Katharina Koch und Jana Lakowski Cochlea implantierte Kinder in der Ergotherapie Handlungsempfehlung für die ergotherapeutische Praxis 1 Neue Reihe Ergotherapie Herausgeber: Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V. Reihe 2: Fachbereich Pädiatrie Band 9 Die Handlungsempfehlung ist im Rahmen des Bachelor-Studiengangs „Ergotherapie“ 2002/2003 an der Hogeschool Zuyd, Heerlen, Niederlande, unter Begleitung von Maggy Blees (MHSc-OT / AUS) entstanden. Meinungsäußerungen, Erfahrungsberichte und konstruktive Kritik zur Handlungsempfehlung nehmen die Autorinnen gerne entgegen. Kontakt: [email protected] 2 Katharina Koch und Jana Lakowski Cochlea implantierte Kinder in der Ergotherapie Handlungsempfehlung für die ergotherapeutische Praxis Idstein 2004 3 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Besuchen Sie uns im Internet: www.schulz-kirchner.de 1. Auflage 2004 ISBN 3-8248-0437-9 Lektorat: Beate Kubny-Lüke Layout: Susanne Koch Illustrationen: Klaus Wahrmann Titelfoto: Jan Stoffel Umschlagentwurf: Werkstudio.werbung und design GmbH, Düsseldorf Alle Rechte vorbehalten © Schulz-Kirchner Verlag GmbH, Idstein 2004 Druck und Bindung: Rosch-Buch Druckerei GmbH, Scheßlitz Printed in Germany 4 Inhalt Vorwort 7 Einführung 8 Hören 10 Bedeutung des Hörens 11 Hörverlust – verschiedene Ursachen von Hörstörungen 12 Auswirkungen von Hörstörungen 13 Aufbau und Funktion des CI 14 Indikation für ein CI bei Kindern 16 Qualität des Hörens mit einem CI 16 Unterschiede zwischen einem CI und anderen Hörhilfen 19 Modelle in der Ergotherapie 20 Kanadisches Modell der Betätigungsperformanz – Canadian Model of Occupational Performance (CMOP) 20 Die ergotherapeutische Intervention bei CI-Kindern 28 Kurzdarstellung der Studienergebnisse 30 Handlungsvorschläge 32 - Zur Verbesserung von Basisfunktionen in der Wahrnehmungsverarbeitung im vestibulären Bereich 34 - Zur Verbesserung von Basisfunktionen in der Wahrnehmungsverarbeitung im propriozeptiven Bereich 35 - Zur Verbesserung von Basisfunktionen in der Wahrnehmungsverarbeitung im taktil-kinästhetischen Bereich 37 - Zur Verbesserung von Basisfunktionen in der Wahrnehmungsverarbeitung im visuellen Bereich 39 - Verbesserung der Handlungsfähigkeit, der Handlungsplanung, der ADL-Fähigkeiten und Erweiterung des Handlungsrepertoires 41 - Verbesserung der Koordination, Körperbewegung und Bewegungsplanung 42 5 - Förderung der Konzentrationsfähigkeit, der Aufmerksamkeit 43 - Förderung der Selbstständigkeit, des Selbstvertrauens 44 - Verbesserung der Feinmotorik 46 - Auditive Angebote – Spiele, die zum Sprechen herausfordern 48 - Verbesserung der Zusammenarbeit 51 Unterschiede zwischen dem Interventionsansatz bei Cochlea implantierten Kindern und dem Interventionsansatz bei hörenden Kindern 53 Besonderheiten für die ergotherapeutische Intervention bei CI-Kindern 53 Informationen zum sicheren Gebrauch des Cochlea-Implant-Systems 54 Buchtipps 56 Selbsthilfegruppen 57 Auskünfte zu Selbsthilfegruppen und weiterführende Informationen 57 Glossar 59 Literaturverzeichnis 61 Informationsbroschüren und Internetadressen 62 6 Vorwort Es ist erforderlich und wichtig zu betonen, dass es „den“ Hörgeschädigten nicht gibt, sondern immer nur Individuen, die in ihrer individuellen Welt, mit ihren ganz besonderen Lebensumständen leben. Kinder mit Hörstörungen sind in ihrer Entwicklung genauso individuell wie normal hörende Kinder – dennoch gibt es Auffälligkeiten, die immer wieder beobachtet werden. Es ist uns wichtig, hörgeschädigte Kinder nicht als Diagnosen, sondern als handelnde Menschen zu betrachten. Grundlage und Leitgedanke aller Maßnahmen sollten daher immer die Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit und die Förderung des Gemeinschaftsgefühls sein. In der Literatur werden diverse Schreibweisen für den Begriff „Cochlea-Implantat“ verwendet, wobei der große Unterschied zwischen „Cochlea“ und „Cochlear“ besteht. Da es sich bei dem Implantat um eine in die Cochlea zu implantierende Elektrode handelt, ist „Cochlea-Implantat“ der eigentliche Begriff. „Cochlear“ ist eine Zusammensetzung aus „cochlea“ (Schnecke) und „ear“ (Ohr) und der Name einer Herstellerfirma. In der Fachliteratur werden beide Schreibweisen für das Implantat gebraucht. In der Handlungsempfehlung wird in der Regel jedoch vom „CI“ die Rede sein, welches der inzwischen gebräuchliche Begriff für das Implantat selbst ist. Wir haben uns entschieden, in dieser Broschüre den Begriff „Ergotherapeutin“ zu verwenden. Dies schließt sowohl die weibliche als auch die männliche Form ein. Die in der Handlungsempfehlung mit „➮“ gekennzeichneten Begriffe werden im Glossar erklärt. 7 Einführung Das Cochlea Implantat (CI) ist eine elektronische Prothese, die die ausgefallenen Funktionen des Innenohrs ersetzen soll. Es ist geeignet für ertaubte und hochgradig schwerhörige Erwachsene, für taub geborene Kleinkinder und für ertaubte und hochgradig schwerhörige Kinder. Mit dem CI werden bei Taubheit oder Resthörigkeit, die durch eine Funktionsstörung der Cochlea bedingt ist, mit Hilfe elektrischer Stimulation des noch funktionsfähigen Hörnervs Hörempfindungen hervorgerufen, welche ein Sprachverstehen ermöglichen können (http://www.lkh.ch). In den letzten Jahren wurden vermehrt Cochlea Implantate bei hörgeschädigten Kindern eingesetzt, womit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass diese Kinder zunehmend in der ergotherapeutischen Praxis auftreten. Die Ergotherapie stellt unserer Meinung nach eine mögliche Interventionsform dar, für die es bisher keine entsprechenden ergotherapeutischen Richtlinien, Erfahrungsberichte und Behandlungskonzepte gibt. Ergotherapie wird in der nationalen und internationalen Literatur ansatzweise mit Cochlea implantierten Kindern in Verbindung gesetzt, allerdings werden weder ergotherapeutische Ansätze oder Interventionsmöglichkeiten beschrieben noch auftretende Problematiken aus ergotherapeutischer Sicht dargelegt. Hieraus ergab sich der Bedarf, zu diesem Thema zu forschen und zu publizieren. Die Beschäftigung mit Cochlea implantierten Kindern und die Idee der Erstellung einer Handlungsempfehlung für Ergotherapeutinnen entstand durch eigene Erfahrungen in der Arbeit mit CI-Kindern. Es geht uns darum, professionelle Kenntnisse in der Behandlung Cochlea implantierter Kinder speziell für die Ergotherapie zu erweitern, um damit eine effektive therapeutische Maßnahme anbieten und gewährleisten zu können. Eine der Handlungsempfehlung vorausgegangene Studie beschäftigte sich mit Handlungsproblemen zwei- bis sechsjähriger Cochlea implantierter Kinder und die darauf ausgerichtete ergotherapeutische Intervention. Hierbei wurden ausschließlich Kinder berücksichtigt, die keine gravierenden geistigen, physischen und/oder psychischen Zusatzbehinderungen aufwiesen. Es wurden Erfahrungen von Ergotherapeutinnen mit der Behandlung hörgeschädigter Kinder beschrieben, die mit einem Cochlea Implantat versorgt sind. Die praxisrelevanten Forschungsinhalte, die im Praxisalltag Verwendung finden können, werden hier wiedergegeben und mit aktueller Fachliteratur verknüpft. Diese Broschüre soll als Anregung zur Diskussion verstanden werden. Es ist nun 8 möglich, Ergotherapeutinnen Informationen und Hinweise in diesem relativ neuen Arbeitsfeld zu geben und somit deren Handlungssicherheit zu erhöhen. Um die Therapieplanung und Befunderhebung zu effektivieren und um zu mehr Konsens im therapeutischen Prozess zu gelangen, haben wir durch eine erste Auseinandersetzung mit dieser Thematik eine ergotherapeutische, praxisorientierte Handlungsempfehlung erarbeitet, die einen Beitrag zur Qualitätssicherung in der Ergotherapie leistet. Diese Broschüre beinhaltet neben allgemeinen Informationen über das Hören, die Bedeutung des Hörens und Ursachen sowie Auswirkungen von Hörstörungen auch Informationen über den Aufbau und die Funktionsweise eines Cochlea Implantats. Es werden Vorteile von ergotherapeutischen ➮ Modellen genannt. Im Speziellen wird auf das „Canadian Model of Occupational Performance“ eingegangen, welches als Struktur- und Gliederungshilfe für die ergotherapeutische Intervention bei CI-Kindern genutzt werden kann. Es werden Handlungsvorschläge gegeben, die aus den Erfahrungen der an der Studie beteiligten Ergotherapeutinnen resultieren. Weiterhin werden Besonderheiten und Vorsichtsmaßnahmen, die es im therapeutischen Umgang mit CIKindern zu beachten gilt, beschrieben. Wie die Studie gezeigt hat, treten bestimmte Handlungsprobleme im Alltag der CI-Kinder auf. Es ist eine ergotherapeutische Aufgabe, unter Betrachtung der Umwelt und des direkten Umfeldes des Klienten, deren Handlungsfähigkeit zu verbessern. Die Ergotherapie ist unserer Auffassung nach ein wichtiger Bestandteil in der ganzheitlichen Behandlung von CI-Kindern, um deren Handlungsfähigkeit zu verbessern und deren Selbstständigkeit im Alltag zu fördern. Die Therapiekonzepte müssen dabei die individuellen Voraussetzungen wie das Alter des Kindes, den Zeitpunkt der Ertaubung und die Dauer der Taubheit, den Hör- und Sprachentwicklungsstand sowie die Kommunikationsfähigkeit und den allgemeinen Entwicklungsstand berücksichtigen. (http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/ll/hno_ll71.htm) 9 Hören Es wird zwischen peripherem und zentralem Hören unterschieden. Das periphere Hören (der Hörvorgang) ist die Leistung und Fähigkeit des menschlichen Ohrs. Das eigentliche Verarbeiten des Gehörten findet im Gehirn statt – diese zerebralen Verarbeitungsprozesse werden als zentrales Hören definiert. Das Ohr ist ein wichtiges Sinnesorgan, welches die Kommunikation mit den Mitmenschen ermöglicht und damit die Basis für eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben bildet. Im Säuglings- und Kindesalter ist das Hören besonders bedeutsam für das Erlernen der Sprache. Das menschliche Ohr besteht aus dem äußeren Gehörgang, dem Mittelohr und dem Innenohr. Äußeres Ohr Mittelohr Innenohr Gehörknöchelchen (Hammer, Amboss, Steigbügel) Steigbügelfußplatte Hörnerv Gehörgang Cochlea Trommelfell Ovales Fenster Abbildung 1: Anatomie des Ohrs (Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Firma MED-EL) 10 Der Schallleitung dienen das äußere Ohr und das Mittelohr, wobei Schallwellen zu Luftdruckschwankungen führen, die über den Gehörgang auf das Trommelfell übertragen werden. Es schwingt im Takt des akustischen Reizes und bewegt dabei mechanisch Hammer, Amboss und Steigbügel. Das Ende der Hebelkette mündet mit der Steigbügelplatte auf dem ovalen Fenster, das den Eingang des Innenohrs darstellt und zur Cochlea gehört. Auf dem Weg vom äußeren Ohr zur Cochlea werden die Schallschwingungen verstärkt (MED-EL, 2001, S. 4). Im Innenohr findet die Umwandlung der mechanischen Schwingungen in elektrische Aktionspotentiale statt. Diese werden vom Hörnerv zum Gehirn weitergeleitet und als akustische Information interpretiert. Der Transformationsprozess von mechanischen Schwingungen in elektrische Impulse wird durch ca. 25 000 Haarzellen vollzogen. Die mit Flüssigkeit gefüllte Cochlea ist mit dem ovalen und dem runden Fenster abgeschlossen und über das ovale Fenster mit dem Mittelohr verbunden (MED-EL, 2001, S. 4). Schwingungen des ovalen Fensters führen zu Bewegungen der Innenohrflüssigkeit. Die Haarzellen der Cochlea werden somit mechanisch bewegt und regen daher zur Auslösung von elektrischen Aktionspotentialen an. Diese werden von einzelnen Nervenfasern zum Gehirn geleitet und dort als akustische Signale (Geräusche, Töne, Sprache usw.) interpretiert (MED-EL, 2001, S. 4). Bedeutung des Hörens Hören ist eine zentrale Sinneserfahrung und bildet die Grundlage der sprachlichen Kommunikation. Ist die Hörfähigkeit beeinträchtigt, wirkt sich dies auf die Sprachentwicklung und Stimmbildung, aber auch auf die psychische und soziale Entwicklung des Kindes aus (Keilmann, 2000, S. 70). Im Rahmen der sensomotorischen Gesamtentwicklung des Kindes stellen die Hörfähigkeit und die Entwicklung des Hörens eine grundlegende Bedingung im kindlichen Spracherwerbsprozess dar (http://www.pab.asn-wien.ac.at). Bereits im Mutterleib reagiert der Fötus auf bestimmte akustische Reize und ab dem dritten Lebensmonat entwickeln Kinder die Fähigkeit des „Sich-SelbstHörens“ (http://www.pab.asn-wien.ac.at). Die Bedeutung des Hörens kann anhand folgender auditiver Wahrnehmungsbereiche herausgestellt werden: Hierzu zählt u. a. die auditive Aufmerksam11 keit, die eine Informationsfunktion inne hat. Die auditive Figur-Grund-Wahrnehmung sowie die selektive Aufmerksamkeit haben sowohl Wahrnehmungsund Alarmierungs- als auch Orientierungsfunktion. Die auditive Lokalisation dient der Orientierung, die auditive Diskrimination hat Unterscheidungsfunktion. Auditive Merkfähigkeit/Gedächtnis haben eine Aktivierungsfunktion und das Erkennen auditiver Sequenzen ermöglicht das Verstehen des Sinnbezugs (Zabel, 2000, S. 7-9). Diese Fähigkeiten sind eine wesentliche Voraussetzung für die Sprachwahrnehmung und den Erwerb der Sprache. Diese hat Informationsfunktion und dient der Kommunikation und Interaktion (Zabel, 2000, S. 9-12). Hörverlust – verschiedene Ursachen von Hörstörungen Zum Hörverlust kann es kommen, wenn ein Teil des komplexen Hörsystems nicht richtig funktioniert. So können schwerhörige Menschen akustische Signale und Sprache nur stark eingeschränkt wahrnehmen. Mit Hörgeräten, die den Schall verstärken, kann dieser Personengruppe geholfen werden. Häufig führen bestimmte Erkrankungen zur Zerstörung der Haarzellen und damit zur Ertaubung, da die Umwandlung akustischer Reize (mechanische Schwingungen) in elektrische Impulse nicht mehr stattfindet. Auch von Geburt an kann eine Schädigung der Haarzellen vorliegen. Die Umwandlung von Schallschwingungen in elektrische Impulse wird beeinträchtigt, wenn die Haarzellen des Innenohrs nicht mehr funktionsfähig sind (MED-EL, 2001, S. 4). Es werden zwei Gruppen hörgeschädigter Menschen unterschieden. Die Einteilung orientiert sich am Zeitpunkt, ab dem die Betroffenen keine Höreindrücke mehr haben: „Gehörlose sind Menschen, die von Geburt an keine Höreindrücke haben; Ertaubte sind Personen, die zu Beginn ihres Lebens Höreindrücke hatten und ihr Gehör aus verschiedensten Gründen zu einem späteren Zeitpunkt verloren haben“ (MED-EL, o. Angabe, S. 10). Zur Ertaubung können u. a. Meningitiden, andere Viruserkrankungen (z. B. Röteln während der Schwangerschaft), angeborene Ursachen (Missbildungen, Syndrome), Traumata, ototoxische Medikamente und sonstige Ursachen (z. B. Tumoren, Hörsturz, Diabetes Mellitus der Mutter etc.) führen (MED-EL, o. Angabe, S. 10-11). 12 Auswirkungen von Hörstörungen Hörgeschädigte Kinder laufen Gefahr, mit Situationen überfordert, ausgegrenzt und, aufgrund des ständigen Informationsdefizits, frustriert zu werden. Sie können ihre Bedürfnisse nicht artikulieren und möchten sich nicht nur auf Nachahmen beschränken. Ebenso wie ihre hörenden Altersgenossen möchten sie z. B. über ein Vorhaben informiert werden. Hörgeschädigte Kinder verfügen weder über die Möglichkeit, dieses Interesse durch Fragen auszudrücken, noch über das Hörvermögen, eine Aufforderung oder Erklärung wahrzunehmen. Durch Situationen dieser Art reagieren manche Kinder aggressiv, was sich in Wutanfällen äußern kann. Bei anderen Kindern wiederum sind Resignation und Rückzugstendenzen erkennbar (Löwe, 1992, S. 14 f. / Keilmann, 2000, S. 70). Da Wissen und Sinnzusammenhänge hauptsächlich über die Sprache vermittelt werden, hat ein auditiv beeinträchtigtes Kind große Schwierigkeiten in seiner geistigen Entwicklung. Dies hat Auswirkungen auf das Lern- und Leistungsverhalten. Das begriffliche Denken wird beeinträchtigt, das Wissen eingeschränkt und das Verhalten verändert. Dies führt wiederum zu Schwierigkeiten mit gesellschaftlichen Normen und Anforderungen (www.pab.asn-wien.ac.at). Hörgeschädigte Kinder haben häufig Schwierigkeiten, Details als zu einem Komplex zugehörig zu erkennen und das Detail richtig zuzuordnen. Sie erkennen oft nicht Detailabweichungen, die für ein Objekt wichtig sind. Dementsprechend ist auch das im Langzeitgedächtnis gespeicherte Bild, das die perzeptive Analyse steuert, gröber strukturiert. Auch beim Erkennen von Oberbegriffen und der entsprechenden Einordnung weiterer Elemente unter diesen Oberbegriff haben hörgeschädigte Kinder Schwierigkeiten. Die richtige Zuordnung hängt von Erkennungsalgorhythmen ab, die u. a. die Abstraktion von unwesentlichen Merkmalen ablenken. Dieses Nichterkennen führt zu fehlerhaften Eingruppierungen. Schwierigkeiten bestehen bei hörgeschädigten Kindern ebenso im Erkennen eines zeitlich richtigen Handlungsablaufes. So können diese Kinder zusammenhängende Handlungen wegen mangelnder Abstraktionsleistungen häufig nicht erbringen (www.pab. asn-wien.ac.at). 13 Aufbau und Funktion des CI Es gibt Implantate mehrerer Hersteller mit unterschiedlicher Elektrodenzahl. Sie verfügen über verschiedene Sprachkodierungsstrategien sowie unterschiedliche Methoden der Signalverarbeitung. Allen gemeinsam ist der grundsätzliche Aufbau und das Funktionsprinzip. Heutige CI-Systeme bestehen aus einem implantierten und einem extern am Körper getragenen Teil. Die implantierten Teile umfassen die Stimulationselektroden sowie meist zusätzlich noch eine Empfänger- bzw. Stimulator-Elektronik. Zu den externen Komponenten gehören ein Mikrofon, ein Sprachprozessor sowie eine Sendespule oder ein Verbindungsstecker für die Signal- und Energieübertragung zum Implantat (http://www.lkh.ch). Zurzeit wird das Mikrofon meist ähnlich einer konventionellen Hinter-dem-Ohr (HdO)-Hörhilfe hinter der Ohrmuschel getragen. Die Versorgung mit Cochlea Implantaten ist heute sowohl monaural (einseitige Versorgung) als auch binaural (beidseitige Versorgung) möglich (MED-EL, 2002, S. 3). 1. Die elektrischen Signale werden zum Sprachprozessor geleitet. 2./3. Der Sprachprozessor verarbeitet die elektrischen Signale nach einer bestimmten Kodierungsstrategie in ein Muster von elektrischen Pulsen. 4. Dieses Pulsmuster wird über das Kabel zur Spule geleitet. 5. Die Spule verschlüsselt die Signale für die drahtlose Übertragung durch die Haut und gibt sie zum Implantat weiter. 6. Das Implantat entschlüsselt das Signal und leitet das Pulsmuster zur aktiven Elektrode im Innenohr. 7. Über die Elektrodenkontakte diverser Kanäle stimulieren die abgegebenen elektrischen Pulse den Hörnerv an unterschiedlichen Orten innerhalb der Cochlea. Der Hörnerv leitet als Folge so genannte Aktionspotentiale zum Gehirn weiter. 8. Das Gehirn empfängt die Aktionspotentiale des Hörnervs und interpretiert diese als akustisches Ereignis (MED-EL, 2001, S. 5). 14 5 6 23 4 8 1 7 Abbildung 2: Aufbau und Funktion eines CI (Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Firma MED-EL) 15