Die Rehabilitation Suchtkranker mit depressiven Störungen Prof. Dr. med. Reinhart Schüppel 13.09.16 Worum es geht Sucht und Depression Zusammenhänge Diagnostik Therapie Sucht-Reha 2 Epidemiologie Störung (12-Monats-Prävalenz) Männer Frauen Beide Psychische Störung 22% 33% 27,5% Affektive Störungen 6% 12% 9% Depression 5% 10% 7,5% Substanzstörungen 8% 4% 6% Alkoholabhängigkeit 4% 2% 3% Komorbidität (>1 Diagnose) 36% 50% 43% Jacobi et al. (2014) Nervenarzt 85: 77 3 Epidemiologie wenn wenn Sucht, Depression, dann dann ~ 25% ~ 25% Frauen: häufiger Depression bei Suchterkrankung und häufiger zuerst Depression Kessler et al. (1997) Arch Gen Psychiatry 54: 313; Schneider et al. (2001) Alcohol Alcohol 36: 219; Davis et al. (2005) Compr Psychiatry 46: 81 4 Komorbidität n=816, 14 Jahre beobachtet gleichzeitig Briere et al. (2014) Compr Psychiatry 55: 526 nacheinander 5 Sucht und Depression Zufall Sucht --> Depression Depression --> Sucht Gemeinsame Ursache 6 Sucht und Depression Zufall? Möglich, aber umso unwahrscheinlicher, je länger geforscht wird Sucht --> Depression Schädigung eines für die Depression prädisponierten Gehirns durch Suchtmittel, psychosoziale Folgen Depression --> Sucht "Selbstmedikation" der Depression mit Suchtmitteln Gemeinsame Ursachen Genetik und Neurobiologie (Schlampige Diagnostik) Quello et al. (2005) Sci Pract Perspect 3: 13 7 Genetik Einfluss der Gene auf Entstehung von Suchtstörungen ca. 50%, bei den meisten Formen der Depression geringer Wahrscheinlichkeit, Depression zu bekommen, wenn ein Verwandter ersten Grades Alkoholabhängigkeit hat: 21% (versus 7% allgemeine Bevölkerung) Aber beide Störungen sind polygenetisch Und für beide gilt: epigenetische Veränderungen während des Lebens möglich und wahrscheinlich Schuckitt et al. (1997) Am J Psychiatry 154: 948; Goldman et al. (2005) Nat Rev Genet 6: 521 8 Gemeinsame Ursachen Belohnungssystem Überstimuliert --> Sucht Unterstimuliert --> Anhedonie Russo & Nestler (2013) Nature Neurosci 14: 609 9 Neurobiologie der Depression Palazidou (2012) Br Med Bull 101:127 10 Stress: das Allschadensmittel 25 Männer bekommen Infusion und müssen Aufgabe lösen Childs et al. (2011) Alcohol Clin Exp Res 35: 1794 11 Stress: das Allschadensmittel Sinha (2008) Ann N Y Acad Sci 1141: 105 12 Anhaltender Stress Cortisol: Reaktion auf Dauerbelastung und Unterstützung dabei Energiebereitstellung Fokussierung Immunsystem Schlaf Bewegung Angst Sexualität Stimmung Evans et al. (1994) Br J Clin Psychol 33: 575 13 Diagnose Labor (Blut, Urin, Atemluft, Haare). Sucht: Hinweise auf aktuellen und vergangenen Konsum, Folgen des Konsums im Organismus. Depression: Ausschluss organische Ursache, Medikamentenspiegel Geräte (z. B. Ultraschall, Gastroskopie). Sucht: Hinweise auf Körperschäden. Depression: Hinweise für organische Genese Fragebögen. Beide: Screening, Komorbidität, Verlauf und spezielle Fragestellungen Gespräch. Beide: auch im Jahr 2016 der Königsweg zur Diagnose (und Einstieg in die Therapie) AWMF et al. (2016) S3-Leitlinie “Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen” 14 Süchtiges Syndrom Fünf "logische" Symptome Craving = Zwang Dosissteigerung = Toleranz Kontrollverlust Entzugssymptome Andere Folgen des Konsums Jorgenson et al. (2016) Child Adolesc Psychiatr Clin N Am 25: 509; Volkow et al. (2016) New Engl J Med 374:363 15 Depressives Syndrom Vier "logische" Symptome Konstant depressive Stimmung Anhedonie Verminderter Antrieb "Losigkeiten" Palazidou (2012) Br Med Bull 101:127 16 Dran Denken! 17 Schlamperei vermeiden Diagnostik von Depression bei alkohol-bezogenen Störungen "Komorbide psychische Störungen (Depressionen) sollen bei Alkoholabhängigen 3-4 Wochen nach dem Entzug auf ihre Behandlungsindikation überprüft werden." S3-Leitlinie (2016) “Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen" AWMF-Register Nr. 076-001 18 Therapie Drei Phasen der Behandlung Entgiftung Entwöhnung Rückfallprävention Potenza et al. (2011) Neuron 69: 695 19 Therapie-Dosis Intensität der Intervention bei Alkoholabhängigkeit und Depression "Eine intensivere Intervention sollte bei Personen mit komorbiden depressiven Störungen vorgesehen werden, da die Betroffenen üblicherweise schwerer gesundheitlich betroffen sind und eine ungünstigere Prognose aufweisen, als Personen mit einer einzelnen Erkrankung." S3-Leitlinie (2016) “Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen" AWMF-Register Nr. 076-001 20 Basis-Therapie 1 Psychotherapie bei alkoholbezogenen Störungen und Depression Psychotherapie soll bei Personen mit komorbiden psychischen Störungen (Depressionen) zur Besserung des Trinkverhaltens und der depressiven Symptomatik angeboten werden. S3-Leitlinie (2016) “Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen" AWMF-Register Nr. 076-001 21 Therapeutische Beziehung Anteil am Behandlungsergebnis (%) 30 40 Beziehung Technik Erwartung Extern 15 15 Lambert & Barley (2001) Psychother Theory Res Pract 38: 357 22 Basis-Therapie 2 Antidepressiva bei Depression und alkoholbezogenen Störungen "Antidepressiva sollen Patienten bei Vorliegen einer mittelschweren bis schweren Depression und alkoholbezogenen Störungen zur Besserung der depressiven Symptomatik angeboten werden." S3-Leitlinie (2016) “Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen" AWMF-Register Nr. 076-001 23 Psychopharmaka Sucht Depression Lynch et al. (2010) Biol Psychiatry 68: 774; Bloch (2013) Suchttherapie 14 - S_19_2 24 Psychopharmaka Kirsch et al. (2008) PLoS Med 5: e45 25 Therapie aus einer Hand Integrierte/Gleichzeitige Therapie bei Depression und alkohol-bezogenen Störungen "Bei Patienten mit Alkoholabhängigkeit und einer komorbiden Störung sollte die Behandlung für die beiden Störungen integriert in einem Setting bzw. durch ein Therapeutenteam erfolgen." S3-Leitlinie (2016) “Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen" AWMF-Register Nr. 076-001 26 Reha ist mehr 27 Stressmanagement Achtsamkeitstraining Krusche et al. (2013) BMJ Open 3(11): e003498 28 Stressmanagement Achtsamkeitstraining Krusche et al. (2013) BMJ Open 3(11): e003498 29 Stressmanagement Achtsamkeitstraining Witkiewitz et al. (2013) Addict Behav 38: 1563 30 Resilienz Genetik rascher Abbau Stresshormone hoher Spiegel antidepressiver Neurotransmitter Psychologische Eigenschaften Humor, Optimismus, Problemlösen, Kontrolle, Sinnhaftigkeit erkennen, Werteorientierung Unterstützung geben/bekommen, sozial eingebunden sein Gesunder Lebensstil Bewegung Ernährung Mentale Fitness Wu et al. (2013) Front Behav Neurosci:15: 10 31 Gesunder Lebensstil Gemüse/Obst: 5/Tag Aktivität: 2 Std/Woche BMI: 18,5-25 Rauchen: nein/selten Alkohol: gelegentlich (Allgemeinbevölkerung), nein (Abhängigkeit) Busch et al. (2011) RKI GBE kompakt 2 (7) 32 Bewegung Intensität nicht entscheidend Depression 4 Monate aerobes Training Sertralin Babyak et al. (2000) Psychosom Med 62: 633; Helgadóttir et al. (2016) Prev Med 91: 123 33 Bewegung Keine Evidenz für Suchtverlagerung (z. B. von Alkohol auf Sport) Lynch et al. (2010) Biol Psychiatry 68: 774; Bloch (2013) Suchttherapie 14 - S_19_2 34