Krankenbericht

Werbung
KRANKENBERICHT
über eine Patientin der Klinik für Wiederkäuer und Schweine.
Anamnese:
Das Tier wurde am 7.11.99 um 11.00 Uhr ohne Anmeldung eingeliefert. Die Kuh
zeigte zuvor eine verringerte Milchleistung und Krämpfigkeit. Außerdem war sie
im Stall ausgerutscht. Der Haustierarzt hatte eine Labmagenverlagerung rechts
festgestellt.
Die Patientin wird mit 60 anderen Milchkühen und der Nachzucht im
Boxenlaufstall gehalten.
Es ist ein BVD- und IBR-Impfbestand.
Die Tiere werden mit Maissilage, Gras, Heu und Biertreber gefüttert.
Signalement:
Bei dem zur Untersuchung vorgestellten Tier handelt es sich um eine Deutsche
Schwarzbunte Milchkuh.
Die Kuh wiegt ca. 570 kg.
Bei den Schneidezähnen ist der I 3 fast hochgewachsen und der I 4 noch nicht
gewechselt. Demnach ist das Tier ungefähr 3,5 Jahre alt.
Im rechten Ohr befindet sich eine Ohrmarke mit der BuchstabenZahlenkombination DE 06640 40966. Es ist ebenfalls eine bestandseigene
Kennzeichnung mit der Kombination 9 S 137 vorhanden.
Die Kuh ist enthornt.
Allgemeine klinische Untersuchung:
Das Tier steht aufrecht, belastet alle 4 Gliedmaßen, tippelt aber mit den hinteren
Beinen.
Es ist aufmerksam aber ruhig, nimmt an seiner Umgebung teil und Futter auf.
Der Pflegezustand ist mäßig bis gut, die Klauen sind, vor allem an den
Hintergliedmaßen, etwas zu lang.
Die Lendenwirbel-Querfortsätze sind erkennbar, erscheinen abgerundet und eine
Stufenbildung mit leichter Einziehung zur Hungergrube ist zu erkennen. Der
Lendenbereich ist leicht eingesunken und einzelne Wirbel sind deutlich
palpierbar. Hüft- und Sitzbeinhöcker stehen vor und die Beckenausgangsgrube
ist mäßig tief. Demnach ist der Ernährungszustand mäßig, bzw. nach BSC Grad
2.
Die rektal gemessene Körperinnentemperatur beträgt 38,5°C und die
Körperoberflächentemperatur nimmt zu den Extremitäten hin ab.
Die Atemfrequenz beträgt 20 Atemzüge pro Minute.
Die Herzfrequenz bewegt sich mit 66 Schlägen pro Minute ebenfalls im
physiologischen Bereich.
Das Allgemeinbefinden ist geringgradig gestört.
Der vermutliche Sitz der Erkrankung befindet sich im Verdauungstrakt und im
Bewegungstrakt.
Spezielle klinische Untersuchung:
Haare, Haut, Unterhaut, sichtbare Schleimhäute:
Im Bereich der rechten Hungergrube befindet sich eine 60 x 80 cm große rasierte
Fläche. Unterhalb des linken Knies ist eine ca. 5 x 3 cm große, am Fesselgelenk
medial eine ca. 8 x 2 cm große, auf beiden Sprunggelenken je eine ungefähr 5 x
5 cm große haarlose Stelle zu sehen. Rechts und links des Schwanzansatzes
gibt es haarlose, schuppige Bezirke, in deren Umgebung die Haare auch
vermehrt ausziehbar sind.Ansonsten ist das Haarkleid dicht geschlossen und
mäßig glänzend.
Die Temperatur der Haut ist physiologisch verteilt. Auf der rasierten Fläche ist
eine ungefähr 20 cm lange OP-Wunde, welche von kraniodorsal nach
kaudoventral verläuft, trocken und mit Gaze abgedeckt ist, zu sehen. Die
Umgebung der Wunde ist vermehrt warm. Ein Juckreiz ist, auch an den
haarlosen Stellen am Schwanzansatz, nicht festzustellen.
Der Hautturgor ist erhalten, eine am Hals gebildete Hautfalte verstreicht sofort.
Um die OP-Wunde herum, besonders auf den darüber gelegenen
Lendenwirbelquerfortsätzen ist die Unterhaut im Umfang vermehrt. Bei der
Palpation ist Fluktuation bemerkbar und das Gewebe wirkt emphysematös.
Die Schleimhäute von Flotzmaul, Mundhöhle, Naseneingang, Konjunktiven und
im Schambereich sind blassrosa, feucht, glatt, glänzend und ohne
Auflagerungen.
Lymphapparat:
Die Mandibular-, Parotis- und Retropharyngeallymphknoten sind nicht fühlbar.
Bug-, Kniefalten- und Euterlymphknoten sind palpierbar und wegen Größe,
Konsistenz, Wärme und Schmerzhaftigkeit nicht auffällig.
Kreislauf:
Adspektorisch ist von der Herztätigkeit nichts zu erkennen und bei Palpation ist
der Herzstoß sehr schwach fühlbar.
Die Herztöne sind kräftig, gleichmäßig, regelmäßig und gut voneinander
abgesetzt, es sind keine Nebengeräusche hörbar.
Die Herzfrequenz beträgt 66 Schläge pro Minute. Die Pulsfrequenz stimmt mit
der Herzfrequenz überein. Der Puls ist beiderseits an der Arteria facialis
regelmäßig, gleichmäßig, aber nur schwach zu fühlen.
Die Arterien sind gut gefüllt und gespannt. Die Episkleralgefäße sind gut gefüllt
und scharf gezeichnet.
Die kapilläre Rückfüllungszeit liegt im Bereich der Mundschleimhaut unter 2
Sekunden.
Die Jugularvenen sind ungestaut adspektorisch nicht zu erkennen. Staut man sie
im oberen Teil des Halses an, verdickt sich der kopfwärts gelegene Teil, während
herzwärts das Blut beim nächsten Herzschlag ungehindert abfließt. Beim Lösen
des Staus fließt das gestaute Blut ungehindert ab. Somit verläuft die
Venenstauprobe negativ und ein Venenpuls ist nicht zu erkennen.
Atmungsapparat:
Die Atemfrequenz liegt bei 20 Zügen pro Minute. Die Atmung erfolgt gleichmäßig,
regelmäßig und die Atembewegungen sind flach, so daß sie an Rippen und
Flanken schwer zu erkennen sind. Der Atemtyp ist costo-abdominal (abdominal
betont) und die Ausatmungsluft strömt aus beiden Nasenlöchern gleichmäßig.
Das Flotzmaul ist unauffällig und Nasenausfluß ist nicht feststellbar. Die
Nasennebenhöhlen zeigen keine Verletzungen und Auftreibungen. Bei der
Perkussion der Nebenhöhlen ist kein unphysiologischer Schall oder
Schmerzhaftigkeit festzustellen.
Bei der Adspektion und Palpation von Larynx, Pharynx und Trachea können
keine Umfangsvermehrungen oder Verletzungen festgestellt werden.
Der Brustkorb ist palpatorisch nicht schmerzhaft. Bei der Auskultation ist auf
beiden Lungenhälften während der Inspiration ein physiologisches leichtes
vesikuläres Atemgeräusch zu hören. Die Perkussion der Lunge ergibt ebenfalls
keine besonderen Befunde.
Verdauungsapparat:
Die Kuh nimmt während der Untersuchung mehrmals etwas Heu auf, ein Teil der
Kraftfutterration hat sie im Trog liegen gelassen, eine Wasseraufnahme wird
ebenfalls im Verlauf der Untersuchung nicht festgestellt.
Desweiteren kann in dieser Zeit weder Kotabsatz noch Wiederkauen oder ein
Ructus beobachtet werden.
Die Mund- und Rachenhöhle sind bei der Adspektion ebenso wie der Schlund
unauffällig. Das aufgenommene Futter wird ohne Schwierigkeiten zerkaut und
abgeschluckt.
Die linke Hungergrubengegend ist leicht eingefallen und von teigig knetbarer
Konsistenz. Die Auskultation des Pansens in der linken Hungergrubengegend
und an der rippengestützten Bauchwand ergibt 3 Pansenkontraktionen in 2
Minuten mit mittlerer Intensität. Abnorme Pansengeräusche sind nicht zu
vernehmen. Auch die Perkussion ergibt einen physiologisch verteilten Schall.
Die Schallperkussion des Netzmagens im Bereich der 6. bis 8. Rippe, links
kaudal der Lungengrenze über dem Schaufelknorpel sowie die Auskultation und
eine Fremdkörperschmerzprobe über den Rückengriff verläuft unauffällig.
Auch eine Untersuchung des Blättermagens verläuft unauffällig, Perkussion und
Auskultation im Bereich der 7. bis 9. Rippe im unteren Teil des mittleren Drittels
der Bauchwand sind im Allgemeinen nur positiv bei pathologischen Zuständen.
Adspektion
und
Palpation
der
beiden
Flankengegenden,
sowie
Schwingauskultation und Perkussion ergeben keinen Hinweis auf einen
verdrehten und vergrößerten Labmagen.
Auf dem Standplatz hinter dem Tier lag etwas Kot, der strukturiert, olivgrün und
breiig war.
Ein etwa handgroßes 3 Finger breites Leberfeld ergibt sich bei der Perkussion
rechts dorsal im Bereich zwischen der 11. und 12. Rippe. Eine Schmerzhaftigkeit
in diesem Feld ist nicht festzustellen.
Die Bauchdecke ist mäßig gespannt und ventral der OP-Wunde schmerzhaft.
Harn- und Geschlechtsapparat:
Die Kuh setzt spontan Harn ab, welcher klar, hellgelb und von
aromatischem Geruch ist. Das Tier zeigt beim Harnabsatz
Schmerzäußerung und der Harn wird im Strahl abgesetzt.
Harnuntersuchung vom Vortag ergab als Abweichung einen pH-Wert von
ein spezifisches Gewicht von 1012.
Bei der Adspektion des Perinealbereiches und der Vulva fallen
Verletzungen und Umfangsvermehrungen auf.
Das Euter ist ebenfalls adspektorisch und palpatorisch unauffällig.
leicht
keine
Eine
5 und
keine
Bewegungsapparat:
Die Klauen sind vor allem hinten außen etwas zu lang.
Das Tier belastet alle 4 Gliedmaßen, versucht aber jeweils die hinteren
Gliedmaßen abwechselnd zu entlasten und trippelt.
Die Karpalgelenke weisen eine geringgradige Liegeschwielenbildung auf. Beide
Sprunggelenke sind geringgradig geschwollen. Dorsomedial am linken
Fesselgelenk ist eine feste Struktur zu fühlen, welche nicht warm und abgrenzbar
ist. An der gleichen Stelle am rechten Fesselgelenk befindet sich eine
ebensolche Umfangsvermehrung, die aber vermehrt warm ist und bei der durch
eine ca. 1 cm große Öffnung nach leichtem Druck eine gelbliche, schmierige,
jauchig stinkende Flüssigkeit abgeht.
ZNS und Sinnesorgane:
Das Tier nimmt aufmerksam an seiner Umgebung teil und reagiert sowohl auf
sichtbare (Drohreflex), akustische (Ohrenspiel) und taktile Reize.
Die Überprüfung der Oberflächensensibilität rechts und links der Wirbelsäule
mittels einer Kanüle verläuft positiv.
Körperstell- und Korrekturreflexe sind ebenfalls vorhanden.
Der Lidschluß ist symmetrisch bei physiologischer Augenstellung. Die Bulbi
bewegen sich parallel. Cornea und Linse sind klar, ohne Auflagerung und
Verletzung.
Weiterführende Untersuchungen:
Blutuntersuchung (bei der Einlieferung vorgenommen) :
Blutbild:
Hb:
Hkt:
(5,6-8,1 mmol/l)
(0,28-0,36 l/l)
9,3
0,46
Differentialblutbild:
Segmentkernige: (20-50%)
63
Elektrolyte und Spurenelemente:
Ion. Ca2+:
(1,1-1,3 mmol/l)
0,99
Säure-Basen-Status:
pH:
(7,33-7,45)
pCO2
(4,60-7,10 kPa)
7,314
8,79
Harnuntersuchung (am Tag nach der Operation durchgeführt):
pH:
(7,4-8,4)
5,0
rel. Dichte:
(1020-1040 g/l)
1012
Es werden nur Werte aufgeführt, die von der Norm (in Klammern) abweichen.
Diagnosen:
1.Dislocatio abomasi dextra cum torsione sinistra 180°
cum torsione omasi sinistra 360°
2.Abszeß am rechten hinteren Fesselgelenk
Differentialdiagnosen zu 1.
Gasanschoppung im Dünndarm
Peritonitis
Blinddarmdilatation
Ascites
Differentialdiagnose zu 2.
Bursitis
Epikrise:
Die Verlagerung des Labmagens nach rechts ist, wie die Labmagenverlagerung
(LMV) links, als sogenannte Leistungskrankheit anzusehen, der ein
multifaktorieller Ursachenkomplex zugrunde liegt.
Die unten aufgeführten Faktoren sind als prädisponierende bzw. Hilfsfaktoren zu
werten. Die wirkliche Ätiologie einer Hypotonie und Dilatation als Ursache der
LMV ist nach wie vor nicht bekannt.
Gründe für eine Atonie sind zumeist Stoffwechselstörungen infolge einer
Trächtigkeit, wobei die Verlagerung in jedem Stadium möglich ist. Das häufigste
Auftreten wird hier aber während des klinischen Puerperiums (ca. 60%) bzw.
während des Gesamtpuerperiums (ca. 85%) beschreiben, davon jedoch nur ein
geringer Prozentsatz als LMV rechts. Als weiterer Grund ist eine durch eine hohe
Milchleistung bedingte, intensive Fütterung oder Futterumstellung (rohfaserarm,
wenige Mahlzeiten, dadurch hochgradige unterschiedliche Füllungszustände im
Pansen; schneller Übertritt zerkleinerter, ungenügend verdauter Kraftfutterpartikel
in den Labmagen (LM) begünstigt Schleimhautulzerationen und Hypotonien,
dadurch Kontraktionsschwäche und verlangsamter Transport des Speisebreies
und vermehrte Gasbildung). Anatomische Ursachen (lockerer Bau der
muskelarmen Fasern des Labmagenfundus, relativ große Bewegungsfreiheit des
lediglich am Psalter und durch das große Netz fixierten LM), welche als erblich
bei Deutschen Schwarzbunten Milchkühen gelten werden ebenso wie
mechanische Einflüsse (Hypotonie des LM mit verzögerter Ingestapassage,
vermehrte intraabomasale Gasansammlung, Striktur und Obturation von Pylorus
und Duodenum, Anheben des Pansens und Kranialverdrängung des LM durch
die hochtragende Gebärmutter, Wehen und Wälzen anläßlich des Kalbens,
Abklemmen des LM nach dem Kalben durch den sich wieder auf
Bauchhöhlenboden absenkenden Pansen und anderes mehr) diskutiert. Ein
Calziummangel als Grund für eine Atonie kann hier ausgeschlossen werden, da
der Wert des ionisierten Calziums zwar an der unteren Grenze liegt, aber noch
vernachlässigt werden kann. Aus dem Vorbericht kann nicht direkt entnommen
werden welche der aufgeführten Faktoren zu der LMV rechts geführt haben.
Die einfachste Form der Verlagerung ist die Dilatation, der stark erweiterte LM
neigt dann dazu, sich nach links oder rechts zu drehen. Neben der
Gasansammlung sind bei der LMV rechts große Mengen Flüssigkeiten enthalten.
In dem hier beschriebenen Fall wurde intra operationem eine Verdrehung des LM
um 180° nach links festgestellt, welche sogar mit einer Torsion des Psalters um
360° nach links verbunden war. Dazu waren die Gefäße des LM mittelgradig
gestaut und die Drehstelle des Pylorus- und Duodenalbereiches hochgradig
ödematisiert. Diese Stauung der Gefäße und eine eventuelle Intoxikation führt zur
Kreislaufbelastung, die sich auch hier durch blasse Schleimhäute und einen
pochenden hochfrequenten Puls äußert. Der dilatierte LM war zu 4/5 mit
Flüssigkeit gefüllt. Durch das Ansammeln und den fehlenden Weitertransport der
aufgenommenen Flüssigkeit in den Darm kam es zu einer Hämokonzentration, so
daß der Hämatokrit und, in Abhängigkeit davon, auch der Hämoglobinwert erhöht
waren.Durch die fehlende Aufnahme von Nährstoffen im Darm hat sich eine
geringgradige metabolische Azidose eingestellt, die auch an dem Blut-pH zu
ersehen ist. Der abweichende CO2-Partialdruck muß nicht berücksichtigt werden,
da er nicht , wie nötig, mit arteriellem Blut ermittelt worden ist.
Das klinische Bild der LMV rechts ist durch eine vorgewölbte rechte
Hungergrube, deutliche Plätschergeräusche bei der Schwingauskultation, einem
Steelband-Effekt und fehlendem Leberperkussionsfeld gekennzeichnet. Hinzu
kommt bei der rektalen Palpation oft ein positiver Befund, wobei der LM als
gespanntes Organ zu fühlen ist. Durch die fehlende Darmpassage befindet sich
wenig dunkler, wäßrig bis schleimiger Kot im Rektum. Die oben beschriebenen
Befunde ergaben sich auch bei der Einlieferung der Patientin. Dazu kommen hier
noch durch die Flüssigkeitsverlagerung ein deutlich verminderter Hautturgor und
tiefliegende Bulbi.
Differentialdiagnostisch kommt die Blinddarmdilatation in Betracht, welche sich
aber darin unterscheidet, daß bei der rektalen Untersuchung die Blinddarmspitze
zu fühlen und bei der Auskultation der LM mehr kranial zu hören ist.
Die Gasanschoppung im Dünndarm ist durch ein diffuses, wechselndes Klingeln
und einen sich verändernden Ton gekennzeichnet.
Das bei der Peritonitis entstehende Gas verursacht einen sehr weitreichenden
Ton auf den Querfortsätzen, welcher aber nicht so hell klingt wie der Ton, der
durch eine LMV verursacht wird. Außerdem ist bei der rektalen Untersuchung
kein Unterdruck in der Bauchhöhle fühlbar.
Die bei der Ascites angesammelte Flüssigkeit in der Bauchhöhle ist als
Plätschern bei der Schwingauskultation auf beiden Seiten des Abdomens zu
vernehmen. Die bei der Ascites und auch Peritonitis vermehrte
Peritonealflüssigkeit kann außerdem noch durch eine Bauchhöhlenpunktion
bestätigt werden.
Als Abszeß wird die Ansammlung von Eiter in einem Hohlraum, der durch
Einschmelzung von Gewebe entstanden ist, bezeichnet.
Er gehört somit zu den eitrigen Entzündungen, welche hauptsächlich durch
sogenannte Eiterbakterien (z.B. Streptokokken, Staphylokokken, Actinomyces
pyogenes und andere) aber auch andere Bakterien (E.coli, Pseudomonas
aeruginosa und andere) verursacht wird.
Wesentlich ist hierbei, daß das nekrotische Gewebe gegenüber dem gesunden
abgegrenzt wird (Demarkation). Dies geschieht in der frühen Phase durch einen
Wall von Entzündungszellen, in den späteren durch ein Granulationsgewebe, das
auch als Abszeßmembran bezeichnet wird. Der erhöhte Wert der
segmentkernigen neutrophilen Granulozyten im Differentialblutbild deutet in
diesem Fall auch auf den Verlauf eines Entzündungsprozesses hin. Die innerste
Schicht der Membran ist die sogenannte pyogene Membran, an die sich ein
älteres bindegewebsreiches Granulationsgewebe anschließt, das schließlich zur
Abszeßkapsel wird. Nach dem Vernichten der Erreger verschwindet die pyogene
Membran und der Abszeß kann reaktionslos im Gewebe liegen oder ist reif zur
chirurgischen Spaltung. Während der Reifung kann es aber auch zur
Einschmelzung der Abszeßmembran kommen, so daß der Abszeß aufbeziehungsweise durchbricht. Ein Aufbrechen durch Haut oder Schleimhäute
führt zur Entleerung des Eiters und damit in der Regel auch zur Heilung, beim
Durchbrechen in benachbarte Gewebe oder Hohlräume entstehen dort wieder,
meist schwerwiegendere entzündliche Prozesse.
Eine Bursitis entspricht in ihren verschiedenen Formen und Verteilungsmustern
den Gelenkentzündungen. Kausal sind mechanisch-traumatisch, allergisch und
hämatogen entstandene zu unterscheiden. Die letztgenannten finden sich als
Folge septikämischer oder metastatischer Prozesse und können sich gelegentlich
am primär traumatisch vorgeschädigten Schleimbeutel entwickeln. Nach
qualitativen Gesichtspunkten lassen sich die Entzündungen in seröse,
serofibrinöse, fibrinöse bzw. trockene, eitrige und jauchige Formen unterteilen.
Vielfach treten sie gemeinsam mit Gelenksentzündungen auf.
Ob es sich bei den Schwellungen im Bereich der Fesselgelenke um Abszesse
oder Bursitiden und ob es sich bei der beschriebenen abgehenden Flüssigkeit um
Eiter oder Synovia handelt, muß abgeklärt werden sobald sich der
Allgemeinzustand der Patientin gebessert hat.
Therapie:
Vor der Laparotomie zur Reponierung des LM wird das Operationsfeld in der
rechten Flankengegend sorgfältig geschoren, rasiert, gereinigt und desinfiziert.
Eine Infiltrationsanästhesie wird als umgekehrter L-Block mit 2%iger
Lidocainlösung durchgeführt. Nachdem die Haut mit einer kurzen, kräftigen
Kanüle durchstochen worden ist, werden mittels einer Infiltrationskanüle mit ca.
20 ml des Lokalanästhetikums pro 10 cm Schnittlänge gleichmäßig die zu
durchtrennenden Gewebeschichten durchsetzt.
Die Schnittführung verläuft von kraniodorsal nach kaudoventral. Nachdem die
Haut, Unterhaut und die Bauchmuskulatur durchtrennt sind, wird das Peritoneum
unter Handschutz mit der Knieschere eröffnet. Der bis dahin bestehende
Unterdruck in der Bauchhöhle gleicht sich jetzt hörbar durch Einströmen von Luft
aus.
Nach Eröffnen der Bauchhöhle zeigte sich, daß der LM bis zur Mitte der rechten
Hungergrube und bis auf Höhe 4. bis 5. Lendenwirbels dilatiert war. Weiter
ergaben sich die schon beschriebenen Veränderungen. Das angesammelte Gas
wird durch Punktion über einen Schlauch abgelassen. Die Reposition gestaltete
sich wegen der großen Flüssigkeitsansammlung schwierig. Dann folgt die
Fixation des großen Netzes eine Handbreite kaudal des Pylorus durch eine
perforierende Naht mit synthetischem Nahtmaterial an der rechten Bauchwand,
ungefähr eine Handbreite unterhalb des ventralen Schnittendes. An dieser Stelle
wird zuvor die Haut eröffnet um die Fäden hier versenkt verknoten zu können,
danach wird die Hautwunde wieder verschlossen. Um ein Ausreißen der Fäden
und damit Rezidive zu vermeiden werden Perlonscheiben von innen gegen das
Netz und von außen subcutan in die Omentopexie-Naht eingeschlossen. So
ergibt sich eine Fixation des LM, welcher sodann etwas mehr kaudodorsal liegt
als die physiologische Lage. Diese Methode nach DIRKSEN ist eine
Operationsmethode welche sich mit einem sehr geringen Prozentsatz an
Rezidiven bewährt hat.
Um die Operationswunde zu verschließen wird zuerst das Bauchfell und der
Musculus transversus abdominis mit einem nicht resorbierbaren Faden in einer
fortlaufenden Matratzennaht und zurück mit einer Naht nach KÜRSCHNER
verschlossen. Vor dem endgültigen Verschluß der Bauchhöhle werden 60 ml des
Antibiotikums Mastipent zur Prophylaxe einer Peritonitis intraperitoneal
verabreicht. Nun werden Haut, Unterhaut und die Musculi obliquus internus und
externus abdominis mittels eines nicht resorbierbaren Fadens mit stehenden UHeften nach DONATI verschlossen. Es erfolgt nun eine Wundabdeckung durch
einen mit Pattex befestigten, mehrfach übereinander gelegten Gazestreifen.
Zur Enzyminduktion und somit zur Förderung der Rekonvaleszenz werden 40ml
Vitamin E / Selen subcutan injiziert. Desweiteren werden noch 20 ml Finadyne
intravenös als Antiphlogistikum und Analgetikum gegeben. Mit den per
Dauertropfinfusion verabreichten 10 Liter 0,9%iger Kochsalzlösung wird die
Exsikkose, die bei der Einlieferung bestand, therapiert. Durch die Infusion und die
wieder sichergestellte Darmpassage der Flüssigkeit im LM ist der gering
konzentrierte Harn einen Tag nach der OP zu erklären. Eine Abweichung des pHWertes im Harn zur sauren Seite erfolgt im Hungerzustand bzw. bei
krankheitsbedingter Einschränkung der Nahrungsaufnahme.
Die Behandlung der Umfangsvermehrungen an den Fesselgelenken soll nach der
Untersuchung erfolgen und sich nach den Befunden dieser Untersuchung richten.
Aufgrund des schon deutlich gebesserten Allgemeinzustandes, der
Futteraufnahme und des Kotabsatzes wird, wenn der Heilungsverlauf weiter so
günstig ist, auf eine weitere Therapie der LMV verzichtet. Zehn Tage post
operationem werden dann noch die Fäden der U-Hefte an der OP-Wunde
entfernt.
Prognose:
Die Prognose ist aufgrund der rechtzeitig begonnenen Therapie, des bis zur
Operation noch relativ guten Allgemeinzustandes des Tieres und der bereits
bisher eingetretenen Verbesserung als günstig zu stellen.
Herunterladen