ZSR 53 (2007), Heft 3, S. 275-295 © Lucius & Lucius, Stuttgart Christof Beckmann, Hans-Uwe Otto, Andreas Schaarschuch, Mark Schrödter Qualitätsmanagement und Professionalisierung in der Sozialen Arbeit Ergebnisse einer Studie zu organisationalen Bedingungen ermächtigender Formalisierung Die Auswirkungen von Qualitätsmanagement auf die Arbeitsbedingungen in der Sozialen Arbeit sind bislang empirisch kaum untersucht. Kritiker befürchten eine unangemessene Standardisierung, Befürworter erhoffen sich eine größere Transparenz und Effektivität der Leistungserbringung. Anhand einer Befragung von 30 Leitungskräften, 261 Fachkräften und 435 Familien in 30 Einrichtungen der Sozialpädagogischen Familienhilfe werden die Zusammenhänge zwischen Qualitätsmanagement und verschiedenen Formen der Formalisierung untersucht. Die Ergebnisse deuten insgesamt auf organisationale Arbeitsbedingungen hin, die professionalisiertes Handeln unterstützen, gleichzeitig sind aber auch Standardisierungstendenzen erkennbar, die sich auf die Einführung von Controllingtechniken zurückführen lassen. 1. Qualitätsmangement und Standardisierung professionalisierter Praxis Seit dem 1.1.1999 ist die Einführung von Qualitätsentwicklungsverfahren für Einrichtungen, die stationäre und teilstationäre Dienste im Rahmen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (SGB VIII) anbieten, gesetzlich verpflichtend geregelt. Demnach müssen freie Träger neben Leistungs- und Entgeltvereinbarungen nun auch Qualitätsentwicklungsvereinbarungen mit den Kommunen abschließen. In der Fachdebatte der Sozialen Arbeit geht es seitdem um die Frage nach den Konsequenzen des veränderten Kooperationsmodus zwischen freien Leistungsanbietern und öffentlichen Kostenträgern. Während die einen sich durch Qualitätsmanagement eine erhöhte Transparenz und Passgenauigkeit der Hilfen erhoffen, befürchten die anderen, dass [d]ie Figur des autonom agierenden, nur seiner Professionalität verpflichteten Sozialarbeiters abgelöst werden [könnte] durch die Figur eines nurmehr Ausführenden, der sich an den „Handbüchern“ und Instruktionen der Qualitätssicherungsverfahren und den betriebswirtschaftlichen Vorgaben des Managements orientiert (Otto/Schnurr 2000: 16; Otto/Ziegler 2006). Die Kritiker befürchten, dass die Einführung der Qualitätsmanagementverfahren, welche vornehmlich dem industriellen Sektor entlehnt sind, zur Standardisierung und Taylorisierung der professionellen Praxis und somit zum Verlust professioneller Autonomie und Selbstkontrolle führt. Empirisch ist diese Annahme für die Soziale 276 Christof Beckmann, Hans-Uwe Otto, Andreas Schaarschuch, Mark Schrödter Arbeit noch nicht überprüft worden. Erste Ergebnisse eines größeren Forschungsprojektes zur Dienstleistungsqualität liegen nun dazu vor.1 Die Möglichkeiten und Gefahren einer Standardisierung und Deautonomisierung professionalisierten Handelns werden in der Professionstheorie schon lange thematisiert (Freidson 2001; Oevermann 2000). Professionen gelten als spezialisierte Instanzen zur Bearbeitung eines Problems, welches im Aufgabenvollzug Ermessensspielräume erfordert, die der Urteilskraft Raum geben (Wieland 2001: 181). Dabei werden abstrakte Wissensbestände auf komplexe Probleme angewandt, und dieser Vermittlungsprozess gilt in seinem Kern als nicht routinisierbar (Freidson 2001: 95; Dewe/ Otto 2001, 1984). Professionelles Ermessen und professionelle Selbstkontrolle galten bisher als Moment der professionellen „Qualitätsentwicklung“. Die Standardisierung des Ermessens und der Selbstkontrolle durch Qualitätsmanagementverfahren erscheinen daher als Deprofessionalisierung (Daheim 1992: 26). In der Professionstheorie ist man bisher davon ausgegangen, dass die Logik professionalisierten Handelns durch zwei ihr entgegengesetzte Logiken restringiert werden kann: der Logik marktwirtschaftlicher oder bürokratischer Kontrolle. Freidson spricht hier von Konsumerismus und Managerialismus: „I shall call the ideology of market control consumerism, that of bureaucratic control managerialism“ (Freidson 2001: 106). Der Begriff des „Managerialismus“ ist nicht nur zur Beschreibung von organisationalen Prozessen der Überformung professioneller Handlungslogiken durch bürokratische Steuerungsformen verwendet worden, sondern er transportiert auch eine Gesellschaftsdiagnose. Demnach werden sämtliche Funktionsbereiche der Gesellschaft durch bürokratische Handlungslogiken überformt (Alford/O'Neill 1994; Clarke/ Newman 1997; Pollitt/Bouckaert 2000). Die vor allem englischsprachige Organisationssoziologie hatte sich im Anschluss an Parsons an der These Max Webers abgearbeitet, nach der die bürokratische Organisationsform in modernen Gesellschaften notwendigerweise sämtliche Formen organisierten Handelns ablösen würde. Dies wurde auch kollegialen Organisationsformen prognostiziert, denen Weber zwar für bestimmte Bedingungen eine erhöhte Problemlösungskapazität beimaß, sie allerdings letztlich als verschwindende Relikte behandelte. Das produktive Missverständnis (Mayntz 1971) der Organisationssoziologie, die Idealtypen Webers als Beschreibungen der Wirklichkeit organisierten Handelns zu verstehen, führte zu einer Reihe an empirischen und theoretischen Forschungen, in deren Verlauf nahezu alle Thesen Webers theoretisch kritisiert und empirisch überprüft worden sind. Im Wesentlichen kam es in diesen Debatten zu einem „Auswechseln der Vorzeichen“, die Weber gesetzt hatte: Es findet keine Universalisierung der bürokratischen Organisation statt, sondern sie wird zunehmend durch demokratisch-kollegiale Organisationsformen ersetzt. In einem solchen „egalitarian approach“ (Blau 1955: 204), in dem in einem „proto-democratic process of legitimation“ (Gouldner 1954: 221; vgl. auch Mintzberg 1992: 266-267) eine „company of equals“ (Parsons 1947) rationale Entscheidungen herbeiführt, wird die Rationalität von Organisationen nunmehr kollegialen und demokratischen Organisationen zugesprochen: Komplexe soziale Außen- und Binnenverhältnisse erfordern den Einbezug vielfältiger Perspektiven und inkrementalistischer Strategien. Konflikte zwischen professioneller 1 Es handelt sich um das DFG-Projekt „Dienstleistungsqualität in der Sozialen Arbeit“ (Laufzeit: 2004-2008). Qualitätsmanagement und Professionalisierung in der Sozialen Arbeit 277 und bürokratischer Handlungslogik lassen sich in dieser Perspektive unter bestimmten Bedingungen produktiv nutzen: Da professionelle Qualifikation die Fähigkeit eines Menschen erhöht, die Implikationen seiner Arbeit zu erkennen und sie in einen größeren Zusammenhang hineinzustellen, können Spezialisten (professionals) zur Koordination in einer Organisation beitragen; die Aufgabe des Managements ist es, diese Beiträge aufzugreifen und sie in den administrativen Rahmen einzufügen. Das macht es erforderlich, dass eine ausreichende Anzahl von Managern eng mit dem professionellen Stab zusammenarbeitet. Fehlt dem Stab auf der anderen Seite professionelle Ausbildung, so kann er nur begrenzt zur Koordination beitragen (Blau et al. 1971: 101). In autonomen professionellen Organisationen herrscht eine Form von Arbeitsteilung zwischen Profession und Management vor, in der sich die beiden Akteursgruppen mit ihrer Arbeit wechselseitig stützen (Scott 1965: 65-66). Die Spezialisten verfolgen ihren professionellen Auftrag, während den Managern die Vermittlungsfunktion zwischen professioneller und bürokratischer Handlungslogik zukommt. Dieses Organisationsmodell wird von einem „nicht-manageriellen Management“ (Schnurr 2005) getragen. Das Modell vermittelt die Vorzüge des bürokratischen Organisationsmodells und der kollegialen Organisationsform (Mintzberg 1992: 268). Die Organisationssoziologie hatte also bereits das Ende des bürokratischen Organisationstypus eingeläutet, da er für die Erfordernisse moderner Gesellschaften als unterkomplex und statisch galt (Blau 1955: 202; Mintzberg 1992: 238). Im Gegensatz zu den Annahmen Webers gingen Parsons (1968) und Blau (1955: 217-218; Blau/Scott 1970: 185-186) davon aus, dass sich nicht das reine bürokratische Organisationsmodell, sondern die professionell-kollegiale Organisationsform universalisiert. Für Organisationen der Sozialen Arbeit konnte diese Einschätzung empirisch noch nicht bestätigt werden, wenngleich sich früh abzuzeichnen schien, dass trotz einer „dominanten bürokratischen Grundstruktur“ (Otto 1991: 44) eine gewisse „Kompatibilität zwischen Bürokratie und Profession“ (Otto 1991: 98) hergestellt werden kann. 1.1 Qualitätsmangement nach außen: Qualitätsentwicklungsvereinbarungen im tripartistischen System Der Begriff des „Managerialismus“ ist im deutschen Kontext vor allem vor dem Hintergrund des „aktivierenden Staates“ zu verstehen. Unter dem Konzept des aktivierenden Staates firmieren Konzeptionen politischer Steuerung, in denen es darum geht, „Optimierungspotentiale in einem besseren Zusammenspiel vom staatlichen, informellen, verbandlichen und gewerblichen Sektor auszumachen“ (Fretschner et al. 2003: 44; vgl. auch Dahme/Wohlfahrt 2003: 76). Aus dieser Perspektive werden diejenigen autonomen oder semi-autonomen professionellen Organisationen, die sich bislang der vollständigen Rationalisierung entzogen haben (in Bezug auf Parsons: Wenzel 2005: 48-50; Seibel 1992) zum Objekt von notwendigen Optimierungsprozessen und Rationalisierungsanstrengungen. Kerngedanke dieses Konzepts ist, dass die sozialen Dienstleistungen nicht länger vom Staat erbracht werden sollen, sondern von privaten gewinn- und/oder gemeinnützigen Einrichtungen. Die Einrichtungen kooperieren mit den Kostenträgern auf der Basis rechtlich kodifizierter Kontrakte 278 Christof Beckmann, Hans-Uwe Otto, Andreas Schaarschuch, Mark Schrödter („contracting-out“, Kontraktualismus) und konkurrieren miteinander auf einem „Quasi-Markt“ (Hansen 1997; Le Grand 1991). Dieser Kontraktualismus bringt ein Dilemma hervor: „Der Produzent befindet sich damit in einer für ihn äußerst vorteilhaften Position: Er ist einem Käufer Rechenschaft schuldig, der niemals sieht, was er bekommt, und einem Konsumenten, der niemals zahlt“ (Gilbert 2000: 146-147; vgl. auch Alford 2004: 71). Qualitätsentwicklungsvereinbarungen in der Sozialen Arbeit stellen in diesem Rahmen einen Kontrollmechanismus dar, der es dem Staat ermöglicht, für eine Leistungserbringung einen Steuerungsanspruch geltend zu machen, die er zwar bezahlt, aber dessen Qualität er nicht selbst kontrollieren kann (Bartlett/Le Grand 1993: 24). Eine Möglichkeit, den Steuerungsanspruch des Staates im tripartistischen System zu realisieren, besteht darin, durch Qualitätsentwicklungsvereinbarungen auf die Formalisierung von Arbeitsvollzügen hinzuwirken. 1.2 Qualitätsmanagement nach innen: Organisationale Steuerung Angestoßen durch die Qualitätsentwicklungsvereinbarungen sehen sich viele Einrichtungen der Sozialen Arbeit gezwungen, ihre organisationalen Binnenstrukturen zu formalisieren. Qualitätsmanagement erscheint in dieser Perspektive als binnenorganisatorische Steuerung von Arbeitsprozessen und -ergebnissen. Dabei sind zwei Ebenen von Qualitätsmanagement zu unterscheiden: die technologische und die ideologische Ebene. Auf der technologischen Ebene sollen Prozesse und Ergebnisse organisationalen Handelns formalisiert, evaluiert und gegebenenfalls verändert werden. Dazu bedient sich das Qualitätsmanagement einer Reihe von betriebswirtschaftlichen und verwaltungstechnischen Praktiken und Methoden, wie beispielsweise des Controllings, des Benchmarkings oder der Analyse von Input-Output-Prozessketten. Diese Maßnahmen werden hier in Anlehnung an Charles Perrow (1986; 1967: 195-196) als „Technologien“ gefasst, mit deren Hilfe Organisationen versuchen, ihre Aufgaben und Probleme zu analysieren und zu bearbeiten. Auf der ideologischen Ebene wird versucht, die Mitarbeiter an die Organisation zu binden („organizational commitment“), so dass sie eine „corporate identity“ entwickeln. Dieser Kunstgriff soll durch TQM möglich werden. TQM steht für Total Quality Management, einer Managementidee, die vor allem im industriellen Sektor entwickelt worden ist. Es handelt sich hierbei um eine neue Handlungsorientierung für das Management, die eine umfassende Umgestaltung der Organisation nach sich ziehen soll. So soll ein einheitliches Organisationsziel bei allen Mitarbeitern etwa in Form von Leitbildern verinnerlicht und habituell verankert sein. In der Definition des Total Quality Leadership Steering Committee and Working Councils – einem Gremium aus repräsentativen Führungskräften großer Unternehmen sowie internationaler Wissenschaftler verschiedener theoretischer Schulen – heißt es: Total Quality ist ein ganzheitlicher systemischer Ansatz. Es ist integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie, die horizontal alle Funktionen und Abteilungen umfasst und die Mitarbeiter aller Hierarchieebenen mit einbezieht (Evans 1992; zit. nach Curkovic et al. 2000: 767, eigene Übers.). Weil die Einstellung der kontinuierlichen Verbesserung habituell von allen Mitarbeitern getragen werden soll, kann man die TQM-Idee mit Ulrich Bröckling (2000) als die Qualitätsmanagement und Professionalisierung in der Sozialen Arbeit 279 „Totale Mobilmachung“ durch „Menschenführung“ bezeichnen. Diese Menschenführung beinhaltet vor allem Techniken des „Selbstmanagements“, die den Mitarbeitern das Gefühl geben soll, durch die kontinuierliche Steigerung des eigenen Arbeitsvermögens Teil der – wie man es nennen könnte – ‚Effizienzgemeinschaft‘ zu sein. In der industriellen Produktion versprach man sich davon, dass vom Arbeiter über den Produktionsleiter bis zur oberen Managementetage, „alle an einem Strang“ ziehen, um die Produktionskosten zu senken und den Profit des Unternehmens zu steigern. Der technologische und ideologische Aspekt des Qualitätsmanagements verweist auf die Unterscheidung zwischen rationaler und charismatischer Herrschaft nach Max Weber. Qualitätsmanagementkonzepte vereinen beide Formen von Herrschaft für die inner-organisationale Kontrolle. Organisationssoziologisch findet hier eine Verbindung von Aspekten des Taylorismus und der Human-RelationsBewegung statt. Der „Widerstand des menschlichen Faktors“ (Crozier 1964: 177; vgl. auch Mintzberg 1992: 273) soll hier begrenzt werden, „entweder durch Zwang oder seinen Begleiter, die affektive und/oder ideologische Manipulation“ (Crozier/Friedberg 1993: 11-12). Diese Integration ergibt sich oftmals durch die Rationalisierung von Arbeitsprozessen, denn die zunehmende Formalisierung technologischer Prozesse erfordert häufig eine Kompensation auf der ideologischen Ebene: In dem Maße, wie der technisch-materielle Fortschritt die Inhalte der Arbeit entleerte und dequalifizierte, und damit auch die Leistungsmotivation zu blockieren drohte, gingen Unternehmer und Arbeitswissenschaftler dazu über, die durch die Rationalisierung verursachte „Entseelung“ der Arbeit durch Rationalisierung der Seele zu kompensieren (Türk et al. 2002: 218). Auf der ideologischen Ebene wird sichergestellt, dass „die Seele der Beschäftigten Teil des Unternehmens“ (Lazzarato 1998) wird. In diesem Beitrag liegt der Schwerpunkt der Analyse auf der technologischen Ebene, in der Qualitätsmanagement als Formalisierung organisationaler Prozesse und Beziehungen erscheint. Dabei sind „ermächtigende“ von „restringierenden“ Formen der Formalisierung zu unterscheiden (enabling vs. coercive bureaucracy, vgl. Adler/Borys 1996). In der „Maschinenbürokratie“ (Mintzberg 1992) führt Formalisierung zur Standardisierung im Sinne programmierbarer Verfahrensschritte. Formalisierung ist hier „restringierend“. In der professionellen Organisationsform dagegen ist Formalisierung eine Routinisierung im Sinne der Konservierung bewährter professioneller Problemlösungen. Es handelt sich um „gute Prozeduren“ (Blau 1955; Perrow 1986), die den Professionellen helfen, den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer gerecht zu werden. Die professionelle Organisationsform ist in diesem Sinne „ermächtigend“. 2. Methoden 2.1 Samplebildung und Forschungsdesign Untersucht wurden Einrichtungen, die in Nordrhein-Westfalen Leistungen nach § 31 SGB VIII (Sozialpädagogische Familienhilfe, SPFH) anbieten. Da die Anbieter der Familienhilfe in NRW nicht zentral erfasst werden, ist die Grundgesamtheit nicht 280 Christof Beckmann, Hans-Uwe Otto, Andreas Schaarschuch, Mark Schrödter bekannt (N=370, Schätzung Statisches Bundesamt). Daher wurden im „Schneeballverfahren“ alle Jugendämter in NRW (N=173) elektronisch und postalisch angeschrieben. Gleichzeitig wurden Familienhilfe-Einrichtungen durch Internetrecherchen, durch persönliche Kontaktaufnahme mit den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege, den Landesjugendämtern von NRW, sowie mit allen Großstadtjugendämtern in NRW ausfindig gemacht und die Kontaktpersonen jeweils um weitere Kontaktadressen gebeten. Auf diesem Weg konnten insgesamt 102 Einrichtungen gefunden werden, die die erforderlichen Kriterien (Einrichtungsgröße, Qualitätsdimensionen, geringer Flexibilisierungsgrad etc.) für die Auswahlstichprobe erfüllen (Beckmann/Schrödter 2006). Aus dieser Population wurde eine zweifach geschichtete Zufallsstichprobe (öffentlicher/ freier Träger und QM-System ja/nein) gezogen. Die so ausgewählten Einrichtungen wurden schriftlich und darauf folgend fernmündlich kontaktiert. Sämtliche Interviews wurden telefonisch durchgeführt. Im Erhebungszeitraum von Herbst 2005 bis Mai 2006 konnten insgesamt 30 Leitungskräfte, 261 Fachkräfte und 435 Familien in 30 Einrichtungen befragt werden. Dies ist zufriedenstellend, da bei dieser Stichprobengröße multivariate Analyseverfahren auch noch auf Einrichtungsebene realisiert werden können (Bortz/Döring 2002: 217; Micheel 2003: 404). 2.2 Qualitätspraxen In früheren empirischen Studien wurde Qualitätsmanagement häufig als ein System bestimmter Management- und Problemlösungsmethoden betrachtet, welches bestimmte Module enthält, die formalisiert implementiert werden müssen (vgl. die Studien von Zbaracki 1998; Berman 1995; Berman/West 1995). Entsprechend wurde nach der Implementationsbreite und -tiefe der Module gefragt und die Leistung jener Organisationen mit solchen verglichen, in denen kein formales Qualitätsmanagementsystem implementiert worden ist (vgl. z.B. Ahire et al. 1996; Prajogo/Brown 2004). Ein anderer Ansatz ist es, Qualitätsmanagement allgemein als organisationale Bemühungen zur Sicherung und Optimierung von Qualität zu verstehen. Qualitätsmanagement wird dann nicht bloß als ein Paket formaler Methoden, sondern als ein Konglomerat von Qualitätspraxen und -einstellungen beschrieben (vgl. Cole/Scott 1999). Auf diese Weise wird davon ausgegangen, dass jede Organisation ein mehr oder minder formalisiertes Qualitätsmanagement betreibt. In diesem Sinne ist beispielsweise die Supervision, die regelmäßige Teamsitzung oder die systematische Zufriedenheitsbefragung der Nutzerinnen und Nutzer ebenso Bestandteil des Qualitätsmanagements einer Einrichtung der Sozialen Arbeit wie die Qualitätsarbeitsgruppen oder der Einsatz hoch formalisierter Arbeitsprozess-Diagramme. Mit einem solchen weit gefassten Begriff von Qualitätsmanagement können Organisationen in Hinblick auf die dort vorherrschenden Formen von Qualitätsmanagement vergleichend untersucht werden, unabhängig davon, ob sie ein formales Qualitätsmanagementsystem implementiert haben oder nicht. Entsprechend wurde nicht nur erhoben, welche Maßnahmen und Programme die Einrichtungen implementiert haben und welches Ausmaß an Ressourcen für die organisationale Qualitätsentwicklung sie zur Verfügung stellen. Als Bestandteil der Qualitätspraxen einer Organisation wurden zudem in Anlehnung an ein Instrument zur Erfassung von Strukturqualität in der Sozialen Arbeit (Macsenaere 1998) noch Angaben über das Personalmanagement, zu Qualitätsmanagement und Professionalisierung in der Sozialen Arbeit 281 Art und Häufigkeit der Supervision und zu vielfältigen Verfahren der Planung, Dokumentation und Kontrolle der Arbeit erhoben. Da diese Fragen zum technologischen Aspekt der Qualitätspraxen ausschließlich abfragbares Wissen beinhalten, wurden sie durch eine Person beantwortet, die sich darin am besten auskennt. Das war in der Regel die Einrichtungsleitung oder der Qualitätsbeauftragte. 2.3 Form und Grad der Formalisierung Zur Erfassung von Form und Grad der Formalisierung wurde auf das Job Diagnostic Survey (JDS, Hackman/Oldham 1975, 1980) zurückgegriffen. Es handelt sich dabei um ein breit angelegtes, bewährtes Instrument der Arbeits- und Tätigkeitsanalyse (vgl. Dunckel 1999), mit dem sich Arbeitsbedingungen differenziert erfassen lassen. Es gehört zu den international am weitesten verbreiteten Instrumenten (Schmidt/Kleinbeck 1999: 205). Die offizielle deutsche Übersetzung (Schmidt et al. 1985) ist nun für den Bildungs- und Sozialbereich angepasst worden (van Dick et al. 2001); zudem wurde für diese Studie eine sprachliche Adaption an die spezifischen Bedingungen der Familienhilfe vorgenommen. Darüber hinaus wurde statt der ursprünglichen sogenannten 7-Punkt-Likert-Skala des JDS die sogenannte 4-stufige Rating-Skala verwendet. Da ungerade Rating-Skalen die bekannte Tendenz zur Mitte im Antwortverhalten provozieren, was wiederum die Auswertung vor allem von Clusteranalysen erschwert, sollte auf ungerade Skalen nur dann zurückgegriffen werden, wenn eine neutrale Antwortmöglichkeit zwingend erforderlich ist (Micheel 2003: 405). Dies ist für die Items im JDS nicht der Fall. Als Instrument der subjektiven Arbeitsanalyse, bei dem die Arbeitsbedingungen der Befragten anhand der Selbstauskünfte erfasst werden, basiert es auf der Annahme, dass sich organisationale Strukturen in den individuellen Haltungen der Beschäftigten niederschlagen (Hackman/Oldham 1975: 168-169; Schmidt/Kleinbeck 1999: 215-217; Taber/Taylor 1990: 469-271). Ausgehend von dem Job Characteristics Model (Hackman 1969: 31; Hackman/ Lawler 1971: 55) werden wesentliche Aspekte einer professionellen Tätigkeit abgebildet: 1. die Aufgabenvielfalt, 2. die Ganzheitlichkeit der Aufgabe, 3. die Bedeutsamkeit der Aufgabe, 4. die Autonomie und 5. die Rückmeldung, die die Befragten durch die Aufgabe selbst oder durch Dritte bekommen (Hackman/Oldham 1975, 1980). In diesem Projekt wurden die Modellannahmen des Job Characteristics Model professions- und organisationssoziologisch reformuliert. Standardisierung wird dabei konzipiert als Verringerung der Aufgabenvielfalt und Beschränkung der professionellen Handlungsautonomie, Taylorisierung als mangelnde Ganzheitlichkeit der Tätigkeit. 2.4 Professionsbindung Die Professionsbindung wurde mit ausgewählten Items der Professionalisation Scale von Hall (1961, 1968) in der Version von Swailes (2003) erhoben. Zur Übersetzung wurden Items von Enzmann und Kleiber (1989) herangezogen. Auch hier wurde aus denselben Gründen, die schon für das JDS zutrafen, die Skalierung von der 7-stufigen Rating-Skala auf eine 4-stufige Skala angepasst. 282 3. Christof Beckmann, Hans-Uwe Otto, Andreas Schaarschuch, Mark Schrödter Ergebnisse und Diskussion 3.1 Verbreitung von Qualitätsmanagementsystemen Innerhalb der Auswahlstichprobe (n=102), die durch das oben beschriebene „Schneeballverfahren“ zusammengestellt worden ist, verfügen 20 % der Einrichtungen über ein formales Qualitätsmanagementsystem (vgl. Beckmann/Schrödter 2006). Das ist vergleichsweise hoch, da im SGB VIII (KJHG) im Gegensatz zu anderen Gesetzbüchern des sozialen Bereichs explizit kein Qualitätsmanagement gefordert wird, sondern eher von der Notwendigkeit einer „diskursiven“ Qualitätsentwicklung ausgegangen wird. Entsprechend dem Kriterium der geschichteten Zufallsstichprobe besteht in der Hälfte der 30 untersuchten Einrichtungen ein Qualitätsmanagement. Davon haben sich zwei Einrichtungen für die Implementation von DIN-EN ISO 9000f. entschieden, vier Einrichtungen haben in ihrer Organisation das Balanced Scorecard-System eingeführt, wobei zwei Einrichtungen die Systeme DIN-EN ISO 9000f. und Balanced Scorecard kombinieren. Am häufigsten wird auf selbst entwickelte oder andere Formen des Qualitätsmanagements zurückgegriffen (9 Einrichtungen). Dies wird zum einen dadurch bedingt sein, dass viele der großen Wohlfahrtsverbände inzwischen dazu übergegangen sind, ein eigenes Qualitätsmanagement zu entwickeln, das zwar in der Regel an eines der bekannten Qualitätsmanagementsysteme angelehnt ist, aber auf den jeweiligen Kontext der Einrichtungen hin modifiziert worden ist. Zum anderen empfinden die Einrichtungen die strengen Vorschriften, die in den bekannten Qualitätsmanagementsystemen, die zumeist noch auf eine externe Zertifizierung ausgerichtet sind, als zu unflexibel. So hat auch keine der hier untersuchten Einrichtungen ihr Qualitätsmanagementsystem zertifizieren lassen. 3.2 Dimensionen der Arbeitsbedingungen Hackman und Oldham schlagen vor, ein Globalmaß für das innerorganisatorische Motivationspotential der Mitarbeiter (Motivating Potential Score, MPS) zu bilden. Das MPS wird nach folgender Formel berechnet (Hackman/Oldham 1975: 160; Schmidt et al. 1981: 163): MPS = (Vielfalt + Ganzheitlichkeit + Bedeutsamkeit)/3 × Autonomie × Rückmeldung. Bei der hier verwendeten 4-stufigen Ratingskala ist so ein Maximalwert von 64 möglich, bei dem der höchste Grad ermächtigender Formalisierung gegeben wäre (siehe Tabelle 1 auf der gegenüberliegenden Seite). In der hier untersuchten Stichprobe erreichen die Fachkräfte einen mittleren Wert von MPS=36.68. Dieser Wert bleibt bei der Betrachtung der Einrichtungsebene, auf der die Werte der zugehörigen Fachkräfte aggregiert werden, stabil (MPS=37,15). Auf der Ebene der Einrichtungen nimmt die Standardabweichung deutlich ab (sd=3,53). Es gibt also einzelne Fachkräfte mit Extremwerten, aber keine Einrichtung, die sich extrem von anderen Einrichtungen unterscheiden würde. Hier wurde das auf Basis des JDS berechnete MPS als Globalmaß für ermächtigende Formen organisationaler Formalisierung interpretiert. Der durchschnittliche Wert von 37, den die Fachkräfte erreichen, ist vergleichsweise hoch. Er entspricht 58 % der maximal möglichen 64 Punkte. In Anlehnung an Hackman (1980) können Werte unter 20 % des Maximalwertes als niedrig gelten, weil sie die Mitarbeiter sehr Qualitätsmanagement und Professionalisierung in der Sozialen Arbeit 283 stark demotivieren.2 In vergleichbaren Untersuchungen erreichen Angestellte in Dienstleistungsberufen 44 %, Lehrer 52 % (Hackman/Oldham 1980), Fachkräfte in sozialen Diensten 34 % (Jermier et al. 1989), Polizeibeamte 32 % (Gaines/Jermier 1983) und Bankangestellte zwischen 31 % und 40,8 % (Griffin 1991). Die hier untersuchten Fachkräfte erreichen also weit höhere Werte als die, die bislang bei anderen Fachkräften in sozialen Diensten gemessen worden sind. Das MPS der untersuchten Familienhelferinnen und Familienhelfer übersteigt noch die von Lehrerinnen und Lehrern und verweist damit auf Arbeitsbedingungen, die professionalisiertes Handeln ermächtigen. In einer entsprechenden Regressionsanalyse erklärt die unabhängige Variable Professionsbindung 43 % der Varianz (p=.000) der abhängigen Variable MPS. Tabelle 1: Ebene der Fachkräfte Ebene der Einrichtungen Motivationspotential (MPS) N min max Max. erreichb. Wert Mittelwert Standardabweichung 261 11,26 58,67 64 36,68 9,73 30 30,51 42,11 64 37,15 3,53 Quelle: eigene Berechnung, auf Basis des Job Diagnostic Survey (JDS) Das MPS gibt lediglich ein Globalmaß für die Formalisierung an, die in einzelne Dimensionen entlang der von Hackman und Oldham vorgesehenen Subskalen zu differenzieren ist. Allerdings konnte – wie in anderen Untersuchungen auch (Cunningham/MacGregor 2000; Renn et al. 1993; Dodd/Ganster 1996; Griffin 1991; Kulik 1989) – die von Hackman und Oldham gefundene 5-faktorielle Struktur des Job Diagnostic Surveys in dieser Untersuchung nicht repliziert werden. Zwar ergibt eine Hauptkomponentenanalyse 5 Faktoren, die rotierte Komponentenmatrix wies aber insgesamt nur unbefriedigende Ladungen auf. Die Items aus einer Subskala luden zum Teil auf unterschiedlichen Faktoren und zudem ergaben sich bei einigen Items deutliche Nebenladungen auf anderen Faktoren. Die kumulierte erklärte Gesamtvarianz (55,01 %) war ebenfalls unbefriedigend. Es wurde daher auf der Basis ausgewählter Items des JDS, die den hier veranschlagten organisationstheoretischen Annahmen am besten gerecht werden, eine Komponentenmatrix erstellt, die zudem das Gesamtkonstrukt gut wiedergibt (Tabelle 2). Die Komponentenmatrix (Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation, Varianzaufklärung durch 6 Faktoren: 76,86 %) kann als Operationalisierung professioneller Arbeitsbedingungen in 6 wesentliche Dimensionen verstanden werden. Sie gliedert sich in die Dimension der professionellen Autonomie (Faktor 1), der Rückmeldung aus der Tätigkeit selbst (Faktor 2) und durch die Leitung (Faktor 3), in die Dimension der wahrgenommenen Vielfältigkeit (Faktor 4) und Ganzheitlichkeit der Aufgaben (Faktor 5) und schließlich in die Bedeutsamkeit der Tätigkeit für die Fachkräfte (Faktor 6). 2 Bei der Umrechnung der Punktwerte in Prozentwerte handelt es sich um eine grobe Schätzung. Hackman spricht von 60 Punkten, die als niedrig gelten müssen. Dies entspricht bei einem Maximalwert von 343 Punkten 17,5 %. 284 Christof Beckmann, Hans-Uwe Otto, Andreas Schaarschuch, Mark Schrödter Tabelle 2: Dimensionen organisationaler Arbeitsbedingungen: Rotierte Komponentenmatrix ausgewählter Items des Job Diagnostic Surveys (JDS) Autonomie Ich kann völlig frei entscheiden, wie ich meine Arbeit gestalte (jds6). Meine Arbeit kann von mir sehr selbstständig geplant werden (jds16). An der Entwicklung der Familien sehe ich sehr gut, wie gut oder schlecht meine Arbeit ist (jds2). Die Tätigkeit selber gibt mir nur wenige Hinweise, wie gut ich eigentlich arbeite (jds7r). Ob ich meine Arbeit gut oder schlecht mache, kann ich kaum feststellen (jds21r). Das Ausmaß der Rückmeldungen von Seiten der Leitung ist für mich ausreichend (jds9). Die Leitung gibt mir häufig Rückmeldungen über die Qualität meiner Arbeit (jds12). Von der Leitung erfahre ich fast nie, ob ich gut arbeite (jds14r). Viele Merkmale meiner Tätigkeit sind sehr einfach und wiederholen sich ständig (jds3r). Ich kann auf die Entwicklung der Familien als Ganze umfassend und nicht nur in wenigen Teilaspekten Einfluss nehmen (jds13). Insgesamt betrachtet ist meine Arbeit nicht sehr bedeutend, da andere Faktoren, wie die Kindheitserfahrungen der Klienten, das soziale Umfeld, die gesellschaftlichen Verhältnisse, für das Wohlergehen der Familie viel wichtiger sind als die Familienhilfe (jds22r). ,778 Rückmeldung ArLeibeit tung ,178 ,027 Vielfalt Ganzheitlichkeit Bedeut samkeit ,198 ,160 -,096 ,875 ,133 ,053 -,110 ,041 ,039 ,094 ,710 -,011 ,013 -,197 -,447 ,019 ,657 -,138 -,013 -,343 ,029 ,062 ,745 -,199 ,107 -,091 -,137 ,141 ,043 ,824 -,021 -,090 ,091 -,027 ,141 ,866 ,079 ,100 -,061 ,022 ,137 -,867 ,101 -,040 ,067 ,049 ,058 -,030 ,975 -,034 ,066 ,191 ,161 ,006 -,038 ,880 -,141 -,024 ,026 -,031 ,068 -,161 ,913 Quelle: eigene Berechnung Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse Rotationsmethode: Varimax mit Kaiser-Normalisierung Die Rotation ist in 6 Iterationen konvergiert, erklärte Varianz: 76,86 %. Qualitätsmanagement und Professionalisierung in der Sozialen Arbeit 285 Um absolute Häufigkeitswerte interpretieren zu können, wurde auf Basis dieser exploratorischen Hauptkomponentenanalyse ein weiteres Variablenset konstruiert. Über die Items der Faktoren wurden Skalenmittelwerte gebildet, durch die die Grade der ermächtigenden Formalisierung in den untersuchten Einrichtungen dargestellt werden können. Tabelle 3: Dimensionen organisationaler Arbeitsbedingungen: Mittelwerte, Standardabweichungen, Minimal- und Maximalwert der Skalenmittel des Job Diagnostic Surveys (JDS) Rückmeldung durch die Leitung Rückmeldung durch die Arbeit Autonomie N Minimum Maximum Mean Std. Deviation 258 1,00 4,00 2,8747 ,83341 261 1,33 4,00 3,0754 ,52792 261 2,50 4,00 3,3831 ,46693 Bedeutsamkeit 256 1,00 4,00 2,6836 ,64889 Vielfalt 259 1,00 4,00 2,9266 ,73031 Ganzheitlichkeit 259 1,00 4,00 2,9112 ,72325 Valid N (listwise) 250 Quelle: eigene Berechnung Die Antworten der Fachkräfte deuten insgesamt darauf hin, dass in den untersuchten Einrichtungen Arbeitsbedingungen vorherrschen, die professionelles Handeln ermächtigen (siehe Tabelle 3). Dies zeigt sich insbesondere in den Bereichen der professionellen Autonomie und der Rückmeldung aus der Arbeit selbst. Geht man mit Freidson (2001) davon aus, dass in der Autonomie professioneller Praxis „the very soul of professionalism“ zu sehen ist, und sich die Rückmeldung aus der Tätigkeit über Formen reflexiver Praxis vermittelt,3 diese Formen also durch die Einrichtungen organisational ermöglicht und gestützt werden müssen, so lässt sich sagen, dass sich die Standardisierung bzw. Deprofessionalisierung der Tätigkeit nicht eingestellt hat. Die Werte für Autonomie und Rückmeldung aus der Arbeit liegen bei einem Mittelwert von über 3 von möglichen 4 Punkten, bei geringer Streuung im Vergleich zu den anderen Dimensionen der Arbeitsbedingungen. 3 Anders als bei manuellen oder technischen Tätigkeiten ist eine Rückmeldung über die Qualität oder Angemessenheit der professionellen Praxis nur vermittelt möglich. Die „Wirkungen“ der Praxis sind abhängig von Faktoren, die grundsätzlich nicht vollständig kontrollierbar sind. Gleichzeitig sind solche Rückmeldungen für eine Beurteilung der eigenen Tätigkeit für die Fachkraft eine wichtige Vorraussetzung zur Verbesserung der Praxis. Es kommt also zum einen darauf an, inwiefern Organisationen es ermöglichen, dass die Fachkräfte Rückmeldungen über die eigene Tätigkeit vermittelt über „Feedbackschleifen“ beziehen, etwa in Form kollegialer Beratung oder durch die Team- oder Einrichtungsleiter. Zum anderen ist entscheidend, ob in der Organisation eine Kultur vorherrscht (Klatetzki 2004), in der solche Rückmeldungen als wichtige Beiträge zur Verbesserung der eigenen Praxis erachtet werden. 286 Christof Beckmann, Hans-Uwe Otto, Andreas Schaarschuch, Mark Schrödter Die Mittelwerte für die Skalen Vielfalt der wahrgenommenen Aufgabe (2,93) sowie der Ganzheitlichkeit der Aufgabe (2,91) sind vergleichsweise hoch, allerdings streuen in diesen Dimensionen die Arbeitsbedingungen weitaus stärker über die Einrichtungen (sd=.73 für den Faktor Vielfalt und sd=.72 für den Faktor Ganzheitlichkeit). In einigen Einrichtungen kann also in diesen Dimensionen nur bedingt von ermächtigenden Formen der Formalisierung die Rede sein. In Hinblick auf die wahrgenommene Aufgabenvielfalt kann dies bedeuten, dass die Fachkräfte dort die Probleme der Familien als routinemäßig abzuarbeitende „Fälle“ wahrnehmen, in Hinblick auf die Ganzheitlichkeit der Aufgaben, die gerade im Bereich der SPFH von großer Bedeutung ist,4 impliziert dies Taylorisierungstendenzen in einigen Einrichtungen. Die Dimension Rückmeldung durch die Leitung erreicht in den Skalenmittelwerten den zweitniedrigsten Wert, und gleichzeitig weist diese Skala die höchste Standardabweichung auf. Im Hinblick auf die Einführung von Qualitätsmanagementsystemen stellt sich hier die Frage, ob diese den selbstgesetzten Absichten entsprechen, die Tätigkeit nicht nur für externe Stakeholder, sondern auch den Fachkräften selbst transparenter zu machen. Dieser Aspekt der „close supervision“ (Scott 1965) ist ein wesentliches Moment innerhalb eines Qualitätsmanagements, in der die Leitung die strategische Ausrichtung der Organisation vorgibt und dies gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach „unten“ durchsetzt. 3.3 Dimensionen von Qualitätspraxen Mit Hilfe einer Faktorenanalyse (Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation, Varianzaufklärung durch 3 Faktoren = 60,8 %) konnten die abgefragten Bestandteile von Qualitätspraxen auf drei wesentliche Dimensionen verdichtet werden (siehe Tabelle 4 auf der gegenüberliegenden Seite). So bildete sich der Faktor Verankerung von Qualitätsmanagement heraus (Q1Q5), der anhand des Institutionalisierungsgrades von Fortbildungsveranstaltungen zur Qualitätsentwicklung, Qualitätsarbeitsgruppen, Leitbildentwicklung sowie der Ernennung und Schulung von Qualitätsbeauftragten die Implementationstiefe von Qualitätsmanagement erfasst. Diese Methoden sind bei formalen Qualitätsmanagementsystemen obligatorisch, können aber auch von Einrichtungen vorgesehen werden, ohne ein vollständiges Qualitätsmanagementsystem zu implementieren. Der Faktor Datenbasiertes Controlling (Q9-Q11) bezieht sich zum einen auf Methoden der Datenerhebung (Dokumentation) und der datenbasierten Steuerung (Controlling, Misserfolgsanalyse etc.), wie sie in formalen Qualitätsmanagementsystemen als Basis für ein zielgeleitetes Management („management by objectives“, Drucker 1956) angesehen werden. Der Faktor Mitarbeiterqualifizierung repräsentiert die „weichen“ Methoden, die in Professionen im Allgemeinen (Ausbildung, Weiterbildung) und in der Familienhilfe im Besonderen als Bedingung für die Produktion qualitativ hochwertiger Dienstleistungen angesehen werden (Helming et al. 1999: 114-118) und die in 4 Hier wird nicht der sogenannten „diffusen Allzuständigkeit“ der Familienhilfe das Wort geredet, die in eine Kolonialisierung der Lebenswelt Familie durch Familienhilfe münden kann (Karsten/Otto 1987). Es geht vielmehr um die ganzheitliche Bearbeitung des lebenspraktischen Problems, welches eine Autonomisierung der Familie be- oder verhindert. Qualitätsmanagement und Professionalisierung in der Sozialen Arbeit 287 formalen Qualitätsmanagementsystemen als Personalmanagement gefasst werden. Die Unabhängigkeit der Faktoren belegt, dass die „Verankerung von Qualitätsmanagement“ nicht notwendigerweise in unmittelbarer „Wahlverwandtschaft“ stehen muss mit Qualitätspraxen wie dem „Datenbasierten Controlling“ oder der „Mitarbeiterqualifizierung“. Tabelle 4: Rotierte Komponentenmatrix der Qualitätspraxen Q1 Qualitäts-Fortbildung der Leitung Q2 Qualitäts-Fortbildung der Fachkräfte Q3 Qualitäts-AGs Q4 Leitbildentwicklung Q5 Qualitätsbeauftragte Q6 Supervision Q7 Fortbildung Q8 Ausbildung / Qualifikation Q9 Monitoring / Controlling Q10 Misserfolgsanalyse Q11 Leistungsindikatoren Komponente Verankerung von Qualitätspraxen ,842 ,778 ,756 ,575 ,594 ,019 ,249 ,066 -,411 ,177 -,074 Datenbasiertes Controlling -,098 ,007 ,109 -,079 -,124 -,309 -,328 ,096 ,713 ,858 ,677 Mitarbeiterqualifizierung ,042 ,211 ,313 -,185 ,098 ,848 ,569 ,782 -,153 -,112 -,056 Quelle: eigene Berechnung Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse Rotationsmethode: Varimax mit Kaiser-Normalisierung Die Rotation ist in 5 Iterationen konvergiert, erklärte Varianz: 60,8 %. 3.4 Zusammenhang zwischen Qualitätspraxen und Formalisierung Die Analyse des Einflusses der Qualitätspraxen auf die organisationalen Arbeitsbedingungen mit Hilfe bivariater Verfahren ergibt lediglich einen signifikanten Zusammenhang. Es besteht ein hoher negativer Zusammenhang zwischen dem Datenbasierten Controlling und der wahrgenommenen Vielfältigkeit der Aufgaben. In einer Regressionsanalyse erklärt der Faktor „datenbasiertes Controlling“ 21,8 % der Gesamtvarianz (p=.008) der wahrgenommenen Aufgabenvielfalt. Es scheint also in den untersuchten Organisationen nicht gelungen zu sein, Verfahren des Controllings so in die organisationalen Strukturen einzubinden, dass professionelles Handeln dadurch ermächtigt werden würde. Es liegt somit der Schluss nahe, dass in den befragten Einrichtungen das Datenbasierte Controlling zu einer Standardisierung professioneller Praxis führt. Die zu bearbeitenden Probleme werden also mit Hilfe des Controllings in Aufgaben verwandelt, die wenig vielfältig erscheinen. Als Tendenz zeichnet sich dies auch auf der Ebene des Globalmaßes für ermächtigende Formalisierung (Korrelation zwischen Datenbasiertem Controlling und MPS) ab, die aber aufgrund der geringen Fallzahl hier nicht signifikant ist. 288 Christof Beckmann, Hans-Uwe Otto, Andreas Schaarschuch, Mark Schrödter Tabelle 5: Zusammenhänge zwischen Qualitätspraxen und Dimensionen organisationaler Arbeitsbedingungen Faktoren des JDS Rückmeldung durch die Leitung Rückmeldung durch die Arbeit Autonomie Bedeutsamkeit Vielfalt Ganzheitlichkeit MPS Korrelation nach Pearson Verankerung Qualitätsmanagement Mitarbeiterqualifizierung Datenbasiertes Controlling -,032 ,180 -,150 Signifikanz (2-seitig) ,869 ,340 ,430 N 30 30 30 -,116 -,007 -,212 Signifikanz (2-seitig) ,541 ,971 ,260 N 30 30 30 Korrelation nach Pearson -,247 ,073 ,071 Signifikanz (2-seitig) ,189 ,703 ,711 N 30 30 30 Korrelation nach Pearson -,040 -,053 -,225 Signifikanz (2-seitig) ,833 ,780 ,232 N 30 30 30 Korrelation nach Pearson ,108 ,210 -,462(*) Signifikanz (2-seitig) ,571 ,266 ,010 N 30 30 30 Korrelation nach Pearson ,059 -,033 ,053 Signifikanz (2-seitig) ,757 ,862 ,780 N 30 30 30 Korrelation nach Pearson -,078 ,166 -,257 Signifikanz (2-seitig) ,684 ,379 ,170 N 30 30 30 Korrelation nach Pearson Quelle: eigene Berechnung * Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,05 (2-seitig) signifikant. ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,01 (2-seitig) signifikant. Der Ausbildung der Leitungskräfte wird eine hohe Bedeutung für die Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen der Fachkräfte zugeschrieben. Littek et al. (2005) kommen im Hinblick auf eine Studie, die verschiedenste Professionen in mehreren Ländern einschließt, zu dem Ergebnis, dass es für die Frage nach den professionellen Arbeitsbedingungen entscheidend ist, ob die Leitung durch „professionals“ oder von „berufsmäßigen Managern“ (Littek et al. 2005: 91) gebildet wird. Diese Unterschiede, „wie sie sich besonders deutlich an den Befragungsergebnissen zur Überwachung der Arbeitsleistung sowie deren Beurteilung und Bewertung zeigen, [haben] beträchtliche Qualitätsmanagement und Professionalisierung in der Sozialen Arbeit 289 Unterschiede in den Entscheidungs- und Gestaltungsspielräumen bei der Arbeit zur Folge“ (Littek et al. 2005: 91; vgl. auch Blau et al. 1971: 101). Um diesen Zusammenhang zwischen der fachlichen Ausbildung der Einrichtungsleitung und den Arbeitsbedingungen der Fachkräfte zu untersuchen, wurde ein Faktor für die Professionsbindung der Leitung gebildet (siehe Tabelle 6). Tabelle 6: Komponentenmatrix der Professionsbindung der Leitungskräfte Komponente Professionsbindung Wenn ich einen anderen Beruf ausüben könnte, in dem ich das gleiche Gehalt bekäme, würde ich dies wahrscheinlich tun (PC1R). Wenn ich noch einmal von vorne anfangen könnte, würde ich mich für einen anderen Berufszweig entscheiden (PC3R). Ich bin dieser Profession zu sehr verbunden, um sie aufzugeben (PC5). ,690 ,741 -,786 Quelle: eigene Berechnung Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse a 1 Komponente extrahiert Der Faktor „Professionsbindung“ steht weder in einem Zusammenhang mit dem Globalmaß der ermächtigenden Formalisierung (r=.122; p=.519) noch zu der wahrgenommenen Aufgabenvielfalt der Fachkräfte (r=-.057; p=.766). Es scheint sich hier zu bestätigen, dass die Handlungsrationalitäten und die eingesetzten Methoden einer habituell verankerten Professionsbindung dominieren. Auf dieses Phänomen der „corporate professionals“, die auch und gerade in Leitungspositionen an einer Managerialisierung der Arbeitsbedingungen mitwirken, ist mehrfach hingewiesen worden (Starr 1982; Clarke/Newman 1997). Die Handlungsspielräume von Leitungspersonen mit einem fachlichen Hintergrund sollten also nicht überschätzt werden. Auch zu den übrigen Dimensionen der Arbeitsbedingungen (Ganzheitlichkeit, Rückmeldung durch die Leitung, Rückmeldung durch die Arbeit) steht die Professionsbindung der Leitung in keinem Zusammenhang. Es kann an dieser Stelle nur vermutet werden, dass die entsprechenden Daten, auf die das Datenbasierte Controlling zurückgreift, vor dem Hintergrund professioneller Reflexionsmaßstäbe als weitgehend irrelevant erachtet werden, sie also nicht als Rückmeldung über die eigene Arbeit interpretiert werden. Die Qualitätsmaßnahmen selbst stehen ebenfalls nicht in einem aussagekräftigen Zusammenhang zu den professionellen Arbeitsbedingungen. Dies steht der verbreiteten These, die Implementation von Qualitätsmanagementverfahren würden zu einem „Reflexionsanstoß“ führen, entgegen. Es müssen also andere Bedingungen dafür ausschlaggebend sein, ob und wie die Fachkräfte diese Maßnahmen als ermächtigend oder restringierend empfinden. 290 4. Christof Beckmann, Hans-Uwe Otto, Andreas Schaarschuch, Mark Schrödter Schluss Die Differenzierung in Einrichtungen, die ein formales Qualitätsmanagementsystem implementiert haben, und solche, die kein System implementiert haben, ist empirisch obsolet. Einrichtungen, die ein System implementiert haben, unterscheiden sich hinsichtlich der Formalisierung der Arbeitsbedingungen nicht von Einrichtungen, die kein System implementiert haben. Eine mögliche Erklärung wäre der hohe Legitimationsdruck, denen die untersuchten Einrichtungen ausgesetzt sind. Der Ausweis eines formalen Qualitätsmanagementsystems fungiert für sie als ein Konkurrenzfaktor auf dem Sozialmarkt, ohne dass sich dahinter eine grundsätzlich andere professionelle Praxis verbergen würde. Qualitätsmanagement scheint der Außenlegitimation zu dienen und stellt in diesem Sinne eher „talk“ dar, ohne dass dem eine besondere „action“ zugrunde läge. Global zeichnen sich die befragten Einrichtungen durch ermächtigende Arbeitsbedingungen aus, die professionalisiertes Handeln stützen. Dieser überraschend positive Befund darf allerdings nicht als repräsentative Zustandsbeschreibung von Dienstleistungen in der Sozialen Arbeit verstanden werden, da hier immer auch der Selektionsbias von Bedeutung sein mag, nach der vor allem besonders motivierte Einrichtungen die Bereitschaft zur Teilnahme an der Studie erklärt haben. Daher stehen hier eher Aussagen über Zusammenhänge als Aussagen über die Grundgesamtheit im Vordergrund. Trotz der insgesamt ermächtigenden Arbeitsbedingungen sind allerdings gerade im Hinblick auf die Dimensionen der „Bedeutsamkeit der Tätigkeit“ und der „Rückmeldung durch die Leitung“ Einschränkungen vollständig „autonomer“ Arbeitsbedingungen zu verzeichnen. Die Einschränkungen in den professionellen Arbeitsbedingungen können aber nur teilweise durch die hier erhobenen Qualitätspraxen erklärt werden. Je ausgeprägter in einer Organisation auf Methoden des Monitorings, der Steuerung über Misserfolgsanalyse und Leistungsindikatoren zurückgegriffen wird, desto eher bilden sich restringierende Formen der Formalisierung aus. Als Ursachen können externe Variablen angenommen werden, beispielsweise in der Organisationsumwelt oder in Klientenvariablen. So könnte beispielsweise die Verschlechterung des sozioökonomischen Status der betreuten Familien die niedrige wahrgenommene Bedeutsamkeit der Aufgabe durch die Fachkräfte erklären. Deutlich wurde aber, dass Standardisierungstendenzen auf Formen „Datenbasierten Controllings“ zurückzuführen sind – ohne dass dies durch die Einstellungen der Einrichtungsleiter zu erklären wäre. Die Ergebnisse zeigen, dass die bürokratische Handlungsrationalität sich nicht ohne weiteres durch die professionelle Handlungslogik aufladen lässt, sondern dazu tendiert, diese zu überformen. Qualitätsmanagement und Professionalisierung in der Sozialen Arbeit 291 Literaturverzeichnis Adler, Paul S.; Borys, Bryan (1996): „Two types of bureacracy: Enabling and coercive“, Administrative Science Quarterly 41: 61-89. Ahire, Sanjay L.; Golhar, Damodar Y.; Waller, Matthew A. (1996): „Development and validation of TQM implementation constructs“, Decision Sciences 27: 23-56. Alford, John (2004): „Dienstleistungsqualität in Australien. Kontraktualismus versus Partnerschaft“, in: Christof Beckmann; Hans-Uwe Otto; Martina Richter; Mark Schrödter (Hg.): Qualität in der Sozialen Arbeit. 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