Franziska Heller Alfred Hitchcock F5783-Heller.indd 1 28.05.15 08:58 d i re c te d b y F5783-Heller.indd 2 28.05.15 08:58 Franziska Heller Alfred Hitchcock Einführung in seine Filme und Filmästhetik Wilhelm Fink F5783-Heller.indd 3 28.05.15 08:58 Umschlagabbildung: Psycho, © Ullstein Bild Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte, Zeichnungen oder Bilder durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§ 53 und 54 UrhG ausdrücklich gestatten. © 2015 Wilhelm Fink, Paderborn Wilhelm Fink GmbH & Co. Verlags-KG, Jühenplatz 1, D-33098 Paderborn Internet: www.fink.de Einbandgestaltung: Evelyn Ziegler, München Printed in Germany Herstellung: Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Paderborn ISBN 978-3-7705-5783-7 F5783-Heller.indd 4 28.05.15 08:58 Inhalt 1.Alfred Hitchcock und seine Geschichte(n): Annäherungen 7 Hitchcock in der Geschichte des Genrefilms – Die Entdeckung als auteur – Hitchcock und suspense – Hitchcock in der jüngeren Filmwissenschaft 2.Hitchcock aktuell: Wie und wo sehen wir Hitchcocks Filme heute? 37 Die Ikone ‚Hitchcock‘ – 2010: Fund eines neuen ‚Hitchcock‘Films? – Die Restaurierung der Stummfilme – Hitchcock in der digitalen Medientransition – Metafilmische Aneignungen und Aktualisierungen – Spielfilme, Biopics – Dokumentationen, Remakes, Parodien, künstlerisches „Kidnapping“ – Zwischenfazit 3. The Lodger. A Story of the London Fog (Der Mieter, 1926) 67 4. The 39 Steps (Die 39 Stufen, 1935) 81 5. Rear Window (Das Fenster zum Hof, 1954) 91 6. Vertigo (Vertigo – Aus dem Reich der Toten, 1958) 101 7.Psycho (Psycho, 1960) 117 8. The Birds (Die Vögel, 1963) 135 9. Frenzy (Frenzy, 1972) 149 10. Hitchcock morgen? Ein Kino der nachhaltigen Effekte 159 Bibliographie 163 Filmographie 171 Quellen-/Abbildungsnachweise 197 Dank 201 F5783-Heller.indd 5 28.05.15 08:58 F5783-Heller.indd 6 28.05.15 08:58 Abb. 1: Ein ironisches, die Nähe zum Comic suchendes Selbstporträt Hitchcocks – als auteur-Label vielfach (medial) reproduziert. 1. Alfred Hitchcock und seine Geschichte(n): Annäherungen Wenn lediglich acht knappe Striche ohne jegliche Legende genügen, um das Konterfei einer Figur unverwechselbar in Erinnerung zu rufen, muss es sich um eine besondere Ikone, einen universell geltenden Mythos der Populärkultur handeln – einzigartig und zugleich schier unendlich reproduzierbar. Der vorliegende Band unternimmt den Versuch einer Einführung in den Mythos Alfred Hitchcock, der auf seinen Filmen gründet. Das filmische Werk ist aber längst von einem Geflecht von sich überlagernden Anekdoten, Legenden, Selbstinszenierungen und multimedialen Sekundärverwertungen in der öffentlichen Wahrnehmung überwuchert. Selbst die seriöse Filmkritik und Filmgeschichtsschreibung be­findet sich in einer paradoxen Situation. Einerseits scheint über Alfred Hitchcock, den Filmemacher, schon alles gesagt zu sein. Andererseits hält die Flut an Publikationen – und mit ihr das offen- F5783-Heller.indd 7 28.05.15 08:58 8 Alfred Hitchcock und seine Geschichte(n) sichtliche Interesse, sich ernsthaft über Hitchcock zu verständigen – unvermindert an. Bereits wenige Jahre nach Hitchcocks Tod 1980 hat Hans Jürgen Wulff kapituliert, seine erstmals 1983 besorgte, dann 1988 erweiterte, unschätzbare Bibliographie All About Alfred angesichts der anfallenden Materialfülle als Printversion weiterzuführen.1 Das 1992 in den USA gegründete wissenschaftliche Jahrbuch The Hitchcock Annual sah sich bereits wenige Jahre später dazu veranlasst, seinen enormen periodischen Produktionsausstoß in einer Art best-of-Manier zu kanalisieren und einer Zweitverwertung zuzuführen.2 Ein wesentliches Moment der Faszination Hitchcocks scheint darin zu liegen, dass sein filmisches Œuvre für den Zuschauer nicht nur einzigartige Unterhaltung bereit hält. Es bietet dem Zu­schauer überdies ein sehr breites Spektrum an Deutungsmöglichkeiten bzw. offeriert dem Publikum auch ungewöhnliche Möglichkeiten, die gezeigten Bilder projektiv angst- und lustvoll zu besetzen. Vor diesem Hintergrund wird die besondere Affinität verständlich, die öffentliche Persona ‚Hitchcock‘ in das Filmerlebnis mit einzubeziehen. Für eine Einführung in das Filmœuvre Hitchcocks, zumal unter (film)geschichtlichen Vorzeichen, kann deshalb eine werkimmanente Filmlektüre im strukturalistischen Sinne nur die eine Seite der Medaille sein. Die andere Seite ist deren Vermittlung mit der Rezeption seiner Filme, die Geschichte ihrer Wahrnehmung, die von der Persona und ihrer im Laufe der Jahrzehnte zunehmenden Auratisierung nicht zu trennen ist. „Jeder kennt Alfred Hitchcock – und niemand kennt ihn“, so leitete John Russell Taylor vor gut 35 Jahren seine Hitchcock-Biographie ein3 und formulierte einen Befund, der sich wie ein roter Faden durch die Hitchcock-Literatur zieht: Es gibt den gefeierten öffentlichen Hitchcock, der indes auch nicht unwesentlich das Produkt einer lebenslangen Selbstinszenierung ist, hinter dem der 1Hans Jürgen Wulff: All About Alfred. Hitchcock-Bibliographie. Mitarbeit Paul Heisterkamp. Münster: MAkS Publikationen 1988. 2 Vgl. zuletzt Sidney Gottlieb/Richard Allen (Hg.): The Hitchcock Annual Anthology. Selected Essays from Volumes 10-15. London, New York: Wallflower Press 2009. 3 John Russell Taylor: Die Hitchcock-Biographie. Alfred Hitchcocks Leben und Werk (1978). A. d. Engl. v. Klaus Budzinski. Frankfurt/M.: Fischer TB 1982, S. 11. F5783-Heller.indd 8 28.05.15 08:58 Alfred Hitchcock und seine Geschichte(n) 9 private Hitchcock völlig verschwindet. Es gibt keine Tagebücher, kaum überlieferte Briefe, wohl aber Gespräche, Erzählungen, in denen Hitchcock das Wort führte und in denen die Deutungshoheit seiner Vita und seiner Filme bei ihm lag: ob in dem so folgenreichen Interviewband von François Truffaut4 oder in der erwähnten Biographie von John Russell Taylor, die erst nach der Autori­ sierung durch den Regisseur erscheinen sollte. Dann sind da seit The Lodger (1926) seine Cameo-Auftritte in den Filmen, seine Präsenz in werbenden Filmtrailern und seine szenische Anmoderation von 20 Fernsehfilmen. Und dann gibt es die von ihm selbst immer wieder erzählten Anekdoten, die gleichermaßen zur biographischen Legendenbildung beitrugen wie als Köder zum Verständnis seiner Filme fungierten; so etwa die wohl bekannteste, wie er sie Truffaut erzählte: François Truffaut: „Das einzige, was ich über Ihre Kindheit weiß, ist die Geschichte auf der Polizeiwache. Ist das eine wahre Ge­schichte? Alfred Hitchcock: Ja, ich war vielleicht vier oder fünf Jahre alt. Mein Vater gab mir einen Brief und schickte mich damit zur Polizei. Der Wachtmeister hat ihn gelesen und mich für fünf oder zehn Minuten in eine Zelle gesperrt. Dazu sagte er: ‚So machen wir es mit bösen Buben.‘ Was hatten Sie angestellt? Keine Ahnung. Mein Vater nannte mich immer sein ‚Lämmlein ohne Flecken‘. Wirklich, ich habe keine Ahnung, was ich angestellt hatte.“5 Hitchcock präsentiert sich also als Erzähler und als Regisseur nicht nur seiner Filme, sondern auch seiner öffentlichen Selbstinszenierung. Insofern hat Enno Patalas recht, wenn er schreibt, Hitchcock stehe „mit einem Bein in der vom Film vorgespiegelten Realität und mit dem anderen in der realen des Kinozuschauers.“6 Für das Publikum wird damit das Bild, das Hitchcock öffentlich abgibt, 4François Truffaut: Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? (1966). A. d. Franz. v. Frieda Grafe/Enno Patalas. Hg. v. Robert Fischer. München: Heyne 62010. 5 Ebd., S. 21. 6 Enno Patalas: Alfred Hitchcock. München: dtv 1999, S. 9. F5783-Heller.indd 9 28.05.15 08:58 10 Alfred Hitchcock und seine Geschichte(n) aber auch zu einer Projektionsfläche, vor deren Hintergrund biographisch erinnerte oder fingierte Anekdoten von zweifelhaftem Gehalt („Ist das eine wahre Geschichte?“) sich mit rekurrenten Mo­tiven in Hitchcocks Filmen durchmischen. In dem zitierten Beispiel ist es die kindlich-naive Erfahrung einer angstbesetzten Strafsituation, deren Ursache und Grund dem Betroffenen, dem jungen Alfred, vorenthalten bleibt. „Die Abhängigkeit der Fiktionen von den Erfahrungen des Künstlers scheint auf der Hand zu liegen“,7 sagt Thomas Koebner und schreibt der Feststellung zugleich den hypothetischen Vorbehalt einer möglichen Vorspiegelung ein. Und zu diesen erinnerten Erfahrungen des 1899 in eine römisch-katholische Familie geborenen Alfred, drittes Kind eines Gemischtwarenhändlers im Londoner East End und seiner irisch-stämmigen Frau, gehört nach dem frühen Verlust seines Vaters 1914 die Fixierung auf seine Mutter, bei der er noch nach seiner Verlobung leben sollte. Dazu kam nicht nur das Gefühl des isolierten Einzelgängers, der sich auf eine Beobachterrolle zurückzieht: „[I]ch war, was man ein braves Kind nennt. Bei Familientreffen saß ich in meiner Ecke und sagte nichts. Ich schaute mich um und beobachtete viel. So war ich immer und bin es auch heute noch. […] Ich war immer allein. Ich kann mich nicht erinnern, einen Spielgefährten gehabt zu haben. Ich amüsierte mich ganz allein und erfand mir eigene Spiele.“8 Hinzu kam die Erinnerung an eine repressive Erziehung in einem Jesuiten-College, verbunden mit allgegenwärtiger Angst: „Wahrscheinlich hat sich in dieser Zeit bei den Jesuiten mein Angstgefühl so stark entwickelt. Moralische Angst, die Angst, mit dem Bösen in Berührung zu kommen. Ich habe immer versucht, ihm aus dem Weg zu gehen. Warum? Vielleicht aus physischer Furcht. Ich hatte Angst vor körperlicher Züchtigung. Und es gab die Prügelstrafe. Ich glaube, es gibt sie bei den Jesu 7 Thomas Koebner: „Alfred Hitchcock“ (1999). In: Th. K. (Hg.): Filmregisseure. Biographien, Werkbeschreibungen, Filmographien. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 32008, S. 324. Hervorhbg. FH. 8Truffaut: Mr. Hitchcock, S. 21. F5783-Heller.indd 10 28.05.15 08:58 Alfred Hitchcock und seine Geschichte(n) 11 iten noch heute. Mit einem sehr harten Gummiknüppel. Man wurde nicht einfach so geschlagen, es war wie ein Urteil, das vollstreckt wurde. Man wurde nach Schulschluß zum Pater bestellt. Er schrieb dann feierlich den Namen in ein Buch und dazu die Art der Strafe. Und den ganzen Tag lebte man unter dem Druck der Erwartung.“9 Nicht zuletzt gehörten dazu auch die Angst vor der Polizei und vor jeder Art von Behörde und die Furcht vor dem Eingesperrtsein. Hinter den von ihm selbst in Umlauf gebrachten Anekdoten scheint Hitchcock sich nicht selten „wie hinter autobiographischen Kulissen“ ähnlich zu verbergen „wie hinter der ziemlich mächtigen Hülle seines Leibes und einer äußerst beherrschten korrekten Erscheinungsweise – nur durchbrochen von seiner Neigung zu verletzenden Scherzen und Sarkasmen.“10 Nach Abschluss der Schulausbildung 1913 besuchte Hitchcock verschiedene Abendkurse an der Londoner Universität, begann 1915 eine fünfjährige Tätigkeit bei der Henley Telegraph and Cable Company als Büroangestellter, der für Werbebroschüren und für die Betriebszeitung The Henley Telegraph zuständig war. Hier erschienen auch seine ersten Erzählungen, allen voran Gas, 1919, eine mysteriöse, am Pariser Montmartre spielende HorrorKurzgeschichte, in der eine Frau durch rattenverseuchte Gassen irrt („Down, she went, down, down; conscious only of a choking sensation, this was death“), um dann in einer abrupten, lakonischen Wendung aus dem Alptraum gerisssen zu werden, der sich einer Narkose beim Zahnarzt verdankte. „,It’s out Madam’, said the dentist. ‚Half a crown please‘.“11 1920 bewirbt sich Hitchcock, der inzwischen zu einem regelmäßigen Kino- und Theatergänger geworden ist, bei der amerikani 9 Ebd., S. 21f. 10 Koebner: „Alfred Hitchcock“, S. 324. 11 Abdruck dieser Kurzgeschichte sowie der Erzählungen The Woman’s Part (1919), Sordid (1920), And There Was No Rainbow (1920), What’s Who (1920), History of Pea Eating (1920) und Fedora (1921) in Patrick McGilligan: Alfred Hitchcock. A Life in Darkness and Light. New York et al: Harper Perennial 2003, S. 31-45, Zitat S. 31. Ein Abdruck von Gas findet sich auch in: Sidney Gottlieb (Hg.): Hitchcock on Hitchcock. Selected Writings and Interviews. London: Faber and Faber 1995, S. 107f. F5783-Heller.indd 11 28.05.15 08:58 12 Alfred Hitchcock und seine Geschichte(n) schen Filmgesellschaft Famous Players-Lasky, die in Islington/London ein Studio betreibt, und er wird als Designer von Zwischen­ titeln engagiert. Hier lernt er auch seine spätere Ehefrau, die Cutterin Alma Reville, kennen. Als Michael Balcon, Victor Saville und John Freedman nach dem finanziellen Zusammenbruch von Famous Players-Lasky das Studio übernehmen, arbeitet Hitchcock für sie und den Regisseur Graham Cutts in mehreren Filmen zunächst als Regieassistent, Dekorateur und Drehbuchautor.12 1924 gründet Michael Balcon Gainsborough Pictures. Im Rahmen eines Ko-Produktionsvertrages mit der deutschen UFA lernt Hitchcock in Berlin den deutschen Expressionismus kennen und schätzen: allen voran F. W. Murnau und Fritz Lang, die neben dem Amerikaner David W. Griffith zu wichtigen Vorbildern werden. Den Dreharbeiten von Murnaus Der letzte Mann in einem Babelsberger Nachbarstudio will Hitchcock teilweise persönlich beigewohnt haben. „Was als Realität vor der Kamera stehe, habe Murnau ihm erklärt, spiele keine Rolle – was zähle, sei allein das, was man auf der Leinwand sieht. Murnau wollte Vorstellungen abbilden und nicht Vorgegebenes fotografisch reproduzieren. Reale Raumtiefe interessierte ihn nicht, nur Tiefenwirkung als Ergebnis von Architektur, Lichtführung und Kamerabewegung. Film ist nicht Grundriß, sagte er zu seinen Architekten, Film ist Projektion.“13 Wenig später trägt Balcon Hitchcock die ersten selbstständigen Regiearbeiten an: The Pleasure Garden/Irrgarten der Liebe (1925) und The Mountain Eagle/Der Bergadler (1925). Sie entstehen überwiegend in den Emelka-Studios in München, beide Filme werden in London allerdings erst 1927 uraufgeführt: Der eine ist eine Vierecksgeschichte zweier befreundeter Balletttänzerinnen aus dem Nachtklub Pleasure Garden und ihrer Beziehung zu zwei miteinander befreundeten Männern. Zu der lesbisch pikanten Ausgestaltung der Erzählung habe sich Hitchcock angeblich – er wird es später wiederholt detailliert schildern – durch tatsächliche 12 Vgl. zur heutigen retrospektiven Wahrnehmung der Zusammenarbeit mit Graham Cutts detaillierter Kap. 2 „Hitchcock aktuell: Wie und wo sehen wir Hitchcocks Filme heute?“ 13Patalas: Alfred Hitchcock, S. 23. F5783-Heller.indd 12 28.05.15 08:58 Alfred Hitchcock und seine Geschichte(n) 13 Erlebnisse in seiner Berliner Zeit inspiriert gesehen. Der andere Film war ein als missraten angesehenes Melodram: Truffaut: „Ich habe da eine Inhaltsangabe. Ein Kaufhausdirektor ist hinter der Dorfschullehrerin her, sie flüchtet ins Gebirge und lebt dort unter der Obhut eines Eremiten, der sie später auch heiratet. Stimmt das? Hitchcock: Ja, leider.“14 In die Zeit zwischen der Produktion dieser beiden Filme und deren Uraufführung fiel 1925 die Gründung der Film Society of London, deren spiritus rector, Ivor Montagu, u. a. zu den wichtigsten Vermittlern der russischen Filmkunst in England gehörte. Nicht nur machte die Film Society neben experimentierenden deutschen und französischen Filmen (z. B. von Paul Leni, Walter Ruttmann, Georg Wilhelm Pabst oder auch René Clair) die bis dato auf der Insel ausgesperrte revolutionäre sowjetische Filmavantgarde der 1920er Jahre in Gestalt von Lew Kuleschow, Wsewolod Pudowkin oder Sergej M. Eisenstein öffentlich. Montagu sollte überdies Pudowkins Poetik Filmregie und Filmmanuskript und Eisensteins Dramaturgie der Filmform übersetzen. Hitchcock war ein sehr aufmerksamer Schüler, wenn auch sicher nicht in Sachen marxistischer Filmästhetik, wohl aber in Hinblick auf die formalen, wirkungsund zuschauerbezogenen Implikationen und Aspekte der russischen Montageexperimente. Sein „Suspense-Kino entsprang aus der Kom­ bination von deutschem Expressionismus und russischem Kon­ struktivismus, Murnaus synthetischem Raum mit Eisenstein-Pudowkins montierter Zeit“, wird später Enno Patalas schreiben.15 Vor diesem Hintergrund entstand 1926 – „Das ist wieder eine andere Geschichte“16 – The Lodger, der „erste echte Hitch­ cockfilm“ (Hitchcock)17 in einem gewaltigen Opus von insgesamt 53 Kino- und 20 Fernsehfilmen.18 14Truffaut: Mr. Hitchcock, S. 36. 15Patalas: Alfred Hitchcock, S. 25. 16Truffaut: Mr. Hitchcock, S. 37. 17Ebd. 18 Zur Problematik der teleologisch grundierten Rhetorik, Hitchcocks frühe Filme im Licht späterer Klassiker zu sehen, vgl. nachstehend Kap. 2 „Hitchcock aktuell: Wie und wo sehen wir Hitchcocks Filme heute?“ F5783-Heller.indd 13 28.05.15 08:58 14 Alfred Hitchcock und seine Geschichte(n) Wie verhalten sich in diesem Kontext des überaus selbstbewussten Brandings der Selbstentwurf und die Selbststilisierung zur Fremdwahrnehmung seines folgenden Filmwerks in der Rezeption der Filmkritik und -wissenschaft? Hitchcock in der Geschichte des Genrefilms Dazu ist es nützlich, sich den filmhistorischen Produktionskontext und den filmkritischen Diskurszusammenhang zu vergegenwärtigen, wie Hitchcocks steile Karriere gesehen wurde: wie er zunächst in England zum prominentesten Filmregisseur der Zeit avancierte, dann, 1939, in die USA übersiedelte und dort spätestens seit Mitte der 1950er Jahre als Starregisseur galt. Sein Renommé gründete sich auf seinen insgesamt guten Ruf als handwerklich ausgefuchster Regisseur von Genrefilmen, vornehmlich von Kriminalfilmen und Thrillern, die nicht selten melodramatisch grundiert waren oder – in guter britischer Tradition – häufig Einschüsse schwarzen Hu­mors aufwiesen. Allerdings neige seine Handhabung der Filmtechnik mitunter zu Manierismen. Hitchcock sei der „beste englische Regisseur“ vor dem Zweiten Weltkrieg gewesen, schrieb Georges Sadoul 1955 in seiner Filmgeschichte; 39 Steps sei sein „Meisterwerk“, „ein vollendeter Kriminalroman“.19 Sein „Realismus“ entspreche „den besten Traditionen der englischen Literatur“; seine „charakteristischsten Filme sind gut gebaute und photographierte Kriminalreißer im Stil von 39 Steps“.20 Das Werk „dieses kraftvollen, humorbegabten Talents“ sei insgesamt „reich, vielfältig“, aber auch „ungleichmäßig“21: Mr. And Mrs. Smith – „eine schlechte Komödie“, Foreign Correspondent – ein „verstaubte[r] Kriminalroman“, Shadow of a Doubt hingegen das „amerikanische Meisterwerk“. 19 Georges Sadoul: Geschichte der Filmkunst (1955). Frankfurt/M.: Fischer TB 1982, S. 316. 20Ebd. 21Ebd. F5783-Heller.indd 14 28.05.15 08:58 Alfred Hitchcock und seine Geschichte(n) 15 „Hauptfehler Hitchcocks war es, sich mit gut ersonnenen Fabeln zu begnügen und sich nicht immer genügend um ihren menschlichen Inhalt zu kümmern. Dieser Fehler führte ihn zur Ausschmückung technisch blendender, aber oberflächlicher und dadurch rasch wirkungslos werdender Variationen.“22 Überdies warf Sadoul Hitchcock vor, auf diesem Wege „mit jeder Mode“ zu gehen: Notorious, ein Fall von „Atomspionage“, sei nichts anderes als „ein eitles technisches Brio“, also nutzlose Spielerei, Rope „ein mittelmäßiges Beispiel für photographiertes Theater“; überdies stelle dieser Film mit dem Versuch, ihn scheinbar in einer einzigen Einstellung zu drehen, ein technisches „Gewaltstück“, ein „Fiasko“ dar. Fazit: „Die verschwenderische technische Ausrüstung rettet […] weder Filmgattungen noch Menschen vor der Dekadenz.“23 In dieser Wahrnehmung erschien Hitchcock als ein im Prinzip „realistisch“ ausgerichteter Genreregisseur24, dessen virtuose Handhabung der Filmtechnik ihn aber auch in manieristische, formalistische Versuchungen führen würde. Mit dieser Einschätzung stand Sadoul nicht allein da. Schon die englische Filmkritik der 1930er Jahre hatte für den ausgemachten ästhetischen Formalismus Hitchcocks das Schlagwort vom Hitchcock touch geprägt. Eine Momentaufnahme aus dem Jahr 1944 veranschaulicht exemplarisch, in welchem Licht Alfred Hitchcock in den USA gesehen wurde. Anlässlich der Uraufführung von Lifeboat berichtete James Agee, einer der wichtigsten und einflussreichsten US-Filmkritiker der Zeit, aus Los Angeles: Nachdem er als seriöser Filmkritiker zunächst auf Distanz zu den seit mehreren Jahren vergossenen „crocodile tears over the alleged decline of Alfred Hitchcock“ auf den Cocktailpartys in Hollywood geht, kann Agee dennoch nicht um22 Ebd., S. 334f. 23 Ebd., S. 366. 24 Der Begriff „realistisch“ muss in diesem Zusammenhang abhängig von dessen Gebrauch im diskursiven Kontext der Zeit gesehen werden: als ein – wie man heute analytisch sagen würde – filmischer Wahrnehmungseffekt innerhalb des Illusionskinos, der sich über die Aktualisierung spezifischer Sujets, narrativer Muster und figurativer (d. h. bildlich-photographischer) Strategien differenziell von ‚anti-realistischen‘ Formen des Genrekinos abhebt (z. B. phantastischer Film, SF, Historienfilm, Revuefilm). F5783-Heller.indd 15 28.05.15 08:58 16 Alfred Hitchcock und seine Geschichte(n) hin, seiner Enttäuschung über den gerade gezeigten Film Lifeboat freien Lauf zu lassen. „The initial idea – a derelict boat and its passengers as microcosm – is itself so artificial that like the problems set by keeping a story moving for two hours within a gunwale frame, it sets the whole pride and brain too sharply to work on a tour de force for its own sake. […] It seems to me that the only way to counteract the basic artificiality and to bring it through to absolute success – […] – would have been through (1) an implacable physical and psychological realism, which was not attempted, (2) squeezing the poetic and symbolic power out of the final intensities of this realism – the essence of most good cinema – rather than tempering the realism to the allegory. […] What disturbs me is the question whether Hitchcock recognizes this, as I would certainly be inclined to assume; or whether, like too many good but less gifted film artists, he has at last become so engrossed in the solution of pure problems of technique that he has lost some of his sensitiveness toward then purely human aspects of what he is doing.“25 Hitchcock also als ein versierter Genreregisseur, der in seinen Filmen dazu neige, den realistischen, menschlich bedeutungsträchtigen Gehalt seiner Stoffe ästhetisch-technischen Spielereien zu opfern – das ist das vorherrschende Bild der Zeit. Mit diesem Hang zur formalen Variation, mit der Aktualisierung von Variation und Wiederholung von geläufigen Erzählmustern, erweise sich Hitchcock als ein für das Genrekino Hollywoods ebenso bemerkenswerter wie auch konformer Repräsentant, als ein souveräner Konfektionär. So beschreiben auch die Autoren der jungen, 1957 gegründeten deutschen Zeitschrift Filmkritik die Ausgangslage und die allgemeine Rezeptionsdisposition jener Zeit, um zugleich aber auch schon kritische Absetzbewegungen auszumachen. 1957 schrieb Enno Patalas in einer Besprechung von The Wrong Man: 25 James Agee: Agee on Films (1944). London: Peter Owen 21967, S. 71f. F5783-Heller.indd 16 28.05.15 08:58 Alfred Hitchcock und seine Geschichte(n) 17 „Der ‚Fall Hitchcock‘ bietet das seltsame Schauspiel, dass ein als fähiger Routinier seit langem etikettierter Regisseur ein Vierteljahrhundert nach seinem Debüt von einem Teil der Kritik als ‚auteur véritable‘ und ‚créateur‘ reklamiert und in eine Reihe mit den Chaplin, Renoir, Bunuel und Rossellini gestellt wird. Fünfundzwanzig Jahre lang traf Hitchcock das allgemeine Vorurteil gegen die Kriminalliteratur; wie Raymond Chandler wohl die Bewunderung eines André Gide, aber nie das Interesse der Literaturhistoriker erregen konnte, so wurde Hitchcock nie einer Festival-Einladung für würdig befunden, und die etablierte Kritik rümpft immer noch die Nase über jeden Interpretationsversuch, der in ihm mehr sehen will als den ‚Meister der Überraschung‘, den ‚besten aller Techniker‘“.26 Die Entdeckung als auteur Tatsächlich setzte in den mittfünfziger Jahren – ausgehend von Frankreich – eine grundlegende Re-Vision im wörtlichen Sinn der Person Hitchcocks und seines filmischen Werks ein, worauf von Patalas bereits angespielt wird. Verantwortlich dafür zeichnete die in der französischen Filmzeitschrift Les Cahiers du cinéma schreibende Garde junger Kritiker. In ihrer vehementen Auseinandersetzung mit dem altbacken wirkenden französischen Film ließen sie die europäische und US-amerikanische Filmgeschichte Revue passieren, um sie gegen den Strich, also gegen konventionalisierte Kanonisierungen, zu bürsten und nach Brauchbarem für ein neues, zeitgemäßes Kino zu durchmustern. Dazu gehörte insbesondere der historische und aktuelle Produktionskomplex Hollywood. Einige Jahre zuvor, 1948, hatte bereits Alexandre Astruc in einem künstlerischen Manifest unter der Parole der caméra stylo („die Kamera als Federhalter“) das Modell eines Filmschaffens proklamiert, das den schöpferischen auteur – zumal idealiter in der Personalunion von Autor, Szenarist und Kameramann – gegenüber dem 26Enno Patalas: „Der falsche Mann/The Wrong Man“. In: Filmkritik 1/1957, H. 9, S. 131-134, S. 131. F5783-Heller.indd 17 28.05.15 08:58 18 Alfred Hitchcock und seine Geschichte(n) arbeitsteilig-kulturindustriellen Studiobetrieb in ein neues Recht setzen sollte. Vor dem Hintergrund dieser Vorstellungen entwarfen und realisierten die jungen Cahiers-Kritiker Eric Rohmer, Claude Chabrol, Jean-Luc Godard, Jacques Rivette, François Truffaut eine Strategie der filmkritischen Analyse, die als politique des auteurs schon bald in den avancierten filmischen Diskurs Eingang fand. Es war eine analytische Strategie, um den persönlich unverwechselbaren, schöpferischen Anteil eines Filmemachers, seine „persönliche Handschrift“, freizulegen – selbst und gerade dann, wenn er sich in hochgradig durchindustrialisierten Produktionszusammenhängen vermittelte. Insbesondere einige Hollywood-Regisseure, zumal auf bestimmte Genres festgelegte, erschienen nun in einer völlig ver­ änderten Perspektive gewürdigt. Vor allem John Ford, Howard Hawks, Nicholas Ray oder aus Europa stammende Regisseure wie Fritz Lang, Otto Preminger und nicht zuletzt Alfred Hitchcock wurde eine solche Aufmerksamkeit und Wertschätzung zuteil, dass sich der Gründer der Cahiers du cinéma und spirituelle Mentor jener jungen, ‚wilden‘ Kritiker, André Bazin, öffentlich besorgt fragen sollte: „Comment peut-on être hitchcocko-hawksien?“ („Wie kann man zugleich Anhänger von Hitchcock und Hawks sein?“)27 Eric Rohmer und Claude Chabrol waren die ersten, die mit ihrem 1957 erschienenen Buch weltweit überhaupt eine Monographie über Hitchcock veröffentlichten.28 Das Buch war werkbiographisch gegliedert, es verfolgte Hitchcocks Entwicklung von seinen Anfängen über die Stationen bei den verschiedenen Produktionsgesellschaften während seiner Zeit in England: Gainsborough Pictures (1923-1927), British International Pictures (1927-1932), Gaumont-British (1934-1937) und Gainsborough-Mayflower (1937-1939). Der ‚amerikanische‘ Hitchcock wird in zwei Teilen abgehandelt: zunächst die Phase bei Selznick (1939-1945), dann die Phase von Rope bis zur zweiten Fassung von The Man Who Knew Too Much (1948-1956). Akzentuieren in den ersten beiden Teilen allein schon die Kapitelüberschriften mit der namentlichen Nennung der Studiobetriebe das Hauptaugenmerk auf die 27 André Bazin: „Editorial“. In: Cahiers du cinéma, 4, 1955. 28 Eric Rohmer/Claude Chabrol: Hitchcock. Paris: Éditions Universitaires 1957. Nachdruck: Paris: Éditions d’aujourd’hui 1976. Dt. Übers. u. d. T. Hitchcock. Hg. u. a. d. Franz. v. Robert Fischer. Berlin, Köln: Alexander Verlag 2013. Zitate in der Folge nach dieser dt. Ausgabe. F5783-Heller.indd 18 28.05.15 08:58 Alfred Hitchcock und seine Geschichte(n) 19 konkreten Produktionszusammenhänge, in denen Hitchcock seine Filme drehte, so stehen die Kapitel des dritten Teils unter forma­lästhetischen bzw. thematisch-motivischen Leitbegriffen: etwa einerseits „Kontinuität als Errungenschaft“ (im Zusammenhang von Rope), „Figur und Zahl“ mit Blick auf Strangers on a Train, „Jenseits des ‚Suspense‘“ mit Bezug auf The Man Who Knew to Much; andererseits finden sich begriffliche Leitmotive in den Kapitelüberschriften wie „Verlockendes Martyrium“ (I Confess). Die Konklusion des Buches wird schließlich verdichtet unter einem einzigen Filmtitel präsentiert: The Wrong Man. Die Untersuchung von Rohmer/Chabrol markiert insofern eine wichtige Zäsur in der Hitchcock-Rezeption, als sie 1.überzeugend erstmals nachweist, dass Hitchcock im Sinne des auteur-Begriffs innerhalb verschiedener Studiozusammenhänge Filme hervorgebracht hat, die bei aller Entwicklung durchgängig eine unverwechselbare, persönliche Handschrift aufweisen. 2. Diese zeigt sich zunächst in der auffälligen Häufung wiederkehrender Motive, allen voran das des unschuldig Schuldigen und das der Schuldübertragung, womit sich Hitchcock in einem quasi-philosophischen Diskurszusammenhang verorten lasse, dessen Pole einerseits auf jansenistische Schuldtheoreme verwiesen, andererseits Affinitäten zu Kafkas literarischer Welt erkennen ließen. 3.Diese ideengeschichtliche Dimensionierung Hitchcockscher Sujets sei insofern nicht vermessen, als Hitchcock sie nicht auf einer narrativ-argumentativen Ebene verhandelt, sondern auf der der sinnlichen Wahrnehmung und Selbsterfahrung als Kinozuschauer im Akt des Sehens. Insofern erweise sich Rear Window als Schlüsselfilm, birgt er doch die zentrale Grundfigur bei Hitchcock: Der am Fenster harrende L. B. Jeffries (James Stewart) vermutet im Haus gegenüber aufgrund eigentümlicher Beobachtungen einen Mörder. Und indem er alles daran setzt, dass er als lüstern lauernder Voyeur seine Vermutung bestätigt findet, ja geradezu erhofft, dass der Mord stattgefunden hat, trägt er mit an der Schuld des Verbrechens. Mehr noch: Wir als Zuschauer, im Kino strukturell ebenfalls in der Position eines Voyeurs, wünschen nichts dringlicher, als dass sich Jeffries’ SehSüchte erfüllen; wir würden enttäuscht das Kino verlassen, wenn sich Jeffries‘ imaginierte Mordvorstellung als nichtig erweisen würde. Diese perverse Formierung und Stimulierung F5783-Heller.indd 19 28.05.15 08:58 20 Alfred Hitchcock und seine Geschichte(n) der Zuschauerphantasie erfolge über den besonderen Wahrnehmungsmodus, dem der Kinogänger qua ästhetischer Formgebung ausgesetzt ist. Deshalb werden die filmästhetischen Formen nicht als Funktionsgrößen des Inhalts gesehen, sondern die Form(ierung) der filmischen Wahrnehmung im Kino geht dem Sujet voraus. Bei Hitchcock, einem „der größten Erfinder von Formen in der Geschichte des Films“, entfalte sich „ein eigenes moralisches Universum“ über die Modulationen der kinema­ tographischen Wahrnehmungsformen. „Hier verschönert die Form nicht den Inhalt, sie schafft ihn erst. In dieser Formel steckt der ganze Hitchcock.“29 Nicht nur wurde Hitchcock mit dieser Studie als auteur nobilitiert, vergleichbar den größten Künstlern der internationalen Filmgeschichte wie Chaplin, Murnau, Eisenstein, Buñuel oder Rossellini. Darüber hinaus gilt: Mit der Verlagerung des analytischen Fokus von der mimetischen Dimension des Films auf die operativen Verfahren der sinnlich-ästhetischen Gestaltung und deren Funktion für die kinematographische Wahrnehmung und Erfahrungsbildung des Zuschauers im Kino wurde das bis dahin geltende Hitchcock-Bild vom Kopf auch auf die filmpraktischen Füße gestellt. Auch wenn die Studie von Rohmer/Chabrol, zumal in der angelsächsischen Welt, oft nur aus zweiter Hand zitiert wurde30 (eine Übersetzung erfolgte erst 1979), zeigte sie nachhaltig Wirkung. Auf jeden Fall eröffnete sie – ob affirmativ oder in kritischer Abgrenzung – aus heutiger Sicht perspektivische Orientierungslinien für das seit den 1960er Jahren sprunghaft ansteigende filmpublizistische Interesse an Hitchcock und seinen Filmen. Zugleich lassen sich deutlich erste, in den folgenden Jahrzehnten weitergehende methodische Ausdifferenzierungen beobachten, die ihre Wurzeln bereits bei Rohmer/Chabrol haben. Die dem auteur-Begriff inhärente Vorstellung einer Polarität zwischen künstlerisch-individuellem Schöpfertum und kulturindustriellen Ansprüchen sollte von nun an Basis zahlreicher werkbiographisch ausgerichteter Untersuchungen werden. Robin Woods 29 Ebd., S. 232. 30 Die von Hitchcock autorisierte Autobiographie (vgl. Anm. 3) von John Russell Taylor (1978) scheint die Studie ausweislich des Literaturverzeichnisses nicht einmal vom Hörensagen zu kennen! F5783-Heller.indd 20 28.05.15 08:58