Die Rolle der politischen Stiftungen in der deutschen

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Andrea Bock
April 2010
Die Rolle der politischen Stiftungen in der
schen Entwicklungszusammenarbeit
Eine Volkswirtschaftliche Analyse am Beispiel der
Friedrich Ebert Stiftung in Brasilien
Fach: Auslandsnachbereitung
Dozent: Prof. Dr. Bass
Andrea Bock
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung .......................................................................................................................... 3
2. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ................................................................. 4
2.1 Entwicklungspolitische Akteure..................................................................................... 5
2.2 Finanzierung und Ausgabenentwicklung ...................................................................... 6
3. Das deutsche Parteistiftungssystem .............................................................................. 8
3.1 Die internationale Arbeit der deutschen politischen Stiftungen: Zielsetzungen und
Arbeitsinstrumente ...................................................................................................... 9
3.2 Finanzierungstruktur und Aspekte der Autonomie ..................................................... 10
3.2 Die außenpolitische Rolle der Stiftungen.. ................................................................ .11
3.3 Die Hybridität der Stiftungen in der Weltgesellschaft ................................................. 12
4. Die aktuelle politische und wirtschaftliche Lage Brasiliens ........................................ 13
5. Die Internationale Entwicklungszusammenarbeit: Deutsches Engagement in
Brasilien ......................................................................................................................... 15
5.1 Das Spektrum der Tätigkeitsfelder ............................................................................. 15
5.2 Akteure der deutsch-brasilianischen Entwicklungszusammenarbeit ........................... 16
5.3 Motive deutschen Engagements in Brasilien ............................................................. 17
5.4 Die Friedrich-Ebert-Stiftung in Brasilien ..................................................................... 18
5.4.1 Internationale Politik ........................................................................................... 19
5.4.2 Staat und Gesellschaft ....................................................................................... 19
5.4.3 Arbeitsbeziehungen und Gewerkschaften ........................................................... 20
5.4.4 Soziale Inklusion ................................................................................................. 21
6. Globalisierung: Ein veränderter Kontext für die Entwicklungspolitik und
die deutschen politischen Stiftungen........................................................................... 22
7. Schluss ........................................................................................................................... 24
8. Anhang ............................................................................................................................ 26
9. Literaturverzeichnis ....................................................................................................... 29
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Andrea Bock
1. Einleitung
“Give a man a fish and he will eat for a day.
Teach him how to fish and he will eat for a lifetime.”
Chinesisches Sprichwort
Dieses Sprichwort ist nicht nur eine allgemeine Lebensweisheit, es verdeutlicht vor allem
auch die Herausforderungen der Entwicklungszusammenarbeit. Diese bestehen darin, die
einzelnen Länder in ihren Eigenanstrengungen zu unterstützen ihre Entwicklungsprobleme
zu lösen. Denn langfristig sind diese Länder, und nur sie, dazu in der Lage, für sich selbst
Entwicklung und Prosperität zu schaffen. Andere Staaten und internationale Organisationen
können dazu Beiträge leisten. Aus diesem Grund sind Maßnahmen zur Rechtstaatlichkeit,
zur guten Regierungsführung und zur Achtung von Grund- und Menschenrechten für demokratische Institutionen von derart herausragender Bedeutung. Sie erlauben eigenständige
wirtschaftliche und soziale Entwicklungen und ermöglichen private Investitionen und die
Entwicklung einer wirtschaftlichen Tätigkeit.
Diese Herausforderungen gewinnen zusätzlich an Gewicht durch Themen wie der Klimawandel, die Zerstörung der Regenwälder und die steigenden Aktivitäten transnationaler Terrorgruppen. Dies macht aber vor allem auch deutlich, dass kein Staat mehr in der Lage ist,
für bestimmte Probleme nur allein Politik zu betreiben. In einer Welt zunehmend schwindender nationalstaatlicher Grenzen scheint dabei die Idee einer traditionellen staatlichen Außenpolitik besonders obsolet, denn angesichts dieser sich verändernden politischen Rahmenbedingungen wird deutlich, dass besonders die klassische staatliche Außen- und Entwicklungspolitik mit ihren Institutionen und Instrumenten entscheidenden Veränderungsprozessen unterliegt. Eine solche Außenpolitik verliert tendenziell vor allem durch den Prozess der
voranschreitenden internationalen Verflechtungen ihren bisherigen Stellenwert und wird bereits
heute
durch
Aktivitäten
aus
dem
nicht-staatlichen
Bereich
ergänzt.
Hillebrand / Optenhögel machen dazu deutlich, dass diese Veränderungen den Einsatz eines außenpolitischen Instrumentariums erforderlich machen, das jenseits der klassischen
Diplomatie liegt. Stärker denn je seien demnach politische Mediatoren gefragt, die zwischen
den Subsystemen verschiedener Gesellschaften vermitteln. Gerade die im Verlauf der letzten Jahrzehnte gewachsenen Strukturen nicht-staatlicher Außenpräsenz Deutschlands stellen dabei ein Element dar, mit dem eine zukünftige „öffentliche“ Diplomatie wachsen sollte.
Die deutschen politischen Stiftungen sind Teil dieser Strukturen. Sie sind weltweit eines der
interessantesten Instrumente einer auf zivilen Einfluss basierenden Außenpolitik und haben
sich in der Vergangenheit zu einer komplementären außen- und entwicklungspolitischen Institution der Bundesrepublik Deutschland entwickelt (Hillebrandt & Optenhögel, 2001, S.
169).
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Die Rolle der Stiftungen in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit ist dabei das erste
Kernelement dieser Arbeit. Dazu sollen zunächst in Kapitel 2 die Akteure und Finanzstruktur
der deutschen Entwicklungszusammenarbeit aufgezeigt werden. Im weiteren Verlauf wird
dann das deutsche Parteistiftungssystem in Kapitel 3 erläutert.
Im zweiten Kernelement dieser Arbeit wird die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in
Brasilien erläutert. Dies wird anhand der ältesten deutschen politischen Stiftung, der Friedrich-Ebert-Stiftung, getan. Dazu wird in Kapitel 4 als erstes auf die wirtschaftliche und politische Lage in Brasilien eingegangen. In Kapitel 5 soll dann das deutsche Engagement in
Brasilien näher analysiert werden. Auf welche Tätigkeitsfelder bezieht sich das deutsche
Engagement? Wer sind hier die deutschen entwicklungspolitischen Akteure und was die Motive für die Zusammenarbeit? Dieses Kapitel setzt dabei den Fokus auf die Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung in Brasilien.
Kapitel 6 zeigt schließlich den veränderten Kontext für die heutige Entwicklungspolitik auf.
Hier geht es in erste Linie um die Frage, welche Herausforderungen sich durch die Globalisierungsprozesse für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit und speziell für die internationale Arbeit der parteinahen Stiftungen ergeben. Im Schluss soll dann zusammenfassend
noch einmal ein Blick auf die Ergebnisse dieser Arbeit geworfen werden.
2. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit
Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ist, mehr als die der meisten anderen Geberländer, durch eine Vielfalt an Instrumenten und Akteuren gekennzeichnet. Zudem ist sie gebündelt, das heißt das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit
(BMZ) ist zuständig für bi- und multilaterale Entwicklungszusammenarbeit und finanziert
durch seinen Haushalt den größten Teil der deutschen Entwicklungshilfeleistungen (BMZ).In
diesem Kapitel werden nachfolgend die einzelnen Akteure aufgezeigt sowie auf die Finanzierung und Entwicklung der Entwicklungszusammenarbeit eingegangen.
2.1 Akteure der Entwicklungszusammenarbeit
Die deutsche bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit Partnerländern basiert auf zwei
Säulen: Sie wird entweder vom deutschen Staat initiiert und organisiert oder von nichtstaatlichen Organisationen eigenverantwortlich gestaltet und durchgeführt. So umfasst die staatliche Zusammenarbeit alle Vorhaben der technischen und der finanziellen Zusammenarbeit,
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die in Verträgen direkt mit den Regierungen der Partnerländer vereinbart wurden. Mit ihrer
Realisierung beauftragt das BMZ die Durchführungsorganisationen und die Zusammenarbeit
wird vollständig aus dem Bundeshaushalt finanziert. Zu den Aufgaben dieser Organisationen
gehören dabei unter anderem die Durchführung von Projekten der finanziellen und der technischen Zusammenarbeit, die Vorbereitung und Entsendung von deutschen Fachkräften und
Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfern sowie die berufliche Fortbildung von Fachund Führungskräften aus den Partnerländern. Dabei sind die verantwortlichen Organisation
für die finanzielle Zusammenarbeit die KfW Entwicklungsbank und die Deutsche Investitionsund Entwicklungsgesellschaft (DEG). Weiterhin ist für die technische Zusammenarbeit mit
den Partnerländern die Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) tätig.
Ferner hat sich der Deutsche Entwicklungsdienst (DED) auf die Vorbereitung und Entsendung von Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfern spezialisiert. Für Personalentwicklung und Weiterbildung ist vor allem die Internationale Weiterbildung und Entwicklung
gemeinnützige GmbH (InWEnt) zuständig; Fachkräfte für die Partnerländer werden durch
das Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM) vermittelt. Daneben gibt es
weitere Durchführungsorganisationen der Technischen Zusammenarbeit, wie zum Beispiel
die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) oder die PhysikalischTechnische Bundesanstalt (PTB), welche auf einzelne Aufgaben spezialisiert sind.
Die nichtstaatliche Zusammenarbeit hingegen wird von verschiedenen gesellschaftlichen
Gruppen und Organisationen getragen und in eigener Verantwortung organisiert. Die Finanzierung dieser Zusammenarbeit setzt sich aus eigenen Leistungen der Trägerorganisationen
und aus staatlichen Zuschüssen zusammen. Zu solchen Gruppen und Organisationen gehören zum einem Nichtregierungsorganisationen und Kirchen, aber auch Sozialstrukturträger
und politische Stiftungen, auf die der Fokus in den nächsten Kapiteln gesetzt ist (BMZ).
2.2 Finanzierung und Ausgabenentwicklung
Die Entwicklungsleistungen der Geberländer werden an der sogenannten ODA-Quote gemessen, dem Anteil der öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit am Bruttonationaleinkommen. Die Quote umfasst dabei ausschließlich Zahlungen an Entwicklungsländer oder internationale Organisationen zugunsten von Entwicklungsländern (BMZ Leitfaden).
Wie nachstehende Grafik verdeutlicht, ist für Deutschland ab 1983 ein Abwärtstrend der öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit zu erkennen, der bis 1998 anhält. In
den nachfolgenden Jahren wurden die öffentlichen Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit im Trend erhöht.
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2007
2005
2003
2001
1999
1997
1995
1993
1991
1989
1987
1985
1983
1981
1979
1977
1975
1973
1971
1969
0,5
0,48
0,46
0,44
0,42
0,4
0,38
0,36
0,34
0,32
0,3
0,28
0,26
0,24
0,22
0,2
1967
%
Entwicklung der deutschen ODA-Quote
1967-2008
Quelle: Daten, vgl. UNdata / Graphik: eigene Erstellung
Für das Haushaltsjahr 2009 standen dabei dem BMZ rund 5,814 Mrd. Euro zur Verfügung,
von denen 49,2 % (2,861 Mrd. Euro) für die bilaterale staatliche Entwicklungszusammenarbeit aufgewendet wurden. Insgesamt wurde der BMZ Haushalt damit im vergangenen Jahr
um 679 Millionen Euro bzw. 13,23 % im Vergleich zum Vorjahr aufgestockt. Ferner soll durch
den Stufenplan der Europäischen Union sichergestellt werden, dass der Anteil der öffentlichen Ausgaben am BIP weiterhin steigt und damit die Millenniumsentwicklungsziele erreicht
werden können. Demnach war der Februar dieses Jahres ein wichtiger Termin, als sich europäische PolitikerInnen in Spanien trafen um über die Entwicklungszusammenarbeit zur
Bekämpfung der globalen Armut zu sprechen. Im Jahre 2010 jährt sich die Vereinbarung zu
den Millenniumszielen zum zehnten Mal: bis 2015 sollen die acht „Millennium Development
Goals“ erreicht werden. Hierzu gehört, dass (1) der Anteil der Weltbevölkerung, der unter
extremer Armut und Hunger leidet, halbiert wird, (2) alle Kinder Zugang zur Grundschulausbildung erhalten und die Rechte der Frauen im Rahmen des Ziels zur Geschlechtergleichheit (3) gestärkt werden. Ferner soll die Kindersterblichkeit verringert werden (4), die Gesundheit der Mütter verbessert (5), Malaria und AIDS bekämpft (6) sowie der Umweltschutz
verbessert (7) und eine weltweite Entwicklungspartnerschaft aufgebaut werden (8) (BMZ).
Im Jahr 2005 versprachen die Vorläufer der Hauptgeberländer für 2010 mehr für Entwicklungshilfe auszugeben. Von den 21 Mitgliedern des Ausschuss für Entwicklungshilfe, dem
Development Assistance Committee, stimmten alle 15 EU Länder dieser Vereinbarung, bis
2010 mindestens 0,51% des BIP für Entwicklungshilfe aufzuwenden, zu. Diese Aufstockung
von 0,16 Prozentpunkten, im Vergleich zum Jahr 2004, in dem der Anteil für Entwicklungsausgaben am BIP 0,35% betrug, soll besonders in Afrika dazu beitragen, dass die Millenniumsentwicklungsziele erreicht werden.
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Einige der großzügigsten Geberländer setzten sogar höhere Ziele, wie Schweden und Luxemburg, welche beide 1 % ihres BIP für Entwicklungshilfe ausgeben werden. Die offizielle
Entwicklungshilfe wird damit in diesem Jahr auf eine Rekordhöhe von $107.4 Mrd. steigen,
ein Plus von 35% im Vergleich zu 2004. In ihren neuen Prognosen zu Ausgaben für Entwicklungshilfe bemängelt die OECD jedoch, dass dies noch immer $21 Mrd.
weniger sind als zugesichert (The
Economist,Februar 2010).
In nebenstehender Graphik wird deutlich, dass vor allem Deutschland, neben Griechenland und Italien, sein
Versprechen zur Erhöhung der Ausgaben für Entwicklungshilfe in diesem
Jahr nicht einhalten wird. Die OECD
geht für Deutschland in ihrer Prognose lediglich von einem Anteil von 0,4
% am BIP aus, 0,11 Prozentpunkte
weniger als für dieses Jahr zugesagt.
Zudem wird sich aufgrund des gerinQuelle: The Economist, Februar 2010
geren Wirtschaftswachstums im Zuge
der Finanzkrise der Geldwert der
Verpflichtungen reduzieren, da sich diese auf einen Prozentsatz des Nationaleinkommens
beziehen (OECD, 2010).
3. Das deutsche Parteistiftungssystem
Das deutsche Parteistiftungssystem besteht auf Bundesebene aus sechs Organisationen,
die den im Bundestag vertretenen Parteien nahe stehen: die SPD-nahe Friedrich-EbertStiftung (FES), die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), die CSU-nahe HannsSeidel-Stiftung (HSS) , die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS) die den BündnisGrünen nahestehende Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) und die der PDS nahestehenden RosaLuxemburg-Stiftung (RLS). Die zentrale entwicklungspolitische Aufgabe der Stiftungen ist es,
Demokratie und Zivilgesellschaft nachhaltig zu fördern beziehungsweise aufzubauen. Dies
umfasst vor allem die Stärkung von Schlüsselinstitutionen einer demokratischen Gesellschaftsordnung wie Parlamente, Parteien und eine unabhängige Justiz genauso wie die Un-
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Andrea Bock
terstützung einer guten Regierungsführung und der Partizipationsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft (BMZ).
Zur Differenzierung der parteinahen Stiftungen nimmt Pascher eine Unterteilung in vier
Gruppen vor. So gehören zur Gruppe der institutionalisierten Stiftungen alle sechs Parteistiftungen, da sie staatlich finanziert sind.Von der Gruppe der etablierten Stiftungen muss die
RLS abgegrenzt werden, da diese erst seit 1999 von der Bundesregierung gefördert wird
und daher noch nicht die Rede davon sein kann, dass diese sich, vor allem nicht in ihrer
Auslandsarbeit, etablieren konnte. Zu der Gruppe der klassischen Parteistiftungen gehören
die vier traditionellen Stiftungen FES, FNSt, HSS und KAS die sich in der Nachkriegsära gebildet haben. Diese bilden das klassische Spektrum politischer Strömungen der BRD in der
Nachkriegszeit ab und haben in den letzten dreißig Jahren umfangreiche internationale und
entwicklungspolitische Arbeit geleistet. Schließlich werden in der Gruppe der großen Stiftungen die FES und die KAS von den übrigen Stiftungen abgegrenzt, da diese entsprechend
ihres Finanzvolumens und ihrer langen Erfahrung mehr Projekte und Programme durchführen können und über ein ausgeprägteres Kontaktnetz verfügen (Pascher, 2002, S. 52).
Wenngleich alle sechs Organisationen den Begriff „Stiftung“ in ihrem Namen tragen, trifft
dies ihrer rechtlichen Organisationsform zufolge nur auf die Friedrich-Naumann-Stiftung zu,
die anderen politischen Stiftungen sind der Rechtsform nach eingetragene Vereine. Das
klassische Aufgabenspektrum der Stiftungen umfasst dabei die politische Bildungsarbeit im
Inland, die wissenschaftliche Politikberatung, Tätigkeiten in der Forschung und Studienförderung sowie im internationalen Politikdialog und in der Entwicklungszusammenarbeit (BMZ).
In den folgenden Unterpunkten dieses Kapitels soll dabei auf die internationale Arbeit der
Stiftungen mit ihren Zielsetzungen und Arbeitsinstrumenten eingegangen werden, die Finanzierungsstruktur und Aspekte der Autonomie aufgezeigt werden und vor allem die Hybridität
als Besonderheit der Stiftungen hervorgehoben werden.
3.1 Die internationale Arbeit der deutschen politischen Stiftungen:
Zielsetzungen und Arbeitsinstrumente
Da mit den Stiftungsgründungen in den 1950er Jahren in erster Linie der Wunsch verbunden
war, durch politische Bildungsarbeit zum Aufbau und zur Festigung der jungen deutschen
Nachkriegsdemokratie beizutragen, beschränkten sich ihre Tätigkeiten bei Aufnahme der
Stiftungsarbeit lediglich auf das Inland. Seit Mitte der 1960er Jahre überschritten die Arbeitsfelder der Stiftungen dann mehr und mehr die nationalen Grenzen. Gemeinsames Ziel aller
parteinahen Stiftungen ist die Förderung der Demokratie. Dabei ist zu betonen, dass es für
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alle Stiftungen entscheidend ist, dass diese Unterstützung nicht von kurzzeitig technischinstrumenteller Natur ist. Stattdessen wird die Unterstützung der Entwicklung von Demokratie als ein langfristiger Prozess verstanden (Pascher, 2002, S. 65).
Generell führen alle Stiftungen Projekte durch bzw. unterstützen Entwicklungen, die zur Konsolidierung demokratischer und zivilgesellschaftlicher Prozesse beitragen sollen. Damit zielen die Stiftungen auf eine positive Beeinflussung der politischen und sozialen Rahmenbedingungen eines Landes ab. In unterentwickelten Ländern werden zum Beispiel Eliten und
gesellschaftspolitische Multiplikatoren gefördert, die zur Etablierung demokratischer StruktuZur Elitenförderung kam es erst nach einer
Schwerpunktverlagerung in den 1980er
Jahren. Bis zu dieser Zeit bestand ein Großteil der Auslandsarbeit der Stiftungen noch
in der Förderung von Basisgruppen und
sogenannten Sozialstrukturhilfeprogrammen. Diese Herangehensweise hatte dabei
vor allem das Ziel, Fuß im jeweiligen Projektland zu fassen, bis durch die Arbeit mit
Basisgruppen genug Kontakte aufgebaut
und durch die langjährige Präsenz
Vertrauen geschaffen wurde.
(Egger, 2007)
ren beitragen sollen. Dazu gehören sowohl Parlamente, Regierungsabteilungen, regierungsabhängige Institutionen und Interessengruppen als auch
Einzelpersonen. Allen Altstiftungen ist dabei gemein, dass sie politische Parteien im Gastland zu
Partnern haben, welche seit Aufnahme der Auslandsarbeit zu den wichtigsten Zielgruppen der
Stiftungsarbeit im Ausland gehören. In den Fällen,
in denen politische Parteien noch nicht fest innerhalb eines politischen Systems verankert sind,
werden sowohl Aufbau als auch Konsolidierung
demokratischer Parteien gefördert.
Dieser Typus internationalen Engagements, der politische Dialog, der gleichzeitig auch Arbeitsform und –instrument ist, ist in der Auslandsarbeit der politischen Stiftungen besonders
hervorzuheben. Durch diese besondere Form der internationalen Zusammenarbeit unterscheiden die Stiftungen sich nicht nur von anderen entwicklungspolitischen Institutionen, sie
spielen deshalb auch eine wichtige Rolle für die deutsche Außenpolitik. Darüber hinaus gehören auch wissenschaftliche Einrichtungen und Bildungsinstitute zu den bevorzugten Partnern. Insgesamt können die Stiftungen auf ein breites Spektrum von Arbeitsinstrumenten
zurückgreifen. Hierzu zählen insbesondere kurz- und mittelfristige Informations- und Ausbildungsprojekte, Tagungen, Seminare und Konferenzen, internationale Begegnungen und
Gespräche, auf längere Dauer angelegte Informations- und Studienprogramme sowie Projektarbeiten insgesamt. Ferner werden auch Kurzzeitexperten ins Projektland geschickt, verschiedene Verbreitungsmedien hergestellt sowie Sach- und Personalförderung durchgeführt,
da auch deren Einsatz stetiger Anpassung an die lokalen und regionalen Rahmenbedingungen unterliegt (Pascher, 2002, S. 59-61).
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3.2 Finanzierungsstruktur und Aspekte der Autonomie
Die Stiftungen handeln nicht im Auftrag der Bundesregierung, sondern lediglich mit ihrer Zustimmung und finanziellen Unterstützung. Hierzu erhalten alle sechs Parteistiftungen Zuwendungen aus dem Bundeshaushalt für die Bildungsarbeit im In- und Ausland, wobei diese Mittel mit rund 90% die primäre Quelle zur Finanzierung ihrer Arbeit ist. Die Stiftungen unterliegen damit der öffentlichen Kontrolle durch das Parlament und dem Bundesrechnungshof.
Der Gesamthaushalt der sechs politischen Stiftungen belief sich im Haushaltsjahr 2006 auf
etwa 364 Mio. €. Allerdings sind sie in ihrer Arbeit, der Wahl sowie der Durchführung ihrer
Projekte relativ eigenständig. Die Eigenmittel der Stiftungen, vor allem aus Spenden, machen bei allen Stiftungen einen sehr kleinen Teil aus (Andersen & Woyke, 2009, S. 576).
Hintergrund für die Finanzierung ist ein Urteil von 1966 durch das Bundesverfassungsgericht, bei dem die seit 1959 im Etat des Bundesinnenministeriums (BMI) zur Verfügung gestellten „Zuschüsse zur politischen Bildungsarbeit der Parteien“ für verfassungswidrig erklärt
wurden. Da die im Bundestag vertretenen Parteien aber auf staatliche Gelder für diese Aufgaben nicht verzichten wollten, wurde 1967 im BMI der neue Titel „Globalzuschüsse zur gesellschaftspolitischen und demokratischen Bildungsarbeit“ eingerichtet, der nun aber nicht
mehr den Parteien, sondern deren politischen Stiftungen zukommen sollte, denen damit im
Jahre 1967 bereits 9 Mio. € zugewiesen wurde (Pascher, 2002, S. 54).
Insbesondere angesichts weitverbreiteter Kritiken der Autonomie betreffend ist jedoch entscheidend, dass die Bundesregierung die Stiftungen nicht fördert um diese durch die finanzielle Abhängigkeit zu beliebigen Instrumentarien zu machen. Der Grund sind die von den Stiftungen erbrachten Leistungen, welche zwar von öffentlichem Interesse sind, vom Staat aber
nicht erbracht werden können. Diesen Zweck können die poltischen Stiftungen nur dann erfüllen, wenn sie eigenverantwortlich und frei von politischen Vorgaben und Auflagen agieren,
wobei die Grenzen ihrer Handlungsfreiheit durch die Notwendigkeit der Genehmigung ihrer
Projekte und Programme abgesteckt sind. Dabei entscheidet das Auswärtige Amt zusammen mit der Botschaft im jeweiligen Projektland über die außenpolitische Unbedenklichkeit
eines jeden Vorhabens der Stiftungen. Die Stiftungen nehmen demnach zwar auch Aufgaben im Interesse der Parteien wahr, verfolgen jedoch vor allem in ihrer internationalen Arbeit
ihre eigentlichen politischen Agenden (Bartsch, 2007, S. 281).
3.3 Die außenpolitische Rolle der Stiftungen
Fragen der Autonomie, insbesondere angesichts der finanziellen Förderung durch die Bundesregierung, umfassen aufgrund der Auslandstätigkeit der Stiftungen auch das Verhältnis
zur deutschen Außenpolitik und offiziellen Diplomatie. In den letzten Jahren reichte das
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Roman Herzog sagt dazu in seiner
Rede anlässlich der Feier zum 70.
Jahrestag der Friedrich-Ebert-
Spektrum der in diesem Zusammenhang diskutierten
Fragen von Vorwürfen, „geheime Diplomatie“ oder „Nebenaußenpolitik“ zu betreiben, bis hin zu Lobesliedern
Stiftung, dass die deutschen politi-
auf die Flexibilität und Scharfsichtigkeit der Stiftungen,
schen Stiftungen die „wirksamsten
die frühzeitig politische Kräfte in den Projektländern er-
und bewährtesten Instrumente der
kannten und förderten. Pogorelskaja spricht dabei von
deutschen Außenpolitik“ seien.
zwei Funktionen der Stiftungen, die hinsichtlich deren
internationalem Engagements Anlass zur Annahme ge-
(Pogorelskaja, 2002, zitiert nach
Herzog, 1995, S. 2)
ben, dass die politischen Stiftungen Teil des außenpolitischen Instrumentariums seien.
Dazu argumentiert sie erstens, dass die Durchführung
der Maßnahmen durch die Stiftungen im politischen und vorpolitischen Raum besonders
durch den speziellen Status der Stiftungen an Effizienz gewinnt. Wie oben erläutert, treten
diese nämlich einerseits als Nichtregierungsorganisationen auf und sind andererseits in der
offiziellen Politik verankert. Die amtliche Politik würde dadurch auf europäischer und transnationaler Ebene nicht nur begleitet und ergänzt, sondern auch entlastet. Dabei kommt besonders in den Entwicklungsländern diese begleitende und ergänzende Funktion zum Ausdruck.
Hier arbeiten die Stiftungen mit politischen Kräften zusammen, mit denen Kontakte auf offizielle Ebene aus diplomatischen Gründen nicht ratsam sind, die aber ihrem politischen Potenzial nach für die deutsche Außenpolitik wichtig sind. Zweitens können die Stiftungen dank
ihres Nichtregierungsstatus in mehreren Entwicklungsländern und Transformationsstaaten
dort engagieren, wo die deutsche staatliche Hilfe eher als Einmischung in die inneren Angelegenheiten betrachtet werden könnte. Somit können sie in der Tat dank ihrer Flexibilität dort
handeln, wo die klassische Diplomatie versagen würde (Pogorelskaja, 2002, S. 33-34).
Diese Funktionen finden vor allem Ausdruck im Begriff „Hybridität“, was zur Beschreibung
der Besonderheit der politischen Stiftungen im nächsten Kapitel dienen soll.
3.4 Die Hybridität der Stiftungen in der Weltgesellschaft
Das weltweite Engagement der Stiftungen hat diese zu einem für die Außen- und Entwicklungspolitik der BRD bedeutenden System wachsen lassen. Demokratieförderung als besondere Form von Entwicklungshilfe ist zu einer ihrer wichtigsten Aufgaben in Entwicklungsund Schwellenländern geworden. In Industrieländern hat die Organisierung des politischen
Dialogs zwischen Eliten einen herausragenden Stellenwert. Somit ergänzt die Stiftungsaußenpolitik die deutsche staatliche Außen- und Entwicklungspolitik. Diese Funktion können
die Stiftungen erfüllen, weil es sich bei ihnen um Hybride handelt. Pascher macht dabei im
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Andrea Bock
Wesentlichen drei Aspekte aus, die diese Besonderheit der politischen Stiftungen bestimmen. Zum einem bewegen sie sich neben ihrer bildungspolitischen Inlandsarbeit im außenpolitischen Institutionengebilde der Bundesrepublik Deutschland und sind damit Instrumente
der deutschen Außenpolitik. Ihre internationalen Aktivitäten werden dabei fast ausschließlich
durch staatliche Zuschüsse subventioniert, wodurch sie, wenn auch nur mäßiger, staatlicher
Kontrolle unterliegen. Zum zweiten ist ihre parteiideologische Ausrichtung auch Voraussetzung für die öffentliche Finanzierung. Gleichzeitig jedoch müssen sie sich parteifern verhalten, um finanzielle Zuwendungen zu erhalten.
Drittens weisen die Stiftungen Merkmale international agierender Nichtregierungsorganisationen auf, die sie in die Nähe der zivilgesellschaftlichen Sphäre rücken lassen (Pascher
2002, S.7 ff.). Die Stiftungen, die sich nach Bartsch als „Grenzgänger zwischen Gesellschafts- und Staatenwelt“ von anderen NROs durch ihre unmittelbare Verankerung in der
offiziellen Politik unterscheiden, und doch, zumindest aus rechtlicher Perspektive, sowohl
innenpolitisch als auch international als NROs auftreten, befinden sich somit inmitten der
vielfältigen innen-, außen- und internationalen Beziehungen, die in der heutigen interdependenten Welt nicht mehr voneinander zu trennen sind. Ein anderer Fakt gibt dabei ebenfalls
zum Anlass, die Einzigartigkeit und Besonderheit der politischen Stiftungen als Instrumente
der deutschen Außenpolitik hervorzuheben. Es lassen sich nach Bartsch in Deutschland
kaum eine relevante Gruppe oder politische Positionen finden, die auf internationaler Ebene
nicht durch Stiftungen vertreten sind und umgekehrt, dass es in den Projektländern der Stiftungen kaum gesellschaftliche und politische Gruppen von größerer Bedeutung gibt, zu denen nicht Arbeits- und Gesprächskontakte bestehen, lässt darauf schließen, dass die Büros
der Stiftungen ein einzigartiges Netz globaler sozialpolitischer Verflechtung darstellen
(Bartsch, 1998, S.192).
4. Die aktuelle politische und wirtschaftliche Lage in Brasilien
“Brazil is likely to become the world’s fifth-largest economy, overtaking Britain and France”.
So hieß es in der November Ausgabe des Economist (The Economist, November 2009).
Die Prognosen über die genauen Wachstumsraten des Landes fallen zwar unterschiedlich
aus. Dass Brasilien aber immer stärker eine Rolle als einflussreicher Akteur auf der Weltbühne zukommt, beweist neben der Forderung nach einem permanenten Sitz im UN Sicherheitsrat und die Führungsrolle in der G-20 auch seine neue Stellung im internationalen Politikdialog wie zum Beispiel bei den internationalen Bemühungen um Umweltschutz. Im Rahmen der Doha-Entwicklungsrunde der Welthandelsorganisation WTO tritt Brasilien zudem in
Fragen der Agrarpolitik und der Handelsprotektion als gewichtiger Vertreter der Interessen
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Andrea Bock
der Entwicklungsländer auf. Der Bedeutungszuwachs Brasiliens manifestiert sich außerdem
in seinem Auftreten als Entwicklungshilfegeber gegenüber anderen Entwicklungsländern in
den Süd-Süd Kooperationen. Experten sind sich zudem einig, dass das Land bis 2015 alle
Millenniumsziele erreichen wird.
In der Finanzkriese hat auch Brasilien eine Schwächung seiner Wirtschaftsleistung verzeichnen müssen, allerdings war es unter den Letzten der betroffenen Länder und unter den ersten die sich aus der Krise befreien konnten. Die Wirtschaft befindet sich bereits wieder auf
einem Wachstumspfad, und das reale BIP-Wachstum dürfte nach Schätzungen der Deutschen Bank Research 2010-2011 wieder 4-5% erreichen. Hierzu hat vor allem die gute internationale Zahlungsfähigkeit und Liquidität, aber auch die soliden makroökonomischen Rahmenbedingungen und die fiskalische Flexibilität beigetragen (Jaeger, 2010). Durch die gute
wirtschaftliche Entwicklung und die zahlreichen Sozialprogramme der Lula Regierung konnten etliche armutsreduzierende Effekte erzielt werden, welches sich auch positiv auf die Einstufung im Human Development Index (HDI) niederschlägt. Demnach hat sich die Lebensqualität in Brasilien stetig verbessert, im Vergleich zu anderen rising powers liegt Brasilien
mit Platz 75 etwa 17 Plätze vor China und 59 Plätze vor Indien (Human Development
Reports). Im „FDI Confidence Index“ für 2010 ist Brasilien sogar nach China, den USA und
Indien das Land mit der größten Attraktivität für Direktinvestitionen weltweit (ATKearney).
Die Stichworte Entstaatlichung, Einbindung in die Weltwirtschaft und die Stabilisierung der
Währung sind dabei die neuen Eckpfeiler der brasilianischen Wirtschaftspolitik, welche verschiedene Regierungen in den letzten beiden Jahren auf unterschiedlichster Weise verfolgt
haben. Hinzu kommt als wichtige Rahmenbedingung die Staatsreform, die allerdings zum
großen Teil noch unvollendet ist. Der Fokus liegt dabei auf dem Abbau struktureller Defizite
im Haushalt und der Steigerung der Effizienz staatlicher Politikbereiche. Sie geht weit über
die bloße Kürzung öffentlicher Ausgaben hinaus und umfasst beispielsweise die Umstrukturierung des Gesundheits- und Rentensystems, die Verbesserung des Bildungssystems und
die Neuordnung des Beamtenapparates. Diese Reformen verlaufen bei weitem nicht geradlinig und sind immer wieder von Widerständen und Rückschlägen betroffen. Die Modernisierungsprozesse in Politik und Wirtschaft beeinflussen sich dabei stark gegenseitig.
So falsch es demnach wäre, das „neue Brasilien“ zu unterschätzen, genauso unsinnig wäre
auch eine Unterschätzung seiner Schwächen, von denen einige erschreckend vertraut sind.
Die Wachstumsraten der Wirtschaft sind deutlich geringer als in vielen anderen Entwicklungs- und Schwellenländern. Die offizielle Arbeitslosenquote beträgt etwa acht Prozent
(2008), tatsächlich dürfte sie jedoch höher liegen. Zu den Investitionshemmnissen zählen die
hohe Steuer- und Abgabenlast, die mäßige Qualität öffentlicher Dienstleistungen, die ungleich verteilten Chancen im Bildungssystem, Mängel in der Infrastruktur – etwa bei Trans-
13
Andrea Bock
port und Energie –, ein ungenügendes Justizwesen, Intransparenz sowie zunehmende Umweltprobleme. Desweiteren wachsen die Staatsausgaben schneller als die Volkswirtschaft
als Ganzes, und mit zu niedriger Investitionsaktivität im privaten und öffentlichen Sektor wird
ein großes Fragezeichen hinter die rosigen Wachs“Brazil belongs simultaneously to
both the industrialized and the developing worlds,
where modernity and backwardness
live side by side.”
(Ministério das Relações Exteriores)
tumsprognosen gesetzt. Ferner hängen trotz jüngster
Verbesserungen Bildung und Infrastruktur hinter denen
Chinas oder Südkoreas. In Teilen Brasiliens ist brutale
Gewalt noch immer verbreitet. Trotz einer gezielten Armutsbekämpfungspolitik der brasilianischen Regierung
leben noch immer mehr als 20 Prozent der Bevölkerung
unter der nationalen Armutsgrenze, der überwiegende Teil im Norden und Nordosten des
Landes. Einkommen und Ressourcen sind extrem ungleich verteilt. Zudem ist eine weitere
der großen Herausforderungen für das Land, das wirtschaftliche Wachstum weiter anzukurbeln und zugleich die zunehmende Umweltzerstörung aufzuhalten (The Economist, November 2009). Aus diesen Fakten lassen sich bereits erste Motive für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit folgern. Vor diesem Hintergrund wird das deutsche Engagement im
nachfolgenden Kapitel, mit Fokus auf die Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung, analysiert.
5. Die Internationale Entwicklungszusammenarbeit:
Deutsches Engagement in Brasilien
Vor 45 Jahren begann die Entwicklungszusammenarbeit mit Brasilien, heute ist das Land
bereits selbst in der Lage noch bestehende Defizite, vor allem im sozialen Bereich, selbst
anzugehen und agiert nun sogar selbst als Geber in den Süd-Süd Kooperationen. Trotzdem
besteht weiterhin Interesse, sich in Brasilien zu engagieren, vor allem aufgrund der strategischen Partnerschaft mit Deutschland. Wie dabei die Spektren der deutschen entwicklungspolitischen Aktivitäten und Akteure aussehen, und insbesondere die Motive deutschen Engagements, wird in den nachfolgenden Unterpunkten dieses Kapitels erläutert.
5.1 Das Spektrum entwicklungspolitischer Aktivitäten
Die Bundesrepublik konzentriert sich in Ihrer entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit
Brasilien besonders auf politische und strukturbildende Maßnahmen in den Bereichen Menschenrechte, Wirtschaft, Energie, Umwelt, Klima sowie Arbeit und Soziales. Die Zusammenarbeit umfasst derzeit neben dem Thema erneuerbare Energien insbesondere auch Projekte
14
Andrea Bock
und Programme zum Schutz der brasilianischen Tropenwälder, Wasserver- und Abwasserentsorgung in ländlichen Regionen, industriellen und städtischen Umweltschutz sowie Maßnahmen zur Minderung der ländlichen Armut (Deutsches Generalkonsulat Porto Alegre). Zudem kommt auch dem wissenschaftlich-technologischen und kulturellen Austausch eine große Bedeutung zu, wobei die historisch starke deutsche Einwanderung nach Brasilien dabei
noch auf die Zusammenarbeit nachwirkt. Im Vergleich zu anderen emerging economies wie
China, Indien und Südafrika, erhält Brasilien jedoch die geringsten ODA-Mittel und lässt sich
nicht einmal in der Liste der Top Ten Recipients deutscher Entwicklungsleistungen in den
OECD Statistiken wiederfinden (Anhang 1). Im brasilianischen Profil der größten ODAGeberländer ist Deutschland jedoch im Jahresmittel 2007/2008 nach Japan der zweitgrößte
bilaterale Geber (Anhang 2). Insgesamt sind dabei die deutschen ODA-Leistungen an Brasilien von etwa 31 Mio. € im Jahr 1990 auf etwa 127 Mio. € im Jahr 2008 gestiegen, ein Plus
von über 300 Prozent (OECD, 2010). Weiterhin ist Deutschland seit 20 Jahren der wichtigste ausländische Finanzier zum Schutz des brasilianischen Regenwaldes (Busch, 2010, S.
14).Wie dabei das Spektrum der Akteure der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in
Brasilien aussieht, aber auch welche Motive vor allem das wachsende Engagement
Deutschlands in Brasilien hat, wird in den folgenden Unterpunkten dargelegt.
5.2 Akteure der deutsch-brasilianischen Entwicklungszusammenarbeit
Für die finanzielle Zusammenarbeit in Brasilien beauftragt das BMZ die KfW Entwicklungsbank. Diese soll Investitionen sowie Programme bezüglich makroökonomischer und sektorieller Reformen fördern. Zurzeit sind in Brasilien 38 Projekte der finanziellen Zusammenarbeit mit einem Gesamtvolumen von ca. 380 Mio. Euro in der Durchführung. In der Mehrzahl
handelt es sich dabei um Projekte in den Bereichen Trink-, Abwasser -und Energieversorgung.Im Rahmen der technischen Zusammenarbeit wiederum wird die GTZ in zwei prioritären Bereichen zur Umsetzung des deutschen Beitrags tätig. So führt sie zum einen Programme im Bereich Schutz der Umwelt und der natürlichen Ressourcen durch, wie beispielsweise im Rahmen des größten Umweltschutzprogramms zur Erhaltung der tropischen
Regenwälder Brasiliens (PP-G7). Zum anderen wird die GTZ im Bereich lokale und regionale
Entwicklung tätig, hier im Rahmen des Programms PRORENDA mit dem Ziel zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerungsgruppen mit niedrigen Einkommen.
Weitere Akteure der Entwicklungszusammenarbeit sind die InWent GmbH, welche vor allem
Weiterbildungskurse für Berufstätige öffentlicher und privater Sektoren durchführt, insbesondere im Bereich der nachhaltigen Entwicklung. Der Deutsche Entwicklungsdienst (DED) leistet seinen Beitrag über die Entsendung von Entwicklungshelfern sowie über finanzielle und
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Andrea Bock
institutionelle Förderungen, das Centrum für Internationale Migration und Entwicklung (CIM)
nimmt dabei Aufgaben der Personalvermittlung mit entwicklungspolitischen Auftrag wahr.
Neben kirchlichen Institutionen und der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) sind vor allem auch die deutschen politischen Stiftungen vertreten, wie beispielsweise die KAS, HBS oder FES (Deutsches Generalkonsulat Rio de Janeiro). In Punkt
5.4 dieses Kapitels soll dabei vor allem auf die Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung in Brasilien
eingegangen werden
5.3 Motive deutschen Engagements in Brasilien
Aufgrund seiner zentralen Rolle für die politische und wirtschaftliche Entwicklung Lateinamerikas und dem wachsendem Einfluss auch auf internationaler Ebene, gehört Brasilien neben
China, Indien, Indonesien, Pakistan, Ägypten, Nigeria, Südafrika und Mexiko zu den Ankerländern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit (BMZ).Das Land spielt für Deutschland
vor allem wirtschaftlich eine große Rolle. Brasilien ist für Deutschland der größte HandelsBrasilien und Deutschland sind in
einer strategischen Partnerschaft
verbunden. Im Mai 2008 vereinbarten dazu beide Länder in einem Aktionsplan, die Zusammenarbeit im bi- und multilateralen Bereich weiter auszubauen.
partner in Lateinamerika und Lieferant wichtiger Rohstof-
(Auswärtiges Amt, 2010)
Exporte nach Brasilien, insbesondere Fahrzeugteile,
fe. Hauptausfuhrprodukte Brasiliens sind zwar immer
noch landwirtschaftliche Erzeugnisse und mineralische
Rohstoffe, doch inzwischen gewinnt Brasilien auch mit
qualitativ hochwertigen Industrieprodukten Weltmarktanteile, so zum Beispiel im Flugzeugbau. Die deutschen
chemische Grundstoffe, Kraftfahrzeuge und Maschinen,
beliefen sich dabei im Jahre 2009 auf 6,1 Mrd. USD (2008: 8,9 Mrd. USD).
Die Importe Deutschlands aus Brasilien, hier vor allem Eisenerz, Automobile, Kaffee und
Kaffeeprodukte, Soja und Sojaprodukte, Fleisch und Fleischprodukte, lagen 2009 bei
9,8 Mrd. USD (2008: 12 Mrd. USD). Brasilien liegt damit als Abnehmerland deutscher Waren
auf Platz 22 und als Lieferland auf Platz 23. Die überdurchschnittlich positive Entwicklung
der deutschen Exporte nach Brasilien (2007: +15,7% und 2008: +28,1%) wurde 2009 durch
die globale Wirtschaftskrise gebremst. Deutschland nimmt aber weiterhin Platz 4 unter den
Hauptausfuhrländern des brasilianischen Importprofils ein (Auswärtiges Amt, 2010).
Weiterhin besitzen nirgends sonst auf der Welt deutsche Unternehmen Schlüsselpositionen
in der Industrie wie in Brasilien. Rund 1.200 deutsche Firmen haben hier bedeutende Investitionen getätigt, in Brasilien wurde mehr investiert als in China, z.B. in Automobilbau, Chemie,
Pharmazie, Elektrotechnik und Maschinenbau. Dabei ist São Paulo der größte deutsche Industriestandort außerhalb Deutschlands, hier strömen derzeit vor allen mittelständische Un-
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Andrea Bock
ternehmen dorthin. Zudem unterhält Brasilien mit keinem anderen Land der Welt so viele
Forschungsabkommen wie mit Deutschland und mit wenigen anderen Ländern ist die Zusammenarbeit bei der Berufsausbildung, mit den Universitäten und Forschungsinstituten
enger als mit Brasilien. Die deutschen Unternehmen haben Brasilien auch als einen der
wichtigsten Märkte für Umwelttechnologien erkannt: Einer Analyse der Unternehmensberatung Roland Berger in Brasilien zufolge, wird der Markt bis 2020 jedes Jahr stärker wachsen,
also möglicherweise mehr als die traditionellen Standbeine der deutschen Industrie in Südamerika, wie Automobil, Chemie und Maschinenbau (Busch, 2010, S. 13). Durch das entwicklungspolitische Engagement Deutschlands soll damit über verschiedenartige Kanäle, wie
die oben erläuterten Akteure der finanziellen und technischen Zusammenarbeit, die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen verbessert werden. Dies soll nicht nur die Ausweitung und Stärkung deutscher Investitionen oder der Handelsbeziehungen zwischen den
beiden Ländern zur Folge haben, das Engagement Deutschlands ist dabei auch auf die globalen öffentlichen Güter konzentriert, insbesondere auf den Umwelt- und Klimaschutz (KfW
Entwicklungsbank, 2009).
5.4 Die Friedrich-Ebert-Stiftung in Brasilien
Im Jahre 1976 nahm die Friedrich-Ebert-Stiftung ihre Arbeit in Brasilien mit der Landesvertretung und dem gesellschaftspolitischen Projekt ILDES (Instituto Latino-Americano de Desenvolvimento Econômico Social) auf. Heute arbeitet die FES Brasilien von São Paulo aus und
lehnt sich dazu an die für die Region formulierten Schwerpunkte an. Zusammen mit anderen
Stiftungsbüros arbeitet sie zudem zu politischen und sozialen Prozessen in Lateinamerika
sowie auf internationaler Ebene zu hochaktuellen Fragen globaler Politik. Pro Jahr führt die
FES Brasilien etwa 120 Konferenzen und Seminare durch, veröffentlicht Publikationen und
informiert über aktuelle Entwicklungen in Brasilien. Die FES kooperiert dazu neben der Regierung auch mit einer Vielfalt an zivilgesellschaftlichen Organisationen, Ministerien und wissenschaftlichen Einrichtungen. Die traditionellen und wichtigsten Partner der FES Brasilien
sind dabei die Partei PT (Partido dos Trabalhadores) und der Gewerkschaftsverband CUT
(Central Única dos Trabalhadores) (Die Friedrich-Ebert-Stiftung in Brasilien). Die heutige
Regierungspartei PT mit ihrem Präsidenten wurde dabei sowohl finanziell als auch beratend
in ihrem Aufbau und ihrer Etablierung vom Landesbüro der FES unterstützt, wodurch sich
das Spektrum des Einflusses der Stiftungen weiter abzeichnet. Dies soll vor allem in nebenstehender Box verdeutlicht werden, die eine Danksagung des brasilianischen Präsidenten
Lula an das Landesbüro der FES in Brasilien zeigt. Im Regionalprogramm der FES Brasilien
17
Andrea Bock
wurden dazu unter dem Oberziel der Demokratieförderung vier Schwerpunkte formuliert, auf
die im Folgenden eingegangen wird.
5.4.1
Arbeitsbeziehungen und Gewerkschaften
Im Rahmen des Schwerpunktes „Arbeitsbeziehungen und Gewerkschaften“ arbeitet die FES
Brasilien zu Themen wie Decent Work, Gewerkschaftliche Netzwerke und die Arbeits- und
Gewerkschaftsreform.So werden beispielsweise im Rahmen des Decent Work Programms
die Themen ArbeitnehmerInnenrechte, sozialer Schutz und Sozialdialog aufgegriffen und
unter anderem mit den Gewerkschaften, der brasilianischen Vertretung der International Labour Organization ILO und der Regierung zusammen gearbeitet. Hintergrund dieses Programms sind noch immer erschreckende Fakten. Demnach arbeitet noch immer jeder zweite
Arbeitnehmer im informellen Sektor, Frauen dabei mehr als Männer. Ein Afrobrasilianer verdient 47% weniger als Weißer, Kinderarbeit ist nach wie vor ein großes Problem und Gewerkschaften haben nach wie vor nur wenig Einfluss am Arbeitsplatz. Da solche Themen
aber immer auch mit einer sozial gerechten Politik, und damit auch mit Finanz-, Wirtschaftsund Gesellschaftspolitik einhergehen, sind auch andere Arbeitslinien der FES, wie Soziale
Inklusion und ein neues Entwicklungsmodell, darauf ausgelegt, Projekte hinsichtlich des Decent Work Themas durchzuführen.Zur Arbeitslinie Gewerkschaftliche Netzwerke soll zudem
die Förderung des Aufbaus und der Konsolidierung konzernbezogener Gewerkschaftsnetzwerke beitragen, die heute in Zeiten zunehmender globaler Verflechtungen und der ansteigenden Zahl von Multinationalen Konzernen ein wichtiges Instrument globaler Gewerkschaftspolitik sind. So sollen unter anderem regelmäßiger Erfahrungs- und Informationsaustausch zwischen den ArbeitnehmerInnen und die solidarische Kooperation untereinander
sichergestellt werden (Die Friedrich-Ebert-Stiftung in Brasilien).
5.4.2
Staat und Gesellschaft
Zusammen mit den Regierungsinstitutionen, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen fördert die Stiftungsbüro in Brasilien insbesondere Projekte, die die Themen
hinsichtlich der zukünftigen Gestaltung des Landes aufgreifen. Dies geschieht vor dem Hintergrund der anhaltenden Position Brasiliens, eines der sozial ungerechtesten Länder der
Welt zu sein. Wie im Kapitel 4 über die aktuelle wirtschaftliche und politische Situation des
Landes berichtet, ist es Brasilien trotz erfolgreichen Programmen zur Armutsbekämpfung
bisher nicht gelungen, die soziale Spaltung der Gesellschaft in den Griff zu bekommen. Vor
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Andrea Bock
dem Hintergrund jedoch des großen Binnenmarktes, einer diversifizierten Ökonomie, der
weitgehenden Energieautarkie, dem außenpolitischen Gewicht und einer lebendigen Zivilgesellschaft hat Brasilien ungleich bessere Voraussetzungen als seine lateinamerikanischen
Nachbarn, die Eckpfeiler eines neuen Entwicklungsmodells zu formulieren und schrittweise
umzusetzen. Um zudem die repräsentative Demokratie des Landes zu stärken, vor allem vor
dem Hintergrund, dass diese droht aufgrund der vielen gescheiterten Reformprozesse und
dem schwindendem Vertrauen in die PolitikerInnen dauerhaft Schaden zu nehmen, unterstützt die FES die Arbeit von Organisationen, Foren und Netzwerken. Die Schwerpunkte dieser Arbeit, die Demokratie des Landes zu vertiefen, liegen dabei neben der direkten Demokratie vor allem auf Themen der besseren gesellschaftlichen Partizipation und dem Wahlund Parteiensystem (Die Friedrich-Ebert-Stiftung in Brasilien).
5.4.3
Soziale Inklusion
In der Arbeitslinie Soziale Inklusion arbeitet die FES zu den Themen Kommunikation und
Medien, Öffentliche Sicherheit, Antirassismus, Jugend und Gender. Aus diesen Schwerpunkten lassen sich bereits weitere Herausforderungen für das Land erkennen. So setzt sich die
FES für die weitere Demokratisierung der Medien ein und fördert die Entwicklung technischer und politischer Vorschläge zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit. Für das Arbeitsfeld Antirassismus konzentriert sich die Arbeit der FES auf die Verantwortlichen, die in
der öffentlichen Verwaltung auf Ebene der Kommunen, der Länder und dem Bund die Ansätze des Antirassismus umsetzen. Ein Meilenstein der Entwicklung war die Schaffung eines
eigenständigen Sekretariats mit Ministeriumsrang in der Regierung (Secretaria Especial de
Políticas de Promoção da Igualdade Racial – SEPPIR). Weiterhin arbeitet die FES im Rahmen des Themas Jugend und Gender daran, dass sich verschiedene Akteure, wie Mitglieder
aus Jugendorganisationen oder VertreterInnen des Staates, über die Notwendigkeiten und
Forderungen der Jugendlichen austauschen und gemeinsam an Alternativen zur Überwindung ihrer sozialen Exklusion arbeiten können. Besondere Priorität hat dabei die Stärkung
Jugendlicher in den progressiven politischen Parteien und dazu besonders afrobrasilianische
Frauen - die von Armut am stärksten betroffene Bevölkerungsgruppe in Brasilien. Dies erfolgt insbesondere durch Weiterbildungs- und Austauschprogramme, wie beispielsweise die
Reise der PT Jugend nach Deutschland, wo diese sich mit der SPD Jugend, den Jusos, im
Sommer vergangenen Jahres austauschen konnten (Die Friedrich-Ebert-Stiftung in Brasilien).
19
Andrea Bock
5.4.4
Internationale Politik
Brasilien hat jüngst seinen Einfluss auf internationaler Ebene ausgedehnt und ist heute wichtiges Mitglied bei weltpolitischen Gesprächsrunden. Neben den USA, der EU und Indien ist
Brasilien ein entscheidender Akteur in der Handelspolitik geworden, eines der Gründer der
G-20 und engagiert sich mit Foren wie IBSA und BRIC heute zudem auch abseits der etablierten multilateralen Pfade. Dazu versucht die FES in diesem Arbeitsschwerpunkt, die mit
der wachsenden Bedeutung Brasiliens auf der internationalen Bühne entstehenden Herausforderungen aufzugreifen und richtet zusammen mit ihren brasilianischen Partnern und den
FES Länderbüros in New York, Genf, Brüssel und Berlin internationale Konferenzen zu aktuellen globalen Themen aus. Darüber hinaus sollen in enger Zusammenarbeit mit Organisationen der Zivilgesellschaft und Regierungsinstitutionen Projekte entwickelt werden, die die
Kapazitäten von NGOs in internationalen Fragen stärken sollen. Hierzu zählen insbesondere
Themen wie Transparenz in internationalen Verhandlungen, die Verbindung von nationaler
und internationaler Politik sowie die Förderung des Dialogs zwischen Politik und Zivilgesellschaft. Darüber hinaus arbeitet die FES im Rahmen der regionalen Arbeit mit weiteren Länderbüros der Stiftung zu Prozessen politischer Natur in Lateinamerika zusammen. Dazu gehören vor allem die regionale Integration, die in der Vergangenheit insbesondere durch miteinander konkurrierender Kooperationsprojekte, wie der MERCOSUR, UNASUR und ALBA
ins stocken geraten ist. Dies führt vor allem dazu, dass zwischenstaatliche Konflikte und außenpolitische Differenzen eher zunehmen als dass sich ein gemeines Grundverständnis über
die Mechanismen, Inhalte und Ziele einer Integration bildet. Die FES will deshalb den regionalen Dialog unterschiedlicher politischer Akteure stärken und fokussiert sich dazu neben
der regionalen Integration vor allem auf Themen zur Sicherheits- und Energiepolitik, der
Handelspolitik und der Arbeits- und Sozialbeziehungen. Mit der AG Globale Fragen ist das
Büro Brasilien in die globale Arbeit der Stiftung eingebunden, womit sie versucht, ihre internationale Arbeit den Herausforderungen der Globalisierung, wie Klima- und Sicherheitspolitik, anzupassen. Die Zusammenarbeit erfolgt dabei FES VertreterInnen aus anderen Schwellenländern sowie aus Berlin, Washington, Brüssel, New York und Genf (Die Friedrich-EbertStiftung in Brasilien).
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Andrea Bock
6. Globalisierung: Ein veränderter Kontext für die Entwicklungspolitik und die
deutschen politischen Stiftungen
Das entwicklungspolitische Engagement der Parteistiftungen unterliegt einem ständigen Anpassungsprozess an die gesellschaftlichen Bedingungen der Projektländer, denn Veränderungen der gesellschaftlichen und politischen Situation vor Ort beeinflussen die Projektarbeit
direkt. Dies lässt sich vor allem an der Stiftungsarbeit in Zentral- und Lateinamerika nachvollziehen, was bis Anfang der 1990er Jahre von politischer Instabilität geprägt war
(Pascher, 2002). Doch auch die seit einigen Jahren unter dem Stichwort „Globalisierung“
diskutierten Entwicklungen haben Auswirkungen auf die Funktions- und Wirkungsweise der
Politik und der gesellschaftlichen Institutionen. Die Nahrungsmittelkrise, die Brennstoffkrise
und zuletzt die Finanzkrise spielten sich alle auf globaler Ebene ab und verdeutlichen noch
einmal, dass es in einer Welt mit fortschreitenden globalen Verflechtungen internationaler
Lösungen bedarf und die Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit dementsprechend
angepasst werden müssen. Demnach sind der politische Dialog und die Kooperation mit anderen Gesellschaften und ihren Regierungen und internationalen Organisationen mittlerweile
überlebenswichtig. Dementsprechend gibt es in der entwicklungspolitischen Projektarbeit der
Stiftungen einige Akzentverschiebungen, die Pascher in vier Punkten zusammenfasst. Dabei
zeigt sich Erstens, dass die bisher überwiegend bilateralen Projekte zugunsten multilateraler
sowie regionaler Projekte vermindert werden. So lässt sich allgemein in der Projektarbeit in
Entwicklungs- und Schwellenländern insgesamt feststellen, dass zunehmend Regionalprojekte und weniger Einzelprojekte durchgeführt und gefördert werden. Die FES hat beispielsweise Mitte der 1990er Jahre in Singapur ein Projektbüro („Büro für Regionale Aktivitäten
Südostasiens“) eingerichtet, welches sich ausschließlich als Stützpunkt eines regionalen
Vernetzungsprojektes in der Region versteht und zum Ziel hat, länderübergreifende Aspekte
einfacher in die Stiftungsarbeiten einfließen zu lassen. Seit Ende der 1990er Jahre erfährt
auch die Arbeit der Stiftung in Lateinamerika eine Umorientierung in diese Richtung, wie am
Beispiel der regionalen Arbeit im Rahmen der Arbeitslinie „Internationale Politik“ zu erkennen
ist. Durch dieses Tätigkeitsfeld lässt sich im zweiten Punkt auch die Intensivierung des Kontaktnetzes der Stiftungen zu supranationalen und internationalen Organisationen feststellen,
wo die Förderung regionaler politischer Ordnungen, wie beispielsweise der MERCOSUR,
insgesamt gestärkt werden sollen (Pascher, 2002, S. 68). Dazu arbeitet die FES Brasilien mit
weiteren Länderbüros der Stiftung in Lateinamerika zu Themen wie regionale Integration,
Sicherheits- und Energiepolitik, Handelspolitik sowie Arbeits- und Sozialbeziehungen (Die
Friedrich-Ebert-Stiftung in Brasilien). Im dritten Punkt zeigt Pascher, dass die Globalisierungsthematik die internationale Projektarbeit insgesamt kennzeichnet. Im Rahmen der in-
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Andrea Bock
ternationalen Stiftungstätigkeit werden mit Seminaren, Tagungen, Konferenzen usw. die Folgen und Wirkmuster der Globalisierung in den unterschiedlichsten Funktionsbereichen diskutiert.
In der Projektübersicht zum Projekt „Demokratische und soziale Gestaltung der Globalisierungsprozesse in Nord und Süd“ der FES heißt es beispielsweise:
„Als Reaktion auf die Globalisierungsdynamiken
sind in einer Reihe von Schwellenländern bereits
Mechanismen und Instrumente entwickelt worden, die auf die Bildung von internationalen Allianzen und die Vertiefung von Dialogprogrammen
zwischen Nord und Süd, zwischen politischen,
sozialen und kulturellen Trägern von Entwicklungsprozessen sowie von Nichtregierungsorganisationen abzielen. Derartige Prozesse der Beteiligung des Südens an der Gestaltung von Globalisierung sollen bezogen auf die politische, ökonomische und soziale, ökologische und kulturelle
Globalisierung beraten und gestärkt werden“
(Pascher, 2002, zitiert nach FES Neuprojekt 19992002, S. 1).
Das Thema wird dabei auch von der FES im
Inland bearbeitet, die mit der „ AG Globale
Fragen“ der FES Brasilien diese Arbeit in
ihrer internationalen Tätigkeit einbindet. Viertens argumentiert Pascher, dass sich zudem
auch das Partnerspektrum der Stiftungen
ändert. Demnach suchen diese nun verstärkt
im zivilgesellschaftlichen Bereich nach neuen
Projektpartnern. Die Stiftungen erkennen
dabei, dass NGOs Träger von politischer
Entwicklung sein können und unterstützen
demnach über die Förderung von Selbsthilfeeinrichtungen hinaus die Bildung solcher
Nichtregierungsorganisationen
(Pascher, 2002, S. 70).
Weiterhin ist aus den einschlägigen Diskussionen zur Globalisierungsthematik auch eine
Verschiebung von Reichtum und Einfluss auf globaler Ebene zu erkennen. Die aufstrebenden Volkswirtschaften Chinas, Indiens und Brasiliens sind dabei ein Ausdruck dieser neuen
Entwicklung. Auch dies hat Auswirkungen auf die internationale Entwicklungspolitik. Die unter dem Begriff Süd-Süd Kooperation diskutierten Veränderungen verdeutlichen diese Reichtumsverschiebung noch einmal. So tritt Brasilien, der ehemalige größte Schuldner der Welt,
in diesen Kooperationen mittlerweile als einer
der emerging donors auf, womit der Kreis der
Entwicklungshilfegeber wächst und sich die
internationalen
Geberstrukturen
Das OECD identifizierte angesichts dieser
Entwicklung drei potenzielle Risiken:
1. „They prejudice their debt situation by
borrowing on inappropriate terms.”
2. „They use low conditionality as to postpone
necessary adjustment.”
3. „They waste resources on unproductive
investment”.
(Manning, 2006)
verändern
werden. Dabei könnten vor allem Diskussionen um normative Standards in der Entwicklungszusammenarbeit auftreten, hierzu vor allem angesichts der Frage, welche Standards
universal in der Entwicklungszusammenarbeit gelten sollten. Andererseits bieten trotz vieler
Kritiken beispielsweise die von Brasilien eingegangenen Dreieckskooperationen zwischen
emerging donor, OECD member und low income country durchaus auch Möglichkeiten für
positive Lerneffekte für alle Involvierten, sodass sich aus diesen Diskussionen auch eine
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Andrea Bock
Dialogbereitschaft entfalten muss, um den Herausforderungen dieser Entwicklungen im Zuge
des Globalisierungsprozesses gerecht zu werden (Schläger, 2007, S. 10).
7. Schluss
In den vergangenen Kapiteln wurde gezeigt, welche besondere Rolle die deutschen politischen Stiftungen in der Entwicklungszusammenarbeit und auch für die deutsche Außenpolitik spielen. Dabei wurde unter anderem auf ihre Sonderstellung in der Weltgesellschaft eingegangen, die es zusammen mit ihrem Hybriditäts-Charakter erlauben, als Grenzgänger
zwischen Gesellschafts- und Staatenwelt im Sinne der Entwicklungszusammenarbeit zu
agieren. Am Beispiel Brasilien wurde dabei aufgezeigt, wie die FES als älteste der deutschen
politischen Stiftungen diese Aufgaben der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in Brasilien wahrnimmt.
Auch wenn genaue Erfolgsprozesse ihrer Arbeit nicht präzise nachverfolgt werden können,
dies vor allem auch weil die Grenzen der einzelnen Arbeitslinien miteinander verschmelzen
und weil sich die Stiftungen der langjährigen Zusammenarbeit mit den Projektländern widmen, und auch wenn in den allseits bekannten Kritiken gern über die wirklichen Motive der
Geberstaaten diskutiert wird, lässt sich trotz alledem der positive Charakter solcher Aktivitäten, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern und in Verbindung mit den politischen
Stiftungen, nicht verleugnen. Ein Beispiel sei dabei der Aufstieg der Arbeiterpartei PT in Brasilien. Die Förderung dieses traditionellen Partners der FES Brasilien zeigt heute Früchte
nicht nur für den Demokratieprozess in Brasilien, sondern auch für die deutsche Industrie.
Wie im vorigen Kapitel jedoch auch gezeigt wurde, wächst mit den Globalisierungsprozessen
auch die politische Interdependenz von Staaten, weshalb ein Heraushalten aus entwicklungspolitischen Angelegenheiten bezüglich der Demokratieförderung, Good Governance
oder Menschenrechtschutz als nicht akzeptabel betrachtet werden muss. Diesbezüglich
wurde mit den Millenniumsentwicklungszielen global noch einmal klar gestellt, dass es besonders internationalen Lösungen zu internationalen Problemen bedarf. Die deutschen
politischen Stiftungen passen sich dabei ständig an die sich verändernden Bedingungen an,
die FES kann hier mit ihrer AG Globale Fragen wieder als Positivbeispiel genannt werden.
Allerdings muss auch hier eine Kontinuität in solchen Anpassungsprozessen sichergestellt
werden, auf Stiftungs- wie auf globaler Ebene, um den Herausforderungen der Globalisierungen sozial gerecht zu werden.
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Andrea Bock
Anhang 1
Deutschland: ODA Profil nach Empfängerländer (OECD, 2010)
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Andrea Bock
Anhang 2
Brasilien: ODA Profil nach Geberländer (OECD, 2010)
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Andrea Bock
Anhang 3
Danksagung des Staatspräsidenten von Brasilien, Luiz Inácio Lula da Silva, an die Friedrich-Ebert-Stiftung (Friedrich-Ebert-Stiftung, 2005)
„Die Geschichte der Arbeiterpartei (Partido dos Trabalhadores – PT) und der Gewerkschaftszentrale (Central Única dos Trabalhadores – CUT) ist aufs Engste mit dem Werdegang der
Friedrich-Ebert-Stiftung in Brasilien verbunden.
Über ihr Entwicklungsinstitut ILDES hat es die Stiftung verstanden, wichtige Brücken zwischen
Brasilien und Europa zu schlagen, indem sie Gewerkschafter, Vertreter politischer Parteien
sowie Intellektuelle beider Kontinente zusammenführte und damit den bedeutenden Prozess
der Erneuerung des politischen Denkens der Linken sowohl in unserem Land als auch in ganz
Lateinamerika vorantrieb.
In den nun fast 25 Jahren des Bestehens der Arbeiterpartei stand uns die Stiftung in guten
und schlechten Zeiten, die wir erlebt haben, stets zur Seite.
Gerade wenn die Schwierigkeiten am größten waren, verstand sie es, uns der internationalen
Solidarität zu vergewissern. Sie unterstützte unsere Reflexionen und Initiativen in Momenten
des sozialen und politischen Aufschwungs, als wir uns der Herausforderung gegenübersahen,
wichtige Kommunen und Bundesstaaten in Brasilien zu regieren.
Die Friedrich-Ebert-Stiftung war somit unsere Gefährtin auf dem Weg, der uns schließlich in
das Amt des Staatspräsidenten geführt hat, wo es gilt, das große Projekt des
gesellschaftlichen Wandels unseres Landes zu bewerkstelligen.“
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Andrea Bock
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