Warum sollen Tiere glücklich sein?

Werbung
Was darf der Mensch? Tiere und Ethik
Warum sollen Tiere glücklich sein?
Antworten aus der Geschichte der deutschsprachigen Tierschutzbewegung
Heike Baranzke
Die Frage, ob auch Tiere ein Recht auf ihr Lebensglück haben und ob Tiere infolgedessen Rechte
gegenüber uns Menschen oder ob wir Menschen Pflichten gegenüber Tieren haben, ist keineswegs
neu. Sie wurde schon von einigen antiken Philosophen vereinzelt diskutiert und wird seit der frühen
Neuzeit, vor allem auch von vielen protestantischen Theologen, bis heute kontinuierlich gestellt. Unter
Berufung auf den protestantischen Theologen Karl Barth wurde kürzlich der Begriff der „Würde der
1
Kreatur“ in die Schweizer Bundesverfassung als Rechtsbegriff eingeführt
und findet seither
Verbreitung im europäischen Raum. Die „Würde der Kreatur“ soll nun u.a. einen Anspruch der Tiere
auf Wohlbefinden, auf psychophysische Integrität, auf ihr tierliches Glück, begründen. Aber was
bedeutet denn die „Würde der Kreatur“?
Wie schwer die Integration von Tieren in die moralische und rechtliche menschliche
Exklusivgemeinschaft fällt, zeigt nicht zuletzt das wiederholte Scheitern der Installierung des
Tierschutzes als Staatsziel in die bundesrepublikanische Verfassung. Im Hintergrund steht die Furcht
vor der Beschneidung menschlicher Interessen und dem Problem, wie sich menschliche
Grundbedürfnisse, die nur durch Tiernutzung zu befriedigen sind, noch legitimieren sollen, wenn Tiere
rechtlich gleichgestellt würden. Das Kardinalargument für den Ausschluß von Tieren aus der
Rechtsgemeinschaft war seit jeher der Vernunftbesitz. Grund genug, die Sache mit der Vernunft
einmal näher zu betrachten.
1. Die Sache mit der Vernunft
Schon für den griechischen Schriftsteller Hesiod war klar, daß es unter den Tieren und daher auch
zwischen Mensch und Tier kein Rechtsverhältnis gebe. In seinem Epos „Werke und Tage“ (275-280)
heißt es:
„Dies ist nämlich die Ordnung, die Zeus den Menschen gegeben:
Fische und wildes Getier und geflügelte Vögel, sie sollen
eines das andre verzehrn; denn es gibt kein Recht unter ihnen;
Aber den Menschen verlieh er das Recht, das weitaus als Bestes sich erweist.“
Die Rechts- und Vertragsunfähigkeit der Tiere, von der auch Epikur überzeugt war, liegt nach
griechischer Auffassung darin begründet, daß die Götter den Tieren keine Vernunftseele, sondern nur
1
Seit dem 17. Mai 1992 findet sich in der Schweizerischen Bundesverfassung der Ausdruck „Würde
der Kreatur“ als neuer Rechtsbegriff. „Der Bund erlässt Vorschriften über den Umgang mit Keimund Erbgut von Tieren, Pflanzen und anderen Organismen. Er trägt dabei der Würde der Kreatur
sowie der Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt Rechnung und schützt die genetische Vielfalt
der Tier- und Pflanzenarten.“, lautete Artikel 24novies Abs. 3, seit der Novellierung der SBV am 18.
April 1999 nun Art. 120 Abs. 2.
1
[email protected]
Was darf der Mensch? Tiere und Ethik
eine vernunft- und sprachunfähige Lebens- und Wahrnehmungsseele zugeteilt haben. Von dem
Altstoiker Chrysipp wird überliefert, er habe gesagt, die Götter hätten dem Schwein eine – natürlich
vernunftlose – Lebensseele nur gegeben, damit das Fleisch nicht verderbe. Auf diese Weise haben
die griechischen Götter nicht nur eine auf Menschen beschränkte Rechtsgemeinschaft, sondern auch
eine natürliche Nutzenordnung installiert, die sich darin äußert, daß die Pflanzen für die Tiere und
Pflanzen und Tiere zusammen für den menschlichen Gebrauch und Verzehr da sind, wie Aristoteles
es in der „Politik“ (1254b) ausdrückt. Diese Auffassung wird in der römischen Antike dann auch von
den Kirchenvätern übernommen, zumal in dieser Zeit die stoische Philosophie mit ihrer ausgeprägt
anthropozentrischen Überzeugung, daß die Götter alles für den Menschen bereitet hätten, sehr
populär war. So verspottet der Kirchenvater Augustinus die gnostische Sekte der Manichäer wegen
ihrer Überzeugung, daß die Auserwählten keine Tiere töten und keine Pflanzen ausreißen dürften, mit
dem stoischen Argument:
„Wir sehen es nämlich und nehmen es an den Lauten wahr, wenn Tiere mit Schmerz sterben,
was freilich der Mensch im Tier geringschätzt, weil er mit ihm, das natürlich keine Geistseele
2
hat, durch keine Rechtsgemeinschaft verbunden ist.“
Augustinus interpretiert die biblischen Erzählungen durch die stoische Überzeugung, daß nur
zwischen Wesen mit einer vernünftigen Geistseele, d.h. zwischen Menschen und Göttern, eine
Rechtsgemeinschaft bestehe, obwohl die biblischen Erzähler nicht die menschliche Vernunft, sondern
seine Gehorsamsfähigkeit gegenüber Gott als besondere menschliche Gabe herausstellen. Aber für
Augustinus können Tiere in griechischer Manier nicht glücklich sein, weil sie Gott nicht erkennen
können. Also sind vernunftlose Tiere auch keine Mitglieder einer Glücksgemeinschaft, weder einer
moralischen noch einer rechtlichen und erst recht keiner religiösen, weshalb er auch Tiere aus der
christlichen Hoffnung einer Auferstehungsgemeinschaft ausschließt. Diese u.a. von Aristoteles, Epikur
und den Stoikern herrührende Auffassung vermittelte Augustinus, aber auch schon Origenes und
andere Kirchenväter, als vorherrschende Einstellung unserer abendländischen Kultur bis in unsere
Tage. Thomas von Aquin schloß sich dieser intellektualistischen Interpretation der verschiedenen
Glücksgemeinschaften genauso an wie Descartes oder noch der aktuelle Katholische Katechismus.
Diejenigen griechischen Philosophen, für die das Töten von Tieren zu Nahrungszwecken zumindest
nicht unproblematisch war, gehörten entweder der platonisch-akademischen Schule an, die wie der
Mittelplatoniker Plutarch oder der Neuplatoniker Porphyrios gegen die Stoiker die Vernunftlosigkeit der
Tiere bestritten, oder sie argumentierten kultkritisch gegen die Praxis der blutigen Tieropfer wie
Empedokles, Pythagoras oder der Aristotelesschüler Theophrast. Hier spielen dann vor allem die
Seelenwanderungslehre und die Verwandtschaft bzw. die große leibliche und seelische Ähnlichkeit
zwischen den Opfertieren und dem Menschen eine Rolle in der Argumentation.
2
Zit.n. Baranzke et al. 2000, 166.
2
[email protected]
Was darf der Mensch? Tiere und Ethik
2. Von der „Würde der Kreatur“ und der Mitgeschöpflichkeit der Tiere
Haben denn nun Bibel, Christentum und Kirchen die Tiere verraten, wie oft zu hören ist. Sind sie es,
die das Leiden der Tiere und die Zerstörung der Natur zu verantworten haben, gemäß dem Bibelwort:
„Macht euch die Erde untertan!“ So wenig die Philosophen schlechthin ignorante Tierverächter waren,
wie wir sahen, sowenig kann die biblische Tradition oder christliche Theologie schlechthin für diese
Entwicklungen verantwortlich gemacht werden. Die Lage ist komplizierter und die Mühe, sie zu
verstehen, ist deshalb unverzichtbar, weil es unangemessen und unproduktiv ist, Schuldige in der
Vergangenheit anzuprangern und sich mit der Befriedigung moralischer Entrüstung selbstgerecht
zurückzulehnen. Vielmehr ist es notwendig, die geistesgeschichtlichen Ursachen für bestimmte
Auffassungen und Entwicklungen zu identifizieren, die auch noch unser eigenes Denken und damit
unsere rechtliche und politische Wirklichkeit prägen.
Schon der schöpfungstheologische Klang des Begriffs „Würde der Kreatur“ in der Schweizerischen
Bundesverfassung sowie der Aufforderung in § 1 des deutschen Tierschutzgesetzes, das „Tier als
Mitgeschöpf“ zu schützen, sollte vor der pauschalen Verurteilung der biblisch-christlichen Tradition in
bezug auf das Verhältnis zum Tier warnen. Auch der zeitgeschichtliche Einfluß des Konziliaren
Prozesses für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung während der 1980er Jahre, der
nicht zuletzt von dem damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker und seinem Bruder Carl
Friedrich von Weizsäcker vehement in das politische Bewußtsein der Gesellschaft getragen wurden,
sowie die Tatsache, daß viele unter den Vorkämpfern für eine Mitgeschöpflichkeit des Tieres wie
seiner kreatürlichen Würde aktive Mitglieder der vor allem protestantischen Kirchen sind,
sensibilisieren hier für eine Kontinuität eines Wertbewußtseins, die in viel frühere Zeiten zurückführt.
Die schweizerischen Verfassungsväter und –mütter haben sich die kreatürliche Würde der Tiere nicht
plötzlich ausgedacht, sondern verweisen immer wieder auf die Schöpfungslehre Karl Barths (18861968), der ausdrücklich von einer Würde der Tiere, aber auch der Pflanzen spricht, die darin bestehe,
schon vor dem Menschen und damit unabhängig von ihm von Gott geschaffen worden zu sein. Aber
schon lange vor Karl Barth unterscheidet der Philosoph und evangelische Pfarrer Lauritz Smith (17543
1794), ein Zeitgenosse Immanuel Kants (1724-1804), in seiner ‚Lehre von Pflichten gegen Tiere‘ eine
relative Würde der Tiere als Glied im göttlichen Haushalt der Natur von einer absoluten Würde der
Tiere, die darin besteht, daß der liebende Schöpfergott das Glück aller seiner empfindungsfähigen
Geschöpfe will. Nach Lauritz Smith sollen Tiere demnach glücklich sein, weil der Schöpfer dies aus
Liebe und Mitgefühl so will. Glück ist hier nicht intellektualistisch als Erkenntnisglück, sondern
sensitivistisch als Empfindungsglück bestimmt. Der tierschutzengagierte Pfarrer Peter Scheitlin (17791848) aus St. Gallen hat in seinem viel beachteten „Versuch einer vollständigen Thierseelenkunde“
(1840) ausführlich über Smiths Lehre von der doppelten Würde der Tiere berichtet und auch in
neueren Werken, wie z.B. in der 1975 erschienenen deutschen Tierrechts- und Vegetarismusschrift
3
Versuch eines vollständigen Lehrgebäudes der Natur und Bestimmung der Thiere und der
Pflichten des Menschen gegen die Thiere. Kopenhagen 2. Aufl. 1793.
3
[email protected]
Was darf der Mensch? Tiere und Ethik
des Wuppertaler Biologen Wilhelm Brockhaus findet sich immer wieder einmal ein Hinweis auf Smiths
Pflichtenlehre.
Auch die Gründerväter des organisierten und institutionalisierten Tierschutzes sind vielfach unter
evangelischen Theologen zu suchen. Der geistige Vater der deutschsprachigen Tierschutzbewegung
ist der schwäbisch-pietistische Pfarrer Christian Adam Dann (1758-1837). Er hat mit seinen beiden
Tierschutzprogrammschriften, der „Bitte der armen Thiere“ (1822) und dem „Nothgedrungenen Aufruf
an alle Menschen von Nachdenken und Gefühl“ (1833) noch Albert Schweitzer (1875-1965)
nachdrücklich beeinflußt. Pfarrer Danns langjähriger Weggenosse, der pietistische Pfarrer Albert
Knapp (1798-1864), gründete 1839 in Stuttgart den ersten deutschen Tierschutzverein. Christian
Adam Dann hat eine theologische Ethik der Mitgeschöpflichkeit vertreten, die noch den § 1 des
deutschen Tierschutzgesetzes prägt. Mit seiner Ethik der Mitgeschöpflichkeit integriert Dann die Tiere
nicht nur in die menschliche Moralgemeinschaft, sondern auch in die religiöse Erlösungsgemeinschaft.
Schon Martin Luther (1483-1564) hatte einmal geäußert, daß er glaube, daß auch die Hündlein und
Belferlein in den Himmel kämen und Lauritz Smith wie Peter Scheitlin hatten die Tiere ausdrücklich in
4
eine philosophisch plausibilisierte theologische Auferstehungshoffnung einbezogen.
Auffällig ist, daß die genannten protestantischen Theologen nicht mit der menschlichen Vernunft oder
Sprachfähigkeit argumentieren, wie ihre katholischen Kollegen in der Theologie und Philosophie –
Descartes ist hier das gut bekannte Paradebeispiel –, sondern einerseits mit der Mensch und Tier
verbindenden Leidensfähigkeit, aufgrund derer der Mensch auf fürsorgliches und christlich caritatives
Handeln verpflichtet wird, und andererseits mit der besonderen gottebenbildlichen Verantwortung des
Menschen vor Gott, die gute Schöpfung nicht zu mißbrauchen. Kreatürlichkeit ist nicht nur Signum der
Verletzlichkeit, sondern immer auch Forderung nach Anerkenntnis der prinzipiellen Gutheit der
Schöpfung, wie sie in Genesis 1,31 ausgesagt ist: „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war
sehr gut.“ Diese Bedeutungen verbindet der Satz im biblischen Buch der Sprüche: „Der wahrhaft
Fromme kennt die Bedürfnisse seiner Haustiere.“ (Spr 12,10), der Spruch, der zum Motto und
Leitmotiv der frühen Tierschutzbewegung wurde und die biblische Barmherzigkeitstradition in
Erinnerung hält. Wenn also Lauritz Smith von der absoluten und der relativen „Würde der Tiere“
spricht, dann rekurriert diese besondere Würde letztlich auf die Bonität der Tiere als empfindungs- und
leidensfähiger Kreaturen und als grundsätzlich guter Bestandteil der gesamten Schöpfung. Smiths
Rede von der „Würde der Tiere“ steht somit in der Bonitas-Tradition, die sich von der besonderen
gottebenbildlichen Gehorsamswürde (Gen 1,26) und von der stoischen Betonung der eminenten
Würdestellung des Menschen im Kosmos (Cicero spricht von dignitas) unterscheidet. Als gute Kreatur
hat der Mensch nach biblisch-theologischer Auffassung Anteil an der Bonitas-Würde, als
4
Mehr über die Geschichte der deutschsprachigen Tierrechts- und Tierschutzbewegung und ihre
protestantischen Hintergründe findet sich im 5. Kapitel meiner Dissertation über die „Würde der
Kreatur“, die in Kürze bei Könighausen & Neumann (Würzburg 2002) erscheinen wird.
Textausschnitte der erwähnten meist vergriffenen und vergessenen deutschsprachigen
Tierschutzschriften, aber auch der antiken philosophischen und biblischen Positionen sind
nachzulesen und aufzufinden in den Anthologien von Baranzke et al. 2000 und Linnemann 2000.
4
[email protected]
Was darf der Mensch? Tiere und Ethik
gehorsamsfähiges gottebenbildliches Wesen, neuzeitlich spricht man vom „moralischen Subjekt“, ist
der Mensch, und nur er, Träger der Dignitas-Würde. So wird deutlich, daß die schweizerische
Bundesverfassung mit einem doppelten Würdebegriff, der kreatürlichen Bonitas-Würde und der
spezifisch menschlichen Dignitas-Würde, kurz der Menschenwürde, operiert, ohne daß die Differenz
und die Relation der beiden Würdebegriffe hinreichend bewußt sind. Da es sich bei dem Begriff
Menschenwürde aber um einen moralischen, juridischen und politischen Zentralbegriff handelt, sollte
man sich der zu kurzschlüssigen Argumentationen verführenden Äquivokationen und der je
spezifischen Bedeutung der beiden verschiedenen Würdebegriffe mit ihren je eigenen
ideengeschichtlichen
und
begrifflichen
Traditionen
wie
auch
ihrer
systematischen
begründungstheoretischen Beziehung zueinander sehr wohl im Klaren sein, wenn die argumentative
Kraft dieser Wertbegriffe nicht leichtfertig verschenkt werden soll.
3. „Würde der Kreatur“ – Würde des Menschen: rechtspragmatische
Überlegungen zu einer integrativen Bioethik
Nachdem der Begriff „Würde der Kreatur“ 1992 in die Schweizer Bundesverfassung als Rechtsbegriff
eingeführt war, begann eine heftige Diskussion über seine Bedeutung und sein Verhältnis zur Würde
5
des Menschen. Denn die „Würde des Menschen“ war 1992 im Art. 24novies Abs. 1 – zeitgleich mit
der „Würde der Kreatur“ – erstmals schriftlich in den Text der Schweizer Bundesverfassung eingeführt
worden. Erst seit der Verfassungnovelle 1999 findet sich die „Würde des Menschen“ nun in Art. 7 als
Grundrecht expliziert: „Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen.“
Anders als in der Schweiz scheiterte in der Bundesrepublik Deutschland der Versuch, Tierschutz als
Staatsziel in der Verfassung zu implementieren, zum wiederholten Mal, obwohl seit 1986 die
Zweckbestimmung des deutschen Tierschutzgesetzes den Schutz von „Leben und Wohlbefinden“ des
6
Tiers „als Mitgeschöpf“ in die Verantwortung des Menschen stellt. Wie konnte in der Schweiz
gelingen, was in der Bundesrepublik Deutschland bisher nicht durchzusetzen war?
Die Frage scheint mir rechtsstrategisch beantwortbar, wenn man den wichtigen Hinweis des
Tierschutzjuristen Johannes Caspar ernst nimmt, der darauf aufmerksam gemacht hat, daß das
Tierschutzrecht als “Teilbereich des Straf- und Verwaltungs- bzw. Ordnungsrechts … notwendig
Regelungen zu Einschränkungen persönlicher Handlungsfreiheit“ enthalte, in der Tendenz also
„freiheitsreduzierend“ wirke. Caspar weiter: „Während mit der Statuierung ordnungsrechtlicher und
strafrechtlicher Normen damit der Schutz menschlicher Freiheitssphären verbunden ist, fehlt nun aber
bei
tierschützenden Vorschriften eine freiheitssichernde Schutzrichtung. Faßt man diese
Wechselbezüglichkeit der modernen Rechtsordnung, wonach die rechtliche Reglementierung
5
Ein Überblick über die erschienene Fachliteratur zu diesem Streit findet sich in meinem
Literaturbericht: Die „Würde der Kreatur“ ist unantastbar? Interdisziplinäre Studien zu einem
aktuellen Verfassungsbegriff. In: Phil. Literaturanzeiger 53. Frankfurt a. M. 2000, 291-310.
6
Zum Vergleich der juridischen Aspekte der schweizerischen „Würde der Kreatur“ und der
deutschen Tierschutz-als-Staatsziel-Diskussion vgl. meine Studie in Bobbert et al. 2002.
5
[email protected]
Was darf der Mensch? Tiere und Ethik
menschlichen Verhaltens als die Bedingung zur Erreichung eines allgemeinen Zustands optimaler
Handlungsfreiheiten fungiert, als Strukturprinzip des Rechts auf, so ergeben sich Probleme: Vor
diesem Hintergrund erweist sich, daß das Tierschutzrecht, soweit es ausschließlich
außermenschlichen Interessen zu dienen bestimmt ist, innerhalb des Rechtssystems an sich einen
Fremdkörper darstellt.“
7
In dieser Form versucht man in Deutschland die tierschutzrechtliche Exekutive verfassungsrechtlich
durch eine Staatszielbestimmung zu stärken. Die Analyse der juridischen Verhandlungen der
schweizerischen „Würde der Kreatur“ fördert demgegenüber die Einsicht zutage, daß die kreatürliche
Würde nicht in der primären Funktion eines die menschliche Freiheit einschränkenden
Tierschutzbegriffs den Sprung in die Schweizer Bundesverfassung geschafft hat, auch wenn eine
8
starke Tierschutzfraktion den Begriff in eine bereits laufende Diskussion eingebracht hat. Schon der
juridische Kontext der „Würde der Kreatur“, ehemals Art. 24novies, jüngst die Artikel 119 und 120,
sowie die 1987 vom „schweizerischen Beobachter“ eingereichte Initiative zeigen, daß
Rahmenbedingungen für die Anwendung von Fortpflanzungsmedizin und Gentechnik am Menschen
formuliert werden sollten. Der Anwendungsbereich wurde im Laufe der Beratungen mit dem Argument
über die Humanbioethik hinaus auf Tiere und Pflanzen erweitert, daß die Biotechnologien prinzipiell
auf alle biologischen Wesen anwendbar sind. Denn: Was fortpflanzungsmedizinisch und gentechnisch
mit Pflanzen und Tieren gemacht wird, kann prinzipiell auch mit Menschen gemacht werden. Aufgrund
der genetischen, zellulären und sonstigen biologischen Verwandtschaft von Pflanzen, Tieren und
Menschen sind die biologischen und biochemischen Methoden und Experimente übertragbar. So
wurde die „Würde der Kreatur“ in der Schweiz nicht als freiheitsreduzierender Tierschutzrechtsbegriff
in die Schweizer Bundesverfassung aufgenommen, sondern als ein die Menschenwürde
einschließender und diese sichernder integrativer biotechnologischer Rechtsbegriff. Auf diese Weise
gibt die aktuelle Rechtsgeschichte der schweizerischen „Würde der Kreatur“ und ihr Vergleich mit der
deutschen Tierschutz-als-Staatsziel-Bestimmung eine erste Antwort auf unsere thematische Leitfrage:
Tiere sollen auch in der Schweizer Verfassung nicht ‚um ihrer selbst willen‘ glücklich sein. Vielmehr
genießen sie in der Schweizer Bundesverfassung in Form der Bestimmung, daß ihrer kreatürlichen
Würde „Rechnung getragen werden“ soll, ein Aufenthaltsrecht aufgrund ihrer engen biologischen
Verwandtschaft mit dem Menschen, dessen besondere Würde man durch die neuen Medizin- und
Biotechniken gefährdet sieht.
Dieses auf den ersten Blick desillusionierende Analyseresultat birgt aber auch den Fingerzeig einer
erfolgsversprechenderen tierschutzpolitischen Strategie in sich. Nicht Tierschutz als altruistisches, an
die menschliche Selbstlosigkeit appellierendes Einzelanliegen im Interessenkonzert, sondern
Tierschutz als untrennbarer Bestandteil einer integrativen Bioethik hat in der Schweiz Erfolg gehabt.
7
Caspar 1999, 49.
8
Zur ausführlichen Analyse des schweizerischen Rechtsbeispiels vgl. das 1. Kapitel meiner
Dissertation oder kürzer in der rechtsvergleichenden Studie in Bobbert et al. 2002. Den besten
Überblick über die Rechtsmaterialien und das juridische Prozedere liefert Krepper 1998.
6
[email protected]
Was darf der Mensch? Tiere und Ethik
Der Slogan ‚Tierschutz ist Menschenschutz‘ bekommt in Anbetracht der tatsächlichen biologischen
Gleichheit vor den biotechnischen Experimentalmöglichkeiten eine sehr viel handfestere Basis als die
alte Begründung ‚Tierschutz als Gefühlsschutz‘ je hatte. Im biochemischen Labor herrscht eine von
jeder subjektiven Empfindung unabhängige wahrgenommene biologische Gleichheit aller
Lebensträger – Pflanzen, Tiere oder Menschen –, deren kreatürliche Bonitas-Würde grundsätzlich
durch technische Eingriffe berührt ist und für deren Verletzung daher ebenso grundsätzlich ‚gute
Gründe‘ angeführt werden müssen. Doch welche Gründe sind ‚gute Gründe‘?
4. Die harte Nuß der guten Gründe
Diese Frage nach der Identifizierung von guten Gründen führt über rechtspragmatische und politisch
strategische Überlegungen hinaus in das mühsame Feld minutiöser moralphilosophischer
Gedankenarbeit. Denn jeder Arzt kann mit bestimmten medizinischen Eingriffen die menschliche
Bonitas-Würde verletzen; von Berufswegen her betrachten wir die Verletzung der physischen – beim
Psychiater oder Psychologen auch die Verletzung der psychischen – Integrität in bestimmten
Situationen geradezu als ärztliche Pflichthandlung. Hier akzeptieren wir gute Gründe für die
Tangierung der Bonitas-Würde eines individuellen, sogar menschlichen Lebewesens um der
Erhaltung oder Wiederherstellung seines individuellen Wohls willen. Die wenigsten Menschen würden
aber den absoluten Verzicht auf Tierversuche im Dienste bestimmter dringender medizinischer
Forschung oder einen totalen Fleischverzicht bei der Ernährung teilen, wohingegen das Urteil über
Tierversuche in der Grundlagenforschung oder zu schulischen Demonstrationszwecken wie auch eine
Fleischerzeugung durch tierquälerische Massentierhaltung von den meisten Menschen nicht mehr als
gute Gründe gerechtfertigt werden. Hier wären Viele zu Einschränkungen bereit, wenn nur fair über
die Produkte informiert und diese entsprechend deklariert würden.
Unstrittige Kriterien für den Ausweis guter Gründe, die eine Verletzung, ja sogar Negierung der
grundsätzlich zu achtenden Bonitas-Würde von Lebewesen rechtfertigen, wird es wohl nie geben. Wie
heftig der Streit über solche Kriterien tobt, zeigt sich allerortens im gesamten bioethischen
Problemfeld,
sei
es
in
der
Gentechnik,
im
Bereich
der
(Xeno-)Transplantation, der
Vegetarismusdiskussion, aber auch in der humanmedizinischen Euthanasie-, Abtreibungs- oder
Stammzellendebatte. Die Palette führt noch einmal die Notwendigkeit einer integrativen, alle
Lebensformen umfassenden Bioethikkonzeption lebhaft vor Augen, denn die Bioethik verhandelt das
biologische Leben aller Lebensformen.
Aber die Wahrnehmung der Bonitas-Würde aller guten Geschöpfe Gottes ändert doch eines
grundsätzlich: Ihre Verletzung ist in jedem Fall rechtfertigungsbedürftig! Nicht nur die Verletzung der
menschlichen Integrität, sondern auch diejenige der nichtmenschlichen Lebensformen bedarf der
Rechtfertigung durch gute Gründe. Darin, quasi in der Umkehrung der Rechtfertigungspflicht, liegt die
Bedeutung der schweizerischen Rechtswendung, daß ‚der Würde der Kreatur Rechnung zu tragen‘ ist
– und das ist nicht wenig. Damit führt die schweizerische „Würde der Kreatur“ aus der jahrtausende
alten Verleugnung einer über die Gemeinschaft vernünftiger Menschen hinausgehende moralische
7
[email protected]
Was darf der Mensch? Tiere und Ethik
Verpflichtung hinaus. Die in der Schweiz zum Rechtsbegriff gewordene „Würde der Kreatur“
widerspricht der von Hesiod, Aristoteles, Epikur, den Stoikern und vielen christlichen Kirchenvätern in
unserer Kultur vertretenen Auffassung, die Menschen seien mit den „vernunftlosen Wesen“ zu
keinerlei Rechtsgemeinschaft verbunden, Menschen könnten also mit den Lebewesen umgehen, wie
9
es ihnen gerade beliebt. Aber mit welcher Begründung? Die biologische Verwandtschaft aller
Lebensformen war zwar das treibende Motiv für die Schweizer Verfassungsgeber, aber der
philosophischen Kritik hält der Verweis auf die gemeinsame Natur als moralischer Grund nicht stand.
Wenn ein Naturzustand zur Begründung moralischer Verpflichtung gemacht wird, dann lautet der
berechtigte philosophische Vorwurf: Naturalistischer Fehlschluß! In der Natur gibt es viele
Seinszustände, auch solche, die uns nicht gefallen, wie z.B. die Kindstötung in Raubtierpopulationen.
Also brauchen wir ein Kriterium, mit dem wir wünschenswerte Naturzustände von nicht
wünschenwerten Naturzuständen unterscheiden können und dieses Kriterium finden wir nicht wieder
in der Natur, sondern nur in unserem moralischen Urteilsvermögen.
Eine andere Kritik an der „Würde der Kreatur“ setzt bei der theologischen Herkunft des Begriffs an und
macht darauf aufmerksam, daß der Verweis auf den Willen des Schöpfergottes in säkularen
Gesellschaften mit säkularen Verfassungen bzw. in pluralistischen Gesellschaften mit nicht auf
bestimmte Religionen oder Weltanschauungen festgelegten Verfassungen nicht mehr auf eine
allgemeine Akzeptanz rechnen kann. Als theologische Begriffe würden die „Würde der Kreatur“ wie
auch die Mitgeschöpflichkeit das Postulat der weltanschaulichen Neutralität verletzen, wenn mit ihnen
auch theologische Begründungen für rechtliche Handlungsnormen verbunden wären. Der Vorwurf der
weltanschaulichen Gebundenheit dieser zentralen tierschutzrechtlichen Begriffe führt zu der Frage,
wie das darin zum Ausdruck kommende Anliegen säkular und in der Sprache der neuzeitlichen
Moralphilosophie begründet werden kann, um der politischen Gestaltung unserer Rechtskultur ein
argumentativ solides Fundament zu legen. Hier kann der Philosoph der Aufklärung schlechthin,
Immanuel Kant mit seinem Verständnis der menschlichen Dignitas-Würde weiterhelfen.
5. Die moralische Gretchenfrage: Welche Freiheit wollen wir?
Der Rechtsphilosoph Johannes Caspar hatte mit Bezug auf die Tierschutzgesetzgebung bemerkt, sie
wirke in der Tendenz freiheitsreduzierend und stünde der freiheitssichernden Schutzrichtung unserer
9
Diese gedankenlos anthropozentrische Haltung, die die Alltagspraxis und das Alltagsbewußtsein
der Menschen unseres Kulturkreises tatsächlich bestimmt hat und sich noch im Widerstand
unserer Diskussionslandschaft, nicht-vernünftige Lebewesen in unser Moral- und Rechtssystem zu
integrieren, spiegelt, wird den ursprünglichen philosophischen und patristischen Positionen
allerdings nur zum Teil gerecht. Denn der Umgang mit den Dingen der Welt war bei Aristoteles,
Epikur, den meisten Vertretern der Stoa und auch bei den Kirchenvätern letztlich immer an einen
tugendethischen Rahmen, an eine Ethik des guten Lebens, zurückgebunden. In diesem Rahmen
muß dieser Hinweis auf eine differenziertere Auseinandersetzung mit den genannten Positionen
ausreichen. Ihre Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte war tatsächlich vom intellektualistischen
Ausschluß der unvernünftigen Lebewesen aus jeder moralphilosophischen Reflexion bestimmt und
unsere heutigen Probleme, Naturwesen in unser Moral- und Rechtssystem zu integrieren, rühren
von der intellektualistischen Prägung der moralphilosophischen Kernbegrifflichkeit her.
8
[email protected]
Was darf der Mensch? Tiere und Ethik
modernen Rechtsordnungen somit entgegen. Die Frage ist, welche Freiheit hier gemeint ist, deren
Beschränkung auf dem Spiel steht. Geht es um die Willkürfreiheit einer grenzenlosen theoretischen
bzw. technisch-praktischen Vernunft, zu tun was einem beliebt, oder geht es um eine
Handlungsfreiheit aus moralisch-praktischer Vernunft? Diese Unterscheidung zwischen zwei zwar
gleichlautenden, aber vom Bedeutungsgehalt doch sehr verschiedenartigen Freiheitsbegriffe geht
letztlich auf Immanuel Kant zurück. Der erste liberalistische Freiheitsbegriff beschreibt die Freiheit von
jeglichem äußerem Zwang. Kant nennt ihn auch „negativer Freiheitsbegriff“ oder „Willkürfreiheit“. Der
zweite moralisch-praktische Freiheitsbegriff beschreibt die Freiheit zur Befolgung des selbst
eingesehenen Sittengesetzes, von Kant „positiver Freiheitsbegriff“ oder wahre Willensfreiheit genannt,
denn der gute Wille ist der Wille, der sich frei von Genußsucht an die Erfüllung der moralischen
Einsicht bindet. In der „Metaphysik der Sitten“ korreliert Kant nun die zwei Weisen der Vernunft- bzw.
Freiheitstätigkeiten des Menschen mit der alten naturrechtlichen Unterscheidung von „Preis“ und
„Würde“ und definiert damit seinen Begriff von der spezifisch menschlichen Dignitas-Würde. Die Stelle
lautet:
„Der Mensch im System der Natur (homo phaenomenon, animal rationale) ist ein Wesen von
geringer Bedeutung und hat mit den übrigen Thieren, als Erzeugnissen des Bodens, einen
gemeinen Werth (pretium vulgare). Selbst, daß er vor diesen den Verstand voraus hat und
sich selbst Zwecke setzen kann, das giebt ihm doch nur einen äußeren Werth seiner
Brauchbarkeit (pretium usus), nämlich eines Menschen vor dem anderen, d.i. ein Preis, als
einer Waare, in dem Verkehr mit diesen Thieren als Sachen, wo der doch noch einen
niedrigern Werth hat, als das allgemeine Tauschmittel, das Geld, dessen Werth daher
ausgezeichnet (pretium eminens) genannt wird.
Allein der Mensch, als Person betrachtet, d.i. als Subject einer moralisch-praktischen
Vernunft, ist über allen Preis erhaben; denn als ein solcher (homo noumenon) ist er nicht blos
als Mittel zu anderer ihren, ja selbst seinen eigenen Zwecken, sondern als Zweck an sich
selbst zu schätzen, d.i. er besitzt eine Würde (einen absoluten innern Werth), wodurch er allen
andern vernünftigen Weltwesen Achtung für ihn abnöthigt, sich mit jedem Anderen dieser Art
messen und auf den Fuß der Gleichheit schätzen kann.“ (MS VI 434f., § 11)
Das spannende und bisher in der Tierethikdiskussion kaum wahrgenommene an dieser Stelle ist, daß
Kant hier mit der alten anthropozentrischen intellektualistischen Naturrechtstradition bricht, aufgrund
der der Mensch schon alleine durch den Besitz theoretischer oder technisch-praktischer Vernunft eine
Würdenstellung im Kosmos innehatte. Kant widerspricht dieser Argumentationstradition und stellt den
theoretischen Verstandesmenschen ausdrücklich den Tieren gleich, ja er ordnet ihn sogar dem
beliebig einsetzbaren Geldwert unter. Nicht schon als Techniker oder als Wissenschaftler hat der
Mensch nach Kant Würde, sondern nur insofern er sich als „Person“, d.h. „als Subject einer moralischpraktischen Vernunft“ verwirklicht, d.h. für seine Tätigkeit gute moralische Gründe hat. Die besondere
Dignitas-Würde des Menschen ist für Kant in erster Linie Ausdruck der Selbstverpflichtungspflicht des
Menschen, z.B. auch dazu, die psychophysische Integrität der Tiere nicht ohne guten moralischen
Grund zu verletzen, wie er in seinem oft mißverstandenen § 17 in der „Metaphysik der Sitten“
ausführt.
10
10
Würde ist für Kant der Adel, der verpflichtet.
Für eine ausführliche Interpretation von § 17 muß ich auf das 4. Kapitel meiner Dissertation
verweisen.
9
[email protected]
Was darf der Mensch? Tiere und Ethik
Da das Bundesverfassungsgericht sich bei der Auslegung von Art. 1 GG stets selbstverständlich auf
den Kantischen Würdebegriff bezieht, schließt sich daran die politische Frage an, ob wir uns in
unserer Gesellschaft aus Gründen unserer Selbstachtung und als Ausdruck des gesellschaftlichen
Wertbewußtseins selbst darauf verpflichten wollen, dem Schutz der Tiere vor vermeidbarem Leiden
mehr rechtspragmatische Durchsetzungskraft zu verleihen, indem wir z.B. dem Tierschutz als
Staatsziel zu einer grundsätzlichen Berücksichtungsgleichheit im Verhältnis zu anderen
Verfassungsgütern verhelfen. Wohlgemerkt: Es geht nicht um natürliche Grundrechte der Tiere, die zu
deklarieren wenig bewirken würde, weil Tiere ihre vermeintlichen Rechte nicht selber durchsetzen
könnten. Hier haben die alten Natur- und Vertragsrechtstheoretiker vielleicht doch etwas Richtiges
gesehen. Es geht vielmehr um den Akt menschlicher Selbstverpflichtung „in Ansehung“ der Tiere der
eigenen Menschenwürde in einem Akt positiv rechtlicher Anerkenntnis einer Tierschutzpflicht
Ausdruck zu verleihen und dies als gesellschaftliches Wertbekenntnis in der Rechtsordnung
festzuschreiben.
So finden wir im Kantischen Menschenwürdebegriff eine philosophisch tragfähige und säkulare
Begründungsbasis für das prima-facie-Verbot einer willkürlichen Verletzung der psychophysischen
Integrität der nicht-vernünftigen Lebewesen, ihrer kreatürlichen Würde, so daß man auf dem
Fundament der Kantischen Moralphilosophie aufbauend sagen könnte: Mit der Bonitas-Würde aller
Kreatur steht und fällt die Dignitas-Würde des Menschen. Nun kann die Frage: Warum sollen Tiere
glücklich sein?, auf folgende Weise beantwortet werden: Damit wir uns als Menschen, ohne schamrot
zu werden, in die eigenen Augen gucken können.
Zitierte und weiterführende Literatur
Altner, Günter: Leben in der Hand des Menschen. Die Brisanz des biotechnischen Fortschritts.
Darmstadt 1998.
Balzer, Philipp; Klaus Peter Rippe; Peter Schaber: Menschenwürde vs. Würde der Kreatur.
Begriffsbestimmung, Gentechnik, Ethikkommissionen. Freiburg i. Br., München 1998.
Baranzke, Heike; Hedwig Lamberty-Zielinski: Lynn White und das dominium terrae (Gen 1,28b). Ein
Beitrag zu einer doppelten Wirkungsgeschichte. In: Biblische Notizen. H. 76, 1995, 32-61.
Baranzke, Heike: Die „Würde der Kreatur“ ist unantastbar? Interdisziplinäre Studien zu einem
aktuellen Verfassungsbericht. Literaturbericht. In: Philosophischer Literaturanzeiger 53, H. 3, 2000,
291-310.
Baranzke, Heike; Franz-Theo Gottwald; Hans Werner Ingensiep (Hrsg.): Leben – Töten – Essen.
Anthropologische Dimensionen. Stuttgart, Leipzig 2000.
Baranzke, Heike: Vom Wert, Nutzen und Preis des Lebens. Anthropologische Anfragen zu BSE. In:
tierrechte Nr. 15 März 2001, 6-8.
Baranzke, Heike: BSEthik: Umessen oder umdenken? In: GAIA 2/2001, Umwelt & Politik: Stichwort
17: Umwelt und Gesundheit – BSE, 142f.
Baranzke, Heike: „Würde der Kreatur“ und „Mitgeschöpflichkeit“ – Indikatoren für einen bioethisch
induzierten Paradigmenwechsel in Ethik und Recht? In: Monika Bobbert, Markus Düwell, Kurt Jax
(Hrsg.): Umwelt, Ethik und Recht. Francke. Tübingen, Basel 2002 (i. E.)
Baranzke, Heike: „Alle Tiere sind gleich“? Peter Singers Tierbefreiungsbewegung und ihre
anthropologischen und ethischen Implikationen. In: Gerhard Höver (Hrsg.): Utilitarismus in der
10
[email protected]
Was darf der Mensch? Tiere und Ethik
Bioethik. Seine Voraussetzungen und Folgen am Beispiel der Anschauungen von Peter Singer.
LIT-Verlag. Münster, Hamburg, Berlin, London 2002, (i. E.).
Baranzke, Heike: Art. „Tierethik“. In: Handbuch Ethik, hrsg. v. Marcus Düwell, Micha H. Werner,
Christoph Hübenthal. J.B. Metzler. Stuttgart, Weimar 2002 (i.E.).
Baranzke, Heike: Die „Würde der Kreatur“ ist unantastbar? Studien zum Begriff der Würde im Horizont
der Bioethik. Diss. Bonn 2001 (erscheint im Sommer 2002).
Brom, Frans W. A.: The good life of creatures with dignity. Some comments on the swiss expert
opinion. In: Journal of Agricultural and Environmental Ethics 13, 1/2, 2000, 53-63.
Caspar, Johannes: Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche
Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage. Baden-Baden 1999.
Fuchs, Gotthard; Guido Knörzer (Hrsg.): Tier, Gott, Mensch. Beschädigte Beziehungen. Frankfurt
a. M. u. a. 1998, 67-89.
Goetschel, Antoine F.: Zum Begriff „Würde der Kreatur“. In: Vom Menschenbild der Mäuse. Referate
und Texte der Tagung vom 20./21. Nov. 1993, Evangelische Akademie Boldern 1994, 37-55.
Höffe, Otfried: Moral als Preis der Moderne. Ein Versuch über Wissenschaft, Technik und Umwelt.
Frankfurt a. M. 1993.
Höver, Gerhard: Zum Stellenwert der Ethik in der gegenwärtigen biopolitischen Diskussion.
Kommentar zu den „Empfehlungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Forschung mit
menschlichen Stammzellen“ In: Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik. Bd. 6, 2001, 309-326.
Ingensiep, Hans Werner; Kurt Jax (Hrsg.): Mensch, Umwelt und Philosophie. Interdisziplinäre
Beiträge. Bonn 1988.
Ingensiep, Hans Werner: Tierseele und tierethische Argumentation in der deutschen philosophischen
Literatur des 18. Jahrhunderts. In: Internationale Zeitschrift für Geschichte und Ethik der
Naturwissenschaften, Technik und Medizin N.S. Bd. 4, Nr. 2, 1996, 103-118.
Ingensiep, Hans Werner: Personalismus, Sentientismus, Biozentrismus – Grenzprobleme der nichtmenschlichen Bioethik. In: Theory Bioscience. Formerly: Biologisches Zentralblatt 116, 1997, 169191.
Ingensiep, Hans Werner; Heike Baranzke: „Der Mensch ist, was er ißt“ – ein anthropologischer Blick
auf die abendländische Tradition. In: Heike Baranzke; Franz-Theo Gottwald; Hans Werner
Ingensiep (Hrsg.): Leben Töten Essen. Anthropologische Dimensionen. Stuttgart 2000, 23-66.
Ingensiep, Hans Werner: Geschichte der Pflanzenseele. Philosophische und biologische Entwürfe von
der Antike bis zur Gegenwart. Kröner. Stuttgart 2001.
Ingensiep, Hans Werner: Was ist Leben? Grundfragen der Biophilosophie. Jahrbuch Ökologie 2002.
München 2001, 92-102.
Joerden, Jan C.; Bodo Busch (Hrsg.): Tiere ohne Rechte? Heidelberg 1999.
Jung, Martin H.: Die Anfänge der deutschen Tierschutzbewegung im 19. Jahrhundert. In: Zeitschrift für
Württembergische Landesgeschichte 56. Jg., 1997, 205-239.
Krepper, Peter: Zur Würde der Kreatur in Gentechnik und Recht. Thesen zum gentechnischen
Umgang mit Tieren in der Schweiz unter Berücksichtigung des internationalen Rechtsumfeldes.
Basel, Frankfurt a. M. 1998.
Linnemann, Manuela (Hrsg.): Brüder, Bestien, Automaten. Das Tier im abendländischen Denken.
Erlangen 2000.
Linnemann, Manuela; Claudia Schorcht (Hrsg.): Vegetarismus. Zur Geschichte und Zukunft einer
Lebensweise. Erlangen 2001.
Münch, Paul; Rainer Walz (Hrsg.): Tiere und Menschen. Geschichte und Aktualität eines prekären
Verhältnisses. Paderborn 1998.
Niewöhner, Friedrich; Jean-Loup Seban (Hrsg.): Die Seele der Tiere. Wolfenbütteler Forschungen.
Bd. 94. Wiesbaden 2001.
11
[email protected]
Was darf der Mensch? Tiere und Ethik
Teutsch, Gotthard M.: Leben und Tod der Tiere nach dem Gleichheitsgrundsatz. Ein Bericht über die
Diskussion im deutschsprachigen Raum. In: Scheidewege 24,1994/95, 92-105.
Teutsch, Gotthard M.: Die „Würde der Kreatur“. Erläuterungen zu einem neuen Verfassungsbegriff am
Beispiel des Tieres. Bern, Stuttgart, Wien 1995.
12
[email protected]
Herunterladen