Leseprobe aus: Soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit Einleitung Liebe Leserinnen und Leser, wir alle kennen aus unserem Privat- und Berufsleben zahlreiche Beispiele dafür, dass es im Leben oft sozial ungleich zugeht. Häufig empfinden wir viele Dinge im Leben auch als sozial ungerecht, weil beispielsweise einige Menschen viel Geld und andere wenig Geld haben. Manche Kinder sind bereits durch den materiellen Wohlstand ihrer Eltern in einer wesentlich günstigeren Situation als andere, die sich kaum ein Pausenbrot leisten können. Wir alle wissen aber, dass, so wichtig Geld auch ist, es keineswegs das einzige Kriterium ist. Es gibt sehr unterschiedliche körperliche, geistige und andere Voraussetzungen. Sie sind wesentliche Ressourcen für eine schulische, berufliche oder sportliche Entwicklung. Die Ursachen und Erscheinungsformen der sozialen Ungleichheit sind sehr vielfältig und komplex. In einer umfangreichen empirischen Untersuchung wurden die Menschen, die hier Probanden genannt werden, u. a. darum gebeten, dass sie die bestehende soziale Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft in selbstgewählte Kategorien einteilen mögen. 43 % nahmen eine Einteilung in Arm und Reich vor und verwiesen auf die Ober-, Mittel- und Unterschicht. 30 % nannten eine andere als diese vertikale Einteilung nach Schichten. 15 % nannten regionale und religiöse Aspekte als Kriterien. 12 % konnten oder wollten keine Kriterien nennen. Tatsache ist, dass – wenn auch unter unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Bedingungen – es bereits soziale Ungleichheit Generationen vor uns gab, dass es sie heute gibt und dass es auch in Zukunft soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit geben wird. Oft empfinden wir soziale Ungleichheit negativ als persönliche Benachteiligung. Stellen Sie sich bitte vor, liebe Leserinnen und Leser, dass es soziale Gleichheit gäbe. Würden Sie das als gerecht empfinden, wenn alle völlig unabhängig von ihrer Leistung sozial gleich wären? Jeder bekäme gleich viel oder wenig. Jeder hätte die gleichen Bedingungen, den gleichen Schulabschluss usw. Abgesehen davon, dass das praktisch nie möglich wäre, wäre das dennoch ein erstrebenswerter Zustand? In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, was denn soziale Gleichheit überhaupt wäre und ob sie überhaupt erwünscht und gerecht ist. Ich werde deshalb im ersten Kapitel einige Problemfragen aufwerfen. Es sind u. a. solche Probleme und Fragen wie: Was heißt überhaupt soziale Gleichheit? Wollen wir soziale Gleichheit, wenn es sie gäbe? Wie und woran lässt sich überhaupt messen und bewerten, was sozial gleich und/oder gerecht ist? Welche Kriterien zur Vergleichbarkeit gibt es und wie werden sie tatsächlich genutzt? Welche Möglichkeiten und Grenzen hat der einzelne Bürger, seine Lebenssituation zu ändern? Auf solche und andere tangierenden Fragen werde ich mich nicht nur aus mikro- und makrosoziologischer Sicht, das heißt auf Fragen der Interaktion und Kommunikation beziehen. Ich verstehe dieses Buch analog wie meine vorangegangenen Bücher „Was Heranwachsende tatsächlich brauchen“ (2005) und „Selbstbewusster im Leben“ (2005) als Orientierungsbuch, das trotz einiger theoretischer Hintergründe viele praktische Bezüge und leicht nachvollziehbare Fallbeispiele enthält. Neben meinem Qualifizierungshintergrund, meiner Lehrerfahrung als sozialwissenschaftlicher Dozent und Coach sowie Sozialpädagoge, wodurch ich immer wieder mit Menschen unterschiedlicher Berufs, Alters- und Qualifizierungsgruppen sowie sehr differenziertem Sozialstatus konfrontiert werde, werde ich meine Erfahrungen aus der Praxis mit einbeziehen. Auch wenn es ab und an um Vergleiche zwischen Ost und West geht, ist es nicht meine Absicht, mich grundsätzlich auf den Ost-West-Vergleich zu beziehen. Mein Buch verstehe ich auch nicht als einen vordergründigen Geschlechtervergleich. Als freier Mensch sehe ich den Inhalt meines Buches in keinem Zusammenhang zu politischen Parteien. Die Namen sowie Angaben, die ich in meinen Fallbeispielen verwende, sind frei erfunden. Erlebt habe ich diese konkreten Fallbeispiele jedoch alle in der Praxis. Nach einigen grundsätzlichen Problemfragen und Diskussionen zur sozialen Ungleichheit im ersten Kapitel werden im zweiten Kapitel einige theoretische Ansätze von Theoretikern skizziert, worin sie in ihrer jeweiligen historischen Epoche die Ursachen für soziale Ungleichheit sahen und welche Wege sie zur Beseitigung bzw. Linderung sozialer Ungleichheit aufzeigten. Im dritten Kapitel beziehe ich mich kritisch auf einige Kriterien als Maßstab der Vergleichbarkeit des sozial Ungleichen. Die Massenarbeitslosigkeit und das damit verbundene Problem des Broterwerbes sowie der psychosozialen Wirkungen und Folgen auf Betroffene und deren Familien werde ich im Zusammenhang mit sozialer Ungleichheit diskutieren. Die Bedeutung der Familie als kleinste Zelle der Gesellschaft im sozialen Netzwerk und als soziales Netzwerk wird eine große Rolle spielen. Der wachsende Anteil alter Menschen sowie Probleme des differenzierten Integrationsprozesses von Ausländern werden im Kontext der sozialen Ungleichheit reflektiert. Die soziale Ungleichheit, die sich im Vergleich von Stadt und Land zeigt, ist ein weiterer Bestandteil meines Buches. Kritisch werde ich den partiell stark verbreiteten Neid und Egoismus vieler Menschen nicht nur aus negativer Perspektive diskutieren. Anhand von mehreren konkreten Fallbeispielen wird die soziale Ungleichheit aus der Sicht verschiedener objektiver Kriterien und subjektiven Bewertungen verglichen und zur Diskussion für die Leser und Leserinnen meines Buches angeboten. Ich werde viele Fragen und Probleme aufwerfen und Vergleiche durchführen. Dabei bin ich darum bemüht, objektive Kriterien zu verwenden und selbst weitestgehend keine persönlichen Bewertungen vorzunehmen, da sie dann subjektiv geprägt sein würden. Damit deute ich ein weiteres Problem an, das es im Allgemeinen und Besonders bei dieser Thematik gibt. Diese Thematik, die mit einer Vielzahl von komplexen Problemen verbunden ist, kann dazu führen, dass bei einigen Menschen das letzte „Stückchen“ Glaube an das Gute und die Gerechtigkeit in dieser Welt von heute auch noch vergeht. Liebe Leserinnen und Leser, es liegt mir einerseits völlig fern, viele Dinge negativer zu sehen, als sie wirklich sind oder etwas zu dramatisieren. Das würde auch meiner persönlichen Lebensphilosophie, die im positiven Denken liegt, widersprechen. Andererseits bin ich bemüht, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind. Hierbei nützt eine Schönfärberei nichts. – Im Gegenteil! – Sie würde sogar dazu führen, bestehende die soziale Ungerechtigkeit zu rechtfertigen und voranzutreiben. Ich gehe deshalb davon aus, dass ein Teil der Leserinnen und Leser mir in vielen Aspekten zustimmt. Zugleich bin ich mir dessen bewusst, das es einige geben wird, die dieses oder jenes Problem anders betrachten. Schließlich kalkuliere ich auch ein, dass es Menschen gibt, die viele aufgeworfene Fragen und Probleme völlig anders betrachten. Das Eintreten dieser Situation bedeutet jedoch nicht, die Frage danach zu stellen, wer Recht oder Unrecht hat, wer die Wahrheit sagt und wer etwas schönfärbt oder dramatisiert. Diese Situation bestätigt vielmehr den Grundtenor meines Anliegens, dass die persönliche Bewertung im Vergleich immer sehr stark subjektiv von der persönlichen Erfahrung, Erwartung und Lebenssituation abhängig ist. Mit anderen Worten provoziere ich gewissermaßen etwas, was für das Ziel eines Autors allgemein untypisch ist: unterschiedliche und gegensätzliche Standpunkte, die sich aus der Innen- und Außenperspektive mit dem Blick auf soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit ergeben. Mit meinem Buch wende ich mich an eine breite Leserschicht und besonders an jene, die sich aus beruflichem oder privatem Interesse für soziale Probleme der Gesellschaft interessieren. (S. 7-9)