AUTOMOTIVE Virtuelle und reale Welt wachsen zusammen

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3/2011
MAGAZIN
www.virtual-reality-magazin.de | Euro 6,50 | Eine Publikation der WIN-Verlag GmbH & Co. KG | ISSN 1869-4993
V I S UA L I S I E R U N G | S I M U L AT I O N | I N T E R A K T I O N | A N I MAT I O N
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Contentbild: PI-VR
AUTOMOTIVE Virtuelle und reale Welt wachsen zusammen
TRAINING Simulation von Entschärfungsrobotern
MARKETING Augmented Reality hilft beim Verkauf
Das Praxismagazin
für Technologien
der virtuellen Realität
Möglichkeiten
erkennen und begreifen
mit einem persönlichen Abonnement
www.virtual-reality-magazin.de/abo
www.virtual-reality-magazin.de
EDITORIAL
PASSEN SIE AUF, WAS SIE SAGEN.
Zumindest wenn Sie in der CAVE des California Institute
for Telecommunications and Information Technology
stehen, dort einen Architekturentwurf betrachten und
Ihre Gehirnströme gleichzeitig aufgezeichnet werden. Die
Elektro-Enzephalogramm-Kurven könnten Ihre verbale
Begeisterung als nicht ganz echt entlarven. Doch hier geht
es nicht um eine Art VR-Lügendetektor, sondern darum,
über EEG und Tracking der Augenbewegungen festzustellen, welche Details eines Architekturentwurfs für den
Betrachter wirklich interessant sind. Die Navigation und
Kommunikation in komplexen Raumverhältnissen wie
etwa in Krankenhäusern oder Schulen lässt sich auf diese
Weise auch für Menschen verbessern, die sich nicht mehr
mit Worten verständlich machen können.
Während sich der VR-Einsatz in der Architektur eher noch
in der Anfangsphase befindet, ist er in der Autoindustrie,
der Konsumgüterindustrie oder der Luft- und Raumfahrtbranche schon selbstverständlich. Auch mittelständische Unternehmen setzen in verschiedenen Stadien
der Produktentwicklung und im Marketing zunehmend
VR-Systeme ein. Erschwingliche Hard- und Software soll es
möglich machen. Aber bislang sind die Anwendungen im
Mittelstand noch dünn gesät, was natürlich auch die Frage
aufwirft, ob wirklich jedes Fertigungsunternehmen VR
braucht, auch wenn die entsprechenden Systeme immer
weniger kosten. Unter anderem dieser Frage wird sich
auch der Virtual Efficiency Congress des VDC am 29. und
30. September in Fellbach widmen und damit ökonomische und technische Gesichtspunkte der virtuellen Realität
gleichermaßen ausleuchten. Zudem werden Vertreter
namhafter Unternehmen wie Daimler über VR im Alltag
berichten. Und die haben auch in unserem Heft das Wort.
Andreas Müller, Leitender Redakteur
MAGAZIN 3/2011
3
INHALT
AKTUELL
VIRTUAL EFFICIENCY CONGRESS: Wie schon
im vergangenen Jahr, so findet auch 2011
der Virtual Efficiency Congress wieder in
der Schwabenlandhalle in Fellbach statt.
In Fachvorträgen, Workshops und der
Ausstellung können sich Besucher über
Einsatzmöglichkeiten von VR-Lösungen in
den Bereichen Engineering, Prozesse und
Management sowie Kommunikation und
Marketing informieren.
TRAINING & SERVICE
Die Simulation von Manipulatorfahrzeugen
im Entschärferbereich stellt eine große
ingenieurstechnische Herausforderung
dar. Das Ziel derartiger Simulationen ist es,
sowohl das Fahr- und Steuerungsverhalten
des Fahrzeugs als auch die komplexen
Interaktionen mit der Umwelt plausibel
abzubilden, um die operationellen Einsatzkräfte bestmöglich auf den realen Einsatz
vorbereiten zu können. Bild: Cassidian
AKTUELL
6
Zuhören, betrachten, ausprobieren:
Virtual Efficiency Congress in Fellbach
7
Menschen und Märkte:
Neues aus der VR-Welt
BRANCHE
10 Bestandteil der Prozesse:
Andreas Petersen und Wolfgang Kaiser,
ci-base, über VR in der Luft- und Raumfahrtbranche
14 Zwei Welten wachsen zusammen:
VR-Einsatz in der Automobilindustrie
HARDWARE
12 Klein und dennoch riesig:
VR-Walls von Schneider Digital
DESIGN & ENGINEERING
LUFT- UND RAUMFAHRT
Die Luft- und Raumfahrtindustrie gilt als am
weitesten fortgeschritten, was den Einsatz
von Virtual-Reality-Lösungen betrifft. Mit
Andreas Petersen, Geschäftsführer, und
Wolfgang Kaiser, Senior Sales Manager bei
der ci-base Software GmbH, sprachen wir
über den aktuellen Stand der Technologie
und Trends in der Branche.
Bild: ci-base Software GmbH
17 Handgreiflich:
Audi A6 in der interaktiven Visualisierung
TRAINING & SERVICE
18 Safety First:
Realitätsnahe Trainingssimulation von
Entschärfungsrobotern
PRODUKTION & PROZESSE
22 Die Muskeln spielen lassen:
Humanoide Roboter mit Antrieben von
maxon
AUTOMOBILINDUSTRIE
Die Autoindustrie schlägt sich derzeit gut
auf den internationalen Märkten. Dazu
können nicht nur die klassischen CADWerkzeuge für die Prozessplanung und die
Produktentwicklung einen Beitrag leisten,
sondern auch Virtual-Reality-Systeme, indem sie zum Beispiel frühzeitige Designentscheidungen fördern oder eine realistische
Schulung der Mitarbeiter am virtuellen
Modell ermöglichen. Bild: Daimler AG
MARKETING & VERTRIEB
24 Erkennen, nicht vermuten:
Oliver Schiffers, SapientNitro, über
Augmented Reality in der Werbung
PRAXIS
28 Für eine bessere Architektur:
CAVE-CAD verbindet VR und
neurologische Erkenntnisse
TITELBILD: SCHNEIDER DIGITAL
Schneider Digital produziert und vertreibt professionelle 3D-Hardware. Die Kunden stammen aus den Bereichen
GIS, CAx, Architektur, Forschung, Medizin, Animation, Film/TV und Digital Imaging. Eine neuartige Lösung für
präzise Visualisierung bietet Schneider Digital in der mini VR-Wall an. Ob Powerpoint-Präsentation oder komplexe
VR-Darstellung, nahezu alle Daten lassen sich auf dem 5,46 x 2,25 Meter großen Screen anschaulich wiedergeben.
Die Einsatzmöglichkeiten reichen dabei vom digitalen Prototyping in der Fabrikplanung über Design, Einbauuntersuchungen, Strömungsvisualisierungen und Ergonomie-Checks bis hin zur Nutzung als Konfigurator am POS oder
auf Veranstaltungen. Ein günstiger Anschaffungspreis, niedrige Folgekosten und die hohe Qualität der Darstellung
machen die mini VR-Wall für den Mittelstand attraktiv.
Ausführliche Informationen:
Schneider Digital Josef J. Schneider e. K., Maxlrainer Straße 10, 83714 Miesbach
Telefon: 0 80 25 / 99 30-0, Fax: 0 80 25 / 99 30-29
E-Mail: [email protected], Internet: www.schneider-digital.com
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MAGAZIN 3/2011
VIRTUAL EFFICIENCY CONGRESS AKTUELL
ZUHÖREN, BETRACHTEN,
AUSPROBIEREN
Wie schon im vergangenen Jahr, so findet auch 2011 der Virtual Efficiency Congress wieder in der
Schwabenlandhalle in Fellbach statt. In Fachvorträgen, Workshops und der Ausstellung können sich
Besucher über Einsatzmöglichkeiten von VR-Lösungen in den Bereichen Engineering, Prozesse und
Management sowie Kommunikation und Marketing informieren.
M
it sinkenden Preisen
sollte sich die Investition in eine VRLösung zunehmend
auch für kleine und
mittelständische Unternehmen rechnen. Wegbereiter dafür sind auch die
3D-begeisterten Endanwender, die
sich auf dem Fernseher zu Hause oder
im Kino Filme in Stereo 3D anschauen
und damit für die Skaleneffekte der
Massenproduktion in der Industrie
sorgen.
Doch da stimmt etwas nicht: Die
Verbreitung von 3D-Fernsehern hat
längst nicht die Erwartungen der Hersteller erfüllt, und nur wenige Stereo3D-Filme haben sich im Kino wirklich
als Blockbuster erwiesen. Wo sind
außerdem all die mittelständischen
Unternehmen, die so eifrig VR-Technik einsetzen? Auf Kongressen und
Konferenzen sieht man sie jedenfalls
meist nur im Auditorium. Auf der Bühne sitzen, wenn es um die spektakulären Fallstudien geht, dann aber die
Vertreter der großen Autohersteller,
Anlagenbauer und Konsumgüterspezialisten. Auf dem Virtual Efficiency
Congress wird es ausreichend Gelegenheit geben, diesen Widerspruch
zwischen den vorhandenen Möglichkeiten und der Realität aufzuklären.
Einen Ansatz dazu könnte Henning
Linn von der Firma Feynsinn liefern,
der unter dem Titel „Braucht die Welt
VR? Eine Bestandsaufnahme“ am ersten Veranstaltungstag referiert. Und
Dr. Christoph Runde, Geschäftsführer
MAGAZIN 3/2011
des VDC Fellbach, wird den Kongress
mit einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung von VR-Lösungen einleiten und
damit vielleicht auch einige Skeptiker mit handfesten Argumenten
überzeugen.
Direkt betrachten
und ausprobieren
Aber andererseits: Dass das
Interesse an VR-Lösungen
im Mittelstand durchaus besteht, das haben die erfolgreichen Veranstaltungen des
Fellbacher Virtual Dimension Center (VDC) in den vergangenen Jahren ja bereits
bewiesen, auch wenn es
vielleicht in der Praxis noch
nicht danach aussieht. So verwundert
es nicht, dass das Fellbacher Virtual
Dimension Center (VDC) im Rahmen
des Virtual Efficiency Congress zum
nunmehr dritten Mal die bewährte
Mischung aus Fachvorträgen, Workshops und einer Ausstellung in der
Schwabenlandhalle organisiert. Unterstützt wird der Kongress in diesem Jahr durch die Industrie- und
INFO: VIRTUAL EFFICIENCY CONGRESS
Wann: 29.und 30. September 2011
Wo: Schwabenlandhalle, Fellbach,
70734 Fellbach
Beginn der Ausstellung:
Donnerstag, 29. September 2011,
8.00 Uhr
Ende der Ausstellung:
Freitag, 30. September 2011, 14.00
Uhr
Eintritt: Ein Tag: 45 Euro, beide Tage: 70 Euro
Internet: www.virtual-efficiency.de
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AKTUELL VIRTUAL EFFICIENCY CONGRESS
Handelskammer
Bezirkskammer
Rems-Murr, die Wirtschaftsförderung
Region Stuttgart, die Industrievereinigung Fellbach, die Filmcommission
Region Stuttgart und die Firma Projectiondesign.
„3D-Technologien lassen sich in
vielen Unternehmensbereichen gewinnbringend einsetzen“, erklärt Dr.
Christoph Runde, Geschäftsführer
des VDC Fellbach. „Die Technologie
kann beispielsweise für 3D-Filme
im Marketing, für virtuelle Prototypen in der Entwicklung oder für die
Simulation von Arbeitsabläufen zur
Prozessoptimierung genutzt werden. Diese zahlreichen Nutzungsmöglichkeiten wollen wir mit dem
Kongress genauer beleuchten.“ Der
Virtual Efficiency Congress setzt sich
aus Workshops, Fachvorträgen sowie einer Ausstellung von Hard- und
Softwareherstellern zusammen. Der
Fokus liegt in diesem Jahr auf den
Bereichen Engineering, Prozesse und
Management sowie Kommunikation
und Marketing.
An beiden Tagen des Kongresses
präsentieren Fachleute aus verschiedenen Branchen, wie Virtual Reality
von Unternehmen gewinnbringend
eingesetzt werden kann.
Die Vorträge widmen sich beispielsweise dem Thema „3D-Simulation im Ausbildungsbereich“ bei Festo
Didactic oder auch dem Thema “ 3DStorytelling”, das von Ludger Pfanz
von der staatlichen Hochschule für
Gestaltung Karlsruhe genauer erläutert wird.
Zu den Ausstellern gehören unter
anderem die Spezialisten für Medientechnik Davit aus Stuttgart sowie die
Karlsruher Fachleute für interaktive
3D-Visualisierung Lumo Graphics. „Bei
der Ausstellung können die in den
Vorträgen vorgestellten Technologien
von der Hardware bis zu Softwarelösungen direkt betrachtet und ausprobiert werden“, so Runde.
Ausstellungen,
Vorträge, Workshops
Der Virtual Efficiency Congress hat in
den vergangenen Jahren stets mehrere hundert Besucher aus allen Wirtschaftsbereichen sowie internationale Gäste angezogen. „Der Kongress
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dreht sich nicht nur um Anwendungsund Fachwissen, sondern natürlich
auch um das Networking zwischen
Anbietern, Nutzern, Entwicklern und
Interessenten an Virtual- Reality-Technologien. Dank der Kombination aus
der Ausstellung sowie den Vorträgen
und Workshops können Unternehmen leicht in Kontakt kommen und
verschiedene Lösungen direkt vor
Ort betrachten. Ich denke, dies ist der
Schlüssel zum Erfolg unserer Veranstaltung“, so Runde abschließend.
Ausgerichtet wird der VEC vom Virtual
Dimension Center Fellbach. Es zählt
derzeit rund 70 internationale und
nationale Mitglieder sowie Partner.
Darunter sind Anbieter, Nutzer oder
Entwickler von Virtual-Reality-Technologien aus der Wirtschaft, aber auch
Forschungseinrichtungen und Hochschulen. Ziel des VDC ist es, das Wissen führender Forscher, Entwickler,
Anbieter und Anwender rund um das
Thema Virtual Engineering zu bündeln
und zugänglich zu machen.
AUSSTELLER AUF DEM VIRTUAL EFFICIENCY CONGRESS
Anbieter
Produkte und Lösungen
3D Cyberdream OHG 3D und Stereo-3D-Soft- und Hardware. Autorisierter Gold
Partner von Autodesk. Lösungen von Anbietern wie BOXX
Technologies, Hyundai, Autodesk, Adobe, Chaos Group,
Hewlett Packard, Luxology, Right Hemisphere und Supermicro.
Barco GmbH
Hochleistungsprojektoren und Mediensysteme für Anwendungsgebiete wie Virtual Engineering, medizinische Bildgebung, Unterhaltung, Infrastruktur, Verkehr, Verteidigung,
Ausbildung und Training.
Davit GmbH
Konferenzraumtechnik, Videokonferenzen, interaktive
3D-Visualisierungen, Virtual Reality, Mediensteuerung,
intelligente Gebäudeautomatisierung und Multimedia
Home-Entertainment sowie maßgeschneiderte Konzepte
für komplexe Computersysteme in der Büro- und Unternehmenskommunikation
EST – Engineering
Systems Technologies GmbH & Co. KG
Anbieter von Hard- und Software für Virtual Reality (VR),
Augmented Reality und visuelle Simulation.
Hannover Messe –
Bereich Leitmesse
Digital Factory
Softwarelösungen für die Produktion und Produktentwicklung und deren Einbindung in die Unternehmensprozesse.
Lumo Graphics
interaktive 3D-Visualisierung im Verkauf, 3D-Produktkonfiguration
Projectiondesign
Hochleistungsprojektoren für professionelle und private
Einsatzmöglichkeiten. Zu den Kernanwendungsgebieten
zählen hochauflösende technische Visualisierungen und
Simulationen, medizinische Bildgebung, E-Cinema und
öffentliche Anzeigen.
Projekt PRoSeSC
EU-Förderprojekt mit acht Partnern. Ziel ist die nachhaltige
Weiterentwicklung des europäischen Straßenverkehrs.
Tridelity AG
Autostereoskopische 3D-Displays mit Hard- und Softwarelösungen für den Single-Viewer wie auch den Multi-ViewBereich.
Visenso GmbH
Anbieter für interaktive virtuelle Realität. Engineering-Lösungen in allen Anwendungsfeldern innovativer Virtual-Reality-Technologien, Analyse von Berechnungsergebnissen.
VisioEmotion
Augmented Reality- (AR-) Projekte online, offline und mobil;
3D-Animationen und 3D-Modellierung; fotorealistische
Renderings und Webapplikationen.
MAGAZIN 3/2011
NEUES AUS DER VR-WELT AKTUELL
STARTSCHUSS FÜR 3D-INNOVATIONSZENTRUM
Auf der diesjährigen IFA gab das HeinrichHertz-Institut HHI das Startsignal zu einer
außergewöhnlichen Allianz für die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen 3D-Standorts. Die technologische
Entwicklung für 3D vorantreiben, bereits
existierende Prototypen praxistauglich
machen, gute 3D-Inhalte entwickeln und
neue Branchen wie Medizin oder Automo-
tive einbinden – das sind Ziele einer Kooperation, zu der sich unter Federführung des
HHI die großen und wichtigen Akteure im
3D-Umfeld zusammengeschlossen haben.
Die Bauarbeiten zum 3D-Innovationszentrum sind bereits im Gang: auf rund
600 Quadratmetern entsteht am Salzufer in
Berlin-Charlottenburg eine attraktive Umgebung mit Studio, Testlabor sowie Showund Kommunikationsbereich, in
der die Partner aus der gesamten
Produktionskette 3D ihr Knowhow zusammenführen. Inzwischen haben sich rund 30 Partner
aus den unterschiedlichsten Branchen zusammengetan.
HHI auf der IFA: die technologische
Entwicklung für 3D vorantreiben.
Bild: Ansgar Pudenz/alphadog
AUTODESK ERWIRBT
TECHNOLOGIE VON
NUMENUS
Die Numenus GmbH in Koblenz soll
die Visualisierungsmöglichkeiten von
Autodesk mit einer interaktiven, hochpräzisen Rendering-Technik erweitern.
Das Unternehmen offeriert Software
für das fotorealistische Visualieren und
Rendern mit der Direct-NURBS-Technik, die vor allem Designer, Konstrukteure und Marketingspezialisten bei
der visuellen Kommunikation unterstützen soll. Dafür lassen sich die originalen Konstruktionsdaten verwenden.
Die Kombination aus fortschrittlichen Ray-Tracing-Verfahren und leistungsfähigen Werkzeugen für die virtuelle Kommunikation verändere die Art
und Weise wie Konstrukteure, Ingenieure und Marketing-Teams visuelle Designs aufnähmen, prüften und teilten,
so Andrew Anagnost, Vice President
Suites, Web Services und Subscription
bei Autodesk. Die Akquisition solle besonders Autodesks Fähigkeit stärken,
realitätsnahe Visualisierungen von
Oberflächen und Design Reviews in
Workflows der Automobilindustrie zu
unterstützen.
MAGAZIN 01/2009
RTT STEIGERT
WIEDER UMSATZ
Die Realtime Technology AG (RTT)
bestätigt mit der Veröffentlichung des
Berichts zum ersten Halbjahr 2011
ihre erfolgreiche Geschäftsentwicklung.
Der Gesamtumsatz erhöhte sich gegenüber 2010 um elf Prozent auf 25,9
Millionen Euro. Das EBITDA für das erste
Halbjahr liegt bei 2,8 Millionen Euro. RTT
bestätigt damit seine sukzessiv vorangetriebene Unternehmensentwicklung.
Ludwig A. Fuchs, Vorstand von RTT, erklärt hierzu: „Nach einem turbulenten
Jahresauftakt, der durch Unsicherheiten
und Schwächen in Asien geprägt war, blicken wir auf ein dennoch erfolgreiches,
erstes Halbjahr. Hinsichtlich der Umsatzentwicklung für die zweite Jahreshälfte
sind wir trotz der aktuellen Eintrübungen zuversichtlich.“
FAHRSIMULATOR FÜR REHABILITATION
Forscher an der Clemson University
haben mit dem auf Simulationen spezialisierten Unternehmen DriveSafety
zusammen gearbeitet, um einen neuen
Fahrsimulator für die Rehabilitation zu
entwickeln. Dieser wird bereits an elf
Einrichtungen der U.S.-Streitkräfte eingesetzt. Das Programm wurde kürzlich auch
in Europa bekannt, wo nun ein Fahrsimulator am Krankenhaus Charité in Berlin
zum Einsatz kommt.
Die Fahrsimulatoren ermöglichen
eine Behandlung, bei der Patienten in
einer sicheren Umgebung auf realistische Weise Fahrkenntnisse erwerben.
Die Therapeuten können die Patienten in
Bereichen wie der Kognition, der Wahrnehmung oder körperlichen Leistung
behandeln.
Die Forscher am Psychology Department forschen seit zehn Jahren über den
Gebrauch von Fahrsimulatoren, etwa,
um das Fahren in der Nacht zu untersuchen, oder was passiert, wenn der Fahrer müde oder abgelenkt ist. Eine Studie
über die Fähigkeiten und Grenzen älterer Fahrer hat zu dieser klinischen Anwendung geführt.
Der Simulator für die Rehabilitation
und damit verbundene Tools wurden am
Yubin Xi, Student, probiert den Fahrsimulator am CUICAR mit Paul Venhovens aus.
Bild: Craig Mahaffey.
Psychology Department und am Clemson University International Center for
Automotive Research (CU-ICAR) entwickelt und getestet. Die Zusammenarbeit
mit CU-ICAR eröffnet die Möglichkeit,
neue Engineering-Anwendungen zu prüfen, etwa den Einsatz von Steuergeräten
für Fahrer, die ihre Füße nicht verwenden
können. Die Forschung wird von Paul Venhovens geleitet, BMW-Stiftungsprofessur
für Automotive Systems Integration.
7
AKTUELL NEUES AUS DER VR-WELT
KUNSTPREIS FÜR
PROTEIN-VISUALISIERUNG
Mit den Computerprogrammen „BALLView“ und „RTfact“ können Pharmazeuten komplexe Molekülketten bearbeiten und
visualisieren, um so neue Medikamente in kürzerer Zeit zu entwickeln. Eine von Saarbrücker Informatikern berechnete Visualisierung eines Protein-Rezeptors wurde auf der internationalen
Doppel-Konferenz „Intelligent Systems for Molecular Biology und
Computational Biology“ ISMB/ECCB in Wien mit dem Art & Science
Award ausgezeichnet.
In erster Linie will man Pharmazeuten
helfen, Krankheiten schneller zu bekämpfen. Experten des Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz haben
dafür zusammen mit Informatikern des
Zentrums für Bioinformatik die eigene
Programmbibliothek „RTfact“ mit der
Software „BALLView“ kombiniert.
Die Visualisierung eines ProteinRezeptors wurde mit dem Art &
Science Award ausgezeichnet.
Bild: Universität des Saarlands
ICIDO GEHÖRT JETZT ESI
Die ESI Group, Pionier und einer der wichtigsten Anbieter auf
dem Gebiet der Virtual Prototyping-Lösungen, hat die ICIDO
GmbH übernommen, europäischer Anbieter von immersiven
VR-Lösungen.
Als Unternehmen mit Hauptquartier in Deutschland und
Geschäftstätigkeit in Europa und den Vereinigten Staaten, spezialisiert sich ICIDO auf die Entwicklung von Lösungen, die dem
kooperative Entscheiden in der anspruchsvollen Fertigung an
verschiedenen Standorten dienen. Seine VR-Technologien versetzen Kunden in die Lage, Produktinformationen verständlich zu
präsentieren, in Echtzeit zu bearbeiten und virtuell auszutauschen
sowie Aufgaben in der Fertigung und Probleme der Wartbarkeit in
einer immersiven und verteilten Umgebung zu meistern.
ICIDO, im Jahr 2000 vom Fraunhofer Institut aus gegründet,
war 2003 Start-up des Jahres bei McKinsey. Das Unternehmen
beschäftigt angesehene Virtual-Reality-Experten und konnte
bislang einen respektablen Kundenstamm in der Auto-, der Luftund Raumfahrtindustrie und dem Maschinenbau aufbauen. Zu
den Kunden und strategischen Partnern gehören Audi, Airbus,
BMW, Boeing, Bombardier, Caterpillar und John Deere. ICIDO
konnte im vergangenen Jahr bei zweistelligem EBIT und Wachstum rund 4.600.000 Euro erlösen.
IN DER ROLLE EINES ENTWICKLERS
Die technischen Eigenschaften und innovativen Funktionen komplexer Produkte
wie beispielsweise eines Hochgeschwindigkeitszugs, lassen sich auf Messen oder
im Vertriebsprozess nur mit großem Aufwand oder in Teilen real präsentieren. Mit
der von Visenso entwickelten virtuellen
„Zefiro“-Präsentation im Internet lassen
sich die aerodynamischen Vorteile der
Bombardier-Zugtechnologie quasi zu
jeder Zeit und an jedem Ort leicht verständlich und spannend auf spielerische
Art und Weise demonstrieren. So können
Interessenten über die Anwendung auf der
Bombardier-Website selbst in die Rolle eines
Entwicklers schlüpfen und aus verschiedenen Komponenten und deren Varianten
einen Zug zusammenzubauen.
Zu den für die Aerodynamik wesentlichen Elementen eines Zuges zählen die
Nase, der Stromabnehmer, der Wagenübergang und das Fahrwerk. Die Varianten der
Komponenten entsprechen dem Stand der
Zugtechnik in den 80er- und 90er-Jahren
sowie der des hochmodernen „Zefiro“. Die
Auswahl der jeweiligen Komponenten und
Varianten erfolgt im Internet via Mausklick
auf die entsprechenden „Buttons“. Dabei
verändert sich auf dem Bildschirm die jewei-
8
lige Zugansicht in fließenden Übergängen.
Stromlinien und fliegende Partikel verdeutlichen die Aerodynamik der gewählten Komponente und Variante. Nach Definition der
Komponenten und Varianten lässt sich via
Mausklick ein Rennen zwischen dem„Zefiro“
und dem selbst konfigurierten Zug starten.
Eine Auswertung des Energieverbrauchs
und der aerodynamischen Effizienz macht
die Vorteile der „Zefiro“-Hochgeschwindigkeitstechnologie im Vergleich zur eigenen
Konstruktion deutlich.
Sämtliche Darstellungen und Berechnungen basieren auf den tatsächlichen Konstruktions- und Strömungsdaten von Bombardier Transportation. Der Visualisierung
der Stromlinien liegt in der Internetversion
eine zeitabhängige Rechnung zugrunde,
die eine korrekte Darstellung des Auslaufens
der Stromlinien in einzelne Partikel und damit der aerodynamischen Eigenschaften der
jeweiligen Komponente garantiert.
Visenso zeigt sich unter anderem für
die Umsetzung der gerenderten Filme der
jeweiligen Komponenten und Züge, die
Morphing-Animationen, die Stromliniendarstellung sowie die Flash-Programmierung
verantwortlich. Die Internet-Anwendung
wurde auf eine kleinere Bildschirm-Auflö-
Virtuelle „Zefiro“-Präsentation im Internet:
aerodynamische Vorteile der Bombardier-Zugtechnologie demonstrieren. Bild: Visenso
sung ausgerichtet. Ist beim Konfigurieren
des Zuges jetzt nur noch die jeweilige Komponente zu sehen, werden die Unterschiede der gewählten Variante durch die Veränderung des Zugumrisses direkt deutlich
gemacht. Für das Hintergrunddesign des
abschließenden Rennens wurde zusätzlich
eine Landschaft modelliert. Die Einblendung von Videofenstern mit den jeweiligen
Zugkomponenten ermöglicht während
des Rennens einen direkten Vergleich der
Strömung an den vier Komponenten. Kurze
Erklärungstexte ersetzen den auf der Messe
eingesetzten menschlichen „Explainer“.
Weitere Informationen: www.visenso.de
und www.zefiro.bombardier.com/desktop/
en/efficiency/aerodynamic.html
MAGAZIN 01/2009
NEUES AUS DER VR-WELT AKTUELL
SCHAUERLICH MIT SURROUND HAPTICS
Eine neue Technologie für den Tastsinn
„Surround Haptics“ ermöglicht es, in Videospielen oder Filmen ein breites Spektrum
taktiler Wahrnehmungen zu erfahren: von
der sanften Berührung eines Fingers, der
über die Haut fährt bis zum heftigen Stoß
durch eine Kollision.
Das Verfahren basiert auf psychophysischen Experimenten und neuen
Modellen der taktilen Wahrnehmung. Disney zeigte Surround Haptics erstmals auf
der SIGGRAPH 2011 in Vancouver. In der
Vorführung diente die Technologie dazu,
ein Fahrsimulator-Spiel auf ein neues Niveau zu heben. Die Spieler saßen dabei
auf Stühlen und bedienten preisgünstige,
vibrierende Aktuatoren. Durch Surround
Haptics spürten sie Unebenheiten auf der
Straße, auf das Fahrzeug fallende Subjekte und sie bemerkten, wenn das Fahrzeug
schleuderte, bremste, beschleunigte oder
kollidierte.
Das Verfahren lasse sich aber auch ganz
einfach in Kleidung, Handschuhe, Sportausrüstungen und mobile Geräte einbetten, wie
von den Erfindern zu erfahren ist. Es könne
dazu beitragen, die Wahrnehmung des
Fliegens, des Fallens, des Schrumpfens und
Wachsens oder wie es sich anfühlte, wenn
Wanzen über den Körper liefen, noch realistischer zu machen. Diese Herausforderungen
haben die DRP-Forscher gemeistert, indem
sie einen Algorithmus entwickelt haben,
um eine Reihe vibrationsfähiger Aktuatoren
so zu steuern, dass virtuelle Aktuatoren in
dieser Reihe auftauchen. Diese können zwischen zwei beliebigen physisch vorhandenen Aktuatoren platziert werden, um dem
Anwender die Illusion zu vermitteln, nur
den virtuellen zu fühlen. Daraus resultierend
spüren die Anwender nicht das allgemeine
Summen und Pulsieren, wie es typisch für
die meisten haptischen Geräte ist, sondern
diskrete, durchgehende Bewegungen, so
wie ein Finger, der ein Muster auf der Haut
zeichnet.
Durch Aktuatoren vermittelte Phantom-Wahrnehmungen sind seit mehr als
50 Jahren bekannt, aber ihre Anwendung
blieb beschränkt, weil die Steuerungsme-
FÜR BESSERE ENTWÜRFE
Neue Soft- und Hardware, die an der University of California in San
Diego entwickelt wurde, erlaubt es Menschen, ihre Eindrücke von
einem Architekturentwurf durch physiologische Rückmeldungen
zu kommunizieren. Das ist wichtig für Personen, die sich verbal nur
schwer verständlich machen können, weil sie zum Beispiel an der
Alzheimer-Krankheit leiden.
Forscher an der USCD-Abteilung des California Institute for
Telecommunications und Information Technology (Calit2) haben
eine CAD-Software namens CAVE-CAD entwickelt, die durch die
Verbindung mit Geräten, die neurologische und physiologische Reaktionen der Betrachter überwachen, Architektur-Design effizienter
macht. CAVE-CAD bietet außerdem eine wichtige Funktion, die konventionellen CAD-Systemen fehlt: Die Möglichkeit, die Folgen eines
modifizierten Designs sofort zu erfahren. Das Team hat CAVE-CAD für
den Einsatz in der StarCAVE von Calit2 entwickelt, einer immersiven
360-Grad-VR-Umgebung mit 16 Panels. So können die Forscher mit
virtuellen Architektur-Renderings in drei Dimensionen, in Echtzeit
und in den natürlichen Maßstäben interagieren.
CAVE-CAD für
den Einsatz in der
StarCAVE von Calit2,
360-Grad-VR-Umgebung mit 16 Panels.
Bild: Calit2
MAGAZIN 01/2009
Die Anordnung vibrierender Aktuatoren im Sitz
bewirkt die Illusion eines fortlaufenden Stoßes
auf den Rücken (rot markiert). Bild: Disney Research
Pittsburgh
chanismen nicht verstanden wurden. Die
DRP-Forscher konnten ihren Steuerungsalgorithmus entwickeln, indem sie die Fähigkeit der Anwender maßen, physische
im Gegensatz zu virtuellen Aktuatoren
bei verschiedenen Stimulationsgraden zu
spüren. Dann entwickelten sie ein Steuerungsmodell, dass durch weitere psychophysische Experimente validiert wurde.
Über die Anwendung in interaktiven
Spielen, Filmen und Musikdarbietungen verspricht Surround Haptics auch interessante
Einsatzmöglichkeiten in der verbesserten
taktilen Kommunikation für Blinde, Einsatzkräfte bei Notfällen, Fahrzeugführern und
Sportlern.
Virtual
Efficiency
Congress 2011
29./30. September 2011
Schwabenlandhalle
Fellbach
www.schwabenlandhalle.de
y Ausstellung und Programm
Donnerstag, 29.09.
8 –17 Uhr
Freitag, 30.09.
8 –14 Uhr
y Eintrittspreise
Einzelner Tag
€ 45,00
Kombiticket (2 Tage) € 70,00
Eintritt zur Ausstellung kostenfrei
y Anmeldung und
Informationen
sowie Konditionen
für Aussteller unter
www.virtual-efficiency.de
Veranstalter:
Virtual Dimension Center
Auberlenstr. 13, 70734 Fellbach
[email protected]
Tel: +49 (0)711- 585309-0
Mit freundlicher Unterstützung von:
BRANCHE VR IN DER LUFT- UND RAUMFAHRT: ANDREAS PETERSEN UND WOLFGANG KAISER, CI-BASE SOFTWARE GMBH, IM GESPRÄCH
BESTANDTEIL
DER PROZESSE
Die Luft- und Raumfahrtindustrie gilt als am weitesten fortgeschritten, was den Einsatz von VirtualReality-Lösungen betrifft. Mit Andreas Petersen, Geschäftsführer, und Wolfgang Kaiser, Senior Sales
Manager bei der ci-base Software GmbH, sprachen wir über den aktuellen Stand der VR-Technologie
und Trends am Beispiel dieser Branche.
VR Magazin: Wenn man sich einmal
die gesamte Produktentwicklung
von der Idee bis zum Betrieb anschaut: In welchen Bereichen halten
Sie den Einsatz von VR-Lösungen
für besonders sinnvoll?
Andreas Petersen: Sinnvoll einzusetzen
ist VR unternehmensübergreifend in
Entwicklung, Produktion, im Vertrieb,
im Marketing, im Service und als Trainingsmedium. Wir verstehen VR auch
als ein Kommunikationsmittel zwischen den Unternehmensbereichen,
zum Beispiel auch an unterschiedlichen Standorten.
VR ist sicherlich ein Mittel, um im
Rahmen von Engineering Reviews
Fehler aufzudecken, die im CADSystem nicht erkennbar waren. Es
ist aber ebenso ein Medium, um den
Kunden sehr früh in die Produktentwicklung mit einzubeziehen. Nicht
jeder technische Einkäufer ist in der
Lage, eine 2D-Zeichnung zu lesen.
Bei der Präsentation mittels VR erlebt er sein Produkt in realistischer
1:1-Darstellung.
Für den Vertrieb ist VR ein innovatives Mittel, Produkte darzustellen, die
es noch gar nicht gibt oder die nicht
einfach transportierbar sind. Auch
im Schulungs- und Trainingsbereich
hat VR seinen Platz: Die Schulung der
Techniker in den Bereichen Service
und Wartung kann am virtuellen Produkt schon sehr früh erfolgen.
VR Magazin: Der Anspruch der Anbieter von VR-Lösungen ist ja auch,
den Produktentwicklungszyklus zu
straffen. Wie stellt sich das in der Praxis dar?
Wolfgang Kaiser: VR sollte ein permanenter, integrierter Prozess mit dem
Ziel sein, frühzeitig Erkenntnisse zu
gewinnen, die den Produktionsprozess beschleunigen. Wir straffen den
Entwicklungsprozess zum Beispiel, indem wir auf den Bau von Prototypen
verzichten oder ihn zumindest auf ein
Minimum reduzieren.
Früher hat man erst verschiedene
Prototypen gebaut, um dann festzustellen, was nicht optimal ist. Dieser
Aufwand war kostspielig und lässt sich
heute mittels VR vermeiden. Die mögliche, frühe Einbindung des Kunden
haben wir ja bereits angesprochen.
Andreas Petersen: Variationen oder Änderungswünsche von Kunden kann
ich deutlich schneller verwirklichen,
auch wenn die Produktentwicklung
bereits weiter fortgeschritten ist.
Andreas Petersen, Geschäftsführer der ci-base Software GmbH:
„VR SOLLTE EIN PERMANENTER, INTEGRIERTER
PROZESS MIT DEM ZIEL SEIN, FRÜHZEITIG
ERKENNTNISSE ZU GEWINNEN, DIE DEN
PRODUKTIONSPROZESS BESCHLEUNIGEN.“
10
VR Magazin: In der Autoindustrie
werden VR-Lösungen nicht nur in
der Produktentwicklung und Kommunikation, sondern vielfach auch
in der Fabrik- und Prozessplanung
eingesetzt. Sehen Sie in der Luftund Raumfahrtbranche parallele
Entwicklungen?
Andreas Petersen: Grundsätzlich ist das
denkbar. Aber wir sehen VR in erster
Linie nicht als Medium zur Fabrik- und
Prozessplanung, sondern als integrierten Bestandteil der Unternehmensprozesse.
VR Magazin: Die Flugzeugentwicklung wird heute oft auf verschiedene
Standorte in mehreren Ländern verteilt. Worauf gilt es bei der Integration der Visualisierungsdaten in die
PDM- oder PLM-Systeme zu achten
und wie wird die Konsistenz der Daten gewährleistet?
Andreas Petersen: Diese Frage ist pauschal schwer zu beantworten. PDM/
PLM-Systeme in Großunternehmen
sind in der Regel äußerst individuell
und komplex. Die PLM-Lösung steuert das gesamte Freigabesystem, die
Versionierung und die Revisionierung.
Daraus ziehen wir für das VR-System
die CAD-Daten heraus. Das PDM-System muss also an dieser Stelle steuern,
dass immer der aktuelle Datenstand
vorhanden ist. Das liegt nicht im Einflussbereich von VR. Wir bekommen
für das VR-System immer den letzten,
aktuellen Stand zur Verfügung gestellt. Wir ändern nichts, sondern visualisieren. Wenn gewünscht, setzen wir
auch Mark-ups, kommentieren, dokumentieren und geben die Ergebnisse
zurück an die Fachbereiche.
MAGAZIN 3/2011
VR IN DER LUFT- UND RAUMFAHRT: ANDREAS PETERSEN UND WOLFGANG KAISER, CI-BASE SOFTWARE GMBH, IM GESPRÄCH
VR Magazin: Wo setzen Sie bei cibase die Schwerpunkte im Portfolio?
Andreas Petersen: Wir verstehen uns
im Geschäftsfeld VR einmal als Dienstleistungsunternehmen für Firmen, die
vielleicht noch nicht in ein komplettes
VR-System investieren möchten. Hier
stellen wir für konkrete Projekte unsere Anlage gegen eine Nutzungsgebühr zur Verfügung.
Wir stellen auf Wunsch Personal
für das Projekt und bereiten die Daten
für den Kunden auf.
Ferner bieten wir auch die Möglichkeit an, von uns ein komplettes
VR-System, also die Software, die
Hardware und die entsprechenden
Dienstleistungen zu beziehen. Ci-base
agiert hier als Generalunternehmer:
Der Kunde erhält die Lösung aus einer
Hand. Was die Software betrifft, sind
das die Lösungen von IC.IDO. Imsys-vr
zeichnet für die Hardware verantwortlich. Für beide Unternehmen sind wir
Vertriebspartner.
VR Magazin: Für einige mittelständische Unternehmen dürfte der VR-Einsatz zwar sinnvoll, aber zu aufwendig
und zu teuer sein. Inwiefern bestehen für diese Unternehmen dennoch
Möglichkeiten, auf entsprechende
Ressourcen zurückzugreifen?
Andreas Petersen: Wir adressieren ja
vorrangig den Mittelstand, weil die
beiden großen Flugzeughersteller
ohnehin direkt von den Herstellern
bedient werden. Wir arbeiten für klassische mittelständische Unternehmen
in der Luft- und Raumfahrt, im Schiffbau, Maschinenbau, Anlagenbau,
der Verpackungsindustrie oder der
Petrochemie. Für den Endanwender
aus dem Norden ist es durchaus von
Nutzen, seinen Ansprechpartner unmittelbar vor Ort zu haben.
Auch mit der bereits dargestellten
Möglichkeit, VR bei ci-base als Dienstleistung zu nutzen, sind wir für den
Mittelstand attraktiv.
Wolfgang Kaiser: Ich möchte das Thema Kosten/Nutzen gerne noch einmal
aufgreifen: Wir adressieren hier wirklich den klassischen Mittelstand. Auch
für den sind VR-Lösungen absolut
erschwinglich geworden. Die technische Entwicklung im 3D beziehungs-
MAGAZIN 3/2011
BRANCHE
Wolfgang Kaiser, Sales Manager bei der ci-base Software GmbH:
„WER EIN ERP-SYSTEM EINSETZT, MUSS
DEUTLICH TIEFER IN DIE TASCHE GREIFEN ALS BEI
DER ANSCHAFFUNG EINES VR-SYSTEMS.“
weise im kommerziellen Markt der
Visualisierungsprodukte kommt uns
hier einfach zugute.
Ich vergleiche das einmal mit einem ERP-System, das auch im mittelständischen Bereich heute jeder
Unternehmer einsetzt. Wer ein ERPSystem einsetzt, muss deutlich tiefer
in die Tasche greifen als bei der Anschaffung eines VR-Systems. ERP-Systeme haben Einführungszeiten, die
sich teilweise über Monate hinziehen
und deshalb allein durch Customizing sehr kostenintensiv sind. Beim
VR-System kauft der Kunde die Hardund Software, macht je nach Art und
Umfang eine Schulung von 3-5 Tagen
und hat ein fertiges System, mit dem
sofort gearbeitet werden kann.
Mittelständische Unternehmen
erkennen durch konkrete VR-Projekte
sehr schnell ihren speziellen wirtschaftlichen Nutzen im Produktionsoder Vertriebsprozess.
Andreas Petersen: Es ist für uns immer
wieder eine große Herausforderung,
den wahren Nutzen theoretisch oder
nur mit Prospekten zu verdeutlichen.
Das funktioniert in der Regel nicht.
Man muss VR live gesehen, bzw.
erlebt haben. Bei allen bisher durchgeführten Präsentationen, oft bereits
mit ihren eigenen Daten, haben die
Kunden sehr schnell die Möglichkeiten und den Nutzen von Virtual Reality erkannt.
VR Magazin: Stellen Sie sich doch bitte den Arbeitsplatz eines VR-Anwenders in zehn Jahren vor.
Andreas Petersen: Die Technologieentwicklung ist in allen Bereichen immer
noch rasant. Was daher in zehn Jahren
auf uns zukommen wird, wissen wir
nicht. So ist es auch beim Thema Virtual Reality.
Wir sind aber sicher, dass dieses Thema stetig weitere Verbreitung finden
wird. Effizientere Technologien und
Möglichkeiten für den einzelnen Anwender werden die Folge sein. Die
Integration von VR in die Unternehmensprozesse wird sich in Zukunft
mit Sicherheit erhöhen.
VR Magazin: Herr Petersen, Herr Kaiser, vielen Dank für das Gespräch.
Intuitives Interagieren mit den 3D-Modellen.
VR-Lösungen können Fehler sichtbar machen, die nicht
ohne Weiteres im CAD-System erkennbar sind.
11
HARDWARE TITELSTORY: VR-WALLS VON SCHNEIDER DIGITAL
PROMOTION
Bild 1: mini VR-Wall von Schneider Digital im CinemascopeFormat. Der transportable
Plug-and-Play-3D-VR-Screen
mit 5,9 x 2,5 Metern Bildfläche,
6 Megapixel Auflösung, 6 x
2.500 Ansi-Lumen Helligkeit
und einer Bautiefe von nur 55
Zentimetern.
Bilder: Schneider Digital
KONZEPTIONELLER
MEILENSTEIN
FÜR GROSSFORMATIGE VISUALISIERUNGSLÖSUNGEN
Mit seinen neuen VR-Wall-Systemen definiert Schneider-Digital die künftigen Maßstäbe für den professionellen und wirtschaftlichen Betrieb für Visualisierungslösungen. Massiv niedrige Kosten und vor
allem eine sehr vereinfachte Bedienung überraschen hier.
M
it der großen Erfahrung aus über 15 Jahren professioneller
3D-High-End-Lösungen ist das erste eigene Produkt ein Meilenstein für großformatige Visualisierungslösungen.
Bisher haben Hochleistungsprojektionssysteme in mehrfacher Hinsicht hohe Anforderungen an die
Umgebung und die Anwender gestellt. Diese Komplexität in ein Plug
& Play-„Easy-to-Use“-System umzusetzen, stellte das Entwicklungsziel
von Schneider-Digital dar. Die Entscheidung für eine VR-Wall war bisher
12
meist langwierig. Das lag nicht nur am
hohen Preis, sondern vor allem an der
Komplexität der Installationen. Der
große Raumbedarf bedingte häufig
Umbauten am Gebäude, Klimaanlagenkonzeptionen und das Warten
auf Baugenehmigungen. Auch im
Betrieb ging es nicht ohne In-HouseSpezialisten und hohe Folgekosten
bei Wartung und Service. Von einem
langen Lifecycle und einem damit einhergehenden Investitionsschutz ganz
zu schweigen.
Die Schneider-Lösung sticht hier
in allen Bereichen mit erheblichen
Vorteilen hervor:
INFO: PREISE
Die MiniVr-Wall kann mit einem
günstigen Preis punkten. Die
16:9- und die 16:10-Variante gibt
es bereits ab 59.000 Euro zuzüglich
der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Hier werden vier Projektoren
eingesetzt.
Die große Variante im Cinemascope-Format ist ab 79.000 Euro
zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer zu haben. Hier werden
sechs Projektoren eingesetzt.
MAGAZIN 3/2011
VR-WALLS VON SCHNEIDER DIGITAL HARDWARE
PROMOTION
INFO:
SO FUNKTIONIERT ES
Die visuelle Technologie der mini
VR-Wall basiert auf einer Entwicklung des Technologiepartners
3D-Insight GmbH. Das auf der mini
VR-Wall sichtbare Bild besteht aus
einzelnen Segmenten, die von
vier oder sechs Lightengines als
leicht überlappende Teilbilder auf
den Screen projiziert werden. Die
integrierte Pixelprocessing-Technologie macht diese Segmentierung für den Betrachter unsichtbar.
Außerdem sorgt sie dafür, dass sie
die Handhabung der mini VR-Wall
so einfach gestaltet wie die eines
großen Monitors. Der Anwender
kann nach dem Anschließen und
dem Starten des Rechners gleich
mit der Arbeit loslegen und die
vorhandene Software wie gewohnt
nutzen.
• Geringe Bautiefe -> VR-Wall lässt sich
in bestehenden Räumen nutzen
• Einfache Nutzung -> kein eigener Betreuer im Haus notwendig
• Integrierte Mediensteuerung -> Verschiedene Zuspielquellen per Touchscreen wähl- und kombinierbar
• Vorteile der Front-Pro mit Rück-Pro
vereint
- Front-Pro ist heller und kaum winkelabhängig, das ist wichtig, wenn
man nahe an der VR-Wall steht.
- Front Pro ist heller
- Schneider Front Pro erlaubt eine
Bautiefe von nur 63 Zentimetern
- Keine Schatten_-> Lärmschutz
und Schattenvermeidung sind die
häufigsten Gründe, Rück-Pro einzusetzen. Die Schneider-Lösung ist
leise und vermeidet Schatten trotz
Front-Pro-Lösung
• Upgrade-fähig -> Mehr Auflösung
und mehr Helligkeit sind durch neue
Projektoren möglich. Bisher war es
wirtschaftlicher, das System komplett zu ersetzen.
• Zuverlässigkeit -> Prosumer-Projektoren haben sehr geringe Ausfallsraten. Die sonst teuere 365-Garantie
kann der Kunde durch den Swap von
Reserveprojektoren preiswert selbst
leisten. Swapdauer etwa 30 Minuten.
MAGAZIN 3/2011
Die geringe Bautiefe von nur 63 Zentimetern erreicht das Schneider-DigitalSystem durch eine fast senkrechte
Projektion und erlaubt daher die Installation und den Betrieb in allen gängigen Büroräumen. Besondere bauliche
Voraussetzungen sind also nicht mehr
nötig. Alle Systeme sind dazu mobil und
können innerhalb eines Tages auf- und
wieder abgebaut werden. Die modulare Bauweise ist in jeder Hinsicht technologisch Upgrade-fähig und bietet
dem Kunden hohe Sicherheit in seiner
Investition. Durch die Modularität kann
jederzeit ein bestehendes System zu
einer Cave erweitert oder eine Cave zu
drei einzelnen Wänden zurückgebaut
werden. Zur Wahl stehen die Formate
16:9, 16:10 und 23,5:10. Darüber hinaus
besteht die Möglichkeit des speziellen
Customizing. Die starke Auflösung mit
bis zu 6 Megapixel und das gleichmäßig
ausgeleuchtete Bild runden den positiven Eindruck ab. Dank „easy to use“
sind die Systeme ohne Datenkonvertierung und ohne Clustering für alle Anwender leicht zu bedienen. Nach dem
Einschalten kann von jeder beliebigen
Quelle per VGA, DVI, Dual-Link DVI, Display Port und HDMI inklusive aller üblichen Stereo-Formate sofort gearbeitet
werden. Eine CAD-Session oder eine
Powerpoint-Sitzung sind möglich, da
das System nach wenigen Minuten einsatzfähig ist und von jedem Mitarbeiter
bedient werden kann.
Optional lassen sich die Systeme
mit IR-Tracking-Kameras ausstatten.
Die geringe Latenzzeit von einem
Frame macht die Systeme sogar für
die Flugsimulatoren tauglich. Mit dem
Wireless Touch Tablet hat der Anwen-
Bild 2: Mit nur 55 Zentimetern Bautiefe lässt sich die mini
VR-Wall ohne Umbauarbeiten in fast jedes Büro integrieren. Es
können auch drei Screens im U zu einer Virtual-Reality- (VR-)
Cave kombiniert werden – und das, ohne die bei Powerwalls
und VR-Caves sonst nötigen Umbaumaßnahmen.
der komfortabel die volle Kontrolle
über alle Eingänge und Funktionen
wie zum Beispiel Bild in Bild und Split
Screen. Dabei können zwei Projektteams gleichzeitig an stereoskopischen
Daten arbeiten – jedes Team spielt dabei seine 3D-Daten von einer eigenen
Workstation ein. Über einen weiteren
Rechner ist es zudem möglich, zusätzlich 2D-Daten anzuzeigen.
Die Schneider-Digital VR-Walls
sind flexibel im Einsatz in Verbindung
mit einer hellen Darstellung und TopAuflösung. Bei einer Pixelgröße von
nur 1,5 Millimetern kann bereits ab
einem Betrachtungsabstand von nur
50 Zentimetern ohne Mühe gearbeitet werden. Konzeption, Qualität
und Preisstellung sind gelungen. Mit
Schneider-Digital können von nun
an selbst kleinere Unternehmen den
Sprung in die virtuelle Welt problemlos wagen.
| ANM
Bild 3: Der SplitScreen
erlaubt die Mehrfachnutzung des
Screens. So können
auch zwei Teams
gleichzeitig den
Bildschirm nutzen.
Jeder speist dabei
seine 3D-Signale von
einem eigenen PC ein.
Contentbild: © Lumiscaphe
13
BRANCHE PROF. DR. ALFRED KATZENBACH, DAIMLER AG, IM GESPRÄCH
ZWEI WELTEN
WACHSEN ZUSAMMEN
Die Autoindustrie schlägt sich derzeit gut auf den internationalen Märkten. Dazu können nicht nur
die klassischen CAD-Werkzeuge für die Prozessplanung und die Produktentwicklung einen Beitrag
leisten, sondern auch Virtual-Reality-Systeme, indem sie zum Beispiel frühzeitige Designentscheidungen fördern oder eine realistische Schulung der Mitarbeiter am virtuellen Modell ermöglichen. Prof.
Alfred Katzenbach, Leiter Engineering IT bei der Daimler AG, erklärt, wie diese Lösungen bereits heute
erfolgreich eingesetzt werden können und welche Trends sich abzeichnen.
VR Magazin: Herr Prof. Katzenbach,
wo würden sie die Autobranche im
Vergleich zum Maschinenbau einordnen, was den Einsatz von Virtual
Reality-Lösungen betrifft?
Prof. Alfred Katzenbach: Virtual Reality im Automobilbereich zeichnet
sich durch die Breite der Anwendung
aus. Sie reicht von Designstudien, die
miteinander verglichen werden, über
Ein- und Ausbauuntersuchungen, Ergonomieuntersuchungen, Simulationsuntersuchungen am digitalen Prototypen, die digitale Fabrik bis hin zur
Untersuchung der Wartbarkeit, also
inwieweit ein Mitarbeiter im Service
Teile auswechseln kann. Wir haben
auch schon Studien darüber gemacht,
wie man in einer Niederlassung oder
in einem Verkaufscenter die Fahrzeuge optimal entsprechend der Gebäudesituation anordnen kann. Durch die
Möglichkeit, Massendaten zu verarbeiten, sind wir auch in der Lage, gan-
Prof. Alfred Katzenbach,
Leiter Engineering IT bei der Daimler AG:
„WIR SETZEN VR DURCHGÄNGIG IM
KOMPLETTEN PROZESS EIN UND
ZUNEHMEND NICHT NUR IN DEN VRZENTREN, SONDERN AUCH VOR ORT
BEI DEN KONSTRUKTEUREN UND IN
DEN WERKSTÄTTEN IN FORM VON
MIXED-REALITY-ANWENDUNGEN.“
14
MAGAZIN 3/2011
PROF. DR. ALFRED KATZENBACH, DAIMLER AG, IM GESPRÄCH BRANCHE
VR Magazin: …und zur Luft- und
Raumfahrt?
Prof. Alfred Katzenbach: Die Raumfahrt
ist ja quasi die Mutter der Virtual Reality. Die ersten VR-Aktivitäten kamen
dadurch zustande, dass man Roboterarme an Satelliten im Weltraum bewegen wollte. Bei den langen Signallaufzeiten dauert das über eine Minute,
bis die Reaktion auf der anderen Seite
im Weltraum stattfindet.
VR Magazin: An welchen Stellen der
Prozesskette setzt Daimler VR-Lösungen ein?
Prof. Alfred Katzenbach: Alles, was ich
bereits genannt habe. Wir setzen VR
durchgängig im kompletten Prozess
ein und zunehmend nicht nur in den
VR-Zentren, sondern auch vor Ort bei
den Konstrukteuren und in den Werkstätten in Form von Mixed-Reality-Anwendungen. Wir überlagern hier die
virtuelle mit der realen Welt. Das wird
in der Zukunft eine sehr große Bedeutung gewinnen.
VR Magazin: Können Sie uns ein Beispiel für eine solche Mixed-RealityAnwendung nennen?
Prof. Alfred Katzenbach: Sie haben
den realen Motorraum eines Fahrzeugs ohne den Motor selbst. Sie
können sich jetzt mit einem Messarm, an dem Sie eine Kamera befestigt haben, in das entsprechende
Koordinatensystem einmessen und
auf einem Bildschirm oder auf einer
Großleinwand den virtuellen Motor
in einem realen Motorraum sehen. So
können Sie darstellen, ob der Motor
in den Motorraum hineinpasst und
ob Sie noch etwas verändern müssen. Das spart viel Zeit. Und nicht nur
das. Mit einem leichten Messarm den
Motor zu bewegen, ist ergonomisch
und belastet die Mitarbeiter deutlich
weniger, als wenn sie einen mehrere
hundert Kilo schweren Motor bewegen müssten.
Noch einmal zusammengefasst:
Wir verwenden also VR-Lösungen
in der gesamten Prozesskette vom
Design über die Konstruktion, die Simulation und die Darstellung der Be-
Mixed-Reality-Systeme werden bei Untersuchungen der
Baubarkeit bereits eingesetzt. Hier der Aufbau eines solchen Systems bei der Daimler AG.
Quelle: Präsentation von Oliver Geißel, Dr. Lina Longhitano, Prof. Alfred Katzenbach, Operativer Einsatz von Mixed Reality-Technologie im Baubarkeitsprozess
der Fahrzeugentwicklung, 7. Paderborner Workshop Augmented Reality in der
Produktentstehung.
rechnungsergebnisse, die Ergonomie,
die Produktion bis hin zu Sales und
Marketing.
VR Magazin: Wie sind diese Lösungen an CAD und PLM angebunden?
Prof. Alfred Katzenbach: Die Anbindung
ist natürlich ganz wichtig, was Effizienz und Wirtschaftlichkeit betrifft. Wir
speichern alle CAD-Daten in unserem
PLM-System Smaragd ab, eine andere
Möglichkeit steht dem Konstrukteur
nicht zur Verfügung. In diesem System
wird zum nativen CAD-Format der Da-
www.animago.com
ze Fabriken zu simulieren und in der
Fabrik vom Gebäude bis zur einzelnen
Arbeitsstation einzutauchen.
Der Maschinenbau liegt beim Thema VR gegenüber der Automobil- und
Luftfahrtindustrie ein bisschen zurück,
wobei sicherlich auch die hohen Anfangsinvestitionen abschrecken dürften. Auch das in der Vergangenheit
erforderliche Spezial-Know-how hat sicher die eine oder andere Anwendung
verhindert. Mittlerweile gibt es aber
auch da schon relativ preisgünstige Lösungen. Ich war ganz erstaunt, als ich
in einem unserer Unternehmensbereiche eine CAVE gesehen habe, die rund
100.000 Euro gekostet hat und relativ
platzsparend aufgebaut ist.
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BRANCHE PROF. DR. ALFRED KATZENBACH, DAIMLER AG, IM GESPRÄCH
tensatz automatisch als JT-Datensatz gespeichert. JT ist ja gerade auf dem Weg,
zur ISO-Norm zu werden. Es ist davon
auszugehen, dass die JT-Version 9.5 bis
zum Jahresende offizieller ISO-Standard
wird, was auch wiederum diesen Prozess verbessert. JT-Daten sind in VirtualReality-Anwendungen sehr leicht lesbar,
dadurch entfällt ein großer Datenaufbereitungsaufwand. Selbstverständlich
muss man nachbearbeiten, wenn man
fotorealistische Darstellungen benötigt,
indem man entsprechende Texturen
aufbringt. Wir versuchen, wann immer es
geht, den direkten Prozess zu nutzen, so
dass die JT-Daten aus dem PLM-System
Smaragd direkt in die VR-Umgebung hineingeladen werden.
VR Magazin: Wie wirkt sich der angekündigte Umstieg von CATIA auf
Siemens NX aus?
ternativen in der virtuellen Welt miteinander vergleichen können. Wir sind
da inzwischen so weit, dass wir selbst
manche Vorstandsentscheidung in
virtuellen Umgebungen treffen. Detailuntersuchungen oder -vergleiche
sind schon seit längerem üblich. Der
Vorstand geht dann in das VR-Center,
schaut sich die verschiedenen Alternativen an und wählt die aus, mit der
dann weitergearbeitet wird. VR ist
eine Unterstützungstechnologie, aber
keine Technologie, die von sich aus Innovationen generiert.
Gesicht bekommen. Das betrifft jeden
einzelnen Arbeitsgang, den ein Werker erlernen muss, um von der Stunde
1 an seine Aufgaben in hoher Qualität
zu erfüllen. Schon das erste Auto vom
Band muss perfekt sein, und dafür
brauchen wir Mitarbeiter, die intensiv
geschult sind. Der nächste Schritt wird
sein, auch unsere Mitarbeiter im Service zu trainieren. Die Fahrzeuge werden immer komplexer und wenn wir
hier Unterstützung leisten können,
dient das dem Ziel, beim Customer
Service die Nummer eins zu bleiben.
VR Magazin: Wenn neue Produkte
gefertigt werden sollen, erfordert
das ja oft auch die Planung neuer
Werkshallen oder die Umgestaltung
bestehender Produktionsprozesse.
Was können Virtual-Reality-Anwendungen in dieser Hinsicht leisten?
VR Magazin: Welche Entwicklungen
zeichnen sich ab, was die VR-Anwendung in der Automobilindustrie betrifft?
Prof. Alfred Katzenbach: Der Trend geht
ganz klar in Richtung Mixed Reality.
Dort sehe ich noch ein sehr großes
Potenzial. Hierzu haben wir auch bereits Beiträge veröffentlicht und setzen entsprechende Lösungen wie den
schon erwähnten Messarm mit der Kamera erfolgreich ein. Damit kann man
dann vor Ort gehen und beispielsweise untersuchen, ob die Teile, speziell,
wenn es um Prototypenteile geht,
exakt der Konstruktionszeichnung
entsprechen, ob sich beispielsweise alle Schweißpunkte exakt an der
richtigen Stelle befinden. Man kann
über solche Vergleiche wunderbar
die Fehlerursachen erkennen. Auch
andere Anwendungen sind denkbar.
Bei Airbus kann der Werker zum Beispiel ein 3D-Modell der Leitungen sehen, die gerade zu verlegen sind. Die
sieht er durch seine halbdurchsichtige Datenbrille und greift aus einem
großen Regal aus den vielen unterschiedlichen Leitungen immer die
richtige heraus. Wir haben hier etwas
Vergleichbares: Der Sicherungskasten
im Auto umfasst Sicherungen, die je
nach Ampere-Wert mit unterschiedlichen Farben gekennzeichnet sind.
Hier gibt es die Möglichkeit, reale und
virtuelle Welt zu überlagern, so dass
der Mitarbeiter sofort sieht, ob alle Sicherungen richtig platziert sind. Solche Dinge sind mit Mixed Reality sehr
leicht machbar.
„DIE FAHRZEUGE WERDEN IMMER
KOMPLEXER UND WENN WIR HIER UNTERSTÜTZUNG LEISTEN KÖNNEN, DIENT
DAS DEM ZIEL, BEIM CUSTOMER SERVICE
DIE NUMMER EINS ZU BLEIBEN.“
Prof. Alfred Katzenbach: Der Wechsel
auf Siemens NX hat keine Auswirkungen. JT als ein Tesselierungsformat
können beide CAD-Systeme erzeugen. Ich möchte es sogar so sagen,
dass die JT-Standardisierung bei einer
Migration von A nach B helfen wird.
Aber für die VR-Umgebung hat das
keinerlei Auswirkungen.
VR Magazin: Welche technischen Innovationen würden Sie auf den VREinsatz zurückführen?
Prof. Alfred Katzenbach: Soweit möchte ich nicht gehen, dass ich technische Innovationen am Produkt auf
VR-Lösungen zurückführen würde.
VR hilft uns sicherlich bei den Innovationen insofern, als wir Alternativen viel schneller und besser intuitiv
begreifbar darstellen können, indem
wir Untersuchungen machen oder Al-
16
Prof. Alfred Katzenbach: VR spielt in der
Prozess- und Fabrikplanung eine große Rolle. Wir haben hier eine Software
namens VEO Factory im Einsatz, die
wir selbst entwickelt haben. Sie eignet
sich speziell für Massendaten, etwa
die Darstellung kompletter Werkshallen. Nehmen wir einmal unsere neue
Fabrik in Kecskemét, die wir gerade
aufbauen. Man kann hier virtuell mit
dem Hubschrauber über das Werksgelände fliegen und dann an Station 13
an Band 4 anschauen, was der Werker
genau herstellt. Von der Gebäudeplanung, der Ausrüstungsplanung bis zu
den Arbeitsanweisungen adressieren
wir die ganze Bandbreite der digitalen Fabrik. Und mit VEO-Training gehen wir noch einen Schritt weiter: Mit
dieser Lösung können wir die Werker
schon auf neue Fahrzeuge vorbereiten
und trainieren, bevor sie diese real zu
VR Magazin: Herr Prof. Katzenbach,
vielen Dank für das Gespräch.
MAGAZIN 3/2011
VIRTUELLE PRÄSENTATION DES AUDI A6 DESIGN & ENGINEERING
ERFAHREN, OHNE
ZU FAHREN
Die technischen Innovationen neuer Automodelle gegenüber
den Vorgängermodellen und subjektive Faktoren wie ein anderes
Fahrgefühl oder die Raumanmutung sind mit einfachen Visualisierungen nur noch schwer zu vermitteln. Audi hat sich deshalb für die
Einführung des A6 auf dem asiatischen, australischen und südafrikanischen Markt eine ganz besondere Präsentation ausgedacht.
F
ür die Einführung des neuen A6-Modells auf dem
asiatischen, australischen
und südafrikanischen Markt
veranstaltete der deutsche
Autohersteller Audi ein ungewöhnliches Kennlernerlebnis. Als Örtlichkeit
für dieses Event, das vom 30. Mai bis
15. Juni stattfand, wählte Audi die berühmte Formel-1-Rennstrecke Yas Marina Circuit in Abu Dhabi.
Die Agentur three monkeys creative consulting fz llc, eine von deutschen 3D- und Postproduktionsspezialisten gegründete Firma mit Sitz in
Dubai, kreierte und implementierte
diverse interaktive Multimediainstallationen für die so genannte „Brand
World“, wo die Besucher alles über das
Auto erfahren konnten, ohne sich hinter das Steuer zu setzen.
Die erste Station bestand aus dem
Monkeybook, einem von three monkeys mit Unterstützung der Münchner Firma MediaScreen entwickelten
interaktiven Buch. Hier konnten die
Besucher durch eine digitale Produktbroschüre des A6 blättern, die durch
Animationen und Filme besonders informativ gestaltet war.
Zusätzlich boten vier Touch-Tische
alles Wissenswerte über den neuen
Quattro-Allrad-Antrieb, die Leistung
des Fahrzeugs, die zugrundeliegenden
Technologien sowie regionale Spezifikationen. Zwei Touchscreens, die an
sich drehenden Manniquins montiert
waren, zeigten Details zu Luxus- und
Sicherheitsausstattung, Informationen
zum Event und After Sales Services.
Der Höhepunkt der „Brand World“
bestand aus einer Modellrennstrecke,
die zwei Besucher gegeneinander antreten ließ. Montiert war die Bahn auf
einem Holztisch, der allerdings keinerlei Dekoration der Strecke bot. Diese
wurde durch eine technologische Innovation ersetzt.
Augmented Reality
Über einen am Tisch montierten
Touchscreen konnten die Fahrer, nach-
dem sie ihren Namen eingegeben hatten, eine von zwei möglichen Landschaften wählen, in denen sie gerne
fahren würden. Zur Wahl standen die
A6 Event Brand World (ein Großstadtpanorama) oder die A6 Quattro World
(eine Felsenlandschaft).
Auf zwei Monitoren, die über der
Slotcar-Bahn befestigt waren, wurde
das aktuelle Rennen quasi live übertragen, inklusive der jeweils gewählten Landschaft, die per Augmented
Reality in das Fernsehbild eingefügt
wurde. Nicht nur die Fahrer selbst
hatten somit ein besonderes Erlebnis, sondern auch für die Zuschauer
wurden die Rennen dadurch doppelt
interessant.
Natürlich wurden alle Rennzeiten per Laserschranken festgehalten,
über eine Datenbank zu Ranglisten
verarbeitet und auf den beiden Bildschirmen dargestellt. Alle Installationen der „Brand World“ wurden mit
der Echtzeit-Software Ventuz hergestellt.
| ANM
INFO: VENTUZ
In der interaktiven Multimediainstallation für die so genannte „Brand World“ konnten die
Besucher alles über das Auto erfahren, ohne sich hinter das Steuer zu setzen.
MAGAZIN 3/2011
Die Ventuz Technology GmbH mit Sitz in Hamburg
ist Hersteller von 3D-Echzeit-Technologien für
Präsentationen, Events und TV-Grafik. Ziel der Firma ist es, Lösungen zu schaffen, die die neuesten
technischen Entwicklungen mit erstklassigem Design verbinden und so Präsentationen und Shows
auf die nächste Stufe heben. Ein besonderer Fokus
liegt dabei auf interaktiven Anwendungen.
Diverse Agenturen haben Ventuz bereits in ihr
Dienstleistungsangebot aufgenommen. Zu den
Kunden dieser Agenturen zählen unter anderem
Microsoft, Porsche, Rodenstock, Raiffeisen und
Adidas. Im TV-Bereich wird Ventuz von diversen
Sendern eingesetzt, unter anderem Fox Sport.
17
TRAINING & SERVICE REALITÄTSNAHE TRAININGSSIMULATION VON ENTSCHÄRFUNGSROBOTERN
SAFETY FIRST
Die Simulation von Manipulatorfahrzeugen im Entschärferbereich stellt eine große ingenieurstechnische
Herausforderung dar. Das Ziel derartiger Simulationen
ist es, sowohl das Fahr- und Steuerungsverhalten des
Fahrzeugs als auch die komplexen Interaktionen mit
der Umwelt plausibel abzubilden, um die operationellen Einsatzkräfte bestmöglich auf den realen Einsatz
vorbereiten zu können. In diesem Kurzbeitrag werden
die Trainingssimulationen der Firma Cassidian für die
Entschärfungsroboter tEODor und telemax (Hersteller
Telerob) vorgestellt und die besonderen Herausforderungen an derartige Trainingssimulationen diskutiert.
VON WOLFRAM SCHOOR UND ARNE RADETZKY
D
ie allgemeine Sicherheitslage hat sich insbesondere durch die andauernde
asymmetrische terroristische Bedrohung gegen
zivile, politische, religiöse und militärische Ziele verändert. Es gilt, die pro Jahr
stetig steigende Anzahl von Anschlägen mit unkonventionellen Sprengund Brandvorrichtungen (International:
Improvised Explosive Device – IED) und
die dadurch bedingten Opferzahlen zu
reduzieren (siehe IED-Statistik [Rep10]).
Aus diesem Grund müssen Sicherheits- und Spezialkräfte für den Entschärfereinsatz optimal ausgestattet,
noch besser als bisher geschult und auf
möglichst alle Eventualitäten vorbereitet werden. Dies ist notwendig, um die
öffentliche Sicherheit und nicht zuletzt
auch die Sicherheit der Entschärfer
selbst zu gewährleisten.
Um dies zu erreichen, werden
vermehrt nichtinvasive Inspektionsmethoden wie zum Beispiel Röntgensysteme oder Neutronenscanner (Unattended Luggage Inspection System
– ULIS [TDG+09]) wie auch passive
oder aktive Schutzsysteme zur Risikoreduktion eingesetzt. Darüber hinaus
wird ferngesteuertes Equipment, zum
Beispiel Entschärfungsroboter, ver-
18
wendet, denn es gilt das Entschärferprinzip: „Distanz schafft Sicherheit“.
Entschärfungsroboter sind teure
und fragile Ausrüstung des Entschärfers, gekennzeichnet durch eine geringe Verfügbarkeit für Trainingszwecke
und langen Ausfallzeiten bei Reparaturen. Zudem ist durch die fehlende
Orts- und Zeitunabhängigkeit nur ein
eingeschränktes situatives Training
möglich. Konventionelles Training
kann daher den Trainingsbedarf nicht
vollständig oder nur mit überproportional hohem Aufwand oder Kosten
decken. Die Frage, die sich ergibt, ist,
ob Robotersimulationen das Training
effizienter gestalten können und ob
diese Simulationen den hohen Anforderungen der Anwender genügen.
Einsatz von Entschärfungsrobotern (EOD/IEDD-Robots)
Der Einsatz von Entschärfungsrobotern wird seit dem Nordirlandkonflikt
in den frühen siebziger Jahren praktiziert und unterstützt seitdem erfolgreich Entschärfer in vielen Nationen im
operationellen Einsatz gegen Kampfmittel und unkonventionelle Sprengund Brandvorrichtungen [Her04]. Der
schwierigste Aspekt für den Entschärfer ist hierbei, dass er sich anhand der
auf dem Bildschirm angezeigten zweidimensionalen Videodaten an einem
realen Einsatzort orientieren und fehlerfrei operieren muss.
Der Faktor Training spielt bei komplexen Systemen wie diesen eine
entscheidende Rolle. Erst die Fähigkeit und Fertigkeit, den teleoperierten Entschärfungsroboter exakt zu
steuern, die Entschärferwerkzeuge
zweckdienlich einzusetzen sowie eine
Lage korrekt einzuschätzen und die
daraus resultierende taktische Vorgehensweise ableiten zu können, tragen
wesentlich zum Erfolg eines Entschärfungseinsatzes bei.
Das Training setzt sich im Regelfall
aus verschieden aufeinander aufbauenden Stufen mit unterschiedlichen
Anforderungen sowohl an die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Teilnehmer als auch an die Ausbildungsinhalte zusammen:
1. Einführungstraining (Theorie):
• Aufzeigen der möglichen Einsatzzwecke und Limitierungen des jeweiligen Fahrzeugs
• Generelles Funktionsprinzip und
Einführung der Fachtermini
2. Basistraining (Theorie und Praxis):
• Einfaches Navigationstraining und
Manipulieren (Schritt für Schritt)
MAGAZIN 3/2011
REALITÄTSNAHE TRAININGSSIMULATION VON ENTSCHÄRFUNGSROBOTERN TRAINING & SERVICE
• Praxisrelevante Tipps (zum Beispiel Gefahrenhinweise)
• Training des prinzipiellen Vorgehens
zur Lösung einfacher Aufgaben
3. Fortgeschrittenen-Training
(Theorie und Praxis)
• Verfeinern beziehungsweise Auffrischen der bereits erworbenen
Fähigkeiten/Fertigkeiten
• Lösen von komplexeren Standardaufgaben (Beseitigung von IEDs)
4. Expertentraining
(Theorie und Praxis)
• Optimierung von bekannten Prozeduren zur Bekämpfung von IEDs
• Inkorporation von aktuellen Erkenntnissen (Counter-IED-Taktiken)
Die Nutzung von virtuellen Trainingstechnologien innerhalb dieses Bereichs kann nachgewiesenermaßen
(interne Auswertung von Kundendaten) zu einer effizienten und kostengünstigen Aus- und Weiterbildung
des Personals beitragen. Die operationellen Anforderungen an solch ein
Trainingssystem nebst Umsetzung
werden im Folgenden anhand der
Entschärfungsroboter tEODor und
telemax der Firma Telerob vorgestellt
(vergleiche Roboter in Bild 1).
Operationelle Anforderungen
an realitätsnahe Trainingssimulationen
Ein wesentlicher Aspekt im Entschärfertraining sind die verschiedenen
Sichten, die im Einsatz eingenommen
werden können. Die Steuerung des
Roboters erfolgt im Regelfall anhand
von übertragenen zweidimensionalen
Videodaten, die von einem Set von vorinstallierten Kameras am Roboter (zum
Beispiel am Greifer oder am Chassis)
geliefert werden. Es ist zwingend notwendig, die Position, Orientierung,
Anzahl und Eigenschaften der Kameras
nachzubilden, um eine realistische Sicht
auf die virtuelle Szene zu ermöglichen.
Im Basistraining erfolgt zudem die initiale Navigation und Manipulation
mittels direkten Sichtkontakts auf den
Roboter, da aufgrund der natürlichen
Sicht des Entschärfers ein besseres
Verständnis zwischen durchgeführter
Handlung und resultierender Reaktion
des Roboters geweckt wird.
Aus der zweidimensionalen Videoübertragung ergibt sich zudem
MAGAZIN 3/2011
Bild 1: Entschärfungsroboter der Firma
Telerob tEODor und
telemax (rechts).
in der virtuellen Welt. Je nach Trainingsziel ist in diesem Anforderungsbereich
eine didaktische Reduktion möglich.
Das bedeutet zum Beispiel, dass im Regelfall beim Training der schießtechnischen Beseitigung eines IEDs mit dem
Roboter die korrekte Simulation des
Schadensmodells keine Trainingsrelevanz besitzt, sondern das eigentliche
Prinzip im Vordergrund steht, und ein
einfacher Effekt (Explosion) hinreichend
ist, um dies zu verdeutlichen. Dennoch
müssen alle relevanten Funktionen des
Entschärfungsroboters in der Simulation verfügbar oder abgebildet sein.
Die wichtigste Anforderung ist die
physikalische Reaktion (für das Training
in den Stufen 3 – 4). Für den Entschärfer ist es entscheidend zu wissen, dass
die im Training erworbenen Erkenntnisse verlässlich im Einsatz angewandt
werden können. Hierzu müssen Eigenschaften wie Kipp- und Schwingverhalten, Greifen oder Rutschkupplungen
präzise abgebildet werden.
Das Training von Taktiken ist ebenfalls eine wichtige Anforderung an
ein realitätsnahes Trainingssystem.
Es setzt voraus, dass die genannten
die Anforderung an ein adäquates optisches Feedback. Die fehlende stereoskopische Wahrnehmung muss, wie in
der Realität, durch andere Merkmale
zur Tiefenunterscheidung (Depth
Cues) kompensiert werden. Dies kann
erreicht werden, indem zur Visualisierung des Szenarios realitätsnahe 3DModelle (beispielsweise mittels Bump
Mapping, Parallax-Mapping, ShaderEffekten, usw.) eingesetzt werden.
Die Verwendung von dynamischen
Lichtquellen und multiplen Schattenberechnungen (in Echtzeit [AHH08])
ist zwingend erforderlich, um die notwendige Tiefenunterscheidung für
den Entschärfer in der virtuellen Welt
reproduzieren zu können.
Das haptische Feedback ist nötig,
um ein Training unter realistischen
Bedingungen durchführen zu können
(„Train as you Fight“), das heißt, der
Entschärfer trainiert exakt am selben
Bedienpult, das auch im operationellen Umfeld zum Einsatz ANFORDERUNG BESCHREIBUNG TECHNOLOGIEANSATZ
kommt. Dieser Ansatz stellt
Sichten
Wie sehe ich?
Verschiedene virtuelle Kasicher, dass die erworbenen
meraperspektiven (RoboterFähigkeiten und Fertigkeiten
kameras, Entschärfersicht)
ohne Umwege direkt im Einsatz Optisches
Was sehe ich?
Modelle, Shader, Texturen,
abgerufen werden können. Die Feedback
Schatten, Licht
Umsetzung erfolgt über eine Haptisches
Wie funktioniert Interface zum realen BediAnbindung der realen Bedien- Feedback
es?
enpult
pulte an die jeweilige Simulati- FunktionsWas kann ich
Simple Physik, Real-Timeon. Die Simulation muss hierbei umfang
machen?
Rendering
verschiedene Bedienpultversi- Physikalische
Was passiert?
Hochpräzise Physik, Realonen unterstützen.
Reaktion
Time-Rendering
Der Funktionsumfang ent- Taktik
Wie soll ich es
Operationelles Know-how,
machen?
Physik, Modelle
spricht der Abdeckung von
Aktionsmöglichkeiten in der Tabelle 1: Gegenüberstellung von Kernanforderungen und entspreRealität – im Vergleich zu denen chendem Technologieansatz.
19
TRAINING & SERVICE REALITÄTSNAHE TRAININGSSIMULATION VON ENTSCHÄRFUNGSROBOTERN
Anforderungen erfüllt sind und ermöglicht es, nahezu frei wählbare
Situationen zu exerzieren und die
Herangehensweisen mit den Ausbildern im Dialog zu diskutieren. Der wesentliche Faktor ist die Integration des
operationellen Know-hows.
Die identifizierten Kernanforderungen für das Training von EOD/
IEDD-Robotern in den Stufen 2 – 4
sind in der Tabelle 1 zusammengefasst dargestellt.
Im Folgenden werden Methoden
für ausgewählte Eigenschaften, etwa
für die physikalische Reaktion, vorgestellt, die es erlauben, die Qualität der
umgesetzten Lösung zu beurteilen.
Herausforderungen bei EOD/
IEDD-Robotersimulationen
Die besonderen Herausforderungen
im Bereich der Robotersimulation liegen, wie im Abschnitt zuvor beschrieben, hauptsächlich in der physikalisch
korrekten Abbildung des Bewegungsverhaltens des Roboters. Dies zielt
insbesondere auf robotereigene Funktionen wie Rutschkupplungen oder
das Greifen wie auch das Verhalten
des Roboters in Grenzsituationen wie
Kippverhalten bei Neigung oder das
Rutschverhalten an Treppen und Rampen (siehe Bild 2).
Die Roboter- und Umgebungseigenschaften lassen sich zur realitätsnahen Simulationserstellung objektiv
evaluieren, indem man Originalverhalten und Verhalten in der Simulation direkt miteinander vergleicht (vergleiche [PBS07]). Andere für das
Training des Entschärfungsvorgangs
wesentliche Eigenschaften wie etwa
die Beleuchtung oder Beschattung in
der dargestellten Szene oder die Visualisierung der synthetischen Kamerabilder müssen mittels geeigneter
Methoden subjektiv mit dem realen
Verhalten verglichen werden, um eine
hochwertige Simulation bereitstellen
zu können. Details zur Evaluierung der
tEODor-Simulation können in [SNR10]
nachgelesen werden.
Zu objektiven Eigenschaften zählen Kategorien, die anhand eindeutig
quantifizierbarer Messgrößen einen
direkten Vergleich zwischen realem
und virtuellem Roboter zulassen. Diese umfassen unter anderem:
Kinematisches Modell
Die Fahrgeschwindigkeit der EOD/
IEDD-Roboter tEODor und telemax
hängt im Wesentlichen von den folgenden vier Faktoren ab:
• der Leistung der eingebauten Motoren
• der Reibungswerte des befahrenen
Untergrundes
• der Steigung des befahrenen Bodens
• der Zuladung des Roboters
Die Motorenleistung der Roboter
wurde anhand der Spezifikation des
Herstellers virtuell adaptiert, die Festlegung der Reibungswerte erfolgte
entsprechend den Bodenmaterialien.
Die Geschwindigkeitstests der einzelnen Bewegungen (Teleskopauszug,
Oberarmhub, Greiferdrehung, usw.)
wurden sukzessive überprüft.
Kipptest
Der Kipptest ist ein wichtiges Messinstrument zur Validierung der korrekten Massenverteilungen innerhalb
der virtuellen Roboter. Wenn alle 3DModellteile korrekt in Material und
Bild 2: Realer tEODor-Roboter auf der Treppe und virtueller Roboter bei der Treppenfahrt.
20
Bild 3: Kipptest des telemax-Manipulatorfahrzeugs in der Realität und virtuell.
Dimension nachgebildet wurden
(entsprechend der Herstellerspezifikation), so ergibt sich in der physikalischen Simulation bei spezifischer
Auslenkung des Manipulators der nahezu identische Kippwinkel, bei dem
der Roboter vom Equilibrium in den
Fallzustand übergeht. Die Kippwinkel
wurden unter verschiedenen Roboterstellungen für tEODor und telemax
erfolgreich evaluiert (Bild 3).
Merkmale, die sich nicht oder nur
schwer mittels in Zahlen fassbaren
Werten vergleichen lassen, bedürfen
einer subjektiven Bewertung. Der
folgende Abschnitt umfasst eine Auswahl an getesteten Merkmalen.
Rutschkupplungen
Zum vollständigen Funktionsumfang
des Roboters gehören Rutschkupplungen. Dies sind mechanische Einrichtungen in den Gelenken des Roboters, deren Aufgabe darin besteht, einen Schutz
vor mechanischer Überbeanspruchung
zu gewährleisten. Eine Rutschkupplung
wird aktiviert, sobald die Kräfte, die auf
die Servomotoren einwirken, einen definierten Grenzwert überschreiten. Die
Simulation dieses Mechanismus stellt
eine besondere Herausforderung bei
der Berechnung des physikalischen
Modells dar, da punktuell binnen einer
sehr kurzen Zeit hohe Änderungen der
einwirkenden Kraft oder auch Kraftrichtung auftreten. Nur effiziente Algorithmen mit einer hohen numerischen Rechengenauigkeit sind dazu in der Lage.
MAGAZIN 3/2011
REALITÄTSNAHE TRAININGSSIMULATION VON ENTSCHÄRFUNGSROBOTERN TRAINING & SERVICE
Eine realitätsnahe Abbildung des
Rutschkupplungsmechanismus ist ein
ausschlaggebender Faktor für ein wirklichkeitsgetreues Training, da insbesondere bei unsachgemäßer Handhabung
des Roboters, aber auch in Grenzsituationen hoher mechanischer Belastung
ein korrektes Roboterverhalten abgebildet werden muss. Weicht die Simulation in diesem Punkt vom realen Verhalten ab, ist der Erfolg eines künftigen
Entschärfungseinsatzes gefährdet.
Greifen
Eine wesentliche Grundvoraussetzung
für die korrekte Umsetzung des Greifprozesses ist ein stabiles Verhalten bei
der Kontaktsimulation. In [GTG08] wurden entsprechende Algorithmen auf
ihre Eignung hin untersucht. Zu den
Tests gehörten Greiftests verschiedener
Gegenstände (rund, eckig) mit unterschiedlichen Massen. Die in der Cassidian-Simulation verwendeten Algorithmen bildeten in den Untersuchungen
das Greifverhalten realitätsgetreu ab.
Beleuchtung und
Schattengenerierung
Aufgrund der Tatsache, dass der Roboter mit zweidimensionalen Kameras
ausgestattet ist, erfolgt die Tiefeneinschätzung auch in der virtuellen Welt
über Licht und Schatten (vergleiche
Bild 5:
FeuerlöscherIED und Kofferbombe mit
dargestellten
Komponenten.
den Einfluss von Schatten auf die Tiefenwahrnehmung in virtuellen Szenen
in [SBS+10]). In Bild 4 ist das Videosignal des realen Greifers dem simulierten Greiferbild gegenübergestellt.
Improvised Explosive Devices – IEDs
IEDs bestehen im Regelfall aus den
folgenden Komponenten:
1. einem Aktivierungssystem bzw.
Zünder
2. Explosivstoff
3. einer Sprengkapsel
4. einer Stromversorgung
5. einem umschließenden Container
Aus Ausbildungssicht muss für das
fortgeschrittene Training die Möglichkeit gegeben sein, IEDs zu konfigurieren und entsprechend der zu
trainierenden Aufgabe anzupassen.
Die Simulation stellt hierzu im Rahmen der Erstellung des individuellen
Trainingsszenarios einen virtuellen
IED-Generator bereit, der die Parametrisierung des Zündmechanismus, des
Containertyps/-erscheinung und die
Positionierung des IEDs erlaubt. In Bild
5 sind ein Feuerlöscher-IED und eine
Kofferbombe mit enthaltenen Komponenten beispielhaft dargestellt.
Zusammenfassung und Ausblick
Bild 4: Beleuchtung und Schattenentwicklung des realen Roboters (Greifersicht)
und virtuell.
MAGAZIN 3/2011
Eine Vielzahl von Größen beeinflusst
die in diesem Artikel beschriebenen
Robotersimulationen. Es gilt, zur Sicherung der Qualität einer jeden Trainingssoftware diese operationellen
Anforderungen regelmäßig zu identifizieren und auf Trainingsrelevanz
hin zu beurteilen. Ferner wurden die
wesentlichen Merkmale und Anforderungen an ein Trainingssystem im
Bereich der Kampfmittel- und IEDBeseitigung beschrieben und deren
Umsetzung skizziert. Es wurden Beispiele präsentiert, die eine nachvollziehbare Bewertung der Simulation
zulassen. Diese Trainingssimulationen
stellen eine effektive Ergänzung zum
konventionellen Robotertraining dar,
insbesondere an den Stellen, wo das
konventionelle Training unverhältnismäßig hohe Kosten und Aufwände
verursacht oder die Verfügbarkeit von
Robotern und zu trainierender Situation nicht gegeben ist.
Die Zertifizierung der CassidiantEODor-Simulationssoftware wurde
durch den Roboterhersteller Telerob
bereits 2010 erfolgreich abgeschlossen. Um weiterhin den hohen Standards von Cassidian zu genügen, ist
auch für die telemax-Simulation eine
Zertifizierung vorgesehen, die bereits
2011 beginnen soll. In Bild 6 ist die telemax-Simulation unter Verwendung
eines realen Bedienpultes dargestellt.
Bild 6: Einsatz
der telemaxSimulation
für das Bedienertraining.
Literaturverzeichnis
[AHH08] T. Akenine-Möller, E. Haines und N. Hoffman. Real-Time-Rendering, 3rd edition A.K. Peters
Ltd., 2008, ISBN: 978-1-56881-424-7.
[GTG08] M. Gienger, M. Toussaint und C. Goerick.
Task maps in humanoid robot manipulation. In IROS,
Seiten 2758 - 2764, 2008.
[Her04] C. Herbst. Teodor - Entschärfungsroboter
für nicht identifizierte Explosivstoffe. In Soldat und
Technik, Seite 27 - 28, 10/2004. Report Verlag. ISSN:
0038-0989.
[PBS07] C. Pepper, S. Balakirsky und C. Scrapper.
Robot simulation physics validation. In PerMIS’07:
Proceedings of the 2007 Workshop on Performance
Metrics for Intelligent Systems, Seiten 97 - 104, New
York, NY, USA, 2007. ACM.
[Rep10] Annual Report. Joint Improvised Explosive
Device (IED) Defeat Organization (JIEDDO), 2010.
URL: https://www.jieddo.dod.mil.
[SBS+10] W. Schoor, F. Bollenbeck, T. Seidl, D. Weier,
W. Weschke, B. Preim, U. Seiffert, und R. Mecke. VR
Based Visualization and Exploration of Plant Biological Data. Journal of Virtual Reality and Broadcasting,
6(8), 2010. VRIC 2009 Special Issue.
[SNR10] W. Schoor, H. Nikolisin und A. Radetzky. Training Simulation of the Manipulator Vehicle
tEODor for Explosive Ordnance Disposal (EOD) and
Improvised Explosive Device Disposal (IEDD). In Proceedings of ITEC 2010, 2010.
[TDG+09] P. Le Tourneur, J. L. Dumont, C. Groiselle, J.
S. Lacroix, et al. ULIS – a portable neutron device for
explosives and chemicals detection. In International
Topical Meeting on Nuclear Research Applications
and Utilization of Accelerators. Wien, 2009.
21
PRODUKTION & PROZESSE HUMANOIDE ROBOTER MIT ANTRIEBEN VON MAXON
DIE
MUSKELN SPIELEN LASSEN
Im EU Projekt Eccerobot arbeiten Forscher an einem neuartigen humanoiden Roboter. Dieser soll
in Zukunft nicht nur wie ein Mensch aussehen, sondern sich auch wie einer bewegen und verhalten
können. Die künstlichen Muskeln des heute noch etwas schaurig anmutenden Zeitgenossen werden
durch präzise Gleichstromantriebe von maxon motor in Bewegung gesetzt. VON ALBERT BUCHELI
H
umanoide Roboter ziehen schon seit Jahren das
öffentliche Interesse auf
sich. Dabei lösen sie unterschiedliche Gefühlslagen bei uns aus. Während die einen von
der Technik fasziniert sind, schreckt die
seelenlose Perfektion der Maschinen
die andern ab. Beispiele gibt es viele:
Ob das Modell Asimo von Honda, der
Einsteinroboter Albert HUBO vom Korean Institute of Technology oder das
Robotermädchen HRP-4 C von Japans
National Institute of Advanced Industrial
Science and Technology und Kawada,
alle beeindrucken, wenn sie an Ausstellungen über die Bühne laufen, rennen,
Menschen ausweichen oder diesen die
Hände schütteln. Grundsätzlich folgen
solche Konstruktionen dem Konzept von
Industrierobotern. Hände, Arme und Beine sind steife, metallische Gliedmaßen,
die von Elektromotoren – vielfach aus
dem Hause maxon motor – gedreht und
gebeugt werden. Zweibeinige Roboter
funktionieren heute jedoch erstaunlich
gut – obwohl die Simulation des humanen Gangs sehr herausfordernd ist. Der
menschliche Körper stellt seinen Gleichgewichtspunkt parallel zu den Änderungen seines Auflagepunkts und in
Abhängigkeit weiterer Faktoren ständig
neu ein. Je fließender die Bewegungen
eines Roboters also sein sollen, desto
genauer müssen die Positionen der einzelnen Gliedmaßen berechnet und ausgeführt werden. Das bringt Unmengen
von Daten mit sich, und kleinste Fehler
können Stürze verursachen.
Das EU-Forschungsprojekt Eccerobot verfolgt einen völlig neuen Ansatz.
Es baut menschenähnliche Roboter mit
Knochen, Muskeln und Sehnen. „Wir
wollen einen Roboter bauen, der nicht
22
nur die Form eines
Menschen
nachahmt, sondern auch die innere Struktur und
die Mechanismen
des menschlichen
B e we g u n g s a p parates kopiert“,
sagte erst kürzlich
Owen Holland, Bild 2: „Eccerobot“ in Aktion.
Leiter des Projekts, in einem Interview. Eccerobot soll
untergebracht, einer für jeden Muskel.
individuell auf verschiedene SituatioDiese bestehen aus einem maxonnen reagieren und mit der Umgebung
Motor mit Getriebe und Encoder, eiin Austausch treten können. Denn ein
ner Spindel, einer Drachenschnur und
Roboter-Butler im Haushalt oder ein
einem Gummiband. Das hört sich sehr
-Pfleger im Spital sollte genau diese
improvisiert an. Beim Betrachten wird
Eigenschaften haben, um bestehen zu
es einem aber doch etwas unheimlich,
können. Damit wären auch mögliche
zumal der Roboter sehr an einen MenEinsatzgebiete von Eccerobot genannt.
schen erinnert. Aber wie funktionieren
nun die Körperbewegungen?
Knochen, Muskeln, Sehnen
Nehmen wir den Arm von Eccerobot
als Beispiel. Er ist aus zwei PolymorphEccerobot zeichnet sich durch ein SkeKnochen gebaut, an denen die künstlett aus, an dem Muskeleinrichtungen
lichen Muskeln befestigt sind. Die Drasitzen. Die Knochen bestehen aus dem
chenschnur verbindet die Spindel auf
Kunststoff Polycaprolacton (PCL), auch
dem Getriebe mit dem Gummiband,
Polymorph genannt. Er wird bei einer
das auf der anderen Seite am Knochen
Temperatur von 60 Grad weich und
fixiert ist. Um den Muskel anzuspannen,
lässt sich dann modellieren. Abgekühlt
dreht der Gleichstrommotor über das
wird Polymorph wieder fest und kann
Getriebe die Spindel, auf der sich die
Zugkräften gut widerstehen. Dabei beDrachenschnur aufrollt. Dadurch zieht
hält er eine gewisse Elastizität bei. Im
sie über das elastische Gummiband
ganzen Roboter sind 80 Aktuatoren
langsam den Unterarm heran.
Bild 1:
Schaurig aber
spannend:
Das EU.Projekt
Eccerobot
(http://
eccerobot.org).
Bild: Rob Knight,
the robot studio
(http://www.
therobotstudio.com)
Menschen verstehen
Beim Projekt Eccerobot geht es vor allem
um Grundlagenforschung. Dank Robotern will man verstehen, wie menschliche Intelligenz funktioniert. So spielt
sich Intelligenz nach Erkenntnissen
von Forschern nicht nur im Gehirn ab,
sondern soll etwas sein, das im ganzen
MAGAZIN 3/2011
Je
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w w zt Ti
w. cke
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im ich
ag
o.c ern!
om
Bild 3: Bewegungsprinzip des
Eccerobot-Arms.
Körper verteilt ist. „Wenn wir einen Arm hochheben, verändert auch
unser restlicher Körper vollständig seine Haltung“, sagt Rolf Pfeifer,
Direktor des Artificial Intelligence Laboratory an der Universität Zürich, das neben anderen Universitäten ebenfalls am Eccerobot arbeitet. „Die Bewegungen der Körperteile des Roboters stehen deshalb miteinander in Beziehung. Verbindet man die entsprechenden
sensomotorischen Daten mit denen des optischen Systems, also der
Kamera, gibt es zwischen ihnen Korrelationen, die erkannt werden
können. Auf diese Weise kann der Roboter allmählich seine Dynamik selbst lernen und ein Wissen über seinen Körper aufbauen“, erläutert Pfeifer weiter.
Eccerobot
wird
Bild 4: maxonvorerst ein Oberkörper
RE-Motoren sind
beliebte Antriebleiben. Derzeit bebe in Robotikfindet sich die SteuerAnwendungen.
elektronik noch in einem externen Gehäuse,
soll jedoch später im ganzen Skelett verteilt werden. Langfristig
möchten die Wissenschaftler jedoch einen humanoiden Roboter
bauen, der wie ein Mensch auf zwei Beinen gehen und mit der
Umwelt agieren kann. Die Beinpaare sind bereits konstruiert.
maxon motor unterstützt zukunftsweisende Projekte in unterschiedlichen Bereichen. Mit dem Artificial Intelligence Laboratory
(AI Lab) an der Universität ZüBild 5: maxon
rich ist man eine Partnerschaft
DC motor,
Gleichstromeingegangen, die bezweckt,
motor mit der
dass sich Ideen wie Eccerobot
eisenlosen
optimal entwickeln können.
Wicklung,
System maxon. Das AI Lab ist in vielen Projekten auf internationaler Ebene
involviert, wobei neueste Erkenntnisse aus der Wissenschaft auch
in die Entwicklungen von maxon motor einfließen können. „Nicht
nur die hohe Qualität der Produkte, der effiziente und freundliche
Kundenservice oder die hohe Kompetenz der Mitarbeitenden
haben uns von maxon motor überzeugt. Es ist die einzigartige
Innovationskultur und die Bereitschaft, auch unkonventionelle
Lösungen zu realisieren, die maxon motor und das AI Lab zu erfolgreichen Partnern macht“, sagt Pascal Kaufmann, Forscher und
Verantwortlicher für Kooperationen am AI Lab.
In Zukunft sollen alle Aktuatoren des Eccerobot und sämtliche
humanoiden Roboter am AI Lab mit Präzisionsantrieben, Getrieben und Sensoren von maxon motor ausgestattet sein.
| ANM
Bild 6: Herzstück des maxon-Motors ist
die weltweit patentierte eisenlose Wicklung, System maxon. Dieses Motorprinzip hat seine ganz besonderen Vorteile:
kein magnetisches Rastmoment und
geringe elektromagnetische Störungen.
Der Wirkungsgrad übertrifft mit bis zu
90 Prozent andere Motorsysteme bei
weitem.
MAGAZIN 3/2011
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MAGAZIN 3/2011
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25
MARKETING & VERTRIEB OLIVER SCHIFFERS, SAPIENTNITRO, ÜBER AUGMENTED REALITY IM MARKETING
Datenbank werden dann passende
Modelle angeboten.
Das zweite Beispiel zeigt ebenfalls
eine Technologie, die für Augmented
Reality wichtig ist, nämlich die Objekterkennung. In diesem Fall handelt
es sich um Personen, ihre Gesichter
und die Emotionen, die sich darin spiegeln. Es ist eine Vending Machine, die
wir zusammen mit Unilever und dem
Fraunhofer Institut entwickelt haben.
Sie steht in Shopping Malls oder Passagen und ist mit Kamera und Internetanschluss ausgestattet. Die Gesichter
der Passanten und Konsumenten werden gefilmt und in die AR-Welt eingebettet. Befinden sie sich am Gerät,
werden sie aufgefordert, ihr schönstes
Lächeln zu zeigen – und dann können
sie sich eine kostenlose Eiskrem aussuchen. Das Bild lässt sich anschließend,
sofern der Passant dies möchte, in die
Share-Happy-Kampagne von Langnese einbetten und auf Facebook oder
die Webseite weiterleiten.
Darüber hinaus haben wir für
Samsung auf einer Messe eine Augmented-Reality-Applikation
mit
Markern erstellt, die man vor Kameras halten kann und auf denen dann
zusätzliche Informationen, zum Beispiel zu den Geräten auf der Messe,
erscheinen.
Wir glauben, dass die Technologie,
die momentan sehr stark von Hilfsmitteln wie Markern oder GPS abhängt,
sich dahin entwickelt, dass die Geräte
in der Lage sind, tatsächlich zu sehen,
statt nur zu berechnen oder zu vermuten und damit für Spiele und interaktive Erlebnisse ein größerer Einsatzbereich besteht.
VR Magazin: Inwieweit gibt es die
Möglichkeit zu messen, wie erfolgreich die entsprechenden Kampagnen sind?
Oliver Schiffers: Man kann das messen,
indem man bestimmte Interaktionspunkte definiert. Es reicht natürlich
nicht aus festzustellen, wie oft jemand
zum Beispiel die Autotrader-Applikation heruntergeladen oder installiert
hat. Man muss auch in die Nutzungsvorgänge hineinschauen, um herauszufinden, wie viel Zeit die Anwender
mit der Applikation verbringen, ob
sie sich neue Funktionen oder neue
26
Layer herunterladen oder wie oft sie
ein Auto fotografieren. Dann ist der
Rückschluss über das klassische Webtracking sehr einfach möglich, und es
hat vielleicht tatsächlich ein Abverkauf stattgefunden.
Beim zweiten Beispiel kann man
erfassen, wie viele Leute sich vor der
Maschine versammeln und wie viele
ihr Lächeln tatsächlich auf die Facebook-Seite posten.
VR Magazin: User Generated Content
wird immer hervorgehoben. Wenn
man sich aber die IT-Größen wie
Apple oder Google anschaut, dann
geht es doch gar nicht mehr darum,
es wird einem alles vorgesetzt. Kreativität ist nicht gefragt. Ist der Zug
schon wieder abgefahren oder wie
erfolgreich können denn Augmented-Reality-Vermarktungsstrategien
sein, die auf das Mitwirken der Anwender selbst setzen?
Oliver Schiffers: Die Forrester-Studie
[Social Networking Adoption Charges Ahead, Growth Of Other Social
Behaviors Slowing, die Redaktion]
versucht, die Anwender von sozialen
Netzwerken in verschiedene Klassen
einzuteilen. Das sind zum einen reine
Konsumenten, zum anderen Leute, die
auch selbst Content erstellen. Diejenigen, die selbst aktiv Content beitragen, bewegen sich im Bereich von drei
bis vier Prozent. Wobei man dies nur
in Anführungszeichen setzen muss.
So war der erste Schritt von Google in
Richtung AR die Goggle-Anwendung,
mit der man Objekte fotografieren
kann, die anschließend mit einem
zweidimensionalen Bild abgeglichen
werden. Dann profitiert Google natürlich ganz massiv durch die Bilddatenbanken von Google Images und
von den jeweiligen Tags, die die User
auf diesen Bildern hinterlassen haben.
Wenn man sich die mobile Plattform
Wikitude anschaut, dann wären die
Anbieter praktisch hilflos ohne die Wikipedia-Einträge, die die genaue GPSLokation von bestimmten Sehenswürdigkeiten als User-generated Content
in ihrer Datenbank haben.
Bei Apple kann man noch nicht so
genau sagen, wo die Reise hingeht.
Es wurde ein Patent angemeldet für
eine AR-Infobase mit Hardware- und
GUI-Komponenten für iPads und mobile Geräte. Auf der anderen Seite
ist Apple mit iTunes sehr erfolgreich
in der User-Observation. Da werden
immer Konsumentendaten hinterlassen, die am Ende zu einer relevanteren Information für Benutzer zusammengeführt werden. Wirklich ein
Mehrwert geschaffen werden kann
damit, dass man tatsächlich in eine
Echtzeit-Collaboration übergeht. Wir
arbeiten hier mit der RWTH Aachen
zusammen, so dass wir in der Lage
sein werden, dreidimensionale Räume und Objekte mittels Kameratechnologien und Handys auch zu scannen und in dreidimensionale Räume
umzuwandeln. So könnte man etwa
bei Immobilienscout durch einen Bezirk wandern, die Kamera auf die umgebenden Häuser richten und sehen,
wo eine Wohnung angeboten wird.
Man könnte auch noch einen Schritt
weitergehen, etwa die Besitzer oder
die Mieter dreidimensionale Ansichten hinterlegen lassen, mit denen
man dann über eine Mischung aus
Virtual und Augmented Reality eine
neue virtuelle Konfiguration dieser
Räume schaffen kann.
VR Magazin: Personalisierte Anwendungen wie die zuletzt genannten
stoßen zunehmend auf Vorbehalte
wegen des Datenschutzes. Wie lässt
sich ein Trade-off zwischen Nutzen
und Sicherheit erreichen?
Oliver Schiffers: Die Datenschutzdiskussion gibt es ja seit Jahren. Es hat
mit den Targeting-Netzwerken angefangen – bis zu Google Streetview
und anderen Themen. Dem Nutzer
wird der Trade-off klarer zwischen
dem, was er da macht, und dem Nutzen, den er daraus zieht, dass er und
andere das machen, was im Fall von
Werbung immer eine schwer zu vermittelnde Geschichte war. Aber ich
glaube, dass es neueren Anwendungen leichter fallen könnte, ihren tatsächlichen Nutzwert, der eigentlich
aus reiner Werbung besteht, deutlicher zu machen. Nicht in allen diesen
Anwendungen werden personenbezogene oder persönliche Daten im
Hintergrund mitgeschnitten, viele leben auch davon, dass der nicht kleine
Teil der Beitragenden diese Lokatio-
MAGAZIN 3/2011
OLIVER SCHIFFERS, SAPIENTNITRO, ÜBER AUGMENTED REALITY IM MARKETING MARKETING & VERTRIEB
nen hinterlässt und zum Beispiel die
Objekte von Innenräumen zur Verfügung stellt, um sie vielleicht mit ihrer
Familie zu teilen und damit auch gar
nicht so sehr in Verlegenheit kommt,
dass die Anwendung nur darauf basiert, datenschutzrechtlich relevante
oder sehr persönliche Dinge einem
Unternehmen preiszugeben.
VR Magazin: Augmented-Reality-Ansätze sind in kleinen und mittelständischen Unternehmen noch nicht
sehr verbreitet, weil es an den personellen Grundlagen, an Wissen oder
an Geld mangelt. Wie lassen sich
diese Unternehmen für AR-Konzepte
erwärmen?
Oliver Schiffers: Eine etwas schwierige
Frage. Ich denke, es gibt noch zwei
Hürden. Es geht nicht nur darum, die
möglichen Unternehmen zu erreichen, die Mehrwerte für die Anwender schaffen könnten, sondern auch
darum, die relativ kleine Community
der AR-Entwickler und Agenturen mit
den Fraunhofer-Instituten und den
Universitäten zusammenzubringen.
Die entwickeln nämlich interessante
Technologien an ihren Computergraphics-Lehrstühlen und in ihren
Forschungsabteilungen, bringen das
aber gar nicht auf die Straße. Es gibt
viele Unternehmen, die nicht wissen,
dass diese Technologien existieren,
die aber genügend Ideen und Material hätten, um genau das zu tun.
Deshalb ist unser Ansatz, unsere
Marketingleute mit den Entwicklern
zusammenzubringen. Man kann –
wie bei vielen anderen Entwicklungen auch – davon ausgehen, dass es
tatsächlich irgendwann nicht mehr
diese kleinen Player wie Layar oder
wikitude sein werden. Google, Apple
oder Microsoft gehen mit einer ARIdee in den Massenmarkt, die dann
alles andere beeinflusst, was sich in
diesem Spannungsfeld zwischen 3D,
Augmented Reality und Virtual Reality
bewegt. An der Kinect-Plattform lässt
sich das schon beobachten. Man kann
damit dreidimensionale Körper erkennen und ihre Bewegungen, Ausmaße
und Veränderungen in Echtzeit und
mit 12 bis15 Bildern pro Sekunde tracken. Das führt dann sehr schnell zu
Anwendungen von Microsoft selbst
MAGAZIN 3/2011
oder, wie wir ja jetzt sehen, von Forschungsunternehmen, die Kinect aufbohren und zu einem 3D-Scanner und
einer 3D-Kamera machen. Diese Anwendungen werden auf den ganzen
AR-Bereich und in den Massenmarkt
ausstrahlen.
VR Magazin: Die Menschen in Deutschland werden immer älter. Wie wollen
Sie mit AR auch diese ältere Generation erreichen?
Oliver Schiffers: Die Hürde wird darin
bestehen, ein User Interface zu entwickeln und in die AR- und 3D-Anwendungen einzufügen, das auf Dauer
auch benutzbar bleiben wird. Denn
ich habe bisher weder in einem 3DSpiel noch in einer Webanwendung
ein User-Interface gesehen, das mich
als Angehörigen einer Generation, die
genau dazwischen steht, schon überzeugt hätte.
Da muss noch etwas kommen, damit das dann tatsächlich benutzbar,
navigierbar und konsumierbar angeboten wird.
VR Magazin: Noch einmal zurück zum
Marketing-Aspekt von AR-Anwendungen. Wenn es für die Unternehmen immer bessere Möglichkeiten
geben wird, die Kunden auch persönlich anzusprechen, wo bleiben dann
die klassischen Medien wie Print oder
Fernsehen, die den Rückkanal in der
Form nicht anbieten können?
Oliver Schiffers: Ich gehe schon davon
aus, dass diese neuen Formen der
persönlichen Ansprache und des kollaborativen Nutzwerts in diese Medien Einzug halten müssen. Das ist ja
durchaus noch möglich, wenn man
von der Medienkonvergenz Spielkonsole, Fernsehen und Internet ausgeht.
Die Strategie für Print dürfte darin bestehen, nicht das nachzumachen, was
in anderen Medien möglich ist. Wir
haben bestimmte eingegrenzte Zielgruppen und lokale Communities, die
einfach in andere Kanäle transportiert
werden könnten, wenn man den Mut
hätte, nicht immer nur Print-Anreicherungen zu machen.
VR Magazin: Wir haben jetzt vorwiegend über die Konsumgüterindustrie
gesprochen. Wie sieht es aus bei den
Investitionsgüterherstellern, inwieweit können diese von AR-Lösungen
profitieren?
Oliver Schiffers: Mir fallen sehr viele
Beispiele aus dem Maschinenbau,
der Medizin oder dem Tourismus ein,
auch im Bauwesen, der Gebäudekonfiguration, bei Maschinen, Reparatur,
und medizinischen Anwendungen,
wo man in der virtuellen Welt Fragen
Vending Machine, die von SapientNitro gemeinsam mit
Unilever und dem Fraunhofer Institut entwickelt wurde.
beantworten kann wie: Wie sah das
mal aus? Was fand tatsächlich statt,
welche Informationen kann ich dazu
noch anbieten, um bestimmte Vorgänge kollaborativer und erfahrbarer
zu machen? Im Maschinenbau geht
es zum Beispiel um Konfiguration, um
Bedienungsanleitungen und auch Fabrikplanung.
VR Magazin: Wenn Sie zwei bis drei
Jahre vorausschauen: Welche Trends
würden Sie in der AR sehen?
Oliver Schiffers: Es wird stark in die
Richtung gehen, die ich bereits angedeutet habe. Geräte wie die Kameras
der Spielkonsolen oder der Handys
werden in Zusammenarbeit mit der
Software in die Lage versetzt werden,
Objekte, Räume, Gegenstände und
Menschen immer mehr zu erkennen
– und nicht nur zu vermuten oder zu
interpolieren.
VR Magazin: Herr Schiffers, vielen
Dank für das Gespräch.
27
PRAXIS CAVE-CAD VERBINDET VR UND NEUROLOGISCHE DIAGNOSTIK
FÜR EINE BESSERE
ARCHITEKTUR
Neue Virtual-Reality-Soft- und Hardware, die an der University of California in San Diego entwickelt
wurde, erlaubt es, nicht nur in Architekturmodelle einzutauchen, sondern die so gewonnenen Eindrücke durch physiologische Rückmeldungen auch nonverbal zu kommunizieren – wichtig für Personen,
die sich nur schwer verständlich machen können, weil sie zum Beispiel an der Alzheimer-Krankheit
leiden. VON CHRIS PALMER
F
orscher an der USCD-Abteilung des California Institute
for Telecommunications und
Information Technology (Calit2) haben eine CAD-Software namens CAVE-CAD entwickelt,
die durch die Verbindung mit Geräten,
die neurologische und physiologische
Reaktionen der Betrachter überwachen, Architektur-Design effizienter
macht. CAVE-CAD bietet außerdem
eine wichtige Funktion, die konventionellen CAD-Systemen fehlt: Die Möglichkeit, die Folgen eines modifizierten
Designs sofort zu erfahren.
„CAVE-CAD ist ein ideales Werkzeug
für den Architekten, einen räumlichen
Eindruck im menschlichen Maßstab zu
erzeugen. Das erlaubt es dem potenziellen Anwender oder Kunden, in Echtzeit
auf Ideen und Konzepte zu reagieren,
während er sich mitten im Architekturentwurf befindet“, sagt Eduardo Macagno, Professor am Calit2.
Navigieren und kommunizieren
Das Team hat CAVE-CAD für den Einsatz in der StarCAVE von Calit2 entwickelt, einer immersiven 360-Grad-VR-
28
Umgebung mit 16 Panels. So können
die Forscher mit virtuellen ArchitekturRenderings in drei Dimensionen, in
Echtzeit und in den natürlichen Maßstäben interagieren. Außerdem hat das
Team neue Systeme entwickelt, mit
denen sich die CAVE-CAD-Erfahrung
mit elektrophysiologischen Messungen
der kortikalen Hirnfunktionen und des
emotionalen Antwortverhaltens auf
die virtuellen Umgebungen verbinden
lassen. Auf diesem Wege kann die Navigation und Kommunikation in komplexen Raumverhältnissen, wie sie etwa in
Schulen und Spitälern anzutreffen sind,
verbessert werden.
Eve Edelstein, Neurowissenschaftlerin am Calit2, die auch in der Architektur
bewandert ist, sagt, dass viele Visualisierungsplattformen dem Anwender zwar
einen Eindruck von Gebäudeentwürfen
in 3D vermittelten, aber dass dieser Eindruck oft durch ein passives „Durchfliegen“ zustande komme. So müssten sich
die Architekten erst einmal selbst in die
Gebäude hineinversetzen, Änderungen
offline vornehmen und dann wieder
hochladen, was sehr zeitraubend sein
könne.
„Was beim Durchfliegen verlorengeht,
ist das Gefühl für das Eintauchen, für
den Raum und die Ich-Perspektive“,
sagt Edelstein.
Wechselnde Eindrücke
Mit CAVE-CAD haben Anwender die
Möglichkeit, in Gebäudeentwürfen
nach ihren eigenen Bedingungen zu
navigieren. Sie können bestimmte Charakteristika des Entwurfs studieren. Veränderungen des Design lassen sich mit
einem Handheld vornehmen, das Icons
und Menüs via Head-Tracking-Ausrüstung in das Blickfeld des Anwenders
projiziert. Das Calit2-Team hat eine Betaversion der Software entwickelt, die den
Einsatz von Menüs auf ein Minimum reduziert und damit die Bedienung noch
intuitiver machen soll.
„Andere Softwarelösungen lassen
Sie durch einen festgelegten Raum
bewegen. Wir dagegen lassen Sie die
Wände zurücksetzen oder die Decke
bewegen – in Echtzeit, und die Eindrücke wechseln, ohne dass Sie sich auf
ihre Einbildung verlassen müssen“, erklärt Edelstein. Und fügt hinzu: „Als ich
den Film Inception sah, sagte ich mitten
MAGAZIN 3/2011
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PRAXIS CAVE-CAD VERBINDET VR UND NEUROLOGISCHE DIAGNOSTIK
Eve Edelstein, Neurowissenschaftlerin am Calit2:
„ANDERE SOFTWARELÖSUNGEN LASSEN SIE DURCH
EINEN FESTGELEGTEN RAUM BEWEGEN. WIR DAGEGEN LASSEN SIE DIE WÄNDE ZURÜCKSETZEN ODER
DIE DECKE BEWEGEN – IN ECHTZEIT, UND DIE EINDRÜCKE WECHSELN, OHNE DASS SIE SICH AUF IHRE
EINBILDUNG VERLASSEN MÜSSEN.“
im Kino: „Das ist meine Welt! Das ist das,
was ich mache!“ Diese Szene, als die
Darstellerin durch die Stadt läuft, und
die Architektur und die Umgebung entfalten sich, verwandeln und verbiegen
sich, so wie sie es visualisiert, genau das
müssen wir machen.“
Virtuelle Geräuschkulisse
In CAVE-CAD kommt außerdem die
Technik aus einem anderen Calit2-Projekt zum Einsatz, die dafür sorgt, Geräusche präzise in der 3D-Umgebung
zu platzieren. Das Verfahren namens
SoniCAVE erlaubt den CAVE-CAD-Forschern, die Akustik im vorhandenen
Gebäudeentwurf zu simulieren. Edelstein und der Entwickler von SoniCAVE,
Peter Otto, Professor am USCD Department of Music, haben CAVE-CAD dazu
genutzt, ein reales Spital zu simulieren,
wo das Geräusch der Gerätschaften am
Krankenbett oft die Gespräche des medizinischen Personals überlagert.
Die Studien von Edelstein belegen, dass der Lärmpegel während des
Schichtwechsels bis auf 120 Dezibel
anschwillt, vergleichbar einem Düsenflugzeug. Weitere Entwicklungen
der Software durch den Doktoranden
Joachim Gossman könnten zu einer
Krankenhäuser sind ein wichtiger Anwendungsbereich
und vielversprechender Markt für CAVE-CAD, wenn es
etwa darum geht, die Wege oder den Lichteinfall zu optimieren.
30
Neugestaltung von Krankenhäusern
motivieren. Das Testen einer virtuellen Geräuschkulisse könnte dann etwa
zum Einsatz von Materialien führen,
die Geräusche absorbieren.
Neurologische Messungen
Das CAVE-CAD-System enthält auch
innovative Sensortechnik. Sie misst
die Reaktionen der Anwender auf die
Architektur-Renderings, die in die StarCAVE projiziert werden. Ein tragbares
EEG-Gerät erfasst die Gehirnaktivität,
während die Anwender mit dem Computermodell interagieren und dabei
völlige Bewegungsfreiheit genießen.
„Das tragbare EEG-Gerät eröffnet
einen wesentlich objektiveren Weg,
Einsichten in das menschliche Verhalten in Gebäuden zu gewinnen, die wir
nutzen und in denen wir wohnen“, sagt
Macagno. „Ausgeweitet auf kognitiv
eingeschränkte Menschen, mit denen
eine direkte verbale Kommunikation
oft nicht möglich ist, könnte dieser
Ansatz zum ersten Mal ein Werkzeug
bereitstellen, mit dem sich die Art und
Weise untersuchen und verbessern
lässt, wie Alzheimer-Patienten mit institutionellen Strukturen interagieren,
auf die sie angewiesen sind.“
Eine Maske für die Elektrookulografie (EOG) erlaubt es, die Blickrichtung
in 3D zu verfolgen. Die Wissenschaftler
erhalten mittels 3D-Elektrookulografie
Informationen darüber, wohin der Anwender schaut. Dahinter verbirgt sich
die Messung der elektrischen Aktivität
der Netzhaut und der Augenmuskeln.
Die Anwender können eine Maske
oberhalb, unterhalb, links oder rechts
von jedem Auge anlegen, um die Blickrichtung zu bestimmen. Indem es die
Informationen beider Augen zusammenführt, entwickelt das Team Optionen, auch die Blicktiefe zu erfassen und
damit die visuelle Aufmerksamkeit in
drei Dimensionen abzubilden.
„Obschon Architekten versuchen vorherzusagen, wohin die Aufmerksamkeit der Betrachter gelenkt wird, wissen
wir nicht, wohin das Auge tatsächlich
schaut. Aber in der CAVE wollen wir
exakt aufzeichnen, wohin der Anwender im Raum blickt und die ermittelte Gehirnaktivität mit bestimmten
Design-Gesichtspunkten verbinden,
die gerade betrachtet werden“, sagt
Edelstein. „Ein Architekt kann Tage damit zubringen, einen Entwurf zu perfektionieren, aber wenn der Betrachter
ihn sieht, zeigt sich nicht der geringste
Ausschlag in dessen Gehirnwellenaktivität. Das heißt, dass der Entwurf den
Betrachter nicht beeindruckt hat.“
„Architekten entwickeln seit langer
Zeit Theorien über Design-Präferenzen.
Mit CAVE-CAD, EEG und 3D EOG können wir nun testen, ob die Hypothesen
gültig sind“, sagt Edelstein.
Netzwerkfähig
Das Forscherteam hat außerdem vor
kurzem die Netzwerkfähigkeit der Lösung auf einem Meeting von rund 150
Führungskräften aus dem medizinischen Bereich vorgeführt. Die Besucher
konnten beobachten, wie die Anwender
in verschiedenen CAVE-Umgebungen
durch das Modell eines virtuellen Spitals navigierten. Die Beobachter waren
in der Lage, die Anwender so zu lenken,
dass sie mehr Zeit in einem besonderen Patientenzimmer verbrachten, das
Design zu ändern, um auf der Intensivstation den Lichteinfall zu modifizieren
oder zu versuchen, einen Weg zum
Aufenthaltsraum der Krankenpfleger zu
finden.
Die Demonstration wurde simultan von Anwendern an der AbdullahUniversität of Science and Technology
(KAUST) in Saudi Arabien, Partner von
Calit2, mitverfolgt. Nicht nur die Netzwerkfähigkeit, so Edelstein, sondern
auch die Skalierbarkeit von CAVE-CAD
trügen zum kollaborativen Potenzial bei, und sie malt sich aus, wie eine
„Collaborative CAVE“ globalen, verteilt
arbeitenden Teams dazu dient, an ein
und demselben Entwurf zu arbeiten
– oder ein und dieselbe Operation zu
beobachten. Den Markt für CAVE-CAD
sieht Macagno in Architekturbüros,
Krankenhäusern oder Schulungseinrichtungen.
| ANM
MAGAZIN 3/2011
VORSCHAU
THEMEN IM MÄRZ/APRIL/MAI 2012
DAS NÄCHSTE HEFT ERSCHEINT AM 28. MÄRZ 2012
AKTUELL:
Messe Digital Factory
Die Digital Factory 2012 adressiert Anwender von 3D-Visualisierungslösungen wieder mit einem entsprechenden Schwerpunkt. Mit 3D-Visualisierung lassen sich Produkt- und Anlagendaten für alle Unternehmensbereiche und für die Kunden anschaulich aufbereiten. Das Technology
Cinema 3D zeigt hier den aktuellen Stand der Technik. Wir werfen einen
Blick auf die neuen Produkte und Lösungen, die den Leser auf der Messe
erwarten. Bild: Deutsche Messe AG
BRANCHE:
Maschinenbau
Mit Produkten von der Stange kann der Maschinenbau in den meisten
Fällen nicht punkten. Zum Glück gibt es Virtual-Reality-Technologien, die
es möglich machen, speziell auf die Ansprüche des Kunden abgestimmte
Lösungen zu entwickeln. Schon in frühen Entwicklungsphasen lassen sich
durch eine realitätsnahe Darstellung Fehler entdecken, die am Bildschirm
nicht zu erkennen wären. Der Kunde kann sich ein Bild von Design und
Funktionalität des Produkts machen, bevor es auf den Markt gebracht
wird. Die virtuellen Prototypen ermöglichen darüber hinaus den Vergleich
verschiedener Varianten zu geringeren Kosten, als dies bei realen Prototypen der Fall wäre. Wie sich die Technologien in der Praxis einsetzen lassen
und welche Lösungen für den Maschinenbau auf dem Markt erhältlich
sind, lesen Sie in unserem Branchenschwerpunkt. Bild: Fraunhofer FKIE
PRODUKTION & PROZESSE: Fabrikplanung
Dass die virtuelle Planung kompletter Fabriken mittlerweile nicht mehr
nur eine Spielwiese für die Großen darstellt, beweisen mehrere kleine
Software-Anbieter. Für die Bearbeitung selbst komplexer Hallen- und
Werkstrukturen aus mehreren hundert einzelnen Anlagen reicht bereits
der Einsatz konventioneller Consumer-Hardware, die heute in jedem Büro
zu finden ist. Die 3D-Ansicht ermöglicht dem Planungsteam Kameraflüge
aus der Vogelperspektive und vermittelt einen guten Eindruck der späteren räumlichen Verhältnisse, etwa bei der Einrichtung von Rüstplätzen..
Bild: Autodesk
HARDWARE:
3D-Displays
Im zweiten Teil unserer Marktübersicht zu 3D-Displays finden Sie die
verschiedenen Geräte je nach Funktionsweise tabellarisch aufgelistet.
Stereo-3D-Content lässt sich auf unterschiedliche Weise darstellen und
anzeigen. Im Vordergrund stehen dabei die 3D-Displays, deren technische
Entwicklung auch durch die Unterhaltungselektronik angetrieben wird.
Hohe Stückzahlen führen zu sinkenden Preisen. Das Leistungsspektrum
der angeführten Geräte reicht vom Einsteiger-Niveau bis zum anspruchsvollen Profibereich, und die eingesetzten Technologien unterscheiden sich
sehr voneinander. Es ist also nicht einfach, das für das jeweilige Einsatzgebiet geeignete Gerät zu finden. Bild: Tridelity
Weitere Themen:
PRAXIS: VR-Einsatz in der Automobilindustrie
FORSCHUNG & TECHNIK: Aktuelle Forschungsprojekte im Überblick
HARDWARE: Tracking-Systeme
MAGAZIN 3/2011
IMPRESSUM
Herausgeber und Geschäftsführer:
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VIRTUAL REALITY MAGAZIN im Internet:
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