SAISON 2015 2016 5. / 6. / 7.5.16 10. SYMPHONIEKONZERT Herbert BLOMSTEDT SERKIN Peter SAISON 2015 2016 5. / 6. / 7.5.16 10. SYMPHONIEKONZERT Herbert BLOMSTEDT SERKIN Peter 10. SYMPHONIEKONZERT D O N N ER STAG 5. 5.16 20 UHR FR EITAG 6 . 5.16 20 UHR S A M STAG 7. 5.16 11 U H R PROGRAMM S E M P ER O P ER DRESDEN Herbert Blomstedt Max Reger (1873-1916) Dirigent Klavierkonzert f-Moll op. 114 1. Allegro moderato 2. Largo con gran espressione 3. Allegretto con spirito Peter Serkin Klavier Zum 100. Todestag des Komponisten PAU S E Ludwig van Beethoven (1770-1827) Symphonie Nr. 7 A-Dur op. 92 1. Poco sostenuto – Vivace 2. Allegretto 3. Scherzo. Presto 4. Allegro con brio Tönende Schwergewichte Einen »Koloss aus Tönen« hat man sein Klavierkonzert genannt, und in der Tat gelang es Reger in diesem Werk, seine überreiche Erfindungsgabe mit dem für ihn typischen kunstvollen Stil zu verschmelzen, so dass »alles bis in die äußersten Zweiglein durchgebildet ist«. Rhythmisch bis in die letzten Details durchgeformt ist Beethovens Siebte, die mit ihrer Entfesselung der Energien lange die Gemüter spaltete. Das Konzert bringt ein Wiedersehen mit Herbert Blomstedt, dem hoch geehrten früheren Kapell-Chef. Kostenlose Konzerteinführungen jeweils 45 Minuten vor Beginn im Foyer des 3. Ranges der Semperoper 2 3 10. SYMPHONIEKONZERT LIEBER, SEHR VEREHRTER HERBERT BLOMSTEDT, 1969 dirigierten Sie unser Orchester zum ersten Mal. 1975 folgten Sie dann dem Ruf aus Dresden, unser Chefdirigent zu werden, der Sie für zehn Jahre bis 1985 blieben. Es war eine Zeit, in der nicht wenige der Kollegen, die heute auf der Bühne sitzen, noch nicht einmal das Licht der Welt erblickt hatten. Aber es ist nicht nur eine ferne Zeit, sondern es war auch eine schwierige Zeit. Die Oper ragte noch als Ruine in den Dresdner Himmel, die Häuser waren grau und aus der Perspektive von außerhalb des eisernen Vorhanges gesehen bedurfte es eines nicht unerheblichen Mutes, den eigenen Lebensmittelpunkt in eine Welt zu verlegen, die ungewohnt war und unberechenbar, ja bedrohlich erscheinen musste. Sie wagten diesen Schritt aus Liebe zu unserem Orchester. Diese Liebe hatte sich bei Ihnen schon in frühen Jahren gebildet, als Sie mittels eines kleinen Rundfunkempfängers fern von Dresden in Ihrer nordischen Heimat die Staats­ kapelle zum ersten Mal hörten. Entgegen dem Willen der Parteioberen hatte das Orchester Sie zum Chefdirigenten erkoren und damit eine glückliche Wahl getroffen. Die Zusammenarbeit, die vorher schon durch Ihre Gastdirigate bestand, intensivierte sich in sehr schöner Weise. Sie ließen dem Orchester eine ausgezeichnete Pflege angedeihen. In großer Gründlichkeit, mit überschäumender Liebe zur Musik und stets sehr achtungsvoll im Umgang mit den Musikern und dem Publikum gingen Sie zu Werke. Sie setzten künstlerisch und menschlich Maßstäbe, die unter keinen Umständen unterschritten werden konnten. Sie retteten das Orchester damit nicht zuletzt über eine doch recht dunkle Zeit hinweg. In zahlreichen Gastspielen führten Sie das Orchester auf die großen Konzertpodien der Welt. Unvergessen bleibt neben vielem anderen die erste USA-Tournee 1979. In berühmten Sälen, in der UNO, aber auch in Sporthallen und an anderen abenteuerlichen Orten kam das »Heldenleben« zur Aufführung. Wir reisten damals mit Bussen tausende 4 5 Herbert Blomstedt, Symphoniekonzert der Staatskapelle Dresden im Kulturpalast, 1972 Meilen durch den Mittelwesten der USA. Sie saßen bei uns im Bus. Das war stets Ihr Stil. Sie waren nicht der Dirigentendespot. Es ging Ihnen immer um die Musik und um die Menschen. Unzählige Tonaufnahmen von uns sind mit Ihnen entstanden, die sehr zur internationalen Ausstrahlung des Orchesters beigetragen haben. Nicht unerwähnt möchte ich die Schülerkonzerte im Kulturpalast lassen, die wir mehrmals im Jahr mit Ihnen veranstalteten. Frei sprechend wandten Sie sich stets an die jungen Menschen, um Ihnen Aspekte der gespielten Musik nahe zu bringen. Dass ein Mensch frei und authentisch vor einem großen Auditorium redet, war damals nichts Selbstverständliches. Die Schüler erlebten keinen Funktionär, sondern einen Menschen und haben es mit großer Aufmerksamkeit gedankt. Das Orchester hat eine Art Stammbaum. Die großen Dirigenten haben es im Laufe seiner Geschichte geprägt. Diese verschiedenen Prägungen gehen nicht verloren, sie verschmelzen miteinander. Lieber, verehrter Herbert Blomstedt, Sie haben einen festen Platz in dieser Reihe der Meister des Orchesters. Wir würden uns freuen, wenn Sie den Titel des Ehrendirigenten der Sächsischen Staatskapelle Dresden annehmen. B E R N WA R D G R U N E R O R C H E S T E R M I TG L I E D S E I T 19 7 9 10. SYMPHONIEKONZERT Herbert Blomstedt Dirigent M ehr als 40 Jahre bereits währt das enge freundschaftliche Verhältnis zwischen Herbert Blomstedt und der Staatskapelle Dresden. Nach seinem hiesigen Einstand im April 1969 prägte er von 1975 bis 1985 als Chefdirigent das Orchester: Ein Jahrzehnt, das nicht nur künstlerisch unvergessen ist, sondern auch, unter schwierigen politischen Vorzeichen, aus menschlicher Sicht ein besonderes Kapitel in der langen Kapellgeschichte markiert. Über die Dresdner »Hausgötter« hinaus dirigierte Herbert Blomstedt in seiner Amtszeit ein Repertoire, das das barocke Kapell-Erbe sowie zahlreiche Ur- und Erstaufführungen einschloss. 1985 fand unter seiner Leitung das erste Konzert der Kapelle in der wieder aufgebauten Semperoper statt, unzählige Werke spielte er mit dem Orchester auf Schallplatte ein. Weit über 300 Konzerte hat er bis heute mit der Kapelle gegeben, allein zehn Mal trat er im traditionsreichen Palmsonntagskonzert ans Pult, dazu leitete er eine Reihe von Opernproduktionen, damals noch im Großen Haus (Schauspielhaus). 2007 würdigte ihn die Staatskapelle mit der Goldenen Ehrennadel. Geboren in den USA als Sohn schwedischer Eltern, gab Herbert Blomstedt sein Pultdebüt 1954 beim Stockholmer Philharmonischen Orchester, später übernahm er Chefposten bei den Osloer Philharmonikern sowie dem Dänischen und dem Schwedischen Radio-Symphonieorchester in Kopenhagen bzw. Stockholm. Er war Music Director des San Francisco Symphony, Chefdirigent des NDR Sinfonieorchesters in Hamburg und 18. Gewandhauskapellmeister in Leipzig. Zum Ehren­ dirigenten ernannten ihn die Orchester in San Francisco, Leipzig, Kopenhagen und Stockholm, die Bamberger Symphoniker und das NHK Symphony Orchestra in Tokio. Als Gastdirigent arbeitet Herbert Blomstedt mit den renommiertesten Orchestern zusammen. 2011 feierte er ein spätes Debüt bei den Wiener Philharmonikern, das umgehend zu einer regelmäßigen Zusammenarbeit führte. Er ist gewähltes Mitglied der Königlich-Schwedischen Musikakademie, mehrfacher Ehrendoktor und wurde 2003 mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland geehrt. Im April 2016 erhielt er für sein künstlerisches Lebenswerk den renommierten dänischen Léonie-Sonning-Musikpreis. 6 7 10. SYMPHONIEKONZERT Peter Serkin Klavier D er amerikanische Pianist Peter Serkin gilt als einer der bemerkenswertesten und tiefsinnigsten Musiker unserer Zeit. Seine Auftritte als Solist mit Orchester, in Rezitalen und Kammermusikkonzerten finden ebenso wie seine Einspielungen weltweit große Anerkennung. Serkins musikalisches Erbe reicht mehrere Generationen zurück: Sein Großvater war der Geiger und Komponist Adolf Busch, sein Vater der Pianist Rudolf Serkin. Seit seinem Debüt beim Marlboro Festival und in New York 1959 tritt er regelmäßig mit führenden Symphonieorchestern auf. Er hat mit so namhaften Dirigenten wie Seiji Ozawa, Herbert Blomstedt, Pierre Boulez, Daniel Barenboim, Claudio Abbado, Sir Simon Rattle, James Levine, Eugene Ormandy, George Szell und Christoph Eschenbach zusammengearbeitet. Zu seinen Kammermusikpartnern zählen Yo-Yo Ma, das Budapest, das Guarneri, das Shanghai und das Orion String Quartet sowie TASHI, ein Kammermusikensemble, das er selbst mitbegründete. Zudem bildet er mit der Pianistin Julia Hsu ein Klavierduo. Peter Serkin hat zahlreiche für ihn geschriebene Werke zur Uraufführung gebracht, darunter Kompositionen von Tōru Takemitsu, Hans Werner Henze, Luciano Berio, Leon Kirchner, Peter Lieberson, Oliver Knussen, Alexander Goehr sowie Charles Wuorinen. Er selbst arrangierte vierhändige Klavierliteratur von Mozart, Schumann und Adolf Busch für Orchester und Kammermusikensembles in unterschiedlicher Besetzung. In den USA gastiert er regelmäßig bei allen großen Symphonieorchestern und Festivals. Besondere Höhepunkte der letzten Spielzeiten bilden Konzerte mit den Symphonieorchestern in Boston, Chicago und St. Louis, mit den New York Philharmonic und dem Scottish Chamber Orchestra. Rezitaltourneen führten ihn u. a. nach Philadelphia, Detroit, Santa Monica, Princeton und New York. Er trat bei den BBC Proms in London, in Aldeburgh, beim Chautauqua Festival und beim Oremands­ gaard Kammermusikfest auf. Zudem gastierte er mit Konzerten, Kammermusik und im Duo mit Julia Hsu in Tanglewood, beim Ravinia Festival sowie beim La Jolla Chamber Music Festival. Peter Serkin unterrichtet am Bard College Conservatory of Music. 8 9 10. SYMPHONIEKONZERT EMPFINDSAMES KRAFTPAKET Max Reger Max Regers Klavierkonzert f-Moll op. 114 * 19. März 1873 in Brand (Oberpfalz) † 11. Mai 1916 in Leipzig Klavierkonzert f-Moll op. 114 1. Allegro moderato 2. Largo con gran espressione 3. Allegretto con spirito »M Zum 100. Todestag des Komponisten ENTSTEHUNG BESETZUNG Mai bis Juli 1910 in Leipzig Klavier; 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Trompeten, 4 Hörner, Pauken und Streicher WIDMUNG Frieda Kwast-Hodapp ER S TAU F F Ü H R U N G 15. Dezember 1910, Leipzig, Gewandhausorchester; Dirigent: Arthur Nikisch Pianistin: Frieda Kwast-Hodapp 10 11 DAU ER ca. 40 Minuten an wird sich wundern, dass ich nie etwas für Reger getan habe. Aber meine Freunde wissen, dass ich es öfters vorgehabt habe.« Was Arnold Schönberg mit zweischneidiger Entschuldigung vorbrachte, es scheint bis heute das Los Max Regers zu sein. Ein Komponist für Kenner und Liebhaber, bewundert und verehrt, aber immer noch nicht durchgesetzt. Zu romantisch, um als Erneuerer gelten zu können, zu komplex, um leicht konsumierbar zu sein. Und selbst seine populärsten Werke wie die Mozart- und Hiller-Variationen sind, nach dem Verschwinden von Regers treuer Schüler-Generation, mittlerweile eher seltene Gäste im Konzertsaal. Zum 100. Todesjahr von Max Reger, dem nur 43 Jahre voller Arbeitswut verblieben, steht sein Schaffen nun wieder auf dem Prüfstand. Verschwenderische Maßlosigkeiten und irrwitzige Verdichtungen sind darin zu finden, aber ebenfalls eine scheue, verträumte Zärtlichkeit. Kontrapunktisches Muskelspiel und liedhafte Schlichtheit werden auch in Regers einzigem Klavierkonzert zusammengeführt. Harmonische Avanciertheit und feste Verankerung in der Tradition waren für ihn kein Widerspruch. Immer wieder bekannte er sich als »glühendster Verehrer« zu den drei großen B – Bach, Beethoven, Brahms. Auch diese Trinität hat im Klavierkonzert deutliche Spuren hinterlassen. Und obwohl sich der Bajuware Reger als »katholisch bis in die Fingerspitzen« betrachtete, fühlte er sich beim protestantischen Choral gut aufgehoben. Nicht nur Regers himmelsstürmende Orgelwerke zeugen von dieser geistigen Grundnahrung, sondern auch ein absolut weltliches Musikstück wie das Klavierkonzert. Ein solches hatte Reger der Pianistin Frieda Kwast-Hodapp schon 1906 versprochen, doch erst vier Jahre später setzte er den Plan in die Tat um, beflügelt von einem dreitägigen, von hoher Prominenz besuchten Reger-Fest in Dortmund. In einem herkulischen Kraftakt stellte er das Werk in wenigen Wochen fertig. Das Finale, so verkündete Reger stolz, 10. SYMPHONIEKONZERT war in nur »sieben Tagen entworfen u. in Partitur gebracht; das bringt nur ein Vielschreiber fertig«. Noch launiger charakterisierte er sich in der Widmung an die Uraufführungsinterpretin: »Dieses Schweinszeug gehört Frau Kwast. Das Oberschwein, Max Reger, bestätigt es.« Das »Schweinszeug« bezog sich wohl weniger auf einen unappetitlichen Inhalt als auf die »dicke Schwarte« einer prallvollen, fast 40-minütigen Partitur, gespickt mit horrenden pianistischen Schwierigkeiten, dabei keineswegs dankbares Virtuosenfutter. Bei der Leipziger Uraufführung am 15. Dezember 1910, die vom langjährigen Gewandhauskapellmeister Arthur Nikisch dirigiert wurde, hatte sich mancher gestandener Kritiker offenbar den Magen verdorben. Paul Bekker stand ratlos vor »unnatürlich gewachsenen aufgedunsenen Monstrositäten«, Walter Niemann ereiferte sich über »eine neue Fehlgeburt der in Inzucht verkommenen Reger-Muse«. Der keineswegs dickfellige Komponist verwand die harsche Kritik nur schwer; die Alkoholexzesse häuften sich bis zu seinem frühen Herztod 1916. Ein früher Advokat des Reger’schen Klavierkonzerts war übrigens Rudolf Serkin, der Vater des heutigen Solisten Peter Serkin, ebenfalls ein langjähriger Vertrauter des Werks. Schon 1922 spielte Rudolf Serkin Regers Klavierkonzert unter Furtwängler in Wien und führte die amerikanische Erstaufführung 1945 unter Dimitri Mitropoulos zu einem Triumph. Dennoch wagten und wagen sich nur wenige Pianisten an den Koloss. Als Frieda Kwast-Hodapp das f-Moll-Konzert 1948 in Berlin nach langer Zeit wieder zu Gehör brachte, waren die Kritiken erneut verhalten – fünf Jahre, nachdem das Manuskript bei der Ausbombung von Regers Verlag Bote & Bock unwiderruflich verbrannt war. Max Reger, auf einem Balkon sitzend, Fotographie »bis in die äußersten Zweiglein« Dass es sein Opus 114 nicht leicht haben wird, wusste Reger sehr wohl. An seinen zeitweiligen Dienstherrn, den theaterverrückten Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen, schrieb er 1912: »Mein Klavierconcert wird für Jahre noch unverstanden bleiben; die Tonsprache ist zu herb und zu ernst; es ist sozusagen das Pendant zum Brahms’schen D-moll-Klavierconcert, da muss sich das Publikum erst dran gewöhnen.« Die Parallele zu Brahms’ erstem Klavierkonzert war nicht nur wegen des berüchtigten Uraufführungs-Misserfolgs gezogen. Hört man die ersten Takte von Regers Werk, scheint das Vorbild Brahms fast überdeutlich: mit dumpfem Paukengrollen und einer an Brahms’scher Rhythmik geschulten Orchestereinleitung. Ein akkordischer »Vorhang« der Bläser ist – wie in Brahms’ dritter Symphonie – vor das eigentliche, weitgespannte Hauptthema der Streicher gesetzt. Erst dann setzt der Solist mit einer kraftvollen Kaskade 12 13 von fortissimo-Oktaven ein und spinnt das motivische Material weiter. Nach mächtiger Aufgipfelung erscheint die zweite, lyrische Themengruppe in der Paralleltonart As-Dur, wiederum zunächst mit einem »Bläservorhang«, der sich als Variante von Segmenten des Hauptthemas entpuppt. Dieser Überleitung folgt das eigentliche Seitenthema im lichten A-Dur der Streicher. In der Durchführung werden die motivischen Elemente kunstvoll und kontrastreich verarbeitet, wobei zugleich die Verwandtschaft des Materials unterstrichen wird: »bis in die äußersten Zweiglein« sei »alles im Klavierkonzert durchgebildet«, so Reger. Deutlich markiert der Paukenwirbel den Beginn der Reprise, die nach versonnen nachlauschenden Episoden des Klaviers in einen exzessiven Höhepunkt mündet. In der Coda fällt plötzlich eine choralhafte Melodie der Holzbläser »vom Himmel hoch« herab, wird an die Violinen weitergereicht 10. SYMPHONIEKONZERT Das Symphoniekonzert der Königlichen musikalischen Kapelle im April 1911 widmet sich dem Schaffen von Max Reger. In Johann Sebastian Bachs Brandenburgischem Konzert Nr. 5 wirkt er als Klaviersolist, zudem erlebt das Klavierkonzert f-Moll op. 114 seine Dresdner Erstaufführung. 14 15 und vom Klavier mit rauschenden Figurationen umspielt. Noch einmal werden in den sich verbreiternden Schlusstakten alle Kräfte aufgeboten. Ganz allein führt der Solist mit einer stark durchchromatisierten Meditation in die versponnen-filigrane Welt des langsamen Satzes ein, dabei – hörend kaum nachvollziehbar – intervallische und rhythmische Bausteine des Hauptthemas aus dem Kopfsatz verwendend. Gut zu erkennen ist dagegen die Referenz des 2. Themas: In der Oboe und den 1. Violinen erscheint – nach warmtönenden Farben der geteilten, sogar solistisch eingesetzten Streicher – im dreifachen pianissimo ein »espressivo« zu spielendes viertöniges Motiv aus einem Quartsprung aufwärts und zwei absteigenden Sekunden. Es ist identisch mit dem Beginn der Choralzeile »Wenn ich einmal soll scheiden«, den der exzellente Bach-Kenner Reger in dieser Oase der inneren Sammlung nicht zufällig zitiert. Als geistige Wegmarke leuchtet der Kopf des »Wenn ich einmal soll scheiden« gegen Schluss des Largo erneut auf – diesmal im Klavier, zart unterstützt von den ersten beiden Pulten der 1. Violinen und 1. Celli. Wer bis dahin Max Regers Tonsprache vor allem als massiv gedrechselt wahrnahm, wird sich bei diesen tief berührenden, ja trans­ zendenten Momenten hoffentlich umstimmen lassen. Es ist jene unvermittelte Herzens- und Glaubenswärme, die immer wieder aus Regers Werken spricht und es sehr wohl opportun erscheinen lässt, Schönbergs Vorhaben, »etwas für ihn zu tun«, recht oft in die Tat umzusetzen. Dass bei der Uraufführung niemand diese melodische wie ideelle Anspielung an seinen »Musikgottvater« Bach erkannte, erboste den dickschädligen Feuerkopf: »Sehr spaßhaft ist es, wenn die deutsche Kritik wieder mal ratlos meinem Klavierconcert gegenüber steht; daß alle Sätze in streng klassischer Form geschrieben sind, daß im Largo (2. Satz) der Choral ›Wenn ich einmal soll scheiden‹ Note für Note als Hauptmelodie da ist, das merkt keiner von den Eseln.« Ein tänzerisch-kapriziöses, jedoch nicht unbedingt beschwingtes Thema des Klaviers führt den letzten Satz an. Die punktierte Bewegung verselbstständigt sich bald als vorwärtstreibender Motor. Ein gebundenes, liedhaftes 2. Thema in den Streichern bringt Beruhigung. Sein sequenzierender Fortsatz lässt ahnen, dass hier Potenzial zu einer Reger-typischen Fuge brachliegt. Spätestens beim robust barockisierenden Thema in den Bässen sollte es dann soweit sein – doch Reger biegt überraschenderweise ab in eine leichtfüßig perlende Umspielung des Klaviers. Zwar mischen sich immer wieder kontrapunktische Anläufe in das Gewebe, doch zu einer fugierten Durcharbeitung kommt es nicht. Stattdessen verbleibt das Finale in einer kuriosen Mischung aus scherzohafter Attitüde und donnernd-trotzigem »Jetzt erst recht!«. Mit einer kurzen, wiederum punktierten Fanfare biegen die Bläser in 10. SYMPHONIEKONZERT Frieda Kwast-Hodapp, Fotographie von Wilhelm Weimer, 1902 die Zielgerade ein, der Solist bekräftigt mit einem chromatischen Lauf und nach drei fortissimo-Schlägen des Orchesters stürzt alles dem finalen F-Dur entgegen – ein unvermittelt rasches Ende nach dem vorherigen Aufwand. Regers Klavierkonzert erreicht zwar nicht die »Monstrosität« seines Violinkonzerts, das ungekürzt fast eine Stunde dauert. Doch über die Herausforderungen seines Opus 114 war er sich im Klaren: »Bedauernswürdigste! (weil Sie das entsetzliche Klavierkonzert spielen müssen!)« schrieb er an Frieda Kwast-Hodapp, die der passionierte Wortjongleur nach bestandener Uraufführung liebevoll in »Kwast-Hutab« umtaufte. Trotz der Einbeziehung aller technischen »Errungenschaften Liszts« wisse er um die Undankbarkeit seines kadenzlosen Konzerts: »die Pianisten werden also schimpfen, dass da gar nichts drinnen steht, wo man sein ›Klavierboxerthum‹ zeigen kann«. Ganz so ist es nicht – die spieltechnischen Schwierigkeiten machen durchaus Eindruck. Aber dass nicht das virtuose Spektakel als Endziel gemeint war, versteht sich bei einem so empfindsamen Kraftpaket von selbst. Der unablässig arbeitende Reger wünschte sich oft, dass der Tag 72 Stunden haben möge. »In dieser Schaffens-Vehemenz«, so konstatierte der Brahms- und Reger-Freund Willy von Beckerath schon 1911, »liegt etwas von der Ahnung eines vorzeitigen Todes«. KERSTIN SCHÜSSLER-BACH 16 17 10. SYMPHONIEKONZERT MAX REGER UND DRESDEN M Max Reger, 21. April 1911 Die Zeichnung von Robert Sterl entsteht möglicherweise in der Generalprobe für das Konzert am 21. April 1911 im Königlichen Opernhaus zu Dresden. 18 19 it Max Regers »Romantischer Suite« op. 125 wird eines der orchestralen Hauptwerke des Komponisten unter Leitung des langjährigen Dresdner Generalmusikdirektors Ernst von Schuch 1912 in Dresden uraufgeführt. Schuch zählt zu den Förderern Regers, dessen Orchesterwerke seit 1906 regelmäßig auf den Programmen der Königlichen musikalischen Kapelle stehen. Reger komponiert die »Romantische Suite« zwischen Mai und Juli 1912. Noch während der Arbeit trägt er Schuch die Uraufführung an. Schuch, zu dieser Zeit längst zum »Leibdirigenten« von Richard Strauss aufgestiegen, engagiert sich während seines Dresdner Wirkens von 1872-1914 mit großer Leidenschaft für alles Zeitgenössische. Im Konzert der Königlichen musikalischen Kapelle am 21. April 1911 tritt Reger als Pianist in Bachs Brandenburgischem Konzert Nr. 5 auf. Zudem kommt es an diesem Abend zur Dresdner Erstaufführung seines Klavierkonzerts f-Moll op. 114, gespielt von der Uraufführungspianistin Frieda Kwast-Hodapp. Als Dank für Schuchs unermüdlichen Einsatz widmet Reger ihm seine »Lustspiel-Ouvertüre« op. 120. Auch nach Schuchs Tod – er stirbt 1914 fast auf den Tag genau zwei Jahre vor Reger – bricht die Reger-Tradition in Dresden nicht ab, im Gegenteil: Unter Fritz Busch, den seit jungen Jahren eine enge künstlerische und persönliche Freundschaft mit Reger verbindet, erlebt sie eine weitere Blütezeit. So richtet die Max-Reger-Gesellschaft durch Buschs Vermittlung 1924 ihr 3. Max-Reger-Fest in Dresden aus, in dessen Rahmen die »Romantische Suite« musiziert wird. Die Verbindung Reger-Busch reicht über den Tod der beiden Persönlichkeiten hinaus: Anfang 1999 wird das seinerzeit in Hilchenbach-Dahlbruch bei Siegen beheimatete Brüder-Busch-Archiv dem Max-Reger-Institut in Karlsruhe zunächst als Dauerleihgabe zur wissenschaftlichen Auswertung übergeben und 2003 angesichts der Auflösung der Brüder-Busch-Gesellschaft dem Max-Reger-Institut zugestiftet. Die Zusammenführung ist kein Zufall, Reger selbst hat die Busch-Brüder als seine »beiden musikalischen Säuglinge« bezeichnet. Karl Böhm führt die Dresdner Reger-Pflege fort und spielt u. a. 1938 die Mozart-Variationen für Schallplatte ein – eine Aufnahme, die dem späteren Kapell-Chef Herbert Blomstedt den ersten Eindruck von der Staatskapelle vermittelt und ihn, wie er heute sagt, schon als Kind »bezaubert«. Christian Thielemann setzt gleichermaßen ein Zeichen: Noch vor Antritt seiner Position als Chefdirigent der Staatskapelle Dresden im Sommer 2012 dirigiert er im Juni 2011 Regers »Romantische Suite« und gibt damit ein deutliches Bekenntnis für die Aufführungsgeschichte der Kapelle ab. 10. SYMPHONIEKONZERT Ludwig van Beethoven * (getauft) 17. Dezember 1770 in Bonn † 26. März 1827 in Wien EIN TANZ AM ABGRUND Ludwig van Beethovens siebte Symphonie Symphonie Nr. 7 A-Dur op. 92 1. Poco sostenuto – Vivace 2. Allegretto 3. Scherzo. Presto 4. Allegro con brio ENTSTEHUNG BESETZUNG September 1811 bis April 1812 Moritz Reichsgraf von Fries 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Trompeten, 2 Hörner, Pauken und Streicher U R AU F F Ü H R U N G DAU ER 8. Dezember 1813 im großen Saal der Wiener Universität, Wohltätigkeitskonzert »zum Besten der bei Hanau invalid gewordenen österreichischen und bayerischen Krieger«, unter Leitung des Komponisten ca. 40 Minuten WIDMUNG 20 21 V on allen musikalischen Parametern steht in Ludwig van Beethovens siebter Symphonie ohne Zweifel der Rhythmus im Vordergrund: Jeder der vier Sätze ist eng an motivartige Bewegungs-Figuren gebunden, die dem Werk einen energischen Puls verleihen – vom bisweilen hüpfenden -Vivace des gewichtigen Kopfsatzes bis hin zum vor Kraft strotzenden, dahinrasenden Finale. Richard Wagner nannte die Komposition daher eine »Apotheose des Tanzes«, mit der er jedoch weniger eine mögliche Choreographie, sondern vielmehr den allgemeinen Gestus der Partitur in Worte zu fassen suchte. Auch harmonisch erscheint die Siebte avanciert, beruht sie in der Tonartenfolge der Sätze doch statt des üblichen Wechsels in nahe Quintverhältnisse auf Terzverwandtschaften: So folgt dem A-Dur des Kopfsatzes ein Andante in a-Moll (Paralleltonart von C-Dur). Das an dritter Stelle stehende quirlige Scherzo in F-Dur umschließt ein ruhigeres Trio in D-Dur. Erst im Finale kehrt die Grundtonart wieder. Darüber hinaus lassen sich auch signifikante strukturelle Tempowechsel ausmachen. Dies betrifft nicht nur die eröffnende langsame Einleitung (poco sostenuto), die der Spielzeit nach nur etwas weniger als ein Drittel des ersten Satzes einnimmt, sondern auch das Scherzo, das Beethoven um einen zweiten Durchlauf des im Tempo reduzierten Trios erweitert – ein perpetuum mobile-artiger dritter Ansatz des Trios (nun allerdings mit einer Eintrübung nach Moll) wird durch fünf kadenzierende Orchesterschläge schlichtweg unterbunden. »Symphonie dactylique« Das emotionale Zentrum der Symphonie bildet indes an zweiter Stelle der mit Allegretto (etwas rasch) bezeichnete langsame Satz. Mit seinem versunkenen, schreitenden Tonfall markiert er einen tragisch motivierten Trauermarsch, aus dem Beethoven nur in zwei Abschnitten – einem wiederholten Trio ähnlich – in ein lichteres, melodisch von den Klari- 10. SYMPHONIEKONZERT netten und Fagotten getragenes A-Dur heraustritt. Ein offen verklingender Akkord der Bläserharmonie rahmt den Satz zu Beginn und am Schluss feierlich ein; mehr aber noch scheint er den Verlauf ganz bewusst aus der bloßen musikalischen Situation einer Aufführung und klanglichen Realisation herauszuheben und ihm eine weitergehende Bedeutung zu verleihen. Der Trauermarsch wird besonders charakterisiert durch den anhaltenden Grundrhythmus (lang – kurz kurz), motivisch ergänzt um zwei anschließende lange Noten; er spiegelt sich auch in dem in Frankreich noch immer geläufigen Beinamen des Werkes als »Symphonie dactylique« wider. Historisch gesehen handelt es sich um das Modell der Pavane, einem im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert sehr beliebten und verbreiteten Schreittanz, der dann aber als kunstfertiges Tombeau im Sinne eines musikalischen Grabsteins bis ins zwanzigste Jahrhundert fortlebte (so etwa bei Gabriel Fauré und Maurice Ravel). Wie eindeutig die mit diesem Rhythmus verbundene Assoziation war, zeigt letztlich auch Franz Schuberts bekanntes Lied »Der Tod und das Mädchen«, dem er als tragendes Motiv zugrunde liegt. So nimmt es nicht wunder, dass das zeitgenössische Publikum bei den ersten Aufführungen der Symphonie in den Jahren 1813 / 1814 nicht nur dem Werk als solchem mit offenen Ohren begegnete, sondern auch die in dem langsamen Satz zum Ausdruck gebrachte tiefe Tragik offenbar unmittelbar verstand. Belegt ist dies für Wien durch einen Korrespondenten, der in der zu jener Zeit weit verbreiteten, in Leipzig erscheinenden Allgemeinen musikalischen Zeitung über das von den Zuhörern jeweils eingeforderte, heute wohl kaum vorstellbare Dacapo des Satzes berichtet: »Vor allem verdiente die neue, zuerst genannte Sinfonie [die Nr. 7] jenen grossen Beyfall und die ausserordentlich gute Aufnahme, die sie erhielt. Man muss dies neueste Werk … selbst, und wol auch so gut ausgeführt hören, wie es hier ausgeführt wurde, um ganz seine Schönheiten würdigen und recht vollständig geniessen zu können. Ref. hält diese Symphonie, nach zweymaligem Anhören, … für die melodiereichste, gefälligste und fasslichste unter allen B.schen Symphonien. … Das Andante [!] (A moll) musste jedesmal wiederholt werden und entzückte Kenner und Nichtkenner.« »… mit solchem Ausdrucke, Kraft und Präzision« Ludwig van Beethoven, Ölporträt von Willibrord Joseph Mähler, 1815 22 23 Zu bedenken ist aber auch die herausragende Situation bei der Uraufführung des Werkes am 8. Dezember 1813 im Saal der Alten Wiener Universität, einem repräsentativen barocken Gebäude, das heute die Österreichische Akademie der Wissenschaften beherbergt. Nach außen hin handelte es sich um ein Wohltätigkeitskonzert »zum Besten der bei Hanau 10. SYMPHONIEKONZERT invalid gewordenen österreichischen und bayerischen Krieger«. Darüber hinaus hatte die weithin beachtete Veranstaltung, die vor nicht weniger als 5.000 Zuhörern stattfand, im Kontext der Befreiungskriege aber auch eine hohe politisch-patriotische Bedeutung: Sie feierte sowohl die nur wenige Wochen zurückliegende, mit erheblichen Verlusten erkaufte Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig (16.–19. Oktober 1813) als auch die schon zuvor am 21. Juni von englischen, portugiesischen und spanischen Truppen gewonnene Schlacht bei Vitoria, mit der Napoleons Truppen von der iberischen Halbinsel vertrieben wurden. Beethoven hatte dazu das bis heute populäre, damals jedoch hochaktuelle und an patriotische Gefühle appellierende Schlachtengemälde »Wellingtons Sieg oder die Schlacht bey Vittoria« op. 91 angefertigt. Zudem bestand das von ihm geleitete Orchester aus den besten Musikern und Komponisten, die damals in Wien erreichbar waren, unter ihnen Ignaz Schuppanzigh, Antonio Salieri, Louis Spohr und Joseph Mayseder, aber auch der Tenor Giuseppe Siboni; Johann Nepomuk Hummel persönlich bediente die große Trommel. Sie alle zeigten auf diese Weise ihre Solidarität; zugleich aber bildeten sie ein für diese Zeit außergewöhnlich großes wie hochkarätiges Orchester, das somit auch zu einer ausgezeichneten Interpretation der auf dem Programm stehenden Premiere der siebten Symphonie befähigt war. So heißt es denn auch in einem Nachbericht der Wiener allgemeinen musikalischen Zeitung: »Die Ausführung beider Compositionen geschah von Wiens ausgezeichnetsten Tonkünstlern (beiläufig 100 an der Zahl) unter Herrn v. Beethovens Leitung … mit solchem Ausdrucke, Kraft und Präzision, das Beethoven mit der innigsten Rührung gestand, es sey das Non plus ultra der Kunst, und er wisse keine Forderung an ein Orchester bei der Ausübung seiner Compositionen zu machen, welche dieses nicht vollkommen befriediget hätte. Wahrlich der größte Lobspruch, den sich je ein Orchester erwarb!« Ein energiegeladener, wirbelnder Geschwindmarsch Bereits ab September 1811 skizziert und zu Beginn der reinschriftlichen Partitur auf den 13. April 1812 datiert, scheint das Werk in nicht geringem Maße die unruhigen und unsicheren Zeiten widerzuspiegeln. Sie waren vor allem geprägt durch Napoleons Vorbereitungen für den Russlandfeldzug, darunter der Aufstellung der insgesamt 400.000 Mann umfassenden Grande Armée, zu der Preußen wie auch Österreich gezwungenermaßen jeweils ein bedeutendes Korps zur Verfügung stellen mussten, während Westfalen, Bayern, Württemberg und Sachsen zu diesem Zeitpunkt noch an der Seite des französischen Kriegsherrn 24 25 standen. So hielt sich Napoleon auf seinem Weg gen Osten zwischen dem 17. und 29. Mai 1812 in Dresden auf; der auf dem Schlossplatz vor der Hofkirche eingelassene Pflasterstein mit dem symbolischen N soll hingegen jenen Punkt markieren, von dem er am 26. August 1813 – nun auf dem Rückzug – die Truppenparade zur bevorstehenden Schlacht in den Vororten der Stadt abgenommen hat. Beethoven, der nur wenige Jahre zuvor noch von Napoleons staatsmännischer Weitsicht und dem von ihm betriebenen Aufbau einer Zivilgesellschaft mit bürgerlichem Recht so eingenommen war, dass er eine Übersiedlung nach Paris in Erwägung zog, war freilich von der 1804 selbst vorgenommenen Kaiserkrönung des einstigen Ersten Konsuls bitter enttäuscht. Dies markiert auch den Unterschied zwischen der heroisch gestimmten dritten Symphonie von 1803 / 1804, die ebenfalls als langsamen Satz einen Trauermarsch besitzt, und dem unmittelbaren Charakter der siebten Symphonie. Sie wurde mit seinem quirligen, volksmusikalische Reminiszenzen aufnehmenden Scherzo und dem Finale, das sich auch als energiegeladener, wirbelnder Geschwindmarsch denken lässt, von den Zeitgenossen mindestens als Appell verstanden – das zeigen auch die eher irritiert-verhaltenen Reaktionen, die später der achten Symphonie zuteil wurden. Wie sehr die tiefe Tragik des Allegretto der siebten Symphonie, die schon damals das Publikum durch die Erinnerung an persönliche Verluste auf den Schlachtfeldern und an große Not berührte, auch noch heute ähnliche Konnotationen hervorzurufen vermag, zeigt die Verwendung gerade dieses Satzes als Filmmusik zu vorzugsweise apokalyptischen Szenen – nicht im illustrativen Sinne, sondern als klangliche Realisation innerer Erschütterung. Dies gilt etwa für »The King’s Speech« (2010), in dem Beethovens Musik zu jener Rundfunkansprache des britischen Königs Georg VI. einsetzt, in der er – die zahllosen Opfer bereits ahnend – den Eintritt des Landes in den Zweiten Weltkrieg vor seinem Volk rechtfertigt. Weitaus dramatischer findet der nur wenig verkürzte Satz auch in »Knowing – Die Zukunft endet jetzt« (2009) Verwendung, wenn Nicolas Cage (alias John), kurz bevor die Erde in einem Flammenmeer aufgeht, in sein Auto steigt, eine CD einlegt und sich akustisch abgeschirmt am verzweifelt im Inferno plündernden Pöbel vorbei auf den Weg zu seinen Eltern macht. Nicht in die eigentliche Handlung, dafür grundsätzlicher in das philosophisch-theologische Gedankenspiel ist der Trauermarsch in »The Man from Earth« (2007) eingebettet – als musikalisch vielsagende Antwort auf die Frage: »Glaubst Du an die Zukunft der Menschheit?« MICHAEL KUBE 10. SYMPHONIEKONZERT 10. Symphoniekonzert 2015 | 2016 Orchesterbesetzung 1. Violinen Matthias Wollong / 1. Konzertmeister Thomas Meining Michael Frenzel Christian Uhlig Johanna Mittag Barbara Meining Birgit Jahn Wieland Heinze Anja Krauß Anselm Telle Franz Schubert Rafael Novak Hannah Burchardt ** Barbara Gruszczynska * 2. Violinen Holger Grohs Matthias Meißner Stephan Drechsel Jens Metzner Olaf-Torsten Spies Mechthild von Ryssel Elisabeta Schürer Emanuel Held Kay Mitzscherling Robert Kusnyer Minah Lee Anna Kuhlmann * Dietrich Reinhold * Karl Heinrich Niebuhr * 26 27 Bratschen Sebastian Herberg / Solo Anya Dambeck Michael Horwath Uwe Jahn Ralf Dietze Marie-Annick Caron Susanne Neuhaus Björn Sperling ** Florian Kapitza * Rainer Lechtenbrink * Violoncelli Christopher Franzius / Konzertmeister * Simon Kalbhenn Martin Jungnickel Uwe Kroggel Bernward Gruner Anke Heyn Titus Maack Aleisha Verner Kontrabässe Andreas Wylezol / Solo Torsten Hoppe Helmut Branny Christoph Bechstein Reimond Püschel Paweł Jabłczyński Flöten Sabine Kittel / Solo Diego Aceña Moreno ** Oboen Céline Moinet / Solo Michael Goldammer Klarinetten Robert Oberaigner / Solo Dietmar Hedrich Fagotte Philipp Zeller / Solo Joachim Huschke Hörner Robert Langbein / Solo David Harloff Julius Rönnebeck Eberhard Kaiser Trompeten Tobias Willner / Solo Sven Barnkoth Pauken Thomas Käppler / Solo * als Gast ** als Akademist 10. SYMPHONIEKONZERT Vorschau 8. Kammerabend D I E N S TAG 17. 5 .16 2 0 U H R S E M P ER O P ER D R E S D E N 6 .2 0 1 6 L E . 6 2 – . 24 IONA T A N ER SCH T I 7. I N T W O AK T S O H C S TA G E Dresdner Oktett Matthias Wollong und Jörg Faßmann Violine Sebastian Herberg Viola Norbert Anger Violoncello Andreas Wylezol Kontrabass Wolfram Große Klarinette Robert Langbein Horn Joachim Hans Fagott Ludwig van Beethoven Septett für Klarinette, Fagott, Horn, Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass Es-Dur op. 20 Franz Schubert Oktett für zwei Violinen, Viola, Violoncello, Kontrabass, Klarinette, Horn und Fagott F-Dur D 803 H C S I R H O G 3. Aufführungsabend D O N N ER S TAG 2 6 . 5 .16 2 0 U H R BEET N HOVE ER – E I S L AYA, NITSK G, NA VIN AN HERBER N A , N I E T D S S A E B T DR E L, S E T, SCH ONCER R RÖS HQUARTET SDEN O C A L C E R S, P E T E C E I V E , R L R D E T S N ND DS OR DA ANG E SDNER MPER WIN E Q U AT U O L L O N G , I S W S K I , D R E S , CH IAS W HAIL JURO HAEL SCHÖ P L AT Z M AT T H MIC E AT E R , MIC R E G AM TH N E A H T C R A E 0 25 E LW NORB C H IN K ( 0 3 5 0 2 1 ) 5 9 DER S ER IN T N N E U T KAR S O W IE IT D E R S D E N IO N M P E R AT A P E L L E D R E O O K IN TSK N S TA A IS C H E SÄCHS OWI O S TA K T S C H – S E M P ER O P ER D R E S D E N Kazuki Yamada Dirigent Rozália Szabó Flöte Volker Hanemann Englischhorn Jacques Ibert Divertissement für Kammerorchester Arthur Honegger Concerto da Camera für Flöte, Englischhorn und Streichorchester H 196 Francis Poulenc Sinfonietta für Kammerorchester FP 141 WWW.SCHOSTAKOWITSCH-TAGE.DE Semperoper Semperoper Dresden Dresden 10. SYMPHONIEKONZERT IMPRESSUM Sächsische Staatskapelle Dresden Künstlerische Leitung/ Orchesterdirektion Sächsische Staatskapelle Dresden Chefdirigent Christian Thielemann Spielzeit 2015 | 2016 H E R AU S G E B E R Sächsische Staatstheater – Semperoper Dresden © Mai 2016 R E DA K T I O N André Podschun G E S TA LT U N G U N D L AYO U T schech.net Strategie. Kommunikation. Design. DRUCK Union Druckerei Dresden GmbH ANZEIGENVERTRIEB Juliane Stansch Persönliche Referentin von Christian Thielemann Jan Nast Orchesterdirektor Tobias Niederschlag Konzertdramaturg, Künstlerische Planung André Podschun Programmheftredaktion, Konzerteinführungen Matthias Claudi PR und Marketing Matiss Druvins Assistent des Orchesterdirektors EVENT MODULE DRESDEN GmbH Telefon: 0351 / 25 00 670 e-Mail: [email protected] www.kulturwerbung-dresden.de Elisabeth Roeder von Diersburg Orchesterdisponentin T E X T N AC H W E I S E Agnes Thiel Dieter Rettig Notenbibliothek Die Einführungstexte von Kerstin SchüsslerBach und Michael Kube sind Originalbeiträge für dieses Programmheft. B I L D N AC H W E I S E Erwin Döring, Historisches Archiv der Sächsischen Staats­t heater (S. 5); J. M. Pietsch (S. 7); Kathy Chapman (S. 9); Max-Reger-Institut (MRI), Karlsruhe (S. 13); Historisches Archiv der Sächsischen Staats­t heater (S. 14 und 18); Deutsche Kunst und Dekoration, Band 10, 1902 (S. 16); Joseph Schmidt-Görg, Ludwig van Beethoven, Braunschweig 1969 (S. 22) Urheber, die nicht ermittelt oder erreicht werden konnten, werden wegen nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten. Private Bild- und Tonaufnahmen sind aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet. W W W. S TA AT S K A P E L L E - D R E S D E N . D E 30 Christian Thielemann Chefdirigent Matthias Gries Orchesterinspizient international Freunde Wunderharfe unterstützen patron engagement begeistern network verbinden gewinnen Staatskapelle tradition Dresden junge Menschen fördern friends Netzwerk Gesellschaft close hautnah GESELLSCHAFT DER FREUNDE DER S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N E . V. KÖNIGSTRASSE 1 01097 DRESDEN | GERMANY I N F O @ G F S K D D . D E | W W W. G F S K D D . D E Wir freuen uns auf Sie! Come and join us!