In: H.-J. Sandkühler (Hrsg.): Enzyklopädie der Philosophie. (2. erw. u. überarb. Aufl.), Bd. 2. Hamburg: Meiner, 2010. Paralogismus und er erlaubt Möglichkeitsbewertungen, die nicht nur über ‹innertheoretische› Alternativen hinausgehen, sondern diese kategorial erst festlegen. Die zugehörige Analyse von ↑ Präsuppositionen ist nun das Geschäft und die Methode kritischer Philosophie. Deshalb ist die Auseinandersetzung um die Bedeutung, den Status und die Konsequenzen von P. gerade dann von höchster Relevanz, wenn sich die Philosophie als einen Teil des Projekts der Wissenschaft begreift. Falletta, N., , Paradoxon, Fft./M. – Feyerabend, P., , Wider den Methodenzwang, Fft./M. – Gettier, E., , Is Justied True Belief Knowledge? In: Analysis . – Hofstadter, D. R., , Gödel, Escher, Bach, Stuttgart. – Hofstadter, D. R., , Metamagicum, Stuttgart. – Hughes, G. E., , John Buridan on Self-Reference, N Y. – Kannetzky, F., , paradoxes denken, Paderborn. – Kuhn, T. 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Im engeren Sinne bezeichnet ‹P.› einen irrtümlichen Fehlschluss, der, im Gegensatz zum Sophismus (Trugschluss oder Scheinbeweis), vom Sprecher weder bemerkt noch beabsichtigt wird. Eine wichtige Quelle von Paralogismen im syllogistischen Schließen ist die quaternio terminorum (‹der vierte Begriff›), d. h. die Mehrdeutigkeit des Mittelbegriffs des ↑ Syllogismus. In der Philosophie wird der Begriff des P. im Anschluss an Kant vorwiegend in dem spezielleren Sinne eines Schlussfehlers, der aus der Vermischung von Rede- bzw. Gegenstandsbereichen resultiert und deshalb nicht als formaler Fehler erscheint, verwendet. Kant unterscheidet zwischen logischen P. und transzendentalen P., den P. der reinen Vernunft. Letztere seien keine kontingente «Falschheit eines Vernunftschlusses der Form nach», sondern hätten einen «transzendentalen Grund». Entsprechend stellen die P. formal korrekte syllogistische Schlüsse dar: Wenn X als solches Y ist, und das Ich/das Subjekt ein X ist, dann ist das Ich/das Subjekt auch Y. Der Fehler ist die systematische Mehrdeutigkeit des Ausdrucks ↑ ‹Ich› bzw. ↑ ‹Subjekt›, die erst aufgrund der Einsicht in die Konstitution aller Erkenntnis durch ↑ Anschauung und ↑ Verstand überhaupt sichtbar wird und daher «eine unvermeidliche, obzwar nicht unauflösliche Illusion bei sich» führe. Zur Begriffs- und Problemgeschichte Descartes’ radikale Abwendung von ↑ Autorität und Tradition trägt maßgeblich zum Beginn der philosophischen Neuzeit bei. Sowohl Wissensansprüche als auch die vernünftige Lebensführung sollen nicht mehr dem Hergebrachten untergeordnet, sondern auf vernünftige, autonome ↑ Subjektivität gegründet werden. Der Zentralbegriff ist dabei der des ↑ Selbstbewusstseins. Nur was man selbst einsehen kann, nur was das Subjekt selbst hervorbringt, soll ↑ Geltung beanspruchen dürfen – «Sapere aude!» ist noch Kants Wahlspruch, dessen Kritik an den P. der rationalen Psychologie daher auch als Wiederbelebung der zur rationalistischen Doktrin erstarrten ↑ Aufklärung zu lesen ist. Der kritischen Begrenzung der Erkenntnisansprüche der Schulphilosophie, die mit der rationalen Psychologie auch praktische Ansprüche erhebt, entspricht Kants Moralphilosophie der Selbstprüfung des autonomen Subjekts. Kant erkennt an, das die rationale Psychologie Strukturmerkmale des Selbstbewusstseins qua Einheit des Denkens erfasst, verneint aber die Folgerungen, die daraus gezogen werden. Selbstbewusstsein ist keine Selbsterkenntnis. Worauf kann sich die rationale Psychologie berufen? (i) Wird etwas gedacht, so wird es von einem Subjekt gedacht, es ist das Subjekt, welches ↑ Vorstellungen im ↑ Urteil zu einer Einheit verknüpft, gerade darin besteht ↑ Denken und Urteilen. (ii) Da sämtliche Vorstellungen Vorstellungen eines ↑ Bewusst- seins sind, muss dieses eine Einheit bilden, denn sonst wären es nicht die Vorstellungen dieses, sondern eines anderen Bewusstseins und könnten gar nicht aufeinander bezogen werden. M. a. W.: Das Subjekt ist logisch einfach, sonst wäre Urteilen als Anwendung und Verknüpfung von Begriffen nicht möglich. (iii) Diese Einheit des Denkens ist immer ein ‹Ich› und bleibt bei aller Mannigfaltigkeit der Bewusstseinsinhalte mit sich selbst identisch. (iv) Das Ich unterscheidet seine eigene Existenz als denkendes Wesen von anderen, insbes. von äußeren Dingen. Es ist sich (zunächst) nur seiner Gehalte bewusst. Nach Kant sind diese Bestimmungen, die zugleich die zentralen Prämissen der vier P. darstellen, nichts als «logische Erörterungen des Denkens» , sie artikulieren «die bloße Form des Bewusstseins». Entsprechend ist das ‹Ich› «ein bloßes Bewusstsein, das alle Begriffe begleitet» und keine «Vorstellung, die ein besonderes Objekt unterscheidet». Als solche Formbestimmungen sind (i)-(iv) richtige Erläuterungen des Subjektcharakters des ‹Ich›, während ihre Deutung als gegenständliche Aussagen in P. resultiert. Denn dann ist unter der Hand statt vom Denken des Denkens bzw. der Form des Denkens von denkenden Wesenheiten und deren Bestimmungen die Rede. Aus der logischen Einheit des ‹Ich denke› (cogito), d. h. aus der logischen Einfachheit des Gedankens wird darauf geschlossen, dass das reale Subjekt des Denkens selbst eine einfache, immaterielle (d. h. auch: vom Körper trennbare), daher zeitlose (d. h. auch: unzerstörbare und unsterbliche), personale, geistige ↑ Substanz sei. Insbes. lässt sich die ↑ Seele nicht als Substanz, d. h. als für sich selbst bestehendes Wesen, auffassen (P. der Substanzialität der Seele): «Dasjenige, dessen Vorstellung das absolute Subjekt unserer Urteile ist und daher nicht als Bestimmung eines andern Dinges gebraucht werden kann, ist Substanz. – Ich, als ein denkend Wesen, bin das absolute Subjekt aller meiner möglichen Urteile, und diese Vorstellung von mir selbst kann nicht zum Prädikat irgend eines andern Dinges gebraucht werden. – Also bin ich, als denkend Wesen (Seele), Substanz.» Zwar ist es richtig, dass das ‹Ich› nicht von seinen Vorstellungen prädiziert werden kann, nämlich sofern es als die «logische Funktion» der Einheit seiner Vorstellungen das «Vehikel aller Begriffe überhaupt» darstellt, und dies gilt mit Bezug auf das Denken analytisch. Aber daraus kann nicht geschlossen werden, dass es Substanz, d. h. auch: ein von anderen Gegenständen unabhängig bestehendes Wesen ist. Ein solcher Schluss würde erfordern, dass sich im Fluss des Bewusstseins selbst etwas Bleibendes, Beharrliches ausfindig machen ließe. Das aber ist un- Paralogismus möglich, «denn wir selbst können aus unserem Bewusstsein darüber nicht urteilen, ob wir als Seele beharrlich sind, oder nicht». Es ist ebenso gut denkbar, dass der Ausdruck ‹Ich› sich auf wechselnde Gegenstände bezieht und schon die Annahme, die Sinnhaftigkeit seiner Verwendung setze ein Referenzobjekt voraus, verfehlt ist. Allein vom Selbstbewusstsein her ist darüber nichts auszumachen, es fehlen unabhängige Kriterien. Auch der Verweis auf das Gedächtnis kann das Problem nicht lösen, weil Gedächtnisinhalte per se zum Bewusstsein gehören. Das ‹empirische Ich› ist sich jeweils nur im je gegebenen Augenblick gegenwärtig. Nach Kant ist das ‹Ich› des Selbstbewusstseins daher nicht als Bezeichnung eines besonderen Gegenstandes aufzufassen, weder eines materiellen noch eines immateriellen, sondern als logische Funktion, welche die Einheit der Gegenstände des Bewusstseins und die Verknüpfung von Vorstellungen in Urteilen stiftet (‹transzendentale Einheit der ↑ Apperzeption›) und zugleich eine logische ↑ Präsupposition des empirischen Ich darstellt. Es ist «ein bloßes Bewusstsein, das alle Begriffe begleitet», nicht einmal ein Begriff, sondern bloß eine «an Inhalt gänzlich leere Vorstellung». Der zweite P. der Einfachheit (Simplizität) der Seele ist das Kernstück der rationalen Psychologie und beruht auf der oben als (ii) angeführten These: «Dasjenige Ding, dessen Handlung niemals als die Konkurrenz vieler handelnden Dinge angesehen werden kann, ist einfach. Nun ist die Seele, oder das denkende Ich, ein solches: Also etc.» Ist die Seele jedoch einfach und Substanz, so kann sie (a) von aller Materie unterschieden und damit als nicht-körperliche (b) von der «Hinfälligkeit» ausgenommen werden (Inkorruptibilität der Seele). Wieder erkennt Kant die Berechtigung dieser Bestimmungen für das transzendentale Ich an. Aber er verneint, dass dies Schlüsse auf die Existenzweise dieses Subjekts zulasse, «denn die Einheit des Gedankens, der aus vielen Vorstellungen besteht, ist kollektiv und kann sich, den bloßen Begriffen nach, ebensowohl auf die kollektive Einheit der daran mitwirkenden Substanzen beziehen, [. . . ] (wie die Bewegung eines Körpers die zusammengesetzte Bewegung aller Teile desselben ist) als auf die absolute Einheit des Subjekts». Die Einheit des Gedankens ist eine logische bzw. formale Einheit und kategorial von deren möglichen Instantiierungen in möglichen Substraten zu unterscheiden. Die rationale Psychologie begeht daher einen ↑ Kategorienfehler: «Die logische Erörterung des Denkens überhaupt wird fälschlich für eine metaphysische Bestimmung des Objekts gehalten.» Der dritte P. will die Personalität der Seele beweisen: Paralogismus «Was sich der numerischen Identität seiner selbst in verschiedenen Zeiten bewusst ist, ist sofern eine ↑ Person: Nun ist die Seele etc. Also ist sie eine Person.» Wieder verweist Kant auf den Unterschied zwischen logischem und empirischem Ich und auf die Unmöglichkeit, vom Selbstbewusstsein her, also ohne Bezug auf die äußere Anschauung, etwas Beharrliches zu bestimmen, an dem die Vorstellungen wechseln. Zwar sind meine Vorstellungen zu jeder Zeit in meinem Bewusstsein, aber daraus folgt nicht, dass ich als identisches empirisches Selbst kontinuierlich (‹in der Zeit›) bin. Es wäre auch bei logischer Identität des Selbstbewusstseins eine Abfolge von Substanzen möglich, welche die Gehalte des Bewusstseins von einer zur anderen übertragen. Das transzendentale Ich ist deshalb als solches kein personales Ich, und es ist logisch ausgeschlossen, nur aufgrund ihrer Vorstellungen Urteile über die Gleichheit oder Verschiedenheit bestimmter Subjekte zu fällen (die dann etwa als Subjekte dieser oder jener Vorstellungen voneinander zu unterscheiden oder zu identifizieren wären). Personen und entsprechende Identitätskriterien sind nicht auf Basis der ↑ Identität des logischen Ich bzw. des Selbstbewusstseins zu gewinnen, sondern nur sofern man sich als Objekt nicht nur der inneren, sondern auch der äußeren Anschauung betrachtet, als Sinnenwesen mit in Raum und Zeit erfahrbaren Eigenschaften. Personalität hat in diesem Sinne nicht die Seelensubstanz, sondern der ganze Mensch. Der vierte P. «der Idealität (des äußeren Verhältnisses)» befasst sich mit einer Konsequenz aus der Annahme der Gültigkeit der ersten drei P. Ist die Seele einfache Substanz, dann muss ihr «commercium», d. h. ihre Verbindung zum Körper erläutert werden. Kant macht nun darauf aufmerksam, dass die ↑ Ontologie der immateriellen Seelen-Substanz mit der strikten Unabhängigkeit vom Körper umgekehrt auch eine Unabhängigkeit des Körpers bzw. der ↑ Materie von der Seele impliziert, und das bedeutet einen Substanzdualismus mit allen Folgeproblemen, insbes. dem Problem der Existenz der Außenwelt. Der zentrale Punkt des rationalistischen Arguments ist die Behauptung der bloßen Mittelbarkeit der äußeren ↑ Wahrnehmung, womit unterstellt wird, dass die Außenweltskepsis nur durch die Möglichkeit der unmittelbaren ↑ Gewissheit der Gegenstände des äußeren Sinns als ↑ Dinge an sich ausgeräumt werden könnte. Der transzendentale ↑ Idealismus, den Kant hier voraussetzt, räumt diese Möglichkeit dagegen nur für die (vom Subjekt konstituierte) ↑ Erscheinung der Materie ein , und dies erlaubt es, aus der Anschauung des Gegenstandes auf dessen Existenz (als objektive Erscheinung) nicht nur zu schließen, sondern äußere Gegenstände unmittelbar wahrzunehmen. Denn «äußere Gegenstände (die Körper) [sind] bloß Erscheinungen, mithin auch nichts anderes, als eine Art meiner Vorstellungen». Wenn die Materie Erscheinung ist, d. h. vom Subjekt zur Erscheinung gebracht wird, dann ist ihr ‹commercium› mit der ‹denkenden Natur› unproblematisch. Dass äußere Gegenstände nichts als Vorstellungen des Subjekts seien, erscheint jedoch mit Blick auf das Problem der ↑ Realität der Außenwelt nicht weniger problematisch, als die Unterstellung der bloßen Mittelbarkeit der Wahrnehmung. Je meine besonderen Vorstellungen können nichts zur Lösung des Problems beitragen. Jedoch sind hier wie in den anderen P. unterschiedliche Perspektiven zu unterscheiden: die empirische der unmittelbaren Selbstgewissheit des Subjekts und die nicht-empirische, transzendentale der überindividuellen Formen des Bewusstseins, hier der objektiven Anschauungsformen von ↑ Raum und ↑ Zeit. Als deren ‹Materie› verweisen die Empfindungen auf etwas Reales in Raum und Zeit, aber nicht auf unabhängige Dinge an sich, wie der Substanzdualist meint. Wirklich ist folglich nur «was mit einer Wahrnehmung nach empirischen Gesetzen zusammenhängt». Indem Kant die Deutung der ‹Seele› als Substanz als P. und die Deutung der Materie als subjektunabhängiges Ding an sich als komplementäre Hypostasierungen ausweist, untergräbt er die entscheidende Prämisse des Substanzdualismus und kann damit dessen Folgeprobleme, etwa das ↑ Leib-SeeleProblem, als Scheinprobleme ausweisen. Sowohl affirmative als auch negative Stellungnahmen ergeben daher nur «eingebildete Wissenschaft» , deren Lücken durch P. gefüllt werden. Die oft fingierten ‹Hirn-im-Tank›-Szenarien fallen ebenso unter Kants Kritik wie Theorien der Wechselwirkung von Leib und Seele (deren Prototyp Descartes’ Theorie der Zirbeldrüse darstellt), oder Theorien, die das Bewusstsein als ‹Akzidenz› eines materiellen Substrats erläutern (Identitätstheorie). Diskussion und Kritik Die Deutung der P. ist nach wie vor umstritten, insbes. des vierten. Ein Grund dafür ist, dass Kants Ausführungen zwischen verschiedenen Argumentationsweisen wechseln. So lässt sich das Argument der Verwechslung von Denken und denkenden Wesenheiten relativ unabhängig vom Argument der grundsätzlichen Nichtanwendbarkeit von Kategorien auf die ‹Dinge der Seele› artikulieren; der für Kants Argumentation zentrale Begriff der Einheit changiert zwischen der Einheit des Denkens, des Gedachten und des Denkenden, so dass nicht immer klar ist, was im thematischen Fokus der Kritik steht. Kant unterscheidet in kritischer Absicht logisches und empirisches, mitunter auch empirisches, logisches und transzendentales Subjekt, ohne deren Beziehungen näher zu erläutern. Umstritten ist auch die Möglichkeit einer empirischen Psychologie als Wissenschaft. Einerseits meint Kant, dass Selbsterkenntnis des empirischen Ich nur empirisch möglich ist, und in der Diskussion insbes. des vierten P. wird angedeutet, dass innere nicht ohne äußere Anschauung möglich ist, so dass das empirische Ich als Erscheinung systematischer Erkenntnis zugänglich wäre. Andererseits behauptet Kant auch, dass das Ich nur vermittels des inneren Sinnes gegeben sei, was die Anwendung der Kategorien, insbes. der Substanz, ausschließt. Ein Ertrag der P.-Kritik ist, dass es für das ‹Ich› des Bewusstseins keine empirischen oder anders objektivierbaren Identitätskriterien geben kann und dass das empirische das transzendentale Ich voraussetzt. Und von diesem kann es gegenständliche Erkenntnis nicht geben. Gerade die Hypostasierung des Seelischen steht im Zentrum seiner Kritik an der rationalen Psychologie. Von dieser Kritik sind nun auch Naturalisierungsstrategien der Erklärung des Seelischen betroffen, weil diese dem Drang von der logischen Funktion zur Existenzprädikation nachgeben, etwa indem mentale Module, ↑ Repräsentationen als Entitäten usw. angenommen werden, womit die von Kant betonte Eigenart des Seelischen, nämlich seine Bindung an Transzendentalien, preisgegeben wird. P. einer naturalistischen Seelenlehre könnten parallel zu denen der rationalistischen Psychologie aufgebaut werden, womit auch die P. eine antinomische Struktur aufwiesen. Ein P. der Akzidenzialität könnte das Selbstbewusstsein als Akzidenz der Materie auffassen (etwa als Emergenzphänomen oder als Funktion des Gehirns, welches zugleich die Beharrlichkeit des Ich organisch sichert), der P. der Vielheit würde die Seele mit ihrem materiellem Substrat verwechseln und in eine Vielzahl von Funktionen oder Wirkungen der Materie auflösen, der P. der Impersonalität würde Personalität des Seelischen leugnen und das Ich etwa als Illusion des Gehirns darstellen, ein P. der Realität des äußeren Verhältnisses mündete in der These, dass die seelischen Zustände in strikter Abhängigkeit von materiellen Veränderungen variieren. Einige Punkte von Kants Diskussion des vierten P. lassen sich so deuten. Der Hauptkritikpunkt Kants an den P. der rationalen Psychologie ist auch hier einschlägig: die Verwechslung der logischen bzw. transzendentalen Funktion mit dem Träger der Funktion, die im Falle der P. einer naturalisti- Paralogismus schen Psychologie die logische Einheit des Selbstbewusstseins (das ‹Ich denke›) nicht als Explanans, sondern als Explanandum auffasst, welches aufgrund seiner Nichtobjektivierbarkeit mittels naturwissenschaftlicher Begriffe (dogmatisch) negiert wird. Kant diskutiert die Möglichkeit einer antinomischen Struktur der P. der Psychologie zwar nicht. Es wäre aber eine so offenkundige Fehldeutung der PKritik., wenn man daraus, dass die Seele keine immaterielle, unzerstörbare etc. Substanz ist, folgerte, dass es sich um eine materielle, vergängliche etc. Substanz handeln müsse. Trotzdem bleibt das Verhältnis von phänomenalem und noumenalem Ich problematisch, weil Kant in der Kritik des Dualismus nicht weit genug geht und deshalb den Substanzdualismus durch einen Dualismus der Perspektiven ersetzt, der in Kants berühmten Diktum vom Menschen als ‹Bürger zweier Welten› artikuliert wird. Dies ist insofern berechtigt, als wir tatsächlich verschiedene Perspektiven einnehmen können und müssen, die sich grundsätzlich als die ‹Ich›-Perspektive eines unvertretbaren Akteurs der Handlung und die eines beliebigen Beobachters des Geschehens ausweisen lassen. Der P. der rationalen Psychologie lässt sich dann als Perspektivenverwechslung deuten, nämlich dass «das Selbstsein in der Sprache der falschen Perspektive der erscheinenden Objekte» angesprochen wird, obwohl dieses Selbstsein als Perspektive des Akteurs gerade nicht «die Rolle eines gegenständlichen Dings übernehmen» kann, über das objektive Erkenntnis möglich ist. Vielmehr wird von einer Perspektive (praktischer) Gebrauch gemacht. Das bedeutet, dass sich das Ich nicht ohne semantischen Verlust durch die Perspektive der dritten Person ersetzen lässt. Diese semantische und epistemologische Differenz gründet in einer praktischen: Das ‹Ich› der ↑ Handlung lässt sich nicht dadurch fassen, dass dem Urheber der Handlung bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden. Vielmehr gehört es zum Begriff der Handlung, dass der Akteur sich selbst auf bestimmte Regeln und Normen festlegt. Eine solche Festlegung ist kategorial von Berichten über ↑ Ereignisse zu unterscheiden. (Das spricht grundsätzlich gegen die Reduktion von Handlungen auf kausal beschreibbare Ereignisse.) Der Akteur muss sich unter Zwecke und die Normen einer Handlungsform stellen, er ist dabei nicht vertretbar, weshalb eine solche Festlegung nur aus der Perspektive eines ‹Ich› zu erfassen ist, und sofern dies Handlungen ihre Identität verleiht, ist diese die primäre Perspektive. Dennoch bleibt die Möglichkeit eines Dualismus und damit auch einer Konkurrenz der Perspektiven bestehen. Der Grund dafür ist die Deutung Parteilichkeit des Selbstbewusstseins als unmittelbares Bewusstsein meiner selbst, als Subjekt-Objekt-Relation , was die Frage aufwirft, wie das Selbst Wissen von seinen bewussten Zuständen haben kann. Traditionell wird hier das Modell der ↑ Introspektion, der reflexiven Wendung des Blicks nach innen bzw. der ‹inneren Anschauung› verwendet, mit der sich das Subjekt zum Objekt macht, womit gerade sein SubjektCharakter in Frage steht. Man gerät damit entweder in einen Regress oder einen Widerspruch, weshalb Kant bestreitet, dass sich über das Selbstbewusstsein etwas sagen lässt. Dennoch stellt sich das Problem, wie denn das ‹Ich› gegeben ist, und es kann nicht dadurch gelöst werden, dass es als unlösbar zurückgewiesen wird. Einen Ansatzpunkt bietet G. Ryles Kritik am Cartesianischen Bild des Geistes als immaterieller Substanz. Eines seiner Hauptargumente ist, dass es keinen privilegierten Zugang zu den eigenen geistigen Vorgängen gibt. Diese unterlägen grundsätzlich öffentlichen Kriterien. Entsprechend wird die Frage nach dem Selbst bzw. nach der Person und den Kriterien ihrer Identität neu gestellt: nicht mehr als Frage nach einer unmittelbaren Beziehung von mir (als Subjekt) auf mich (als Objekt), sondern als Frage nach den Identitätskriterien geistiger Zustände. Und diese ist nur unter Bezug auf gemeinsame Praxen und deren Regeln, also intersubjektiv, zu beantworten. Das zeigt auch Wittgensteins Argument der ↑ ‹privaten Sprache› von der logischen Unmöglichkeit der Existenz privater ↑ Empfindungen, die traditionell als Paradigma der Privatheit des Geistigen dienen. Innere Zustände bedürfen nach Wittgenstein äußerer Kriterien, sonst könnten sie gar nicht als bestimmte identifiziert und von anderen unterschieden werden. Der gemeinsame Ausgangspunkt von Descartes und Kant, die Privatheit der unmittelbaren Selbstgewissheit der Seele, des Selbstbewusstseins etwa als eine besondere Subjekt-Objekt-Beziehung in der sich ein Subjekt im Modus der privaten, inneren Gegebenheitsweise selbst als Objekt und damit als Gegenstand vorstellt, ist damit radikal destruiert. Nicht nur die Idee einer immateriellen Substanz, die sich selbst vorstellt, ist nicht haltbar, weil ungeklärt bleibt, wie diese überhaupt als Objekt zu identifizieren sein sollte (das ist Kants Kritik), sondern schon die Idee der unmittelbaren Selbstgewissheit ist letztlich unverständlich (das ist die Kritik Hegels, Wittgensteins und Ryles). Deutet man das transzendentale Subjekt in dieser Weise, dann wird klar, dass der unhintergehbare Grund der Subjektivität, d. h. das transzendentale Ich, letztlich ↑ Intersubjektivität ist, die ‹Substanz› des ‹Ich› das ‹Wir›. Denn ↑ Regeln exis- tieren nur in ihrer Anwendung und deren gemeinsamer Kontrolle, so wie geistige Zustände nur im Medium des gemeinsamen Sprachgebrauchs und anhand der Rolle in gemeinsamen Praxen und Institutionen identifiziert werden können. Ein individuelles Selbstbewusstsein bildet man aus, indem man an diesen Praxen teilnimmt und entsprechende Fähigkeiten erwirbt, ein unvermitteltes Wissen von sich selbst kann es deshalb nicht geben. Es ist abhängig vom Hintergrund allgemeiner und gemeinsamer Praxen und deren Artikulation. Verlässt man den Standpunkt des monadischen Individuums, dann liegt die Deutung nahe, dass Kant nicht den Begriff des Selbstbewusstseins ins ↑ Paradox führt, genauer in eine Situation, in der man über die (seit Descartes vermeinte) Basis allen autonomen Philosophierens und dann auch der Wissenschaft, das autonome Subjekt, am Ende gar nichts sagen kann. Vielmehr kann man kann die P. mit Hegel, Wittgenstein und Ryle so deuten, dass hier der Individualismus ad absurdum geführt wird. Ameriks, K., , The Paralogisms of Pure Reason in the First Edition. In: Mohr, G./Willaschek, M. (Hg.), Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, Berlin. – Engelhard, K., , Das Einfache und die Materie, Berlin/NY. – Höffe, O., , Immanuel Kant, München. – Kannetzky, F., , Cartesianische Prämissen. Überlegungen z. Reichweite d. Privatsprachenarguments. In: ders./Grönert, P. (Hg.), Sprache und Praxisform, Leipzig. – Kaulbach, F., , Philosophie des Perspektivismus, Tl. . Tübingen. – Klemme, H., , Kants Philosophie des Subjekts, Hamburg. – Konhardt, K., , Paralogismus. In: HWbPh, Bd. . – Ryle, G., , Der Begriff des Geistes, Stuttgart. – Stekeler-Weithofer, P., , Philosophie des Selbstbewusstseins, Fft./M. – Tugendhat, E., , Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung, Fft./M. – Wittgenstein, L., , Philosophische Untersuchungen, Fft./M. Kant, KrV B ; zur Begriffsgeschichte von ‹P.› vgl. Konhardt . – Vgl. Ameriks , . – KrV B . – Vgl. Höffe , . – KrV B . – KrV A . – KrV A . – Vgl. KrV B . – KrV A , vgl. auch B . – KrV B . – KrV A . – KrV A . – Vgl. KrV A . – KrV A . – KrV A . – KrV A . – KrV A . – KrV B . – KrV A . – Vgl. KrV A . – KrV A . – KrV A . – KrV A . – Vgl. Ameriks , f. – KrV A . – Vgl. Höffe , ; vgl. KrV A . – KrV A . – Vgl. Kaulbach , ff. – Vgl. Ryle ; Tugendhat ; Stekeler-Weithofer . – Vgl. Ryle . – Vgl. Wittgenstein ; vgl. dazu Kannetzky . – Vgl. Stekeler-Weithofer , insbes. Kap. . – Vgl. ebd.; vgl. Kannetzky . – Vgl. Tugendhat ; vgl. Kannetzky . Frank Kannetzky Pareto-Prinzip ⇒ Philosophie und Ökonomik Parteilichkeit – Zum Begriff. ‹Parteilichkeit› (P.) ist – dies wird angesichts des politischen Wortgebrauchs von ‹P.› oft verkannt – im Unterschied zu