Allerhand knackiges Gemüse - Cult

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Allerhand knackiges Gemüse
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TREIBHAUS THEATER: Die Bayerische Theaterakademie eröffnet den Theatermonat Juli auf der BUGA
Technik und Natur, das sind natürlich
Widersprüche. Und doch wirkt die BUGA
in Riem wie eine hochgezüchtete Leistungsschau, ein künstliches Utopia, das auf
Ursprungssehnsüchte im urbanen Leben
abzielt. Es darf also nicht verwundern, dass
die Webseite der Bundesgartenschau gleich
„den schönsten Sommer aller Zeiten“ ausruft.
Zugleich: Man ist sich der Zwitterrolle
bewusst; ein wucherndes Kulturprogramm
begleitet, reflektiert, widersetzt sich der floralen
Vielfalt unter dem Motto „Perspektivenwechsel“ – mit spielerischen bis ernst-haften
Untertönen. 1200 Veranstaltungen finden an
den 165 Tagen der BUGA in München und
Umland statt, der Höhepunkt des Kulturprogramms auf dem Garten-Gelände selbst.
Der Theatermonat der BUGA wird von
der Bayerischen Theaterakademie August
Everding am 1. Juli eröffnet. Für die Teilnehmer ein Perspektivenwechsel bereits in der
Vorbereitung:. Weg von gewohnten Bühnen,
weg von üppigen Austattungsmöglichkeiten.
Die Reflexion von Natur als Realität und
Traum, auch als Albtraum – damit beschäftigen
sich alle Darbietungen.
DEIN AUG´ SO SCHNITTLAUCHGRÜN, das
Projekt des Studiengangs Regie, ist weit mehr
als eine Schnittfassung des SOMMERNACHTSTRAUMS von Shakespeare. Cordula Jung
inszeniert mit Wachaufeffekt; die Ausrede vom
Traum, der jede Katastrophe verhindert, will
sie nicht gelten lassen. Schließlich seien auch
Ein großlippiges Monster namens Natur.
hier die Liebeskonzepte von Shakespeare als
absolute Kraft, als Eifersucht und Kampf
spürbar. „Aber das wird nicht bis zur letzten
Konsequenz ausgespielt.“ Zu den verwirrten,
Die drei Möhren
Eine kleine Geschichte der Bundesgartenschau
m
Mein eigener Minigarten ist 17 Zoll groß
und heißt Gartenzeit. In der Mitte steht ein
Gartenzwerg, darum herum baue ich je nach
Jahreszeit Gemüse oder Pflanzen an,
zwischen denen sich in sechs mal vier
Planquadraten Frösche, Schmetterlinge und
Schnecken
austoben.
Der
Bildschirmschoner verlangt tägliches Gießen
und Umgraben, sonst vertrocknet alles. Wie
im wirklichen Leben. In diesem gibt es eine
Menge Konkurrenzmodelle zur Gartenzeit.
Der Maxigarten zum Beispiel. Auch
Gartenschau genannt. Hier geht es nicht
mehr um das Anpflanzen von drei Möhren
und vier Ringelblumen, sondern um
städtebauliche Veränderung und
künstlerische oder pädagogische
Heranführung an die Natur.
1869 erstreckte sich in Hamburg die
erste Internationale Gartenbauaustellung in
Deutschland vom Millerntordamm bis zur
Elbe. Das Publikum war begeistert, ein
Gesamtkunstwerk, in dem jede Pflanze
ihren Platz hatte und vor allem viele exotische
Blumen, Bäume und Sträucher aus den
Kolonien der Teilnehmerländer präsentiert
wurden. Die Menschen hatten ihre Liebe
zum inszenierten Gartenevent entdeckt. Es
folgten verschiedenste Schauen, die alle mit
langen, abkürzungsfähigen Namen
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ausgestattet wurden, zum Beispiel die
G UGALI ,
die
Gartenund
Gewerbeausstellung Liegnitz 1927 oder die
G RUGA , die Große Ruhrländische
Gartenbauaustellung 1929 in Essen. Im
Dritten Reich nutzten die Machthaber die
Reichsgartenschauen für ihre Blut- und
Bodenideologie. Allerdings nur bis der Krieg
ausbrach, gleich danach gab es Panzer statt
Pflanzen. 1951 wurde nach zwei kleineren
Schauen die erste Bundesgartenschau (BUGA)
in Hannover errichtet. Im zweijährigen
Turnus findet diese Veranstaltung seitdem
statt, mittlerweile hat fast jede größere Stadt
eine oder mehrere ausgerichtet. Denn neben
dem kurzfristigen positiven Effekt für
Wirtschaft und Tourismus, gibt es auch den
langfristigen für die Bevölkerung: wenn alle
Gärtner und Besucher weg sind, wird das
Gartenschau-Gelände zum Park.
Neben den Bundesgartenschauen gibt
es alle zehn Jahre eine Internationale
Gartenschau (IGA) die letzte fand 2003 in
Rostock statt. 1983 hat die IGA in München
eine der schönsten Parkanlagen der Stadt
hinterlassen, den Westpark. Dorthin werde
ich mich jetzt mit meinem Minigarten auf
dem Laptop begeben. Damit mein kleiner
Garten mal die große Gartenluft
schnuppern kann.
Karolina Schneider
Foto: Morche
verzauberten Liebespaaren im Wald um Athen
kommen bei Jung weitere Paare frei nach
Shakespeare. Zapping in andere Stücke, bevor
sich die Sommernachtspärchen in die Haare
kriegen: Unter anderem zeigen Romeo und
Julia Liebesleid in Vollendung.
Gespielt wird auf 20 Stationen entlang
des Hauptverbindungswegs zwischen Westeingang und dem See im Ostteil der BUGA.
Perfekt sei diese Form des Wandertheaters für
einen Reigen der Liebschaften, meint Jung.
„Wir können auch hemmungslos romantisch
sein in der Umgebung.“ Romeo und Julia
verstreuen Rosenblätter, Kerzen dienen als
Beleuchtung; eine Band sorgt mit SalsaRhythmen für aufgeheizte Stimmung
zwischen den einzelnen Spielszenen. Und das
umgebende Grün wird zur Kulisse eines Spiels
um die Natur des Menschen: „Das ist alles
extrem triebgesteuert.“ (Hauptverbindungsweg, 1. Juli und 2 Juli, jeweils 20.30 Uhr)
Bereits mittags wird die (zerstörerische)
Kraft der Liebe besungen: ROSENDUFT UND
ESPENLAUB erarbeiten Joachim Tschiedel vom
Studiengang Musiktheater und die Regiestudentin Nilufar Katharina Münzing. Die
Gesangsdarbietung sei ein Best-Of aus
Operettenstücken und Chansons, die „mit
Blumen, Bäumen und Gesträuch zu tun
haben.“ Für einen ironischen Zugriff ist sie
dennoch nicht zu haben: Der unterhaltsame
Reigen soll „Kopf und Herzen“ ansprechen.
Für ihre erzählerische Klammer hat sich
Münzing unter anderem von Xerxes’ Arie aus
der gleichnamigen Händel-Oper inspirieren
lassen. Liebende treffen sich unter einem
Baum, turteln und streiten sich und singen
dazu Operettenklassiker wie SCHENKT MAN SICH
ROSEN IN TIROL von Carl Zeller. Der Baum
selbst, gesungen von der Mezzosopranistin
Merit Ostermann, kommentiert unter
anderem mit Chansons von Zara Leander.
Überspitzt tragisch das Ende: Unser Freund,
der Baum, ist tot. „Es soll nicht zu bierenst
werden“, sagt Tschiedel, „auch nicht in der
musikalischen Anlage.“ Er spielt E-Piano, und
„Unsere Lieblinge“, die in aberwitziger Besetzung aus Kontrabass und Mini-Schlagzeug,
Lieder interpretieren, begleiten ihn dabei
(1.Juli, 15 und 18 Uhr, im Konzerthain).
Der dritte Programmpunkt konzentriert
sich auf die dunklen Seiten der Natur. DER
SUPERKLEINE H ORRORLADEN , das sind
Ausschnitte aus dem Musical von Alan
Menken und Howard Ashman, das der
Studiengang Musical drei Wochen später
komplett in der alten Münze präsentieren wird
(ab 21. Juli, jeweils 20.30 Uhr).
Ein kleiner, verlotterter Blumenladen in
New York: Seymour züchtet seltsame Pflänzchen und ist im Stillen in seine Kollegin Audrey
verliebt, die ihren gewalttätigen Freund nicht
verlassen will. Der Erfolg kommt mit dem
Verkauf der Seele. Eine seiner Pflanzenkreationen, Audrey Zwo, beginnt zu wachsen und
zu sprechen, sie verspricht dem Unbedarften
Macht gegen Menschenfleisch. Kurzfristig
musste das Anti-Natur-Grusical, eine Parodie
des Horrorfilms aus den 60er Jahren, organisiert werden. Mit Andreas Lachnit wurde
allerdings ein erfahrener Regisseur gewonnen.
Schon vor fünf und vor zwölf Jahren hat er
das Musical inszeniert, davor sang er die
Titelrolle in der deutschen Uraufführung 1989
in Berlin und stand insgesamt nahezu 500
Mal als Seymour auf der Bühne. Das Stück
fasziniert ihn immer noch: der Grundthematik
vom Zauberlehrling wegen, und weil die
Geschichte von den so genannten Guten als
Verlierer erzählt wird. „Jetzt fange ich wieder
an – relativ jungfräulich“, sagt Lachnit.
Jede neue Schauspielerriege – wie hier
aus dem dritten Jahrgang des Studiengangs
– fordere auch neue szenische Auflösungen
heraus. In den SUPERKLEINEN HORRORLADEN
auf der BUGA bringt Lachnit eine
mannshohe fleischfressende Bühnenpflanze
mit. „Wir zeigen den eigentlich magischen
Moment des Stücks – die Pflanze spricht
zum ersten Mal. Wenn hier das
Zusammenspiel von Musik, Live-Gesang
und Puppenspiel synchron kommt, ist das
ein großer Spaß.“ Audrey Zwo, das sei eine
richtige Diva, die mal bettelt, mal schreit.
(1. Juli, 17 und 19.30 Uhr, Arena)
Eine lustvolle Auseinandersetzung mit
der Natur. „Und einem Schuss
Pragmatismus“, fügt Thomas Siedhoff
hinzu, der Sprecher der Theaterakademie:
„Für viele Darsteller sind die Darbietungen
Teil ihrer Prüfungen“. Das aufkeimende
Talent zeigt sein Können einem breiten
Publikum. „Deshalb der Titel: TREIBHAUS
T HEATER .“ Dazu gehören auch die
Maskenbild-Studenten, die aktuelle Arbeiten
in „ambulanter Austellung“ zeigen und
Kinderwangen mit Schminke zum Aufblühen
bringen. Die Kritik-Studenten präsentieren
Ihnen eine Ausgabe der CULT, in der das
Verhältnis von Natur und Kunst einen eigenen
Schwerpunkt bildet.
Christoph Gröner
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