Yaroslav Tsytsyura, Teja Wolfgang Grömer, Jürgen Klingauf Versuchsprogramm: Physikalische Methoden in der Neurophysiologie Blockpraktikum Biophysik Teil 2: Optische Methoden (TIRF Mikroskopie) A) Totalreflektion und evaneszente Welle B) Totalreflektionsmikroskopie 1. Totalreflektion und das evaneszente Feld Ein Lichtstrahl wird beim Auftreffen unter Winkel θ auf eine dielektrische Grenzfläche (zwischen zwei Medien mit Brechungsindizes n1 und n2) nach dem Snellius’schen Gesetz gebrochen, mit sin θ / sin θ 2 = n2 / n1 . Im Falle von n1 > n2 wird für steigenden Einfallswinkel θ ein Grenzwinkel von θ c = sin −1 (n2 / n1 ) erreicht, für den sin θ 2 = 1 , was bedeutet, daß der ausfallende Strahl parallel zur Grenzfläche verläuft. Dies ist der sog. kritische Winkel der Totalreflektion - für Winkel θ > θ c wird der einfallende Strahl totalreflektiert. Dabei läuft die Strahlung als Oberflächenwelle parallel zur Grenzfläche. Durch die Grenzfläche tritt im Mittel keine Energie aus dem ersten ins zweite Medium, aber durch Beugung an den Rändern des endlichen Strahls tritt bei A ein Teil der Energie ins zweite Medium ein, die in der Umgebung von B wieder ins erste Medium zurückgeliefert wird. aus Bergmann/Schäfer, Optik Aufgrund der Stetigkeitsbedingungen existiert im zweiten Medium ein inhomogenes elektromagnetisches Feld (d.h. die Ebenen gleicher Phase stehen senkrecht zu den Ebenen gleicher Amplitude), das sog. evaneszente Feld. Für die Feldintensität in z-Richtung (senkrecht zur Grenzfläche) gilt: (siehe untenstehende Abbildung) I x , y ( z ,θ ) = I x , y (0,θ ) ⋅ exp( − z / d p (θ )) wobei die Längenkonstante dp (für penetration depth) des exponentiellen Abfalls 2 2 d p (θ ) = λ /( 4π ⋅ ( n1 ⋅ sin 2 θ − n 2 )1 / 2 von der Wellenlänge, dem Verhältnis der Brechungsindizes und dem Einfallswinkel abhängt. 1.0 FI (z) 0.8 penetration depth 0.6 0.4 0.2 0.0 0 1/e (1/e^2) 100 200 300 400 500 distance z (nm) Zur Herleitung obiger Formeln (siehe z.B. E. Hecht, Optik): Unter dem Aspekt der Wellenoptik betrachtet, wächst (nach den Fresnel’schen Formeln) für steigenden Einfallswinkel der Anteil des reflektierten Lichts stetig an, während der unter dem Winkel θ t transmittierte Anteil stetig sinkt. Die Wellenfunktion für das transmittierte elektrische Feld (in der x-z-Ebene) ist r r r r r Et = E0t exp i (kt ⋅ r − ωt ) = Eot exp i(ktx x + ktz z − ϖt ) r mit k = (k tx ,0, k tz ) , wobei k tx = k t sin θ t und k tz = k t cos θ t . Mit Einsetzen des Snellius’schen Brechungsgesetzes (s.o.), mit n1 > n2 , und mit Erreichen bzw. Überschreiten des kritischen Winkels (d.h. θ > sin −1 (n2 / n1 ) ) wird der Term 1/ 2 cosθ t = ± 1 − sin 2 θ ⋅ n1 2 / n2 2 ( ) imaginär, so daß man beim Einsetzen in obige Wellenfunktion das evaneszente Feld erhält r r Et = Eot exp(i (kt x sin θ t + kt z cosθ t ) ) r = Eot exp(ikt x(n1 / n2 ) sin θ ) ⋅ exp − kt z (sin θ ⋅ n1 / n2 ) 2 − 1 ( ) welches wie aus der Formel ersichtlich in x-Richtung propagiert und in z-Richtung exponentiell abfällt. 2. Totalreflektionsmikroskopie (evanescent wave microscopy) In der Totalreflektionsmikroskopie stellt die Oberfäche eines Glasplättchens (auf welchem in wäßrigem Medium Zellen anhaften) die dielektrische Grenzfläche dar. Durch Totalreflektion eines Laserstrahls an dieser Grenzfläche wird im wäßrigen Medium ein evaneszentes Feld erzeugt, welches in den anhaftenden Zellen Fluoreszenz anregen kann. Dabei beleuchtet das evaneszente Feld im Gegensatz zu konventioneller Epi(Auflicht)Fluoreszenzanregung nicht das gesamte Präparat, sondern wegen des exponentiellen Abfalls der Intensität nur eine dünne Schicht innerhalb der Zelle. Bis zum Abstand von drei dp von der Oberfläche sinkt die anregende Intensität auf 1/e3, d.h. auf unter 5% des Ausgangswertes; bei Eindringtiefen von unter 200nm wird also die Zelle bis zu einer Tiefe von ca. 500nm ausgeleuchtet. Epi-Illumination TIRF-Illumination Abb: mit Acridine Orange gefärbte Chromaffinzelle in Epi- und TIRF-Beleuchtung Bei Zellen mit typischen Durchmessern von 10-15μm ist dies eine sehr geringe Schichtdicke, welche die Zellmembran und die untersten Schichten von den Organellen und Strukturen umfaßt, welche mit der Membran interagieren. Totalreflektionsmikroskopie stellt damit eine ideale Methode dar, um dynamische Prozesse in unmittelbarer Nähe der Zellmembran zu untersuchen, welche in konventioneller Fluoreszenzbeleuchtung durch das starke Signal aus den zentralen Regionen der Zelle völlig überdeckt werden. Die Einkoppelung des Laserstrahls unter geeignetem Winkel zur Totalreflektion erfolgt je nach Mikroskop: Bei aufrechten Mikroskopen wird der Laserstrahl häufig durch ein Prisma auf der Unterseite des Deckgläschens auf das Präparat gelenkt (prism-type), bei inversen Mikroskopen kann die Einkoppelung durch das Objektiv selbst erfolgen; dabei wird der Laserstrahl in eine konjugierte Ebene der hinteren Pupille des Objektivs außerhalb des Mikroskops in den Strahlengang eingekoppelt. Abb.: “prism-type” Einkoppelung beim aufrechten Mikroskop Abb.: “objective-type” Einkoppelung beim inversen Mikroskop Literatur Axelrod, D., E. H. Hellen, et al. (1992). Total internal reflection fluorescence. Topics in fluorescence spectroscopy. J. R. Lakovicz. New York, Plenum Press. 3: 289. Bryngdahl, O. (1973). Evanescent waves in optical imaging. Progress in Optics. E. Wolf, North-Holland. XI: 169-221. Steyer, J. A. and W. Almers (1999). “Tracking single secretory granules in live chromaffin cells by evanescent-field fluorescence microscopy.” Biophys. J. 76: 2262-2271. Steyer, J. A. and W. Almers (2001). “A real-time view of life within 100 nm of the plasma membrane.” Nature Rev. Cell Biol. 2(4): 268-275. Oheim, M., D. Loerke, et al. (1999). “Evanescent-wave microscopy: A new tool to gain insight into the control of transmitter release.” Phil. Trans. R. Soc. Lond. B 354: 307-318. Mertz, J. (2000). “Radiative absorption, fluorescence and scattering of a classical dipole near a lossless interface: a unified description.” J. Soc. Opt. Am. B 17(11): 1906-1913.