoffen konnten bezüglich Lebensmittelkonsum die Ergebnisse des Forschungsvorhabens "Risikoabschätzung der Zusatzstoffaufnahme in der österreichischen Bevölkerung" übernommen werden (Elmadfa et al. 1998). Für den Verzehr einzelner Gemüsesorten und Trinkwasser mussten großteils neue Berechnungen erfolgen. Zu diesem Zweck wurden die Daten zum Lebensmittelverzehr verschiedener, österreichischer Personengruppen (Tab. 3.45, s.a. Elmadfa et al. 1998, Elmadfa und Burger 1999) erneut ausgewertet. Für jene Gemüsesorten, für die Analysendaten zur Verfügung standen, wurden die entsprechenden Lebensmittelcodes des ernährungswissenschaftlichen Programms EWP ausgewählt und damit neue, kleinere Gruppen gebildet. Auf diese Weise ging nicht nur der Verzehr der Gemüse in rohem oder frischem Zustand sondern auch zubereitete Gerichte, die das jeweilige Gemüse in nennenswerten Anteilen enthalten, in die Berechnung mit ein. Die resultierenden Aufnahmen der jeweiligen Lebensmittelgruppen sind in Tab. 3.45 dargestellt. Ermittlung der lebenslangen Nitrat-Exposition (lifetime exposure) Eine korrekte Risikobeurteilung verlangt vergleichbare Zeitrahmen sowohl für die Abschätzung der Aufnahme als auch für die Sicherheitsbeurteilung. Da der ADI-Wert auf die duldbare tägliche Aufnahme über das gesamte Leben Bezug nimmt, liegt nahe, auch die Beurteilung des Gesundheitsrisikos hinsichtlich der lebenslangen Aufnahme vorzunehmen. Im Falle von Verzehrserhebungen über kurze Zeiträume bedeutet das, ihre kurze Gültigkeit zu berücksichtigen. Das niederländische Monitoring-Modell für Lebensmittelzusatzstoffe (Löwik et al. 1998) ist Vorbild jener Überlegungen, auf die lebenslange Exposition (lifetime exposure, LTE) zu Nitrat einzugehen, die auch bei der Risikobeurteilung von Zusatzstoffen in Österreich (Elmadfa et al. 1998) diskutiert wurde. Die lifetime exposure nimmt auf Basis der jeweils untersuchten Alterskollektive eine näherungsweise Abschätzung (proxy) der durchschnittlichen Aufnahme eines bestimmten Stoffes über die Zeitspanne der mittleren Lebenserwartung vor, unter der Annahme, dass sich das Ernährungsverhalten einer Population nicht grundlegend innerhalb einer Generation verändert. Multiplikationsfaktoren für die Mittelwerte der Nitrataufnahme pro Altersgruppe sind jeweils 3 (9-6 J.), 2 (12-10 J.), 1 (14-13 J.), 4 (19-15 J.), 5 (25-20 J.), 9 (35-26 J.), 9 (45-36 J.), 9 (55-46 J.), 9 (65-56 J.) und 11 (77-66 J.), ausgehend von einer mittleren Lebenserwartung in Österreich im Jahr 1996 von 77 Jahren bzw. 80 Jahren für Frauen und 74 Jahren für Männer. Durch den nun ähnlichen Ausgangspunkt für die Kalkulationen wird die Abhängigkeit der Ergebnisse von der Dauer der Verzehrserhebung stark reduziert und unterschiedliche Erhebungsmethoden vergleichbarer gemacht (s.a. Elmadfa und Burger 1999). Nitrataufnahme verschiedener Personengruppen Nach Verknüpfung der Nitratgehalte in Lebensmitteln mit den österreichischen Daten zum Lebensmittelverzehr verschiedener Bevölkerungsgruppen, konnte die Nitrataufnahme in Österreich nach Alter und Geschlecht getrennt dargestellt werden. Für eine Risikobewertung wurden die resultierenden Werte mit dem sog. ADIt-Wert (total acceptable daily intake) der jeweiligen Altersgruppe, der sich durch Multiplikation des ADIs mit den entsprechenden mittleren Körpergewichten errechnet, verglichen. 208 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Gesamt KG (kg) ADIt1 MW SD (mg/d) (mg/d) Median 75.P. 95.P. %ADIt %ADIt (mg/d) (mg/d) (mg/d) MW 95.P. 6-9 J. 30,7 153,4 35,4 60,6 11,5 44,6 150,9 23,0 98,4 10-12 J. 41,5 207,4 42,0 75,0 11,5 51,3 179,3 20,2 86,4 13-14 J. 51,2 256,0 49,9 90,3 15,7 57,9 213,7 19,5 83,5 15-19 J. 60,9 304,3 54,9 97,0 17,5 68,2 218,8 18,0 71,9 19-25 J. 66,7 333,5 73,0 204,1 10,8 79,3 245,2 21,9 73,5 25-35 J. 70,7 353,5 107,4 734,7 16,9 51,4 437,8 30,4 123,8 36-45 J. 71,6 358,1 89,1 222,9 17,5 55,0 447,4 24,9 124,9 46-55 J. 74,4 371,8 95,8 234,4 18,1 52,5 485,9 25,8 130,7 56-65 J. 73,4 367,2 103,8 229,0 20,6 121,4 477,5 28,3 130,0 > 65 J. 70,2 351,2 49,6 52,0 30,2 65,7 132,2 14,1 37,6 Schwangere 71,7 358,5 78,6 117,8 32,4 94,3 290,1 21,9 80,9 Stillende 62,8 314,0 49,1 99,0 11,6 58,0 243,1 15,6 77,4 62,5 310,7 69,0 184,7 17,9 66,6 293,5 22,0 93,3 MW (gew.)2 Tab. 3.46: Gesamtaufnahme an Nitrat in Österreich (Gesamtbevölkerung) aus Gemüse, Trinkwasser und Zusatzstoffen (mg/d) und Erreichung der ADIt-Werte (%) 1,3 LTE3 1 ADIt = total acceptable daily intake, 2 gewichteter Mittelwert, 3 lifetime exposure (mg/kg KG) ... über Gemüse und Trinkwasser Die Mittelwerte der Aufnahmen der Gesamtbevölkerung reichen von 28,693,3 mg Nitrat/d mit durchschnittlich 59 mg/d, wobei der höchste Wert bei den 25 bis 35-Jährigen gefunden wurde. Die Aufnahmen an der 95. Perzentile lagen allerdings bereits zwischen 119,3-437,47 mg/d (höchste Aufnahmen bei 46 bis 55-Jährigen). Der ADI-Wert von 5 mg/kg KG/d (entsprechend 3,6 mg/kg KG/d Natriumnitrat) wurde - bezogen auf die jeweiligen Körpergewichte (ADIt-Wert) - im Durchschnitt nur zu weniger als einem Fünftel erreicht (19%). Die Aufnahmen an der 95. Perzentile zeigen jedoch bei 25 bis 65-jährigen Erwachsenen Überschreitungen des toxikologischen Richtwerts. Für die Gesamtbevölkerung liegt die lifetime exposure zu Nitrat bei 1,1 mg/kg KG (Tab. 3.46). Die Mittelwerte der Aufnahmen der Frauen reichen von 28,5 - 132,1 mg Nitrat/d mit durchschnittlich 66,5 mg/d, wobei der höchste Wert bei den 25 bis 35Jährigen gefunden wurde. Bei Männern liegen die Aufnahmen mit 28,6 mg/d (6 bis 9-Jährige) bis 75,9 mg/d (56 bis 65-Jährige) niedriger, der gewichtete MittelE 251-252 ADIta Mittelwert Std.-abw. Median 75. Perz. 95. Perz. 6-9 J. 10-12 J. 13-14 J. 15-19 J. 20-25 J. 26-35 J. 36-45 J. 46-55 J. 56-65 J. > 65 J. Schwangere Stillende LTEb 152 212 259 308 333 354 358 372 367 351 359 314 6,8 7,7 8,6 8,7 13,0 14,1 13,9 14,9 15,1 5,0 8,8 4,2 0,17 9,0 10,4 11,5 11,7 22,8 23,9 23,8 23,8 25,2 7,1 11,5 6,6 13,8 16,4 17,8 19,6 37,6 39,7 39,0 38,7 37,0 9,7 18,9 9,9 5,6 7,2 7,5 8,6 21,1 23,0 22,1 22,4 19,8 4,4 7,2 4,3 5,8 5,8 7,4 6,7 0,0 0,8 0,0 5,6 9,4 4,0 7,4 3,3 a Acceptable Daily Intake bezogen auf das Körpergewicht (mg/d) b Life Time Exposure (mg/kg Körpergewicht) 209 Tab. 3.47: Aufnahme an Kalium- bzw. Natriumnitrat (E 251-252, mg/d) von österreichischen Personengruppen Gesamtbevölkerung, ADI= 5 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Abb. 3.42: Nitrataufnahme verschiedener österreichischer Personengruppen (Mittelwerte und 95. Perzentilen) bezogen auf das durchschnittliche Körpergewicht und Vergleich mit dem ADI-Wert 6-9 J. 10-12 J. MW 13-14 J. 15-19 J. 95.P 19-25 J. 25-35 J. 36-45 J. 46-55 J. 56-65 J. > 65 J. Schwangere ADI= 5 mg/ kg KG/ d Stillende 0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0 Nitrataufnahme (mg/kg KG/d) wert aus den Ergebnissen pro Altersgruppe liegt bei 50,9 mg/d. An der 95. Perzentile nehmen weibliche Personen täglich zwischen 155,5 und 489,7 mg Nitrat auf (höchste Aufnahmen bei 56 bis 65-Jährigen), Männer zwischen 160,1 und 467,9 mg/d (höchste Aufnahmen bei 36 bis 45-Jährigen). Der Vergleich mit dem toxikologischen Grenzwert zeigt, dass Frauen rund 22% und Männer im Durchschnitt 16% des ADI von 5 mg/kg KG/d erreichen. Für Frauen liegt die lifetime exposure zu Nitrat bei 1,4 mg/kg KG, für Männer bei 0,9 mg/kg KG. An der 95. Perzentile erreichen die Aufnahmen der weiblichen Bevölkerung allerdings im Durchschnitt 91%, die der männlichen 79% und bei erwachsenen Frauen (25 bis 65-jährige) kommt es zu teilweise beträchtlichen Überschreitungen (Maximum 42%) der duldbaren täglichen Zufuhr. ... über Zusatzstoffe Die Aufnahmen an Nitrat über Lebensmittel, denen Nitrat als Zusatzstoff zugesetzt werden darf, erreichen selbst an der 95. Perzentile sowohl für männliche als auch für weibliche Personengruppen nur Bruchteile der duldbaren täglichen Zufuhr. Die Aufnahmen der männlichen Personengruppen sind im Allgemeinen über denen der weiblichen, aber ebenfalls im akzeptablen Bereich. Die lifetime exposure für die Nitrataufnahme über Zusatzstoffe liegt für die Gesamtbevölkerung bei 0,17 mg/kg KG/d, für Frauen bei 0,16 mg/kg KG/d und bei Männern bei 0,21 mg/kg KG/d. ... Gesamtexposition Durch Addition der Aufnahme aus Gemüse, Trinkwasser und Zusatzstoffen lässt sich schließlich auch die Gesamtbelastung einzelner Personengruppen durch Nitrat ermitteln. Die Mittelwerte der Aufnahmen reichen von 35,4 mg/d (6 bis 9jährige Kinder) bis 107,4 mg/d (25 bis 35Jährige) und erreichen mit 69 mg/d im Abb. 3.43: Unterschiedlicher Beitrag einzelner Lebensmittel zur Nitratbelastung bei männlichen und weiblichen Personengruppen sowie bei Kindern Beitrag zur Gesamtaufnahme an Nitrat (%) 100% 13 11 25 24 80% 20 26 17 21 60% 27 28 28 25 40% Zusatzstoff Trinkwasser andere Gemüse Salat, Spinat 20% 35 36 Gesamt Frauen 30 33 Männer Kinder 0% 210 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Durchschnitt 22% der ADI-Werte. An der 95. Perzentile wird zwischen 132,2 mg/d und 485,9 mg Nitrat/d aufgenommen (höchste Aufnahme bei 46 bis 55-Jährigen) und durchschnittlich 93% des ADIWerts erreicht, wobei in der Altersgruppe der 25 bis 65-jährigen Erwachsenen der Grenzwert um 2030% überschritten wird. Die lifetime exposure beträgt 1,3 mg/kg KG/d (Tab. 3.46). Ebenso wie bei der Aufnahme aus Gemüse und Trinkwasser sind große geschlechtsspezifische Unterschiede zu bemerken (Tab. 3.45). Während bei Männern der ADI-Wert an der 95. Perzentile zu höchstens 15% (16 bis 25-jährige) überschritten wird und die Mittelwerte im Durchschnitt ein Fünftel des ADI betragen, kommen bei der weiblichen Bevölkerung Überschreitungen des toxikologischen Grenzwerts von 56% (46 bis 55-Jährige; 95. Perzentile) und mittlere Aufnahmen von einem Viertel des ADI-Werts vor. Schwangere nehmen aufgrund ihres höheren Gemüseverzehrs Nitratmengen über dem Durchschnitt auf (78,6 mg/d), bei stillenden Frauen liegt der Wert wiederum nur mehr bei 15% des ADI-Werts (49,1 mg/d). Die lifetime exposure beträgt bei weiblichen Befragten 1,6 mg/kg KG, bei männlichen nur 1,1 mg/kg KG. Ausblick: Risikoabschätzung und zukünftige Erfordernisse Die Aufnahmen an Nitrat in Österreich liegen in mit anderen europäischen Ländern vergleichbaren Bereichen, da die im Auftrag des Wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses der Europäischen Kommission (1997) durchgeführten Berechnungen für verschiedene europäische Länder Gesamtaufnahmen zwischen 40 mg/d (Dänemark) und 154 mg/d (Belgien) ergaben. Die durchschnittliche Aufnahme über alle Altersgruppen liegt mit 69 mg Nitrat/d eher im unteren Bereich, die Erhebungsmethodik der Nitratexposition ist jedoch nicht in allen Ländern vergleichbar. In Abb. 3.42 wurde die Aufnahme in Österreich durch die durchschnittlichen Körpergewichte der einzelnen Personengruppen dividiert, um besser mit dem ADI-Wert in Relation gesetzt werden zu können. Auch bei dieser Form der Darstellung ist die Überschreitung des ADI-Werts bei Aufnahmen an der 95. Perzentile offensichtlich. Die Mittelwerte liegen zwischen 0,8 (Stillende) und 1,4 mg/kg KG (56 bis 65-Jährige), die 95.Perzentilen-Werte zwischen 1,8 (Senioren) und 6,4 mg/kg KG/d (46 bis 65-Jährige). Da bei Betrachtung der geschlechtsspezifischen Unterschiede weibliche Personengruppen deutlich höhere Nitrataufnahmen aufweisen, müssen erwachsene Frauen als Risikogruppen, die einer im Vergleich zum Durchschnitt höheren Belastung unterliegen, genannt werden. Der toxikologische Grenzwert von 5 mg/kg KG/d wird von diesen Personengruppen an der 95. Perzentile (entsprechend dem high consumer) überschritten. Interessant für die Interpretation der Aufnahmedaten ist der Beitrag einzelner Lebensmittel bzw. -gruppen zur Gesamtaufnahme an Nitrat in Österreich und der geschlechtsspezifische Unterschied (Abb. 3.43). Ebenso wie in anderen europäischen Ländern macht Gemüse mit insgesamt 62% (42,3 mg/d) den Hauptanteil der Nitrataufnahme aus. Gemüse enthält aber u.a. Nitrosierungsinhibitoren (Vitamin C, Vitamin E, Polyphenole etc.), die wahrscheinlich für die Tatsache verantwortlich sind, dass in epidemiologischen Studien nach wie vor Gemüseverzehr und Krebsrisiko negativ korrelieren. An zweiter Stelle folgt Trinkwasser (insgesamt 25% bzw. 16,7 mg/d), wobei hier zwischen reinem Wasser (inkl. Mineralwasser und Kaffee/Tee unterschieden werden kann (12%/8,2 mg/d, 13%/8,6 mg/d, Tab. 3.45). Die Nitrataufnahme aus Zusatzstoffen ist mit 13% (8,6 mg/d) geringer als allgemein befürchtet. Der auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hohe Beitrag des Trinkwassers resultiert aus der Annahme des zulässigen Richtwerts von 25 mg/l im gesamten konsumierten Trinkwasser, obwohl die Meßwerte der meisten Wasserwerke unter diesem Wert liegen. Auf der anderen Seite wurden bei der Erfassung der Nitratbelastung aus Gemüse einige Gemüsesorten, für die keine Analysendaten zur Verfügung standen, wie z.B. Kartoffeln, nicht berücksichtigt. Letztere haben zwar im Allgemeinen keine hohen Nitratgehalte, sind aber ein wichtiger Bestandteil in der österreichischen Ernährung und tragen daher wahrscheinlich ebenfalls zur Gesamtbelastung an Nitrat bei. Gemüse wird deshalb etwas höhere und Wasser etwas geringere Beiträge zur Gesamtaufnahme liefern als im Zuge des vorliegenden Berichts ermittelt wurde. Bei Erhebungen anderer europäischer Länder wurde auch zum Teil die Aufnahme an Getreide berücksichtigt. Der Beitrag von Nitrat als Lebensmittelzusatzstoff wurde jedoch bei den übrigen Ländern eher vernachlässigt, was ebenfalls eine Ursache für abweichende Ergebnisse darstellt. Der geschlechtsspezifische Unterschied in der Nitrataufnahme spiegelt die entsprechenden Unterschiede zwischen Männern und Frauen bei den Verzehrsgewohnheiten wider: Männliche Personengruppen tendieren im Allgemeinen zu einem höheren Konsum an Fleisch- und Wurstwaren. 211 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Deshalb beträgt bei Männern die Nitrataufnahme über Zusatzstoffe ein Fünftel (13 mg/d) der Gesamtaufnahme, während bei weiblichen Personengruppen der Beitrag von Gemüse bedeutend höher ist (64%/47,1 mg Frauen, 55%/35,9 mg Männer). Die Überschreitungen des ADI-Werts der high consumer erscheinen derzeit nicht bedenklich, trotzdem sollte durch verbessertes Qualitätsmanagement und Senkung der gesetzlichen Höchstwerte in den stärker kontaminierten Lebensmitteln eine insgesamt geringere Exposition gewährleistet werden, um besonders Personen mit einem hohen Konsum an nitratreichen Lebensmitteln (z.B. Vegetarier), zu schützen. Wesentliches Ergebnis der vorliegenden Risikobeurteilung ist, dass außer Blattsalaten und Spinat, für die EU-weite Regelungen existieren, andere Gemüsesorten wie z.B. Kohlgemüse, Kraut oder Rettich insgesamt einen ebenso großen Beitrag leisten und daher gemeinschaftliche Höchstmengen dringend erforderlich wären. Dem General Standard for Contaminants and Toxins in Food zufolge, sollen nur jene Lebensmittel geregelt werden, deren Aufnahme mehr als 10% zur Gesamtbelastung mit dem Schadstoff beiträgt (Codex Alimentarius 1998). Zumindest die verschiedenen Kohl- und Krautarten fallen nach dieser Vorgabe in einen regelungswürdigen Bereich. Obwohl in Österreich durch Vergleich mit Grenzwerten und mit Aufnahmedaten in anderen europäischen Ländern für den durchschnittlichen Konsumenten nur von einem geringen zusätzlichen Gesundheitsrisiko durch die Aufnahme von Nitrat ausgegangen werden kann, sollte im Interesse aller eine Reduktion der Nitratkontamination von Lebensmitteln durch Verbesserung der Bedingungen bei Ernte, Lagerung und Verarbeitung angestrebt werden. Da die umweltbedingte Kontamination von Lebensmitteln den weitaus größeren Anteil der Nitratbelastung ausmacht als der willkürliche Nitratzusatz bei der Lebensmittelverarbeitung, sollten vor allem landwirtschaftliche Risikofaktoren wie zu hohe Viehbesatzdichte, ungünstige Fruchtfolge oder Überdüngung weitgehend beseitigt werden. Dennoch dürfen derartige Ergebnisse nicht dazu führen, dass die ohnehin ernährungsphysiologisch noch nicht wünschenswerte Zufuhr an Gemüse noch weiter reduziert wird. 212 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit 3.14 Schwermetalle Zusammenfassung Üblicherweise werden bei der Belastung von Lebensmitteln mit Schwermetallen die Elemente Blei (Pb), Cadmium (Cd) und Quecksilber (Hg) behandelt. Die in den Lebensmitteln angereicherten Schwermetalle werden von uns direkt oder indirekt über die Nahrungskette aufgenommen und zum Teil im Organismus akkumuliert. Da Blei und Cadmium zu den am weitesten verbreiteten Schwermetallen zählen und als besonders toxisch gelten, wurde eine Risikoabschätzung durchgeführt. Dazu wurden die Blei- bzw. Cadmiumgehalte einzelner Lebensmittelgruppen (mit den aktuellsten erlaubten Höchstgehalten) mit den österreichischen Daten zum Lebensmittelverzehr verschiedener Bevölkerungsgruppen (aus der Österreichischen Studie zum Ernährungsstatus) verknüpft. Die errechnete Blei-Belastung beträgt bei den High Consumern (= 95. Perzentile) maximal 38,5% der tolerierbaren Höchstmenge. Laut FAO/WHO liegt der Provisional Tolerable Weekly Intake (PTWI) für Blei für einen Menschen mit 60 kg Körpergewicht bei 1500 µg. Die Cadmium-Belastung liegt an der 95. Perzentile (= High Consumer) je nach Bevölkerungsgruppe zwischen 0,19-0,73 µg/kg Körpergewicht und Tag, wobei sich bei den 6-9-Jährigen die höchste Belastung zeigt. Als Vergleichsbasis für die Risikobewertung diente ein Provisionally Tolerable Daily Intake (PTDI), der für eine bessere Vergleichbarkeit mit der täglichen Aufnahme aus dem von JECFA 1985 postulierten toxikologischen Grenzwert Provisionally Tolerable Weekly Intake (PTWI) von 7 µg/kg Körpergewicht abgeleitet wurde. An der 95. Perzentile zeigt sich eine Cadmium-Belastung, die zwischen 20% (>65-Jährigen) und 73% (6-9-Jährige) des PTDI liegt. Als Risikogruppe hinsichtlich der Cadmium-Belastung, die eine im Vergleich zum österreichischen Durchschnitt bedeutend höhere Aufnahme an Cadmium aufweisen, können 6-9-jährige Kinder genannt werden. Der toxikologische Grenzwert von 1 µg/kg KG/d wird jedoch von keiner Bevölkerungsgruppe – nicht einmal an der 95. Perzentile – überschritten. Der derzeit für Cadmium geltende PTWI scheint daher zunächst geeignet zu sein, auch Risikogruppen zu schützen. Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse bestehen hinsichtlich der Schwermetallbelastung mit Cadmium und Blei durch die Nahrungsaufnahme keine Bedenken. Jedoch können unter besonderen Verzehrsgewohnheiten (exzessiver Konsum spezieller Lebensmittelgruppen) negative Wirkungen durch Schwermetalle nicht mit der nötigen Sicherheit ausgeschlossen werden. Besonders eine lang anhaltende einseitige Ernährung, mit der Präferenz von Innereien, ungereinigten "naturbelassenen" pflanzlichen Lebensmitteln und tierischen Fetten oder bestimmten Fischarten, kann das Risiko in nicht näher quantifizierbarer Weise erhöhen. Allgemeines Die Schwermetallbelastung unserer Lebensmittel ist erfreulicherweise in den letzten Jahren rückläufig. Dennoch gibt es einige Lebensmittel aus bestimmten Regionen, aber auch Trinkwasser und verschiedene Bedarfsgegenstände, die immer noch einen nennenswerten Beitrag zur Gesamtbelastung des menschlichen Organismus mit Schwermetallen leisten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat insbesondere der Bleibelastung aus Trinkwasser eine große Bedeutung in ihren letzten Schwerpunkten beigemessen, Informationen hierzu finden sich im Kapitel über Trinkwasser. Unter Schwermetallen versteht man im chemischen Sinne solche Elemente, die eine Dichte über 4,5 g/cm3 aufweisen. Aus biologischer und toxikologischer Sicht ist eine derartige Unterteilung jedoch eher unbedeutend, da im wesentlichen die Bindungsform entscheidend für die biologischen Eigenschaften ist. So werden üblicherweise bei der Belastung von Lebensmitteln mit Schwermetallen die Elemente Blei (Pb), Cadmium (Cd) und Quecksilber (Hg) behandelt. Die Kontamination von Lebensmitteln mit diesen Schwermetallen wird hauptsächlich durch industrielle Aktivitäten verursacht. Sie werden z. B. über Abgase von Straßenverkehr und Industrie in die Atmosphäre gebracht und mit der Luftströmung weit transportiert, bevor sie auf die Erdoberfläche niedergehen. In den Boden gelangen sie u. a. über Düngemittel (Klärschlamm) und reichern sich dort an oder sie sickern in tiefere Schichten bis ins Grundwasser. Die in den Lebensmitteln angereicherten Schwermetalle werden von uns direkt oder indirekt über die Nahrungskette aufgenommen und zum Teil im Organismus akkumuliert. Da Blei und Cadmium zu den am weitest verbreiteten Schwermetallen zählen und als besonders toxisch gelten, wird die Belastung dieser beiden Schwermetalle über die Nahrungsaufnahme berechnet und ein potentielles Risiko diskutiert. 213 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Die für den Einzelnen aus dem Verzehr belasteter Lebensmittel resultierenden gesundheitlichen Risiken können allerdings immer nur individuell, in Abhängigkeit von den Ernährungsgewohnheiten, den Belastungsfaktoren, die sich im übrigen Lebensumfeld ergeben (Rauchen, Arbeitsplatz) sowie von der körperlichen Disposition berechnet werden. Quellen der Schwermetallkontamination von Lebensmitteln In der Natur kommt Blei vor allem als schwarzes Bleisulfid (PbS, Bleiglanz) vor. Seltener ist das Auftreten als zwei- bzw. vierwertiges Oxid sowie als Weißbleierz (Cerussit), Rotbleierz (Krokoit), Gelbbleierz (Wulfenit), Scheelbleierz (Stolzit), Bleivitriol (Anglesit) oder Boulangerit. Cadmium wiederum findet man als Cadmiumblende (CdS, Greenockit) und Cadmiumcarbonat (CdCO3; Otavit) meist vergesellschaftet mit der Zinkblende (ZnS) und dem Galmei (ZnCO3) [Ohelmann und Markert, 1997]. Organismen nehmen während ihres Wachstums die Schwermetalle aus der Umgebung auf. Auf diese Weise gelangen die Schwermetalle in die Nahrungskette vom Boden über Pflanzen und Tiere bis zum Menschen. Durch anthropogene Vorgänge wird eine Reihe von Schwermetallen in die Luft emittiert und kann einerseits direkt über den Luftpfad schädliche Wirkungen auf Menschen und Umwelt entfalten, andererseits kann es zu einer Akkumulation von Schwermetallen im Boden, in Ökosystemen und damit in der Nahrungskette kommen und infolge dessen zu Schadwirkungen auch auf den Menschen. In nennenswerter Menge ist Cadmium vor allem in den Brennstoffen Holz und Heizöl (insbesondere Heizöl "schwer") vorhanden, bei deren Verbrennung im Bereich der Kleinverbraucher, Industrie und der Kraftwerke Cadmium freigesetzt wird. Darüber hinaus sind wesentliche Cadmiumquellen die Eisen- und Stahlerzeugung, die Verbrennung von Koks und Kohle, der Reifenabrieb bei LKW (20-90 mg Cd/kg Reifenmaterial) und die Zementerzeugung. Die Cadmiumemissionen sind zwischen 1985 und 1999 um 69%, nämlich von 4,8 auf 1,5 t/Jahr, zurückgegangen [6. Umweltkontrollbericht, 2001]. Als Hauptfaktoren für die Reduktion der Cadmiumemissionen sind der Rückgang des Verbrauchs an Heizöl "schwer", verbesserte Staubabscheidung bei Verbrennungsanlagen, in der Eisen- und Stahlerzeugung und bei Müllverbrennungsanlagen zu nennen. Cadmium wird in vielen technischen Prozessen eingesetzt, u. a. bei aufladbaren Batterien oder bei der Herstellung von Farbpigmenten. Vor allem durch Verbrennungsprozesse oder als Bestandteil von Klärschlamm wird es in die Umwelt eingebracht. Cadmium wird von den Pflanzen hauptsächlich über die Wurzeln aus dem Boden aufgenommen und im Gewebe gespeichert. Über die Nahrungskette gelangt dieses Element in den tierischen und schließlich in den menschlichen Körper, wo es sich in der Leber und den Nieren anreichert. Im Gegensatz zu früheren Jahren, als quecksilberhaltige Pflanzenschutz- oder Desinfektionsmittel eingesetzt wurden, ist die Verwendung dieses Schwermetalls in der Industrie deutlich zurück gegangen. Über Klärschlamm gelangt Quecksilber auf die Felder oder durch Verbrennungsprozesse in die Atmosphäre. Flüsse und Meere weisen – je nach Belastung mit Abwässern – teilweise eine relativ hohe Belastung mit Quecksilber auf. Fische und andere Wassertiere gelten als belastete Lebensmittel, da sie dieses Element anreichern. Dabei hängt die Menge von Alter und Art (Friedfische, Raubfische) und dem Verschmutzungsgrad der Gewässer ab. Bei Verwendung von Fischmehl als Tierfutter findet sich Quecksilber auch in Leber und Niere von terrestrischen Lebewesen. Durch die Einführung des bleifreien Benzins ist eine Hauptquelle für die Belastung der Umwelt mit Blei weggefallen (Abb. 3.44). Erzhütten und bleiverarbeitende Industrie emittieren dieses Element jedoch weiterhin. Es gelangt hauptsächlich über Abgase in die Luft und schlägt sich als bleihaltiger Staub auf der Oberfläche von Früchten und Blättern nieder. Der Bleigehalt von tierischen Lebensmitteln wird vor allem durch bleihaltige, pflanzliche Futtermittel verursacht. Blei kann auch aus bleihaltigen Glasuren von Keramikgefäßen in Lebensmittel übergehen. Schwermetallkonzentrationen in österreichischen Böden Böden sind lebende Systeme, die ihre Funktion in Ökosystemen und für den Menschen nur erfüllen können, wenn ihre Eigenschaften weitgehend intakt sind. Eine wesentliche Voraussetzung für vorsorgenden Bodenschutz ist die flächendeckende Erhebung des Bodenzustandes, vor allem im Hinblick auf Schadstoffe, die sich im Boden anreichern [6. Umweltkontrollbericht, 2001]. Schwermetalle gelangen durch nasse und trockene Deposition aus der Luft in den Boden. Ihr Verhalten im Boden ist sehr heterogen. Die Bodenzusammensetzung sowie der Boden-pH-Wert 214 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit spielen eine entscheidende Rolle bei der Fixierung und auch bei der Mobilisierung dieser Elemente. [Fellenberg, 1997] Blei weist eine ausgeprägte Tendenz zur Anreicherung im Boden auf und ist sogar bei sehr niedrigen pH-Werten sehr immobil. Während Quecksilber und Blei im Boden vor allem durch die organische Substanz gebunden werden, zählt Cadmium zu den mobilsten Schwermetallen. Bei diesem Element ist daher zusätzlich besonderes Augenmerk auf die mögliche Aufnahme durch Pflanzen und auf eine potenzielle Gefährdung des Grundwassers zu legen. Der Eintrag von den genannten Schwermetallen in den Boden kann entweder über die Luft oder durch direkte Ausbringung von beispielsweise Klärschlamm oder Komposten aus Abfällen erfolgen. Interaktionen der Schwermetalle mit anderen Spurenelementen Es ist bewiesen, dass Cadmium und Blei mit dem Stoffwechsel essentieller Spurenelemente wie zum Beispiel Eisen, Zink, Kupfer oder Selen interferieren. "Toxikologische Bedeutung gewinnen Wechselwirkungen zwischen essentiellen und nichtessentiellen Metallen häufig nur dann, wenn entweder bei normaler Versorgung mit essentiellen Spurenmetallen die nichtessentiellen in übermäßigen oder bei defizitärer Versorgung mit essentiellen die nichtessentiellen in normalerweise tolerierten Mengen aufgenommen werden." [Elsenhans, 2001] Die Interaktionen zwischen Spurenmetallen müssen nicht unbedingt auf zwei Metalle beschränkt bleiben, es können auch mehrere Metalle interagieren. Als Beispiel sei die in Japan aufgetretene "Itai-Itai"-Krankheit angeführt, bei der es zu Wechselwirkungen zwischen Cadmium, Eisen, Zink, Calcium und Kupfer gekommen ist. Ein hoher Phytat- und Zinkgehalt hemmt die Resorption, zudem kann sie bei nur 10% liegen, wenn Blei gemeinsam mit calcium- und phosphatreicher Nahrung aufgenommen wird. Laktose, Milch und Milchprodukte lassen die Bioverfügbarkeit von Blei erhöhen. Fasten und ein Mangelzustand an Calcium, Vitamin D, Eisen, Zink, Kupfer und Selen steigern die Bleiresorption (Reichl, 2000). In Tierexperimenten konnte gezeigt werden, dass die Absorption von Cadmium durch Ballaststoffe inhibiert werden kann und ein niedriger Eisengehalt der Nahrung die Aufnahme von Cadmium erhöht (Berglund et al, 1994) Für die Interaktionen von Zink und Eisen mit Schwermetallen existieren viele Untersuchungsdaten und sowohl experimentelle als auch klinische Beweise, dass Zink und Eisen positiv auf die toxischen Effekte der Schwermetalle einwirken (Goyer, 1997). Die Cadmiumaufnahme in Europäischen Ländern Die Mittelwerte der Cadmiumaufnahme liegen bei den angeführten Ländern (Abb. 3.45) zwischen 8 µg/Tag (Türkei) und 57,1 µg/Tag in Griechenland. Der Zahlenwert für Österreich wurde dem Expertengutachten zur LebensmittelVerkehr 300 Industrie 250 Kleinverbraucher 200 150 100 50 Jahr 215 1999 1998 1997 1996 1995 1994 1993 1992 1991 1990 1989 1988 1987 1986 0 1985 Pb-Emission in t/Jahr 350 Abb. 3.44 Luftschadstoffemmissionen an Blei in Österreich von 1985-1999 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit sicherheit (Elmadfa et al, 1999) entnommen und mit einem Auszug europäischer Länder der SCOOP 1996 verglichen. In Deutschland kann man aufgrund ähnlicher Klima- Boden- und Erntebedingungen von ähnlichen Schwermetallgehalten wie in Österreich ausgehen. Der Abbildung ist ein ähnlich hoher Belastungswert für Deutschland (10,2 µg/Tag) und Österreich (9,4 µg/Tag) zu entnehmen. Abschätzung der Cadmium- und Bleibelastung in Österreich Die 1996 im Rahmen des Forschungsvorhabens "Aufnahme an Zusatzstoffen in Österreich" vom Institut für Ernährungswissenschaften mittels 24-StundenRecalls erhobenen Daten von Verzehrserhebungen im ländlichen Gebiet rund um Wien bzw. in Ost- und Westösterreich (Elmadfa et al. 1996) gemeinsam mit in den Jahren 1994/95 - ebenfalls mittels 24-Stunden-Recalls - gewonnenen Verzehrsergebnissen von Wiener Erwachsenen stellten die Datenbasis zur Aufnahme an Lebensmitteln in Österreich dar, mit der die Cadmiumbelastung erstmals abgeschätzt werden konnte. In den Jahren 1991-1993 wurden im Rahmen der ÖSES (Österreichische Studie zum Ernährungsstatus) vom Institut für Ernährungswissenschaften Daten zum Lebensmittelverzehr bei Kindern und Jugendlichen mittels 7-Tage-Wiegeprotokollen erhoben und für die selben Auswertungen herangezogen. Außerdem gingen Verzehrsdaten (7-Tage-Wiegeprotokolle, 199495) von älteren Menschen in die Ermittlung mit ein. Für umfassendere Risikoabschätzungen wurden zusätzlich die in den Jahren 1993-95 erfassten Verzehrsdaten schwangerer und stillender Frauen in Österreich berücksichtigt (7- bzw. 3Tage-Wiegeprotokolle), so dass die Gesamtstichprobe insgesamt 4.110 Personen betrug. Nach Verknüpfung der Cadmium-Gehalte in Lebensmitteln mit den österreichischen Daten zum Lebensmittelverzehr verschiedener Bevölkerungsgruppen, konnte die Cadmium-Aufnahme in Österreich nach Alter und Geschlecht getrennt dargestellt werden. Die Mittelwerte der Aufnahmen der Gesamtbevölkerung (Tab. 3.49) reichen von 5,7 bis 11,9 µg Cadmium/d mit durchschnittlich 9,4 µg/d, wobei der höchste Wert bei Schwangeren gefunden wurde. An der 95. Perzentile, entsprechend dem österreichischen high consumer lagen die Aufnahmen bereits bei 13,8 bis 38,9 µg/d (durchschnittlich 27,7 µg/d). Durch Division durch die durchschnittlichen, gewichteten Körpergewichte pro untersuchter Altersgruppe (30,7-74,4 kg) konnten die Cadmium-Aufnahmen pro Kilogramm Körpergewicht - und davon jeweils die Mittelwerte und die 95. Perzentilen - berechnet werden. Während die Mittelwerte zwischen 0,08 und 0,29 µg/kg KG liegen (durchschnittlich 0,16 µg/kg KG/d), betragen die Aufnahmen an der 95. Perzentile 0,19-0,73 µg/kg KG (durchUngarn UK Türkei Abb. 3.45: Cadmiumaufnahme europäischer Länder (µg/Tag) [EUROPEAN COMMISSION, SCOOP, 1996 modifiziert mit ELMADFA et al, 1999] Spanien Schw eden Polen Italien Griechenland Österreich Deutschland Belgien 0 10 20 30 40 µg Cadmium proTag 216 50 60 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Altersgruppe weiblich (n) männlich (n) Gesamt (n) 3-6 Jahre 85 66 151 20-29 Jahre 125 76 201 30-39 Jahre 100 73 173 40-49 Jahre 75 54 129 50-59 Jahre 45 38 83 > 60 Jahre 49 41 90 Gesamt (n) 479 348 827 Körpergewicht kg weiblich männlich 20,3 21,2 64,7 80,8 Tab. 3.48: Verteilung des untersuchten Kollektivs nach Alter und Geschlecht, sowie mittleres Körpergewicht der Personengruppen schnittlich 0,46 µg/kg KG/d, höchste Aufnahmen in beiden Fällen bei 6 bis 9-Jährigen). Als Vergleichsbasis für eine Risikobeurteilung diente ein provisionally tolerable daily intake (PTDI), der für eine bessere Vergleichbarkeit mit der täglichen Aufnahme aus dem von JECFA 1985 postulierten toxikologische Grenzwert provisionally tolerable weekly inake (PTWI) von 7 µg/kg KG abgeleitet wurde. Dieser Wert wurde im Durchschnitt nur zu 16% erreicht. 6 bis 9-jährige Kinder nehmen jedoch 29% des PTDI an Cadmium auf. Etwas kritischere Ergebnisse liefert die Risikobeurteilung unter Berücksichtigung der high consumer (95. Perzentile). Die Aufnahmen lagen zwischen 20% (> 65-Jährige) und 73% (6 bis 9-Jährige) des PTDI. Im Durchschnitt erreicht die Cadmium-Aufnahme der high consumer diesen Wert jedoch nur zu 46%. Der Vergleich mit dem toxikologischen Beurteilungsparameter zeigte, dass im Mittel etwa 16% des provisionally tolerable daily intake (PTDI) von 1 µg/kg KG erreicht werden, was auf die Berücksichtigung des Körpergewichts zurückzuführen ist (d.h. die höhere Cadmiumaufnahme von Männern relativiert sich bei Division durch das altersgruppenspezifische Körpergewicht). An der 95. Perzentile kommen beide im Durchschnitt etwa zur Hälfte an den PTDI-Wert heran, wobei die Aufnahmen der männlichen Personen etwas höher liegen (Frauen 49%, Männer 51% des PTDI). Am höchsten scheint die Belastung wiederum bei 6 bis 9jährigen Kindern zu sein, da Mädchen 72%, Burschen sogar 82% des PTDI-Werts erreichen. Als Risikogruppen, die eine im Vergleich zum österreichischen Durchschnitt bedeutend höhere Aufnahme an Cadmium aufweisen, können 6 bis 9-jährige Kinder genannt werden. Der toxikologische Grenzwert von 1 µg/kg KG/d wird jedoch von keiner Personengruppe – nicht einmal an der 95. Perzentile (entsprechend dem high consumer) – überschritten (Abb 3.46). Der derzeit geltende PTWI scheint daher zunächst geeignet zu sein, auch Gesamt KG (kg) MW SD (µg/d) Median 75.P. 95.P. %PTDI %PTDI (µg/d) (µg/d) (µg/d) 1 MW 1 95. P. 6-9 J. 30,7 8,9 8,7 7,0 11,7 22,5 29,0 73,4 10-12 J. 13-14 J. 15-19 J. 41,5 51,2 60,9 9,0 9,2 10,1 9,0 9,8 10,9 6,8 6,6 7,2 12,0 12,1 12,5 23,3 24,1 28,2 21,7 17,9 16,6 56,2 47,1 46,4 19-25 J. 25-35 J. 66,7 70,7 10,2 10,6 17,7 18,9 7,2 4,8 12,5 13,6 28,2 37,6 15,3 15,1 42,4 53,1 36-45 J. 71,6 10,3 17,8 3,9 13,0 35,7 14,4 49,9 46-55 J. 56-65 J. > 65 J. 74,4 73,4 70,2 10,4 10,2 5,7 17,8 15,7 6,0 4,2 6,1 4,3 12,7 13,3 7,3 38,9 32,1 13,8 14,0 13,9 8,1 52,3 43,8 19,7 Schwangere 71,7 Stillende 62,8 11,9 5,7 11,4 6,4 8,7 4,2 15,0 6,8 32,3 16,0 16,5 9,1 45,0 25,4 217 Tab. 3.49: Aufnahme an Cadmium in Österreich (G e samtbevö l k e r u n g) und Vergleich mit toxikologischen Grenzwerten Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Abb. 3.46: Cadmium-Aufnahme verschiedener österreichischer Personengruppen (Mittelwerte und 95. Perzentilen) bezogen auf das durchschnittliche Körpergewicht und Vergleich mit dem PTDIWert von 1 µg/kg KG/d 6-9 J. 10-12 J. 13-14 J. 15-19 J. MW/kg KG 19-25 J. 95.P/kg KG 25-35 J. 36-45 J. 46-55 J. 56-65 J. > 65 J. PTDI= 1 µg/kg KG/d Schwangere Stillende 0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 1,1 Cadmiumaufnahme (µg/kg KG/d) Risikogruppen zu schützen. Dennoch sind Personen mit sehr einseitigem Ernährungsverhalten oder Vegetarier mit überdurchschnittlich hohem Gemüse- und Getreidekonsum gesondert im Hinblick auf ein mögliches Risiko zu beobachten. Blei Die Höchstgehalte (mg/kg Frischgewicht) in ausgewählten Lebensmittelgruppen betragen für das Schwermetall Blei die in Tabelle 3.50 angegebenen Werte. In dieser Arbeit wird die Reihenfolge der oben angeführten Lebensmittelgruppen (LMG) für das entsprechende Schwermetall beibehalten und oft nur die Bezeichnung LMG 1- LMG 16 für Blei bzw. LMG 1- LMG 15 für Cadmium verwendet. Die Untersuchung umfasst ein Kollektiv von n=1129 österreichischen Personen. Neben der Berechnung der durchschnittlichen, personengruppenspezifischen Aufnahme der verzehrten Menge pro Lebensmittelkategorie, in der auch Personen miteinbezogen werden, die diese Lebensmittel nicht konsumieren, existiert noch ein weiteres Evaluierungskonzept. Das angesprochene Konzept erfasst die Lebensmittelaufnahme von jenen Personen, die ein bestimmtes Lebensmittel bzw. eine bestimmte Lebensmittelgruppe im Untersuchungszeitraum auch tatsächlich konsumiert haben (Userkonzept). Dieses Konzept erscheint sinnvoll, da der Lebensmittelkonsum ungleichmäßig zwischen den einzelnen Personen einer Altersgruppe verteilt ist. Laut FAO/WHO liegt der Provisional Tolerable Weekly Intake (PTWI) für Blei für einen Menschen mit 60 kg Körpergewicht bei 1500 µg. Noch bis 1993 betrug dieser Wert 3000 µg. Im Gegensatz zu den von JECFA festgelegten ADI-Werten für Zusatzstoffe, beruhten diese Grenzwerte wie die damals gültigen 3000 µg, nicht auf Tierversuchen, sondern orientierten sich einerseits an der damaligen Schwermetallexposition des Menschen durch Nahrung, Luft und Trinkwasser und andererseits an toxikologischen Erfahrungen mit Schwermetallvergiftungen beim Menschen. (Diehl, 2000) Die durchschnittliche Bleibelastung der österreichischen Bevölkerung liegt bei den 3-6jährigen Kindern zwischen 0,03% (LMG 14) und 20,07% (LMG 15) des PTDI). Die Ergebnisse der 95. Perzentile bewegen sich zwischen 4,55% (LMG 2) und 61, 52% des PTDI durch die Lebensmittelgruppe Obst. Bei den Erwachsenen aller Altersgruppen reichen die Belastungen von 0,05% (Altersgruppe 2 durch die LMG 15) des PTDI bis zu 6,76% (Altersgruppe 4 mittels LMG 8). Die Ergebnisse der "high consumer" unter den Erwachsenen liegen zwischen 1,93% (> 60 Jährige durch die LMG 1) und 38,5%, die von den 20-29 Jährigen durch den Weinkonsum erreicht werden. 218 Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Erzeugnis Zulässige Bleihöchstgehalte (mg Pb/kg Frischerzeugnis) Beerenobst 0,2 Fette und Öle, einschließlich Milchfett 0,1 Muskelfleisch von Cuneata-Seezunge, Aal, geflecktem Streifenbarsch, Bastardmakrele oder Stöcker, Meeräsche, Diplodus vulgaris, Süßlippe, Pilchard oder Sardine 0,4 Muskelfleisch von Fischen 0,2 Fleisch von Rindern, Schafen, Schweinen und Geflügel 0,1 Fruchtsäfte, konzentrierter Fruchtsaft und Fruchtnektar 0,05 Gemüse, geschälte Kartoffeln 0,1 Kohlgemüse, Blattgemüse und alle Kulturpilze 0,3 Getreide (einschließlich Buchweizen) und Hülsenfrüchte 0,2 Kopffüßer (ohne Innereien) 1,0 Krebstiere, ausgenommen braunes Krabbenfleisch 0,5 Milch 0,02 Muscheln 1,0 Obst 0,1 genießbare Schlachtnebenerzeugnisse von Rindern, Schafen, Schweinen und Geflügel 0,5 Wein, aromatisierter Wein, aromatisierte weinhaltige Getränke und Cocktails, sowie Apfel-, Birnen- und Fruchtwein 0,2 Tab. 3.50: Erlaubte Höchstgehalte für Blei in verschiedenen Lebensmittelgruppen Cadmiumbealstung µg/d männlich weiblich MW SD 95.Perz. PTDIt MW SD 95.Perz. PTDIt 3-6 J 1,5 5,0 10 21,2 1,3 4,3 8,9 20,3 20-29 J 2,4 8,1 15 80,81 2,4 8,2 17 64,7 30-39 J 2,7 8,2 20 80,81 2,6 8,1 18,8 64,7 40-49 J 2,3 7,6 15 80,81 2,4 7,0 17,1 64,7 50-59 J 2,4 7,0 18,6 80,81 2,1 6,3 17 64,7 > 60 J 2,5 7,3 15,9 80,81 2,4 7,2 17,2 64,7 Bleibelastung µg/d männlich weiblich MW SD 95.Perz. PTDIt MW SD 95.Perz. PTDIt 3-6 J 3,5 8,6 20 75,684 3,4 8,2 19,2 72,47 20-29 J 6,5 19,1 39,2 282,835 6,4 17,2 39,2 226,45 30-39 J 6,7 18,4 38 282,835 5,9 13,5 36 226,45 40-49 J 6,3 19,7 32 282,835 6,2 19,7 36 226,45 50-59 J 6,6 16,8 40,1 282,835 5,1 12,1 28,9 226,45 > 60 J 6,6 16,7 37,5 282,835 5,4 12,6 30 226,45 219 Tab. 3.51: Cadmium- und Bleibelastung (µg) durch alle 15 bzw. 16 Lebensmittelgruppen Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Abb. 3.47 Fruchtsaftkonsum und resultierender PTDI (%) für Blei für alle untersuchten Altersgruppen 200 50 40 150 30 100 20 50 10 0 3-6 20-29 30-39 40-49 50-59 0 >60 3-6 20-29 30-39 40-49 50-59 >60 Da die Ergebnisse der Bleibelastungsberechnung sogar bei den "high consumer" maximal 38,5% der tolerierbaren Höchstmenge erreichen, wird die Diskussion der Bleibelastung durch die Nahrung sehr kurz gehalten und nur mittels der Abb. 3.47 und 3.48 präsentiert. Erwachsene im Alter von 20-49 Jahren konsumierten durchschnittlich mehr Fruchtsaft als die Vorschulkinder. Der errechnete Prozentsatz des PTDI der Kinder hebt sich aber deutlich von den Belastungswerten der Erwachsenen ab. Die 3-6 Jährigen erfahren durch den Fruchtsaftkonsum eine beinahe viermal so hohe Bleibelastung als die Erwachsenen. In Abb. 3.48 wird der Obstverzehr der Erwachsenen (alle Altersgruppen) mit dem Konsum der Vorschulkinder verglichen und der Belastungswert durch diese Lebensmittelgruppe errechnet. Hier gibt sich ein noch deutlicheres Bild: Vorschulkinder erreichen über den Obstkonsum, obwohl er ähnlich hoch ist wie der der Erwachsenen, rund 20% des Provisional Tolerable Daily Intake für Blei (Erwachsene rund 6% PTDI). Die Bleibelastung der User liegt insgesamt unter 60% des PTDI. Die 3-6 Jährigen erreichen Werte von 1,9% und 52,8%. Unter den Erwachsenen findet man Höchstwerte zwischen 1,1% und 57,8% (jeweils die Altersgruppe der 20-29 Jährigen durch die LMG 2 bzw. LMG 9). 50 200 40 150 30 100 20 Abb. 3.48: Obstkonsum und resultierender PTDI (%) 50 0 10 Vorschüler 0 Erwachsene 220 Vorschüler Erwachsene Kapitel 3. Lebensmittelqualität/Ernährungssicherheit Die Schwermetalle und ihre Auswirkungen auf den menschlichen Organismus gelangten erst in den Mittelpunkt des Interesses, als analytische Methoden geboren wurden, diese in Spuren vorkommenden Metalle in den Lebensmitteln zu detektieren. Die Abschätzung der Schwermetallbelastung von Cadmium und Blei für österreichische Personengruppen liegt unter Einbeziehung der vorhandenen Daten in allen Altersgruppen unter dem PTDIt-Werten. Die Aufnahmen liegen auch bei einzelnen "high consumer" (95. Perzentile) noch weit unter den maximal tolerierbaren Werten. Die Toleranzgrenzen der FAO/WHO wurden bei Blei und Cadmium zu geringem Prozentsatz ausgeschöpft. Demnach bestehen hinsichtlich der Schwermetallbelastung von Cadmium und Blei durch die Nahrungsaufnahme keine Bedenken, jedoch wurden nicht exakt alle Lebensmittel berücksichtigt, die zu einem Schwermetalleintrag beitragen können. Vielmehr wurde das Hauptaugenmerk auf jene Lebensmittelgruppen (mit den aktuellsten erlaubten Höchstgehalten) geworfen, die in erster Linie als am stärksten belastet gelten und dadurch verstärkt zu einer Risikobelastung durch die Nahrungsaufnahme beitragen. Unter besonderen Verzehrsgewohnheiten (exzessiver Konsum spezieller Lebensmittelgruppen) können negative Wirkungen durch die genannten Stoffe nicht mit der nötigen Sicherheit ausgeschlossen werden. Besonders bei lang anhaltender einseitiger Ernährung mit der Präferenz von Innereien, ungereinigten "naturbelassenen" pflanzlichen Lebensmitteln und tierischen Fetten oder bestimmten Fischarten kann das Risiko in nicht näher quantifizierbarer Weise erhöhen. 221 Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen Kapitel 4: Bedeutung der wichtigsten Lebensmittelgruppen für die Ernährung 4.1 Brot und Getreideprodukte Zusammenfassung Österreich liegt mit seinem Brotverzehr im europäischen Durchschnitt. Laut ÖSES (Österreichischen Studie zum Ernährungsstatus) werden in Österreich durchschnittlich 119 g Brot und Gebäck vorwiegend aus Auszugsmehlen - pro Kopf und Tag verzehrt, was nur etwa der Hälfte der DGE-Empfehlungen entspricht. Eine Steigerung des Brotverzehrs (ohne zusätzlichen Verzehr von Butter, Käse, Wurst etc. als Brotbelag), vor allem von dunklen Brotsorten und Vollkornbrot, würde nicht nur die Versorgungslage an zahlreichen Mikronährstoffen (B-Vitamine, Vitamin E, Magnesium, Eisen etc.) verbessern, sondern auch die Ballaststoffzufuhr auf ein wünschenswert höheres Niveau anheben. Da Brot rund 1,3 g Kochsalz pro 100 g enthält, könnte auch die Jodversorgung in Österreich entscheidend verbessert werden. Voraussetzung wäre jedoch eine breitere Verwendung von jodiertem Speisesalz bei der Herstellung von Brot und Gebäck. Aktuell durchgeführte Erhebungen zu den Verzehrsgewohnheiten von Wiener Vorschulkindern (36 J.) zeigten Vorlieben für Weißmehlprodukte. Viele der befragten Kinder gaben an, Vollkornbrot gar nicht zu kennen. Unter den Frühstückscerealien werden Cornflakes und nährstoffangereicherte Frühstücksflocken bevorzugt. Haferflocken kennen die Kinder kaum bzw. werden nur selten konsumiert. In vielen Ländern ist die Nährstoffanreicherung von Brot und Getreideprodukten Standard, wodurch die Versorgungslage an vielen Vitaminen (z.B. Folsäure), Mineralstoffen (z.B. Calcium) und Spurenelementen (z.B. Selen) verbessert wird. In Österreich ist die Diskussion zu diesem Thema noch nicht abgeschlossen. Bei den Anreicherungsmaßnahmen sollten jedoch nicht Marktwirksamkeit und wirtschaftliche Aspekte, sondern vor allem die Sinnhaftigkeit im Vordergrund stehen. Allgemeines Seit Tausenden von Jahren gehören Brot und Getreideprodukte zu den Grundnahrungsmitteln des Menschen. Diese Lebensmittelgruppe war und sollte weiterhin der Grundpfeiler der menschlichen Ernährung sein. Nachdem der Brotverbrauch seit 1950 um etwa die Hälfte abgenommen hat, nimmt die Beliebtheit von Brot heute wieder etwas zu. Zumindest der Weizenverbrauch ist in den letzten Jahren wieder angestiegen. Brot und insbesondere Vollkornbrot ist ein wichtiger Nährstofflieferant. Es enthält wertvolle Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente, die aus den Randschichten des Korns und Keimling stammen. Aufgrund des hohen Anteils an unverdaulichen Bestandteilen, den Ballaststoffen, regt Vollkornbrot die Verdauung an, beugt Verstopfungen vor und sorgt für ein lang anhaltendes Sättigungsgefühl. Brot wird entweder mit Hefe oder Sauerteig hergestellt. Pilze und Bakterien vergären Zucker zu dem Gas Kohlendioxid, das den Teig auflockert. Der Zucker entsteht durch Spaltung der Stärke durch Enzyme, die im Mehl natürlicherweise enthalten sind. Getreideprodukte, gute Nährstoffquellen Nicht nur Fleisch, sondern auch Brot und Getreideprodukte in richtiger Kombination mit anderen Proteinquellen sind gute Eiweißlieferanten für den Körper. Der Proteingehalt von Brot wird oft unterschätzt, obwohl dieser je nach Brotsorte zwischen 6-10% liegt. Eine Scheibe Vollkornbrot mit einem Glas Milch eignet sich beispielsweise hervorragend als Zwischenmahlzeit, da sich Milcheiweiß ideal mit pflanzlichem Eiweiß ergänzt. Getreideprodukte enthalten eine beachtliche Menge an Kohlenhydraten und stellen somit wichtige Energiequellen für den menschlichen Organismus dar. Im Körper läuft die Energiegewinnung aus Kohlenhydraten wesentlich "ökonomischer" ab als aus Fett. Ungefähr 50% des Gesamtgewichts eines frischen Brotes sind Kohlenhydrate und zwar in Form von Stärke. Getreidestärke gehört zu den verwertbaren hochmolekularen Kohlenhydraten. Für Weiß- oder Vollkornbrote werden unterschiedli- 222 Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen che Mehle verwendet. Der Ausmahlungsgrad des Korns bestimmt nicht nur die Mehlfarben, sondern sagt auch etwas über dessen Inhaltsstoffe aus. Wird das ganze Korn samt Schale und Randschicht gemahlen, erhält man ein ballaststoff-, vitamin- und mineralstoffreiches Mehl. Generell gilt, je niedriger der Ausmahlungsgrad, desto weißer, ballaststoff- und nährstoffärmer ist das Mehl. Das Getreidekorn selbst bzw. Vollkornprodukte haben einen besonders hohen Anteil an Ballaststoffen. Ballaststoffe können nicht verdaut werden und regen so als Füll- bzw. Quellstoffe die Darmtätigkeit an. Außerdem belegen Studien, dass Ballaststoffe sich positiv auf den Cholesterinspiegel auswirken und dass sie das rasche Ansteigen des Blutzuckerspiegels nach der Nahrungsaufnahme verhindern. Daher verfügen ballaststoffreiche Getreideprodukte über einen niedrigeren Glykämischen Index. Die meisten Mineralstoffe und Vitamine stecken in den Randschichten des Korns und im Keimling, während das Innere des Getreidekorns, der sogenannte Mehlkörper, hauptsächlich Stärke und Eiweiß enthält. Vollkornbrot - aber auch allgemein gesprochen Brot - ist demnach ein guter Lieferant für B-Vitamine, Vitamin E, Magnesium, Eisen und Calcium. Durch gezielte Kombination von Getreideprodukten mit Gemüse kann die Bioverfügbarkeit von z. B. Eisen aus Getreideprodukten deutlich angehoben werden. Produkte, hergestellt aus dem ganzen Getreidekorn, sind außerdem reich an Spurenelementen (Selen, Kupfer, Mangan), Phenolsäuren, Lignanen und Phytoöstrogenen [Anderson und Hanna, 1999]. Brotverzehr in der EU bzw. in Österreich Österreich liegt laut EU-Infobrief mit einem durchschnittlichen Brot- und Bakkwarenverzehr von rund 71 kg/Kopf und Jahr im Mittelfeld des Brotverbrauchs von Europa. Deutschland rangiert mit einem Brot- und Brötchenverbrauch von 84 kg/Kopf und Jahr an der Spitze der europäischen Länder, gefolgt von Schweden mit 76 kg und Dänemark mit 74 kg. Franzosen verzehren im Durchschnitt nur 54 kg Brot pro Kopf und Jahr. Das Schlusslicht bilden die Belgier mit 48 kg und die Luxemburger mit lediglich 40 kg Brotkonsum pro Kopf und Jahr. Tab. 4.1 zeigt neben dem Gesamtverbrauch in Österreich auch die Anteile der verschiedenen Brotund Gebäcksorten. Trotz der anfangs erwähnten günstigen Zusammensetzung des Getreides und der oben angeführten im europäischen Vergleich hohen Brotverbrauchszahlen und vorhandenen Brotvielfalt werden in Österreich durchschnittlich nur 119 g pro Kopf und Tag verzehrt (Tab. 4.2). Als Berechnungsgrundlage zur Ermittlung des Brotund Gebäckkonsums dienten die Verzehrsangaben der Österreicher, die im Rahmen der ÖSES (Österreichische Studie zum Ernährungsstatus) erhoben wurden. Die Berechnung der Nährstoffaufnahme erfolgte mittels EWP (Ernährungswissenschaftliches Programm) bzw. BLS II.3 (Bundeslebensmittelschlüssel). Ferner wurde die Lebensmittelgruppenkategorisierung der von der britischen und niederländischen Arbeitsgruppe angewandten CFCS-Kategorisierung (Codex Food Categorisation System) übernommen, welche die Berechnung des Gebäck- und Brotkonsums der Österreicher erlaubt. Die ursprüngliche Erhebung der Ernährungsprotokolle war nicht auf eine lebensmittelbasierte Auswertung nach dem CFCS-System ausgerichtet und es wurde daher versucht, die für diese Art von Verzehrsprotokollen suboptimale Zuordnungsmethode so gut wie möglich anzupassen. Demnach konsumieren Männer zwar mehr Brot und Gebäck als Frauen, aber generell erreicht keine der Personengruppen die von der DGE empfohlenen 5 bis 7 Scheiben Brot pro Tag (rd. 200 bis 300 g). Schwangere verzehren lediglich rund 100 g Brot und Gebäck pro Tag, obwohl sie einen erhöhten Energiebedarf haben und diesen besonders aus kohlenhydratreichen und fettarmen Lebensmitteln dekken sollten. Hingegen ist der Feingebäckkonsum dieser Personengruppe fast ebenso groß, wie der von Brot und Gebäck. Kinder und Jugendliche "naschen" mehr als Erwachsene (Tab. 4.3). Feingebäck (Kuchen, Kekse, etc.) enthält relativ viel Fett und Einfachzucker und wird zumeist aus Auszugsmehlen hergestellt. Feingebäck leistet bei der Ver- 223 Tab. 4.1: Pro-Kopf-Verbrauch an Brot und Backwaren in Österreich pro Jahr, [mod. nach WIFI, 1999] Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen Tab. 4.2: Mittlerer täglicher Brotund Gebäkkverzehr der österreichischen Bevölkerung (in g/d) Tab. 4.3: Mittlerer täglicher Brotund Gebäkkverzehr der österreichischen Bevölkerung (in g/d) Personengruppe weiblich männlich sorgung mit essentiellen Nährstoffen somit einen geringeren Beitrag als Brotbzw. Vollkornbrot. Kinder und Ju92 121 Aufgrund der Ergebnisse der Begendliche rechnungen der Nährstoffaufnahme Erwachsene 131 157 aus der Lebensmittelgruppe "Brot und Gebäck" mittels EWP bzw. BLS kann geSenioren 113 116 sagt werden, dass in Österreich überSchwangere 101 wiegend Weiß- und Mischbrot verzehrt Durchschnitt 119 wird und daher der Beitrag der Nährstoffaufnahme kleiner ist, als er durch den häufigeren Konsum von VollkornPersonengruppe weiblich männlich brot sein könnte. (g/d) (g/d) Zahlreiche Institutionen aus dem Ernährungs- und Gesundheitsbereich Kinder und Ju67 70 empfehlen, Weißbrot durch Vollkorngendliche brot zu ersetzen. Beide Brotsorten sind Erwachsene 62 59 reich an komplexen Kohlenhydraten, jeSenioren 31 34 doch zeichnet sich Vollkornbrot unter anderem durch eine höhere NährstoffSchwangere 86 dichte aus. Durchschnitt 58 Aus Tab. 4.4 geht hervor, dass durch den durchschnittlichen Brotverzehr in Österreich rund 5,5 g Ballaststoffe pro Tag aufgenommen werden, was rd. einem Sechstel des Richtwerts (30 g/d) entspricht. In Tab. 4.4 sind ferner zwei Denkmodelle dargestellt, welche die Versorgung mit ausgewählten Nährstoffen bei unterschiedlichem Brotverzehr veranschaulichen soll. Modell A (Tab. 4.4) geht vom derzeitigem Ist-Brotverzehr in Österreich aus (119 g pro Kopf und Tag), allerdings unter der Annahme, dass die Hälfte davon aus Vollkornbrot stammt. Bereits bei diesem Modell würde sich die Versorgungslage an ernährungsphysiologisch wertvollen Nährstoffen (Ballaststoffe, essentielle Mikronährstoffe) deutlich verbessern. Eine weitere Steigerung der Nährstoffzufuhr ließe sich durch Modell B (Tab. 4.4) erzielen. Ausgehend von der Empfehlung der DGE, täglich rd. 250 g Brot- und Gebäck zu konsumieren, ließe sich beispielsweise bei einem Verhältnis Weiß-:Vollkorn-:Mischbrot (20:40:40) alleine dadurch fast die Hälfte der wünschenswerten Ballaststoffaufnahme (mind. 30 g pro Tag) erreichen. (g/d) (g/d) Brot und Getreide in der Ernährung von Vorschulkindern (3-6 J.) Modell A Tab. 4.4 Brot als Lieferant von Ballaststoffen, Eisen und B-Vitaminen; IstBrotverzehr und Denkmodelle (Modell A und B) Modell B Ist-Brotverzehr* Vollkorn-:Mischbrot Ø 119 g (50:50) Ø Verzehr 119 g Weiß-:Vollkorn:Mischbrot (20:40:40) Ø Verzehr 250 g Ballaststoffe (g) 5,5 7,4 14,2 Vitamin B1 (mg) 0,11 0,15 0,37 Vitamin B2 (mg) 0,09 0,11 0,25 Vitamin B6 (mg) 0,13 0,17 0,40 Eisen (mg) 1,7 2,6 4,1 * Die ermittelte verzehrte Brotmenge kann nicht genau spezifiziert werden. Aufgrund der niedrigen Ballaststoffaufnahme kann angenommen werden, dass es sich größtenteils um Weißbzw. Mischbrot gehandelt hat. 224 Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen Abb. 4.1: Verzehrshäufigkeit von Brot und Gebäck bei Wiener Vorschulkindern (3-6 J.) Angaben in % 80 60 40 20 0 Weißbrot/Semmeln täglich Misch/Schwarzbrot manchmal nie Vollkornbrot weiß nicht/kenn ich nicht In einer vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien durchgeführten Erhebung zu den Verzehrsgewohnheiten von Vorschulkindern in Wien ergab sich hinsichtlich des Brot- und Gebäckkonsums das in Abb. 4.1 dargestellte Bild. Nach den Angaben der Kinder, wird Vollkornbrot nur selten konsumiert. Darüber hinaus wussten 22% der Kinder mit dem Begriff "Vollkornbrot" gar nichts anzufangen. Hier ist also ein großer Aufklärungsbedarf gegeben, wobei Eltern und Kindergärtnerinnen besonders gefordert sind. Die Akzeptanz von Vollkornbrot hat in den letzen Jahren jedoch etwas an Bedeutung gewonnen. Noch vor einigen Jahren [Demitsch-Santner, 1994] gaben 36% der befragten Eltern an, dass ihre Kinder nie Vollkornbrot essen würden. Heute sind es nur mehr 21%. 80% der befragten Kinder essen Cornflakes und nur wenige kennen diese Art der Frühstückscerealien nicht. Fast die Hälfte des Kollektivs gab an, "Smacks" und andere nährstoffangereicherte Frühstückscerealien zu konsumieren (Abb. 4.2), deren Anzahl am Markt immer umfangreicher wird. Besonders Kinder sind eine beliebte Zielgruppe für diese angereicherten Produkte. Diese werden in allen möglichen Geschmacksrichtungen von Schokolade bis Zimt angeboten. Sie unterscheiden sich sehr stark in ihrer Anreicherungsmenge und somit in ihrem Nährstoffgehalt. Ernährungsphysiologisch könnte man einige Produkte schon in die Lebensmittelgruppe der "Süßigkeiten" reihen, da sie häufig viel Zucker und Fett enthalten. Im Gegensatz dazu scheinen die "guten alten Haferflocken" in der Ernährung von Vorschulkindern kaum eine Rolle zu spielen. Haferflocken haben ohne Zusätze wie beispielsweise Zucker und/oder Schokolade keinen so verlockenden Geschmack wie spezielle Kindergetreideprodukte und werden von dieser Altersgruppe daher auch nicht so stark bevorzugt. Brot als "Functional Food": Nährstoffanreicherung von Brot Angaben in % 60 40 20 0 Cornflakes täglich Müslimischung manchmal nie Smacks, etc. Haferflocken weiß nicht/kenn ich nicht 225 Abb. 4.2: Verzehrshäufigkeit von Frühstücksgetreideprodukten bei Wiener Vorschulkindern (3-6 J.) Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen Nährstoffangereicherte Lebensmittel liegen im Trend. Um zusätzlich zum Nährwert und Geschmack eine spezielle gesundheitsfördernde Wirkung zu erzielen, werden viele Lebensmittel, darunter auch Brot, mit speziellen Inhaltsstoffen (z.B. Mikronährstoffe, Ballaststoffe, sekundäre Pflanzenstoffe etc.) angereichert. Brot aus Mehl mit hohem Ausmahlungsgrad, sprich Vollkornbrot, zeichnet sich natürlicherweise durch einen hohen Nährstoffgehalt aus. Doch durch den Mahlprozess geht ein Teil der essentiellen Nährstoffe des Korns verloren. Schon seit Jahren sind in diversen Ländern angereicherte Mehle erhältlich, die den Vitamin- und Nährstoffgehalt des ganzen Korns auch im Weißmehl garantieren sollen. So ist beispielsweise in Großbritannien die Nährstoffanreicherung von Weißmehl bis zum Nährstoffgehalt des Vollkornmehls vorgeschrieben, da dort fast ausschließlich Weißmehlprodukte verzehrt werden [Elmadfa und Leitzmann, 1998]. Dies gilt für die essentiellen Nährstoffe Niacin (1,6 mg/100g), Vitamin B1 (0,24 mg/100g), Eisen (1,65 mg/100 g) und Calcium (235 bis 390 mg/100g). Brot und Backwaren eignen sich zur Anreicherung mit Nährstoffen besonders gut, da sie als Grundnahrungsmittel eine hohe Verzehrsfrequenz haben. In Ländern wie den USA wird seit 1998 Mehl generell mit Folsäure angereichert. Auch Ballaststoffe spielen eine bedeutende Rolle in der Anreicherungsstrategie. Neben den korneigenen, klassischen Ballaststoffen werden Brot und Backwaren auch solche zugesetzt, die anderer Herkunft sind, wie z. B. Inulin (aus Zichorien) und Resistente Stärke (kann lebensmitteltechnologisch z.B. aus Kartoffelstärke erzeugt werden). Durch ihre Wirkung, die sich durchaus mit denen der Ballaststoffe vergleichen lässt, finden sie vermehrt als sogenannte präbiotische Substanzen Einsatz. Geht man davon aus, dass in Österreich weiterhin 119 g Brot pro Kopf und Tag verzehrt werden, so ließe sich durch die Anreicherung von Brot, wie sie in Großbritannien vorgeschrieben ist, die in Tab. 4.5 dargestellte Nährstoffaufnahme erzielen. Durch die Anreicherung von Weißmehl mit Calcium kann demnach fast die Hälfte der D-A-CH-Referenzwerte für die tägliche Zufuhr erreicht werden. Unabhängig von der Anreicherung, zeigt dieser Vergleich die Bedeutung von Brot als Eisenlieferant. Die relativ geringe Bioverfügbarkeit von Eisen aus Getreideprodukten ließe sich jedoch durch den gleichzeitigen Verzehr von Vitamin C-reichen Lebensmitteln steigern. Die Sinnhaftigkeit von manchen Anreicherungsmaßnahmen, wie z.B. mit Fischölen, kann angezweifelt werden. Sehr zu begrüßen und auch sehr einfach durchzuführen wäre hingegen die Verwendung von jodiertem Speisesalz in der Brotzubereitung. Tab. 4.5: Vergleich der Nährstoffaufnahme aus angereichertem Brot und Vollkornbrot mit der tatsächlichen durchschnittlichen Aufnahme der Österreicher (Basis: 119 g Brot) Schlussbetrachtung Brot und Getreideprodukte können aufgrund der hohen Nährstoffdichte entscheidend zur Nährstoffversorgung einer Bevölkerung beitragen. Hinsichtlich des Geschmacks und des Nährwerts wird fermentiertes Brot kaum von einem anderen Lebensmittel übertroffen. Leider ist der Brotverzehr in Österreich seit 1950 stark gesunken und bleibt seit etwa 10 Jahren auf einem mehr oder weniger stabilem Niveau. Der durchschnittliche Brotverzehr in Österreich liegt zur Zeit bei 119 g pro Tag. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) empfiehlt einen täglichen Brotkonsum von 5 bis 7 Scheiben (rd. 200 bis 300 g). Mit Brotbelag (Butter, Käse, Brot angereichert* Vollkornbrot Ist-Aufnahme Calcium (mg) 464 26 35 Eisen (mg) 2,0 3,2 1,7 Niacin (mg) 2,0 1,5 1,1 Vitamin B1 (mg) 0,3 0,1 0,1 * lt. gesetzlicher Regelung in Großbritannien 226 Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen Wurst etc.) soll dabei sparsam umgegangen werden. Eine Steigerung des Brotkonsums in Österreich wäre also wünschenswert, wobei insbesondere mehr Vollkornbrot verzehrt werden sollte. Die D-A-CH-Richtwerte für die Kohlenhydratzufuhr sollen unter anderem die Fettzufuhr bilanzieren. Da Brot ein sehr guter Kohlenhydratlieferant ist, würde ein höherer Verzehr dieser Lebensmittelgruppe (ohne zusätzlichem Verzehr von Butter, Käse, Wurst etc. als Brotbelag) auch dazu beitragen, den überhöhten Fettkonsum in Österreich zu senken. Zusätzlich würde sich die Versorgungslage an einigen Mikronährstoffen (B-Vitamine, Magnesium, Eisen, etc.) und Ballaststoffen verbessern. Durch die Speisesalzjodierung und den relativ hohen Kochsalzanteil könnten Brot und Backwaren auch ein guter Lieferant von Jod sein, wenn jodiertes Speisesalz in den Bäckereien einen breiteren Einsatz finden würde. 227 Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen 4.2 Obst und Gemüse Zusammenfassung Die Auswertung des täglichen Gesamtobstverzehrs der österreichischen Bevölkerung zeigt im Großen und Ganzen ein erfreuliches Bild. Schwangere Frauen und Mittelschüler konsumieren mengenmäßig am meisten Obst. Auch Vorschulkinder und Senioren nehmen täglich ausreichend Obst zu sich. Ein höherer Obstverzehr wäre allerdings bei Volksschulkindern, Jugendlichen und Erwachsenen wünschenswert. Äpfel, Birnen und Bananen zählen zum Lieblingsobst der Österreicher. Das meiste Kernobst und die meisten Bananen werden von Kindern im Vorschulalter und von Schwangeren konsumiert. Auch Senioren essen gerne Kernobst. Mittelschüler bevorzugen Zitrusfrüchte. Sie decken fast ihren gesamten Tagesbedarf an Vitamin C aus Obst während bei Schwangeren der größte Teil der täglichen Vitamin C Zufuhr aus Gemüse stammt. Der tägliche, durchschnittlich errechnete Gemüseverzehr des gesamten Untersuchungskollektivs ist, unabhängig von Geschlecht und Lebensalter, unzureichend. Die höchste Gemüseaufnahme verzeichnet die Gruppe der Schwangeren. Fast bei allen Personengruppen, außer Mittelschüler und Senioren, protokolliert das weibliche Kollektiv einen höheren Obst- und Gemüsekonsum als das männliche. Eltern als positive Vorbilder beeinflussen das Verhalten von Kindern eher als Verbote oder Einschränkungen. Allgemeines Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs zählen zu den häufigsten Todesursachen in Österreich. Im Jahr 2001 betrug ihr Anteil an allen Sterbefällen mehr als drei Viertel (Männer 73,1%; Frauen 79,8%) (siehe Kap. 5.1). Zahlreiche Untersuchungen (Neuhouser et al., 2003, Sauvaget et al., 2003, Trichopoulou et al., 2003) beobachteten, dass eine Ernährung mit reichlich Gemüse und Obst das Risiko von Krebs bzw. Herz-Kreislauferkrankungen deutlich reduzieren kann. In den Niederlanden konnte bestätigt werden, dass durch einen hohen Obst- und Gemüsekonsum die Sterblichkeit von Krebs um durchschnittlich 19% (range: 6-28%) und an koronaren Herzerkrankungen um ca. 16% (range: 6-22%) gesenkt werden kann (van't Veer et al., 2000). Österreich gehört, international betrachtet, zu den Ländern mit "mäßigem Gemüseverbrauch" (Austria, 2001). "Fünfmal am Tag Gemüse und Obst zu verzehren", ist Teil eines breiten internationalen Netzwerks mit Kampagnen in den USA und vielen europäischen Ländern. Auch in Österreich sind Organisationen aus den Bereichen Gesundheit, Handel, u.a. für fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag aktiv. Ein EU-weites Programm gegen Krebs unterstützt diese Kampagne. Das gemeinsame Ziel aller Länder ist, durch eine Steigerung des Verzehrs von Obst und Gemüse, die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern und ernährungsabhängige Erkrankungen vorzubeugen. Der Stellenwert von Obst und Gemüse in Österreich Obst und Gemüse sind für den menschlichen Organismus hervorragende Quellen für Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe und sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe. Pro Tag sollten mindestens 400 g Gemüse und Obst verzehrt werden. Eine Portion kann durch ein Glas Frucht- oder Gemüsesaft ausgetauscht werden. Mehr sollte es davon jedoch nicht sein, denn dem Saft fehlen die wertvollen Ballaststoffe. Die Österreichische Krebshilfe führte gemeinsam mit dem Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien eine Österreichweite Umfrage zu den Verzehrsgewohnheiten von Obst und Gemüse durch. Ziel dieser Kooperation war es, die Einstellung der österreichischen Bevölkerung zu einer "gesunden" Ernährung mit reichlich Obst und Gemüse zu evaluieren (Elmadfa et al., 2001). An dieser Studie nahmen insgesamt 7360 Österreicher teil. Etwa die Hälfte der befragten Österreicher kannte die Empfehlung "5x am Tag". Fünfzig Prozent gaben an, täglich Obst zu verzehren. Ein Drittel isst Obst sogar mehrmals täglich. Die meisten Personen konsumieren es als "Jause zwischendurch" und "weil es schmeckt". Ein Drittel der untersuchten Österreicher essen Obst "weil es gesund ist" und 9% "weil/wenn es da ist". Als Lieblingsobst gelten Apfel und Banane. Die Hälfte der Österreicher verzehren Gemüse bzw. Salat täglich bzw. gelegentlich. Achtundfünfzig Prozent essen Gemüse "weil es schmeckt", 32% "weil es gesund ist" und 16% "weil/wenn es da ist". Laut dieser Umfrage zählen Karotten und Kohlgemüse zum Lieblingsgemüse der befragten Österreicher. Hülsenfrüchte sind nur bei 10% beliebt. Der tägliche Salatkonsum liegt unter den Zufuhrempfehlungen. 66% des Kollektivs essen Salat "weil er schmeckt", 24% "weil er gesund ist" und 228 Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen Kollektiv Wiegeprotokoll (n) 24h-Recall (n) Vorschulkinder (3-6 J.) 151* 151 Volksschulkinder (7-10 J.) 273* 390 Mittelschulkinder (11-14 J.) 174** Lehrlinge (15-18 J.) Fragebogen (n) Tab. 4.6: Studienkollektiv und Erhebungsmethoden 209 102* 102 Erwachsene (19-60 J.) 676 887 Schwangere 262 260 Senioren (>60 J.) 645 444 * 3-Tage-Wiegeprotokoll; ** 7-Tage-Wiegeprotokoll 15% "weil/wenn er da ist (Bestandteil des Menüs)". Frauen und Männer essen gleich gerne Obst. Gemüse oder Salat wird von Frauen häufiger aus Gründen "weil es schmeckt" konsumiert, während Männer öfter Gemüse bzw. Salat verzehren "weil/wenn es da ist" (Elmadfa et al., 2001). Verzehr von Obst und Gemüse in Österreich Studien zur aktuellen Lebensmittelaufnahme bzw. des Ernährungswissens und -verhaltens werden vom Institut für Ernährungswissenschaften laufend durchgeführt. Aus dem erhobenen Zahlenmaterial kann eine Bewertung der Aufnahme von Obst und Gemüse für entsprechende Personengruppen in Österreich erfolgen. Mit Hilfe von Wiegeprotokollen, 24h-Recalls und Fragebögen kann abgeschätzt werden, wie oft bestimmte Lebensmittel bzw. eine bestimmte Lebensmittelgruppe im Durchschnitt verzehrt werden. Folgende Instrumentarien wurden bei bestimmten Personengruppen angewandt (Tab. 4.6). Der ermittelte, mengenmäßige Verzehr von Obst und Gemüse, unterteilt nach botanischen Kriterien (Ausnahme: Banane), wurde als Mittelwert und Standardabweichung für die entsprechende Personengruppe dargestellt. Schwangere verzehren im Vergleich zu allen anderen untersuchten Personengruppen am meisten Obst und Gemüse. Im Durchschnitt wird von den schwangeren Frauen täglich rund 291 g Obst und 168 g Gemüse konsumiert (Tab. 4.7). Im Vergleich zu jüngeren Schwangeren essen werdende Mütter über 35 Jahren nicht nur mehr Obst, sondern auch signifikant mehr Gemüse. Schwangere in allen Altersgruppen bevorzugen Kernobst gefolgt von Beerenfrüchten. Frucht- und Blattgemüse gelten als beliebteste Gemüsesorten. Die Auswertung des täglichen Gesamtobstverzehrs der österreichischen Bevölkerung zeigt im Großen und Ganzen ein erfreuliches Bild. Schwangere Frauen Kollektiv Obst g/d (MW±SD) gesamt Gemüse g/d (MW±SD) weiblich männlich gesamt weiblich männlich 3-6 Jahre 177±162 180±159 174±166 48±61 47±62 50±60 7-10 Jahre 156±196 158±197 155±198 73±90 74±98 71±81 11-14 J. 255±295 149±289 264±305 72±100 74±101 71±99 15-18 J.* 145±171 187±192 94±124 78±56 86±59 67±51 19-60 J. 183±227 186±218 179±240 148±134 153±136 140±131 >60 J.** 240±200 241±194 230±224 145±122 142±116 155±141 - - 168±148 - - Schwange- 291±296 re * Lehrlinge; ** Wiener Senioren 229 Tab. 4.7: Mittlerer täglicher Obstund Gemüseverzehr der österreichischen Bevölkerung, getrennt nach Geschlechts- und Altersgruppen Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen und Mittelschüler konsumieren mengenmäßig am meisten Obst. Auch Vorschulkinder und Senioren nehmen täglich ausreichend Obst zu sich. Ein höherer Obstverzehr wäre allerdings bei Volksschulkindern, Jugendlichen und Erwachsenen wünschenswert. Äpfel, Birnen und Bananen zählen zum Lieblingsobst der Österreicher. Das meiste Kernobst und die meisten Bananen werden von Kindern im Vorschulalter und von Schwangeren konsumiert. Auch Senioren essen gerne Kernobst. Mittelschüler bevorzugen Zitrusfrüchte. Sie decken fast ihren gesamten Tagesbedarf an Vitamin C aus Obst während bei Schwangeren der größte Teil der täglichen Vitamin C Zufuhr aus Gemüse stammt. Der tägliche, durchschnittlich errechnete Gemüseverzehr des gesamten Untersuchungskollektivs ist, unabhängig von Geschlecht und Lebensalter, unzureichend. Die größte Gemüseaufnahme verzeichnet die Gruppe der Schwangeren. Fast in allen Personengruppen, außer Mittelschüler und Senioren, protokolliert das weibliche Kollektiv einen höheren Obst- und Gemüsekonsum als das männliche. Akzeptanz von Obst und Gemüse in Österreich Vorschulkinder (3-6 Jahre) Achtundachtzig Prozent der 3-6-Jährigen essen gerne Obst und Gemüse. Obst wird von den Kindern bevorzugt, was wahrscheinlich auf den süßen Geschmack der Früchte zurückzuführen ist. Die beliebtesten Obstsorten der Kindergartenkinder sind Äpfel, Birnen, Bananen und Zitrusfrüchte. 72% der Eltern geben an, dass ihre Kinder mindestens einmal pro Tag eine Portion Obst konsumieren. Aber nur 27% der Kinder essen, laut Angaben der Eltern, einmal pro Tag oder öfter Gemüse (Elmadfa und Wasserbacher, 2002). Laut Wiegeprotokoll nehmen Vorschulkinder im Durchschnitt täglich 177 g Obst zu sich. Diese Menge liegt sogar über den Empfehlungen des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund (Alexy und Kersting, 1999) (FKE; 120 g Obst pro Tag) und ist daher sehr zufriedenstellend. Den größten Anteil am Obstverzehr machen, wie im allgemeinen Fragebogen beschrieben, Kernobst (~90 g/d), Beerenfrüchte (~31 g/d) und Zitrusfrüchte (~19 g/d) aus. Der tägliche Gemüseverzehr der Vorschulkindern ist mit durchschnittlich 48 g äußerst gering und weniger zufriedenstellend. Hier wird die Empfehlung von 120 g Gemüse, Rohkost und Salat pro Tag nicht einmal zur Hälfte erreicht. Frucht- und Blattgemüse (~15 g/d und ~8 g/d) werden von den Kindern am meisten konsumiert. Hülsenfrüchte spielen in der Ernährung von Kindergartenkindern eine sehr geringe Rolle. Eltern als positive Vorbilder beeinflussen das Verhalten von Kindern eher als Verbote oder Einschränkungen. Demzufolge hat eine aktuelle Studie der Universität New York in Buffalo gezeigt, dass Kinder mehr Obst und Gemüse essen und deutlich weniger anfällig für Übergewicht sind, wenn ihre Eltern mit gutem Vorbild vorangehen (Epstein et al., 2001). Volksschulkinder (7-10 Jahre) 7-10-Jährigen ist vor allem der Geschmack ihrer Mahlzeiten wichtig. An zweiter Stelle soll das Essen auch gesund sein. Zu den beliebtesten Gemüsesorten der österreichischen Volksschüler zählen Karotten und grüner Salat. Hülsenfrüchte werden sehr selten konsumiert. Fünfundsechzig Prozent der Kinder essen fast täglich einen Apfel. Auch Bananen, Beerenobst (aufgrund der Jahreszeit, in der die Erhebung statt gefunden hat, waren Erdbeeren sehr beliebt) und Steinobst werden von mehr als der Hälfte der Kinder fast täglich bzw. regelmäßig verzehrt (Hertner, 2002, Oitzl, 2002). Volksschüler nehmen im Durchschnitt 156 g Obst pro Tag zu sich. Mädchen essen etwas mehr als Burschen. Die Empfehlungen des Forschungsinstituts für Kinderernährung Dortmund (180 g Obst pro Tag) werden somit nicht ganz erreicht. Auch Kinder dieses Alters essen am liebsten Kernobst (~64 g/d), Beerenfrüchte (~28 g/d) und Zitrusfrüchte (~18 g/d). Der Gesamtgemüseverzehr der Volksschulkinder beträgt rund 73 g pro Tag. Mengenmäßig konsumieren sie etwas mehr als Vorschulkinder. Der Gemüsekonsum der Volksschüler entspricht jedoch keinesfalls den Empfehlungen des FKE (180 g täglich). Fruchtgemüse (~26 g/d), Blattgemüse (~13 g/d) und Wurzelgemüse (~8 g/d) werden am meisten verzehrt. Mädchen konsumieren geringfügig mehr Gemüse als Knaben. Mittelschulkinder (11-14 Jahre) Auch 11-14-Jährigen ist der Geschmack des Essens besonders wichtig. Für ein Drittel muss das tägliche Essen aber auch gesund sein. Mehr als die Hälfte der befragten Schüler konsumieren mindestens einmal täglich Obst. Etwa je ein Drittel der Hauptschüler (38%) und der Gymnasiasten (35%) aus Wien essen täglich Obst. Kaum ein Kind verzehrt es nie bzw. selten. Gemüse wird hingegen nur 230 Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen von etwa 10-15% der Mittelschüler täglich bzw. mehrmals täglich konsumiert. Ein Drittel der Mittelschüler nimmt Gemüse ein- bis dreimal pro Woche zu sich. Elf Prozent der Hauptschüler und 5% der Gymnasiasten essen fast nie Gemüse (Hintendorfer, 2002). Pro Tag wird von Österreichs Mittelschülern rund 255 g Obst verzehrt. Damit erreichen sie die Empfehlungen für die tägliche Obstaufnahme. Neben Kernobst werden von den Mittelschülern gerne Zitrusfrüchte in den Speiseplan eingebaut. Anders sieht es jedoch beim Verzehr von Gemüse aus. Mittelschüler essen täglich rund 72 g Gemüse, was nur etwa einem Drittel der vom FKE empfohlenen Menge an Gemüse entspricht. Auch sie verzehren am liebsten Frucht- (~21 g/d) und Blattgemüse (~20 g/d). Lehrlinge (15-18 Jahre) Rund drei Viertel der befragten österreichischen Lehrlinge bezeichnen ihre Ernährungsform als gemischte Normalkost. Etwa ein Fünftel der weiblichen Lehrlinge gibt zwar an gemischt zu essen, aber Lebensmittel bewusst nach Gesundheitsaspekten auszuwählen, und 16% der Mädchen essen nach eigenen Angaben viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukte. Vor allem männliche Lehrlinge sind der Ansicht, dass ihr Obst- und Gemüsekonsum zu gering ist (Haas, 2002). Laut 24-h-recall, geführt über drei bzw. vier Tage, nehmen Lehrlinge im Durchschnitt 145 g Obst täglich zu sich. Im Bezug auf die Empfehlungen des Forschungsinstitutes für Kinderernährung in Dortmund ist das kein zufriedenstellendes Ergebnis. Auch der Gemüseverzehr (~78 g/d) der Jugendlichen ist nicht zufriedenstellend. Mädchen im Jugendalter essen vermutlich aufgrund ihres stärkeren Figurbewusstseins signifikant mehr Obst und Gemüse als Knaben. Erwachsene (19-60 Jahre) Das Ernährungsverhalten österreichischer Erwachsener zeigt in den letzten Jahren einen Trend zu höherem Obst- und Gemüsekonsum. Die Hälfte aller befragten Männer aus verschiedenen Bundesländern Österreichs, aber nur jeder dritte Wiener isst täglich ein Stück Obst. Zwei Drittel der Frauen essen täglich Obst. Gemüse und Obst werden von den Erwachsenen im Durchschnitt etwa vier- bis fünfmal pro Woche konsumiert. Frauen wählen eine gesundheitsbewusstere Ernährungsform als Männer, mit mehr Vollkornprodukten, Obst, Gemüse und weniger Fleisch. In der Regel wird Obst und Gemüse von Frauen einmal pro Woche häufiger konsumiert als von Männern (Hitthaller, 2000, Pirko, 2000). Mit durchschnittlich 183 g Obst und 148 g Gemüse pro Tag isst der österreichische Erwachsenen im Vergleich zu den Empfehlungen zu wenig Obst und Gemüse. Senioren (>60 Jahre) In der Ernährungsweise der Senioren zeigt sich eine Tendenz des hohen Fleisch- und Wurstkonsums. Ein Drittel der Bewohner von Pensionistenwohnhäusern und fast die Hälfte der Pensionäre, welche in Privathaushalten leben, verzehren eine Portion Obst pro Tag. Zwei- bis dreimal pro Tag nehmen 17% der Bewohner der Pensionistenwohnhäuser und mehr als ein Viertel der im Privathaushalt Lebenden Obst zu sich. Eine Portion Gemüse pro Tag wird von einem Viertel der Teilnehmer im Privathaushalt und von 17% im Pensionistenwohnheim verzehrt. Zwei- bis dreimal pro Woche essen 47% der Pensionisten im Wohnhaus und 41% der zuhause lebenden Senioren Gemüse. Die empfohlenen drei Portionen Gemüse pro Tag werden von weniger als 10% der Pensionisten verzehrt. Die Untersuchung zeigt, dass mit zunehmendem Alter weniger Obst und Gemüse konsumiert wird (Madlmayr, 2002, Woess, 2002). Dies ist vermutlich darin begründet, dass man im Alter schlechter kauen kann und Obst und Gemüse nicht gut verdaut werden. Hier sollte die Gemeinschaftsverpflegung bzw. die Industrie mit leicht verträglichen Mahlzeiten bzw. speziellen Produkten für Senioren gesunde Alternativen wie Kompotte oder pürierte Gemüsesuppen schaffen. 231 Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen 4.3 Milch und Milchprodukte Zusammenfassung Von keiner untersuchten Bevölkerungsgruppe wurden die lebensmittelbasierten Empfehlungen für den Verzehr von Milch und Milchprodukten erreicht. Dennoch stammte der größte Teil des aufgenommenen Calciums (>50%) aus dieser Lebensmittelgruppe. Das ergaben die im Rahmen der ÖSES (Österreichische Studie zum Ernährungsstatus) vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien durchgeführten Verzehrserhebungen. Die geringste Vorliebe für Milch zeigte sich bei den 15-18-jährigen Lehrlingen, welche lediglich 39% der empfohlenen Mengen verzehrten, gefolgt von den 10-14-jährigen Mittelschulkindern, mit 55%. Hingegen erreichte das Kollektiv der Senioren bezüglich des Verzehrs von Milch und Milchprodukten über 80% der Empfehlungen. Aufgrund der erhobenen Verzehrsdaten konnte auch die tägliche Fettzufuhr aus Milch und Milchprodukten berechnet werden. Diese belief sich auf rund ein Drittel des Richtwerts für die tägliche Fettzufuhr. Ferner stammten geschätzte 6-7 Energie% der täglichen Aufnahme an gesättigten Fettsäuren aus Milch und Milchprodukten. Insgesamt ist eine Steigerung des Verzehrs von Milch, Käse, Joghurt, Buttermilch etc. wünschenswert. Um dabei die Zufuhr von Fett und gesättigten Fettsäuren nicht drastisch zu erhöhen, sollten fettarme Produkte bevorzugt werden. Vor dem Hintergrund der Osteoporoseprophylaxe würde sich dadurch die Calciumversorgung verbessern lassen. Da Calcium in Österreich ohnehin zu den Risikonährstoffen zu zählen ist, ist der Milch und den daraus hergestellten Produkten eine herausragende Bedeutung für die Ernährung breiter Bevölkerungsgruppen in Österreich beizumessen. Allgemeines Milch und Milchprodukte sind hochwertige Lebensmittel und stellen wichtige Quellen für viele lebensnotwendige Nährstoffe dar. Eine herausragende Bedeutung besitzt diese Lebensmittelgruppe für die Calciumversorgung der Bevölkerung in den westlichen Industrieländern. Calcium ist einer der wichtigsten knochenbildenden Mineralstoffe und eine ausreichende Zufuhr ist in jedem Lebensalter essentiell. Zusammen mit Vitamin D ist Calcium ein wichtiger Nahrungsfaktor in der Prävention von Osteoporose (Knochenschwund), vor allem bei älteren Menschen. Neben einer zu geringen Calcium- und Vitamin D-Zufuhr sind geringe körperliche Aktivität, hoher Alkoholkonsum und Untergewicht weitere entscheidende Risikofaktoren für die Entstehung von Osteoporose und einem damit verbundenem erhöhten Risiko für Knochenbrüche [WHO/FAO, 2003]. Die Nationale Initiative gegen Osteoporose schätzt die Zahl der an Osteoporose Erkrankten in Österreich auf 700.000 [NIO/Österreich, 2003]. In diesem Zusammenhang soll die Bedeutung von Milch und Milchprodukten für die Ernährung der österreichischen Bevölkerung dargestellt werden. Verbrauchstrends Die aktuellsten Verbrauchszahlen stammen aus den Versorgungsbilanzen der Statistik Austria von 2000. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Trinkmilch (Rohmilch und Konsummilch) lag damals bei 255 g pro Tag (entspricht einem Verzehr von etwa 216 g/d) und ist im Vergleich zu 1997 wieder gesunken. Dem steht in Österreich ein höherer Konsum an Milchprodukten gegenüber. Daten für Joghurt, Sauermilch- und Buttermilchprodukte scheinen in den Bilanzen nicht gesondert auf, der tendenziell höhere Konsum gilt hier wahrscheinlich ebenso wie für andere Milchprodukte. Den deutlichsten Verbrauchszuwachs kann man bei Käse beobachten. Verbrauchsstatistiken von 2000 zeigten einen weiteren Anstieg im Käseverbrauch auf 47 g pro Kopf und Tag (entspricht einem Verzehr von etwa 39 g/d). Leider ist den statistischen Daten nicht zu entnehmen, ob tendenziell fettreichere oder fettärmere Käsesorten bevorzugt werden. Der Verbrauch an Butter war bis Ende der 70er Jahre ständig gestiegen, seit dieser Zeit jedoch relativ stabil geblieben bei etwa 13 g pro Kopf und Tag (entspricht einem Verzehr von etwa 8 g/d). Annähernd linear stieg der Verbrauch an Obers und Rahm bis zum Beginn der 90er Jahre an. In den letzten Jahren vor dem EU-Beitritt stagnierte er, um nach dem EU-Beitritt deutlich anzusteigen. Im Jahr 2000 lag der Obers/Rahm-Verbrauch bei 20 g pro Kopf und Tag2 (entspricht einem Verzehr 232 Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen Kollektiv Erhebungsmethode Teilnehmer (n) Vorschulkinder (3-6 J.) 3-d-Wiegeprotokoll 151 Volksschulkinder (7-10 J.) 7-d-Wiegeprotokoll 326 Mittelschulkinder (11-14 J.) 7-d-Wiegeprotokoll 209 Lehrlinge (15-18 J.) 3-d-Wiegeprotokoll 102 Erwachsene (19-60 J.) 24-h-Recall 2580 Senioren (>55 J.) 24-h-Recall 645 Schwangere 24-h-Recall 254 Tab. 4.8: Studienkollektiv und Erhebungsmethoden von etwa 17 g/d). Trotz der geänderten statistischen Erfassungsmethodik kann man heute auf eine Verbrauchssteigerung schließen. Verzehr von Milch und Milchprodukten in Österreich Mit Verbrauchsdaten lassen sich Trends beschreiben und sie liefern ein erstes Bild über die Gesamtversorgung einer Bevölkerung auf nationaler Ebene. Diese Zahlen lassen aber keine geschlechts-, alters- oder zielgruppenspezifischen Auswertungen zu und meist wird der tatsächliche Verzehr auch überschätzt. Im Rahmen der ÖSES (Österreichische Studie zum Ernährungsstatus) führt das Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien daher laufend Untersuchungen zum aktuellen Lebensmittelverzehr und zum Ernährungsverhalten durch (siehe Kapitel 2). Anhand der erhobenen Daten konnte eine Bewertung der Aufnahme von Milch und Milchprodukten für ausgewählte österreichische Personengruppen erfolgen. Tab. 4.8 zeigt die entsprechenden Erhebungsmethoden sowie die Stichprobengröße. Der berechnete durchschnittliche Verzehr (Mittelwerte) ist in Tab. 4.9 dargestellt. Dabei zeigt sich, dass die von Fachgesellschaften formulierten Empfehlungen für den Verzehr von Milch und Milchprodukten im Mittel von keinem Kollektiv erreicht wurden. Vor allem bei den Lehrlingen scheint Milch nicht sehr beliebt zu sein. Der Verzehr lag im Mittel lediglich bei 39% der lebensmittelbasierten Empfehlung. In der Folge ist es daher nicht überraschend, dass auch die durchschnittliche Calciumzufuhr dieser Bevölkerungsgruppe weit unter den entsprechenden Empfehlungen lag (vgl. Kapitel 2). Hingegen zeigte sich bei den Senioren eine relativ hohe Akzeptanz von Milch und Milchprodukten. Das untersuchte Wiener Kollektiv erreichte durchschnittlich 81% der für diese Altersgruppe empfohlenen Zufuhrmenge. Milch und Milchprodukte als Calciumquelle Die Bedeutung von Milch und Milchprodukten in der Ernährung der österreichischen Bevölkerung wird durch Tab. 4.10 verdeutlicht. Kollektiv Empfehlung (g/d) Verzehrte Menge (g/d) Verzehr in % der Empfehlung 3-6 Jahre 350 281 80 7-10 Jahre 400 283 71 11-14 Jahre 420 213 51 15-18 Jahre* 500 193 39 19-60 Jahre 340 213 63 >55 Jahre** 340 275 81 Schwangere 300-400 260 74 * Lehrlinge; ** Wiener Senioren 233 Tab. 4.9: Mittlerer täglicher Verzehr von Milch und Milchprodukten der österreichischen Bevölkerung, getrennt nach Altersgruppen Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen Tab. 4.10: Calciumzufuhr (Mittelwerte) aus Milch und Milchprodukten (mg/d) und der relative Anteil (%) an der Gesamtcalciumaufnahme Kollektiv Ca aus allen Ca aus Milch1 Lebensmitteln, Gesamtaufnahme Ca aus Käse Ca aus Milch + Käse in % der Gesamtaufnahme 3-6 Jahre 655 244 208 69 7-10 Jahre 639 246 210 71 11-14 Jahre 629 185 158 55 15-18 Jahre2 697 168 143 45 19-60 Jahre 938 185 171 38 >55 Jahre3 758 239 204 58 Schwangere 893 226 193 47 Durchschnitt 744 213 184 53 1 inklusive aus Joghurt, Topfen, Rahm etc. 2 Lehrlinge; 3 Wiener Kollektiv, Ca...Calcium Im Bevölkerungsschnitt stammen über 50% der Calciumaufnahme aus Milch, Joghurt, Käse etc. Kaum eine andere Lebensmittelgruppe hat ein solches "Monopol" hinsichtlich der Versorgung mit einem essentiellen Nährstoff. D.h. eine Dekkung des Calciumbedarfs wäre bei den Ernährungsgewohnheiten in Österreich unter Verzicht oder Einschränkung der Zufuhr von Milch und Milchprodukten kaum möglich. Manche Personen können keine Milch trinken. Entweder, weil eine Verwertungsstörung des Milchzuckers vorliegt (Lactose-Intoleranz) oder aufgrund einer Milcheiweißallergie. In Mitteleuropa zeigt sich bei etwa 10-20% der Erwachsenen eine Lactosemalabsorption bzw. Lactose-Intoleranz, eine Milcheiweißallergie ist hingegen selten [DGE, 1998]. In diesen Fällen ist eine sorgfältige Auswahl und Zusammenstellung der Lebensmittel erforderlich. Wie im Kapitel 2 ausführlich dargestellt, ist Calcium in Österreich zu den Risikonährstoffen zu zählen. Die durchschnittliche tägliche Calciumaufnahme liegt bei einigen Bevölkerungsgruppen weit unter den entsprechenden D-A-CH-Empfehlungen. Durch eine Steigerung des Verzehrs an fettarmen Milch und Milchprodukten könnte diese Situation entscheidend verbessert werden. Das gilt besonders für Risikogruppen in der Bevölkerung, wie Klein- und Schulkinder sowie für ältere Menschen. Bei diesen Personengruppen ist der Nährstoffbedarf bezogen auf das Körpergewicht höher und meist ist die Ernährung weniger abwechslungsreich. Kinder benötigen Calcium um eine möglichst hohe Knochendichte aufzubauen und bei Älteren gibt es Hinweise, wonach der altersbedingte Knochenverlust durch entsprechend hohe Calciumaufnahmen (über 1000 mg/d) verringert werden kann [IOM, 1997]. Milch und Milchprodukte, nicht nur Calciumquelle Von Bedeutung sind Milch und die daraus hergestellten Produkte auch für die Versorgung mit Vitamin B2, Vitamin A, Zink und Vitamin B12 (insbesondere für Lacto-Vegetarier). Außerdem ist diese Lebensmittelgruppe ein hervorragender Eiweißlieferant bzw. Lieferant von essentiellen Aminosäuren. Allein über Milch kann ein Großteil der benötigten essentiellen Aminosäuren aufgenommen werden, mit Ausnahme der schwefelhaltigen Aminosäuren Methionin und Cystein. Die biologische Wertigkeit des Milchproteins wird demnach durch den Gehalt an den genannten Aminosäuren begrenzt, dies sind die sogenannten limitierenden Aminosäuren des Milchproteins. Die "Biologische Wertigkeit" (BW) besagt definitionsgemäß, wie viel Gramm Körpereiweiß aus 100 g des untersuchten Nahrungsproteins aufgebaut werden kann. Für Milch liegt diese bei 90, wobei reines Molkeprotein sogar noch eine höhere BW aufweist. Milcheiweiß "ergänzt" sich ideal mit pflanzlichem 234 Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen Proteinmischung BiologiEiweiß, welches meist reich an schwesche Werfelhaltigen Aminosäuren ist. Dies führt, tigkeit wie Tab. 4.11 zeigt, zu einer Erhöhung Bohnen/Mais (52:48) 99 des Wertes für die Proteinqualität der Nahrung. Vollei/Mais (88:12) 114 Das wichtigste Kohlenhydrat der Milch/Kartoffel (51:49) 114 Milch ist die Lactose. Absolut gesehen finden sich in der Kuhmilch ca. 4,8% Vollei/Milch (76:24) 119 Kohlenhydrate, aus ernährungsphysioMilch/Weizenmehl (75:25) 125 logischer Sicht spielen diese jedoch unVollei/Kartoffel (36:64) 136 ter anderem als Energielieferant nur eine untergeordnete Rolle. Von Bedeutung ist Milchzucker hingegen aus technologischer Sicht. Bei der Herstellung von Käse, Sauermilch, Joghurt und Topfen dient er als Nährsubstrat der verschiedenen Milchsäurebakterien. In der Folge enthalten diese Produkte nur mehr Spuren von Milchzucker und werden somit oft auch von lactose-intoleranten Personen vertragen. Tab. 4.11: Biologische Wertigkeit einiger ausgewählter Proteinmischungen Milchfett Kuhmilch enthält je nach Rasse im Durchschnitt zwischen 3,6 und 6,1% Fett. Das Milchfett ist ein Gemisch aus heterogenen gesättigten und ungesättigten Triglyceriden. Charakteristisch sind zum einen der große Anteil unterschiedlicher Fettsäuren (ca. 200) und zum anderen der hohe Anteil an kurzkettigen Fettsäuren. Insgesamt überwiegen gesättigte Fettsäuren (GFS). Der Anteil an essentiellen, ungesättigten Fettsäuren (= Polyenfettsäuren, PFS) ist gering. Beachtlich ist aber der Gehalt an Ölsäure (= Monoenfettsäure, MFS), der im Mittel 26% beträgt. Unter anderem beeinflussen die Fütterungsbedingungen den Fettgehalt und die Fettzusammensetzung der Milch. So führt z.B. eine vorwiegende Stallfütterung zu einer Milch mit einem höheren Anteil an kurzkettigen, gesättigten Fettsäuren, während es durch Weidefütterung zu einer Zunahme des Anteils an langkettigen, ungesättigten Fettsäuren kommt. Einer der positiven Aspekte des Milchfetts ist seine schnelle und vollständige Absorption bei der Verdauung. Dadurch kommt es gleichzeitig zu einer ebenfalls guten Aufnahme anderer fettlöslicher Substanzen wie z.B. fettlöslicher Vitamine. Ein hoher Verzehr von Milchfett führt jedoch auch zu einer höheren Zufuhr an gesättigten Fettsäuren. Eine hohe Aufnahme an gesättigten Fettsäuren wirkt sich negativ auf den Blutlipidspiegel aus, was wiederum die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigt. Die Gesamtaufnahme an gesättigten Fettsäuren soll daher 10% der Energiezufuhr nicht übersteigen [DACH, 2000]. Tab. 4.12 zeigt die mittleren täglichen Verzehrsmengen an Milch und Milchprodukten sowie die damit verbundene Fettzufuhr der österreichischen Bevölkerung. Die Aufnahme von etwa 80 g Fett pro Tag gelten bei einem normalen Körpergewicht (BMI im Normbereich) sowie einem PAL (= Physical Activity Level) von 1,4 als Richtwert für Erwachsene. Verzehr (g/d) Fettzufuhr (g/d) % des Richtwerts* Milch 216 7,6 9,5 Käse/Topfen 39 9,0 11,3 Obers/Rahm 17 4,5 5,6 Butter 8 6,6 8,2 27,7 34,6 Summe *…Ø 80 g Fett/d bei BMI im Normbereich sowie einem PAL von 1,4 235 Tab. 4.12: Mittlere tägliche Fettaufnahme über Milch und Milchprodukte sowie der relative Anteil am Richtwert für die Fettzufuhr einer Durchschnittsperson Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen Es zeigt sich, dass rund ein Drittel des Richtwerts für die tägliche Fettzufuhr aus dem Verzehr von Milch und den daraus hergestellten Produkten stammt. Geht man davon aus, dass rund zwei Drittel des Milchfetts aus gesättigten Fettsäuren bestehen, ergibt sich daraus eine tägliche Aufnahme an GFS von ca. 6-7% der täglichen Energiezufuhr. Konsequenterweise sollte somit die restliche Fettzufuhr durch hochwertige pflanzliche Öle, die einen geringen Anteil an GFS und einen hohen Anteil an PFS sowie MFS aufweisen, erfolgen. Von Vorteil wäre auch die Bevorzugung von fettärmeren Milchprodukten sowie den Verzehr von Fleisch und Fleischprodukten, die neben Milchfett, die Hauptquellen von GFS darstellen, auf maximal zwei bis drei Portionen pro Woche zu beschränken. Damit wird auch die Wichtigkeit einer insgesamt ausgewogenen Ernährungsweise unterstrichen. Schlussfolgerung Die von Fachgesellschaften empfohlenen Verzehrsmengen für Milch und Milchprodukte wurde in Österreich von keiner der untersuchten Bevölkerungsgruppen erreicht. Die geringste Akzeptanz zeigte sich bei den 15-18-jährigen Lehrlingen sowie bei den 10-14-jährigen Mittelschulkindern. Dennoch decken Milch und Milchprodukte über 50% des Calciumbedarfs der österreichischen Bevölkerung. Ohne diese Lebensmittelgruppe wäre es demnach schwierig, sich ausreichend mit Calcium zu versorgen. Da Calcium zu den Risikonährstoffen in Österreich zu zählen ist, wäre eine Steigerung des Milchkonsums wünschenswert. Nicht zuletzt ist eine ausreichende Calciumzufuhr in Hinblick auf die ansteigende Prävalenz von Osteoporose bedeutsam. Milch und Milchprodukte tragen aber auch zu rund einem Drittel zur Gesamtfettzufuhr bei und enthalten großteils gesättigte Fettsäuren. Deshalb sind fettarme Produkte zu bevorzugen, insbesondere bei geringer körperlicher Aktivität und einem damit einhergehenden geringen Energieverbrauch. Abgesehen von der Calciumversorgung liefert diese Lebensmittelgruppe hochwertiges Protein und trägt wesentlich zur Bedarfsdeckung an Vitamin B2, Vitamin A, Zink und Vitamin B12 (bei Lacto-Vegetariern) bei. 236 Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen 4.4 Fleisch und Fleischprodukte Zusammenfassung Pro Tag werden in Österreich je nach Altersgruppe durchschnittlich zwischen 50 und 150 g Fleisch und Fleischprodukte verzehrt, die ca. 40 g Eiweiß und 40 g Fett liefern. Diese Lebensmittelgruppe enthält viele B-Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. Damit ist Fleisch mit einem mittleren Energiegehalt von ca. 180 kcal (750 kJ) pro 100 g ein Lebensmittel mit hoher Nährstoffdichte (Fettgehalt <15%) und hat seinen Platz in einer ausgewogenen Ernährungsweise. Bei einem gänzlichen Verzicht auf Fleisch ist eine ausreichende Eisenversorgung bei bestimmten Bevölkerungsgruppen, z.B. bei jungen Frauen, fraglich. Fleisch trägt auch wesentlich zur Gesamtversorgung an Zink, Vitamin B12, Vitamin B6 und Schweinefleisch an Vitamin B1 bei. Diese Fakten unterstützen die Empfehlung, gelegentlich Fleisch und Fleischprodukte (2-3 Portionen pro Woche zu 200 g) zu verzehren. In Österreich liegt der tatsächliche Verzehr je nach Personengruppe jedoch zwischen 200-300% über dieser lebensmittelbasierten Empfehlung. Lediglich bei Schwangeren und 3-6-jährigen Vorschulkindern ergaben die vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien durchgeführten Verzehrserhebungen Aufnahmemengen, die den wünschenswerten Vorgaben entsprachen. Mit dem überhöhten Verzehr von Fleisch und Fleischprodukten steht die zu hohe Aufnahme an Fett, gesättigten Fettsäuren, Cholesterin, Kochsalz und nicht zuletzt auch an Nahrungsenergie in Verbindung. Demnach wäre es wünschenswert, den durchschnittlichen Verzehr von Fleisch und Fleischprodukten in Österreich zu reduzieren. Sowohl für den Konsumenten als auch für die Produktion sollte der Grundsatz "Qualität vor Quantität" gelten. Die Qualität dieser Lebensmittelgruppe ließe sich zusätzlich steigern, wenn für die Herstellung (z.B. von Wurst) vermehrt jodiertes Speisesalz zum Einsatz käme. Allgemeines Fleisch zählt zu den ältesten und seit jeher auch zu den beliebtesten Lebensmitteln des Menschen. Jedoch waren Fleisch und Fleischprodukte in den westlichen Industrieländern noch nie in der Menge und Vielfalt verfügbar wie heute. Der Fleischverbrauch war bis zum Beginn der heutigen Wohlstandsgesellschaft um 1960 ein hervorragendes Indiz für den Lebensstandard [Teuteberg, 1994]. Je höher das Einkommen desto höher war auch der Fleischkonsum. Deshalb ist der Fleischverbrauch seit einem historisch belegten Tiefststand zu Beginn des 19. Jahrhunderts bis heute kontinuierlich angestiegen. In armen Ländern ist Fleisch auch heute noch eine Nahrung, die man sich nur in bescheidenem Ausmaß leisten kann. Hoher Fleischkonsum ist daher ein Kennzeichen der Wohlstandsgesellschaft. Die Beliebtheit von Fleisch ist unter anderem auf die geschmacklichen Faktoren, die durch vielfältige Zubereitungsarten möglich sind, aber auch auf seinen Sättigungswert zurückzuführen. Beim Garen entstehen sekretionsfördernde Geschmacks- und Röststoffe, die zur Appetitanregung beitragen [Safer, 1999]. Fleisch und Fleischprodukte als Nährstoffquellen Aus ernährungsphysiologischer Sicht sind Fleisch und Fleischprodukte grundsätzlich als Lebensmittel von hoher Qualität anzusehen. Es sind sehr gute Proteinlieferanten und enthalten viele Mikronährstoffe in bedeutenden Konzentrationen. Mageres Fleisch enthält in Relation zum Energiegehalt besonders hohe Mengen an Eisen, Zink und den Vitaminen B1, B6 und B12. Allerdings nimmt die Nährstoffdichte mit zunehmendem Fettgehalt drastisch ab. Die akzeptable Höhe des Fettgehalts von Fleisch und den daraus hergestellten Produkten bezüglich der noch günstigen Dichte z.B. für Eisen dürfte bei ca. 15% liegen. Hervorzuheben ist auch die sehr gute Bioverfügbarkeit der Nährstoffe, wie z.B. bei Eisen [Erbersdobler, 2002]. Fleisch verbessert darüber hinaus auch die Verfügbarkeit der Spurenelemente aus den übrigen Lebensmitteln einer Mahlzeit. Fleisch und insbesondere Wurst tragen jedoch auch entscheidend zur überhöhten Zufuhr an Fett, gesättigten Fettsäuren, Cholesterin und Kochsalz bei; und nicht zuletzt auch an Nahrungsenergie. Zwar ist der Fettgehalt von Fleisch und Fleischprodukten seit Jahren rückläufig, allerdings liegt der Fettgehalt der meisten Fleischerzeugnisse z.T. deutlich über 15%. Ein hoher Konsum an Fleisch und Wurst verdrängt in der Regel pflanzliche Lebensmittel aus dem Speiseplan und damit auch viele präventiv wirksame Nahrungsfaktoren wie beispielsweise Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe. 237 Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen Tab. 4.13: Mittlerer täglicher ProKopf-Verbrauch sowie der daraus geschätzte ProKopf-Verzehr von Fleisch in Österreich Fleischsorten Verbrauch (g/d) Verzehr* (g/d) Schweinefleisch 166 117 Rind-/Kalbfleisch 54 36 Geflügel 47 28 Innereien 8 2 andere Fleischsorten 6 4 gesamt 281 187 * geschätzter Verzehr aus Ernährungsbilanzen (60-70% des Verbrauchs) Wie viel Fleisch soll nun gegessen werden? Um die als negativ zu beurteilende hohe Zufuhr an gesättigten Fettsäuren um fast die Hälfte zu senken, sollte die Fettaufnahme in allen Lebensmittelgruppen (Fleisch, fettreiche Milchprodukte, sonstige Lebensmittel) reduziert werden. Eine ausgewogene Ernährung enthält pro Woche 2-3 Portionen Fleisch zu je 150 g (10% Fettgehalt) sowie 2-3 Portionen Wurst zu je 50g (20-30% Fettgehalt). Verbrauchstrends Österreich ist ein Land, in dem global betrachtet überdurchschnittlich viel Fleisch verzehrt wird. Die neuesten Verbrauchsdaten aus dem Jahr 2000 zeigten weiterhin einen steigenden Fleischverbrauch (Tab. 4.13) [Statistik Austria, 2000]. Mit Verbrauchsdaten lassen sich Trends beschreiben und sie liefern ein erstes Bild über die Gesamtversorgung einer Bevölkerung auf nationaler Ebene. Diese Zahlen lassen aber keine geschlechts-, alters- oder zielgruppenspezifischen Auswertungen zu und meist wird der tatsächliche Verzehr auch überschätzt. Verzehr von Fleisch und Fleischprodukten in Österreich Die vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien im Rahmen der ÖSES (Österreichische Studie zum Ernährungsstatus) durchgeführten Verzehrserhebungen (Tab. 4.14) ergaben für ausgewählte Personengruppen in Österreich den in Tab. 4.15 dargestellten Verzehr von Fleisch und Fleischprodukten. Lediglich bei Schwangeren und 3-6-jährigen Vorschulkindern entsprach der Verzehr von Fleisch und Fleischprodukten den wünschenswerten Mengen. Bei allen anderen Bevölkerungsgruppen wurden die lebensmittelbasierten Empfehlungen um das zwei bis dreifache überschritten. Dieser hohe Verzehr muss als nachteilig bewertet werden, da mit dieser Lebensmittelgruppe gleichzeitig auch Fett bzw. gesättigte Fettsäuren, Cholesterin und Purine aufgenommen werden. Außerdem enthält vor allem Wurst 1,5-3 g Kochsalz pro 100 g und trägt dadurch maßgeblich zum überhöhten Kochsalzkonsum in Österreich bei. Fleisch als Energie- und Nährstofflieferant Nach einer groben Schätzung stammen in Österreich zwischen 10-20% der zugeführten Nahrungsenergie aus Fleisch und Fleischprodukten. Damit ist diese Le- Tab. 4.14 Studienkollektiv und Erhebungsmethoden Kollektiv Erhebungsmethode Teilnehmer (n) Vorschulkinder (3-6 J.) 3-d-Wiegeprotokoll 151 Volksschulkinder (7-10 J.) 7-d-Wiegeprotokoll 326 Mittelschulkinder (11-14 J.) 7-d-Wiegeprotokoll 209 Lehrlinge (15-18 J.) 3-d-Wiegeprotokoll 102 Erwachsene (19-60 J.) 24-h-Recall 2580 Senioren (>55 J.) 24-h-Recall 645 Schwangere 24-h-Recall 254 238 Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen Kollektiv Empfehlung (g/d) Verzehrte Menge (g/d) Verzehr in % der Empfehlung 3-6 Jahre 45 50 111 7-9 Jahre 50 130 260 10-14 Jahre 60 122 203 15-18 Jahre* 90 151 168 19-60 Jahre 43-86 130 300 >55 Jahre** 43-86 93 216 Schwangere 105 104 99 Tab. 4.15 Mittlerer täglicher Verzehr von Fleisch und Fleischprodukten der österreichischen Bevölkerung, getrennt nach Altersgruppen * Lehrlinge; ** Wiener Senioren % der Gesamtversorgung bensmittelgruppe in Österreich, wie auch in anderen westlichen Industrieländern, eindeutig zu den so genannten Grundnahrungsmitteln zu zählen. Die Gefahr einer Mangelversorgung mit einem essentiellen Mikronährstoff ist vor allem auch dann gegeben, wenn ein Mikronährstoff nicht oder in nicht genügender Menge in einem der Grundnahrungsmittel vorhanden ist. Deshalb soll im Folgenden kurz der Beitrag von Fleisch zur Mikronährstoffversorgung in Österreich dargestellt werden. Dazu wurde die mittlere tägliche Gesamtzufuhr an Vitamin B12, Vitamin B1, Eisen, Zink und Jod mit der durchschnittlichen Zufuhr dieser Mikronährstoffe aus Fleisch und Fleischerzeugnissen verglichen. Wie aus Abb. 4.3 hervorgeht, leistet diese Lebensmittelgruppe vor allem bei Vitamin B12, Vitamin B1, Zink und Eisen einen bedeutenden Beitrag zur Gesamtversorgung. Zwar sind Vitamin B12 und großteils auch Vitamin B1 und Zink in Österreich nicht zu den Risikonährstoffen zu zählen, ein gänzlicher Verzicht auf diese Lebensmittelgruppe würde aber vor allem die Eisenversorgung weiter verschlechtern. Der Anteil von Fleisch und Fleischprodukten an der Jodversorgung könnte entscheidend gesteigert werden, wenn sich die Verwendung von Jodsalz in der gewerblichen Erzeugung von Fleischprodukten durchsetzen würde. Aufgrund der Verzehrsfrequenz und des hohen Kochsalzgehalts würde sich vor allem Wurst gut dafür eignen. Unbestritten ist die Wichtigkeit von Fleisch zur Eisenversorgung des Menschen. Diese wird noch deutlicher wenn man die Eisenresorption im Darm berücksichtigt. Eisen kommt in der Nahrung in zwei verschiedenen Formen vor. Als anorganisches Eisen (Nicht-Hämeisen) und als Hämeisen. Während anorganisches Eisen in vielen Lebensmitteln in unterschiedlichen Konzentrationen vorkommt, kommt Hämeisen ausschließlich in Fleisch und Fisch vor. Die Resorption (Bioverfügbarkeit) von Hämeisen liegt in Abhängigkeit von den Eisenspeichern des Individuums bei ca. 20-35%. Hingegen wird die Bioverfügbarkeit von anorganischem Eisen lediglich mit rd. 5% angegeben [Elmadfa und Leitzmann, 1998]. Die durchschnittliche Eisenzufuhr liegt für Frauen im gebärfähigen Alter unter den Empfehlungen, wobei die Diskrepanz während der Schwangerschaft und Still60 50 3-6 J. 40 7-10 J. 30 11-14 J. 20 Erwachsene 10 Schwangere 0 Vit. B12 Zink Vit. B1 Eisen 239 Jod Abb. 4.3: Beitrag von Fleisch u. Fleischprodukten zur Versorgung an ausgewählten Mikronährstoffen in Österreich Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen Abb. 4.4: Verbraucherbefragung zur Fleischqualität in Österreich, modifiziert nach [BMLF, 1997] Biol. Landbau Geschmack Naturnahe Produktion Herkunft Frische 0 20 40 60 80 % der Österreicher zeit besonders deutlich ist. Daraus ist zu schließen, dass Fleisch ein wichtiger Bestandteil einer gemischten Kost ist und es bei einem völligen Verzicht von Fleisch und Wurst - aus welchen Gründen auch immer - bei bestimmten Bevölkerungsgruppen zu einem Mangel an essentiellen Mikronährstoffen kommen kann. Fleischqualität Abb. 4.4 zeigt allgemeine Qualitätskriterien aus der Sicht des Verbrauchers. Neben der Frische und Herkunft, ist auch eine naturnahe Produktion ein wichtiges Qualitätsmerkmal für den Konsumenten. Die Anforderungen an die Fleischqualität sind heute andere als noch vor 50 Jahren. In früheren Zeiten hielten sich Fett- und Fleischanteil im Schlachttierkörper die Waage. In den vergangenen Jahrzehnten wurde Fleisch ohne viel Fett aus den verschiedensten Gründen immer beliebter. 1 kg Muskelfleisch kann preiswerter bzw. mit weniger Futter erzeugt werden als 1 kg Fettgewebe. Auch Verbraucher und Ernährungsfachleute forderten mehr mageres Fleisch und weniger Fett. Daher wurden in den letzten Dekaden des vergangenen Jahrhunderts zunehmend neue Fleischrassen eingekreuzt. Heutige Hochleistungsschweine haben 2 Rippenpaare mehr als alte Landrassen und um 70% mehr magere Muskelmasse. Das intramuskuläre Fett ist von 5 auf 2% gesunken. Die Schlachtung erfolgt nach 6 Monaten mit 100 kg und früher erst nach 1 Jahr mit 130-150 kg. Allerdings wurde zum Teil über das Ziel hinausgeschossen. Marmoriertes Fleisch, mit einem intramuskulären Fettanteil >2% ist schmackhafter, saftiger und zarter. Eine vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien durchgeführte Studie ging der Frage nach, ob es zwischen konventionell und biologisch erzeugtem Fleisch Unterschiede hinsichtlich der Fleischqualität gibt. Unter anderem wurde mit 10 geschulten Probanden eine sensorische Prüfung durchgeführt. 2,5 2 1,5 1 Abb. 4.5: Gesamtbeurteilung nach dem Schulnotensystem: Sensorikprüfung biologisch vs. konventionell 0,5 0 Kalb Schw ein Biologisch 240 Rind Konventionell Huhn Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen Dabei wurden 5 verschiedene Fleischarten (Rind, Jungrind, Kalb, Schwein, Huhn) sowie 3 verschiedene Zubereitungsarten (Braten, Ragout, Schnitzel) getestet. Beurteilt wurde Geruch/Geschmack, Konsistenz/Struktur, Genusswert sowie der Gesamteindruck (Aussehen, Geruch, Konsistenz und Geschmack). Abb. 4.5 zeigt das Ergebnis zur Gesamtbeurteilung. Obwohl die Unterschiede in der Bewertung nicht sehr groß waren, schnitt das Fleisch aus biologischer Produktion, außer beim Huhn, besser ab. 241 Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen 4.5 Zucker Zusammenfassung Der Zuckerverzehr in Österreich stagniert seit einigen Jahren auf einem relativ hohen Niveau. Je nach Geschlechts- und Altersgruppe liegt dieser zwischen 6 und 19% der Gesamtenergiezufuhr. Die vom Institute of Medicine (USA) vorgeschlagene 25%-Grenze für zugesetzten Zucker wird somit von keiner Personengruppe überschritten. Die wesentlich strengere 10%-Grenze, wie sie erst kürzlich in einem aktuellen WHO-Report erneut gefordert wird, ist nicht bei allen Altergruppen realisiert. Während fast alle Erwachsenen im Bereich dieses angenommenen Limits oder darunter liegen, wird diese 10%-Grenze von Kindern und Jugendlichen im Mittel überschritten. Am höchsten ist die Saccharoseaufnahme bei den Vorschulkindern (3-6 J.) und Lehrlingen (15-18 J.). Kinder und Jugendliche nehmen also deutlich höhere Saccharosemengen auf als Erwachsene und ältere Menschen. Grundsätzlich lassen sich keine ausgeprägten Geschlechtsunterschiede feststellen. Tendenziell ist der Zuckerkonsum bei Mädchen und Frauen aber etwas höher. Erwachsene konsumieren mit zunehmendem Alter kontinuierlich weniger Zucker. Bei den über 75-Jährigen ist wieder ein leichter Anstieg festzustellen, der sich bei den hochbetagten Männern auch in einer besonders großen Streubreite manifestiert. Allgemeines Die Geschmacksnote süß hat einen besonderen, attraktiven Stellenwert für die Geschmackspräferenz - übrigens auch bei vielen Tierarten. Beim Menschen wird dieser besondere Stellenwert durch eine kognitive Ambivalenz ergänzt, die süße Speisen zu den konfliktreichsten Lebensmitteln des täglichen Lebens stilisiert. Der Umgang mit Süßigkeiten ist durch rigide Vorsätze und schlechtes Gewissen geprägt. Das ambivalente Verhältnis zu süßen Speisen und Getränken ist jedoch ohne Konsequenzen auf den Zuckerkonsum geblieben. In welchem Ausmaß die Höhe der Zuckerzufuhr ernährungsabhängige Erkrankungen beeinflusst, ist Gegenstand intensiver Diskussionen. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage, inwieweit die Zuckeraufnahme durch Empfehlungen oder Grenzwerte limitiert werden soll, immer wieder neu gestellt. Zweifellos ist das veränderte Konsumverhalten der jüngeren Zeit, das sich in einer Abnahme der stärkehaltigen Lebensmittel (Brot, Getreide, Kartoffeln) bei gleichzeitiger Zunahme an niedermolekularem Zucker manifestiert, ernährungsphysiologisch negativ zu beurteilen. Lebensmittelbasierte Empfehlungen versuchen daher, realistische Vorgaben für eine ausgewogene Lebensmittelauswahl zu erstellen, die den Genussfaktor ausreichend berücksichtigt und dennoch eine gesundheitsförderliche Ernährungsweise ermöglicht. Zucker und Nährstoffversorgung Zucker wird oft als Lieferant "leerer Kalorien" bezeichnet, da man durch den Verzehr von Zucker dem Körper nur Kalorien und keine essentiellen Nährstoffe zuführt. Außerdem benötigt der Stoffwechsel von Kohlenhydraten im Körper (und damit auch die Metabolisierung von Zucker) die Mithilfe von Vitamin B1. Eine Untersuchung des Instituts für Ernährungswissenschaften der Universität Wien hat sich mit dieser Frage beschäftigt und bestätigt, dass der Vitamin B1-Bedarf von der Kohlenhydratzufuhr abhängt. Diese Tatsache ist für bestimmte Personengruppen, wie z.B. Spitzensportler, besonders relevant, da der Konsum großer Mengen an Kohlenhydraten von einer ausreichenden Vitamin B1-Zufuhr begleitet werden muss. Für die breite Bevölkerung ist bei einer ausgewogenen, vielfältigen Ernährungsweise jedoch keine Unterversorgung zu befürchten [Elmadfa et al., 2001]. Aufgrund der Datenlage muss beim gegenwärtigen Lebensmittelverzehr nicht mit Lücken in der Bedarfsdeckung bzw. bei der wünschenswerten Zufuhr einzelner Nährstoffe gerechnet werden, wenn eine Gesamtenergiezufuhr von über 2400 Kilokalorien (= 10 MJ) auf Basis einer Mischkost gegeben ist. Mehrere Studien zeigen, dass Süßigkeiten und mit Haushaltszucker hergestellte Speisen andere nährstoffreiche Lebensmittel nicht nennenswert verdrängen, wenn die Menge des zugesetzten Zukkers die Obergrenze von 25 Energie% nicht überschreitet [IOM, 2002, Kluthe und Kasper, 1996]. Bei energiereduzierten Kostformen ist eine ausreichende Nährstoffzufuhr aber nur schwer zu erreichen. Menschen, die weniger als 1200 kcal pro Tag aufnehmen, müssen daher besonders auf eine hohe Nährstoffdichte achten. Konkret sollten diese Personen daher viel Obst, Gemüse und Getreidevollkornprodukte in den Speiseplan integrieren, um eine ausreichende Versorgung mit allen Nährstoffen sicherzustellen [Elmadfa und Leitzmann, 1998]. Ruxton et al. kommen in einer kontrollierten Studie 242 Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen Gremium/Organisation Empfehlung 1990 WHO Study Group 0-10% der Energiezufuhr 1991 1995 Vereinigtes Königreich Deutschland 60 g/Tag oder 10% der Energiezufuhr <10% der Energiezufuhr 1996 Skandinavien (Nordic Nutri- <10% der Energiezufuhr für Erwachsene tion Recommendation) mit niedriger Energiezufuhr (<8 MJ/Tag) und Kinder FAO/WHO Consultation, Zy- kein Grenzwert vorgeschlagen pern FAO/WHO Consultation on Exzessive Aufnahmen meiden, aber kein Carbohydrate in Human Nu- Grenzwert Diabetiker: <10% der Energiezutrition fuhr ist unter gewissen Bedingungen akzeptabel 1995 1997 2000 D-A-CH-Referenzwerte Moderate Zufuhr 2002 Food and Nutrition Board 25%-Grenze, Limitierung unter den üblichen Verzehrsgewohnheiten faktisch aufgehoben 2003 WHO-Report Wiederaufnahme der 10%-Grenze ebenfalls zu dem Ergebnis, dass ein durchschnittlich hoher Zuckerkonsum den Nährstoffstatus der Versuchspersonen nicht beeinträchtigt [Ruxton et al., 1999]. Man sollte außerdem berücksichtigen, dass Zucker nur selten isoliert sondern meist als süßende Zutat mit verschiedenen Lebensmitteln konsumiert wird. Außer Zucker werden also auch Komponenten zugeführt, die neben Energie auch Vitamine und Mineralstoffe liefern. Beispiel Fruchtjoghurt: Seit Einführung gesüßter Produkte ist der Verzehr v.a. bei Kindern gestiegen - diese Entwicklung ist u.a. für die Calciumversorgung positiv. Teilweise wird Zucker auch als konservierende Zutat verwendet, wie etwa im Fall von Marmelade. Wenn auf Zucker verzichtet werden soll, muss in manchen Fällen der Einsatz chemischer Konservierungsmittel in Betracht gezogen werden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass ein durchschnittlicher Zuckerverzehr die Vitamin- und Mineralstoffzufuhr nicht gefährdet. Unter den gegenwärtigen Verzehrsgewohnheiten ist die Bedarfsdeckung an essentiellen Nährstoffen, Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen gesichert, wenn auf eine abwechslungsreiche Zusammenstellung des Speiseplans geachtet wird. Empfehlungen zur Begrenzung der Zuckerzufuhr Die offiziellen Stellungnahmen zur Zuckerzufuhr haben sich während der letzten Jahrzehnte geändert. Während für den Diabetiker noch eine Maximalmenge für den Zuckerkonsum angezeigt ist, wird eine Limitierung der Zuckermenge für den Stoffwechselgesunden mittlerweile kontroversiell diskutiert. Tab. 4.16 stellt die internationale Entwicklung der Empfehlungen für die Zuckerzufuhr in den letzen zehn Jahren dar. Das Food and Nutrition Board/Institute of Medicine (USA) schlägt in ihren "Dietary Reference Intakes" für den Verzehr zugesetzter Zucker eine Obergrenze von 25 Energie% vor [IOM, 2002]. Diese Limitierung ist de facto keine mehr, da die tatsächliche Aufnahme in den allermeisten Fällen unter dieser Grenze liegt. Das Herausgebergremium verkennt nicht, dass schwer verdauliche und absorbierbare Kohlenhydrate gegenüber leicht verdaulichen und schnell absorbierten gesundheitliche Vorteile bieten. Die darauf beruhenden, mittels glykämischem Index (GI) relativ gut voraussagbaren Effekte auf die Konzentration von Glucose, Insulin sowie Blutlipiden werden allerdings vornehmlich für Diabetiker und Hyperlipidämiker und weniger für Gesunde als vorteilhaft betrachtet. Nach Ansicht der Herausgeber reichen die vorliegenden Daten über Beeinträchtigungen der Gesundheit durch 243 Tab. 4.16: Ernährungsempfehlungen der letzen Jahre zur Begrenzung der Zukkeraufnahme Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen Tab. 4.17: Mittlerer täglicher ProKopf-Verbrauch sowie der daraus geschätzte ProKopf-Verzehr in Österreich Jahr Verbrauch (g/d) Verzehr* (g/d) Zucker (Karies, Erhöhung des Krebs-, Fettsucht- und Hyperlipidämie-Risikos) nicht aus, um einen UL-Wert (Tolerable 1947/48 32 27 Upper Intake Level) zu beziffern. Die 1993/94 95 81 Obergrenze von 25 Energie% erfolgt 1996/97 111 94 vornehmlich wegen nachgewiesener geringerer Versorgung mit Mikronährstof2000/01 110 93 fen in Subpopulationen der amerikani* geschätzter Verzehr aus Ernährungsbilanschen Bevölkerung, die über 25 Enerzen (85% des Verbrauchs) gie% Zucker verzehrten [Gaßmann, 2003]. In den D-A-CH-Referenzwerten wird die Herabsetzung der Mikronährstoff- und Ballaststoff-Dichte von Lebensmitteln durch zugesetzte Zucker ebenfalls betont. Deshalb wird bei uns ein "moderater" Umgang mit Zucker empfohlen, ohne in den Referenzwerten eine vertretbare Verzehrsmenge anzugeben [DACH, 2000]. Der im März 2003 veröffentlichte WHOReport verschärft den Grenzwert für zugesetzten Zucker allerdings wieder und spricht sich erneut für die 10%-Regel aus [WHO, 2003]. Verbrauchstrends Das relativ hohe Niveau des jetzigen Zuckerverbrauchs wird augenscheinlich, wenn man die rezente Konsumdaten mit jenen der Nachkriegsjahre vergleicht (Tab. 4.17). 1993/94 war der Verbrauch mehr als dreimal so hoch wie 1947/48. Die Veränderung der Erfassungsmethodik seit dem EU-Beitritt führte dazu, dass neben Süßwaren eine Vielzahl weiterer verarbeiteter Lebensmittel, die Zucker enthalten, in den Bilanzen durch Verwendung entsprechender Koeffizienten berücksichtigt werden (z.B. Zucker in alkoholischen Getränken oder Saftkonzentraten). Ein Vergleich mit den Berichtsperioden davor ist folglich nicht möglich, obwohl ein insgesamt unveränderter Zuckerkonsum in den vergangenen Jahren angenommen werden kann. Der Zuckerverbrauch in Österreich scheint demnach in den letzen Jahren auf hohem Niveau zu stagnieren. Laut Food Balance Sheets der FAO (für das Jahr 2000) beträgt der Zuckerverbrauch im EU-Schnitt 96 g/Kopf/Tag. Zuckerverzehr in Österreich Die Zuckeraufnahme setzt sich generell aus zwei Komponenten zusammen: - Den natürlicherweise in vielen Lebensmitteln (Obst, Gemüse, Milchprodukten etc.) vorkommenden Zuckerarten. . Der zugesetzten Saccharose (Rohr-/Rübenzucker bzw. Haushaltszucker). Als Berechnungsgrundlage zur Ermittlung des Zuckerverzehrs dienen die Verzehrsangaben der Österreicher, die im Rahmen der ÖSES (Österreichische Studie zum Ernährungsstatus) erhoben wurden. Die Berechnung der Nährstoffaufnahme erfolgte mittels EWP (Ernährungswissenschaftliches Programm) bzw. BLS (Bundeslebensmittelschlüssel). Demnach lag der durchschnittliche Zuckerverzehr in Österreich geschlechtsund altersabhängig zwischen 6 und 19% der Gesamtenergiezufuhr. Die höchste Aufnahme (19 Energie%) zeigte sich bei den weiblichen Lehrlingen (15-18 J.). Abb. 4.6 veranschaulicht die großen Schwankungen in der Kohlenhydratzufuhr - speziell der Zuckeraufnahme - bei verschiedenen Altersgruppen. Kinder und Jugendliche nahmen deutlich höhere Zuckermengen auf als Erwachsene und ältere Menschen. Dieses wenig erstaunliche Ergebnis hängt damit zusammen, dass Kinder und Jugendliche generell mehr "naschen" und auch der Konsum von zuckerhältigen Getränken in dieser Personengruppe am höchsten ist. Dagegen lassen sich keine ausgeprägten Geschlechtsunterschiede feststellen. Tendenziell ist der Zuckerkonsum bei Mädchen und Frauen aber etwas höher. Dieser Unterschied ist bei den 1523-Jährigen am deutlichsten zu erkennen. Nur in der Altersgruppe von 7 bis 10 244 Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen weiblich Abb. 4.6: Vergleich der Gesamtkohlenhydrat- und der Zuckeraufnahme bei verschiedenen Altersgruppen in Österreich (in %) männlich 60 50 54 50 53 55 51 46 40 52 53 49 44 43 41 30 E% Kohlenhydrate 20 10 15 13 13 19 11 15 14 12 E% Saccharose 16 10 7 6 25-50 Jahre über 65 Jahre 15-23 Jahre 11-15 Jahre 3-6 Jahre 7-10 Jahre 25-50 Jahre über 65 Jahre 15-23 Jahre 11-15 Jahre 3-6 Jahre 7-10 Jahre 0 El E%...Energieprozent Jahren führen die Knaben mit 14 Energie% vor den Mädchen mit 13 Energie%. Es wird veranschaulicht, dass alle Personengruppen unter der empfohlenen Höchstmenge des Institute of Medicine von 25 % der Gesamtenergiezufuhr liegen. Der tendenziell geringere Zuckerkonsum der Männer brachte auch eine geringere Gesamt-Kohlenhydratzufuhr mit sich. Obschon die Ballaststoffaufnahme der Männer geringfügig besser war. Da die Unterschiede nur marginal waren, sind daraus keine gesundheitlichen Vor- oder Nachteile abzuleiten. Durch eine erhöhte Zufuhr an ballaststoffreichen Kohlenhydratträgen wie Brot, Getreideprodukten, Hülsenfrüchten, Obst und Gemüse könnten die Nährstoffrelationen entscheidend verbessert und den Empfehlungen angenähert werden. In der Gruppe der Senioren war bei den hochbetagten Männern die große Schwankungsbreite des Zuckerverzehrs auffällig. Die über 84-jährigen Männer lagen außerdem wieder über dem Durchschnittswert der männlichen, erwachsenen Bevölkerung. Dies lässt sich wahrscheinlich mit einer extrem einseitigen Lebensmittelauswahl bei Teilen dieser Bevölkerungsgruppe erklären. Bei den Kindern und Jugendlichen fiel auf, dass so gut wie keine Geschlechtsunterschiede festzustellen sind, lediglich bei den Lehrlingen war die Saccharoseaufnahme der jungen Damen wesentlich höher als die der männlichen Altersgenossen. Insgesamt überschritten alle jungen Altersgruppen das WHO-Limit von 10 Energie% teilweise sehr deutlich, ohne die 25%-Marke der DRI zu erreichen. Bei genauerer Analyse der erhobenen Daten der Lehrlinge, zeigte sich ein Zusammenhang zwischen der Fett- und Kohlenhydratzufuhr (Abb. 4.7). Je höher die Saccharoseaufnahme, desto niedriger war die Fettaufnahme und umgekehrt. Menschen, die wenig Zucker essen, essen dafür mehr Fett. 30 E% Saccharose 25 20 15 W 10 M 5 0 unter 25 25 - 30 30 - 35 35 - 40 E% Fett 245 über 40 Abb. 4.7: Vergleich der Fett- und Saccharoseaufnahme bei Lehrlingen (15-18 J.) Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen Tab. 4.18: Anteil von Saccharose an der Gesamt-Kohlenhydratzufuhr bei diversen österreichischen Altersgruppen Kollektiv Anteil von Saccharose an der Gesamt-KH-Zufuhr (in %) 3-6 Jahre 27 7-10 Jahre 27,5 11-14 Jahre 23 15-18 Jahre* 35 19-60 Jahre 23 >55 Jahre** 19 Bei Betrachtung des Saccharoseanteils an der Gesamt-Kohlenhydratzufuhr kann beobachtet werden, wie sich der Zuckeranteil mit dem Lebensalter verändert (Tab. 4.18). Zucker und ernährungsabhängige Erkrankungen In welchem Ausmaß die Höhe der Zuckerzufuhr ernährungsabhängige Erkrankungen beeinflusst, ist Gegenstand intensiver Diskussionen. Ein Überblick soll die wichtigsten Überlegungen behandeln. * Lehrlinge; ** Wiener Senioren KH...Kohlenhydrat Zucker und Übergewicht: Übergewicht und Fettsucht sind ein zunehmendes Problem unserer Zeit und resultieren aus dem Ungleichgewicht zwischen Energiezufuhr und Energieverbrauch. Die Meinung, dass Zucker dick macht, ist wissenschaftlich umstritten. Verzehrsstudien zeigen immer wieder eine inverse Beziehung zwischen der Zukker- und Fettaufnahme in der Bevölkerung. Anders ausgedrückt: Ein hoher Fettverzehr korreliert mit einem geringen Zuckerverzehr, was bedeutet, dass eine zuckerreiche Ernährung fettärmer ist und umgekehrt. Auch die vorliegenden österreichischen Daten zeigen diesen Trend auf (Abb. 4.7). Darüber hinaus wird beobachtet, dass Übergewichtige mehr Fett, aber weniger Zucker verzehren. Je höher der Fettgehalt und je geringer der Kohlenhydratgehalt der Nahrung, desto größer ist die Körperfettmasse. Es wird daher davon ausgegangen, dass die Entstehung von Übergewicht eher durch eine fettreichere Ernährung als durch eine zuckerreiche Ernährung begünstigt wird [Kluthe und Kasper, 1996]. Die epidemiologischen Beobachtungen werden durch Stoffwechselstudien am Menschen bestätigt. Der Körper reagiert auf die Zufuhr von Fetten und Kohlenhydraten unterschiedlich. Kohlenhydrate sind die vom Organismus bevorzugten Energielieferanten, die in erster Linie zur Deckung des Energiebedarfs genutzt werden, was sich in einer vermehrten Kohlenhydratverbrennung äußert. Dagegen ist nach erhöhtem Fettverzehr keine Stimulation der Fettoxidation zu beobachten, was bedeutet, dass das Nahrungsfett als Depotfett gespeichert wird [Elmadfa und Leitzmann, 1998]. Überschüssige Kohlenhydratkalorien werden erst dann in Körperfett umgewandelt, wenn die körpereigenen Glykogenspeicher gefüllt sind. Dies ist nur unter Energieaufwand, d.h. unter Verlust von ca. 25 % der Energie möglich, während überschüssiges Nahrungsfett ohne allzu großen Energieverlust (von ca. 7 %) im Fettgewebe gespeichert wird. Unter den heute üblichen Ernährungsbedingungen ist die Neubildung von Fetten aus Kohlenhydraten sehr gering [Kluthe und Kasper, 1996]. Hill und Prentice haben in einer Metaanalyse untersucht, ob ein hoher Zukkerkonsum Übergewicht verursacht. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass vielmehr die Fettaufnahme bei der Entwicklung von Übergewicht entscheidend ist. Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass eine hohe Kohlenhydrataufnahme (bzw. eine hohe Zuckeraufnahme) Übergewicht fördert. Die Forscher konnten sogar eine negative Korrelation zwischen Zuckerkonsum und Übergewicht nachweisen [Hill und Prentice, 1995]. Diese Ergebnisse relativieren die Bedeutung von Zucker bei der Entwicklung von Übergewicht ohne deshalb eine unkontrollierte Zufuhr von niedermolekularen Kohlenhydraten nahezulegen. Selbstverständlich ist weiterhin die Zufuhr komplexer Kohlenhydrate zu empfehlen, da diese mehr Mikronährstoffe liefern und durch den höheren Ballaststoffgehalt ein besseres Sättigungsgefühl vermitteln. 246 Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen Übergewicht ist ein multifaktorielles Ernährungsproblem, welches eine ebensolche Betrachtungsweise erforderlich macht. In diesem Zusammenhang hat neben der Gesamtenergiezufuhr und dem Anteil der Fettaufnahme auch das Ausmaß an Bewegung eine zentrale Bedeutung. Zucker und Diabetes mellitus Die Aufnahme von Lebensmitteln mit niedrigem statt hohem Glykämischen Index führt zu einer verlangsamten Aufnahme von Glucose in den Blutkreislauf. Dies wiederum kann dazu beitragen, den Blutzuckergehalt zu regulieren. Das traditionelle "Zuckerverbot" innerhalb der Diabetesdiät kann jedoch nicht länger aufrechterhalten werden, da die glykämische Wirkung von Saccharose und Stärke identisch ist. Die aktuellen Empfehlungen (z.B. der deutschen Diabetesgesellschaft) erlauben mittlerweile eine moderate Zuckermenge, da die Aufnahme von Zucker im Rahmen einer Mahlzeit wenig Auswirkung auf die Blutzucker- und Insulinkonzentration hat [Diabetes and Nutrition Group of the European Association for the Study of Diabetes, 1995]. Folgende Voraussetzungen sollten beim Einsatz von Zucker in der Diabetesdiät erfüllt sein [Kasper, 2000]: - Normalgewicht Gute Stoffwechseleinstellung Regelmäßige Selbstkontrolle Zucker nur innerhalb einer Mahlzeit "verpackt" Maximal 10 Energieprozent Zucker pro Tag (bei 2000 kcal = 50 g) Nicht in Form von Getränken (z.B. Erfrischungsgetränke, zum Süßen von Kaffee, Tee) Eine zeitgemäße Diabetikerernährung liegt insgesamt sehr nahe bei den Empfehlungen für Stoffwechselgesunde und hat eine abwechslungsreiche Mischkost zum Ziel. Die positiven Auswirkungen einer ballaststoffreichen Ernährungsweise auf den Blutglucosespiegel nach Nahrungsaufnahme, aber auch auf den Nüchternblutzucker und letztendlich auf die Höhe des Insulinbedarf bleiben unbestritten und sollten nicht vergessen werden. Unterstützend wird regelmäßige körperliche Aktivität empfohlen. An erster Stelle steht jedoch die Bekämpfung des Übergewichts. Kohlenhydrate und Karies Die Bildung von Plaque und kariogenen Säuren wird durch zahlreiche Kohlenhydrate begünstigt. Neben niedermolekularen Kohlenhydraten (wie Saccharose) wirkt beispielsweise auch gekochte Stärke kariogen. Demnach können nicht nur zuckerhaltige Lebensmittel Karies erzeugen, sondern auch Nahrungsmittel wie Brot, Reis, Kartoffeln oder Frühstückszerealien. Die wirksamste Methode, Karies zu vermeiden müsste theoretisch der Verzicht auf Kohlenhydrate sein. Eine solche Forderung ist aus ernährungsphysiologischen Gründen unsinnig. Es zeigt sich jedoch, dass weniger die Art und Menge der aufgenommenen Kohlenhydrate als vielmehr die Häufigkeit ausschlaggebend ist. Auch die Konsistenz der verzehrten Lebensmittel beeinflusst die Kariogenität. Honig beispielsweise haftet besonders lange an den Zähnen. Außerdem spielen individuelle Faktoren, wie Speichelzusammensetzung und Beschaffenheit der Zähne eine wichtige Rolle. Karies entsteht also durch das Zusammentreffen verschiedener Ursachen. Die WHO strebt in Bezug auf die Zahngesundheit von Vorschulkindern an, dass 50% der Fünfjährigen kariesfrei sind. Eine österreichische Untersuchung zeigte vor wenigen Jahren, dass 47% der Kinder nach den WHO-Kriterien kariesfrei waren [Städtler et al., 1997]. Bei unverändert hoher Zukkeraufnahme lag der Anteil der kariesfreien Kinder 8 Jahre davor bei nur 32%. Die Daten sprechen dafür, dass in erster Linie gute Mundhygiene sowie ausreichende Fluoridierungsmaßnahmen entscheidend sind. Natürlich können die beiden Vorbeugemaßnahmen durch eine "zahngesundheitsfördernde Ernährung" unterstützt und optimiert werden. Schlussbetrachtung Der Zuckerverzehr in Österreich stagniert seit einigen Jahren auf einem relativ hohen Niveau. In keiner Personengruppe wird die 25%-Grenze für zugesetzten Zucker, wie sie vom Institute of Medicine festgesetzt wird, überschritten. Eine wesentlich strengere 10%-Grenze, die erst kürzlich in einem aktuellen WHO-Report erneut gefordert wird, ist nicht in allen Altergruppen realisiert. Möchte man den Zuckerverzehr generell auf diese Menge beschränken, sind erhebliche Anstrengungen sowohl von Seiten der öffentlichen Gesundheitsaufklärung als auch der Lebensmittelindustrie erforder- 247 Kapitel 4. Bedeutung der Lebensmittelgruppen lich. In diesem Fall müssen sich die Maßnahmen vor allem auf die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen konzentrieren, da hier die größten Erfolge zu erwarten sind. Der in jüngster Zeit stark zunehmende Trend der Anreicherung von Süßigkeiten mit Vitaminen ist kritisch zu bewerten. Die Anreicherung von Süßigkeiten ist nicht geeignet, in wesentlichem Maß zur Bedarfsdeckung an diesen Nährstoffen beizutragen, so dass insgesamt keine bessere Bewertung derartiger Lebensmittel erfolgen kann. Die nachteiligen Wirkungen (z. B. Karies, Übergewicht) bei überhöhtem Konsum können nicht durch das marginal verbesserte Nährstoffangebot ausgeglichen werden. Durch eine höhere Zufuhr an ballaststoffreichen Kohlenhydratträgern wie Brot, Getreideprodukten, Kartoffeln, Hülsenfrüchten, Obst und Gemüse könnte die Nährstoffaufnahme entscheidend verbessert und den Referenzwerten angenähert werden. Zuckerreiche Lebensmittel und Getränke sollten Ausnahmen im Essalltag darstellen, damit eine gesundheitsförderliche Ernährungsweise verwirklicht werden kann. Deshalb muss eine genussbetonte, abwechslungsreiche Speisenzusammenstellung mit vorteilhaften Komponenten einfach, nachvollziehbar und zielgruppengerecht kommuniziert werden. 248 Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung Kapitel 5: Public Health/Gesundheitsförderung/ Prävention 5.1 Ernährungsassoziierte Erkrankungen und Mortalität* Zusammenfassung Ernährungsassoziierte Erkrankungen mit mehr oder wenig multifaktorieller Genese sind in Österreich eine wesentliche Ursache für Morbidität und Mortalität. Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebserkrankungen sind für über 76% der Todesfälle verantwortlich. Bei Frauen ist der Anteil an Herz- und Hirngefäßerkrankungen höher als bei Männern, der Anteil an Krebserkrankungen aber geringer. Das Risiko für Männer an Krebs zu erkranken, ist um fast 39% höher als für Frauen. Die höchste Mortalität bei Krebserkrankungen haben bei Männern Lungen-, Prostata- und Darmkrebs und bei Frauen Brust-, Darm- und Lungenkrebs. Die Todesfälle an endokrinen Störungen und Stoffwechselerkrankungen sind zu 92% auf die Mortalität an Diabetes mellitus zurückzuführen. Dem internationalen Trend entsprechend stieg auch in Österreich die Prävalenz der Adipositas. 37% der ÖsterreicherInnen sind übergewichtig und 9,1% adipös. Innerhalb Österreichs zeigt sich ein Ost-West-Gefälle. Im Westen Österreichs besteht eine höhere Lebenserwartung, ein niedrigeres Mortalitäsrisiko an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und eine geringere Adipositasprävalenz. Allgemeines In allen westlichen Industriestaaten sind ernährungsassoziierte Krankheiten, wie Herz-KreislaufErkrankungen, häufige Krebserkrankungen, Diabetes mellitus, chronische Erkrankungen der Leber und anderer Verdauungsorgane wesentliche Ursache für Morbidität und Mortalität. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass ernährungsabhängige Krankheiten eine multifaktorielle Genese haben und der ernährungsbedingte Anteil unter den anderen Einflussfaktoren nur schwer quantifizierbar und feststellbar ist. Ergebnisse aus Tierversuchen sind nur bedingt auf den Menschen übertragbar. Fall-Kontroll-Studien, in denen die Ernährungsgewohnheiten aus der Vergangenheit befragt werden, können nicht eindeutig feststellen, ob gewisse Ernährungsformen Grund oder Folge einer Erkrankung sind. In Kohortenstudien ist die Ursache-Folge-Frage klarer. Dennoch besteht bei beiden Formen die Frage, ob ein beobachteter Zusammenhang als kausal zu bezeichnen ist oder ob er durch andere Wirkstoffe vorgetäuscht wird und damit Confounding vorliegt (Eichholzer 1997). Neben der genetischen Disposition für die Entwicklung bestimmter Krankheiten, spielen je nach Krankheitsart das Tabakrauchen (Lungenkrebs), Alkohol (Leberzirrhose), Belastung mit Schadstoffen aus der Umwelt beziehungsweise am Arbeitsplatz (viele Krebskrankheiten) oder körperliche Bewegung (Herz-Kreislauf-Erkrankungen) eine wesentliche, wenn nicht sogar entscheidende Rolle. Aus diesem Grund spricht man hier von multikausal ernährungsabhängigen Krankheiten, die im aktuellen Sprachgebrauch häufig als Synonym für die sogenannten "Zivilisationskrankheiten" verwendet werden. Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehen davon aus, dass im Jahr 2020 chronische Krankheiten für drei Viertel aller Todesfälle verantwortlich sein könnten, wenn es in den Industriestaaten zu keiner Ernährungsumstellung kommt (WHO 2003). Als Gesundheitsindikatoren werden die Lebenserwartung (durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt, mit 60 Jahren und behinderungsfreie Lebenserwartung bei der Geburt und mit 60 Jahren), die Mortalitätsstatistik mit Angaben zu der Anzahl der Todesursachen, Anteil der Todesursachen und standardisierte Sterbeziffer und Morbiditätszahlen angegeben. Lebenserwartung Die durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt lag in Österreich 2001 bei 78.9 Jahren, wobei die der Männer 75.9 Jahre und die der Frauen 81.7 Jahre betrug (Statistik Austria 2003). Seit dem Jahre 1950 zeigt sich eine steigende Tendenz. Seit 1970 erhöhte sich die durchschnittliche Lebenserwartung alle 10 Jahre um durchschnittlich 2.5 Jahre, insgesamt bis zum Jahre 2001 um 8.2 Jahre. Seit 1980 steigt die der Männer höher als die der Frauen (Abb. 5.1). * ao. Univ.-Prof. Dr. I. Kiefer, o. Univ.-Prof. Dr. M. Kunze, Univ.-Prof. Dr. A. Rieder, Institut für Sozialmedizin der Universität Wien, Rooseveltplatz 3, 1090 Wien 249 Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung Abb. 5.1: Entwicklung der Lebenserwartung in Österreich 1950-2001 Jahre 85 Frauen 80 Gesamt Männer 75 70 65 60 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2001 Ganz deutlich zeigt sich ein Ost-West-Gefälle. Die höchste durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt liegt bei Männern und Frauen in Westösterreich und die niedrigste in Ostösterreich. Tab. 5.1: Lebenserwartung und behinderungsfreie Lebenserwartung 2001 in Österreich (Statistik Austria 2003; WHO 2003) 2001 betrug die Lebenserwartung von Männern im Alter von 60 Jahren 20.4 Jahre und von Frauen 24.3 Jahre. Wesentlich ist aber, dass nicht nur die durchschnittliche Lebenserwartung ansteigt, sondern dass vor allem die gesunden Lebensjahre (healthy life expectancy oder behinderungsfreie Lebenserwartung) zunehmen. Laut der These der Kompression der Morbidität (Fries et al., 1989) kann davon ausgegangen werden, dass chronische Erkrankungen später im Leben auftreten, da aufgrund der besseren Ernährung und lebenslanger Gesundheitsvorsorge die Menschen länger gesund bleiben. Das spätere Auftreten chronisch-degenerative Krankheiten führt, gemäss dieser These, zu einer Verkürzung der in Krankheit verbrachten Lebenszeit. In Österreich lag die behinderungsfreie Lebenserwartung bei der Geburt bei Männern bei 68.9 Jahren und bei Frauen bei 73.0 Jahren (Tab. 5.1). Der prozentuelle Anteil der behinderungsfreien Lebenszeit an der Gesamtlebenszeit beträgt daher für Männer 90.8% und für Frauen 89.4%. In den EU-Mitgliedstaaten ist die mittlere Lebenserwartung von Frauen in Frankreich und Spanien am höchsten, bei Männern in Schweden und Italien. Insgesamt ist die Lebenserwartung 2001 bei der Geburt in Schweden (79.8 Jahre), Italien (79.8 Jahre) und Spanien (79.3 Jahre) am höchsten und in Portugal (76.9 Jahre), Dänemark (76.7 Jahre) und Irland (75.8 Jahre) am niedrigsten. International findet man die höchste Lebenserwartung in Japan (80.9 Jahre; Männer: 77.6 Jahre, Frauen: 84.2 Jahre) und die niedrigste in Sambia (37 Jahre) (Tab. 5.2) (Eurostat 2002). Gesamt Männer Frauen Lebenserwartung bei der Geburt 78.9 75.9 81.7 Lebenserwartung mit 60 Jahren 22.4 20.4 24.3 Behinderungsfreie Lebenserwartung bei der Geburt 71.1 68.9 73.0 Behinderungsfreie Lebenserwartung mit 60 Jahren 17.3 15.7 18.5 250 Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung Land Lebenserwartung bei der GeBehinderungsfreie Lebenserburt (in Jahren) wartung bei der Geburt (in Jahren) Gesamt Männer Frauen Gesamt Männer Frauen Japan 81.3 77.9 84.7 73.6 71.4 75.8 Schweiz 80.2 77.3 82.8 72.8 71.1 74.4 Australien 80.0 77.4 82.6 71.6 70.1 73.2 Schweden 80.0 77.7 82.3 71.8 70.5 73.2 Kanada 79.3 76.6 81.9 69.9 68.2 71.6 Frankreich 79.3 75.6 82.9 71.3 69.0 73.5 Italien 79.3 76.2 82.2 71.0 69.2 72.9 Österreich 79.0 75.9 81.8 71.0 68.9 73.0 Spanien 78.9 75.3 82.6 70.9 68.7 73.0 Deutschland 78.2 75.1 81.1 70.2 68.3 72.2 Griechenland 78.1 75.5 80.8 70.4 69.0 71.9 China 71.2 69.8 72.7 63.2 62.0 64.3 Finnland 77.9 74.5 81.2 70.1 67.7 72.5 USA 77.0 74.3 79.5 67.6 66.4 68.8 Polen 74.0 69.9 78.1 64.3 62.1 66.6 Kroatien 72.9 68.9 77.1 63.3 59.7 66.9 Ungarn 71.7 67.3 76.1 61.8 58.0 65.5 Russische Föderation 65.2 58.9 72.3 56.7 51.5 61.9 Tab 5.2: Lebenserwartung bei der Geburt 2001. Internationale Vergleiche (WHO 2003) Mortalität Im Jahre 2001 verstarben in Österreich insgesamt 74.767 Personen. Das entspricht einer standardisierten Sterbeziffer von 919,4 Personen je 100.000 Lebende. Von den Verstorbenen waren 34.500 Männer (872,3/100.000) und 40.267 Frauen (964/100.000). Den größten Anteil an der Gesamtsterblichkeit hatten Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit einem Anteil von 51.0%, gefolgt von Krebserkrankungen mit 25.5%. Bei Frauen ist der Anteil an Herz-Kreislauf-Erkrankungen insgesamt höher als bei Männern, der Anteil an Krebserkrankungen, Erkrankungen der Atmungs- und Verdauungsorgane, an Unfällen und Selbstmorden aber niedriger (Abb. 5.2, Tab. 5.3). Männer Verdauungsorgane, 5.3 % Atmungsorgane, 5.7 % Verdauungsorgane, 3.8 % Unfälle, 4.9 % Atmungsorgane, 4.8 % Frauen Unfälle, 2.2 % Rest, 9.4 % Rest, 11.0 % Krebs, 22.9 % Krebs, 28.1 % Hirngefäße, 13.0 % Herz, 43.9 % Herz, 36.5 % Hirngefäße, 8.5 % 251 Abb. 5.2: Todesursachen 2001 bei Männer und Frauen in Österreich Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung Tab. 5.3: Mortalitätsstatistik für Österreich, 2001 (Statistik Austria 2003) Todesursachen (ICD, 9. Reversion*) ALLE (001-999) Herz/Kreislauf-Erkrankungen (390-459) Todesfälle Anteil Todesursachen Standardisierte Sterbeziffer **) Anzahl % Gestorbene / 100.000 Lebende M 34500 100 872.3 F 40267 100 964.0 M 15518 45.0 392.4 F 22867 56.9 547.4 davon: Herzkrankheiten (390-398, 401- M 405, 410-429, 440-459) F 12584 36.5 318.2 17648 43.9 422.5 Hirngefäß-Erkrankungen (430-438) M 2934 8.5 74.2 F 5219 13.0 124.9 M 1206 3.5 30.5 F 559 1.4 13.4 Ernährungs- und Stoffwechsel-Erkrankungen (240-279) M 633 1.8 16.0 F 942 2.3 22.5 davon: Diabetes mellitus (250) M 565 1.6 14.3 F 895 2.2 21.4 Leberzirrhose (571) M = Männer; F = Frauen *) International Classification of Diseases **) standardisiert nach der Europäischen Standardbevölkerung der WHO Herz-Kreislauf-Erkrankungen Kardiovaskuläre Erkrankungen sind die führenden Todesursachen in den Industrieländern. Im 21. Jahrhundert werden diese Krankheiten weiterhin das Erkrankungsspektrum und die Todesursachenstatistik anführen, sowohl in den Industrieländern als auch in den Entwicklungsländern (nach Statistische Mitteilungen der Stadt Wien 2001). % 80 70 60 Männer Frauen 50 40 Abb. 5.3: Mortalität an Herz-KreislaufErkrankungen nach Alter und Geschlecht (in % der Gesamtmortaltität) 30 20 10 0 < 40 Jahre 40 bis < 60 Jahre 252 60 bis < 70 Jahre 70 bis < 80 Jahre 80 und mehr Jahre Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung koronare Herzkrankheiten - Männer Standardisierte Sterbeziffer / 100.000 Lebende 250 koronare Herzkrankheiten - Frauen Hirngefäß-Erkrankungen - Männer Hirngefäß-Erkrankungen - Frauen 200 150 100 50 0 1965-9 1975-9 1985-8 1995-8 2001 starben 15.518 Männer und 22.867 Frauen an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung. Bei den Männern fielen 81% der Todesfälle auf Herzerkrankungen und 19% auf Hirngefäß-Erkrankungen. Bei den Frauen war der Anteil an Hirngefäßerkrankungen höher, nämlich 23%. Das durchschnittliche Sterbealter lag bei allen Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei den Männern bei 77.5 Jahren und bei den Frauen bei 84.3 Jahren. Über 70% der Todesfälle traten bei Frauen im Alter ab 80 Jahren auf. Bei Männern hingegen lagen bereits 25% der Todesfälle im Alter zwischen 40 und 70 Jahren (Abb. 5.3). Die koronare Herzkrankheit (KHK) ist die führende Todesursache bei Frauen über dem 65. Lebensjahr und bei Männern ab dem 45. Lebensjahr. Das Lebenszeitrisiko für kardiovaskuläre Erkrankungen ist für Männer immer höher als für Frauen, ausgenommen sind die Herzinsuffizienz und der Schlaganfall, hier ist das Lebenszeitrisiko für Frauen höher (Peeters et al. 2002). In den meisten Industrieländern nimmt bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Mortalität seit den 60er Jahren ab, verbunden mit einer Änderung in der Risikofaktorenpräsenz. Zwischen 1965 und 1998 kam es in Österreich zu einem Rückgang der altersstandardisierten Sterberate bei Männern bei koronaren Herzkrankheiten um 25.1% und bei Hirngefäßerkrankungen um 54.6%. Bei Frauen ist die altersstandardisierte Mortalität in dieser Zeitspanne bei koronaren Herzkrankheiten um 31.7% und bei Hirngefäßerkrankungen um 55.5% zurückgegangen (Abb. 5.4). Der Rückgang der Mortalität ist in der männlichen Bevölkerung höher. In Österreich ist bei den Frauen sogar eine Stagnation bzw. ein ansteigender Trend in der Mortalität zu verzeichnen. Bei regionaler Betrachtung in Österreich zeigt sich ein Ost-West-Gefälle. So ist das Risiko an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben in Wien am größten, gefolgt von Burgenland und Niederösterreich. Dagegen liegen Vorarlberg und Tirol rund 15 % unter dem österreichischen Durchschnitt. Während sich in allen großen Landeshauptstädten die Sterbeziffern unter dem Bundesdurchschnitt befinden, weist Wien als einzige Stadt eine überdurchschnittliche Herz-Kreislaufmortalität auf. International zeigt sich, dass die Mortalität an koronaren Herzkrankheiten in den Ländern Slowakei, Ungarn und Rumänien am höchsten und in den Ländern Frankreich, Portugal und Spanien am niedrigsten ist (Abb. 5.5, Abb. 5.6). In den meisten Industriestaaten nimmt bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Mortalität seit den 1960er Jahren, verbunden mit einer Änderung in der Risikofaktorenpräsenz, ab. Auch wenn es zu einem Rückgang der Sterblichkeit gekommen ist, ist es besonders bei den ischämischen Herzerkrankungen weiterhin unklar, ob die Inzidenz ebenfalls zurückgegangen ist, oder ob der Rückgang der Mortalität lediglich die höhere Überlebensrate widerspiegelt. Diese höhere Überle- 253 Abb. 5.4: Entwicklung der Sterblichkeit an koronaren Herzkrankheiten und Hirngefäßerkrankungen von 1965 bis 1998 bei Männern und Frauen in Österreich (nach Levi 2002) Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung Abb. 5.5: Mortalität an koronaren Herzkrankheiten (Männer) 1995-1998 ausgewählter Länder (altersstandardisierte Sterbeziffer / 100.000 Lebende) (nach Levi et al. 2002) Abb. 5.6 : Mortalität an koronaren Herzkrankheiten (Frauen) 1995-1998 ausgewählter Länder (altersstandardisierte Sterbeziffer / 100.000 Lebende) (nach Levi et al. 2002) Slowakei Ungarn Rumänien Tschechien Bulgarien Irland Finnland Kroatien Großbritannien Schweden Dänemark Norwegen Österreich Deutschland Polen Slowenien Niederlande Luxenburg Schweiz Griechenland Belgien Italien Spanien Portugal Frankreich Slowakei Rumänien Ungarn Bulgarien Tschechien Kroatien Irland Finnland Großbritannien Dänemark Österreich Deutschland Schweden Norwegen Slowenien Schweiz Niederlande Polen Belgien Griechenland Luxenburg Italien Portugal Spanien Frankreich 198,6 190 187,4 185,2 182,1 49,1 134,4 129,6 128,2 126,6 125,8 113,7 101,1 97,6 92,3 90,7 82,9 79,8 74 65,5 65,1 235,5 220,9 163,3 150,4 125,9 118,9 111,7 101,6 94,9 18,2 60 60,4 59,6 56,8 50,6 48,2 43,3 40,7 38,9 33,2 33,1 32,9 32,8 30,8 26,5 67,3 87,1 82,1 75,8 bensrate ist der verbesserten klinischen Versorgung zuzuschreiben, gleichzeitig ist aber auch die Schwere der Fälle durch primäre und sekundäre Präventionsmaßnahmen zurückgegangen. Die altersspezifische Mortalität nimmt ebenfalls ab, jedoch wird durch den zunehmenden Anteil der Bevölkerung an älteren Menschen die Anzahl der Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen absolut gesehen ansteigen (nach Statistische Mitteilungen zur Gesundheit in Wien 2001). In den nächsten Jahren und Jahrzehnten könnte es wieder zu einem allgemeinen Anstieg der Mortalität kommen, bedingt durch die Zunahme der Prävalenz der Adipositas, des Metabolischen Syndroms und des Typ-II-Diabetes in der Bevölkerung, weiters durch die höhere Prävalenz der Raucherinnen im Vergleich vor dreißig Jahren. Die Weltgesundheitsorganisation hat in ihren Gesundheitszielen 2020 unter anderem das Ziel formuliert, die Sterblichkeit bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen um weitere 40% zu senken und zwar bei den unter 65jährigen. Krebserkrankungen 2000 kam es schätzungsweise weltweit zu 10 Millionen Neuerkrankungen und über 6 Millionen Todesfällen durch bösartige Neubildungen. Bis zum Jahre 2020 254 Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung Abb. 5.7: Krebsinzidenz bei Männern von 1983-1999 in Österreich (Statistik Austria 2002) Erkrankungen auf 100.000 Einwohner 120 100 80 Magen Dickdarm Lunge Prostata 60 40 20 19 19 83 84 19 85 19 86 19 87 19 88 19 89 19 90 19 91 19 92 19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 19 99 0 wird die Zahl der Krebsfälle in den Industriestaaten um 29% steigen, größtenteils jedoch durch die Zunahme der älteren Bevölkerungsschicht (WHO 2003). In Österreich erkrankten 1999 rund 32.500 Österreicherinnen und Österreicher an Krebs, davon 49.6% Frauen und 50.4% Männer. Dabei handelt es sich um invasive Tumoren, die auch alle DCO-Fälle (Death Certificate Only) enthalten. Bei der altersstandardisierten Inzidenzrate (Männer 397,1; Frauen: 286,0) zeigt sich aber, dass das Risiko an Krebs zu erkranken bei Männern um fast 39 Prozent höher liegt als bei Frauen (Statistik Austria 2003). Bei der Krebsinzidenz seit 1983 kam es bei den Männern zu einer Abnahme von Magenkrebs (- 47%), Lungenkrebs (- 29%) und Dickdarmkrebs (- 7%) und zu einer Zunahme an Prostatakrebs um 83% (Abb. 5.7) Bei den Frauen stieg zwischen 1983 und 1999 die Inzidenz an Lungenkrebs um 27% und an Brustkrebs um 21% an. Abgenommen hat hingegen die Inzidenz an Magenkrebs (- 51%), Gebärmutterkrebs (- 39%) und Dickdarmkrebs (- 22%) (Abb. 5.8) Bei der Mortalität der Krebserkrankungen der Männer hatten die bösartigen Neubildungen der Luftröhre, Bronchien und Lunge mit einem Anteil von 23.3% aller Gesamtkrebserkrankungen den höchsten Anteil, gefolgt vom Prostatakrebs (12.2%) und Darmkrebs (8.6%). Bei den Frauen lag der Anteil an den Todesursachen an Krebserkrankungen beim Brustkrebs (17.1%) am höchsten (Tab. 5.4). Erkrankungen auf 100.000 Einwohner 100 90 80 70 Magen Dickdarm Lunge Brust Gebärmutter 60 50 40 30 20 10 255 19 99 19 97 19 95 19 93 19 91 19 89 19 87 19 85 19 83 0 Abb. 5.8: Krebsinzidenz bei Frauen von 1983-1999 in Österreich (Statistik Austria 2002) Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung Tab. 5.4: Mortalitätsstatistik ausgewählter Krebserkrankungen für Österreich, 2001 (Statistik Austria 2003); Todesursachen (ICD, 9. Reversion*) Todesfälle Anteil Todes- Standardiursachen sierte Sterbeziffer **) Anzahl % Gestorbene je 100.000 Lebende Krebs-Erkrankungen M 9698 28.1 245.2 (140-239) F 9208 22.9 220.4 davon: Magenkrebs M 595 1.7 15.0 (151) F 555 1.4 13.3 Darmkrebs M 838 2.4 21.2 (152, 153) F 865 2.1 20.7 Mastdarmkrebs M 426 1.2 10.8 (154) F 358 0.9 8.6 Speiseröhre M 243 0.7 6.1 (150) F 67 0.2 1.6 Mundhöhle, M 350 1.0 8.8 Rachen (140-149) F 111 0.3 2.7 Luftröhre, Bronchien, M 2258 6.5 57,1 Lunge (162) F 937 2.3 22.4 Prostata (185) M 1184 3.4 29.9 Brustkrebs (174, 175) F 1572 3.9 37.6 Gebärmutter (179, 182) F 360 0.9 8.6 Zervix uteri (180) F 128 0.3 3.1 M = Männer; F = Frauen *) International Classification of Diseases; **) standardisiert nach der Europäischen Standardbevölkerung der WHO Die Zahl der Krebstoten hat sich insgesamt in den letzten 25 Jahren kaum verändert. Unter Berücksichtigung der Alterung der Österreichischen Bevölkerung kam es sogar zu einem deutlichen Absinken der Krebssterblichkeit. Seit 1985 ist ein Rückgang der standardisierten Sterberaten von 17% bei den Männern und 16% bei den Frauen ersichtlich. Dieser kontinuierliche Rückgang der Sterblichkeit an bösartigen Neubildungen ist vor allem auf das starke Absinken der Magenkrebssterblichkeit zurückzuführen. Dabei kam es zu einem Rückgang um etwa 50% in den letzten 25 Jahren (Abb. 5.9, Abb. 5.10) (Statistik Austria, 2003). Das durchschnittliche Sterbealter lag bei Männern bei allen Krebserkrankungen bei 70.7 Jahren und bei Frauen bei 74.1 Jahre. Endokrine Störungen und Stoffwechselerkrankungen Im Jahr 2001 gab es in Österreich keine Todesfälle durch Avitaminosen und sonstige Ernährungsmangelerkrankungen. Den Hauptanteil an dieser Mortalität bilden die Todesfälle an Diabetes mellitus (Männer: 89%; Frauen: 95%). Weltweit kam es zu einem dramatischen Anstieg sowohl an Prävalenz als auch an Inzidenz an Typ-2-Diabetes. Die WHO schätzt, dass sich die Anzahl von annähernd 150 Millionen Diabetes-Typ-II-Fällen weltweit bis 2025 verdoppeln werden (WHO 2003). 256 Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung Altersstandardisierte Raten/100.000 Standardbevölkerung 300 250 200 Krebs gesamt Magen Dickdarm Lunge Prostata 150 100 Abb. 5.9: Krebsmortalität Männer: 19842000 in Österreich (Statistik Austria 2002) 50 20 00 19 98 19 96 19 94 19 92 19 90 19 88 19 86 19 84 0 Altersstandardisierte Raten/100.000 Standardbevölkerung 180 160 140 Krebs gesamt Magen Dickdarm Lunge Brust Gebärmutter 120 100 80 60 40 20 20 00 19 98 19 96 19 94 19 92 19 90 19 88 19 86 19 84 0 Übergewicht und Adipositas: Wie in allen westlichen Industriestaaten steigt auch in Österreich die Prävalenz des Übergewichts und der Adipositas. Adipositas, definiert beim Erwachsenen nach dem Body-Mass-Index (BMI) ab 30,0 kg/m², ist ein volksgesundheitliches Problem. Es wird geschätzt, dass in einer Population von 1 Million Personen im Alter von 35 bis 84 Jahren 132.900 Fälle von Hypertonie (45% aller Fälle), 58.500 Fälle von Typ-II-Diabetes (85% aller Fälle), 16.500 Fälle von Hypercholesterinämie (18% aller Fälle) und 16.500 Fälle von koronarer Herzkrankheit (35% aller Fälle) auf Adipositas zurückzuführen sind (Oster 2000). Weltweit gibt es bereits mehr als 250 Millionen fettsüchtige Menschen (entspricht 7% der erwachsenen Bevölkerung), mit steigender Tendenz. Nahezu eine halbe Billion Menschen weltweit sind übergewichtig oder adipös (Rössner 2002). Für Europa liegen Schätzungen vor, dass mehr als die Hälfte der 35-65jährigen übergewichtig (BMI: 25,0-29,9 kg/m²) oder schwer übergewichtig (BMI: ab 30,0 kg/m²) sind. Die Prävalenz der Adipositas in Europa liegt in der Größenordnung von 10-20% bei Männern und 10-25% bei Frauen. Die höchsten Prävalenzen findet man im Süden Europas und in den osteuropäischen Ländern (Seidell 1997; Kiefer et al 2001). In Österreich waren in der Gesamtbevölkerung ab 20 Jahren im Jahr 1999 37% übergewichtig (BMI: 18,5 bis < 25,5 kg/m²) und 9.1% adipös. Den höchsten Anteil an Adipösen findet man sowohl bei Männer zwischen 45 und 65 Jahren und 257 Abb. 5.10: Krebsmortalität Frauen: 19842000 in Österreich (Statistik Austria 2002) Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung Abb. 5.11: Epidemiologie der Adipositas in Österreich, 1999 (in Prozent) 13,1 10,2 9,7 d ur B S te or ie ge nl rm an ar n W er ar lb ie g l ro Ti k 6,8 V S al zb ur g 6,2 8,5 7,8 7,6 10,4 bei Frauen zwischen 55 und 64 Jahren. Die Prävalenz sinkt mit zunehmender Schulbildung. Den niedrigsten Anteil an Adipösen haben Hochschulabsolventen (3.9%), den höchsten hingegen Pflichtschulabsolventen (13.1%). Im Osten Österreichs ist der Anteil an schwer Übergewichtigen am höchsten. 13.1% der Burgenländer und jeweils knapp über 10% der Oberösterreicher und Steirer haben einen BMI über 30 kg/m². Die Bundesländer Salzburg und Tirol haben den niedrigsten Anteil an schwer übergewichtigen Personen (Abb. 5.11). In den letzten 10 Jahren stieg die Prävalenz der Adipositas in fast allen europäischen Ländern um 10 bis 40% (IOTF 2003). In Österreich kam es zwischen 1991 und 1999 zu einer Zunahme der Prävalenz um 7%. Adipositas ist aber auch schon im Kindes- und Jugendalter ein Problem. 5,2% der 15 bis 24jährigen sind in Österreich adipös. In Italien sind in dieser Altersgruppe nur 1.0 %, in Finnland 1.2%, in Spanien 1.4%, in Portugal 1.5% und in Frankreich 1.8% schwer übergewichtig. In Irland und in Griechenland findet man die höchsten Prävalenzen mit 8.0% und 11.0% (Martinez 1999). 258 Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung 5.2 Koronare Herzerkrankungen Zusammenfassung Das Zwischenprodukt des Methioninstoffwechsels, Homocystein ist dabei, sich neben Hyperlipidämie, Hypertonie und Diabetes als diätetisch beeinflussbarer Risikofaktor für Herz- und Gefäßerkrankungen zu etablieren. Homocystein ist in Österreich sowohl bei Gesunden, als auch bei Patienten mit Herzkreislauferkrankungen untersucht worden und die Anzahl der gefundenen Hyperhomocysteinämien lässt darauf schließen, dass dieser Parameter auch hierzulande eine nicht zu unterschätzende Rolle erlangen könnte. Das Ausmaß der Bedeutung kann vor Abschluss von derzeit laufenden großen Interventionsstudien, in denen mit Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 supplementiert wird, noch nicht verlässlich abgeschätzt werden. Es ist jedoch auch jetzt schon sinnvoll, bei Risikopersonen bzw. Patienten mit Herz- und Gefäßerkrankungen Homocystein zu untersuchen, da eine Reihe von Lebensstilfaktoren bekannt sind, mit denen erhöhte Homocysteinspiegel gesenkt werden können. Dazu zählen Nikotinabstinenz, regelmäßige körperliche Aktivität und eine Ernährungsweise, die eine ausreichende Zufuhr an Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 gewährleistet. Kardiovaskuläre Risikofaktoren und Ernährung Zu den etablierten nicht beeinflussbaren kardiovaskulären Risikofaktoren zählen Alter, Geschlecht und familiäre Belastung, zu den beeinflussbaren zählen Hypertonie, Hypercholesterinämie, Nikotinabusus und Diabetes mellitus. Da die konventionellen Risikofaktoren nur einen Teil der Herz-Kreislauferkrankungen erklären können, wird nach weiteren Parametern gesucht. Zu den erfolgsversprechendsten (teilweise auch schon als "etabliert" bezeichnet) zählen Lipoprotein (a), Fibrinogen, fibrinolytische Aktivität, der Entzündungsparameter C-reaktives Protein (CRP) und Homocystein (Gensini et al., 1998, Ridker, 1999; Pearson, 2002). Die Ernährungsweise kann über mehrere Mechanismen einen Einfluss auf die Pathogenese der Atherosklerose und ihrer Folgeerkrankungen ausüben. Traditionell wird der Fettzufuhr eine wesentliche Bedeutung zugesprochen, jedoch sind noch etliche andere Ernährungsfaktoren relevant, wie zum Beispiel Kochsalz, Alkohol, Ballaststoffe, sekundäre Pflanzeninhaltstoffe (z.B. Phytoöstrogene, Phytosterine, Phenole, Isoflavonoide) und Antioxidantien. (De Lorgeril et al., 1997, Krauss et al., 2000, DA-CH Referenzwerte, 2000). Die mitteleuropäischen Ernährungsgesellschaften empfehlen zur Senkung des Risikos von HerzKreislauferkrankungen (und Krebs) einen frühzeitig einsetzenden, regelmäßigen und ausreichenden Verzehr von Gemüse, Obst und Vollkornprodukten (D-A-CH Referenzwerte, 2000). Die "American Heart Association" (AHA) hat ebenfalls im Jahr 2000 neu überarbeitete Ernährungsempfehlungen herausgegeben (Krauss et al., 2000), wobei konkrete Empfehlungen für Lebensmittelgruppen bzw. teilweise für einzelne Produkte gegeben werden und Verhaltensmaßnahmen empfohlen werden, die dazu führen sollen, das Risiko für koronare Herzerkrankungen und Schlaganfall zu vermindern. Homocystein Physiologie und Pathophysiologie Homocystein ist ein Zwischenprodukt im Stoffwechsel der essentiellen schwefelhaltigen Aminosäure Methionin, die in Form von S-Adenosylmethionin einer der bedeutendsten Methyldonatoren ist. Es stehen zwei prinzipielle Stoffwechselwege zur weiteren Metabolisierung von Homocystein zur Verfügung. Bei niedriger Proteinzufuhr erfolgt hauptsächlich eine Remethylierung zu Methionin. Diese Remethylierungsreaktion wird katalysiert durch das Enzym Methioninsynthase, wobei die Methylgruppe von 5-Methyltetrahydrofolat stammt. Methylcobalamin wirkt dabei als Cofaktor. Die Regeneration von Tetrahydrofolat zu 5-Methyltetrahydrofolat erfolgt über 5,10-Methylentetrahydrofolat mit Hilfe der Methylentetrahydrofolatreduktase (MTHFR), wobei Vitamin B2 in Form von FAD (Flavinadenindinucleotid) als prosthetische Gruppe dient (McKinley, 2000). Wenn dieser Weg gesättigt ist oder wenn Bedarf an Cystein besteht, wird Homocystein im Transsulfurierungsweg abgebaut. Dabei kondensiert Homocystein mit Serin zu Cystathionin und reagiert weiter zu Cystein mittels der Vitamin B6-abhängigen Enzyme Cystathionin-β-synthase und γ-Cystathioninase. Anschließend erfolgt der Abbau zu harngängigen Substanzen. Die Höhe des Homocysteinspiegels im Blut ist hauptsächlich abhängig von der Aktivität der oben beschriebenen beteiligten Enzyme, der Versorgung mit den entsprechenden Coenzymen (bzw. den Vitaminen Folsäure, B12, B6 und B2) und Lebensstilfaktoren (McKinley, 2000; Lievers et al., 2003). 259 Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung Der klassische (autosomal rezessive) Defekt der Cystathionin-β-synthase ist insgesamt relativ selten: In Österreich liegt die Inzidenz der Homocystinurie (diagnostiziert im Rahmen des Neugeborenenscreenings) bei 1:500000 (Naughten et al., 1998). Der häufigste Enzymdefekt betrifft die Methylentetrahydrofolatreduktase (MTHFR). Durch eine Punktmutation (C zu T) am Basenpaar 677 entsteht eine "thermolabile Variante", die bei der homozygoten Form (TT-Genotyp) nur etwa 35% der normalen Aktivität besitzt und dadurch zu einer Erhöhung des Homocysteinspiegels um etwa 35% führt (Nygård et al., 1999). Die Häufigkeit dieses Enzymdefekts in der homozygoten Form beträgt in den USA und in Mitteleuropa zwischen 10 und 15% (Rozen, 2000). Allerdings hängt die Erhöhung des Homocysteinspiegels auch hierbei von der Vitaminzufuhr ab: nur bei gleichzeitig bestehendem Folatmangel ist der Homocysteinspiegel erhöht (Selhub, 1999). Die wichtigsten physiologischen Einflussfaktoren sind Geschlecht, Alter und Nierenfunktion. Bei Männern ist der Homocysteinspiegel höher als bei Frauen. Als Gründe dafür gelten die größere Muskelmasse mit erhöhter Kreatinsynthese, aber auch hormonelle Faktoren. So steigt der Homocysteinspiegel in der Menopause an und kann durch Hormonersatztherapie gesenkt werden (zusammengefasst von Nygård et al., 1999; McKinley, 2000). Als Gründe für den Anstieg der Homocysteinspiegel mit zunehmendem Alter gelten eingeschränkte Nierenfunktion, geringere Vitaminzufuhr und verringerte Aktivität der Cystathionin-β-Synthase. Es besteht eine positive Korrelation zwischen Homocysteinspiegel und Serum-Kreatinin, wobei angenommen wird, dass Störungen der Nierenfunktion über einen herabgesetzten Metabolismus und/oder durch verminderte glomeruläre Filtration zur Hyperhomocysteinämie führen können (Hankey und Eikelboom, 1999). Etliche Lebensstil- und Ernährungsfaktoren können den Homocysteinspiegel beeinflussen. So sind Nikotinabusus, Kaffeegenuss und regelmäßige hohe Alkoholzufuhr mit höheren Homocysteinspiegeln, Sport und moderater Alkoholkonsum dagegen mit niedrigeren Homocysteinwerten assoziiert (Nygård et al., 1999; Halsted, 2001). Der Einfluss der im Homocysteinstoffwechsel unmittelbar beteiligten Vitamine Folsäure, B6 und B12 auf den Homocysteinspiegel wurde in zahlreichen Korrelationsstudien untersucht und inzwischen liegen auch Interventionsstudien vor, die den Einfluss einer Vitaminsupplementierung demonstrieren (Homocysteine Lowering Trialists' Collaboration, 1998). Am deutlichsten ist der Zusammenhang bei Folat: Sowohl die Zufuhr mit der Nahrung, als auch die Folatkonzentration im Blut zeigen einen deutlichen inversen Zusammenhang mit dem Homocysteinspiegel. Für Vitamin B12 wurden zwar schwächere, aber insgesamt auch eindeutige inverse Korrelationen gefunden (Selhub et al., 1993). Weniger gesichert ist die Korrelation zwischen Vitamin B6 und Nüchternhomocystein. Dass Nüchternspiegel von Homocystein wenig oder nicht mit dem Pyridoxinstatus korrelieren, ist mit der Position der Vitamin B6-abhängigen Enzyme im Stoffwechsel zu erklären, da der Transsulfurierungsweg hauptsächlich bei erhöhter Methioninzufuhr aktiviert wird. In Übereinstimmung damit gibt es etliche Untersuchungen, die zeigen, dass ein guter Pyridoxinstatus den Anstieg von Homocystein im Rahmen eines Methioninbelastungstests verringert (Ubbink et al., 1996). Interventionsstudien mit Vitaminsupplementen bestätigen die Ergebnisse der Querschnittsstudien und zeigen einheitlich, dass die Senkung des Nüchternhomocysteinspiegels mit Folsäure am effektivsten ist und mit Vitamin B6 am geringsten. Aus einer 1998 publizierten Metaanalyse (Homocysteine Lowering Trialists' Collaboration, 1998) geht hervor, dass bei Personen mit durchschnittlichen Homocysteinwerten eine Supplementierung mit Folsäure ab 0,5 mg/Tag zu einer Senkung des Homocysteinspiegels um 25 % führt. Die Zugabe von 0,5 mg Vitamin B12/Tag bewirkt eine weitere Verminderung um 7%, während Vitamin B6 keinen zusätzlichen Einfluss hat. Noch nicht endgültig geklärt ist die tatsächliche praktische Bedeutung eines weiteren Vitamins der B-Gruppe, nämlich von Vitamin B2 (Riboflavin) auf den Homocysteinspiegel (McNulty et al., 2002; Moat et al., 2003). Neben einer eingeschränkten Nierenfunktion können erhöhte Homocysteinspiegel auch bei verschiedenen Erkrankungen (Hypothyreose, proliferative Erkrankungen) sowie unter medikamentösen Therapien auftreten. Einige Medikamente können - meist durch Wechselwirkung mit den Vitaminen Folat oder Pyridoxin - den Homocysteinspiegel beeinflussen (Nygård et al., 1999; Dierkes et al., 1999). Bei Patienten mit Herz- und Gefäßerkrankungen sind Hypertriglyceridämien häufig und werden teilweise mit Fibraten behandelt. Aus dieser Medikamentengruppe können jedoch einige Vertreter (insbes. Fenofibrat) den Homocysteinspiegel erhöhen, was bei der Medikamentenauswahl berücksichtigt werden sollte (Dierkes et al., 2003). 260 Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung Nach der "American Heart Association" (AHA) gelten Homocystein-Nüchternplasmawerte zwischen 5 und 15 µmol/l als normal, für Risikopatienten wird ein Wert = 10 µmol/l angestrebt (Malinow et al., 1999). Die "D.A.CH.-Liga Homocystein" aus Deutschland, Österreich und der Schweiz schlägt in einem 2003 publiziertem Konsensuspapier (Stanger et al., 2003) folgende Einteilung vor: - 12-30 µmol/l: 10-12 µmol/l: <10 µmol/l: moderate Hyperhomocysteinämie tolerabel bei Gesunden, Handlungsbedarf für Patienten günstig/kein Handlungsbedarf/Therapieziel. Homocystein und Herz-Kreislauferkrankungen 1969 postulierte McCully die "Homocystein-Theorie der Arteriosklerose", basierend auf der Untersuchung von Gefäßwandveränderungen zweier Kinder mit Stoffwechseldefekten, die zu Homocystinurie führten (McCully, 1969). Die erste Fall-Kontrollstudie, die ein häufigeres Auftreten eines gestörten Methionin-Homocysteinstoffwechsels bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung fand, wurde 1975 präsentiert (Wilcken und Wilcken, 1976). Es folgten weitere Fall-Kontrollstudien, wobei nicht nur bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung höhere Homocysteinspiegel gefunden wurden, sondern auch (und teilweise sogar noch häufiger) bei Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit, cerebrovasculären Erkrankungen (Insulten) und venösen Thrombosen (Welch & Loscalzo, 1998). Eine Metaanalyse (großteils retrospektiver Studien) aus dem Jahr 1995 errechnete, dass 10% aller Koronarerkrankungen auf erhöhtes Homocystein zurückzuführen seien. Eine Homocysteinerhöhung um 5 µmol/l steigerte das Koronarerkrankungsrisiko bei Männern um 60% und bei Frauen um 80% (Boushey et al., 1995). Eine in neun Ländern durchgeführte europäische Fall-Kontrollstudie (750 Fälle, 800 Kontrollen) identifizierte erhöhte Homocysteinspiegel als unabhängigen Risikofaktor für kardiale, zerebrale und periphere Folgeerkrankungen der Atherosklerose, vergleichbar mit Rauchen oder Hypercholesterinämie, wobei ein durch Hypertonie bestehendes Risiko noch zusätzlich verstärkt wurde (Graham et al., 1997). Eine prospektive britische Studie (Wald et al., 1998) fand einen deutlichen Zusammenhang zwischen Homocystein und koronarer Herzerkrankung, wobei sich eine kontinuierliche Risikosteigerung um 41% (Konfidenzintervall 20-65%) pro 5 µmol/l höherem Homocystein zeigte. Dagegen konnte in einer prospektiven finnischen Studie kein Zusammenhang zwischen Homocystein und koronarer Herzerkrankung festgestellt werden (Alfthan et al., 1994). Insgesamt zeigten prospektive Untersuchungen keine so konsistenten Ergebnisse wie retrospektive (Kircher & Sinzinger, 2000). Während Homocystein Mitte der 90er Jahre als neuer Risikofaktor immer bekannter wurde und prospektive randomisierte placebokontrollierte Interventionsstudien initiiert wurden, um die optimale Dosis zur Homocysteinsenkung zu finden (Verhoef und Stampfer, 1995), wurde der kausale Zusammenhang zwischen mäßig erhöhtem Homocystein und Koronarsklerose gegen Ende der 90er Jahre und um die Jahrtausendwende immer öfter kritisch hinterfragt (Dudman, 1999; Brattström und Wilcken, 2000). Es wurde die "umgekehrte Kausalitätshypothese" entwickelt, wonach leichte Hyperhomocysteinämien in Verbindung mit atherosklerotischen kardiovaskulären Erkrankungen eine Folge und nicht Ursache der Erkrankung sind (Brattström & Wilcken, 2000). In diesem Modell führen Hypertonie und Atherosklerose zu einer Nephrosklerose mit Einschränkung der Nierenfunktion, die durch die verminderte Plasmaclearance zu einer Erhöhung des Homocysteinspiegels im Blut führt. Ende 2002 wurden etliche Metaanalysen publiziert, die alle eine eindeutige Assoziation zwischen Homocystein und Herz-Kreislauferkrankungen zeigten, wenn auch die Bedeutung unterschiedlich hoch eingeschätzt wird. Je nach Studienergebnis wird ein erhöhter Homocysteinspiegel als bescheidener Prädiktor (The Homocysteine Studies Collaboration, 2002), mäßig bedeutender Risikofaktor (Bautista et al., 2002) oder eindeutiger Risikofaktor mit starkem Hinweis auf kausale Assoziation (Wald et al., 2002) bezeichnet. Die endgültige Antwort auf die Frage, wie groß die Bedeutung von Homocystein als unabhängiger Risikofaktor tatsächlich ist, wird wohl noch eine Weile ausständig bleiben, denn auch Interventionsstudien mit Endpunktparametern können dieses Problem wohl nicht sofort lösen. Gerade für Folat sind in den letzten Jahren positive kardiovaskuläre Effekte bekannt geworden, die unabhängig von der Homocysteinsenkung wirken (Verhaar et al., 2002). Und auch für Vitamin B6 werden eigenständige kardiovaskuläre Effekte diskutiert (Robinson et al., 1995). 261 Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung Tab. 5.5: Übersicht pathogenetischer Mechanismen von Homocystein (zusammengestellt nach Welch & Loscalzo, 1998; Kircher & Sinzinger, 2000; Stanger et al., 2003) Homocystein und Radikalstoffwechsel - Bildung von Wasserstoffperoxid (H2O2), Peroxynitrit, u.a. - ↓ Expression der Glutathionperoxidase - ↓ Glutathion intrazellulär Homocystein und Gefäß(wand)schädigung - Endotheldysfunktion und Intimaschäden - ↓ Produktion von NO und Prostacyclin - Störung der endothelabhängigen Vasodilatation auf ADP und Acetylcholin - Proliferationshemmung von Endothelzellen - Aktivierung von ILGF, PDGF; Cyclin-produktion - ↑ Proliferation glatter Gefäßmuskelzellen - ↑ Kollagensynthese - ↑ Synthese und Ablagerung von sulfatierten Proteoglycosaminoglycanen - Aktivierung der Elastase → Degeneration von Elastin - ↑ Chemotaxis Interaktion mit Lipiden und Lipoproteinen - ↑ Lipidbiosynthese - ↑ Oxidation von Lipiden und Lipoproteinen (bes. LDL) - Reaktion von Homocysteinthiolacton (hochreaktive Anhydridform) mit LDL zu dichten Aggregaten → ↑ Schaumzellbildung Interaktion mit dem Gerinnungssystem - ↑ Produktion von Thromboxan A2 - ↑ Plättchenaggregation (u.a. auch über S-Nitroso-homocystein) - ↑ Bindung von Lipoprotein(a) an Fibrin - ↓ Protein C-Aktivierung - ↓ Zelloberflächenexpression von Thrombomodulin - ↓ Antithrombinaktivität - ↑ Aktivierung von Faktor V, X, XII und von Willebrand-Faktor - ↓ Bindung von Gewebsplasminogenaktivator an Endothelzellen Eine Vielzahl von pathogenetischen Wirkmechanismen, über die Homocystein gefäßschädigend wirken könnte, wurde anhand von tierexperimentellen Daten, invitro Studien und zunehmend auch von Humandaten beschrieben. Die Tabelle 5.5 fasst verschiedene Befunde systematisch zusammen. Dabei muss aber berükksichtigt werden, dass wahrscheinlich gerade die Interaktion mehrerer pathogenetischer Faktoren letztendlich für eine tatsächliche Schädigung in vivo ausschlaggebend ist. So kann etwa eine durch Homocystein verursachte erhöhte Produktion freier Sauerstoffradikale nicht nur die Lipidoxidation verstärken, sondern über eine Funktionsstörung der Endothelzellen auch das Gerinnungssystem negativ beeinflussen. Homocysteinstudie Südostösterreich 2003 Unter der Leitung von Herrn Prim. Dr. B. Zirm (Innere Medizin, LKH Bad Radkersburg) wurde eine epidemiologische Studie zum Homocysteinstatus der Bevölkerung im Südosten der Steiermark durchgeführt. Die Rekrutierung erfolgte über Zeitungsinserate. Ausgewertet wurden 528 Probanden im Alter von 20 bis 75 Jah- 262 Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung ren. Die Daten wurden Anfang 2003 veröffentlicht (www.lebensstil-medizin.at). Bei allen Personen wurde Homocystein gemessen (Fluoreszenzpolarisations-Immunoassay, Fa. Abbott) und mittels Fragebogen Lebensstilparameter inkl. Ernährung und Risikofaktoren erfasst. Eine Hyperhomocysteinämie wurde definiert als Homocysteinspiegel > 11,7 µmol/l. Insgesamt wurde bei 31% der Teilnehmer ein erhöhter Homocysteinspiegel gefunden. Bei Einteilung in drei Altersklassen zeigt sich folgendes Ergebnis: In der Altersklasse 20-40 Jahre (n=188) war Homocystein bei 11% erhöht, bei den 4160 jährigen (n=201) bei 32% und in der Altersgruppe 61-75 Jahre (n=139) lag bei 56% der Homocysteinspiegel über 11,7 µmol/l. Der altersabhängige Anstieg von Homocystein ist bei dieser Untersuchung sehr deutlich, wobei allerdings auch die Anzahl der im Fragebogen angegebenen Risikofaktoren (erhöhter Blutdruck, Hypercholesterinämie, Nikotinabusus) mit dem Alter naturgemäß ansteigt. Homocystein bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung Im Jahr 1998 wurden bei Patienten mit angiographisch verifizierter koronarer Herzerkrankung, die an der 4. Medizinischen Abteilung mit Kardiologie des Krankenhauses Lainz der Stadt Wien interventionell behandelt wurden, Homocystein, sowie die Vitamine Folsäure und B12 im Serum untersucht (Genser et al., 2002). Die Daten von 262 Patienten werden beschrieben. Demographische und klinische Basisidaten sind in Tab. 5.6 bei den Patienten insgesamt, sowie getrennt nach Geschlecht dargestellt. Tab. 5.7 zeigt Homocystein, Folat, Vitamin B12 und Lipide. Der durchschnittliche Homocysteinspiegel ist bei Frauen um 6% niedriger als bei Männern (p=0,047). 12 µmol/l wurde als Grenzwert gewählt, weil er einen Kompromiss für den oben diskutierten Normalbereich darstellt, sowie wegen der Verteilung der vorliegenden Daten und der Vergleichbarkeit mit den Werten aus alle Patienten Anzahl Männer Frauen p* 262 189 (72 %) 73 (28 %) Alter (Jahre) 60,9 ± 9,9 60,1 ± 9,8 62,9 ± 9,7 0,019 BMI (kg/m²) 27,2 ± 3,5 27.3 ± 3,5 27,3 ± 3,6 0,801 Diabetes mellitus 63 (24 %) 44 (23 %) 19 (26 %) NIDDM 49 (19 %) 36 (19 %) 13 (18 %) 0,641 IDDM 14 (5 %) 8 (4 %) Hypercholesterinämie Hypertriglyceridämie Herzinfarkt 214 (82 %) 150 (79 %) 6 (8 %) 64 (88 %) 0,119 77 (29 %) 60 (31 %) 17 (23,3%) 0,178 118 (45 %) 90 (48 %) 28 (38 %) 1,177 Raucher 71 (27 %) 55 (29 %) 16 (22 %) Exraucher 93 (36 %) 72 (38 %) 21 (29 %) 0,047 Nichtraucher 98 (37 %) 62 (33 %) 36 (49 %) Alkoholkonsum: keiner 109 (42 %) 58 (31%) 51 (70 %) gelegentlich 106 (41 %) 85 (45 %) 21 (29 %) <0,001 regelmäßig 47 (18 %) 46 (24 %) 1 (1,4 %) Koronare Eingefäßerkrankung 129 (49 %) 87 (46 %) 42 (58 %) Zweigefäßerkrankung 89 (34 %) 62 (33 %) 27 (37 %) 0,009 Dreigefäßerkrankung 44 (17 %) 40 (21 %) * Chi-Quadrat Test nach Pearson bzw. Mann-Whitney U-Test 263 4 (5 %) Tab. 5.6: Demographische und klinische Basisdaten für alle Patienten und getrennt nach Geschlecht (Angaben in absoluten Zahlen (Prozent), bzw. Mittelwert ± Standardabweichung) Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung Tab. 5.7: Homocystein, Vitamine und Lipidparameter aller Patienten und getrennt nach Geschlecht, Angaben als Median (25. - 75. Perzentile) und Mittelwert ± Standardabweichung Patientenanzahl Homocystein (µmol/l) alle Patienten 262 Männer 189 (72 %) 12.6 (10.6 - 15.1) 13.0 (11.0 - 15.1) 13.4 ± 4.4 13.6 ± 4.2 Frauen 73 (28 %) p* 11.8 (9.4 - 15.1) 0.047 12.8 ± 4.5 Folat (ng/ml) 6.8 (5.5 - 8.7) 7.2 ± 2.5 7.0 (5.7 - 8.7) 7.2 ± 2.2 Vitamin B12 (pg/ml) Gesamtcholesterin (mg/dl) 340 (268-442) 363 ± 142 334 (262 - 442) 361 ± 151 355 (274 - 441) 0.246 366 ± 114 203 (180 - 227) 206 ± 39 202 (176 -224) 203 ± 38 209 (188 - 246) 0.044 215 ± 42 HDL-Cholesterin (mg/dl) 6.6 (5.2 - 8.8) 7.3 ± 3.1 0.059 39.3 (33.0 - 47.0) 38.5 (32.0 - 44.0) 44.5 (36.0 - 52.1) <0.001 40.6 ± 10.6 38.9 ± 9.6 45.0 ± 11.8 LDL- Cholesterin (mg/dl) TC/HDL Triglyceride (mg/dl) 129 (109 - 151) 131 ± 35 126 (106 - 148) 128 ± 33.6 5.2 (4.3 - 6.1) 5.4 ± 1.5 5.2 (4.5 - 6.2) 5.5 ± 1.5 153 (115 - 210) 176.4 ± 96.6 156 (116 - 214) 181 ± 100 139 (115 - 161) 0.016 139 ± 37 4.9 (4.1 - 5.7) 5.1 ± 1.4 0.041 144 (113 - 194) 0.211 165 ± 85 * Mann-Whitney-U Test der steirischen Untersuchung. Anhand der Abb. 5.12 wird ersichtlich, dass über die Hälfte aller Frauen (53 %) einen Homocysteinwert unter 12 µmol/l haben, während der Großteil der Männer (60 %) darüber liegt. Diese Werte entsprechen etwa den Ergebnissen der höchsten Altersklasse der südostösterreichischen Studie. Dabei muss bedacht werden, dass das durchschnittliche Patientenalter bei 61 Jahren liegt, was dem unteren Bereich der Altersklasse in der südoststeirischen Untersuchung entspricht. Der trotzdem relativ hohe Anteil an Patienten mit Hyperhomocysteinämie ist vereinbar mit zahlreichen Daten, die bei Patienten mit koronaren Herzerkrankungen erhöhte Homocysteinspiegel beschreiben. Trotz der relativ engen Spannbreite des Alters im vorliegenden Patientenkollektiv (50% der Patienten sind zwischen 54 und 69 Jahre alt) zeigt sich auch in dieser Untersuchung eine positive Korrelation zwischen Homocystein und Alter (r= 0.31, p<0,001 für alle Patienten; s. Tab. 5.8). Zwischen Homocystein und den Vitaminen Folat bzw. B12 besteht eine signifikant negative Korrelationen (Tab. 5.8). Zur leichteren Erfassung des Zusammmenhanges zwischen Homocystein und der Vitaminversorgung sind erhöhte Homocysteinwerte (Serumhomocystein >12 µmol/l) in Abhängigkeit vom Folat- und Vitamin B12-Status dargestellt (Abb. 5.13 und 5.14). Sowohl ein niedrigerer Folatspiegel als auch ein niedrigerer Vitamin B12Spiegel gehen mit einem deutlich erhöhten Risiko für eine Hyperhomocysteinämie einher. Ein Folatspiegel <3 ng/ml als Hinweis für eine eindeutige Unterversorgung (Sauberlich, 1999; Mason 2003) ist bei weniger als 2% der Patienten zu finden. Werte zwischen 3 und 5 ng/ml gelten als marginale Versorgung (Mason 2003). Ins- Abb. 5.12: Verteilung der Homocysteinspiegel in % nach Geschlecht 70 60 50 40 % 30 20 10 0 Männer Frauen <12 12-30 264 >30 Homocystein (µmol/l) Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung alle Patienten r p Männer r p Frauen r p Alter 0,31 <0,001 0,39 <0,001 0,24 0,041 Folat -0,34 <0,001 -0,36 <0,001 -0,33 0,006 Vitamin B12 -0,24 <0,001 -0,23 <0,001 -0,24 0,041 0,38 <0,001 0,39 <0,001 0,34 0,003 Kreatinin 100 80 % Männer 60 Frauen 40 Tab. 5.8: Korrelationen zwischen Homocystein und Alter, Kreatinin, Folat und Vitamin B12 Abb. 5.13: Anteil erhöhter (> 12µmol/l) Homocysteinspiegel (in %) in Abhängigkeit vom Folatstatus 20 0 <5 5-8,5 >8,5 Folat (ng/ml) 80 70 60 Männer 50 % Frauen 40 30 20 10 0 <250 250-450 >450 Vitamin B12 (pg/ml) gesamt haben 17% der Patienten einen Serumfolatspiegel unter 5 ng/ml (Frauen: 20%, Männer: 16%). Bei insgesamt 83 Prozent dieser Patienten liegt der Homocysteinspiegel über 12 µmol/l, während bei einem Folatspiegel von über 8,5 ng/ml bei 33% der Patienten eine Hyperhomocysteinämie besteht. In Abb. 5.13 sind die Ergebnisse nach Geschlechtern getrennt dargestellt. Bei Vitamin B12 treten Werte <150 pg/ml Serum (als Indiz für einen eindeutigen Mangel; Sauberlich, 1999; Mason, 2003) bei 3,7% der Männer und bei 2,8% der Frauen auf. Jedoch können auch bei Werten über 150 pg/ml bereits klinische Mangelerscheinungen auftreten (Mason, 2003), weshalb für die vorliegende Auswertung in Übereinstimmung mit anderen Literaturquellen (Baik & Russell, 1999) 250 pg/ml als unterer Grenzwert gewählt wurde. Insgesamt lag bei 21% der untersuchten Patienten der Vitamin B12 -Wert unter 250 pg/ml (Männer: 24%, Frauen: 13%). In dieser Gruppe hatten 74 % einen erhöhten Homocysteinspiegel. Bei einem Vitamin B12-Wert über 450 pg/ml waren 47 % der Homocysteinspiegel erhöht (Abb. 5.14). Diese Ergebnisse weisen auf die Bedeutung einer ausreichenden Versorgung mit den Vitaminen Folsäure und Vitamin B12 bei der Höhe des Homocysteinspiegels hin und lassen eine bessere Versorgung als wünschenswert erscheinen. Die Lipidwerte sind in Tab 5.7 zusammengefasst. Es liegen signifikante Differenzen zwischen Männern und Frauen vor: Frauen haben ein um 13,5 % höheres HDL-Cholesterin (p<0,001). Auch der Gesamtcholesterinspiegel ist bei Frauen 265 Abb. 5.14: Anteil erhöhter (> 12 µmol/l) Homocysteinspiegel (in %) in Abhängigkeit vom Vitamin B12 status Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung (grenzwertig) signifikant höher (um 6%, p=0,044), ebenso LDL-Cholesterin (um 9%, p=0,016). Der durchschnittliche Gesamtcholesterin/ HDL-Quotient ist bei Frauen mit 5,1 im Vergleich zu den Männern mit 5,5 signifikant (p=0,041) günstiger. Zwischen Homocystein und Lipidwerten wurden keine signifikanten Beziehungen gefunden, wobei anzumerken ist, dass ein Teil der Patienten bereits eine lipidsenkende Therapie einnahm. Bewertung von Homocystein als Risikofaktor in Österreich Die oben beschriebenen Werte sind vergleichbar mit Daten aus internationalen Studien (Selhub et al., 1993). Wie bereits oben beschrieben, ist die quantitative Bedeutung von Homocystein als Risikofaktor noch nicht eindeutig geklärt, weshalb auch eine verlässliche Einschätzung für Österreich noch nicht möglich ist. Vor konkreten Empfehlungen für die Allgemeinbevölkerung wird international meist empfohlen, die Ergebnisse der derzeit laufenden großen Interventionsstudien mit definierten klinischen Endpunkten abzuwarten (Malinow et al., 1999; Stanger et al., 2003). Die amerikanische Herzgesellschaft (American Heart Association, AHA) weist jedoch ausdrücklich darauf hin, bis dahin den Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr von Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 durch Verzehr von Gemüse, Obst, Leguminosen, Fleisch, Fisch, angereicherte Getreide- und Cerealienprodukte nachzukommen (Malinow et al., 1999). Für das Management von Hochrisikopersonen bzw. -patienten wird ein stufenweises Vorgehen zur Senkung des Homocysteinspiegels auf unter 10 µmol/l vorgeschlagen. Bei nachgewiesenem höheren Homocysteinspiegel soll zunächst der Vitaminstatus (Folsäure, Vitamine B6 und B12) erhoben und eine entsprechende Diät eingeleitet werden, deren Erfolg nach einem Monat kontrolliert werden sollte. Erst wenn bei der Kontrolle Homocystein weiterhin erhöht ist, wird der Einsatz von Multivitaminpräparaten bzw. eine gezielte Supplementierung mit Folsäure, Vitamin B6 und B12 mit nachfolgenden Kontrollen empfohlen. Die neugegründete D-A-CH-Liga Homocystein (www.dach-liga-homocystein.org) mit Mitgliedern aus Österreich, Deutschland und der Schweiz empfiehlt ebenfalls bei Risikogruppen für Herz-Kreislauferkrankungen und bei Patienten mit bereits manifester Gefäßerkrankung die Messung und Behandlung von Homocysteinspiegeln über 10 µmol/l. Für Gesunde gibt auch die D-A-CH-Liga Homocystein noch keine konkrete Vorgangsweise an, sondern empfiehlt das Abwarten der Interventionsstudien. Anhand folgender Spezialthematik soll die potentielle Problematik von umfassenden Supplementempfehlungen für die Therapie von Hyperhomocysteinämien auch bei kardiovaskulären Patienten diskutiert werden: Seit 1999 sind mehrere Studien publiziert worden, die den Zusammenhang zwischen Homocystein und Restenoserate (Wiederverschlussrate) nach Aufdehnung von Herzkranzgefäßen mittels Ballonkatheter (PTCA, percutane transluminale Coronarangioplastie) untersuchten. Die Ergebnisse von Beobachtungsstudien sind dabei nicht einheitlich (Genser, 2003). Inzwischen liegen auch zwei Interventionsstudien mit kontroversiellen Ergebnissen vor: Schnyder et al. (2001) fanden bei Patienten, die mit einer Kombination von 1 mg Folsäure, 400 µg Vitamin B12 und 10 mg Pyridoxin (Vitamin B6) behandelt wurden, eine geringere Restenoserate als in der Placebogruppe. Dagegen war in einer anderen Studie die Restenoserate in der Interventionsgruppe unter ähnlicher Therapie sogar höher (Lange et al., 2003). Obwohl die Gabe von Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 – in Supplementform auch in höherer Dosierung – im Allgemeinen als sicher angesehen wird, könnte es doch gewisse Konstellationen geben, bei denen eine kontraproduktive Wirkung nicht auszuschließen ist. Im Sinne der "evidence based medicine" sollten deshalb die Ergebnisse der laufenden Interventionsstudien abgewartet werden, bevor generelle Empfehlungen für Vitaminpräparate getätigt werden. Das Beispiel der erhöhten Lungenkrebsrate durch Supplementierung mit hochdosiertem β-Carotin bei Personen mit erhöhtem Risiko (z.B. Raucher) zeigt, dass selbst bei überzeugender Datenlage von Beobachtungsstudien die Ergebnisse entsprechender Interventionsstudien für Überraschungen sorgen können (Albanes et al., 1996). Unabhängig von derartigen Überlegungen ist jedoch die Rolle von Homocystein als Risikoindikator für Herzkreislauferkrankungen und andere Erkrankungen (Malinow, 2001), sowie vor allem als Marker für die Versorgung mit Folsäure und Vitamin B12 zu sehen (Mason, 2003). Es ist deshalb durchaus zu befürworten, Homocystein als Untersuchungsparameter vermehrt zu etablieren. Die Konsequenz bei Vorliegen erhöhter Werte muss jedoch nicht automatisch eine Supplementierung sein, sondern es sollte anhand einer Ernährungsanamnese erhoben werden, ob eine Optimierung der Ernährung und insbesondere eine höhere diätetische Zufuhr mit Folsäure möglich ist. Der Vorteil einer Ernährungsberatung liegt darin, dass nicht nur eine Erhöhung der Vitaminzufuhr zur Verbesserung des 266 Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung Homocysteinspiegels erreicht werden könnte, sondern auch andere Ernährungsstrategien zur Senkung des kardiovaskulären Risikos propagiert werden können, wie Modifikation der Fettzufuhr, Erhöhung des Fischkonsums, vermehrte Zufuhr sekundärer Pflanzeninhaltstoffe, antioxidativer Nahrungsbestandteile, etc. Eine effektive Senkung des Homocysteinspiegels durch diätetische Beeinflussung ist inzwischen mehrfach dokumentiert (Chait et al., 1999; Appel et al., 2000; Venn et al, 2002). 267 Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung 5.3 Ernährung bei HIV-Infektion* Zusammenfassung In Österreich werden jährlich über 1,2 Millionen Personen auf HIV (= Human Immunodeficiency Virus) getestet. Eine halbe Million dieser Tests werden bei Blutspendern gemacht. Je nach Quelle werden in Österreich zwischen 9000 und 15000 (AIDS-Hilfen) HIV-Infektionen angenommen. Bei mit dem HI-Virus infizierten Patienten besteht zu jedem Zeitpunkt die Gefahr einer Fehl- bzw. Mangelernährung. Die Mangelernährung und das Wasting-Syndrom1 waren bis zur Einführung der HAART (= Highly Active Antiretroviral Therapy) bei HIV+ Patienten stark verbreitet. Seit Einführung der HAART gibt es deutlich weniger Patienten mit einem Body Mass Index (BMI) unter 20 kg/m². Die meisten Patienten nehmen nach Beginn der HAART zu. Patienten, die mit einer HAART behandelt werden, sollten unbedingt die Einnahme von alternativen, komplementärmedizinischen Präparaten mit dem sie betreuenden Arzt besprechen. Ausgeprägte Ernährungsprobleme treten häufiger im fortgeschritteneren Erkrankungsstadium auf. HIV-Infektion und AIDS Erstmals wurde 1981 von einer neuartigen, erworbenen Immundefizienz (Acquired Immunodeficiency Syndrom, AIDS) berichtet. In der Folge erkannte man, dass es sich hierbei um eine virale Infektion handelt, die über sexuelle oder Blut/Blut-Kontakt(e) übertragen wird. Die (chronische) Infektion mit dem HI-Virus verläuft klinisch zunächst asymptomatisch. Die ständige Virusvermehrung im lymphatischen Gewebe verursacht eine progrediente Verminderung der CD4+ Lymphozyten. Im Laufe der Infektion kommt es zur Erschöpfung des immunologischen Regenerationspotentials. Dadurch werden HIV-positive Personen sehr anfällig für z.B. Krankheitserreger, die normalerweise bei immunkompetenten Personen durch die zelluläre Immunantwort ausgeschaltet werden (opportunistische Infektionen). AIDS liegt dann vor, wenn (die Zahl der T-Lymphozyten im Blut auf weniger als 200 Zellen pro µl gesunken ist und) die Patienten an opportunistischen Infektionen, Malignomen erkranken oder andere AIDS-definierende Erkrankungen aufweisen. Die Mangelernährung und das Wasting-Syndrom waren bis zur Einführung der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) bei HIV-Infizierten stark verbreitet. Das AIDS-Wasting Syndrom ist definiert als ein ungewollter Gewichtsverlust von mindestens 10% des Ausgangsgewichts bei gleichzeitiger chronischer Diarrhö (ohne spezifischen Erregernachweis) oder chronischer Abgeschlagenheit und/oder Fieber (>1 Monat) [Center of Disease Control, 1993]. Die Einführung der HAART ermöglichte es, die Virusreplikation drastisch (medikamentös) zu verringern. Unter HAART nehmen die CD4+ Lymphozyten zu, opportunistische Infektionen wurden in den letzten Jahren seit der breiten Anwendung der HAART um ~80% seltener beobachtet. Die derzeit verfügbaren Medikamente greifen an verschiedenen Punkten in den Lebenszyklus des HI-Virus ein, Hemmung der reversen Transkription der VirusRNA in DNA (reverse Transkriptasehemmer) bzw. Hemmung der Virusprotease, wodurch die Entstehung eines funktionell-intakten Viruspartikels verhindert wird (Proteaseinhibitoren). Wenngleich in der Therapie große Fortschritte erzielt wurden, ist es wichtig festzuhalten, dass die HIV-Infektion bis dato immer noch nicht geheilt werden kann. HIV-Infektion und AIDS in Österreich In Österreich werden jährlich über 1,2 Millionen Personen auf HIV getestet. Eine halbe Million dieser Tests werden bei Blutspendern gemacht. Je nach Quelle schwankt die Zahl an HIV-infizierten Personen/AIDS Kranken in Österreich zwischen 9000 [Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen, 2003] und 15000 (AIDS-Hilfen). Die Diskrepanz ergibt sich u.a. daraus, dass die AIDSInfektion, also die HIV-Infektion im fortgeschrittenen Stadium, nicht jedoch die HIV-Infektion per se eine meldepflichtige Erkrankung ist. Darüberhinaus werden jährlich ca. 400 Neuinfektionen, also 12 pro Tag, angenommen. Zwischen 1998 und 2002 ist die Zahl der neu erfassten HIV Infektionen in Österreich von insgesamt 313 auf 442 angestiegen, davon waren 1998 lediglich 52 Frauen. Im Jahr 2002 wurde bei 117 Frauen eine neue HIV-Infektion erfasst [Österreichische AIDS-Statistik, 2003]. Hiermit wird deutlich, dass die HIV-Infektion nicht mehr, wie in der Bevölkerung noch vielfach angenommen, nur ein Problem von Männern ist. * Dr. Karin Schindler, Universitätsklinik für Dermatologie, Abteilung für Immundermatologie und infektiöse Hautkrankheiten, Währinger Gürtel 18 - 20, 1090 Wien 268 Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung Seit 1983 sind in Österreich 2218 AIDS-Erkrankungen gemeldet worden, 1320 der Patienten sind bereits verstorben [Österreichische AIDS-Statistik, 2003]. Ernährung HIV-Infizierter Ernährung ist ein wichtiger Modulator für das Immunsystem. Es ist bekannt, dass sowohl eine Unter-, als auch eine Fehlernährung die Immunfunktion beeinträchtigen. Bei mit dem HI-Virus infizierten Patienten besteht zu jedem Zeitpunkt die Gefahr einer Fehl- bzw. Mangelernährung. Eine schwere Mangelernährung und ungewollter Gewichtsverlust – vor allem der fettfreien Masse – haben neben der negativen Wirkung auf das Immunsystem und die Infektabwehr, u.a. auch Auswirkungen auf die Masse und Funktion innerer Organe, die Wundheilung, die Persönlichkeit und die geistige Vitalität. Eine Mangelernährung hat daher eine Verschlechterung der Lebensqualität, der Morbidität und Mortalität HIV-Infizierter zur Folge. Das Auftreten einer Mangelernährung bzw. Gewichtsverlust kann verschiedene Ursachen haben. Gründe für eine nicht bedarfsdeckende Ernährung sind: Appetitlosigkeit, Geschmacksstörung, Durchfälle/Resorptionsstörung, Übelkeit und Erbrechen durch die HIV-Infektion per se oder im Zusammenhang mit der Einnahme von Medikamenten. Schmerzen, Entzündungen im Mund- und Rachenraum und opportunistische Infektionen führen ebenfalls zur Einschränkung der Nahrungsaufnahme. Soziale Isolation und Depressionen können das Essverhalten ebenfalls negativ beeinflussen. Weiters muss bedacht werden, dass durch die HIV-Infektion der Energieumsatz erhöht sein kann. Verschiedene opportunistische Infektionen können den Ruheenergieumsatz zusätzlich erhöhen. Die gastrointestinale Dysfunktion kann zu Absorptionsstörungen führen. Diarrhöen können durch opportunistische Erreger (die häufigsten sind: Microsporidia, Cryptosporidium parvum, Mycobacterium avium, Cytomegalievirus), Laktasemangel, Pankreasinsuffizienz und eine HIV-Enteropathie verursacht sein. Eine verringerte HCl-Ausschüttung und die verminderte Bildung von Intrinsic-Faktor werden ebenfalls oft beobachtet [Kotler, 1998]. Ebenso kann die antiretrovirale Therapie, sowohl initial passager als auch dauerhaft, zu Durchfällen führen. Interaktionen zwischen Nahrung und Medikamenten beeinflussen die Effektivität und Verträglichkeit der HAART zum Teil beträchtlich. Nahrung im Gastrointestinaltrakt kann die Absorption der antiretroviralen Medikamente je nach Wirkstoff hemmen bzw. fördern. Die Wechselwirkung zwischen Medikament und Nahrung vermag die Serum-Medikamentenspiegel zu erhöhen, wodurch das Risiko einer Unverträglichkeit zunimmt. Eine Verringerung steigert das Risiko einer nicht ausreichenden Unterdrückung der Virusreplikation bzw. einer Resistenzselektion. Daher muss die Wahl der Medikamente auf den individuellen Lebens- und Mahlzeitenrhythmus abgestimmt werden. Die Mangelernährung und das Wasting-Syndrom waren bis zur Einführung der HAART bei HIV+ Patienten stark verbreitet. Seit Einführung der HAART gibt es deutlich weniger Patienten mit einem Body Mass Index (BMI) unter 20 kg/m². Die meisten Patienten nehmen nach Beginn der HAART zu. In eigenen Untersuchungen in der HIV-Ambulanz des AKH-Wien waren 73% der Patienten normalgewichtig, lediglich 3% hatten einen BMI unter 20 kg/m². Jedoch waren bemerkenswerterweise 23% übergewichtig, 3% sogar adipös. Diese Beobachtung stimmt auch mit der anderer Zentren überein, weshalb vermutet worden war, dass die Mangelernährung und das Wasting-Syndrom keine Rolle mehr spielen. Die Daten der amerikanischen "Nutrition for Healthy Living" Studie zeigten jedoch, dass für das Überleben der Gewichtsverlust nach wie vor für die Mortalität prädiktiv ist. Der Gewichtsverlust von 10% in sechs Monaten ist, verglichen mit gewichtsstabilen bzw. gewichtzunehmenden Patienten, mit einer vier bis sechsfach höheren Mortalität assoziiert [Tang et al., 2002]. In den letzten Jahren wird, als Nebenwirkung der HAART, zunehmend bei vielen Patienten eine Umverteilung des Körperfettes beobachtet: Verlust des subkutanen Fettes an den Extremitäten, im Gesicht und im Bereich des Gesäßes (Lipatrophie) und/oder Akkumulation des viszeralen, abdominalen Fettes und/oder eine Liphypertrophie im Bereich des Nackens ("Buffalo Hump") und der Brust. Vor allem die Lipatrophie kann das Erkennen eines Wasting-Syndroms erschweren. Die berichtete Prävalenz des HIV-assoziierten Lipodystrophie-Syndroms variiert zwischen <20 bis >80% [Carr, 2000, American Dietetic Association, 2000]. Die Angst vor den sichtbaren Folgen dieser Umverteilung des Körperfettes kann die Patienten vor einem Therapiebeginn bzw. der Fortsetzung einer funktionierenden Therapie abhalten. Neben den Veränderungen der Körperform werden, häufig schon bald nach Therapiebeginn, Veränderungen des Glukose-, und Fettstoffwechsels beobachtet. In eigenen Untersuchungen beobachteten wir innerhalb eines halben Jahres nach Therapiebeginn eine signifikante Zunahme von HDL-, 269 Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung LDL-Cholesterin, der Triglyzeride, sowie der Harnsäure im Serum [PernerstorferSchön et al., 1999]. Andere Arbeitsgruppen beschreiben eine Zunahme der Prävalenz von Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen. Bei Therapieregimen, die einen Proteaseinhibitor beinhalten, liegt die Inzidenz einer gestörten Glukosetoleranz bei 30-90% [Gelato, 2003]. Dies ist auch in Zusammenhang mit der Akkumulation von viszeralem Fett zu sehen. Die Insulinsensitivität der Adipozyten des viszeralen Fettes ist verglichen mit jener des subkutanen Fettes geringer, gleichzeitig sind sie sensitiver für lipolytische Stimuli - das Insulin ist daher häufig erhöht und es gelangen mehr freie Fettsäuren ins Blut [Fujimoto et al., 1978]. Die Ätiologie der Stoffwechselveränderungen und der Umgestaltung der Körperzusammensetzung ist immer noch unklar. Eine Rolle spielen die Toxizität der Therapie, Veränderungen des Immunsystems im Zusammenhang mit der erfolgreichen Therapie, genetische Disposition und möglicherweise auch die HIV-Infektion per se. Die signifikant höhere Inzidenz von Osteopenie und Osteoporose bei Patienten mit HAART im Vergleich zu jenen ohne Therapie bzw. seronegativen Probanden ist ebenfalls im Zusammenhang mit der Kombinationstherapie zu sehen [Mondy et al., 2003]. Ernährung HIV-Infizierter Patienten in der Praxis Die Ernährung spielt in jedem Stadium der HIV-Infektion ein Rolle. Ziel ist immer die optimale Versorgung mit Nährstoffen, die Vermeidung des ungewollten Gewichtsverlustes und die Prävention ernährungsabhängiger Erkrankungen. Der Zusammenhang zwischen Nährstoffdefiziten und Progredienz der Erkrankung wurde in verschiedenen Studien berichtet [Graham et al., 1991, Daum et al., 1991a, Tang et al., 1993, Tang et al., 1997a, Tang et al., 1997b]. Daher erscheint es von großer Bedeutung, den Patienten frühzeitig, im günstigsten Fall bald nach Diagnosestellung, auch eine Ernährungsberatung über den Besuch einer Medizinischen Institution (Ambulanz) hinaus anzubieten. Diese dient der Erfassung des aktuellen Ernährungszustands und beinhaltet anthropometrische Messungen (Körpergröße, aktuelles Körpergewicht, Körpergewicht vor der Infektion, Gewichtsverlauf in den letzten Monaten) und die Bestimmung der Körperzusammensetzung (fettfreie Masse, Fettmasse) mittels bioelektrischer Impedanzanalyse (BIA) bzw. Dual Energy X-ray Absorptiometrie (DXA). Die DXA hat den zusätzlichen Vorteil, dass sie auch Auskunft über die regionale Fettverteilung und die Knochendichte gibt. Um Veränderungen der Körperfettverteilung möglichst frühzeitig diagnostizieren zu können, haben sich regelmäßige Messungen der Körperumfänge (Oberarm, Oberschenkel, Bauch und Hüfte) als hilfreich erwiesen. Die Ernährungsanamenese umfasst die Erhebung der Nährstoffzufuhr (24h-Recall oder 5-Tage-Ernährungsprotokoll, Supplemente) und die Verwendung pflanzlicher Wirkstoffe. Es muss weiters abgeklärt werden, ob Appetitlosigkeit, Übelkeit, Diarrhöen, Lebensmittelaversionen, Diäten, soziale oder psychische Auslöser die Nahrungszufuhr einschränken und dadurch das Risiko einer Fehl- bzw. Mangelernährung besteht. Die Erhebung der individuellen Krankengeschichte und der Familienanamnese hinsichtlich Diabetes mellitus, Bluthochdruck sowie des Risikos einer Herzerkrankung sind ebenfalls Teil der Ernährungsanamnese. Eine Ernährungsberatung wird an die individuellen Notwendigkeiten angepasst. Tab. 5.9: Zufuhr energieliefernder Nährstoffe (in % der Energie) Patienten Kontrollen D-A-CH-Werte Kohlenhydrate 44,3 5,7 44,3 7,5 >50% Eiweiß 15,7* 2,2* 13,8 2,3 10% Fett 36,5 5,2 35,8 6,7 max. 30% Alkohol 3,4 4,6* 6,1 5,4 - * p<0,05 270 Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung Eine frühzeitige Beratung, noch in der asymptomatischen Phase zielt auf die Optimierung sowohl der Ernährungsweise, als auch der Lebensweise ab. Sie beinhaltet darüber hinaus auch Informationen über die medikamentöse Therapie, körperliche Aktivität und Stress-Management. Dabei ist wichtig, dass nicht nur Informationen weitergegeben werden, sondern auch, dass die Patienten motiviert werden, selbst Verantwortung zu übernehmen und Kenntnisse zu erwerben, um so aktiv und effektiv an der Behandlung ihrer Erkrankung mitarbeiten zu können. Dass hier durchaus Bedarf besteht, zeigen eigene Untersuchungen der Nährstoffzufuhr asymptomatischer Patienten (n=69) (Tab.5.9). Die Ballaststoffzufuhr der Patienten war deutlich geringer (19,5 ± 6,9g/d), die Cholesterinaufnahme deutlich höher (458 ± 170,5 mg/d) als in den D-A-CH-Referenzwerten angeführt. Neben Informationen über eine gesunde Ernährung ist auch das Wissen über Küchen- und Lebensmittelhygiene ein wichtiger Inhalt. Dies ist von Bedeutung, da die Patienten anfällig für Lebensmittelvergiftungen, etwa mit Salmonellen, Campylobacter oder Yersinia sind. Eine Infektion mit einem dieser Bakterien bedeutet eine lebenslange Infektion, die mit Antibiotika nicht therapiert werden kann [Gorbach et al., 1993]. Die Ernährungsberatung muss auch Informationen über die Risiken von Außenseiterdiäten beinhalten. HIV-Patienten versuchen häufig, ebenso wie andere Schwerkranke, mit Hilfe alternativer Ernährungsformen ihre Erkrankung positiv zu beeinflussen. Dabei handelt es sich oft um naturwissenschaftlich nicht begründete Ernährungsformen, deren Heilversprechen um so größer sind, je mehr sie von der üblichen Ernährung abweichen. Eine alternative Ernährung nach diesen Regeln kann zu einseitigen Substratdefiziten, aber auch zu Malnutrition führen. Ein Beispiel dafür ist die derzeit in den Medien häufig erwähnte Ernährungsform Anti-Pilz-Diät bei Candida-Besiedlung des Darms. Davon muss dringend abgeraten werden, da diese Ernährungsform energiereduziert und kohlenhydratarm ist [Schwenk und Kremer, 1997]. Patienten, die mit einer HAART behandelt werden, sollten unbedingt die Einnahme von alternativen, komplementärmedizinischen Präparaten mit dem sie betreuenden Arzt besprechen. Diese Präparate können Substanzen enthalten, die auf das Cytochrom P450 System und darüber auf die HAART wirken. Grapefruitsaft verdoppelt die Bioverfügbarkeit des Proteaseinhibitors Saquinavir, Johanniskrauttropfen und Knoblauchkapseln verringern die Bioverfügbarkeit von Indinavir bzw. Saquinavir um bis zu 57% [Kupferschmidt et al., 1998, Piscitelli et al., 2000, Piscitelli et al., 2002]. Die verringerte Bioverfügbarkeit kann die Ausbildung von Resistenzen und letztlich ein Therapieversagen zur Folge haben. Ausgeprägte Ernährungsprobleme treten häufiger im fortgeschritteneren Erkrankungsstadium auf. Patienten mit einem ungewollten Gewichtsverlust von mehr als 10% während der letzten 4-6 Monate bzw. von mehr als 5% innerhalb von vier Wochen (dann im Zusammenhang mit Diarrhö, Übelkeit und Erbrechen, einer Soor Infektion im Mund und Rachenraum oder einer opportunistischen Infektion) müssen ernährungsmedizinisch abgeklärt werden. Es wird zunächst unterschieden, ob der Gewichtsverlust die Folge einer behandelbaren Ernährungsstörung, einer opportunistischen Infektion oder der Progression der Erkrankung ist. Danach können entsprechende ernährungstherapeutische Maßnahmen eingeleitet werden. Ziel dieser ist die Optimierung der Nährstoffzufuhr und eine Normalisierung der Energiebilanz. Zur Kompensierung eines Gewichtsverlusts wird eine Anreicherung der täglichen Speisen mit Energie und eine Erhöhung der Proteinzufuhr empfohlen (1.2-2.0 g/kg Körpergewicht). Günstig sind hochkalorische kleinere Zwischenmahlzeiten. Eine hyperkalorische Ernährung fördert zwar die Gewichtszunahme und die Zunahme der Fettmasse, jedoch nicht die der fettfreien Masse (FFM) [Pernerstorfer-Schön et al., 1999]. Um eine Zunahme der FFM zu erreichen, bedarf es eines zusätzlichen anabolen Signals (körperliche Aktivität, Steroide, Wachstumshormon) [Kottler, 2000]. Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen sind häufig auch eine Folge der Medikamenteneinnahme. Oft kann eine geringfügige Umstellung der Tageseinteilung der Medikamenteneinnahme in Rücksprache mit dem behandelnden Arzt dieses Problem beseitigen. 20 bis 50% der Patienten leiden zumindest gelegentlich unter Diarrhöen, wobei diese selten eindeutig nahrungsabhängig sind. Daher ist primär die Ursache der Diarrhö abzuklären – bakterielle Infektion, Medikamentennebenwirkung, Fettmalabsorption, Pankreasinsuffizienz. Besonders wichtig ist eine ausreichende Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr, die Bevorzugung leicht verdaulicher Speisen, meiden von Kaffee, Alkohol und Nikotin. Letzteres fällt in der Regel besonders schwer. Hausmittel, wie geriebener Apfel - braun werden lassen, Karotten-Reis-Suppe und schwarzer Tee können den Patienten Erleichterung verschaffen. Werden Speiseöle mit einem hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren nicht vertragen, können diese durch Fette und Öle mit einem hohen Anteil an mittelkettigen Fettsäuren ausgetauscht werden. 271 Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung 5.4 Diabetes mellitus Zusammenfassung Weltweit verzeichnet man steigende Inzidenz- und Prävalenzraten der Glucosetoleranzstörung Diabetes mellitus. Als besonders besorgniserregend gelten dabei die steigenden Erkrankungsraten nicht nur in den mit zahlreichen "Wohlstandserkrankungen" kämpfenden Industrieländern, sondern auch in den bevölkerungsreichen Ländern der sogenannten zweiten und dritten Welt sowie unter zunehmend jüngeren Menschen. In Österreich ist die Diabetesprävalenz (rund 2,1%) im Vergleich zu vielen anderen Industriestaaten zwar relativ niedrig aber dennoch im Steigen begriffen. Im Jahr 2000 wurden 47.190 Personen mit der Diagnose Diabetes stationär in österreichischen Krankenhäusern aufgenommen. Darunter waren 24.674 Frauen und 22.516 Männer. Im Jahr 2001 wurden in Österreich 1.460 Verstorbene (565 Männer, 895 Frauen) mit Todesursache Diabetes mellitus registriert. Auf 100.000 Lebende des selben Geschlechts bezogen waren dies 14,3 Männer bzw. 21,4 Frauen. Aus diesen Gründen stellt die Erkrankung eine große Herausforderung für die Gesundheitssysteme und alle im Bereich Public Health tätigen Organisationen und Personen dar. Maßnahmen zur Prävention sind dabei jenen zur Therapie vorzuziehen. Diabetes mellitus Typ 1 ist eine vererbbare Autoimmunerkrankung, deren Manifestation nur in geringem Ausmaß von äußeren Faktoren beeinflusst wird. Dagegen ist die Entstehung von Diabetes mellitus Typ 2 in großem Ausmaß von beeinflussbaren Risikofaktoren abhängig, zu denen in erster Linie Adipositas, Bewegungsarmut und eine ungünstige Ernährungsweise zählen. Allgemeines Diabetes mellitus (DM) zählt zu den weltweit am häufigsten auftretenden nicht übertragbaren Erkrankungen. Die Zahl der Erkrankten ist in den letzten Jahrzehnten dramatisch angestiegen, die Erkrankung wird vielfach bereits als Epidemie bezeichnet. Die Verbreitung von DM ist ein weltweites Problem, dessen Schwerpunkt sich zusehends auch auf die bevölkerungsreichen Entwicklungsländer verlagert. Die Staaten mit der höchsten Diabetesprävalenz sind Indien, China und die USA [King et al., 1998]. Von den 124 Millionen Menschen weltweit, die 1997 an DM litten, entfielen 97% auf Diabetes mellitus Typ 2 [Amos et al., 1997]. In Österreich ist die Diabetesprävalenz (rund 2,1%) im Vergleich zu vielen anderen Industriestaaten zwar relativ niedrig aber dennoch im Steigen begriffen. Im Jahr 2000 wurden 47.190 Personen mit der Diagnose Diabetes stationär in österreichischen Krankenhäusern aufgenommen. Darunter waren 24.674 Frauen und 22.516 Männer [Statistik Austria, 2002]. Abgesehen von der eingeschränkten Lebensqualität für die Betroffenen, entstehen auch hohe Kosten für das Gesundheitssystem. Die "Cost of Diabetes in Europe - Type 2 Study" (CODE-2) ermittelte eine Gesamtsumme von 29 Milliarden Euro pro Jahr (Werte von 1999) an medizinischen Kosten in acht europäischen Ländern (Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Spanien, Schweden, Großbritannien). Die Kosten, die jährlich pro Patient anfielen, beliefen sich auf 2.834 Euro, wovon 55% für Krankenhausaufenthalte aufgewendet wurden, 7% entfielen auf Medikamente (Antidiabetika und Insulin) [Jonson et al., 2002]. Diabetes mellitus wird mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko in Verbindung gebracht. Dafür verantwortlich sind die diabetischen Spätschäden wie Erblinden, Nierenversagen, Beingeschwüre, erhöhtes Infektionsrisiko, Herzkreislauferkrankungen und Herzinfarkt [WHO/FAO, 2003]. Im Jahr 2001 wurden in Österreich 1.460 Verstorbene (565 Männer, 895 Frauen) mit Todesursache Diabetes mellitus registriert. Auf 100.000 Lebende des selben Geschlechts bezogen waren dies 14,3 Männer bzw. 21,4 Frauen [Statistik Austria, 2003]. Definition, Ätiologie und Pathogenese Das Charakteristikum des Diabetes mellitus Typ 1 (DM-1) ist eine irreversible Schädigung der Insulin produzierenden ß-Zellen des Pankreas, die zu einem absoluten Insulinmangel führt [Scherbaum, 2001]. Die exakte Ursache des DM-1 ist nicht hinreichend geklärt. Auf der Basis einer genetischen Prädisposition werden als Ursache für die Manifestation Virusinfekte, verschiedene toxische Substanzen und auch Ernährungsfaktoren diskutiert. DM-1 kann sich grundsätzlich in jedem Lebensalter manifestieren, meist beginnt er allerdings im Kindesalter, weshalb er früher auch als juveniler Diabetes bezeichnet wurde [Kasper, 2000]. 272 Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung 8 7,6 Prozent 6 5,9 6,2 Entw ickelte Länder 5,4 4,9 4 4 4,2 3,3 3,5 Welt Entw icklungsländer Abb. 5.15: Prävalenz von Diabetes in der erwachsenen Bevölkerung [mod. nach King et al., 1998] 2 1995 2000 2025 Die weitaus größere Zahl an Diabetes-Erkrankungen entfällt auf den Diabetes mellitus Typ 2 (DM-2). Über 124 Millionen Menschen sind weltweit davon betroffen. Die zunehmende Überalterung der Gesellschaft sowie der vorherrschende Lebensstil (Überernährung, Bewegungsmangel), der zum Anstieg der Adipositasraten führt, tragen zu einem Anstieg sowohl der Inzidenz als auch der Prävalenz von DM-2 bei. Die Dunkelziffer der DM-2-Prävalenz ist hoch. Die Zahl derer, die nach den neuen Diagnosekriterien als Diabetiker zu klassifizieren wären bei denen der DM-2 aber noch nicht diagnostiziert wurde, wird auf 60% der Anzahl an diagnostizierten Typ2-Diabetikern geschätzt [Passa, 2002]. Unter dem Begriff DM-2 sind eine Reihe heterogener Störungen zusammengefasst. Die pathophysiologischen Charakteristika des DM-2 sind - periphere Insulinresistenz, - gestörte Regulation der hepatischen Glucoseproduktion, - gestörte β-Zell-Funktion, die zu einer verminderten Insulinsekretion führt und im chronologischen Verlauf schließlich zum vollständigen Versagen der β-Zell-Funktion führen kann [Scherbaum, 2001]. In Tab. 1 sind die Lebensstilfaktoren, welche das Risiko DM-2 zu entwickeln beeinflussen können, zusammengefasst. Evidenz vermindertes Risiko erhöhtes Risiko überzeugend - freiwillige Gewichtsabnahme bei Übergewicht und Adipositas körperliche Aktivität - Übergewicht, Adipositas abdominelle Adipositas körperliche Inaktivität mütterlicher Diabetes wahrscheinlich - Ballaststoffzufuhr - gesättigte Fettsäuren intrauterine Wachstumsverzögerung möglich n-3 Fettsäuren Lebens- mittel mit niedrigem glykämischen Index (GI) exklusives Stillen Gesamtfettzufuhr trans-Fettsäuren Vitamin E Chrom Magnesium moderater Alkoholkonsum hoher Alkoholkonsum - - unzureichend - 273 Tab. 5.10: Einfluss von Lebensstilfaktoren auf das Risiko DM-2 zu entwickeln [mod. nach WHO/FAO, 2003] Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung Die Risikofaktoren für die Entwicklung von DM-2 sind weitaus mannigfaltiger als jene von DM-1. Die Identifikation einzelner Risikofaktoren ist erschwert, weil in den meisten Fällen ein Konglomerat an Risikofaktoren anzutreffen ist, die auch interagieren. Grundsätzlich kann man zwischen unbeeinflussbaren (Rassenangehörigkeit, familiäre Disposition, genetische Faktoren und Alter) und beeinflussbaren Risikofaktoren (Adipositas, Fettverteilung, Bewegungsarmut, Ernährungsfaktoren) unterscheiden. Therapie von Diabetes mellitus Welche Therapieform oder -kombination zum Einsatz kommt, hängt von vielen Faktoren ab. Allen Formen gemeinsam ist, dass sie wirksam sein müssen, d. h. sie müssen eine geeignete Methode darstellen, um die Therapieziele zu erreichen. Die beiden Hauptziele der Therapie bei Diabetikern sind die Optimierung der glykämischen Kontrolle sowie die Minimierung der Risikofaktoren für mikro- (z.B. Augen-, Nierenerkrankungen) und makroangiopathische (z.B. koronare Herzerkrankungen) Spätkomplikationen. Durch möglichst normnahe Blutglucosewerte, optimale Blutlipidwerte, vernünftiges Gewichtsmanagement und Normotonie, sollen diese Hauptziele erreicht werden. Die Ernährungstherapie muss den Anforderungen an die Nährstoffzufuhr gerecht werden, ein normales Wachstum und Leistungsfähigkeit zu gewährleisten. Das individuelle Wohlbefinden des Diabetikers soll einen entscheidenden Faktor in der Ernährungstherapie darstellen, sie muss seine individuellen Bedürfnisse berücksichtigen, die sich im Lauf der Zeit ändern können. Nicht zuletzt muss die Ernährungstherapie sicher sein [Toeller, 2002; American Diabetes Association (ADA), 2001; Diabetes and Nutrition Study Group of the European Association for the Study of Diabetes (EASD), 1999]. Da die beste Möglichkeit, diabetische Spätschäden zu vermeiden, die exakte Einstellung ist, kommt der Kontrolle eben dieser in der Therapie eine große Rolle zu. Mittels Blutglucosebestimmung kann lediglich die momentane Stoffwechselsituation ermittelt werden. Die 12- oder 24-Stunden-Harn-Zucker-Ausscheidung gibt Auskunft über die glykämische Situation des Sammelzeitraums. Der prozentuale Anteil an glykosiertem HbA1c am Gesamthämoglobin spiegelt den Grad der Hyperglykämie innerhalb der drei vorausgegangenen Monate wider, er sollte beim Diabetiker bei 6-6,5% liegen [Elmadfa und Leitzmann, 1998]. Glykosierte Plasmaproteine - beispielsweise bildet Albumin mit Glucose stabile Verbindungen (Fructosamine) - können zur Kontrolle der Diabeteseinstellung herangezogen werden. Insbesondere Fructosamine reagieren auf Veränderungen der Blutglucosekonzentration schneller und empfindlicher als HbA1c. Die Möglichkeiten zur Blut- und Harnglucoseselbstkontrolle binden den Patienten vermehrt in die Überwachung seiner Stoffwechsellage ein [Kasper, 2000]. Beim DM-1 muss von Krankheitsbeginn an Fremdinsulin injiziert werden. Beim DM-2 ist Fremdinsulin dann notwendig, wenn mit oralen Antidiabetika die Blutglucosekonzentration nicht mehr normalisiert werden kann [Kasper, 2000]. Ernährungstherapie Wird ein DM-2 in der präklinischen Phase, also im Stadium der pathologischen Glucosetoleranz erkannt, spielt die Ernährungstherapie gemeinsam mit einer Steigerung der körperlichen Aktivität eine maßgebliche Rolle im Rahmen der Sekundärprävention. Die Glucosetoleranz kann sich in diesem Stadium verbessern bis normalisieren, sodass die Progression zum DM-2 verhindert werden kann [Holler, 2000]. Die Ernährungstherapie bei manifestem Diabetes, egal ob DM-1 oder DM-2, entspricht einer Tertiärprävention, um das Risiko für Spätschäden zu vermeiden [Holler, 2000]. Sie kann - je nach Art bzw. Fortschrittsgrad der diabetischen Stoffwechsellage - exklusiv oder ergänzend zu oralen Antidiabetika oder Insulin zum Einsatz kommen. Bei Diabetikern mit DM-1 ist es wichtig, sowohl die Frequenz als auch die Zusammensetzung der Mahlzeiten auf die Insulinbehandlung - oder umgekehrt - abzustimmen. Typ-2-Diabetiker sollten grundsätzlich angehalten werden, ihre Lebensweise so zu gestalten, dass mit Ernährungstherapie und körperlicher Betätigung eine zufriedenstellende metabolische Situation erreicht werden kann. Ist das nicht möglich bzw. hat ein Patient alle für ihn möglichen Änderungen vorgenommen, ohne dass sich die Stoffwechsellage normalisiert, muss die Therapie um ein Antidiabetikum oder Insulin erweitert werden. Die Ernährungstherapie ist ein multidisziplinäres Unterfangen. Eine erfolgreiche Ernährungstherapie setzt auch die starke Einbindung des Diabetikers voraus. Der Patient muss mit grundlegenden 274 Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung Stoffwechselvorgängen und gegebenenfalls mit der Blutzucker-Selbstkontrolle und der Insulinapplikation vertraut und sich einer gewissen Eigenverantwortlichkeit bewusst sein [ADA, 2001]. Die Empfehlungen für die Ernährung des Diabetikers unterscheiden sich nur unwesentlich von jenen für Stoffwechselgesunde. Aus diesem Grund sollte die Speisengestaltung innerhalb des sozialen Umfeldes des Patienten - zumindest in der Theorie - keine Probleme bereiten, was die Compliance begünstigt. 80% der Typ-2-Diabetiker sind übergewichtig. Da vor allem die abdominelle Adipositas mit Insulinresistenz in Verbindung steht, ist die Gewichtsreduktion ein wichtiger Ansatz zur Verbesserung der glykämischen Kontrolle und Verminderung des Risikos für Spätkomplikationen. Gewichtsreduktion vermindert die Insulinresistenz und die hepatische Glucoseproduktion. Der positive Effekt auf die glykämische Kontrolle stellt sich innerhalb weniger Tage nach Beginn der Energierestriktion ein. Darüber hinaus führt eine Gewichtreduktion zur Reduktion von Bluthochdruck und Hyperlipidämien bei Diabetikern und in weiterer Folge zu einer verminderten Mortalität. Die Verbesserungen der Stoffwechsellage zeigen sich allerdings nicht bei jedem Diabetiker und sind - wenn vorhanden - abhängig vom Ausmaß der Gewichtsreduktion. Die Ergebnisse von Langzeitstudien weisen darauf hin, dass bei entsprechender Intervention innerhalb eines Jahres mit einer moderaten Gewichtsreduktion von maximal 5 kg zu rechnen ist, die wiederum die glykämische Kontrolle um 5-10% verbessert. Die Erfahrung hat gezeigt, dass es Diabetikern im Allgemeinen und insulinpflichtigen Diabetikern im Besonderen ungleich schwerer fällt, ihr Gewicht zu reduzieren bzw. es nach erfolgreicher Reduktion zu halten, als nicht-diabetischen Übergewichtigen [Hensrud, 2001]. - Mahlzeitenfrequenz Was die Mahlzeitenfrequenz betrifft, so gibt es keine dezidierten Empfehlungen. Der Großteil der Diabetiker nimmt drei Mahlzeiten und bis zu drei Zwischenmahlzeiten pro Tag zu sich. Individuelle Vorlieben und die Anforderungen der jeweilige Therapieform geben aber den Ausschlag für die Mahlzeitenhäufigkeit. So hat es sich beispielsweise bei insulinpflichtigen Diabetikern bewährt, vor dem Zubettgehen eine gewisse Menge kohlenhydrat- und ballaststoffreicher Lebensmittel zu sich zu nehmen, um eine nächtliche Hypoglycämie zu vermeiden [EASD, 1999]. - Eiweiß Die Empfehlung der Proteinzufuhr gibt den fixen Rahmen vor, innerhalb dessen die Kohlenhydratund Fettzufuhrmengen variieren können. Grundsätzlich sollen Diabetiker 10 bis 20% ihrer Tagesenergie in Form von Protein zuführen [ADA, 2001; EASD, 1999]. Ausnahmen gelten für jene Diabetiker, bei denen sich die ersten Spätkomplikationen abzuzeichnen beginnen. Die EASD empfiehlt für Patienten mit Microalbuminurie oder bereits manifester Nephropathie eine Proteinzufuhr von maximal 0,8 g, mindestens aber 0,6 g pro kg Körpergewicht [EASD, 1999]. Die ADA empfiehlt ebenfalls grundsätzlich 0,8 g Protein pro kg Körpergewicht. Sobald die glomeruläre Filtrationsrate zu sinken beginnt, kann eine Proteinrestriktion auf 0,6 g pro kg Körpergewicht angezeigt sein, um einen weiteren Rückgang der Filtrationsleistung hintan zu halten [ADA, 2001]. Im Rahmen der bereits zitierten EURODIAB Studie an Typ-1-Diabetikern wurde der negative Effekt einer proteinreichen (> 20 Energie%) Ernährungsweise bestätigt. Bei Diabetikern mit einer hohen Proteinaufnahme war die Albuminausscheidung erhöht; ein Trend, der bei den Hyptertonikern unter den Diabetikern statistische Signifikanz erreichte [Toeller et al., 1997]. - Fett Die offiziellen Empfehlungen zum Fettkonsum in der Diabetikerernährung lassen einen relativ großen Spielraum für die absolute Aufnahmemenge. Abhängig von der Kohlenhydrazufuhr sollen 25-35% der täglich aufgenommenen Energie aus Fett stammen [ADA, 2001; EASD, 1999]. Eine höhere Fettaufnahme ist mit keinen anerkannten Vorteilen, wohl aber mit einer Reihe von Nachteilen, verbunden, weshalb 35 E% (Energie%) in Form von Fett nicht überschritten werden sollten [EASD, 1999]. Die Zufuhr an gesättigten Fettsäuren (max. 10 E%) und Trans-Fettsäuren (max. 1 E%) sollte aufgrund ihrer nachteiligen Effekte auf das Blutlipidprofil so gering als möglich sein. Patienten mit erhöhten LDL-Konzentrationen sollen ihre Zufuhr jedenfalls auf unter 8 E% beschränken und die Cholesterinaufnahme von <300 mg auf <200 mg pro Tag reduzieren [ADA, 2001; EASD, 1999]. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren sollten ebenfalls höchstens 10% der Tagesenergie liefern, weil von einer höheren Aufnahme die Gefahr einer vermehrten Lipidperoxidation und einer Senkung des 275 Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung HDL-Cholesterins ausgeht. Omega(n)-3-Fettsäuren haben einen positiven Einfluss auf das Blutlipidprofil und eventuell auch auf die Insulinsensitivität. Um in den Nutzen dieser Effekte zu kommen, wird der Konsum von mindestens einer Fischportion (vornehmlich fettreicher Fisch wie Makrele, Thunfisch etc.) empfohlen. Zusätzlich sollen pflanzliche Quellen von n-3-Fettsäuren genutzt werden, zu denen Raps-, Sojaöl, Nüsse und einige grüne Blattgemüse gehören [EASD, 1999]. Der überwiegende Teil der Fettaufnahme sollte mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren erfolgen. Die Aufnahme sollte 10-20 E% betragen, als Hauptquellen dienen Oliven- und Rapsöl [EASD, 1999]. - Kohlenhydrate Die von offiziellen Diabetesgesellschaften empfohlene Kohlenhydrataufnahme beträgt zwischen 45 und 60% der täglichen Gesamtenergie [ADA, 2001; EASD, 1999]. Eine niedrigere Kohlenhydrataufnahme ist immer mit einer höheren Fettaufnahme verbunden, was vor allem im Hinblick auf kardiovaskuläre Spätkomplikationen ungünstig ist. Wenn vor allem stärke- und ballaststoffreiche Lebensmittel mit niedrigem glykämischen Index (GI) konsumiert werden, sind von einer hohen Kohlenhydrataufnahme von bis zu 60% der Gesamtenergiezufuhr, keine nachteiligen Effekte zu erwarten. Zu bevorzugende kohlenhydratreiche Lebensmittel sind Gemüse, Hülsenfrüchte, Obst und Vollkorngetreideprodukte. Diese Nahrungsmittel haben zudem den Vorteil, reich an Vitaminen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen zu sein [Toeller, 2002]. - Glykämischer Index 1981 wurde das Konzept des Glykämischen Index (GI) von Jenkins et al. [1981] eingeführt. Definitionsgemäß ist der GI die Fläche unter der Blutglucose-Kurve nach Verzehr eines Lebensmittels, ausgedrückt als Prozentsatz der Fläche unter der Blutglucose-Kurve nach Verzehr der selben Kohlenhydratmenge in Form von Glucose. Das GI-Konzept setzt demnach die Wirkung eines (kohlenhydratreichen) Lebensmittels auf die postprandiale Glucosekonzentration mit der Wirkung von Glucose in Beziehung [Jenkins et al, 1981]. Das GI-Konzept sollte eine numerische Klassifikation von kohlenhydratreichen Lebensmitteln ermöglichen und vor allem bei Glucosetoleranzstörungen zum Einsatz kommen. Der GI eines Lebensmittels hängt nicht ausschließlich von der Kohlenhydratqualität und -quantität dieses Lebensmittels ab. Er wird von zahlreichen weiteren intrinsischen und extrinsischen Faktoren beeinflusst. So sind die gastrointestinale Motilität, die Geschwindigkeit der Metabolisierung und Absorption der enthaltenen Kohlenhydrate, unterschiedliche Zubereitungsmethoden, der Ballaststoffgehalt sowie die Anwesenheit von Fett und Protein wichtige Einflussfaktoren auf den GI. Die gleichzeitige Anwesenheit vieler der genannten Einflussfaktoren in einer Mahlzeit machen die Ermittlung des GI dieser Mahlzeit schwierig und haben zu der Kritik geführt, das GI-Konzept sei unpraktisch [Jenkins et al., 2002]. 1997 wurde das GI-Konzept um den Begriff "glycemic load" (glykämische Ladung, GL) erweitert. Die GL eines Lebensmittels ist das Produkt aus dem GI und dem Kohlenhydratgehalt dieses Lebensmittels in Gramm [Salmeron et al., 1997a und 1997b]. Die Einführung dieses Terminus wurde der Beobachtung gerecht, dass nicht nur die Qualität sondern auch die Quantität der aufgenommenen Kohlenhydrate den Glucosestoffwechsel beeinflussen [Foster-Powell et al., 2002]. Ein weiterer Kritikpunkt des GI-Konzeptes ist die Gefahr der Abwertung oder sogar Tabuisierung von Lebensmitteln hoher Nährstoffdichte aufgrund ihres hohen GI, wie beispielsweise gekochter Karotten. Der Umgang mit dem GI-Konzept setzt allerdings ein gewisses Ernährungswissen voraus, wodurch diese Probleme vermieden werden können. Darüber hinaus ist der GI bei energiearmen Lebensmitteln unerheblich, die im Vergleich zum Kohlenhydratgehalt einen hohen Ballaststoff- und Mikronährstoffgehalt aufweisen [Jenkins et al., 2002]. Trotz aller Kritikpunkte erachten die Autoren des International Table of Glycemic Index and Glycemic Load Values: 2002 das GI-Konzept als bewiesenermaßen praktischeres Konzept, kohlenhydratreiche Lebensmittel einzuteilen, als die chemische Klassifikation. Es ist mittlerweile weitgehend anerkannt und gilt als verlässliche Möglichkeit, Lebensmittel auf der Basis ihres postprandialen glykämischen Effekts zu klassifizieren. [Foster-Powell et al., 2002]. Als Vorteile von Kostformen mit niedrigem GI in der Diabetestherapie werden beispielsweise eine Verminderung der Hyperglykämie [Jenkins et al., 2002; Willet et al., 2002] und ein positiver Einfluss auf das Blutlipidprofil genannt [Frost et al., 1999; Luscombe et al., 1999; Jenkins et al., 1987]. Beide Faktoren sind vor allem im Hinblick auf die Prävention makroangiopathischer Spätkomplikationen (z.B. Herzkreislauferkrankungen) bedeutend. 276 Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung Nicht zuletzt zeichnen sich Kostformen mit niedrigem GI durch eine erhöhte Sättigungswirkung und/oder niedrigere Energieaufnahme und dem damit verbundenen vielversprechenden Einsatz in der Gewichtsreduktion aus [Ludwig, 2000]. - Saccharose Saccharose (Haushaltszucker) galt lange Zeit als verbotener Nahrungsbestandteil für Diabetiker. Seitdem man aber weiß, dass Haushaltszucker als Teil der Gesamt-Kohlenhydratzufuhr keine nachteiligen Wirkungen auf die Glucosekontrolle hat, ist der teilweise Ersatz zugeführter Kohlenhydrate durch Saccharose durchaus möglich [ADA, 2001]. Als Obergrenze der Zufuhr gelten für Diabetiker 10% der Energiezufuhr, das entspricht einer ungefähren Menge von 30 bis 50 g pro Tag [Toeller, 2002]. - Fructose Fructose ruft eine weniger intensive Glucoseantwort hervor als Saccharose und viele Stärkeprodukte. Diesem Vorteil steht der Nachteil ihrer Cholesterin und LDL erhöhenden Wirkung bei hohem Verzehr (>20% der Energiezufuhr) gegenüber. Die beobachteten Wirkungen rechtfertigen weder die ausdrückliche Empfehlung zum Konsum noch ein Abraten vom Konsum von fructosereichem Obst und Gemüse [ADA, 2001]. Der Ersatz von Saccharose durch diverse Sirupe, Honig, Melassen, Dextrose und Maltose hat weder Vor- noch Nachteile was den Energiegehalt und die Glucosekontrolle betrifft. - Süßungsmittel, Zuckeraustauschstoffe, Süßstoffe Die Gruppe der Süßungsmittel kann in energieliefernde und energiefreie Stoffe unterteilt werden. Zuckeraustauschstoffe wie die Zuckeralkohole Sorbit, Mannit und Xylit liefern im Schnitt rund halb so viel Energie wie Saccharose und lösen darüber hinaus einen geringeren Anstieg der Blutglucosekonzentration aus. Ob sie tatsächlich zur Energiereduktion beitragen, ist noch nicht geklärt. Schließlich wurde bei einem extrem hohen Verzehr dieser Zuckeraustauschstoffe eine abführende Wirkung beobachtet [ADA, 2001]. Die EASD bescheinigt nutritiven Zuckeraustauschstoffen keine Vorteile gegenüber Saccharose - mit Ausnahme der verminderten Kariesbildung. Ihr Verzehr sollte deshalb nicht empfohlen werden [EASD, 1999]. Die Verwendung energiefreier Süßstoffe, zu denen Acesulfam K, Aspartam, Cyclamat, Neohesperidin DC, Saccharin und Thaumatin zählen, kann vor allem in Getränken sinnvoll sein. Sofern die zugelassenen Höchstmengen nicht überschritten werden, sind keine negativen Wirkungen zu befürchten [Toeller, 2002; EASD, 1999]. - Ballaststoffe Der Verzehr von ballaststoffreichen Lebensmitteln im Rahmen der Diabetestherapie wird dringend empfohlen. Zum einen haben diese Lebensmittel üblicherweise einen niedrigen GI und tragen wesentlich zur Stabilisierung der Blutglucosekonzentration bei [Pereira et al., 2002; Buyken et al., 1998]. Darüber hinaus sind Ballaststoffe anerkannte Präventivfaktoren von gastro-intestinalen Störungen, inklusive dem Colon-Karzinom. Sie haben eine sättigende Wirkung, was einen großen Vorteil beim Gewichtsmanagement hat. Schließlich vermögen lösliche Ballaststoffe den Cholesterinspiegel zu senken [ADA, 2001]. - Mikronährstoffe Hinsichtlich der Versorgung mit Mikronährstoffen (Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen) gelten für Diabetiker keine anderen Referenzwerte als für die Normalbevölkerung. Diabetiker weisen häufig ein Ungleichgewicht zwischen Pro- und Antioxidantien auf. Der resultierende oxidative Stress wird mit erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen in Verbindung gebracht. Aus diesem Grund sollte auf die Versorgung mit Antioxidantien (Carotinoide, Vitamin E, Vitamin C, Selen und diverse sekundäre Pflanzenstoffe) besonderes Augenmerk gelegt werden [EASD, 1999]. Die wissenschaftliche Datenlage rechtfertigt allerdings nur in bestimmten Situationen eine Supplementierung mit einzelnen Mikronährstoffen. So können beispielsweise Kaliumverluste unter Behandlung mit Diuretika eine Supplementierung rechtfertigen [ADA, 2001]. Ebenso ist die Gabe von Folsäure, Calcium und eventuell Magnesium bei schwangeren Diabetikerinnen auf individueller Basis zu überlegen [Toeller, 2002]. 277 Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung - Kochsalz Die Natriumzufuhr sollte beim Diabetiker 2,4 g (entsprechend 6 g Kochsalz) pro Tag nicht übersteigen. Für diabetische Hypertoniker wird eine stärkere Restriktion auf 2 g Natrium (entsprechend 5 g Kochsalz) pro Tag empfohlen [ADA, 2001; EASD, 1999]. - Alkohol Alle wissenschaftlichen Vorbehalte dem Alkoholkonsum gegenüber gelten natürlich für den Diabetiker genauso wie für die Allgemeinbevölkerung. Der Diabetiker muss in Anbetracht seiner speziellen Stoffwechsellage nicht gänzlich auf Alkohol verzichten, sofern keine zusätzlichen Probleme wie positive Anamnese für Alkoholismus, Schwangerschaft, Pankreatitis, Hyperlipidämie (vor allem erhöhte Triglyceridwerte), Hypertonie oder Neuropathie vorliegen. Er muss aber mit den unmittelbaren Auswirkungen des Alkoholkonsums auf den Glucosemetabolismus vertraut sein und entsprechend entgegenwirken. Alkohol wird nicht zu Glucose verstoffwechselt und inhibiert die Gluconeogenese. Aus diesem Grund kann es bei Diabetikern, die mit Antidiabetika oder Insulin behandelt werden, nach dem Alkoholkonsum dosisabhängig zu Hypoglykämien kommen. Deshalb ist es besonders wichtig, einerseits nur moderate Mengen an Alkohol zu konsumieren und dies andererseits möglichst im Verbund mit einer kohlenhydratreichen Mahlzeit bzw. Zwischenmahlzeit zu tun. Als Obergrenze für den akzeptablen Alkoholkonsum werden für Diabetiker 15 g pro Tag für Frauen und 30 g pro Tag für Männer (EASD) bzw. 2 alkoholische Getränke pro Tag (ADA) genannt, wobei ein alkoholisches Getränk 375 ml Bier, 156 ml Wein bzw. 47 ml Schnaps entspricht [Toeller, 2002; ADA, 2001; EASD, 1999]. Körperliche Aktivität in der Diabetestherapie Die wissenschaftliche Evidenz bescheinigt regelmäßiger körperlicher Aktivität eine Reihe von positiven Wirkungen auf unterschiedliche Organsysteme. So lassen sich die Risken für Adipositas, kardiovaskuläre Erkrankungen und deren Vorläufer Hyperlipidämie, Bluthochdruck und Störungen der Blutgerinnung, wie auch Glucosetoleranzstörungen durch regelmäßige Bewegung vermindern bzw. lässt sich der jeweilige Krankheitsverlauf verlangsamen [Zinker, 1999]. Die entsprechende Empfehlung lautet auf 60 Minuten moderater Bewegung (z.B. schnelleres Gehen) an den meisten Tagen der Woche. Dieser Level ist erforderlich, um ein der Gesundheit zuträgliches Körpergewicht aufrecht zu erhalten [WHO/FAO, 2003]. Das Training sollte auf allen drei Ebenen der Prävention von Diabetes zum Einsatz kommen: In der Primärprävention, in der präklinischen Phase mit pathologischer Glucosetoleranz (Sekundärprävention), und ebenso in der Diabetestherapie, der Tertiärpräventionsphase, um Spätkomplikationen zu vermeiden. Während und unmittelbar nach einer Trainingseinheit ist die Insulinsensitivität verbessert und die Glucosekonzentration vermindert, was den Bedarf an exogenem Insulin reduziert. In Verbindung mit Insulin- und Ernährungstherapie stellt regelmäßiges Training eine geeignete Methode zur langfristigen Verbesserung der glykämischen Kontrolle dar. Über die Einflüsse auf den Kohlenhydratstoffwechsel hinaus, profitieren Diabetiker von den antiatherogenen Effekten regelmäßigen Trainings. Es zeigen sich verminderte Gesamtcholesterinwerte, verminderte Konzentrationen an LDL und Triglyceriden sowie erhöhte Konzentration an HDL-Cholesterin, verbesserte aerobe Kapazität und eine Zunahme der mageren Körpermasse. Schließlich werden auch psychologische Messgrößen wie erhöhtes Wohlbefinden, Selbstvertrauen und Lebensqualität mit regelmäßigem Training in Verbindung gebracht [Zinker, 1999]. Der Einfluss von Krafttraining auf die Stoffwechselsituation von Diabetikern ist wesentlich schlechter untersucht. Da die Insulinsensitivität am stärksten von der Masse der Skelettmuskulatur beeinflusst wird, liegt der Gedanke nahe, dass durch die Vergrößerung der Muskelmasse durch Krafttraining die Insulinsensitivität und damit die glykämische Kontrolle verbessert werden kann. Tatsächlich konnte bisher in wenigen Interventionsstudien an Typ-2-Diabetikern dieser Zusammenhang bestätigt werden [Eriksson, 1999]. Stellvertretend seien zwei neue Arbeiten mit ähnlichem Design zitiert: Über einen Zeitraum von 6 Monaten [Dunstan et al., 2002] bzw. 16 Wochen [Castaneda et al., 2002] absolvierten die Probanden drei Mal pro Woche Krafttrainingseinheiten von ca. 45-minütiger Dauer und hoher Intensität (70-85% des Einwiederholungsmaximums). In beiden Studien waren in den Interventionsgruppen die HbA1c-Konzentrationen im Interventionszeitraum gesunken, während die magere Körpermasse zugenommen hatte. Die Unterschiede zu den Kontrollgruppen waren signifikant. 278 Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung Trainingskomponente Vorschlag zur praktischen Umsetzung Art - Aerobes Ausdauertraining: Walking, Laufen, Radfahren, Schwimmen, Langlaufen (Intensität: 40-75% der HFmax) Krafttraining: Zirkeltraining; hohe Wiederholungszahl, niedrige Intensität Häufigkeit - 5 -7 Einheiten pro Woche Verhältnis Ausdauer-/Krafttraining: 3:1 Intensität - Ausdauertraining: Subjektiver Anstrengungsgrad: mittel bis anstrengend Krafttraining: 40-50% des Einwiederholungsmaximums Dauer - Ausdauertraining: 3-5 Min. Aufwärmen, 15-60 Minuten Training im Bereich der angestrebten Intensität, 3-5 Min. Regeneration Krafttraining: 10-15 Wiederholungen pro Gerät Der Nutzen von körperlicher Aktivität ist wahrscheinlich im Rahmen der Sekundärprävention am höchsten, wenn es gilt, die Entwicklung von beginnenden Glucosetoleranzstörungen zu manifestem DM-2 zu unterbinden. Was die Ausübung jeglicher Sportarten bei manifestem DM-1 oder DM-2 betrifft, kann keine allgemeine Empfehlung formuliert werden. Sofern keine Kontraindikationen (schlechte Stoffwechseleinstellung, Spätkomplikationen) vorliegen, können Diabetiker prinzipiell jede Art von Bewegung ausüben, müssen dabei aber einige Vorkehrungen treffen (siehe unten). Wird das Training als Therapie eingesetzt, hat sie allen Anforderungen an Sicherheit und Wirksamkeit zu genügen, die jede andere Therapie erfüllen muss. Auf der Basis einer ausführlichen medizinischen Untersuchung können individuell Empfehlungen für das therapeutische Training formuliert werden. Dem Training im Rahmen der Diabetestherapie kommt vor allem im Hinblick auf die Prävention von Spätkomplikationen eine große Bedeutung zu [ADA, 2003]. Eriksson [1999] empfiehlt auf der Basis der von ihm begutachteten Studienergebnisse, dass das optimale Bewegungsprogramm für Typ-2-Diabetiker auf die Verbesserung der kardiorespiratorischen Fähigkeiten (Ausdauerleistungsfähigkeit), Muskelkraft und Kraftausdauer abzielen muss. Aus diesem Grund sollte eine Kombination aus aerobem Ausdauertraining und Krafttraining auf der Basis eines Zirkeltrainings zum Einsatz kommen. Das größte Problem der Umsetzung der Trainingsempfehlungen ist wohl aber die mangelnde Bereitschaft der Patienten. Während die Drop-Out-Raten bei Studien mit beaufsichtigten Bewegungsprogrammen bereits bei 50% liegen, beenden noch weitaus weniger Patienten Studien, bei denen sie die Bewegungsprogramme selbst umsetzen sollen [Eriksson, 1999]. Gewährleistung der Sicherheit des Trainings bei Diabetikern Beim Stoffwechselgesunden wird die Insulinproduktion an die jeweiligen Gegebenheiten angepasst, nicht so beim Diabetiker. Eine Hyperglycämie während des Trainings sowie eine Hypoglycämie danach stellen dabei die Probleme dar, die es zu vermeiden gilt. Aus diesem Grund sollte - im besten Fall - jeder Diabetiker, zumindest aber jene, die unter Therapie mit Antidiabetika oder Insulin stehen, vor und nach dem Training den Blutglucosespiegel kontrollieren. (Bei besonders langen Beanspruchungen, wie beispielsweise einem Marathonlauf, muss auch während der Belastung gemessen werden.) So lassen sich einerseits Entgleisungen rechtzeitig korrigieren und weitere Trainingseinheiten besser planen. Auch individuelle Unterschiede in der metabolischen Reaktion auf das Training können so besser erkannt werden. 279 Tab. 5.11 Komponenten eines therapeutischen Trainings für Typ-2-Diabetiker [mod. nach Eriksson, 1999] Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung Patienten mit DM-2 unter Therapie mit oralen Antidiabetika müssen insbesondere auf ihre Kohlenhydratversorgung achten, um eine Hypoglycämie zu vermeiden. Es hat sich bewährt, zwei bis drei Stunden vor dem Training langsam absorbierbare Kohlenhydrate zuzuführen, wobei für jede Trainingsstunde 15 g (15-30 g bei hoher Intensität) an zusätzlichen Kohlenhydraten veranschlagt werden können. Nach dem Training sollten ebenfalls langsam absorbierbare Kohlenhydrate aufgenommen und auch eine mögliche nächtliche Hypoglycämie in Betracht gezogen werden. Bei Typ-1-Diabetikern und Typ-2-Diabetikern unter Insulintherapie sind unter Insulineinfluss Gluconeogenese und Lipolyse während der körperlichen Belastung unterdrückt. Die Glucoseverwertung der Muskulatur ist aber erhöht, die Blutglucosekonzentration sinkt. Bei längerer Belastung kann schließlich eine Hypoglycämie resultieren. Aus diesem Grund sollte jede Trainingseinheit bei dieser Diabetikergruppe besonders gut geplant sein. Je nach Art, Dauer und Intensität des Trainings und abhängig vom Blutglucosespiegel muss die davor verabreichte Insulindosis um 30 bis 50% (bei einer besonders langen Trainingseinheit um bis zu 80%) gesenkt oder es müssen zusätzlich leicht absorbierbare Kohlenhydrate aufgenommen werden. Als Faustregel gilt, dass die Einsparung einer Einheit Insulin oder die Aufnahme von 15 g Kohlenhydraten die Blutglucosekonzentration um 50 mg/dl anhebt. Vor allem bei Kindern ist die langfristige Planung von Belastungsspitzen schwierig. Abhilfe vor einer drohenden Hypoglycämie können hier schnell verfügbare Kohlenhydrate schaffen. Auch nach dem Training besteht aufgrund der erhöhten Insulinwirkung das Risiko für eine Hypoglycämie, der ebenfalls mit der Zufuhr von langsam absorbierbaren Kohlenhydraten vorgebeugt werden sollte. Beginnen insulinpflichtige Diabetiker eine Trainingseinheit im Zustand der Hyperglycämie, so kann sich die Stoffwechselentgleisung während des Trainings weiter verschlimmern. Aufgrund des Blutglucoseanstiegs während der Belastung und der fehlenden Insulinwirkung verschlimmert sich die Hyperglycämie. Die Lipolyserate ist erhöht, weshalb vermehrt Ketonkörper anfallen und die Ketoacidose verstärken. Aus den genannten Gründen darf bei insulinpflichtigen Diabetikern eine Trainingseinheit nur dann begonnen werden, wenn die Blutglucosekonzentration zuvor kontrolliert wurde [Zinker, 1999]. Schlussbetrachtung Die steigende Inzidenz und Prävalenz beider Diabetesformen stellt eine große Herausforderung an alle im Gesundheitsbereich tätigen Einrichtungen und Personen dar. "Vorbeugen ist besser als heilen" sollte im Problemfeld Diabetes oberstes Gebot sein, weshalb der Bereich Public Health besonders gefordert ist. Die wirksamste Möglichkeit der Primärprävention stellt dabei die gezielte Aufklärung und Vermeidung von Risikofaktoren dar. Während DM-1 in erster Linie als ver- bzw. ererbbare Erkrankung anzusehen und das Risiko, daran zu erkranken, nur in geringem Ausmaß beeinflussbar ist, ist die hohe Prävalenz von DM-2 vorwiegend auf Lebensstilfaktoren zurückzuführen. Adipositas, Bewegungsarmut und eine ungünstige Ernährungsweise stellen die Hauptrisikofaktoren dar, die es im Rahmen einer wirksamen Prävention zu eliminieren gilt. Eine möglichst frühzeitige Diagnose einer beginnenden Störung des Glucosestoffwechsels sowie entsprechende Maßnahmen, welche die Entstehung bzw. Verschlimmerung des Diabetes mellitus verhindern oder zumindest verzögern sollen, sind die Ziele der Sekundär- und Tertiärprävention. Vor allem im Stadium der Insulinresistenz bzw. gestörten Glucosetoleranz erwiesen sich Lebensstil-Maßnahmen als effizient. In vielen Fällen von bereits manifestem Diabetes mellitus reichen Änderungen des Ernährungssowie des Bewegungsverhaltens im Rahmen einer Therapie aus, um die Stoffwechsellage zu stabilisieren. In anderen Fällen müssen orale Antidiabetika oder Insulin zum Einsatz kommen. Zur Effektivität kombinierter Ernährungs-Bewegungsinterventionen sowohl in der Therapie als auch in der Prävention von Diabetes mellitus, vor allem des DM-2, lässt sich zusammenfassend feststellen, dass mitunter beachtliche Erfolge erzielt werden können. Da eine Veränderung der Ernährungsweise und eine Erhöhung des Ausmaßes an Bewegung über die eventuelle Verbesserung der glykämischen Kontrolle hinaus auch Vorteile hinsichtlich Blutdruck, Blutlipidprofil und damit Co-Morbidität und diabetischer Spätkomplikationen, aber auch hinsichtlich psychologischer Faktoren wie Lebensqualität und Gesundheitsverhalten mit sich bringt, ist diese Art von Lebensstilintervention auf jeder Stufe der Diabetesprävention und -therapie als empfehlenswert anzusehen. 280 Kapitel 5. Public Health/Gesundheitsförderung In einzelnen Fällen – beispielsweise für sehr disziplinierte Patienten – mag sie sogar ausreichend sein bzw. eine Medikation ersetzen können. Ist dies nicht der Fall, kann eine Lebensstilintervention eventuell zumindest die Dosierung der antidiabetischen Medikation senken [Trento et al., 2002]. Gute Erfolge hinsichtlich glykämischer Kontrolle und Blutlipidprofil auf einen vergleichsweise langen Zeitraum (3,8 Jahre) können auch mit einer Kombination aus Lebensstil- und medikamentöser Intervention erzielt werden [Gaede et al., 2001]. Die epidemiologischen Beobachtungen und Risikoberechnungen sprechen dafür, dass eine kombinierte Ernährungs-Bewegungsintervention einerseits geeignet sein kann, bei Patienten mit bestehendem Diabetes mellitus das Risiko für Spätkomplikationen zu senken, und andererseits bei Patienten mit einer verminderten Glucosetoleranz das Fortschreiten dieser zu manifestem DM-2 zu verzögern oder sogar zu unterbinden. 281 Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation Kapitel 6: Gesundheitsförderung und Kommunikation 6.1 Fonds Gesundes Österreich* Zusammenfassung Im Jahr 1998 hat der Fonds Gesundes Österreich begonnen, seine Aufgaben, basierend auf dem Gesundheitsförderungsgesetz, aufzunehmen. Als nationale Kontakt- und Fördereinrichtung unterstützt der Fonds Gesundes Österreich seither mehr als 450 Projekte und Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Primärprävention. Dabei stehen häufig Aktivitäten im Lebensstilbereich, wie Ernährung und Bewegung im Vordergrund. Für diese Aktivitäten werden dem Fonds Gesundes Österreich jährlich € 7,25 Millionen aus dem Aufkommen der Umsatzsteuer (von Bund, Ländern, Gemeinden und Städten) zur Verfügung gestellt. Um dem großen Problem unserer Zeit entgegen zu wirken, sind viele Programme auf die Prävention von Übergewicht und Adipositas gerichtet. Im Sinne der Ottawa Charta wird angestrebt, langfristige Programme zu entwickeln, die sowohl eine Verhaltens- als auch eine Verhältnisänderung bewirken und nachhaltig zur Gesundheitsförderung beitragen. Dies wird sehr anschaulich am Beispiel der "Gesunden Betriebsküche". VertreterInnen aller Betriebsebenen werden in die Planung und Konzeption des Projekts einbezogen, das bestehende Speisenangebot überarbeitet und neu gestaltet; Küchenpersonal wird geschult und die MitarbeiterInnen des Betriebes werden partizipativ in das Projektgeschehen eingebunden. Neben der Projektförderung richtet sich der Fonds Gesundes Österreich jährlich mit Gesundheitsbotschaften an die Gesamtbevölkerung, in Form von Medienkampagnen. Diese sollen motivieren, ein Umdenken in Richtung eines besseren Gesundheitsverhaltens zu bewirken. Zur Ernährungsaufklärung und -information wird allen Interessierten die Ernährungsbroschüre des Fonds gratis zur Verfügung gestellt. Die 1999 eingerichtete Ernährungs-Hotline gibt weitere Auskunft bei allgemeinen und speziellen Fragen rund um das Thema Ernährung. Begleitende Kampagnenaktivitäten, wie beispielsweise Aktionen in Betriebsküchen sollen Küchenverantwortliche anregen, den Gästen fettärmere und fleischreduzierte Speisen, mehr Gemüse und Salat anzubieten, sodass die nötigen Strukturen geschaffen werden und die BetriebsmitarbeiterInnen öfter zum empfehlenswerten Gericht greifen können. Allgemeines Auf Basis des im Februar 1998 vom Nationalrat beschlossenen Gesundheitsförderungsgesetzes nahm der Fonds Gesundes Österreich, als nationale Kontakt- und Fördereinrichtung für Gesundheitsförderung, seine neuen Aufgaben und Ziele auf. Das Bundesgesetz sieht vor, Maßnahmen und Initiativen zur Gesundheitsförderung, -aufklärung und -information, dessen Ziele an die Ottawa Charta der WHO anschließen, in ganz Österreich durchzuführen. Für diese Aktivitäten werden dem Fonds Gesundes Österreich jährlich € 7,25 Millionen aus dem Aufkommen der Umsatzsteuer (von Bund, Ländern, Gemeinden und Städten) zur Verfügung gestellt. Aufgabenfelder Von seinen Aufgaben her ist der Fonds Gesundes Österreich ausschließlich für Gesundheitsförderung und Primärprävention zuständig, also für Maßnahmen, die sich am bio-psycho-sozialen Gesundheitsbegriff orientieren. Dabei widmet sich der Fonds Gesundes Österreich den in Tab. 6.1 angegebenen Aufgabenfeldern. Die Hauptaufgabe des Fonds besteht in der Förderung regionaler und bevölkerungsnaher, praxisorientierter Projekte der Gesundheitsförderung, die sowohl auf gesündere Verhaltensweisen als auch auf gesündere Lebensverhältnisse abzielen. Die Interventionen zielen auf die Ressourcensteigerung und Erhöhung der Gesundheitspotentiale von Bevölkerungsgruppen in bestimmten Settings ab. Im Vordergrund steht die Stärkung von Wohlbefinden und Gesundheit aller Bevölkerungsgruppen. * Mag. Rita Kichler, Fonds “Gesundes Österreich”, Mariahilfer Straße 176/8, 1150 Wien 282 Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation Vom Fonds Gesundes Österreich geförderte Gesundheitsförderungsprojekte Insgesamt werden seit Herbst 1998 bereits mehr als 450 Projekte vom Fonds Gesundes Österreich gefördert, die sehr unterschiedlichen Themen im Gesundheitsbereich zugeordnet werden. Nachfolgend sind einige ausgewählte, vom Fonds Gesundes Österreich geförderte Projekte beschrieben, die das Thema Ernährung zum Schwerpunkt haben; in der Reihenfolge der Einreichung von 1999 bis 2003: - I feel good - Gesundheitserlebniswoche Projekteinreicher: Verein Jugendgästehäuser Steiermark Das Projekt versteht sich als ganzheitliches Gesundheitsangebot für Schulen mit dem Ziel, junge Menschen zu einer ernährungsbewussten, sportlich aktiven und mental gestärkten Lebenshaltung anzuregen. In der Konzeptionsphase wurden einzelne Bausteine der drei Module "Ernährung", "Bewegung" und "Power for you" von den jeweiligen Fachleuten methodisch und didaktisch aufbereitet. Diese Arbeitsunterlagen bilden die Grundlage des "I feel good" Erlebnisprogramms. In der zweiten Phase, der "Train the Trainerphase", wurden BetreuerInnen und LehrerInnen für die Themen sensibilisiert und Informationstage für LehrerInnen organisiert. Den SchülerInnen und LehrerInnen wurde ein umfangreiches Programm zu den oben genannten Schwerpunkten angeboten, sodass sich jede Klasse gemeinsam mit dem/der zuständigen LehrerIn, aus einem Modulsystem ein individuelles Programm für die Gesundheitserlebniswoche zusammen stellen konnte. Im Projektzeitraum der ersten beiden Jahre haben mehr als 800 SchülerInnen am Programm teilgenommen und die Evaluierung hat gezeigt, dass das Feedback äußerst zufriedenstellend war, sowohl bei den SchülerInnen, als auch bei den LehrerInnen. Viele der Schulen nahmen die Gesundheitserlebniswoche als fixen Bestandteil in ihr Projektwochenangebot auf. Die Projektverantwortlichen stellten den Schulen diverse themenspezifische Unterlagen zur Verfügung, beispielsweise für das "Gesunde Schulbuffet", um damit eine Möglichkeit zu schaffen, die Eindrück der Erlebniswoche in den Schulablauf zu integrieren. - Einfluss von Ernährung und Training auf Leistungsparameter bei alten Menschen Projekteinreicher: Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien Bei dieser Studie wurde der Einfluss von Ernährung und Training auf die Leistungsparameter bei älteren Menschen in Wiener Pensionistenwohnheimen untersucht. Zu Beginn der Studie wurden der Nährstoffstatus, die Nährstoffaufnahme, Stoffwechselparameter und die Leistungsfähigkeit von SeniorInnen der achten und neunten Lebensdekade bestimmt. Danach erfolgte bei 37 SeniorInnen eine Intervention über die Dauer von 12 Wochen in vier Versuchsbedingungen: Training und Nährstoffoptimierung, nur Training, nur Nährstoffoptimierung und Kontrolle (ohne Training und ohne Nährstoffoptimierung). Nach der Intervention wurde nochmals eine Messung des Nährstoffstatus und der Leistungsfähigkeit vorgenommen. Die Ergebnisse sollten eine Reihe von Ansatzpunkten zur Optimierung der Situation älterer Menschen aufzeigen und Ansätze für präventive Maßnahmen auf dem Gebiet des körperlichen und seelischen Wohlbefindens bereit stellen. Empfohlen wurde, die Aufnahme tierischer Fette zugunsten von Pflanzenölen zu senken und die Ballaststoffzufuhr, z.B. mittels Frühstückscerealien bzw. Getreidegerichten, zu erhöhen. Das Bewegungstraining sollte institutionalisiert werden, beispielsweise durch Schwimmen oder ein Bewegungstraining in der frischen Luft oder im Turnsaal. Gleichzeitig mit dem Bewegungstraining muss, um eine größtmögliche gesundheitliche Wirkung zu erzielen, eine Optimierung des Nährstoffstatus erfolgen, beispielsweise mit der täglichen Aufnahme eines Multivitamingetränkes. 283 Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation - Iss das Richtige im Land um Laa Projekteinreicher: Verein "Ganz gesund im Land um Laa" Im Vordergrund dieses Projekts stand die Optimierung der Menü- und Speisenangebote in elf Gastronomiebetrieben der Region Laa an der Thaya. Im Rahmen eines Seminars wurden die Beschäftigten der Gastronomiebetriebe in Laa und Umgebung ausführlich über richtige Ernährung informiert und dazu angeleitet, ihre Rezepte nach ernährungsphysiologischen Kriterien zu überarbeiten und die Speisen durch viele frische vitamin- und mineralstoffreiche pflanzliche Lebensmittel wie Obst und Gemüse zu ergänzen. Dadurch wurden traditionelle Hausmannskost-Gerichte bekömmlicher und neue Gerichte mit hohem Gemüseanteil, mehr Fisch und weniger Fleisch wurden in das Angebot vieler Lokale aufgenommen. Ziel des Projekts war es auch, die Speisen bezüglich ihres Fettgehalts und der Qualität des verwendeten Fetts zu optimieren. Über die Gastwirte sollten die Gäste zu einer gesünderen Ernährungsweise motiviert werden. - Unterrichtsprojekt "Lebensstil und Diabetes" Schüler helfen bei Vorbeugung und Früherkennung von Diabetes Projekteinreicher: Diabetesinitiative Südburgenland Diabetes mellitus Typ 2 ist weltweit, als typische Wohlstandserkrankung, in rapider Zunahme begriffen, wobei ein hoher Prozentsatz der überwiegend erwachsenen DiabetikerInnen nichts von seiner/ihrer Erkrankung weiß. Dies nahmen die Projektbetreiber zum Anlass, das Projekt in den beiden südburgenländischen Bezirken Jennersdorf und Güssing zu konzipieren. Einerseits sollte damit die Vorbeugung bereits im Kindesalter erreicht werden, indem sich SchülerInnen frühzeitig mit gesundem Lebensstil und ihrem Essen beschäftigen und andererseits sollten bisher unentdeckte DiabetikerInnen im familiären und nachbarschaftlichen Umfeld der SchülerInnen mit Hilfe von Harnteststreifen entdeckt werden und bei Diabetesverdacht motiviert werden, einen Arzt aufzusuchen. Ziel ist es, mindestens ein Drittel der Bevölkerung in den Gemeinden Jennersdorf und Güssing zu erreichen und auf Diabetes mellitus Typ 2 zu untersuchen. An der Projektdurchführung sind 17 Schulen beteiligt. Zu Beginn wurden die LehrerInnen im Rahmen eines Seminars ausführlich über Diabetes informiert und es wurde ihnen sämtliches Unterrichts- und Verbrauchsmaterial (Harnteststreifen) zur Verfügung gestellt. Die Evaluation erfolgt mittels Fragebögen, die an SchülerInnen, LehrerInnen und Erwachsene gerichtet sind, um das Essverhalten und deren Gewohnheiten punkto Lebensstil zu erheben. - Obst X 5 Projekteinreicher: Avomed - Arbeitskreis für Vorsorgemedizin in Tirol Die beiden Tiroler Bezirke Imst und Landeck fallen in Todesursachenstatistiken im internationalen und nationalen Vergleich durch stark erhöhte Raten an Magenkarzinom auf. Dazu kommt eine generell hohe Zahl von Herz-Kreislauf- und Schlaganfallerkrankungen in ganz Österreich. Dies war Anlass für die Initiierung dieses Projekts. Primäres Ziel des Projekts ist es, die Ernährungssituation in Tirol zu verbessern und der Bevölkerung die gesundheitserhaltenden Effekte von Obst und Gemüse nahe zu bringen. Dabei werden Anregungen geschaffen und Möglichkeiten vermittelt, wie die täglich empfohlene Menge an Obst und Gemüse, also 5 Portionen am Tag, in den Speiseplan eingebaut werden kann. Durch die Einbindung der Wirtschaft und kommunaler Einrichtungen soll eine langfristige Verbesserung der Ernährungssituation in Tiroler Gemeinden ebenso erreicht werden, wie eine Verringerung von Krebs- und HerzKreislauf-Erkrankungen, Schlaganfällen und anderen Krankheiten. Das Projekt ist auf vier Jahre angelegt, in diesem Zeitraum finden sehr viele Aktivitäten statt. Unter anderem wurde Verkaufspersonal geschult, eine Reihe von Vorträgen organisiert, eine InternetPlattform (www.avomed.at /obstx5) zum Thema eingerichtet, Informationsstände (in diversen Einkaufszentren, Betrieben und Gemeinden) und Stadtfeste organisiert sowie ein Rezeptbuch mit Tipps für die Verwendung und Zubereitung von Obst und Gemüse erstellt. Weitere Aktionen in Schulen, Betrieben, Gasthöfen sind in Planung. Das Projekt wird mittels Telefoninterviews und Fragebögen evaluiert. Die Zwischenergebnisse der letzten Umfrage zeigten einen zufriedenstellenden Verlauf. Lag der durchschnittliche Pro-Kopf-Ver- 284 Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation zehr zu Projektbeginn bei 3,36 Portionen Obst, Gemüse und Salat, so konnte er nach knapp zwei Jahren bereits auf 4,29 Portionen gesteigert werden. - Prävention der Adipositas im Kindes- und Jugendalter - PRESTO Projekteinreicher: AKH Wien, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde PRESTO steht für die Abkürzung von ‚Prevention Study of Obesity'. Im Rahmen dieses Projekts werden interdisziplinäre Interventionen in jeweils 5 Klassen einer Wiener Hauptschule und AHS Unterstufe, unter Einbeziehung der LehrerInnen und Eltern durchgeführt. Erreicht werden damit etwa 210 SchülerInnen. Im Vergleich dazu wird an Kontrollschulen, in gleich vielen AHS- und HS-Klassen, das Ernährungs- und Bewegungsverhalten der SchülerInnen mittels Fragebogen und Interviews erhoben. Ein Team, bestehend aus einer Ernährungswissenschafterin, Psychologin und einer Sportwissenschafterin führt pro Interventionsklasse insgesamt 12 Unterrichtseinheiten durch, um die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen zu motivieren, zu ‚GesundheitsexpertInnen' zu werden und selbstverantwortlich ‚gesündere Entscheidungen' treffen zu können. Im Vordergrund stehen erlebnisorientiertes, spielerisches Lernen. Gleichzeitig werden in jeder teilnehmenden Interventionsklasse mit Hilfe des sogenannten Peer-Education Ansatzes, SchülerInnen zu sogenannten KlassengesundheitssprecherInnen ausgebildet. Durch den Einfluss gleichaltriger Peers soll eine Reduktion des Prozentsatzes übergewichtiger Kinder erreicht werden. Während der Interventionsphase wurden die Kinder und Jugendlichen motiviert an einem Ideenwettbewerb teilzunehmen, dabei wurden von den SchülerInnen sehr kreative Beiträge, wie Videos, Plakate, Theaterstücke, etc. gestaltet, die im Rahmen eines Abschlussfestes präsentiert wurden. Für LehrerInnen wurden eigene Informationsmappen mit Hintergrundinformationen, Arbeitsblättern, Folien zu den Themen Ernährung, Essen und Trinken, Übergewicht, etc.. verfasst. Die medizinischen Untersuchungen fanden in Kooperation mit den SchulärztInnen statt. Derzeit erfolgt die Evaluierung des Projekts. - Wir kochen für Ihre Knochen - eine Aktion zum Weltosteoporosetag Projekteinreicher: Österreichische Osteoporoseselbsthilfe Mit diesem Vorhaben wurde das Problem Osteoporose thematisiert und durch Öffentlichkeitsarbeit verstärkt auf die Prävention dieser Erkrankung hingewiesen. Die Zusammenarbeit mit dem Bund österreichischer Gastlichkeit sollte dazu beitragen, Österreichs Gastronomiebetriebe zu motivieren, ihre Speisepläne mit Calcium- und Vitamin D - reichen Gerichten aufzuwerten. Am Weltosteoporosetag 2000 konnte ein großer Teil der Bevölkerung erreicht werden und bei verschiedenen Informationsveranstaltungen umfassend über Osteoporoseprävention aufgeklärt werden. - Gesundheitsbewusste Schule - Schwerpunkt gesunde Ernährung Projekteinreicher: Landwirtschaftliche Fachschule Eberndorf Eine Problemanalyse zu Projektbeginn ergab, dass viele Schülerinnen nach Schulbeginn innerhalb von wenigen Monaten stark an Gewicht zunahmen. Dies war einerseits auf einen hohen Anteil von Fleischgerichten in der traditionellen Küche der Landwirtschaftlichen Fachschule zurückzuführen, zum anderen auf die vielen Süßigkeiten und Snacks, die die Mädchen von ihren Ausgängen mitbrachten. In der Folge wurde das Projekt konzipiert und eine Veränderung der Speisenplangestaltung ebenso angestrebt wie die Partizipation der Schülerinnen am Projektgeschehen. Ziel war es, gesundheitsförderliche Verhaltensweisen anzuregen und einen möglichen Gesundheitsgewinn bei den Schülerinnen sichtbar, erfahrbar und nachvollziehbar zu machen. Im Zeitraum eines Projektjahres beschäftigten sich alle Beteiligten - SchülerInnen, LehrerInnen, Eltern und auch AbsolventInnen der Schule - intensiv mit vielen Aspekten rund um die Ernährung. Die Maßnahmen und Aktivitäten waren sehr vielfältig, Projektwochen wie beispielsweise eine Kürbiswoche oder eine Kräuterwoche wurden ebenso organisiert, wie Workshops zum Thema Essstörungen, Suchtprävention und diverse Lehrausgänge zu lebensmittelproduzierenden Betrieben. Zum einen ging es darum, das Thema richtige, ausgewogene Ernährung in den Unterricht, möglichst fächerübergreifend einzubauen und gezielt auf Essgewohnheiten, gesunde Lebensmittel, Bewegungsmangel, etc. einzugehen; zum anderen galt es, eine Verbesserung der Gestaltung des täglichen Speiseplans im Internatsbetrieb vorzunehmen. Letzteres ist sehr gut gelungen und konnte auch 285 Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation beibehalten werden. Beispielsweise steht den Schülerinnen nun jederzeit ein großer Obstkorb mit saisonalem und regionalem Obst zur Verfügung, zu Mittag wird seither täglich ein Salatbuffet angeboten, die Fleischgerichte wurden reduziert und mehrmals pro Monat steht nun auch Fisch am Speiseplan. - Genussvoll Essen Projekteinreicher: Avomed - Arbeitskreis für Vorsorgemedizin in Tirol Das Projekt richtete sich an Kinder und Jugendliche in Tiroler Kindergärten und Schulen und hat zum Ziel, altersgerecht und umfassend zum Thema Ernährung zu informieren, um ernährungsabhängigen Erkrankungen und auch Essstörungen rechtzeitig vorzubeugen. Für Eltern wurden Informationsveranstaltungen und für LehrerInnen Fortbildungen organisiert. Den Kindern wurde jeweils altersadäquat notwendiges Ernährungswissen vermittelt, wobei das "Essen und Trinken mit allen Sinnen" in Form von Genuss- und Geschmacksübungen im Vordergrund stand. Ebenso stand die Verbesserung des Angebots der Gemeinschaftsverpflegung in den Tiroler Kindergärten und Schulen auf dem Programm, hin zu einer optimierten und ausgewogenen Ernährung. Evaluiert wurde das Projekt vorwiegend mittels Fragebögen, dabei wurden alle Beteiligten über ihr eigenes Essverhalten und das ihrer Familien gefragt. Insgesamt wurden 312 Kindergärten und Schulen im Rahmen dieses Projekts von DiätassistentInnen fachlich betreut. - Verhaltenstherapeutische Intervention bei adipösen Kindern und Jugendlichen Projekteinreicher: Universität Graz - Universitätsklinik für Kinder und Jugendheilkunde Die Notwendigkeit dieses Projekts ergibt sich aus der steigenden Zahl übergewichtiger Kinder und Jugendlicher. Als frühzeitige Intervention nehmen die betroffenen Kinder und Jugendlichen an einem wöchentlichen Training zur Verhaltensänderung teil, das neben psychologischer Beratung und Unterstützung auch ein Sportprogramm zur Steigerung der allgemeinen Fitness, gezielte Ernährungsschulungen und medizinisch-diagnostische Abklärung umfasst. Positiv hervorzuheben ist, dass auch bei diesem Projekt die Eltern aktiv in das Programm eingebunden sind, sodass die Kinder und Jugendlichen mit Unterstützung ihrer Familie lernen, selbständig und eigenverantwortlich mit ihrem Gewicht umzugehen. - Abnehmen mit allen Sinnen Körper-Bewußt-Leben Projekteinreicher: Verein für prophylaktische Gesundheitsarbeit (PGA) Die Bildung einer Abnehmgruppe bietet Übergewichtigen im Rahmen dieses Projektes die Möglichkeit, gemeinsam mit Gleichgesinnten unter Anleitung von ausgebildeten TrainerInnen (aus den Bereichen Ernährung, Psychologie, Sport) dauerhaft ihr Gewicht zu reduzieren und eigenverantwortlich mit ihrem Gewicht umzugehen. Dieses im Setting Gemeinde stattfindende Projekt, orientiert sich an einem ganzheitlichen Ansatz und basiert im wesentlichen auf folgenden 3 Säulen: - Ernährungsumstellung, die vor allem langfristig erfolgen soll. - Verhaltenstraining, bei dem neben der Ernährungsweise und dem Ernährungsverhalten auch die Einstellung zum Essen und die Ursachen des Übergewichts analysiert werden und darüber hinaus auf den Einfluss von Werbung und "Idealbildern" eingegangen werden soll. - Bewegung: die TeilnehmerInnen sollen zu ihrer individuellen Bewegungsform finden und diese langfristig und nachhaltig beibehalten. Insgesamt haben 16 TeilnehmerInnen aus St. Georgen an der Gusen am Programm teilgenommen und erfolgreich ihr Gewicht reduziert. Die Gruppe ist nach Projektabschluss weiterhin aktiv und trifft sich regelmäßig zum Sport. - Sport und Ernährung Projekteinreicher: VEÖ - Verband der Ernährungswissenschafter Österreichs Diese Weiterbildungsveranstaltung zum Thema Sport und Ernährung richtete sich an Berufsgruppen, die in erster Linie im Bereich Bewegung, Sport und angrenzenden Gebieten tätig sind und hatte zum Ziel, die TeilnehmerInnen über den neuesten Stand der Ernährungswissenschaft zu informieren und wissenschaftlich fundierte Inhalte zu vermitteln. 286 Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation - Top im Job - Gesund essen im Betrieb Projekteinreicher: AKS Vorarlberg, Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin Das Projekt "Top im Job - Gesund essen im Betrieb" befasst sich mit der Ernährungssituation im Arbeitsalltag. MitarbeiterInnen, Betriebsräte und Führungskräfte von Vorarlberger Betrieben werden durch das Projekt motiviert, ihre Auswahl bzw. ihr Verpflegungsangebot den modernen ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen anzupassen und bekommen fachliche Unterstützung bei der Optimierung der "Ländle-Jause". Außerdem sollen Aktionen, Vorträge, Seminare, Folder, Beiträge in Betriebszeitungen und im Intranet dazu dienen, den MitarbeiterInnen der Betriebe die Zusammenhänge zwischen Essen, Trinken, Wohlbefinden, Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu vermitteln. Mit insgesamt 41 teilnehmenden Betrieben konnten 6168 MitarbeiterInnen erreicht werden, die mittels Vorträge, Intranet, Betriebszeitungen, Folder und Plakate über das Anliegen des Projekts informiert werden. Es wurden gesunde Jausenalternativen aufgezeigt. Erfreulicherweise konnten auch 10 Geschäftslokale motiviert werden, vermehrt gesunde, fettarme und vitamin- und ballaststoffreiche Jausen anzubieten. - Die Last des Gewichts verringern Projekteinreicher: Salzburg Obesity Academy Foundation Dieses Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, die Gesundheit von etwa 100 adipösen Kindern und Jugendlichen in Salzburg zu verbessern. Um ihr Ess- und Bewegungsverhalten sowie ihre kognitiven Muster in Bezug auf Bewegung, Ernährung, Selbstbild und Sozialkontakte zu verändern, bekommen stark übergewichtige bzw. bereits adipöse Kinder und Jugendliche die Möglichkeit, 2 Jahre lang von einem multiprofessionellen Team (VertreterInnen aus den Bereichen Medizin, Psychologie, Sportwissenschaft/Physiotherapie und Ernährungswissenschaft/Diätetik) betreut zu werden. Zusätzlich werden im Rahmen des Projekts 15 - 20 "AdipositastrainerInnen" aus Salzburg, Oberösterreich und Wien ausgebildet, damit dem steigenden Bedarf nach spezialisierter und qualifizierter Betreuung der Zielgruppe entsprochen werden kann. Die AdipositastrainerInnen sollen später in ihrem Arbeitsumfeld eigene Adipositasteams zusammenstellen und das Programm in ihrem jeweiligen Arbeitsumfeld durchführen. Auch die Eltern werden aktiv in das Programm einbezogen. - Multikulti, fit und gesund Projekteinreicher: Zentrum für Gesundheitsförderung in Graz Das Projekt findet in einer Grazer Betreuungseinrichtung mit nicht deutscher Muttersprache statt und richtet sich primär an übergewichtige Kinder verschiedener Nationalitäten, mit dem Ziel, sie zu einer gesundheitsförderlichen Lebensführung anzuleiten. Da viele der involvierten Familien oft erst kurze Zeit in Österreich sind, sollen über die Projektaktivitäten soziale Kontakte und das Miteinander der Kinder und auch deren Eltern gefördert werden. Mit je einer Informationsveranstaltung wurde den Eltern und Kindern das Projektvorhaben vorgestellt. In Zusammenarbeit mit den jeweiligen Fachpersonen wurden Gespräche geführt, um im Anschluss daran individuelle Bewegungsprogramme zu erstellen und Unterstützung bei der Speisenauswahl und -zusammensetzung zu geben. Während der Durchführungsphase fanden 10 Monate lang wöchentliche Treffen mit BewegungspädagogInnen und ErnährungswissenschafterInnen statt und es wurden regelmäßig Aktivitäten, Ausflüge, Kochkurse, Aktionstage, etc. organisiert, um die sozialen Kontakte zu ermöglichen. Zur Evaluierung des Programmerfolgs werden zu Projektbeginn als auch zu Projektende FitnessChecks und diverse Untersuchungen durchgeführt, wie vor allem Körpergröße, Körpergewicht und Bestimmung des BMI, Körperfettmessungen, Blutfettwerte und orthopädische Untersuchungen. - Gesunde Betriebsküche Projekteinreicher: Wiener Gebietskrankenkasse Ziel dieses Projekts im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung ist es, verhaltens- und verhältnisorientierte Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation in einem Großbetrieb zu setzen. Ausgehend von den Ergebnissen einer Ist-Analyse (bei der sowohl MitarbeiterInnen als auch 287 Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation das Küchenteam befragt wurden) und den erarbeiteten Anregungen und Vorschlägen eines EssensForums (das sich aus VertreterInnen aller Betriebsebenen wie Küchenpersonal, ArbeiterInnen, Angestellte, Unternehmensleitung, Betriebsarzt zusammensetzt) wurden konkrete Maßnahmen und Aktionen für eine "Gesunde Ernährung im Betrieb" geplant und konzipiert. Neben Informationsveranstaltungen und Gesundheitstagen für ArbeiterInnen und Angestellte wurden auch Schulungen für das Küchenpersonal durchgeführt. Darüber hinaus wurde das Speisenangebot, mit fachlicher Unterstützung einer Ernährungswissenschafterin, überarbeitet und neu gestaltet; als Anreizsystem, das die Entscheidung bei der Auswahl erleichtern soll, wurden die Speisen mit Fettaugen gekennzeichnet. Das Projekt wurde evaluiert und die Ergebnisse zeigen, dass die Zielvorgaben erreicht wurden. Beispielsweise konnte der Kochfettverbrauch pro Essensportion um 72 % gesenkt werden, die Zahl der angebotenen fettarmen Menüs deutlich gesteigert und die Nachfrage nach gesundem Essen verdoppelt werden. - Rund um fit und gesund Projekteinreicher: Verein Zentrum für Gesundheitsförderung in Graz & HS/NMS Albert Schweitzer Die Grazer Hauptschule Albert Schweitzer hat gemeinsam mit dem Zentrum für Gesundheitsförderung ein Langzeitprogramm für übergewichtige SchülerInnen initiiert. Zu Beginn absolvierten die TeilnehmerInnen - 15 bis 25 übergewichtige Kinder - einen Fitness-Check und medizinische Untersuchungen. Aufbauend auf den Ergebnissen der Untersuchungen wurden gemeinsam mit einem interdisziplinären Team (ein Sportwissenschafter, eine Ernährungswissenschafterin, eine Gesundheitspsychologin), individuelle Bewegungsprogramme und Ernährungspläne erstellt, wobei auf die Ernährungsgewohnheiten der einzelnen TeilnehmerInnen Rücksicht genommen wurde. Außerdem wurden psychische Hilfestellungen für die beteiligten Kinder erarbeitet. Regelmäßige Treffen, zu denen auch die Eltern eingeladen wurden, sollten die Kinder dazu motivieren, ihre Bewegungs- und Ernährungsprogramme lustvoll in den Alltag zu integrieren und in den Schulalltag einzubauen. Zusätzlich wurden Exkursionen, Fachvorträge, Spiele und ein gesundes Buffet angeboten. Im Rahmen von Aktionstagen werden SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen laufend über das Projekt informiert. - Schlank - Fit - Gesund - Begleitung zum Wohlfühlgewicht Projekteinreicher: Sozialversicherung der Bauern Zwei Gesundheitsbefragungen der bäuerlichen Bevölkerung, die in den Jahren 1993 und 2000 vom Institut für Sozialmedizin Wien durchgeführt wurden, haben ergeben, dass in der Gruppe der BäuerInnen, im Vergleich zur Gesamtbevölkerung, Übergewicht deutlich häufiger auftritt. Es wurde unter anderem empfohlen, gezielte Maßnahmen und spezifische Interventionsprogramme zur Gewichtsreduktion bei dieser Zielgruppe zu setzen. Dafür wurde ein Programm entwickelt, dem ein Gesundheitsbegriff im ganzheitlichen Sinne zugrunde liegt und das alle Elemente eines gesundheitsfördernden Lebensstils mit einbezieht: Ernährung, Bewegung und psychische Aspekte. Im ersten Schritt wurden rund 200 MultiplikatorInnen ("SeminarbäuerInnen", landwirtschaftliche LehrerInnen und BeraterInnen sowie DiätassistentInnen) für das Projekt geschult. Diese Ausbildung sollte die teilnehmenden MultiplikatorInnen dazu befähigen, die Kursreihe "Schlank - Fit - Gesund - Begleitung zum Wohlfühlgewicht" selbständig und eigenverantwortlich zu organisieren, zu bewerben, zu begleiten und zu evaluieren. Mit den anschließenden Kursen sollen bis zum Jahr 2005 etwa 3.000 Bäuerinnen und Bauern erreicht und auf ihrem Weg zum Wohlfühlgewicht begleitet werden. - "Move your food" Essen für junge Leute Projekteinreicher: Gymnasium Lustenau Mit diesem Ernährungsprojekt im Setting Schule wurde einerseits beabsichtigt, das Jausenangebot am Schulbuffet zu verbessern und andererseits ausreichendes Wissen über gesunde Ernährung zu vermitteln. Gemeinsam mit einer diplomierten Diätassistentin, einem Ernährungsteam, das sich aus 20 SchülerInnen zusammensetzte und den BetreiberInnen des Schul-Kiosks, wurde das Angebot des Schulbuffets neu gestaltet. Nach einem Aktionstag, an dem LehrerInnen und SchülerInnen die Speisen und Getränke probieren konnten, wurde das zukünftige Angebot des Schulbuffets festgelegt. 288 Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation Zur Vermittlung von Ernährungswissen wurden Workshops zu Themen wie Gewichtsmanagement, Sport und Ernährung, Lebensmittelsicherheit und Essverhalten angeboten. Da viele SchülerInnen aufgrund der Berufstätigkeit ihrer Eltern selbst für die Zusammenstellung ihrer Mahlzeiten verantwortlich sind, wurden auch Kochkurse veranstaltet, in deren Rahmen die SchülerInnen die Zubereitung einfacher Speisen lernten. Um auch die Eltern zu motivieren, zu Hause an den Zielen des Ernährungsprojektes mitzuarbeiten, wurden sie am Elternsprechtag ausführlich über das Projekt informiert und hatten die Gelegenheit, die selbstgekochten Gerichte der SchülerInnen am Buffet zu verkosten. - “echt stark" - Ein Familienprojekt für übergewichtige Kinder Projekteinreicher: ARGE Vitabene/Wert-Impulse GmbH Das Projekt "echt stark" zielt darauf ab, übergewichtige Kinder und Jugendliche dabei zu unterstützen, einen verantwortungsbewussten Umgang mit ihrem Körper zu erlernen. Es soll dazu beitragen, das Selbstbewusstsein, das Körperbewusstsein, die Leistungsfähigkeit und die Bewegungsfreude der TeilnehmerInnen zu steigern sowie deren Ernährungsgewohnheiten umzustellen. Um diese Ziele zu erreichen werden Familien aus NÖ während eines ganzen Schuljahres begleitet. Im Rahmen der anfangs wöchentlichen und später 14tägigen Treffen werden den Kindern und Jugendlichen Ernährungs- und Verhaltensschulungen angeboten. Gemeinsam werden Lebensmittel eingekauft, Gerichte zusammengestellt und zubereitet. Zur Motivation der beteiligten Kinder, wird zum Abschluss ein Abenteuer- und Erlebniscamp organisiert. Medizinische Untersuchungen und psychologische Betreuung ergänzen das umfassende Programm. - Adipositasprojekt für Kinder und Jugendliche/ Adi ade - Muckis statt Pommes Projekteinreicher: FAMOS Familien- und Sozialzentrum Perg Um dem Problem Adipositas bei Kindern und Jugendlichen entgegenzuwirken und Folgeerkrankungen zu vermeiden, wurde dieses Projekt geplant. Über einen Zeitraum von einem halben Jahr werden etwa zehn übergewichtige Kinder und Jugendliche, sowie deren Angehörige aus dem Bezirk Perg, von einem multiprofessionellen Team betreut. Das Programm verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz zur Verbesserung des Ess- und Bewegungsverhaltens der Beteiligten. In regelmäßigen Treffen wird die Gruppe von einer Ernährungswissenschafterin bei der Gewichtsreduktion begleitet und von einer Sportwissenschafterin angeleitet, ausreichend und richtige Bewegungsübungen zu machen. Die Kinder und Jugendlichen werden auch während der gesamten Laufzeit des Programms medizinisch und psychologisch betreut. - Projekt zur positiven Beeinflussung des Ernährungsbewusstseins und des Ernährungsverhaltens in der Gemeinde Auersbach Projekteinreicher: Gemeinde Auersbach Im Jahr 1996 wurde von der Steirischen Gesellschaft für Gesundheitsschutz (jetzt Styria Vitalis) eine Gesundheitsbefragung in der Gemeinde Auersbach durchgeführt. Diese ergab unter anderem, dass die Ernährungsgewohnheiten in der Gemeinde dem österreichischen Durchschnitt entsprechen, allerdings der Verzehr von Fleisch- und Wurstwaren und tierischen Fetten weit darüber liegt. 53 Prozent der Frauen und 60 Prozent der Männer sind übergewichtig in Auersbach. Um das Ernährungsverhalten der Bevölkerung positiv zu beeinflussen und die EinwohnerInnen zu aktivieren, sich mit gesunder Ernährung auseinander zu setzen, sind eine Reihe von Aktivitäten geplant, die gemeinsam mit Ernährungsfachleuten durchgeführt werden: Unter anderem wird in der Gemeinde eine große anschauliche Ernährungspyramide aufgestellt, ein Schaukochen für verschiedene Zielgruppen veranstaltet und es wird regelmäßig über Themen der Ernährung und über die Vorteile regionaler und saisonaler Produkte informiert. Außerdem werden jedem Haushalt Rezeptmappen zur Verfügung gestellt. Eigene Kinderkochfeste für Kindergartenkinder, VolksschülerInnen, PfadfinderInnen werden ebenso organisiert wie auch Kochevents für Jugendliche. Beabsichtigt ist, gesund Kochen wieder "in" zu machen. Im November 2003 ist ein Abschlussfest mit einem Gewinnspiel geplant. - kids' food - Maximas gesunde Kindi Jause Projekteinreicher: AKS Vorarlberg, Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin 289 Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation Dieses Projekt ist für insgesamt 460 Kindergartengruppen in 230 Vorarlberger Kindergärten konzipiert. Deren BetreuerInnen sollen durch Anregungen und Informationen motiviert werden, Kernfragen von Gesundheits- und Ernährungserziehung aufzugreifen und im Kindergarten umzusetzen. In speziellen Weiterbildungsveranstaltungen wurden den KindergärtnerInnen die wesentlichen Grundlagen der Ernährungs- und Gesundheitserziehung vermittelt. Außerdem wurde eine Mappe "kids' food" entwickelt, die methodisch-didaktische Anleitungen für die Ernährungs- und Gesundheitserziehung im Kindergarten enthält. Zur Motivation der Kinder wurde ein Maskottchen, genannt Maxima entwickelt, das auf spielerische Weise einen lustvollen Umgang mit der Vielfalt des Essens vermitteln möchte. Um auch die Eltern einzubeziehen haben die KindergärtnerInnen die Möglichkeit, an den üblichen Elternabenden speziell geschulte ErnährungsexpertInnen zu Vorträgen einzuladen. Die Zubereitung kindgerechter Speisen für die Zwischenverpflegung wird gemeinsam im Kindergarten geübt. Damit die Kinder zu Hause Maximas Lieblingsspeisen und -getränke nachmachen können, bekommen sie regelmäßig bunte Rezeptkärtchen zum Sammeln mit nach Hause. Für jede entsprechende, mitgebrachte Jause gibt es Sammelkleber, für jedes volle Sammelkleberkärtchen erhält das Kind ein Überraschungsgeschenk. Eine Broschüre mit wichtigen Ess- und Gesundheitstipps wird an interessierte Eltern verteilt. Damit soll nicht nur das Verständnis der im Kindergarten gesetzten Maßnahmen erhöht werden, sondern darüber hinaus das Essverhalten der gesamten Familie verbessert werden. - Pfundiges Abnehmen im Tennengau Projekteinreicher: Initiative Gesundheitsnetzwerk.at, Hallein Die Salzburger Initiative Gesundheitsnetzwerk.at hilft interessierten TennengauerInnen, ihr Übergewicht in den Griff zu bekommen. Ein Jahr lang werden insgesamt 30 TeilnehmerInnen von einem Team, bestehend aus ÄrztInnen, FitnessberaterInnen und DiätassistentInnen begleitet, ihren Lebensstil, ihre Ernährungsgewohnheiten zu ändern und die körperliche Aktivität zu steigern. Das Konzept basiert auf einem ganzheitlichen Ansatz. Wöchentlich nehmen die Beteiligten an Fitness-Chekks und Bewegungstrainings teil, zudem sind Gesprächsrunden mit einer Gesundheitspsychologin und Beratungsgespräche mit einer Diätassistentin fixer Bestandteil des Programms. Zu Programmbeginn haben die TeilnehmerInnen eine Voruntersuchung zu absolvieren, während der Projektlaufzeit sind in regelmäßigen Abständen Kontrollen beim Haus- oder Facharzt bzw. in der Stoffwechselambulanz des Halleiner Krankenhauses zu absolvieren. - Programm zur interdisziplinären Betreuung übergewichtiger Menschen Projekteinreicher: Verein Leichter Leben, Kirchdorf an der Krems Ziel dieses Projekts ist eine umfassende Betreuung übergewichtiger erwachsener Menschen, die zur Änderung ihres Lebensstiles auf der Grundlage der Gesundheitsförderung unter besonderer Beachtung des Prinzips der Nachhaltigkeit und der Lebensqualität angeleitet werden sollen. Dabei werden die Beteiligten vordergründig zur Stärkung ihrer Eigenverantwortung und Eigenkompetenz einer gesunden Lebensführung motiviert. Nach einem individuellen Erstgespräch mit Anamneseerhebung, einer umfangreichen Untersuchung und Fettmessung durch einen betreuenden Arzt, werden die TeilnehmerInnen in Gruppen (á maximal 10 TeilnehmerInnen) eingeteilt, die von einem multiprofessionellen Team, bestehend aus ÄrztInnen, einer klinischen Psychologin, einer Diätassistentin und einer Physiotherapeutin, insgesamt 16 Wochen lang betreut werden. Dabei wird grundlegendes Wissen zu vielen Fragen, die mit Übergewicht in Verbindung gebracht werden, vermittelt: die Ursachen von Übergewicht, Bedeutung der Lebensweise und Vererbung, Analyse der individuellen Gewichtsentwicklung und diverse Diäten werden ebenso thematisiert wie psychologische Hintergründe und Strategien zur Gewichtsreduktion. Nach Kursende wird den AbsolventInnen angeboten, an den Aktivitäten einer Selbsthilfegruppe ("Motivationstreff") im Sinne einer langfristigen Weiterbetreuung teilzunehmen und sie erhalten regelmäßig Informationen über themenspezifische Veranstaltungen des Vereins. - Präventionskochschule Projekteinreicher: Österreichischer Kneippbund 290 Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation Viele Studien beweisen, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen, häufig auftretende Krebserkrankungen, chronische Erkrankungen der Verdauungsorgane und des Stoffwechsels durch gesunde Ernährung positiv beeinflussbar sind und Prävention durch Ernährung sinnvoll ist. Viele Menschen wissen um die Vorteile der gesunden Kost gut Bescheid, sie wissen zum Beispiel, dass Getreide, Obst, Gemüse und Fisch sehr gesund sind. Wenn es aber darum geht, bestimmte Empfehlungen (z.B. fettarm, ballaststoffreich, usw.) selber umzusetzen, sind sie ratlos. Die ProjektbetreiberInnen der Kneipp - Präventionsschule haben sich daher zum Ziel gesetzt, wissenschaftliche Ernährungsempfehlungen in die Praxis umzusetzen, sodass gesundes Kochen einfacher und gesundes Essen in Geschmack und Aussehen attraktiver wird. Mit dem Projekt wird ein wesentlicher Beitrag zur Prävention ernährungsabhängiger Krankheiten geleistet. In Kooperation mit vier österreichischen Haubenköchen wurden die Rezepte entwickelt und in Form von Seminaren jenen Interessierten nahe gebracht, die sich zum/zur KochtrainerIn ausbilden lassen möchten. Die Ausbildung umfasst neben dem praktischen noch einen organisatorischen und einen theoretischen Teil, bei dem relevante Fragen der Ernährungswissenschaft vermittelt werden. Die KochtrainerInnen sollen ihr Wissen und ihre Erfahrungen an Interessierte weiter geben. Begleitend zur Präventionskochschule wurde eine Broschüre entwickelt, in der die Empfehlungen und Tipps zur Zubereitung nachzulesen sind. Das Projekt wird vom Institut für Sozialmedizin in Wien wissenschaftlich evaluiert. - ":-) cu - Xund Jung" - Gesundheitsförderung für die Zielgruppe Übergewichtige Kinder und Jugendliche Projekteinreicher: Regionalforum Steyr-Kirchdorf, Oberösterreich Das Projekt verfolgt das Ziel der nachhaltigen Veränderung des Lebensstils von übergewichtigen Kindern und Jugendlichen im Alter von 9-13 Jahren, zur Steigerung deren Gesundheit und Wohlbefinden unter starker Einbeziehung des Settings "Familien in der Gesunden Gemeinde". Dabei wird ein ressourcenorientierter und ganzheitlicher Ansatz verfolgt. Unter Einbindung regionaler Vereine und Fachleute der Region werden Inhalte in den Themenbereichen Bewegung, Ernährung und psychosoziale Gesundheit umgesetzt. Gemeinsam mit einem multiprofessionellen Team sollen die beteiligten Familien Lösungsansätze finden und an einem 10monatigen Programm teilnehmen. Es sind theoretische als auch praktische Programmmodule vorgesehen, die Beteiligten sollen sich bewusst mit den drei Schwerpunktthemen auseinander setzen. Es werden ihnen Inhalte über Zusammenhänge zwischen Ernährung, Genuss und Qualität vermittelt und bei praktischen Koch-Events mit anschließender Verkostung sollen sie lernen, mit diversen Lebensmitteln und Speisen richtig umzugehen. Gleichzeitig sollen sie Freude an Bewegung, Fitness und Wohlbefinden erfahren und ihre psychosoziale Gesundheit stärken. Ein wichtiges Anliegen ist vor allem die Einbeziehung der Eltern und Familien. Aktivitäten des Fonds Gesundes Österreich Weitere Aktivitäten und Initiativen, die der Fonds Gesundes Österreich im Bereich Ernährung, seit Erscheinen des letzten Ernährungsberichts, gesetzt hat: - Ernährungs-Hotline 0810 810 227 Im Rahmen des Lebensstil-Schwerpunkts wurde im Oktober 1999 die Ernährungs-Hotline vom Fonds Gesundes Österreich in Kooperation mit dem Verein für Konsumenteninformation (VKI) eingerichtet. Sie ist Montag bis Freitag jeweils von 9.00 bis 15.00 Uhr besetzt und bietet AnruferInnen wissenschaftlich fundierte, industrieunabhängige und praxisnahe Informationen zu verschiedenen Fragen der Ernährung. Erreichbar ist die Ernährungs-Hotline zum Ortstarif aus ganz Österreich. Alle Anfragen werden genau dokumentiert. Die Anfragen können folgenden Themen zugeordnet werden: - Gesunde Ernährung - Biologischer Anbau - Lebensmittel und Warenkunde - Lebensmittelkennzeichnung - Lebensmittelhygiene und -sicherheit - Nahrungsergänzungsmittel - Diätetik 291 Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation Abb. 6.1: Anzahl der Anrufe pro Monat für die Jahre 2000, 2001, 2002 und 2003* Anrufe pro Monat 500 450 Gesamt pro Jahr: 2000 1806 2001 1818 2002 2245 400 350 300 250 200 2000 2001 2002 2003 150 100 50 0 Jän. Feb. Mär. Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. * Zahlen für das Jahr 2003 sind nur bis einschließlich Juni vorhanden - Allgemeine Information und Interesse an Zusendung von Informationen Die Evaluierung des ersten Jahres wurde vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien vorgenommen, in den nachfolgenden Jahren vom Verein für Konsumenteninformation (VKI). Die Anruferentwicklung zeigt, dass die Anruferzahlen in den einzelnen Monaten zwar Schwankungen unterliegen, insgesamt aber gestiegen sind (Abb. 1). Vor allem in Monaten, in denen die Hotline im Rahmen der Werbekampagnen des Fonds Gesundes Österreich stark beworben wurde (mittels TV-Spots, Plakate und Inserate), konnte eine höhere Anzahl von Anfragen verzeichnet werden. Dies war beispielsweise in den Monaten April, Mai und Juni 2000, aber auch in den Monaten April, Mai, Juni und Juli 2002 der Fall. Die Hotline wird außerdem regelmäßig mit Kleininseraten, bei diversen Medienkooperationen des Fonds Gesundes Österreich und über die Monatszeitschrift des VKI beworben. - Broschüre "Ernährung: Bewusst lebt besser" Während der Lebensstil-Medienkampagne "Bewusst lebt besser", die der Fonds Gesundes Österreich seit Herbst 1999 in mehreren Modulen durchgeführt hat, um das Bewusstsein hinsichtlich eines gesundheitsfördernden Lebensstils zu erhöhen, konnte eine starke Nachfrage nach Informationen zum Thema Lebensstil beobachtet werden. In der Folge wurde unter anderem die Ernährungsbroschüre erstellt, die einen Überblick über das Thema bietet und darüber hinaus Tipps für den Alltag und zu weiterführender Literatur gibt. In einem gut recherchierten Serviceteil werden österreichweite Kontaktadressen angeführt. Seit dem Jahr 2000 wurden bereits mehr als 210 000 Exemplare gratis an viele interessierte Menschen in Österreich verschickt. Die Broschüre kann von einzelnen Personen angefordert werden. Bei Bedarf wird sie auch in einer höheren Stükkzahl für Informationsveranstaltungen und Vorträge zur Verfügung gestellt. - Die Ernährungskampagne des Fonds Gesundes Österreich 2002 Aufbauend auf die Medienkampagnen der Vorjahre, die Ernährung, Bewegung und seelische Gesundheit als gleichwertige Faktoren für einen gesunden Lebensstil thematisiert hatten, erfolgte 2002 eine Konzentration auf das Thema Ernährung. Unter dem Motto "Bewusst lebt besser" sollte vermittelt werden, dass eine vollwertige und abwechslungsreiche Ernährung die Voraussetzung für Gesundheit und volle Leistungsfähigkeit bildet. Der/die einzelne ÖsterreicherIn sollte motiviert werden, sein/ihr Essverhalten zu überdenken und die Lebensmittelauswahl zu verbessern. Fiktive Lebensmittelkreationen wie Spaccaroni, Kornfisch, Banafurter & Co sollten in TV-Spots, auf Plakaten und in Inseraten Aufmerksamkeit erregen und die ÖsterreicherInnen zu einem Umdenken ihrer Ernährungsgewohnheiten motivieren. Dass gesunde Ernährung auch sehr gut schmecken kann, sollte mit folgenden, die Kampagne begleitenden, Aktionen demonstriert werden. 292 Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation - Gastronomie-Aktion Gemeinsam mit VertreterInnen aus allen Bundesländern (aks Vorarlberg - Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin; Amt der OÖ Landesregierung, Landessanitätsdirektion - Ernährungsberatung; avomed - Arbeitskreis für Vorsorgemedizin in Tirol; avos - Arbeitskreis Vorsorgemedizin Salzburg; Gesundheitsforum NÖ; Proges Kärnten; Styria Vitalis - Gesundheit für die Steiermark; VEÖ Verband der Ernährungswissenschafter Österreichs; WHO Projekt - Wien Gesunde Stadt) hat der Fonds Gesundes Österreich die Aktion "Bewusst isst besser" geplant. Unter diesem Motto sollte Österreichs Gastronomie aufgefordert werden, gesunde und abwechslungsreiche Gerichte auf die Speisepläne zu bringen. Die teilnehmenden Gaststätten und Restaurants haben sich mit ihrer Teilnahme dazu bereit erklärt, entweder an mindestens fünf Tagen pro Woche ein täglich wechselndes "Bewusst isst besser" - Menü oder je Menükomponente - Suppe, Salat, Hauptspeise, Dessert - eine speziell deklarierte "Bewusst isst besser" - Variante anzubieten. Der Schwerpunkt war primär auf fleischreduzierte und vegetarische Gerichte zu legen, wobei natürlich auch Fisch, Eier, Milchprodukte und Hülsenfrüchte nicht fehlen sollten. Bevorzugt sollte vor allem frisches, aus heimischer Produktion stammendes Saisongemüse und -obst verarbeitet werden. Die Hälfte der Hauptspeisen sollte Getreide in Form von Vollkornprodukten enthalten. Als Unterstützung für Ihre Teilnahme erhielten die GastronomInnen individuelle Beratung von ErnährungswissenschafterInnen oder DiätasistentInnen, die ihnen mit praktischen Ratschlägen, beispielsweise mit Tipps zur fettärmeren Zubereitung von Speisen oder mit empfehlenswerten Rezepten zur Seite standen. Die Aktion fand insgesamt großen Anklang und das feed back der 186 teilnehmenden GastronomInnen aus allen Bundesländern war erfreulicherweise sehr positiv. Anhand von Fragebögen wurde der Erfolg der Aktion evaluiert. Viele GastronomInnen sind seither bemüht, die ‚neuen Gerichte' auch nach Abschluss der Aktion in ihren Menüplänen beizubehalten. - Erster Österreichischer Betriebsküchenwettbewerb Eine zweite Aktion, die der Fonds Gesundes Österreich initiierte und deren Module primär auf große Betriebsküchen ausgerichtet waren, wurde in Kooperation mit den Organisationen AGÖ (Arbeitsgemeinschaft Großküchen Österreichs), aks Austria (Forum Österreichischer Gesundheitsarbeitskreise), der Nationalen Kontaktstelle Betriebliche Gesundheitsförderung und dem VEÖ (Verband der Ernährungswissenschafter Österreichs) geplant. Kernelement dieser Aktion war der 1. Österreichische Betriebsküchenwettbewerb, zu dem etwa 600 Betriebsküchen eingeladen wurden. Angesprochen waren vor allem jene Betriebsküchen, die täglich für mindestens 100 MitarbeiterInnen warme Mahlzeiten zubereiten. Die Grundvoraussetzung bestand darin, abwechslungsreiche Speisepläne, durchgehend für vier Wochen, nach einfachen, ernährungswissenschaftlich fundierten Kriterien zusammenzustellen und im Zeitraum von Anfang Juni bis Ende August 2002 umzusetzen. Besonderer Wert wurde auf die abwechslungsreiche Gestaltung der Speisepläne gelegt, sowie auf die Verwendung saisonaler und regionaler Lebensmittel, vor allem bei Obst, Gemüse und Salat. Nicht zuletzt mussten die ‚Bewussten Gerichte' natürlich den Anforderungen einer Großküche entsprechen. Bei der Zubereitung sollte fettsparenden Garmethoden der Vorzug gegeben werden. Mittels Fragebogen wurde erhoben, wieweit die jeweilige Betriebsküche auf die Anforderung ihrer Gäste eingeht und der Gast beispielsweise Einfluss auf Portionsgrößen ausüben kann. Neben den Speiseplänen waren die TeilnehmerInnen aufgefordert, empfehlenswerte Rezepte aus den Kategorien Suppe/Vorspeise, Fleisch, Fisch, Vegetarisch und Dessert zur Bewertung einzureichen. Insgesamt stellten sich 45 Betriebsküchen dem Wettbewerb. Die Jury bewertete vor allem die Attraktivität der ‚Bewusst lebt besser' Speisen, die Sinnhaftigkeit der "gesunden Auswahl", die Speisenzusammenstellung und den regionalen Einsatz der Lebensmittel. Ein von den jeweiligen KüchenleiterInnen ausgefüllter Fragebogen gab Auskunft, über die technische Ausstattung, über die Anzahl der Tagesgäste, ob vorwiegend Männer oder Frauen bzw. Personen mit schwerer oder leichter körperlicher Tätigkeit das Angebot in Anspruch nehmen. Weiters wurde erfragt, ob täglich ein Salatbuffet angeboten wird und wie groß die Zahl von Salatrezepten im Jahressortiment ist, ob täglich frisches Obst angeboten wird und ob die Gäste die Möglichkeit haben, auch fleischreduzierte Speisen zu wählen. Die Sieger Küchen: Sieger des 1. Österreichischen Betriebsküchenwettbewerbes war die Betriebsküche des BMW Motorenwerks in Steyr. Diese zeichnete sich durch attraktive Speisepläne mit sehr vielen fettarmen Haupt- 293 Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation speisen aus, die saisonalen und regionalen Bezug aufwiesen. Täglich wird bei BMW ein sogenanntes Pfiffig - Rezept angeboten, das den ernährungswissenschaftlichen Empfehlungen voll entspricht. Der zweite Platz ging an Domus Facility Management, die für die MitarbeiterInnen der Bank Austria kocht. Die Jury lobte deren originelle und bunte Speisenauswahl. Besonders punkteten die einfallsreichen Vorspeisen und die oft gereichten Fischgerichte. Platz drei errang das Restaurant Lenzesa der oberösterreichischen Lenzing AG. Vor allem die Verpflegung von Schichtarbeitern mit warmen Essen in der Nacht, weiters die Möglichkeit, sich den Speiseteller selbst zusammenzustellen, sowie die kreativen Rezepte und das variationsreiche Suppenbuffet überzeugten die Jury. Ein Anerkennungspreis wurde an Lässer Gastronomie in Bregenz verliehen. Reinhard Lässer betreibt das Restaurant im Landhaus, das die Jury durch frische und sehr rasche Zubereitung sowie durch regional gefärbte Gerichte mit hohem Anteil an biologischen Lebensmitteln beeindruckte. Die Prämierung der Siegerküchen erfolgte im Rahmen der Betriebsküchenveranstaltung "Zeitgemäße Betriebsküche - Zufriedene Gäste" am 3. Oktober 2002 in Wien. Zu dieser eintägigen Veranstaltung waren alle BetriebsküchenleiterInnen Österreichs eingeladen. Das Interesse war enorm groß, insgesamt haben 190 Personen an der Veranstaltung teilgenommen. Vorträge zu folgenden Themen standen auf dem Programm: - Trends in der Gemeinschaftsverpflegung - Aufgaben der Gemeinschaftsverpflegung gestern - heute - morgen - Was wünscht sich der Kunde von morgen? - Im Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis - Die Umsetzung von wissenschaftlichen Nährwertempfehlungen in der Betriebsküche - Erwartungen und Qualitätseinschätzungen des Gastes an den zeitgemäßen Außer-Haus-Verzehr Ferner wurden erfolgreiche Modellprojekte vorgestellt. Für Diskussionen blieb ebenfalls genügend Zeit, um die verschiedenen Perspektiven einer zeitgemäßen Betriebsküche ausführlich zu erläutern. Rezeptbuch: Die innovativsten Rezepte der Teilnehmerküchen, wurden in einem Rezeptbuch zusammengefasst, das mit Unterstützung der Firma Nestlé Food Services in einer Auflage von 2000 Stück gedruckt wurde und allen großen Betriebsküchen gratis zur Verfügung gestellt wurde. Die Rezepte wurden folgenden Kapiteln zugeordnet: - Kohlenhydrate - bringen Gehirn und Muskel auf Trab - Gemüse von der Suppe bis zum Hauptgericht - Fleischgerichte nicht immer! Aber wenn, dann besonders feine - Ganz im Trend - leichte Fischgerichte - Obst und Kuchen - Milch & Co - damit Knochen wirklich beinhart werden 294 Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation 6.2 Gesundheitsförderung in Österreich Zusammenfassung Mit der "Ottawa Charta zur Gesundheitsförderung" 1986 wurde ein wichtiger Schritt mit dem Ziel, der Bevölkerung ein Leben in maximaler Gesundheit zu ermöglichen, gesetzt. In Österreich wurde mit der Verabschiedung des Gesundheitsförderungsgesetzes (GfG) 1998 die rechtliche Grundlage zur Verwirklichung der Ziele und Maßnahmen in diesem Bereich geschaffen. Der Beitritt Wiens zum "Gesunde Städte"-Projekt 1988 war der Beginn für zahlreiche Projekte und Initiativen zur Verbesserung der Gesundheitssituation in der Großstadt. Eines der Projekte im Rahmen des Gesundheitsförderungsplans für Wien, war das "Netzwerk Ernährung", welches im Auftrag der Gemeinde Wien vom Institut für Ernährungswissenschaften als dreijähriges Pilotprojekt durchgeführt wurde. Mit Hilfe verschiedener Maßnahmen, wie Newsletter, Homepage, Workshops und Symposien, wurde versucht, wissenschaftlich fundierte Ernährungsinformation zu verbreiten. Eine wichtige Aufgabe des Netzwerks war dabei, bereits vorhandene Strukturen auf dem Gebiet der Ernährungsberatung zu verbinden bzw. zu unterstützen. In einer Erhebung des Instituts für Ernährungswissenschaften der Universität Wien wurde das Angebot an Ernährungsinformation im World Wide Web (Internet) untersucht. Die Websites mit ernährungsbezogener Information nehmen ständig zu, unterliegen aber inhaltlich keiner Kontrolle und sind daher nicht uneingeschränkt zu empfehlen. Mit Hilfe von Suchmaschinen wurden Internetseiten zum Schlagwort "Ernährung" gesucht. Von insgesamt 76 untersuchten österreichischen Websites wurden 61 von einer Institution oder Organisation, 12 von einem Lebensmittel-, Pharma- oder anderem Handelskonzern und 3 aus dem Fitnessbereich zur Verfügung gestellt. Bei nicht einmal der Hälfte der Seiten wurde ein Verfasser genannt, ebenso gibt es kaum Aufschluss über deren Profession. Die Qualität der Inhalte konnte nur in 24% der Fälle als "gut" eingestuft werden, wobei nicht nur die Richtigkeit sondern auch die Genauigkeit der Angaben verbesserungswürdig waren. Das Medium Internet stellt eine sehr große, allerdings unstrukturierte und unkontrollierte Informationsquelle dar, nicht zuletzt, da die meisten Websites von Marketing- und Medienfachleuten, nicht aber von bzw. mit Hilfe von Ernährungswissenschaftern erarbeitet werden. Allgemeines Österreich ist seit 1948 Mitglied der Weltgesundheitsorganisation (WHO, World Health Organization). Diese langjährige Zusammenarbeit war eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung der Gesundheitsförderung in Österreich. In Anbetracht der Größe der Gesundheitsprobleme und der unzureichenden und ungerechten Verteilung von Gesundheitsressourcen in der Welt, entschied die WHO auf ihrer 30. Weltgesundheitsversammlung 1977 in Genf, dass das vorrangige Ziel von Regierungen und der WHO in den kommenden Jahrzehnten die Erreichung eines Grades von Gesundheit für alle Bürger dieser Welt bis zum Jahr 2000 sein soll, der ihnen erlaubt, ein sozial und ökonomisch produktives Leben zu führen. Unter den Zielen, welche zur Erreichung der "Gesundheit für alle" (GFA, Health for all) gesetzt wurden, sind u.a. einige Punkte, die sich auf den Bereich Ernährung beziehen: - - - Ziel 16: Bis zum Jahr 2000 sollte es in allen Mitgliedstaaten anhaltende Bestrebungen geben, mit denen man gesunde Lebensgewohnheiten aktiv fördert und unterstützt, indem man für ausgewogene Ernährung, sinnvolle Betätigung, gesundes Sexualleben und gute Stressbewältigung eintritt und andere Aspekte eines positiven Gesundheitsverhaltens betont. Ziel 22: Bis zum Jahr 2000 sollen die von Mikroorganismen und ihren Toxinen, von Chemikalien und Radioaktivität in Lebensmitteln ausgehenden Gesundheitsrisiken in allen Mitgliedstaaten deutlich zurückgegangen sein. Ziel 35: Bis zum Jahr 2000 sollten in allen Mitgliedstaaten Gesundheitsinformationssysteme die Formulierung, Umsetzung, Begleitüberwachung und Evaluation der GFA-Politik aktiv abstützen. Auf der 1. Internationalen Konferenz zur Gesundheitsförderung 1986 wurde die "Ottawa Charta für Gesundheitsförderung" festgelegt. Darin wurde der Begriff Gesundheit erstmals nicht nur zu einem Anliegen des medizinischen Systems, sondern auch aller anderen Funktionssysteme der Gesellschaft - wie Ökonomie, Politik, Wissenschaft und Erziehung. Die Menschen sollten angehalten werden ihren Lebensstil zu verändern, d.h. jede Person für sich sollte Gesundheit nicht als selbstverständliche Ressource betrachten, sondern Eigenverantwortung dafür übernehmen. 295 Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation 1998 wurde vom österreichischen Nationalrat das Gesundheitsförderungsgesetz (GfG) über Maßnahmen und Initiativen zur Gesundheitsförderung, -aufklärung und -information beschlossen (BGBl. I Nr. 51/1998). Gegenstand dieses Bundesgesetzes sind Maßnahmen und Initiativen, die zur Erreichung folgender Zielsetzungen beitragen: - Erhaltung, Förderung und Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung im ganzheitlichen Sinn und in allen Phasen des Lebens; Aufklärung und Information über vermeidbare Krankheiten sowie über die die Gesundheit beeinflussenden seelischen, geistigen und sozialen Faktoren. Folgende grundlegenden Strategien sind zur Erreichung der in § 1 genannten Zielsetzungen vorzusehen: 1. Strukturaufbau für Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention unter Berücksichtigung und Einbindung bestehender Einrichtungen und Strukturen; 2. Entwicklung und Vergabe von bevölkerungsnahen, kontextbezogenen Programmen und Angeboten in Gemeinden, Städten, Schulen, Betrieben und im öffentlichen Gesundheitswesen; 3. Entwicklung zielgruppenspezifischer Programme zur Information und Beratung über gesunden Lebensstil, Krankheitsprävention sowie Umgang mit chronischen Krankheiten und Krisensituationen; 4. wissenschaftliche Programme zur Weiterentwicklung der Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention sowie der Epidemiologie, Evaluation und Qualitätssicherung in diesem Bereich; 5. Unterstützung der Fortbildung von Personen, die in der Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention tätig sind; 6. Abstimmung der Maßnahmen und Initiativen im Sinne dieses Bundesgesetzes mit bestehenden Aktivitäten im Bereich der Gesundheitsförderung. Mit der Durchführung der Initiativen im Sinne des GfG ist der gemeinnützige Fonds "Gesundes Österreich" beauftragt. Ihm stehen jährlich finanzielle Mittel zur Verfügung, um Projekte zu unterstützen. Im jährlichen Geschäftsbericht kann Einblick in die durchgeführten Aktivitäten genommen werden. Österreichweite Projekte zur Gesundheitsförderung Aufbauend auf den Grundlagen der "Gesundheit für alle"-Ziele und den Prinzipien der Ottawa Charta startete die WHO 1987 das "Gesunde Städte"-Projekt (Healthy Cities). Die Stadt Wien trat bereits 1988 dem Projekt bei und ist, als einzige Stadt Österreichs, direktes Mitglied. Mittlerweile ist Österreich an verschiedenen Gesundheitsförderungsprojekten beteiligt: - Österreichisches Gesunde Städte Netzwerk - 1992 wurde das "Österreichische Gesunde Städte Netzwerk" (ÖGSN) gegründet, welches mittlerweile 31 Mitglieder umfasst. - Österreichisches Netzwerk Gesundheitsfördernder Schulen - Seit 1993 ist Österreich mit einem nationalen Netzwerk am "Europäischen Netzwerk Gesundheitsfördernder Schulen" beteiligt. Unterstützt wird das Projekt von den Bundesministerien für Gesundheit und Frauen sowie Bildung, Wissenschaft und Kultur. - Österreichisches Netzwerk Gesundheitsfördernder Krankenhäuser - Mit dem Ziel, Krankenhäuser darin zu unterstützen, ihre Organisation in Richtung Gesundheitsförderung zu entwickeln, wurde 1990 das Netzwerk Gesundheitsfördernder Krankenhäuser errichtet. Kooperationszentrum ist das Ludwig-Boltzmann-Institut für Medizin- und Gesundheitssoziologie (LBIMGS). - Betriebliche Gesundheitsförderung - Im Rahmen des Aktionsprogramms zur Gesundheitsförderung, Aufklärung, Erziehung und Ausbildung der EU findet das Netzwerk zur betrieblichen Gesundheitsförderung statt. - Megapoles - Im Auftrag der Europäischen Kommission, DG SANCO (Generaldirektion für Gesundheit und Verbraucherschutz) wird das Projekt Megapoles durchgeführt. Das Projekt hat die Verbesserung der Gesundheitssituation in Großstädten zum Ziel. - CINDI-Programm (Countrywide Integrated Noncommunicable Disease Intervention Programme) 296 Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation Der Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin in Vorarlberg führt seit 1986 Querschnittsstudien (Population Surveys) durch, um den Gesundheitszustand der westlichen Bevölkerung Österreichs zu erfassen. Ziel des CINDI-Programms ist die Reduktion von Zivilisationskrankheiten. Wien - Gesunde Stadt In Wien wurde mit dem Beitritt in das "Gesunde Städte"-Projekt der WHO ein wichtiger Impuls im Gesundheitsförderungsbereich gesetzt. Mit der "Deklaration des Wiener Gemeinderates zur Gesundheitsförderung in Wien" 1989 wurden die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen. 1995 wurde das Dezernat für Gesundheitsplanung (heute: Bereichsleitung für Gesundheitsplanung und Finanzmanagement) eingerichtet, welches mit der Koordination des WHO-Projektes beauftragt wurde. - Das WHO-Projekt "Wien Gesunde Stadt" umfasst eine Reihe von Projekten: Ein Herz für Wien Frauengesundheitszentren F.E.M. und F.E.M. Süd Wiener Netzwerk Ernährung Gesunde Leopoldstadt Gesundheitsförderung im Krankenhaus Haltungsschäden vermeiden Initiative "Josefstadt - ganz schön sicher" Migranten/-innen und Gesundheit Sicher gehen über 60 Walking Miles Wiener Netzwerk - Gesundheitsfördernde Schulen Zahngesundheitsförderung Unter dem Titel "Wiener Gesundheitsförderungsprogramm" erschien im Jahr 2000 der Gesundheitsplan (City Health Plan) für Wien, als Voraussetzung für die Teilnahme der Stadt an der 3. Umsetzungsphase des "Gesunde Städte"-Projektes. Darin enthalten sind Maßnahmen und Konzepte zu den drei Schwerpunktthemen "Kampf den Herz-Kreislauf-Erkrankungen", "Haltungsschäden vermeiden" und "Gesunde Ernährung". Netzwerk Ernährung Als die Gemeinde Wien dem Institut für Ernährungswissenschaften den Auftrag zur Erstellung eines Maßnahmenprogramms zum Thema "Gesunde Ernährung" erteilte, wurde das Konzept für ein Ernährungs-Informations-Netzwerk ausgearbeitet. Die Idee des Netzwerks ist nicht, neue Einrichtungen zu schaffen, sondern vorhandene Strukturen zu nutzen bzw. zu verbinden. Die Zusammenarbeit und der Erfahrungsaustausch zwischen einzelnen Organisationen sind wichtig, um die Effektivität von Maßnahmen zu steigern. Da es meist schwierig ist, den Einzelnen direkt anzusprechen, ist es sinnvoll die Menschen an jenen Orten zu erreichen, wo sie leben, arbeiten, lernen, spielen, usw. (Setting-Ansatz). Das Netzwerk nutzt in diesem Sinne Mitgliederorganisationen als Multiplikatoren, um den Endverbraucher mit relevanter Information zu versorgen. Im Jahr 2000 startete das Pilotprojekt "Netzwerk Ernährung" unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Ibrahim Elmadfa, Vorstand des Instituts für Ernährungswissenschaften. Die Aufgabe bestand in der Schaffung einer Netzwerk-Struktur, um einen besseren Überblickung über vorhandene Aktivitäten, eine bessere Zusammenarbeit beteiligter Organisationen und eine Verbesserung auf dem Gebiet der Ernährungsinformation und -beratung zu erlangen. Strukturell war das Netzwerk aus einer Koordinationsstelle, die am Institut für Ernährungswissenschaften eingerichtet wurde, einem Gremium aus Partnerorganisationen (Vertreter aus den Bereichen: Ernährungswissenschaften, Diätetik, Gesundheitswesen, Gesundheitsförderung und Lebensmittelsicherheit), die vierteljährlich zusammentrafen und zahlreichen Mitgliedern aufgebaut. Partner und Mitglieder waren aufgefordert aktiv am Netzwerk mitzuarbeiten und konnten andererseits von den gesetzten Maßnahmen profitieren. Maßnahmen für die Umsetzung des Projektes waren: - Veröffentlichungen im internen Newsletter sowie in Mitgliederzeitschriften bzw. im Internet, - die Sammlung von Ernährungsinformationen (Literatur, Broschüren, Veranstaltungs-, Internettipps), 297 Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation - Workshops und Vorträge für Multiplikatoren bzw. spezielle Zielgruppen, Symposien, Errichtung einer Datenbank, Errichtung und Betreuung einer Homepage, Zusammenstellung von Informationsquellen. Die dreijährige Pilotphase zeigte, wie vielseitig der Bereich der Ernährungsberatung ist und wie unterschiedlich die erforderlichen Informationen sein können. Eine Intensivierung der Zusammenarbeit einzelner Teilnehmer-Organisationen sowie der Ausbau der Servicetätigkeit der Netzwerk-Koordinationsstelle wären aufbauende Maßnahmen für die Zukunft. Mit Ende 2002 ging die Verantwortlichkeit für das Projekt an die Stadt Wien, MA 15 Gesundheitswesen, über. Ernährungsinformation im Internet Das Internet bietet die Möglichkeit Informationen auszutauschen, den Verbraucher aufzuklären, zu sensibilisieren, wissenschaftliche Erkenntnisse zu verbreiten und nach dem Motto "Prävention durch Information" auch das Gesundheitsverhalten der Bevölkerung zu beeinflussen. Die Anzahl an Websites, die Informationen zum Thema Gesundheit und Ernährung anbieten, ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Im Gegensatz zu gedruckten Medien werden Internetinformationen grundsätzlich keiner Bewertung unterzogen, d.h. es gibt keinen Review-Prozess (= Begutachtung durch Experten). Da es für den Laien schwierig ist aus der großen Fülle an Informationen, die teilweise unvollständig oder auch veraltet sind, die für ihn relevanten Daten herauszufiltern, gibt es Bestrebungen, Kriterien für die Qualitätsbeurteilung von Internetseiten zu erarbeiten. Im Rahmen einer Erhebung über das Angebot an Ernährungsinformation im World Wide Web, wurde mittels verschiedener Österreichspezifischer Suchmaschinen nach dem Schlagwort "Ernährung" gesucht. Die gefundenen Websites wurden analysiert und nach festgesetzten Kriterien beurteilt. Aus einer Anzahl an insgesamt 76 untersuchten österreichischen Websites konnten 61 einer Institution oder Organisation zugeordnet werden, 12 Internetseiten stammten von einem Lebensmittel-, Pharma- oder anderem Handelskonzern und 3 Homepages kamen aus dem Fitnesssektor. Eine wichtige Frage, die sich bei der Qualitätsbeurteilung von Informationen stellt, ist, wer für die veröffentlichten Inhalte verantwortlich ist und welche fachli- 3% 3% 4% 19% 7% 7% 17% 8% 16% Abb. 6.2: Anbieter von Ernährungsinformation im Internet 16% Arbeitskreis Versicherung Fitness Sonstiges Internetmagazin, Zeitschriften öffentliche Institute Lebensmittel-, Pharma-, Handelsketten Einzelpersonen Firmen Vereine 298 Kapitel 6. Gesundheitsförderung und Kommunikation 28% 4% 4% 6% 6% 12% 22% 18% Psychologen Dipl. Krankenpflege Journalisten Dipl. Gesundheitstrainer Dipl. Diätass. & ernährungsmed. Berater/-innen Andere Berufsgruppen Mediziner Ernährungswissenschafter che Qualifikation derjenige aufweisen kann. Die Untersuchung zeigte, dass Vereine (19%) gefolgt von Firmen (17%), Einzelpersonen und Lebensmittel-, Pharmabzw. sonstigen Handelsketten mit je 16% am häufigsten Ernährungsinformationen ins Internet stellen (Abb. 6.2). Auf 45% der Internetseiten wird ein Verfasser angegeben, wohingegen bei 50% unklar ist, von wem die Texte stammen. Bei einigen Seiten werden nur zum Teil Autoren genannt. Bei rund der Hälfte aller beurteilten Websites ist unklar, welche berufliche Qualifikation der Autor hat. Unter den genannten finden sich am häufigsten Ernährungswissenschafter/-innen (15%) und Mediziner/-innen (11%) (Abb. 6.3). Unter dem Begriff "andere Berufsgruppen" wurden all jene zusammengefasst, die nur einmal genannt wurden. Dazu zählen ein Sportwissenschafter, ein Pädagoge, ein Medientechniker, ein Koch/Kellner, ein Fachpraktiker für Ernährung, ein Pharmazeut, ein Trainer, ein Schüler und ein Wissenschafter ohne nähere Angabe über die Fachrichtung. Die inhaltliche Beurteilung der einzelnen Websites zeigt, dass im Hinblick auf die Qualität, also die Richtigkeit der Aussagen, nur ein Viertel der Internetseiten als "gut" einzustufen sind. 22% der Seiten weisen hingegen kleinere Fehler auf und 13% sind als schlechte Informationsquellen einzustufen. Keine Auswertung konnte bei Homepages gemacht werden, deren Betreiber sich zwar mit Ernährung befassen, die aber keine allgemeinen ernährungsbezogenen Informationen anbieten (Abb. 6.4). Ein weiteres Qualitätskriterium bei der Beurteilung war die Genauigkeit, d.h. wie detailliert, umfassend und zusammenhängend die Inhalte erklärt werden. Lediglich 29 Websites erfüllen die Anforderungen, wohingegen 31 die Thematik nur sehr oberflächlich abhandeln. Um die Aktualität der Ernährungsinformation beurteilen zu können, wurden die Seiten au