BLOMSTEDT SERKIN - Staatskapelle Dresden

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SAISON 2015 2016
5. / 6. / 7.5.16
10. SYMPHONIEKONZERT
Herbert
BLOMSTEDT
SERKIN
Peter
SAISON 2015 2016
5. / 6. / 7.5.16
10. SYMPHONIEKONZERT
Herbert
BLOMSTEDT
SERKIN
Peter
10. SYMPHONIEKONZERT
D O N N ER STAG
5. 5.16
20 UHR
FR EITAG
6 . 5.16
20 UHR
S A M STAG
7. 5.16
11 U H R
PROGRAMM
S E M P ER O P ER
DRESDEN
Herbert Blomstedt
Max Reger (1873-1916)
Dirigent
Klavierkonzert f-Moll op. 114
1. Allegro moderato
2. Largo con gran espressione
3. Allegretto con spirito
Peter Serkin
Klavier
Zum 100. Todestag des Komponisten
PAU S E
Ludwig van Beethoven (1770-1827)
Symphonie Nr. 7 A-Dur op. 92
1. Poco sostenuto – Vivace
2. Allegretto
3. Scherzo. Presto
4. Allegro con brio
Tönende Schwergewichte
Einen »Koloss aus Tönen« hat man sein Klavierkonzert genannt, und in
der Tat gelang es Reger in diesem Werk, seine überreiche Erfindungsgabe mit dem für ihn typischen kunstvollen Stil zu verschmelzen, so
dass »alles bis in die äußersten Zweiglein durchgebildet ist«. Rhythmisch bis in die letzten Details durchgeformt ist Beethovens Siebte,
die mit ihrer Entfesselung der Energien lange die Gemüter spaltete.
Das Konzert bringt ein Wiedersehen mit Herbert Blomstedt, dem hoch
geehrten früheren Kapell-Chef.
Kostenlose Konzerteinführungen jeweils 45 Minuten vor Beginn
im Foyer des 3. Ranges der Semperoper
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10. SYMPHONIEKONZERT
LIEBER, SEHR VEREHRTER
HERBERT BLOMSTEDT,
1969
dirigierten Sie unser Orchester zum ersten Mal. 1975
folgten Sie dann dem Ruf aus Dresden, unser Chefdirigent zu werden, der Sie für zehn Jahre bis 1985
blieben. Es war eine Zeit, in der nicht wenige der Kollegen, die heute auf
der Bühne sitzen, noch nicht einmal das Licht der Welt erblickt hatten.
Aber es ist nicht nur eine ferne Zeit, sondern es war auch eine schwierige Zeit. Die Oper ragte noch als Ruine in den Dresdner Himmel, die
Häuser waren grau und aus der Perspektive von außerhalb des eisernen
Vorhanges gesehen bedurfte es eines nicht unerheblichen Mutes, den
eigenen Lebensmittelpunkt in eine Welt zu verlegen, die ungewohnt war
und unberechenbar, ja bedrohlich erscheinen musste. Sie wagten diesen
Schritt aus Liebe zu unserem Orchester. Diese Liebe hatte sich bei Ihnen
schon in frühen Jahren gebildet, als Sie mittels eines kleinen Rundfunkempfängers fern von Dresden in Ihrer nordischen Heimat die Staats­
kapelle zum ersten Mal hörten.
Entgegen dem Willen der Parteioberen hatte das Orchester Sie
zum Chefdirigenten erkoren und damit eine glückliche Wahl getroffen.
Die Zusammenarbeit, die vorher schon durch Ihre Gastdirigate bestand,
intensivierte sich in sehr schöner Weise. Sie ließen dem Orchester eine
ausgezeichnete Pflege angedeihen. In großer Gründlichkeit, mit überschäumender Liebe zur Musik und stets sehr achtungsvoll im Umgang
mit den Musikern und dem Publikum gingen Sie zu Werke. Sie setzten
künstlerisch und menschlich Maßstäbe, die unter keinen Umständen
unterschritten werden konnten. Sie retteten das Orchester damit nicht
zuletzt über eine doch recht dunkle Zeit hinweg.
In zahlreichen Gastspielen führten Sie das Orchester auf die
großen Konzertpodien der Welt. Unvergessen bleibt neben vielem
anderen die erste USA-Tournee 1979. In berühmten Sälen, in der UNO,
aber auch in Sporthallen und an anderen abenteuerlichen Orten kam das
»Heldenleben« zur Aufführung. Wir reisten damals mit Bussen tausende
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Herbert Blomstedt, Symphoniekonzert der
Staatskapelle Dresden im Kulturpalast, 1972
Meilen durch den Mittelwesten der USA. Sie saßen bei uns im Bus. Das
war stets Ihr Stil. Sie waren nicht der Dirigentendespot. Es ging Ihnen
immer um die Musik und um die Menschen.
Unzählige Tonaufnahmen von uns sind mit Ihnen entstanden, die
sehr zur internationalen Ausstrahlung des Orchesters beigetragen haben.
Nicht unerwähnt möchte ich die Schülerkonzerte im Kulturpalast lassen,
die wir mehrmals im Jahr mit Ihnen veranstalteten. Frei sprechend
wandten Sie sich stets an die jungen Menschen, um Ihnen Aspekte der
gespielten Musik nahe zu bringen. Dass ein Mensch frei und authentisch
vor einem großen Auditorium redet, war damals nichts Selbstverständliches. Die Schüler erlebten keinen Funktionär, sondern einen Menschen
und haben es mit großer Aufmerksamkeit gedankt.
Das Orchester hat eine Art Stammbaum. Die großen Dirigenten
haben es im Laufe seiner Geschichte geprägt. Diese verschiedenen
Prägungen gehen nicht verloren, sie verschmelzen miteinander. Lieber,
verehrter Herbert Blomstedt, Sie haben einen festen Platz in dieser Reihe
der Meister des Orchesters.
Wir würden uns freuen, wenn Sie den Titel des Ehrendirigenten der
Sächsischen Staatskapelle Dresden annehmen.
B E R N WA R D G R U N E R
O R C H E S T E R M I TG L I E D S E I T 19 7 9
10. SYMPHONIEKONZERT
Herbert Blomstedt Dirigent
M
ehr als 40 Jahre bereits währt das enge freundschaftliche Verhältnis zwischen Herbert Blomstedt und der
Staatskapelle Dresden. Nach seinem hiesigen Einstand
im April 1969 prägte er von 1975 bis 1985 als Chefdirigent das Orchester: Ein Jahrzehnt, das nicht nur
künstlerisch unvergessen ist, sondern auch, unter schwierigen politischen Vorzeichen, aus menschlicher Sicht ein besonderes Kapitel in
der langen Kapellgeschichte markiert. Über die Dresdner »Hausgötter«
hinaus dirigierte Herbert Blomstedt in seiner Amtszeit ein Repertoire,
das das barocke Kapell-Erbe sowie zahlreiche Ur- und Erstaufführungen
einschloss. 1985 fand unter seiner Leitung das erste Konzert der Kapelle
in der wieder aufgebauten Semperoper statt, unzählige Werke spielte er
mit dem Orchester auf Schallplatte ein. Weit über 300 Konzerte hat er
bis heute mit der Kapelle gegeben, allein zehn Mal trat er im traditionsreichen Palmsonntagskonzert ans Pult, dazu leitete er eine Reihe von
Opernproduktionen, damals noch im Großen Haus (Schauspielhaus).
2007 würdigte ihn die Staatskapelle mit der Goldenen Ehrennadel.
Geboren in den USA als Sohn schwedischer Eltern, gab Herbert
Blomstedt sein Pultdebüt 1954 beim Stockholmer Philharmonischen
Orchester, später übernahm er Chefposten bei den Osloer Philharmonikern sowie dem Dänischen und dem Schwedischen Radio-Symphonieorchester in Kopenhagen bzw. Stockholm. Er war Music Director des
San Francisco Symphony, Chefdirigent des NDR Sinfonieorchesters in
Hamburg und 18. Gewandhauskapellmeister in Leipzig. Zum Ehren­
dirigenten ernannten ihn die Orchester in San Francisco, Leipzig,
Kopenhagen und Stockholm, die Bamberger Symphoniker und das
NHK Symphony Orchestra in Tokio.
Als Gastdirigent arbeitet Herbert Blomstedt mit den renommiertesten Orchestern zusammen. 2011 feierte er ein spätes Debüt bei
den Wiener Philharmonikern, das umgehend zu einer regelmäßigen
Zusammenarbeit führte. Er ist gewähltes Mitglied der Königlich-Schwedischen Musikakademie, mehrfacher Ehrendoktor und wurde 2003 mit
dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik
Deutschland geehrt. Im April 2016 erhielt er für sein künstlerisches
Lebenswerk den renommierten dänischen Léonie-Sonning-Musikpreis.
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10. SYMPHONIEKONZERT
Peter Serkin Klavier
D
er amerikanische Pianist Peter Serkin gilt als einer der
bemerkenswertesten und tiefsinnigsten Musiker unserer
Zeit. Seine Auftritte als Solist mit Orchester, in Rezitalen und
Kammermusikkonzerten finden ebenso wie seine Einspielungen weltweit große Anerkennung. Serkins musikalisches
Erbe reicht mehrere Generationen zurück: Sein Großvater war der Geiger
und Komponist Adolf Busch, sein Vater der Pianist Rudolf Serkin. Seit
seinem Debüt beim Marlboro Festival und in New York 1959 tritt er regelmäßig mit führenden Symphonieorchestern auf. Er hat mit so namhaften
Dirigenten wie Seiji Ozawa, Herbert Blomstedt, Pierre Boulez, Daniel
Barenboim, Claudio Abbado, Sir Simon Rattle, James Levine, Eugene
Ormandy, George Szell und Christoph Eschenbach zusammengearbeitet.
Zu seinen Kammermusikpartnern zählen Yo-Yo Ma, das Budapest, das
Guarneri, das Shanghai und das Orion String Quartet sowie TASHI, ein
Kammermusikensemble, das er selbst mitbegründete. Zudem bildet er
mit der Pianistin Julia Hsu ein Klavierduo.
Peter Serkin hat zahlreiche für ihn geschriebene Werke zur Uraufführung gebracht, darunter Kompositionen von Tōru Takemitsu, Hans
Werner Henze, Luciano Berio, Leon Kirchner, Peter Lieberson, Oliver
Knussen, Alexander Goehr sowie Charles Wuorinen. Er selbst arrangierte
vierhändige Klavierliteratur von Mozart, Schumann und Adolf Busch für
Orchester und Kammermusikensembles in unterschiedlicher Besetzung.
In den USA gastiert er regelmäßig bei allen großen Symphonieorchestern und Festivals. Besondere Höhepunkte der letzten Spielzeiten
bilden Konzerte mit den Symphonieorchestern in Boston, Chicago und
St. Louis, mit den New York Philharmonic und dem Scottish Chamber
Orchestra. Rezitaltourneen führten ihn u. a. nach Philadelphia, Detroit,
Santa Monica, Princeton und New York. Er trat bei den BBC Proms in
London, in Aldeburgh, beim Chautauqua Festival und beim Oremands­
gaard Kammermusikfest auf. Zudem gastierte er mit Konzerten, Kammermusik und im Duo mit Julia Hsu in Tanglewood, beim Ravinia Festival
sowie beim La Jolla Chamber Music Festival. Peter Serkin unterrichtet
am Bard College Conservatory of Music.
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10. SYMPHONIEKONZERT
EMPFINDSAMES KRAFTPAKET
Max Reger
Max Regers Klavierkonzert f-Moll op. 114
* 19. März 1873 in Brand (Oberpfalz)
† 11. Mai 1916 in Leipzig
Klavierkonzert f-Moll op. 114
1. Allegro moderato
2. Largo con gran espressione
3. Allegretto con spirito
»M
Zum 100. Todestag des Komponisten
ENTSTEHUNG
BESETZUNG
Mai bis Juli 1910 in Leipzig
Klavier;
2 Flöten, 2 Oboen,
2 Klarinetten, 2 Fagotte,
2 Trompeten, 4 Hörner,
Pauken und Streicher
WIDMUNG
Frieda Kwast-Hodapp
ER S TAU F F Ü H R U N G
15. Dezember 1910, Leipzig,
Gewandhausorchester;
Dirigent: Arthur Nikisch
Pianistin: Frieda Kwast-Hodapp
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DAU ER
ca. 40 Minuten
an wird sich wundern, dass ich nie etwas für Reger
getan habe. Aber meine Freunde wissen, dass ich es
öfters vorgehabt habe.« Was Arnold Schönberg mit
zweischneidiger Entschuldigung vorbrachte, es scheint
bis heute das Los Max Regers zu sein. Ein Komponist
für Kenner und Liebhaber, bewundert und verehrt, aber immer noch
nicht durchgesetzt. Zu romantisch, um als Erneuerer gelten zu können,
zu komplex, um leicht konsumierbar zu sein. Und selbst seine populärsten Werke wie die Mozart- und Hiller-Variationen sind, nach dem
Verschwinden von Regers treuer Schüler-Generation, mittlerweile eher
seltene Gäste im Konzertsaal.
Zum 100. Todesjahr von Max Reger, dem nur 43 Jahre voller
Arbeitswut verblieben, steht sein Schaffen nun wieder auf dem Prüfstand. Verschwenderische Maßlosigkeiten und irrwitzige Verdichtungen
sind darin zu finden, aber ebenfalls eine scheue, verträumte Zärtlichkeit. Kontrapunktisches Muskelspiel und liedhafte Schlichtheit werden
auch in Regers einzigem Klavierkonzert zusammengeführt. Harmonische Avanciertheit und feste Verankerung in der Tradition waren für
ihn kein Widerspruch. Immer wieder bekannte er sich als »glühendster
Verehrer« zu den drei großen B – Bach, Beethoven, Brahms. Auch
diese Trinität hat im Klavierkonzert deutliche Spuren hinterlassen.
Und obwohl sich der Bajuware Reger als »katholisch bis in die Fingerspitzen« betrachtete, fühlte er sich beim protestantischen Choral gut
aufgehoben. Nicht nur Regers himmelsstürmende Orgelwerke zeugen
von dieser geistigen Grundnahrung, sondern auch ein absolut weltliches Musikstück wie das Klavierkonzert.
Ein solches hatte Reger der Pianistin Frieda Kwast-Hodapp schon
1906 versprochen, doch erst vier Jahre später setzte er den Plan in die
Tat um, beflügelt von einem dreitägigen, von hoher Prominenz besuchten
Reger-Fest in Dortmund. In einem herkulischen Kraftakt stellte er das
Werk in wenigen Wochen fertig. Das Finale, so verkündete Reger stolz,
10. SYMPHONIEKONZERT
war in nur »sieben Tagen entworfen u. in Partitur gebracht; das bringt
nur ein Vielschreiber fertig«. Noch launiger charakterisierte er sich in der
Widmung an die Uraufführungsinterpretin: »Dieses Schweinszeug gehört
Frau Kwast. Das Oberschwein, Max Reger, bestätigt es.«
Das »Schweinszeug« bezog sich wohl weniger auf einen unappetitlichen Inhalt als auf die »dicke Schwarte« einer prallvollen, fast
40-minütigen Partitur, gespickt mit horrenden pianistischen Schwierigkeiten, dabei keineswegs dankbares Virtuosenfutter. Bei der Leipziger
Uraufführung am 15. Dezember 1910, die vom langjährigen Gewandhauskapellmeister Arthur Nikisch dirigiert wurde, hatte sich mancher
gestandener Kritiker offenbar den Magen verdorben. Paul Bekker stand
ratlos vor »unnatürlich gewachsenen aufgedunsenen Monstrositäten«,
Walter Niemann ereiferte sich über »eine neue Fehlgeburt der in Inzucht
verkommenen Reger-Muse«. Der keineswegs dickfellige Komponist
verwand die harsche Kritik nur schwer; die Alkoholexzesse häuften sich
bis zu seinem frühen Herztod 1916.
Ein früher Advokat des Reger’schen Klavierkonzerts war übrigens Rudolf Serkin, der Vater des heutigen Solisten Peter Serkin, ebenfalls ein langjähriger Vertrauter des Werks. Schon 1922 spielte Rudolf
Serkin Regers Klavierkonzert unter Furtwängler in Wien und führte die
amerikanische Erstaufführung 1945 unter Dimitri Mitropoulos zu einem
Triumph. Dennoch wagten und wagen sich nur wenige Pianisten an
den Koloss. Als Frieda Kwast-Hodapp das f-Moll-Konzert 1948 in Berlin
nach langer Zeit wieder zu Gehör brachte, waren die Kritiken erneut
verhalten – fünf Jahre, nachdem das Manuskript bei der Ausbombung von
Regers Verlag Bote & Bock unwiderruflich verbrannt war.
Max Reger, auf einem Balkon sitzend, Fotographie
»bis in die äußersten Zweiglein«
Dass es sein Opus 114 nicht leicht haben wird, wusste Reger sehr wohl.
An seinen zeitweiligen Dienstherrn, den theaterverrückten Herzog
Georg II. von Sachsen-Meiningen, schrieb er 1912: »Mein Klavierconcert
wird für Jahre noch unverstanden bleiben; die Tonsprache ist zu herb und
zu ernst; es ist sozusagen das Pendant zum Brahms’schen D-moll-Klavierconcert, da muss sich das Publikum erst dran gewöhnen.« Die Parallele
zu Brahms’ erstem Klavierkonzert war nicht nur wegen des berüchtigten
Uraufführungs-Misserfolgs gezogen. Hört man die ersten Takte von
Regers Werk, scheint das Vorbild Brahms fast überdeutlich: mit dumpfem
Paukengrollen und einer an Brahms’scher Rhythmik geschulten Orchestereinleitung. Ein akkordischer »Vorhang« der Bläser ist – wie in Brahms’
dritter Symphonie – vor das eigentliche, weitgespannte Hauptthema der
Streicher gesetzt. Erst dann setzt der Solist mit einer kraftvollen Kaskade
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von fortissimo-Oktaven ein und spinnt das motivische Material weiter.
Nach mächtiger Aufgipfelung erscheint die zweite, lyrische Themengruppe in der Paralleltonart As-Dur, wiederum zunächst mit einem
»Bläservorhang«, der sich als Variante von Segmenten des Hauptthemas
entpuppt. Dieser Überleitung folgt das eigentliche Seitenthema im
lichten A-Dur der Streicher. In der Durchführung werden die motivischen
Elemente kunstvoll und kontrastreich verarbeitet, wobei zugleich die
Verwandtschaft des Materials unterstrichen wird: »bis in die äußersten
Zweiglein« sei »alles im Klavierkonzert durchgebildet«, so Reger. Deutlich
markiert der Paukenwirbel den Beginn der Reprise, die nach versonnen
nachlauschenden Episoden des Klaviers in einen exzessiven Höhepunkt
mündet. In der Coda fällt plötzlich eine choralhafte Melodie der Holzbläser »vom Himmel hoch« herab, wird an die Violinen weitergereicht
10. SYMPHONIEKONZERT
Das Symphoniekonzert der Königlichen musikalischen Kapelle im
April 1911 widmet sich dem Schaffen von Max Reger. In Johann Sebastian
Bachs Brandenburgischem Konzert Nr. 5 wirkt er als Klaviersolist, zudem
erlebt das Klavierkonzert f-Moll op. 114 seine Dresdner Erstaufführung.
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und vom Klavier mit rauschenden Figurationen umspielt. Noch einmal
werden in den sich verbreiternden Schlusstakten alle Kräfte aufgeboten.
Ganz allein führt der Solist mit einer stark durchchromatisierten
Meditation in die versponnen-filigrane Welt des langsamen Satzes
ein, dabei – hörend kaum nachvollziehbar – intervallische und rhythmische Bausteine des Hauptthemas aus dem Kopfsatz verwendend. Gut
zu erkennen ist dagegen die Referenz des 2. Themas: In der Oboe und
den 1. Violinen erscheint – nach warmtönenden Farben der geteilten,
sogar solistisch eingesetzten Streicher – im dreifachen pianissimo ein
»espressivo« zu spielendes viertöniges Motiv aus einem Quartsprung
aufwärts und zwei absteigenden Sekunden. Es ist identisch mit dem
Beginn der Choralzeile »Wenn ich einmal soll scheiden«, den der exzellente Bach-Kenner Reger in dieser Oase der inneren Sammlung nicht
zufällig zitiert. Als geistige Wegmarke leuchtet der Kopf des »Wenn ich
einmal soll scheiden« gegen Schluss des Largo erneut auf – diesmal im
Klavier, zart unterstützt von den ersten beiden Pulten der 1. Violinen
und 1. Celli. Wer bis dahin Max Regers Tonsprache vor allem als massiv
gedrechselt wahrnahm, wird sich bei diesen tief berührenden, ja trans­
zendenten Momenten hoffentlich umstimmen lassen. Es ist jene unvermittelte Herzens- und Glaubenswärme, die immer wieder aus Regers
Werken spricht und es sehr wohl opportun erscheinen lässt, Schönbergs
Vorhaben, »etwas für ihn zu tun«, recht oft in die Tat umzusetzen.
Dass bei der Uraufführung niemand diese melodische wie ideelle Anspielung an seinen »Musikgottvater« Bach erkannte, erboste den dickschädligen Feuerkopf: »Sehr spaßhaft ist es, wenn die deutsche Kritik wieder
mal ratlos meinem Klavierconcert gegenüber steht; daß alle Sätze in
streng klassischer Form geschrieben sind, daß im Largo (2. Satz) der
Choral ›Wenn ich einmal soll scheiden‹ Note für Note als Hauptmelodie
da ist, das merkt keiner von den Eseln.«
Ein tänzerisch-kapriziöses, jedoch nicht unbedingt beschwingtes Thema des Klaviers führt den letzten Satz an. Die punktierte Bewegung verselbstständigt sich bald als vorwärtstreibender Motor. Ein
gebundenes, liedhaftes 2. Thema in den Streichern bringt Beruhigung.
Sein sequenzierender Fortsatz lässt ahnen, dass hier Potenzial zu einer
Reger-typischen Fuge brachliegt. Spätestens beim robust barockisierenden Thema in den Bässen sollte es dann soweit sein – doch Reger
biegt überraschenderweise ab in eine leichtfüßig perlende Umspielung des Klaviers. Zwar mischen sich immer wieder kontrapunktische
Anläufe in das Gewebe, doch zu einer fugierten Durcharbeitung kommt
es nicht. Stattdessen verbleibt das Finale in einer kuriosen Mischung
aus scherzohafter Attitüde und donnernd-trotzigem »Jetzt erst recht!«.
Mit einer kurzen, wiederum punktierten Fanfare biegen die Bläser in
10. SYMPHONIEKONZERT
Frieda Kwast-Hodapp, Fotographie von Wilhelm Weimer, 1902
die Zielgerade ein, der Solist bekräftigt mit einem chromatischen Lauf
und nach drei fortissimo-Schlägen des Orchesters stürzt alles dem
finalen F-Dur entgegen – ein unvermittelt rasches Ende nach dem vorherigen Aufwand.
Regers Klavierkonzert erreicht zwar nicht die »Monstrosität«
seines Violinkonzerts, das ungekürzt fast eine Stunde dauert. Doch
über die Herausforderungen seines Opus 114 war er sich im Klaren:
»Bedauernswürdigste! (weil Sie das entsetzliche Klavierkonzert spielen
müssen!)« schrieb er an Frieda Kwast-Hodapp, die der passionierte Wortjongleur nach bestandener Uraufführung liebevoll in »Kwast-Hutab«
umtaufte. Trotz der Einbeziehung aller technischen »Errungenschaften
Liszts« wisse er um die Undankbarkeit seines kadenzlosen Konzerts:
»die Pianisten werden also schimpfen, dass da gar nichts drinnen steht,
wo man sein ›Klavierboxerthum‹ zeigen kann«. Ganz so ist es nicht – die
spieltechnischen Schwierigkeiten machen durchaus Eindruck. Aber dass
nicht das virtuose Spektakel als Endziel gemeint war, versteht sich bei
einem so empfindsamen Kraftpaket von selbst. Der unablässig arbeitende
Reger wünschte sich oft, dass der Tag 72 Stunden haben möge. »In dieser
Schaffens-Vehemenz«, so konstatierte der Brahms- und Reger-Freund
Willy von Beckerath schon 1911, »liegt etwas von der Ahnung eines
vorzeitigen Todes«.
KERSTIN SCHÜSSLER-BACH
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10. SYMPHONIEKONZERT
MAX REGER UND DRESDEN
M
Max Reger, 21. April 1911
Die Zeichnung von Robert Sterl entsteht
möglicherweise in der Generalprobe
für das Konzert am 21. April 1911 im
Königlichen Opernhaus zu Dresden.
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19
it Max Regers »Romantischer Suite« op. 125 wird eines der
orchestralen Hauptwerke des Komponisten unter Leitung
des langjährigen Dresdner Generalmusikdirektors Ernst von
Schuch 1912 in Dresden uraufgeführt. Schuch zählt zu den
Förderern Regers, dessen Orchesterwerke seit 1906 regelmäßig auf den Programmen der Königlichen musikalischen Kapelle stehen.
Reger komponiert die »Romantische Suite« zwischen Mai und Juli 1912.
Noch während der Arbeit trägt er Schuch die Uraufführung an. Schuch, zu
dieser Zeit längst zum »Leibdirigenten« von Richard Strauss aufgestiegen,
engagiert sich während seines Dresdner Wirkens von 1872-1914 mit großer
Leidenschaft für alles Zeitgenössische. Im Konzert der Königlichen musikalischen Kapelle am 21. April 1911 tritt Reger als Pianist in Bachs Brandenburgischem Konzert Nr. 5 auf. Zudem kommt es an diesem Abend zur
Dresdner Erstaufführung seines Klavierkonzerts f-Moll op. 114, gespielt von
der Uraufführungspianistin Frieda Kwast-Hodapp. Als Dank für Schuchs
unermüdlichen Einsatz widmet Reger ihm seine »Lustspiel-Ouvertüre«
op. 120. Auch nach Schuchs Tod – er stirbt 1914 fast auf den Tag genau
zwei Jahre vor Reger – bricht die Reger-Tradition in Dresden nicht ab, im
Gegenteil: Unter Fritz Busch, den seit jungen Jahren eine enge künstlerische
und persönliche Freundschaft mit Reger verbindet, erlebt sie eine weitere
Blütezeit. So richtet die Max-Reger-Gesellschaft durch Buschs Vermittlung
1924 ihr 3. Max-Reger-Fest in Dresden aus, in dessen Rahmen die »Romantische Suite« musiziert wird. Die Verbindung Reger-Busch reicht über den
Tod der beiden Persönlichkeiten hinaus: Anfang 1999 wird das seinerzeit in
Hilchenbach-Dahlbruch bei Siegen beheimatete Brüder-Busch-Archiv dem
Max-Reger-Institut in Karlsruhe zunächst als Dauerleihgabe zur wissenschaftlichen Auswertung übergeben und 2003 angesichts der Auflösung der
Brüder-Busch-Gesellschaft dem Max-Reger-Institut zugestiftet. Die Zusammenführung ist kein Zufall, Reger selbst hat die Busch-Brüder als seine
»beiden musikalischen Säuglinge« bezeichnet. Karl Böhm führt die Dresdner
Reger-Pflege fort und spielt u. a. 1938 die Mozart-Variationen für Schallplatte
ein – eine Aufnahme, die dem späteren Kapell-Chef Herbert Blomstedt den
ersten Eindruck von der Staatskapelle vermittelt und ihn, wie er heute sagt,
schon als Kind »bezaubert«. Christian Thielemann setzt gleichermaßen ein
Zeichen: Noch vor Antritt seiner Position als Chefdirigent der Staatskapelle
Dresden im Sommer 2012 dirigiert er im Juni 2011 Regers »Romantische
Suite« und gibt damit ein deutliches Bekenntnis für die Aufführungsgeschichte der Kapelle ab.
10. SYMPHONIEKONZERT
Ludwig van Beethoven
* (getauft) 17. Dezember 1770 in Bonn
† 26. März 1827 in Wien
EIN TANZ AM ABGRUND
Ludwig van Beethovens siebte Symphonie
Symphonie Nr. 7 A-Dur op. 92
1. Poco sostenuto – Vivace
2. Allegretto
3. Scherzo. Presto
4. Allegro con brio
ENTSTEHUNG
BESETZUNG
September 1811 bis April 1812
Moritz Reichsgraf von Fries
2 Flöten, 2 Oboen,
2 Klarinetten, 2 Fagotte,
2 Trompeten, 2 Hörner,
Pauken und Streicher
U R AU F F Ü H R U N G
DAU ER
8. Dezember 1813 im großen
Saal der Wiener Universität,
Wohltätigkeitskonzert »zum
Besten der bei Hanau invalid
gewordenen österreichischen
und bayerischen Krieger«,
unter Leitung des Komponisten
ca. 40 Minuten
WIDMUNG
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V
on allen musikalischen Parametern steht in Ludwig van
Beethovens siebter Symphonie ohne Zweifel der Rhythmus
im Vordergrund: Jeder der vier Sätze ist eng an motivartige Bewegungs-Figuren gebunden, die dem Werk einen
energischen Puls verleihen – vom bisweilen hüpfenden
-Vivace des gewichtigen Kopfsatzes bis hin zum vor Kraft strotzenden,
dahinrasenden Finale. Richard Wagner nannte die Komposition daher
eine »Apotheose des Tanzes«, mit der er jedoch weniger eine mögliche
Choreographie, sondern vielmehr den allgemeinen Gestus der Partitur in
Worte zu fassen suchte. Auch harmonisch erscheint die Siebte avanciert,
beruht sie in der Tonartenfolge der Sätze doch statt des üblichen Wechsels in nahe Quintverhältnisse auf Terzverwandtschaften: So folgt dem
A-Dur des Kopfsatzes ein Andante in a-Moll (Paralleltonart von C-Dur).
Das an dritter Stelle stehende quirlige Scherzo in F-Dur umschließt ein
ruhigeres Trio in D-Dur. Erst im Finale kehrt die Grundtonart wieder.
Darüber hinaus lassen sich auch signifikante strukturelle Tempowechsel
ausmachen. Dies betrifft nicht nur die eröffnende langsame Einleitung
(poco sostenuto), die der Spielzeit nach nur etwas weniger als ein Drittel
des ersten Satzes einnimmt, sondern auch das Scherzo, das Beethoven
um einen zweiten Durchlauf des im Tempo reduzierten Trios erweitert –
ein perpetuum mobile-artiger dritter Ansatz des Trios (nun allerdings mit
einer Eintrübung nach Moll) wird durch fünf kadenzierende Orchesterschläge schlichtweg unterbunden.
»Symphonie dactylique«
Das emotionale Zentrum der Symphonie bildet indes an zweiter Stelle
der mit Allegretto (etwas rasch) bezeichnete langsame Satz. Mit seinem
versunkenen, schreitenden Tonfall markiert er einen tragisch motivierten
Trauermarsch, aus dem Beethoven nur in zwei Abschnitten – einem
wiederholten Trio ähnlich – in ein lichteres, melodisch von den Klari-
10. SYMPHONIEKONZERT
netten und Fagotten getragenes A-Dur heraustritt. Ein offen verklingender Akkord der Bläserharmonie rahmt den Satz zu Beginn und
am Schluss feierlich ein; mehr aber noch scheint er den Verlauf ganz
bewusst aus der bloßen musikalischen Situation einer Aufführung und
klanglichen Realisation herauszuheben und ihm eine weitergehende
Bedeutung zu verleihen. Der Trauermarsch wird besonders charakterisiert durch den anhaltenden Grundrhythmus (lang – kurz kurz), motivisch ergänzt um zwei anschließende lange Noten; er spiegelt sich auch
in dem in Frankreich noch immer geläufigen Beinamen des Werkes als
»Symphonie dactylique« wider. Historisch gesehen handelt es sich um
das Modell der Pavane, einem im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert sehr beliebten und verbreiteten Schreittanz, der dann aber als
kunstfertiges Tombeau im Sinne eines musikalischen Grabsteins bis ins
zwanzigste Jahrhundert fortlebte (so etwa bei Gabriel Fauré und Maurice
Ravel). Wie eindeutig die mit diesem Rhythmus verbundene Assoziation
war, zeigt letztlich auch Franz Schuberts bekanntes Lied »Der Tod und
das Mädchen«, dem er als tragendes Motiv zugrunde liegt.
So nimmt es nicht wunder, dass das zeitgenössische Publikum
bei den ersten Aufführungen der Symphonie in den Jahren 1813 / 1814
nicht nur dem Werk als solchem mit offenen Ohren begegnete, sondern
auch die in dem langsamen Satz zum Ausdruck gebrachte tiefe Tragik
offenbar unmittelbar verstand. Belegt ist dies für Wien durch einen
Korrespondenten, der in der zu jener Zeit weit verbreiteten, in Leipzig
erscheinenden Allgemeinen musikalischen Zeitung über das von den
Zuhörern jeweils eingeforderte, heute wohl kaum vorstellbare Dacapo
des Satzes berichtet: »Vor allem verdiente die neue, zuerst genannte
Sinfonie [die Nr. 7] jenen grossen Beyfall und die ausserordentlich gute
Aufnahme, die sie erhielt. Man muss dies neueste Werk … selbst, und wol
auch so gut ausgeführt hören, wie es hier ausgeführt wurde, um ganz
seine Schönheiten würdigen und recht vollständig geniessen zu können.
Ref. hält diese Symphonie, nach zweymaligem Anhören, … für die melodiereichste, gefälligste und fasslichste unter allen B.schen Symphonien.
… Das Andante [!] (A moll) musste jedesmal wiederholt werden und
entzückte Kenner und Nichtkenner.«
»… mit solchem Ausdrucke, Kraft und Präzision«
Ludwig van Beethoven, Ölporträt von Willibrord Joseph Mähler, 1815
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Zu bedenken ist aber auch die herausragende Situation bei der Uraufführung des Werkes am 8. Dezember 1813 im Saal der Alten Wiener Universität, einem repräsentativen barocken Gebäude, das heute die Österreichische Akademie der Wissenschaften beherbergt. Nach außen hin
handelte es sich um ein Wohltätigkeitskonzert »zum Besten der bei Hanau
10. SYMPHONIEKONZERT
invalid gewordenen österreichischen und bayerischen Krieger«. Darüber
hinaus hatte die weithin beachtete Veranstaltung, die vor nicht weniger
als 5.000 Zuhörern stattfand, im Kontext der Befreiungskriege aber
auch eine hohe politisch-patriotische Bedeutung: Sie feierte sowohl die
nur wenige Wochen zurückliegende, mit erheblichen Verlusten erkaufte
Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig (16.–19. Oktober
1813) als auch die schon zuvor am 21. Juni von englischen, portugiesischen und spanischen Truppen gewonnene Schlacht bei Vitoria, mit
der Napoleons Truppen von der iberischen Halbinsel vertrieben wurden.
Beethoven hatte dazu das bis heute populäre, damals jedoch hochaktuelle und an patriotische Gefühle appellierende Schlachtengemälde
»Wellingtons Sieg oder die Schlacht bey Vittoria« op. 91 angefertigt.
Zudem bestand das von ihm geleitete Orchester aus den besten Musikern
und Komponisten, die damals in Wien erreichbar waren, unter ihnen
Ignaz Schuppanzigh, Antonio Salieri, Louis Spohr und Joseph Mayseder,
aber auch der Tenor Giuseppe Siboni; Johann Nepomuk Hummel persönlich bediente die große Trommel. Sie alle zeigten auf diese Weise ihre
Solidarität; zugleich aber bildeten sie ein für diese Zeit außergewöhnlich
großes wie hochkarätiges Orchester, das somit auch zu einer ausgezeichneten Interpretation der auf dem Programm stehenden Premiere der
siebten Symphonie befähigt war. So heißt es denn auch in einem Nachbericht der Wiener allgemeinen musikalischen Zeitung: »Die Ausführung
beider Compositionen geschah von Wiens ausgezeichnetsten Tonkünstlern (beiläufig 100 an der Zahl) unter Herrn v. Beethovens Leitung … mit
solchem Ausdrucke, Kraft und Präzision, das Beethoven mit der innigsten
Rührung gestand, es sey das Non plus ultra der Kunst, und er wisse keine
Forderung an ein Orchester bei der Ausübung seiner Compositionen zu
machen, welche dieses nicht vollkommen befriediget hätte. Wahrlich der
größte Lobspruch, den sich je ein Orchester erwarb!«
Ein energiegeladener, wirbelnder Geschwindmarsch
Bereits ab September 1811 skizziert und zu Beginn der reinschriftlichen Partitur auf den 13. April 1812 datiert, scheint das Werk in nicht
geringem Maße die unruhigen und unsicheren Zeiten widerzuspiegeln.
Sie waren vor allem geprägt durch Napoleons Vorbereitungen für den
Russlandfeldzug, darunter der Aufstellung der insgesamt 400.000 Mann
umfassenden Grande Armée, zu der Preußen wie auch Österreich
gezwungenermaßen jeweils ein bedeutendes Korps zur Verfügung
stellen mussten, während Westfalen, Bayern, Württemberg und Sachsen
zu diesem Zeitpunkt noch an der Seite des französischen Kriegsherrn
24
25
standen. So hielt sich Napoleon auf seinem Weg gen Osten zwischen
dem 17. und 29. Mai 1812 in Dresden auf; der auf dem Schlossplatz vor
der Hofkirche eingelassene Pflasterstein mit dem symbolischen N soll
hingegen jenen Punkt markieren, von dem er am 26. August 1813 – nun
auf dem Rückzug – die Truppenparade zur bevorstehenden Schlacht in
den Vororten der Stadt abgenommen hat.
Beethoven, der nur wenige Jahre zuvor noch von Napoleons
staatsmännischer Weitsicht und dem von ihm betriebenen Aufbau
einer Zivilgesellschaft mit bürgerlichem Recht so eingenommen war,
dass er eine Übersiedlung nach Paris in Erwägung zog, war freilich
von der 1804 selbst vorgenommenen Kaiserkrönung des einstigen
Ersten Konsuls bitter enttäuscht. Dies markiert auch den Unterschied
zwischen der heroisch gestimmten dritten Symphonie von 1803 / 1804,
die ebenfalls als langsamen Satz einen Trauermarsch besitzt, und
dem unmittelbaren Charakter der siebten Symphonie. Sie wurde mit
seinem quirligen, volksmusikalische Reminiszenzen aufnehmenden
Scherzo und dem Finale, das sich auch als energiegeladener, wirbelnder
Geschwindmarsch denken lässt, von den Zeitgenossen mindestens als
Appell verstanden – das zeigen auch die eher irritiert-verhaltenen Reaktionen, die später der achten Symphonie zuteil wurden.
Wie sehr die tiefe Tragik des Allegretto der siebten Symphonie,
die schon damals das Publikum durch die Erinnerung an persönliche
Verluste auf den Schlachtfeldern und an große Not berührte, auch
noch heute ähnliche Konnotationen hervorzurufen vermag, zeigt die
Verwendung gerade dieses Satzes als Filmmusik zu vorzugsweise
apokalyptischen Szenen – nicht im illustrativen Sinne, sondern als klangliche Realisation innerer Erschütterung. Dies gilt etwa für »The King’s
Speech« (2010), in dem Beethovens Musik zu jener Rundfunkansprache
des britischen Königs Georg VI. einsetzt, in der er – die zahllosen Opfer
bereits ahnend – den Eintritt des Landes in den Zweiten Weltkrieg vor
seinem Volk rechtfertigt. Weitaus dramatischer findet der nur wenig
verkürzte Satz auch in »Knowing – Die Zukunft endet jetzt« (2009)
Verwendung, wenn Nicolas Cage (alias John), kurz bevor die Erde in
einem Flammenmeer aufgeht, in sein Auto steigt, eine CD einlegt und
sich akustisch abgeschirmt am verzweifelt im Inferno plündernden Pöbel
vorbei auf den Weg zu seinen Eltern macht. Nicht in die eigentliche
Handlung, dafür grundsätzlicher in das philosophisch-theologische
Gedankenspiel ist der Trauermarsch in »The Man from Earth« (2007)
eingebettet – als musikalisch vielsagende Antwort auf die Frage: »Glaubst
Du an die Zukunft der Menschheit?«
MICHAEL KUBE
10. SYMPHONIEKONZERT
10. Symphoniekonzert 2015 | 2016
Orchesterbesetzung
1. Violinen
Matthias Wollong / 1. Konzertmeister
Thomas Meining
Michael Frenzel
Christian Uhlig
Johanna Mittag
Barbara Meining
Birgit Jahn
Wieland Heinze
Anja Krauß
Anselm Telle
Franz Schubert
Rafael Novak
Hannah Burchardt **
Barbara Gruszczynska *
2. Violinen
Holger Grohs
Matthias Meißner
Stephan Drechsel
Jens Metzner
Olaf-Torsten Spies
Mechthild von Ryssel
Elisabeta Schürer
Emanuel Held
Kay Mitzscherling
Robert Kusnyer
Minah Lee
Anna Kuhlmann *
Dietrich Reinhold *
Karl Heinrich Niebuhr *
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Bratschen
Sebastian Herberg / Solo
Anya Dambeck
Michael Horwath
Uwe Jahn
Ralf Dietze
Marie-Annick Caron
Susanne Neuhaus
Björn Sperling **
Florian Kapitza *
Rainer Lechtenbrink *
Violoncelli
Christopher Franzius / Konzertmeister *
Simon Kalbhenn
Martin Jungnickel
Uwe Kroggel
Bernward Gruner
Anke Heyn
Titus Maack
Aleisha Verner
Kontrabässe
Andreas Wylezol / Solo
Torsten Hoppe
Helmut Branny
Christoph Bechstein
Reimond Püschel
Paweł Jabłczyński
Flöten
Sabine Kittel / Solo
Diego Aceña Moreno **
Oboen
Céline Moinet / Solo
Michael Goldammer
Klarinetten
Robert Oberaigner / Solo
Dietmar Hedrich
Fagotte
Philipp Zeller / Solo
Joachim Huschke
Hörner
Robert Langbein / Solo
David Harloff
Julius Rönnebeck
Eberhard Kaiser
Trompeten
Tobias Willner / Solo
Sven Barnkoth
Pauken
Thomas Käppler / Solo
* als Gast
** als Akademist
10. SYMPHONIEKONZERT
Vorschau
8. Kammerabend
D I E N S TAG 17. 5 .16 2 0 U H R
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Dresdner Oktett
Matthias Wollong und Jörg Faßmann Violine
Sebastian Herberg Viola
Norbert Anger Violoncello
Andreas Wylezol Kontrabass
Wolfram Große Klarinette
Robert Langbein Horn
Joachim Hans Fagott
Ludwig van Beethoven
Septett für Klarinette, Fagott, Horn, Violine, Viola,
Violoncello und Kontrabass Es-Dur op. 20
Franz Schubert
Oktett für zwei Violinen, Viola, Violoncello, Kontrabass,
Klarinette, Horn und Fagott F-Dur D 803
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3. Aufführungsabend
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S E M P ER O P ER D R E S D E N
Kazuki Yamada Dirigent
Rozália Szabó Flöte
Volker Hanemann Englischhorn
Jacques Ibert
Divertissement für Kammerorchester
Arthur Honegger
Concerto da Camera für Flöte, Englischhorn und
Streichorchester H 196
Francis Poulenc
Sinfonietta für Kammerorchester FP 141
WWW.SCHOSTAKOWITSCH-TAGE.DE
Semperoper
Semperoper
Dresden
Dresden
10. SYMPHONIEKONZERT
IMPRESSUM
Sächsische
Staatskapelle Dresden
Künstlerische Leitung/
Orchesterdirektion
Sächsische Staatskapelle Dresden
Chefdirigent Christian Thielemann
Spielzeit 2015 | 2016
H E R AU S G E B E R
Sächsische Staatstheater –
Semperoper Dresden
© Mai 2016
R E DA K T I O N
André Podschun
G E S TA LT U N G U N D L AYO U T
schech.net
Strategie. Kommunikation. Design.
DRUCK
Union Druckerei Dresden GmbH
ANZEIGENVERTRIEB
Juliane Stansch
Persönliche Referentin
von Christian Thielemann
Jan Nast
Orchesterdirektor
Tobias Niederschlag
Konzertdramaturg,
Künstlerische Planung
André Podschun
Programmheftredaktion,
Konzerteinführungen
Matthias Claudi
PR und Marketing
Matiss Druvins
Assistent des Orchesterdirektors
EVENT MODULE DRESDEN GmbH
Telefon: 0351 / 25 00 670
e-Mail: [email protected]
www.kulturwerbung-dresden.de
Elisabeth Roeder von Diersburg
Orchesterdisponentin
T E X T N AC H W E I S E
Agnes Thiel
Dieter Rettig
Notenbibliothek
Die Einführungstexte von Kerstin SchüsslerBach und Michael Kube sind Originalbeiträge
für dieses Programmheft.
B I L D N AC H W E I S E
Erwin Döring, Historisches Archiv der Sächsischen Staats­t heater (S. 5); J. M. Pietsch (S. 7);
Kathy Chapman (S. 9); Max-Reger-Institut
(MRI), Karlsruhe (S. 13); Historisches Archiv
der Sächsischen Staats­t heater (S. 14 und 18);
Deutsche Kunst und Dekoration, Band 10,
1902 (S. 16); Joseph Schmidt-Görg, Ludwig
van Beethoven, Braunschweig 1969 (S. 22)
Urheber, die nicht ermittelt oder erreicht
werden konnten, werden wegen nachträglicher
Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.
Private Bild- und Tonaufnahmen sind aus
urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet.
W W W. S TA AT S K A P E L L E - D R E S D E N . D E
30
Christian Thielemann
Chefdirigent
Matthias Gries
Orchesterinspizient
international
Freunde
Wunderharfe
unterstützen
patron
engagement begeistern
network
verbinden
gewinnen Staatskapelle
tradition
Dresden
junge Menschen fördern
friends
Netzwerk
Gesellschaft
close
hautnah
GESELLSCHAFT DER FREUNDE DER
S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N E . V.
KÖNIGSTRASSE 1
01097 DRESDEN | GERMANY
I N F O @ G F S K D D . D E | W W W. G F S K D D . D E
Wir freuen uns auf Sie!
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