10. SYMPHONIEKONZERT S AI SO N 2014 2 015 Myung-Whun Chung Dirigent Sophie Karthäuser Sopran KLASSIK PICKNICKT O P E N - A I R - KO N Z E R T M I T D E R S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N VL ADIMIR JUROWSKI, DIRIGENT P E R A R N E G LO R V I G E N , BA N D O N EO N 10. SYMPHONIEKONZERT SA ISO N 2 01 4 2015 Myung-Whun Chung Dirigent Sophie Karthäuser Sopran Wir freuen uns, Ihnen bereits zum 8. Mal das beliebte Konzert auf den Wiesen vor der Gläsernen Manufaktur zu präsentieren – gemeinsam mit unserem langjährigen Partner, der Staatskapelle Dresden. PA R T N E R D E R S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N 10. SYMPHONIEKONZERT SO N N TAG 31. 5.15 11 U H R M O N TAG 1. 6 .15 20 UHR D IEN STAG 2. 6 .15 20 UHR PROGRAMM S E M P ER O P ER DRESDEN IN KOOPER ATION MIT DEN DRESDNER MUSIKFESTSPIELEN Myung-Whun Chung Ludwig van Beethoven (1770-1827) Dirigent Symphonie Nr. 2 D-Dur op. 36 1. Adagio molto – Allegro con brio 2. Larghetto 3. Scherzo. Allegro – Trio 4. Allegro molto Sophie Karthäuser Sopran PAU S E Gustav Mahler (1860-1911) Symphonie Nr. 4 G-Dur für großes Orchester und Sopran-Solo 1. Bedächtig. Nicht eilen 2. In gemächlicher Bewegung. Ohne Hast 3. Ruhevoll (Poco adagio) 4. Sehr behaglich (»Wir genießen die himmlischen Freuden«) Himmel und Hölle Traditionsbewusst gibt sich Beethovens Zweite in ihren ersten Takten, doch schon bald lässt sie neue, bis dahin nicht gekannte Töne erklingen, die ihr den Vorwurf des »Bizarren« einbrachten. Als eine »Humoreske« konzipierte Mahler seine Vierte, mit der Myung-Whun Chung seine Mahler-Erkundungen in Dresden fortsetzt, und tatsächlich ist die Symphonie hinter ihrer »klassischen« Fassade eine ironisch-ernste Fabel über die Welt, über Himmel und Hölle, Vergänglichkeit und Ewigkeit. Kostenlose Konzerteinführungen jeweils 45 Minuten vor Beginn im Foyer des 3. Ranges der Semperoper Gesangstext ab Seite 20 2 3 10. SYMPHONIEKONZERT Myung-Whun Chung ERSTER GASTDIRIGENT DER S Ä C H S I S C H E N S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N D ie Ernennung eines Ersten Gastdirigenten ab der Spielzeit 2012 / 2013 war ein Novum in der langen Kapell-Historie – und dokumentiert die enge Beziehung zwischen MyungWhun Chung und der Sächsischen Staatskapelle. Seit 2001 trat der Südkoreaner unzählige Male an das Kapell-Pult, sei es in den Symphoniekonzerten in Dresden, sei es auf Tourneen mit dem Orchester durch Europa, in die USA und nach Asien oder auch bei einer Aufführungsserie samt Premierenvorstellung von Verdis »Don Carlo« in der Semperoper. Überdies musizierte er immer wieder gemeinsam mit Mitgliedern der Staatskapelle auf dem Kammermusikpodium, so auch 2013 bei den Osterfestspielen Salzburg, bei denen er in der Doppelrolle als Dirigent und Pianist zu erleben war. Ein Schwerpunkt in seiner Zusammenarbeit mit der Staatskapelle ist ein groß angelegter Mahler-Zyklus, den er in den jetzigen Konzerten mit der vierten Symphonie fortsetzt. In Seoul geboren, begann Myung-Whun Chung seine Laufbahn als Pianist. Seine dirigentische Karriere startete er als Assistent von Carlo Maria Giulini in Los Angeles. Positionen als Chefdirigent bekleidete er beim Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken, an der Opéra Bastille in Paris und bei der Accademia Nazionale di Santa Cecilia in Rom, seit 15 Jahren steht er als Musikdirektor dem Orchestre Philharmonique de Radio France vor. Daneben ist er in verschiedenen Ämtern in seiner asiatischen Heimat präsent, u.a. als Künstlerischer Direktor des Asia Philharmonic Orchestra, das asiatische Musiker aus den großen Orchestern der Welt für Konzertprojekte zusammenführt. Myung-Whun Chung trat mit allen bedeutenden Klangkörpern auf, viele seiner bei der Deutschen Grammophon erschienenen CDs sind preisgekrönt. Über seine künstlerischen Aktivitäten hinaus widmet sich MyungWhun Chung mit großem Engagement humanitären und ökologischen Fragen. Er war Botschafter des Drogenkontrollprogramms der Vereinten Nationen (UNDCP) und wurde 1995 von der UNESCO als »Man of the Year« gewürdigt. 1996 erhielt er den »Kumkuan«, den höchsten korea­ nischen Kulturpreis. Er wurde zum ersten Kulturbotschafter seines Landes berufen, die UNICEF ernannte ihn 2008 als ersten Dirigenten zum »Goodwill Ambassador«. 4 5 10. SYMPHONIEKONZERT Sophie Karthäuser Sopran D ie belgische Sopranistin Sophie Karthäuser zählt zu den bekanntesten Mozart-Interpretinnen ihrer Generation. Ihre erste Pamina sang sie unter der Leitung von René Jacobs am Opernhaus La Monnaie in Brüssel, ihre erste Susanna unter William Christie an der Opéra de Lyon. Weitere Mozart-Partien haben sie bislang ans Pariser Théâtre des Champs-Elysées, ans Konzerthaus Berlin sowie zum Festival in Aix-en-Provence geführt. Zuletzt wurde sie als Ilia unter der Leitung von René Jacobs am Theater an der Wien von Publikum und Presse gleichermaßen gefeiert. Aber auch zahlreiche Partien anderer Komponisten – von Rameau über Händel, Haydn und Beethoven bis hin zu Weber und Berlioz – zählen zu ihrem Repertoire. Erst vor wenigen Wochen war sie gemeinsam mit der Sächsischen Staatskapelle in der Uraufführung eines neuen Werkes der Capell-Compositrice Sofia Gubaidulina in der Dresdner Frauenkirche zu erleben. Als Liedsängerin ist Sophie Karthäuser gern gesehener Gast auf den Bühnen der Opernhäuser in Antwerpen, Bordeaux, Frankfurt, Lille, Nantes, Paris und Straßburg sowie im Palais des Beaux-Arts in Brüssel, in der Berliner und Kölner Philharmonie, in der Londoner Wigmore Hall wie auch der Carnegie Hall New York. Zu ihren musikalischen Partnern gehören dabei Pianisten wie Graham Johnson, Eugene Asti, David Lively und Cédric Tiberghien. Sophie Karthäuser hat mit zahlreichen Ensembles und Orches­tern musiziert, darunter die Academy of Ancient Music, das Collegium Vocale Gent, Les Arts Florissants, La Petite Bande, die Akademie für Alte Musik Berlin, das Freiburger Barockorchester, das Gewandhausorchester Leipzig und das Mahler Chamber Orchestra. Dabei standen ihr so namhafte Dirigenten wie Riccardo Chailly, Nikolaus Harnoncourt, Thomas Hengelbrock, Philippe Herreweghe, René Jacobs, Marc Minkowski, Kent Nagano, Vladimir Jurowski oder Myung-Whun Chung zur Seite. Nach zahlreichen Operneinspielungen hat Sophie Karthäuser gemeinsam mit dem Pianisten Eugene Asti im April 2014 ein Solo-Album mit Liedern von Francis Poulenc bei harmonia mundi veröffentlicht. Ihr jüngstes Album sind die von der Presse hochgelobten »Leçons de Ténèbres« von Michel Richard de Lalande, die sie gemeinsam mit dem Ensemble Correspondances unter der Leitung von Sébastien Daucé – ebenfalls für harmonia mundi – aufgenommen hat. 6 7 10. SYMPHONIEKONZERT Ludwig van Beethoven EIN ERNSTHAFTER GENIESTREICH * (getauft) 17. Dezember 1770 in Bonn † 26. März 1827 in Wien Ludwig van Beethovens zweite Symphonie Symphonie Nr. 2 D-Dur op. 36 1. Adagio molto – Allegro con brio 2. Larghetto 3. Scherzo. Allegro – Trio 4. Allegro molto S ENTSTEHUNG U R AU F F Ü H R U N G zwischen 1800 und 1802 in Wien und Heiligenstadt; Abschluss der Partitur im April 1802 am 5. April 1803 im Rahmen einer von Beethoven veranstalteten und geleiteten Akademie im Theater an der Wien WIDMUNG BESETZUNG Dem Fürsten Karl von Lichnowsky (1761-1814), Freund und Gönner Beethovens wie auch Mozarts 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Pauken, Streicher DAU ER ca. 35 Minuten 8 9 eit über 200 Jahren sorgt Ludwig van Beethovens zweite Symphonie immer wieder für Missverständnisse: Weil ihre Entstehung vermeintlich in dieselbe Zeit fällt wie das »Heiligenstädter Testament«, wundern sich die Musikforscher regelmäßig, wie Beethoven neben dem erschütternden Testament ein so »heiteres« Werk schreiben konnte. Tatsächlich fällt die Entstehung der Symphonie in die Zeit der beginnenden Ertaubung Beethovens, auch schrieb er das Werk zu großen Teilen in Heiligenstadt – und doch handelt es sich um einen Trugschluss: Beethoven vollendete die Partitur bereits im April 1802; das »Heiligenstädter Testament« dagegen trägt als Datum den 6. und 10. Oktober 1802, entstand also ein halbes Jahr später (ist allerdings ohnehin keine spontane Gefühlsäußerung, wie häufig angenommen, sondern ein literarisch sorgfältig zusammengestelltes Elaborat). Wie auch immer man die Entstehungshintergründe zueinander in Beziehung stellt, so bleibt eine andere wichtige Frage – ist die Zweite überhaupt ein »heiteres« Werk? Eines ist auf jeden Fall sicher: Beethoven setzte sich in dem Werk auf noch ambivalentere Weise als in der ersten Symphonie mit der Tradition auseinander. Zwar verbleibt das Instrumentarium (mit zweifach besetzten Bläsern, ohne Posaunen) durchaus noch im klassischen Rahmen; auch lässt sich an vielen Details ein Bezug zu Mozart und Haydn erkennen, vor allem zu den ebenfalls in D-Dur stehenden Symphonien KV 385, der »Haffner-Symphonie«, bzw. Haydns letzter »Londoner Symphonie« Hob. I:104. Letztendlich beschritt Beethoven in seiner Symphonie aber einen ganz eigenen Weg, der sich in den vielen scharfen Kontrasten manifestiert, so in den plötzlichen Wechseln von laut und leise, von Dur und Moll, die das ganze Werk durchziehen und auf die Zeitgenossen in ihrer Vehemenz schockierend gewirkt haben müssen. Noch ein anderes Indiz weist auf die Neuartigkeit hin: War die erste Version des Werkes aus dem Jahr 1801 noch relativ konventionell gehalten, so entschied sich Beethoven – nach einem Prozess radikaler Zuspitzungen – in der Endgestalt immer wieder für die ungewöhnlichere, innovativere Lösung. 10. SYMPHONIEKONZERT Eine Symphonie mit opernhafter Dramatik Radikaler Weg zum Ruhm: Ludwig van Beethoven im Jahr 1801. Gemälde von Carl Traugott Riedel (1769-1832) 10 11 Auffallend sind in der Symphonie außerdem die beinahe »unsymphonisch« wirkende instrumentale Virtuosität, die allen Instrumenten abverlangt wird, sowie eine aus den starken Kontrasten resultierende Dramatik, die ans Opernhafte grenzt. In der Tat scheint sich Beethoven bereits zu dieser Zeit mit Operngedanken beschäftigt zu haben: Ab 1803 arbeitete er an seiner Oper »Leonore«, dem späteren »Fidelio«, zu der er wichtige Impulse durch die auf dem gleichen Stoff basierende, 1804 in Dresden uraufgeführte Oper »Leonora« des Italienischen Hofkapellmeis­ters Ferdinando Paër empfangen hat. Schon die langsame Einleitung zum Kopfsatz, die Beethoven in dieser Komplexität erst wieder in der siebten Symphonie aufgreifen sollte, zeigt diese opernhafte Dramatik. Der erste Teil stellt einen lyrischen Holzbläser-Gesang vor, der im zweiten Teil durch eine dramatische Wendung nach Moll wieder in Frage gestellt wird. Erstaunlich ist auch, dass die Einleitung so gut wie keine motivischen Bezüge zum anschließenden Allegro-Teil aufweist. Dieser Teil treibt das Geschehen mit Energie und Virtuosität voran: Das Hauptthema, eine aufsteigende Dreiklangsfigur (damals auch »Walze« oder »Rolle« genannt), geht von den tiefen Bässen auf das Orchestertutti über. Das Seitenthema ist kein wirklicher Gegensatz, es greift die Energie des ersten in einer mitreißenden Marschfanfare auf. Besonders ist auch der Schluss des Satzes, dessen erweiterte Coda zu einer Art zweiten Durchführung aufgewertet wird. Ein bukolischer Liedsatz folgt mit dem Larghetto, das insofern noch am ehesten dem 18. Jahrhundert verpflichtet ist. Die Themen, insbesondere das lyrische Hauptthema, lassen sich teilweise auf die langsame Einleitung des ersten Satzes zurückführen. Beethoven verband hier die Sonaten- mit einer Variationsform, in deren Verlauf es neben tänzerischen Passagen auch Abschnitte energischer Dramatik gibt. Heftig und kurz ist der dritte Satz, der von Kontrasten zwischen Forte und Piano lebt, ebenso von der Betonung eigentlich unbetonter Taktzeiten. Auch musikgeschichtlich ist dieser Satz von großer Bedeutung: Beethoven verwendet hier zum ersten Mal die Bezeichnung »Scherzo« (nach dem sonstigen Menuett), die fortan verbindlich bleiben sollte. Unvermittelt setzt das Finale ein, das die Kontraste gleich in den Anfangstakten offenbart: der Wechsel von Forte und Piano, von dramatischer Geste und melodischer Antwort, dazu große Intervallsprünge – all dies findet sich zu Beginn auf engstem Raum und lehnt sich an Mozarts »HaffnerSymphonie« an. Ansonsten kombiniert Beethoven hier die Sonaten- mit der Rondoform, die Steigerungen sind weitläufig kalkuliert und werden durch gezielt eingesetzte Fermaten und Generalpausen wirkungsvoll inszeniert. 10. SYMPHONIEKONZERT 4. J U N I 2 015 Wien, Musikverein 6 . J U N I 2 015 Udine, Teatro Nuovo Fürst Karl Alois von Lichnowsky (um 1800). Lichnowksy förderte den jungen Beethoven, der ihm neben der zweiten Symphonie u.a. auch die Klaviertrios op. 1 und die Klaviersonate c-Moll op. 13 »Pathétique« widmete. GASTKONZERTE IN WIEN UND UDINE Das Bild der Zweiten im Wandel der Zeit »Allzu bizarr, wild und grell«, schrieben die Kritiker nach der Uraufführung über dieses Finale; in der ganzen Symphonie entdeckten sie »zuweilen höchst seltsam gruppierte Ideen«, weshalb sie dem Musikfreund ein mehrfaches Hören des Werkes nahe legten. Die Symphonie wurde also bei der Akademie, die Beethoven am 5. April 1803 im Theater an der Wien ausrichtete (und bei der außerdem das dritte Klavierkonzert und das Oratorium »Christus am Ölberge« ihre Uraufführung erlebten), zunächst keineswegs als »heiter« wahrgenommen. Beethovens Zeitgenossen hörten eher das Neue und Unkonventionelle, das Energische und Heroische, das noch immer dem Geist der Revolution verpflichtet war und auf die nur wenig später entstandene »Eroica« verweist. Und genau darin liegt das Problem: Nach Bekanntwerden der späteren Symphonien hat sich das Bild der Zweiten gewandelt, deren Konfliktpotenzial nun relativiert erschien. Dagegen spricht bis heute, dass die Symphonie selten ihre unmittelbare Wirkung verfehlt und nach wie vor zu einer ernsthaften Auseinandersetzung herausfordert. Beethoven widmete die Symphonie seinem Freund und Gönner Fürst Karl von Lichnowsky, der ihn seit 1794 förderte und zwei Jahre später auch auf einer Reise u.a. nach Dresden begleitete – genau so, wie er im April 1789 schon Wolfgang Amadeus Mozart bei dessen vermutlich einzigem Aufenthalt in Dresden Gesellschaft geleistet hatte. 12 Myung-Whun Chung Dirigent Sophie Karthäuser Sopran Ludwig van Beethoven Symphonie Nr. 2 D-Dur op. 36 Gustav Mahler Symphonie Nr. 4 G-Dur PA R T N E R D E R S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N TOBIAS NIEDERSCHL AG 13 10. SYMPHONIEKONZERT Gustav Mahler HIMMLISCHER TOTENTANZ * 7. Juli 1860 in Kalischt (Böhmen) † 18. Mai 1911 in Wien Gustav Mahlers vierte Symphonie Symphonie Nr. 4 G-Dur für großes Orchester und Sopran-Solo 1. Bedächtig. Nicht eilen 2. In gemächlicher Bewegung. Ohne Hast 3. Ruhevoll (Poco adagio) 4. Sehr behaglich (»Wir genießen die himmlischen Freuden«) ENTSTEHUNG U R AU F F Ü H R U N G vierter Satz: 1892 in Hamburg, während der Arbeit an der zweiten Symphonie; erster bis dritter Satz: 1899 bis 1901 in Bad Aussee, Maiernigg und Wien; Abschluss der Reinschrift am 5. Januar 1901 am 25. November 1901 in München mit der Solistin Rita Michalek, dem Kaim-Orchester (den heutigen Münchner Philharmonikern) unter der Leitung des Komponisten BESETZUNG T E X T VO R L AG E »Der Himmel hängt voll Geigen. Bairisches Volkslied« aus der von Clemens Brentano und Achim von Arnim zwischen 1805 und 1808 ver­öffentlichen Liedtextsammlung »Des Knaben Wunderhorn« 4 Flöten (3. und 4. auch Piccolo), 3 Oboen (3. auch Englischhorn), 3 Klarinetten (2. auch Es-Klarinette, 3. auch Bassklarinette), 3 Fagotte (3. auch Kontrafagott), 4 Hörner, 3 Trompeten, Pauken, Schlagzeug (4 Spieler), Harfe, Streicher DAU ER ca. 55 Minuten 14 15 M ahlers vierte Symphonie ist die letzte seiner so genannten »Wunderhorn-Symphonien«. Wie schon in der zweiten und dritten Symphonie griff er auch in diesem Werk auf seine »Wunderhorn«-Lieder zurück, die er ab 1880 auf Texte aus der romantischen Gedichtsammlung »Des Knaben Wunderhorn« geschrieben hatte. Das Finale der Symphonie stimmt weitgehend mit dem Lied »Das himmlische Leben« überein, das in der Sammlung den Titel »Der Himmel hängt voll Geigen« trug und das Mahler bereits 1892 vertont hatte. In fünf Strophen schildert es ein bäuerlich-naives Schlaraffenland; es endet mit einem verklärten Lob auf die »musica coelestis« – die himmlische Musik. Ursprünglich war das Lied Bestandteil eines fünfteiligen Liederzyklus, dem Mahler den Titel »Humoreske« gab. Und so plante er auch mit der vierten Symphonie zunächst eine symphonische »Humoreske« in sechs Sätzen, von denen mindestens drei auf »Wunderhorn«-Vertonungen zurückgehen sollten. Diesen Plan ließ er allerdings wieder fallen, er entschied sich für eine klassische, viersätzige Symphonie mit nur einem einzigen Vokalsatz am Schluss. Bereits früher hatte er erwogen, das »Himmlische Leben« zum Finalsatz der dritten Symphonie zu machen, zog dann aber dort ein instrumentales Finale vor. Die drei Instrumentalsätze der Vierten entstanden in ungewöhnlich kurzer Zeit: Mahler skizzierte sie 1899 in nur zehn Tagen in Bad Aussee, wo er die Sommermonate verbrachte. Fertig ausgearbeitet hat er sie dann im Sommer 1900 in Maiernigg und anschließend in Wien, wo er seit 1897 das Amt des Hof­operndirektors bekleidete. »Wunderhorn«-Lied als thematischer Keim Mahler schrieb die Symphonie also quasi »von hinten nach vorne«, mit dem »Wunderhorn«-Lied als thematischem Keim: Themen und Motive des Liedes finden sich in allen drei Vordersätzen, die damit zum Finale 10. SYMPHONIEKONZERT hinleiten. Auswirkungen hatte »Das himmlische Leben« auch auf die klangliche Gestaltung der Symphonie. So ging Mahler auch in den instrumentalen Sätzen nicht über die ursprüngliche Orchesterbesetzung des Liedes hinaus – und verzichtete auf Posaunen und Tuba (trotzdem sprach er in der Partitur von einem »großen Orchester«). Mit der Beschränkung auf vier Sätze und deren Anordnung kehrte er außerdem zur klassischen Tradition zurück: Auf einen Sonatensatz folgen Scherzo und langsamer Satz; nur das Lied-Finale fällt aus dem Rahmen. Insgesamt überwiegt in der Symphonie ein »kindlicher« Tonfall, der aber häufig gebrochen wird. Der Kopfsatz (Bedächtig. Nicht eilen) beginnt mit lustigem Schellenklang, die Violinen stimmen ein graziö­ses Hauptthema an, das an die Wiener Klassiker erinnert. Nach einer kinderliedartigen Überleitung wird der Seitensatz erreicht, eine »breit gesungene« Melodie in Celli und Oboe. Bis hierher wirkt der Satz äußerst simpel, doch es gibt auch eine andere Seite: In der Durchführung nimmt die Musik komplexere Züge an, in mehreren Wellen steigert sie sich zu einem bedrohlichen Höhepunkt. »Der erste Satz beginnt, als ob er nicht bis drei zählen könnte«, so Mahler, »dann aber geht es gleich ins große Einmaleins und zuletzt wird schwindelnd mit Millionen und aber Millio­nen gerechnet.« Ein »Als-Ob von der ersten bis zur letzten Note« Gustav Mahler als junger Kapellmeister in Hamburg (aufgenommen 1893, veröffentlicht 1901). Im Dezember 1901 schrieb Mahler aus Dresden an seine angehende Verlobte Alma: »… meine IV. wird Dir ganz fremd sein. – Die ist wieder ganz Humor – ›naiv‹ etc.; weißt Du, das an meinem Wesen, was Du noch am Wenigsten aufnehmen kannst – und was jedenfalls in alle Zukunft nur die Wenigsten erfassen werden.« 16 17 Als grotesker Totentanz gibt sich der zweite Satz (In gemächlicher Bewegung. Ohne Hast). Die Solovioline ist hier um einen Ganzton nach oben gestimmt, ihr Klang dadurch unheimlich und fahl. »Freund Hein spielt zum Tanz auf« – so erläuterte Bruno Walter diese Musik im Auftrag Mahlers einem Musikhistoriker. Die anfängliche Tanzweise kehrt im Verlauf des Satzes mehrfach variiert wieder. Eingeschoben sind zwei schwelgerische Trios, in denen die Schluss-Strophe des »Wunderhorn«Liedes bereits frei abgewandelt anklingt. Besonders stolz war Mahler auf den langsamen Satz (Ruhevoll), dem er zwei gegensätzliche Themen zugrunde legte: eine ruhig strömende Cellomelodie und eine »klagende« Weise in der Oboe. Beide werden im weiteren Verlauf in variierter Form gesteigert, wobei im ersten vor allem das Tempo, im zweiten die Intensität zunimmt. »›Sankt Ursula selbst dazu lacht‹ könnte der dritte Satz genannt werden, die ernsteste der Heiligen lacht, so heiter ist diese Sphäre« (Bruno Walter). Kurz vor Schluss kommt es überraschend zum Höhepunkt des Satzes, eigentlich dem der ganzen Symphonie: In einem Orchesterausbruch nach E-Dur klingt der Beginn des »Wunderhorn«-Liedes an, der Blick auf einen bunten »Bauernhimmel« wird frei. 10. SYMPHONIEKONZERT Am 17. März 1908 dirigierte Ernst von Schuch die Dresdner Erstaufführung der vierten Symphonie am Pult der »Königl. musikalischen Kapelle« in der Semperoper. Die Sopransolistin war Minnie Nast, die 1911 als Uraufführungs-Sophie in Richard Strauss’ »Der Rosenkavalier« in die Operngeschichte eingehen sollte. Der Finalsatz ist darauf erstaunlich zurückhaltend (Sehr behaglich), geradezu unspektakulär. In naivem Volkston erzählt der Sopran vom Schlaraffenland und seinen »himmlischen Freuden«; die einzelnen Strophen sind durch orchestrale Zwischenspiele verbunden, in denen die Schellenklänge des Symphonie-Beginns wiederkehren. Doch auch hier ist die Idylle nicht ungetrübt: In der zweiten Strophe – beim Schlachten von Lämmlein und Ochs – nimmt die Musik dramatische Züge an. Brechen hier, vor der »himmlischen Musik« der Schluss-Strophe, etwa Alpträume in die kindliche Vision ein? Ein »Als-Ob von der ersten bis zur letzten Note« hat Theodor W. Adorno die vierte Symphonie genannt und damit ihren doppelbödigen Charakter, der sich bis in den Finalsatz durchzieht, zum Ausdruck gebracht. Vermutlich war es genau dieses Nebeneinander von Heiterem und Verstörendem, von heiler und realer Welt, das das Publikum der Münchner Uraufführung irritierte; es reagierte mit wütenden Pfiffen, fühlte sich von der Musik »verschaukelt«. Hinter einer klassizistischen Fassade komponierte Mahler ein heiter-diabolisches Werk, das nur scheinbar harmloser daherkommt als seine anderen Symphonien. 18 20 15 16 Bach Beethoven Strauss Copland Mahler Bruckner Zimmermann Schostakowitsch Debussy Henze Kurtág Mozart Trojahn Tschaikowsky Ruzicka Verdi Altes bewahren und Neues wagen. Jung und lebendig seit 1548. Die Saison 2015/2016 der Sächsischen Staatskapelle Dresden. PA R T N E R D E R S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N TOBIAS NIEDERSCHL AG 19 10. SYMPHONIEKONZERT GESANGSTEXT Gustav Mahler Symphonie Nr. 4 G-Dur ( AU S » D E S K N A B E N W U N D E R H O R N «, 18 0 5 -18 0 8) Gut Kräuter von allerhand Arten, Die wachsen im himmlischen Garten, Gut Spargel, Fisolen Und was wir nur wollen! Ganze Schüsseln voll sind uns bereit! Gut Äpfel, gut Birn und gut Trauben, Die Gärtner, die Alles erlauben. Willst Rehbock, willst Hasen, Auf offener Straßen Sie laufen herbei! Wir genießen die himmlischen Freuden, Drum tun wir das Irdische meiden. Kein weltlich Getümmel Hört man nicht im Himmel! Lebt Alles in sanftester Ruh. Wir führen ein englisches Leben, Sind dennoch ganz lustig daneben. Wir tanzen und springen, Wir hüpfen und singen, Sankt Peter im Himmel sieht zu. Sollt’ ein Fasttag etwa kommen, Alle Fische gleich mit Freuden angeschwommen! Dort läuft schon Sankt Peter Mit Netz und mit Köder Zum himmlischen Weiher hinein. [Willst Karpfen, willst Hecht, willst Forellen, Gut Stockfisch und frische Sardellen? Sankt Lorenz hat müssen Sein Leben einbüßen,] Sankt Martha die Köchin muß sein! Johannes das Lämmlein auslasset, Der Metzger Herodes drauf passet, Wir führen ein geduldig’s, Unschuldig’s, geduldig’s, Ein liebliches Lämmlein zu Tod! Sankt Lukas den Ochsen tät schlachten Ohn’ einig’s Bedenken und Achten, Der Wein kost’ kein’ Heller Im himmlischen Keller, Die Englein, die backen das Brot. Kein Musik ist ja nicht auf Erden, Die unsrer verglichen kann werden. Elftausend Jungfrauen Zu tanzen sich trauen! Sankt Ursula selbst dazu lacht! Cäcilia mit ihren Verwandten, Sind treffliche Hofmusikanten. Die englischen Stimmen Ermuntern die Sinnen, Daß alles für Freuden erwacht. Text des Sopran-Solos im vierten Satz Der Himmel hängt voll Geigen 20 21 10. SYMPHONIEKONZERT 10. Symphoniekonzert 2014 | 2015 Orchesterbesetzung 1. Violinen Roland Straumer / 1. Konzertmeister Michael Eckoldt Federico Kasik Michael Frenzel Volker Dietzsch Johanna Mittag Jörg Kettmann Martina Groth Wieland Heinze Henrik Woll Anett Baumann Anselm Telle Franz Schubert Yoriko Muto Ga-Young Son Janosch Armer** 2. Violinen Heinz-Dieter Richter / Konzertmeister Annette Thiem Holger Grohs Stephan Drechsel Ulrike Scobel Alexander Ernst Mechthild von Ryssel Elisabeta Schürer Kay Mitzscherling Martin Fraustadt Christoph Schreiber Robert Kusnyer Yukiko Inose Lydia Dobler* 22 23 Bratschen Michael Neuhaus / Solo Stephan Pätzold Anya Dambeck Michael Horwath Uwe Jahn Ulrich Milatz Zsuzsanna Schmidt-Antal Susanne Neuhaus Juliane Böcking Uta Scholl Elizaveta Zolotova Heiner Stolle* Violoncelli Friedwart Christian Dittmann / Solo Simon Kalbhenn / Solo Tom Höhnerbach Matthias Schreiber* Andreas Priebst Bernward Gruner Johann-Christoph Schulze Jakob Andert Titus Maack Haedeun Lee** Kontrabässe Petr Popelka / Solo Martin Knauer Helmut Branny Fred Weiche Reimond Püschel Johannes Nalepa Marco-Vieri Giovenzana Daniel Pytel** Flöten Rozália Szabó / Solo Cordula Bräuer Jens-Jörg Becker Dóra Varga Oboen Sebastian Römisch / Solo Andreas Lorenz Volker Hanemann Klarinetten Wolfram Große / Solo Egbert Esterl Christian Dollfuß Fagotte Trompeten Mathias Schmutzler / Solo Peter Lohse Siegfried Schneider Pauken Thomas Käppler / Solo Schlagzeug Bernhard Schmidt Frank Behsing Dirk Reinhold Simon Etzold** Harfe Vicky Müller / Solo Joachim Hans / Solo Hannes Schirlitz Andreas Börtitz Hörner Robert Langbein / Solo Harald Heim Miklós Takács Eberhard Kaiser * als Gast ** als Akademist / in 10. SYMPHONIEKONZERT Vorschau 4. Aufführungsabend M O N TAG 2 2 . 6 .15 2 0 U H R S E M P ER O P ER D R E S D E N RICHARD STRAUSS E EKTRA E V E LY N H E R L I T Z I U S ANNE SCHWANEWILMS WALTRAUD MEIER RENÉ PAPE STAATSKAPELLE DRESDEN CHRISTIAN THIELEMANN In Kooperation mit den Internationalen Schostakowitsch Tagen Gohrisch Vladimir Jurowski Dirigent Maria Gortsevskaya Mezzosopran Dmitri Schostakowitsch Suite aus der Filmmusik »Das neue Babylon« op. 18 Arvo Pärt »Arbos« für acht Blechbläser und Schlagzeug Benjamin Britten »Russian Funeral« für Blechbläser und Schlagzeug Arvo Pärt »These Words …« für Streichorchester und Schlagzeug Dmitri Schostakowitsch Sechs Gedichte von Marina Zwetajewa für Alt und Kammerorchester op. 143a 11. Symphoniekonzert S O N N TAG 2 8 . 6 .15 11 U H R M O N TAG 2 9. 6 .15 2 0 U H R D I E N S TAG 3 0 . 6 .15 2 0 U H R S E M P ER O P ER D R E S D E N Christian Thielemanns großartige „Elektra“ – live aus der Berliner Philharmonie. Die Gesamteinspielung auf Deutsche Grammophon. Ab sofort als CD und Download erhältlich. www.Richard-Strauss-150.de Vladimir Jurowski Dirigent Gidon Kremer Violine Igor Levit Klavier Sächsischer Staatsopernchor Dresden Sofia Gubaidulina Violinkonzert Nr. 1 »Offertorium« Sergej Tanejew »Johannes Damascenus«, Kantate op. 1 Alexander Skrjabin »Promethée. Le poème du feu« op. 60 10. SYMPHONIEKONZERT IMPRESSUM Sächsische Staatskapelle Dresden Künstlerische Leitung/ Orchesterdirektion Sächsische Staatskapelle Dresden Chefdirigent Christian Thielemann Spielzeit 2014 | 2015 H E R AU S G E B E R Sächsische Staatstheater – Semperoper Dresden © Mai 2015 R E DA K T I O N Tobias Niederschlag, Matthias Claudi G E S TA LT U N G U N D L AYO U T schech.net Strategie. Kommunikation. Design. DRUCK Union Druckerei Dresden GmbH ANZEIGENVERTRIEB Christian Thielemann Chefdirigent Juliane Stansch Persönliche Referentin von Christian Thielemann Jan Nast Orchesterdirektor Tobias Niederschlag Konzertdramaturg, Künstlerische Planung Dr. Torsten Blaich Programmheftredaktion, Konzerteinführungen Matthias Claudi PR und Marketing Agnes Monreal Assistentin des Orchesterdirektors EVENT MODULE DRESDEN GmbH Telefon: 0351/25 00 670 e-Mail: [email protected] www.kulturwerbung-dresden.de Sarah Niebergall Orchesterdisponentin B I L D N AC H W E I S Agnes Thiel Dieter Rettig Notenbibliothek Matthias Creutziger (S. 4); Alvaro Yanez (S. 7); Carl Traugott Riedel (S. 10); Museum Troppau (S. 12); Leonhard BerlinBieber (S. 16); Historisches Archiv der Sächsischen Staats­t heater Dresden (S. 18). T E X T N AC H W E I S Die Texte von Tobias Niederschlag sind Originalbeiträge für die Publikationen der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Urheber, die nicht ermittelt oder erreicht werden konnten, werden wegen nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten. Private Bild- und Tonaufnahmen sind aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet. Matthias Gries Orchesterinspizient 2 0 1E5S C H W E I Z . 6 . 1 2 SCH 19.– ÄC HSI RT K URO GOHR ION R N AT ALE SCH T I W O AK T S O H C S TA G E CH S I R H O G 6. I N T E S K I, UROW MIR J I , D V A O L EMTS , E T T, V UART C H A N T S E V S K AYA DIN Q S, J A S R O R O E R N G D O E A B EN RI ESD H O L L, SANG S, M A A P E L L E D R EAS SC J A N, I L R I V I N I U SK T A ANDR BEL KARA U A T A S G, P CHE ISA OLLON CHSIS I A S W AT T R O , S Ä .A. H V T . T U A U M NTE Q E G R N A T N M IT D E AT IO N L L E D R E S D E R E P O E P A K IN K O S T N S TA A IS C H E SÄCHS W W W. S TA AT S K A P E L L E - D R E S D E N . D E 26 ISC H, S WWW.SCHOSTAKOWITSCH-TAGE.DE Semperoper Dresden PA R T N E R D E R S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N