Dr. Markus Kasper – Wien, Untersuchungsgang (UG)

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Untersuchungsgang (UG)
Die Befunderhebung bzw. Untersuchung des Patienten dient zielgerichtet der
Diagnosefindung und Prognosestellung. An Hand des davon abgeleiteten Therapieplanes
wird auch dessen Intensität (Dosis) festgelegt.
Dieser Vorgang ist nicht starr, sondern kann und muss im Verlaufe der Therapie dem
Fortschritt des Patienten angepasst werden. Daraus ersichtlich ergeben sich Probleme, die
ein starres Behandlungsprotokoll nicht zulassen. Jeder Therapieplan ist als individuelles
„Einzelstück“ zu betrachten ist. Die Erfahrung des Therapeuten gewährt natürlich
Parallelitäten und Einsichten aus ähnlich gelagerten Fällen. Es ist deshalb mit einem
Stillstand im Fortschritt der Schmerztherapie nicht so bald zu rechnen.
Exkurs:
Die Behandlungszeiten wurden und werden aber im Laufe der Zeiten kürzer, da die
möglichen Methoden und deren Kombinationen ein immer effektiveres Vorgehen
ermöglichen. Diese Effektivität wird aber auch durch den Besitzerdruck und durch die relativ
kurze Lebenszeit unserer Patienten geschürt. Es sind deshalb die Behandlungsregimes in
der Kleintiermedizin prinzipiell zu überdenken und anders gelagert als in der Humanmedizin,
die zwar wiederum anderen Zwängen unterliegt, aber grundsätzlich mit einem größeren
„Geduldsfaktor“ rechnen kann. So wird vor allem im Hinblick auf chirurgische Eingriffe ein
Umdenken notwendig sein, derart, dass der Schmerztherapeut die Indikation erstellt und
einen Eingriff vorschreibt und Vorsorge und Nach- und Weiterbehandlung übernimmt. Dies
wiederum verlangt von ihm ein Höchstmaß an Fort- und Weiterbildungswillen und erweitert
seine Tätigkeit in Richtung therapeutisches Management.
Der UG ist letztlich, wie eine verkehrte Pyramide, zielgerichtet. Es geht nicht darum, wie in
der modernen Medizin üblich, unter Ausnützung aller zur Verfügung stehender Ressourcen,
eine Vielzahl von Befunden zu erheben um daraus eine „diagnostische Schnittfläche“ (im
Sinne der Mengenlehre) zu entwickeln.
Die Teile des Untersuchungsganges sollen vielmehr in logischer Abfolge zu einander stehen,
sich (zumindest teilweise) bedingen und nach Absolvierung eines Abschnittes, die Intensität
der folgenden Untersuchungen bestimmen (Gangbildanalyse  Adspektion in der Ruhe 
Palpation ...).
Hilfsuntersuchungen wie die bildgebende Diagnostik, Laborbefundungen etc. werden nicht
im Sinne eines „Scannings“ sondern auf Grund einer speziellen Fragestellung eingesetzt.
Dies bedeutet letztlich eine qualitative und quantitative Verbesserung der Befundausbeute
aus dem angestrebten Verfahren.
Ein kleines Beispiel zur Erläuterung:
Der UG beginnt mit dem Nationale (Signalement): Die Frage nach der Rasse einer Katze
oder eines Hundes, soll den Sinn (Spürsinn, Aufmerksamkeit) des Untersuchers für
spezifische Problematiken dieser Rassen schärfen: So sind bei einer Perserkatze z. B.
Probleme im thorakolumbalen und lumbosakralen Übergangen, bzw. Hüftprobleme oder
Herzerkrankungen zu erwarten, wo hingegen Boxer sehr oft und weitreichende
Ankylosierungen der Wirbelsäule und Labradore und viele andere Rassen eine
Prädisposition für Hüftleiden aufweisen neigen. Das soll nicht dazu führen, andere
Problematiken außer Acht zu lassen, aber den Untersucher eindringlich auf rassespezifische
Eigenheiten aufmerksam hinweisen, die auch einer Vielzahl von Sekundärproblemen nach
sich ziehen können.
Auch die Feststellung des Alters muss zu einer Fokussierung auf spezielle Probleme der
betreffenden Altersgruppe, wie z. B. Jungtier oder geriatrische Tiere, führen.
Die Teile des UG sind Befunderhebungen und keine Diagnosen. So lassen sich von der
subjektiven Gangbildanalyse viele Befunde und Schlussfolgerungen ableiten, aber prinzipiell
sollten daraus Untersuchungskonsequenzen erwachsen, die die Beobachtungen
untermauern und/oder relativieren.
Der im nachfolgenden erläuterte UG stellt eine Erweiterung der klinischen Untersuchung dar,
weil nur das eine ganzheitliche Sicht des Patienten gestattet, seine Befindlichkeiten
quantifizieren lässt, um den Leidensdruck zu ermessen. Dieser Leidensdruck, der sich u. a.
durch die Unterlassung positiver Lebensäußerungen (Spielverhalten, Sexualverhalten,
Leistungswille, Appetit,...) äußert, ist ein (mit)bestimmender Faktor für den Therapieplan.
Es hat sich als sinnvoll erwiesen, ein Formular im Sinne einer check-Liste für den
Untersuchungsgang abzuarbeiten (Abb. XXX), um unter keinen Umständen etwas zu
vergessen und um eine gute Patientendokumentation davon abzuleiten.
Der Untersuchungsgang gliedert sich in:
-
Nationale (Signalement)
-
Vorbericht (Anamnese)
-
Klinische Untersuchung (inkl. Palpation Thorax und Abdomen)
-
Gangbildanalyse (Adspektion in der Bewegung)
-
Adspektion in der Ruhe
-
Palpationen
o
Kiblersche Hautfaltenpalpation
-
o
Druckpunktpalpation (Rumpfsegmente)
o
Triggerpunktuntersuchungen (Extremitäten)
o
Gelenksfunktionsprüfungen
Hilfsuntersuchungen
o
Bildgebende Diagnostik
o
Laboruntersuchungen
o
Videoanalyse
-
Zusammenfassung der Befunde
-
Dynamische Diagnose (Diagnose[n], Bewertung, Prognose)
-
Therapie
Man könnte annehmen, dass es sich um einen orthopädischen Untersuchungsgang
handelt. Bei näherem Studium der Abschnitte des UG wird man aber bemerken, dass es
sich um einen Austausch von „äußeren“ und „inneren“ Symptomen, Befunden und
Auffälligkeiten handelt. Es bleibt dem „Äußeren“ (Haut, Muskeln und deren neuralen
Strukturen) nichts verborgen. So reagieren diese Schichten immer mit, wenn eine
viszerale Störung bzw. Erkrankung vorliegt und (selbstverständlich) auch umgekehrt. Wie
im Kapitel „Segmentalreflektorik“ näher beschrieben – gibt es im Körper (und auch in den
Abläufen der Natur) nach Bergsmann „keine Einbahnen sondern nur Kreisverkehre“!
Der UG ist so konzipiert, dass auf Grund der Anamnese und klinischen Untersuchung die
segmentalen Symptomatiken besser verstanden und eingeordnet werden können. In
fortgeschrittenen Stadien wird dies immer schwieriger, weil sich entweder Symptome,
Störung oder Krankheiten überlagern oder letztlich jede längerwährende Erkrankung
auffällig dem orthopädischen Anteil des Organismus mitteilt und zu Schonhaltungen und
-bewegungen führt.
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