„Niemand nimmt ab, wenn er Hunger hat“ Dr.med. Matthias Riedl

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Ganzheitliche Ernährung
„Niemand nimmt ab, wenn er Hunger hat“ Dr.med. Matthias Riedl
Low-Carb-Diäten, Trinkkuren oder Diätpillen: Sie alle versprechen den
ultimativen Weg zum Traumgewicht. Langfristige Erfolge lassen sich aber in den
meisten Fällen nur durch einen individuellen Ernährungsplan erreichen.
Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO
Im Grunde wissen wir ja, was wir falsch machen: Wir essen zu viel Brot, Kuchen und
Süßspeisen und zu wenig Gemüse. Unsere Nahrung und Getränke enthalten zu viel
Zucker und Salz und wir bewegen uns zu wenig. Die Liste unserer täglichen
Ernährungssünden lässt sich beliebig fortsetzen. Ergänzt werden kann diese durch die
verschiedenen Diäten, an denen wir gescheitert sind: Zwei Wochen lang nur Rohkost,
FDH („Friss die Hälfte“) oder Trinkfasten. Die Probleme, die unsere Ernährung für
unsere Gesundheit und unser Körpergewicht mit sich bringt, sind das Fachgebiet von Dr.
med. Matthias Riedl, Diabetologe und Ernährungsmediziner im medicum Hamburg und
bekannt aus der Ratgeber-Serie „Die Ernährungsdocs“ im NDR Fernsehen: „Die größten
Probleme unserer Zeit sind meiner Meinung nach zu viel Zucker und eine mangelnde
Versorgung mit Eiweiß. Aber am wichtigsten ist es, jeden Menschen und seine
Ernährungsgewohnheiten einzeln zu betrachten und dazu eine passende Lösung zu
suchen. Ernährung ist immer individuell. Pauschale Tipps nützen gar nichts“.
„Wir brauchen einen gefüllten Magen“
Dr. Riedl hält nichts von radikalen Diäten: „Hunger ist ein archaisches Gefühl, das uns
quält. Wenn ich meinem Körper zu wenig zu essen gebe oder wichtige Stoffe weglasse,
signalisiert er mir sehr deutlich, dass ihm etwas fehlt. Man nimmt vielleicht kurzfristig
ab, aber ab einem gewissen Punkt purzeln die Pfunde dann erheblich langsamer oder
gar nicht mehr. Dann nämlich, wenn der Körper als Reaktion auf die Mangelernährung
eigene Energiesparmaßnahmen einleitet. Er passt sich an die neuen Nahrungsmengen
an und verwertet sie effizienter als zuvor. Durch diese Anpassungsfähigkeit schafft es
unser Körper, selbst bei Diäten noch Reserven zu bunkern. Spätestens dann, wenn man
trotz Hunger und Entbehrung wieder zunimmt, geben die meisten auf. Dabei war das
Scheitern von Anfang an vorprogrammiert. Niemand nimmt ab, wenn er Hunger hat“.
Dr. Riedl vergleicht eine Ernährungsumstellung gerne mit der Sanierung eines
Unternehmens, das rote Zahlen schreibt. Es mache keinen Sinn, alles umzukrempeln,
denn die Produktion müsse ja weiter gehen. Daher strukturiere man zunächst die
Bereiche um, die es am dringendsten nötig hätten. Dr. Riedl nennt dies sein „20/80Prinzip“: 20 Prozent unserer Ernährungsmuster kommen auf den Prüfstand und sollen
geändert werden. 80 Prozent bleiben wie sie sind. So könnten zwar Erfolge erzielt
werden, Lebensqualität und Spaß aber blieben erhalten. Und dazu gehöre auch ein
ausreichend gefüllter Magen.
Qualifizierte Ernährungsmedizin statt Diätmythen aus dem Internet
Vermeintlich gute Tipps gibt es zuhauf von Freunden oder im Internet. „Aber wenn diese
so gut wären, würden nicht so viele Menschen an Diäten oder anderen Selbsthilfekuren
scheitern“, so der Hamburger Ernährungsmediziner Riedl, „Der Erfolg unserer
Methoden beruht auf der Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse, kombiniert mit
einer psychologischen Begleitung und vielen Hilfestellungen für den Patienten“. In
einem ersten Schritt wird das persönliche Ernährungsverhalten analysiert – was läuft
gut und was nicht. In einem zweiten Schritt erfolgt dann das langsame Herantasten an
eine mögliche Ernährungsumstellung. Dabei müssen unbedingt die Vorlieben der
Patienten beachtet werden, mahnt Dr. Riedl: „Jemandem, der gerne herzhaft isst, ständig
Obst anzudrehen, wird langfristig nicht von Erfolg gekrönt sein. Auch allgemeine
Ratschläge, z.B. mehr Gemüse zu essen, reichen nicht aus. Wir machen konkrete
Vorschläge und liefern Rezepte. Zudem besprechen wir regelmäßig, ob der Patient damit
im Alltag zurechtkommt. Wenn nicht, probieren wir die nächste Strategie. So lange, bis
es passt und wirkt“.
Wirksame Tricks gegen Naschen und Heißhunger-Attacken
Der Trend zu vielen kleinen Snacks und Mahlzeiten ist längst überholt. Heutzutage
befürworten Ernährungswissenschaftler maximal drei, bestenfalls sogar nur zwei
Mahlzeiten am Tag. Leider entspricht dies aber nur dem Verhaltensmuster sehr weniger
Menschen. Die meisten genießen mindestens drei Mahlzeiten am Tag und zusätzlich
mehrere kleine Snacks oder etwas Süßes zwischendurch. „Hier kann man sich mit
kleinen Tricks aushelfen“, rät Ernährungsprofi Dr. Riedl. „Wer beim Autofahren gerne
mal zu Süßigkeiten greift, sollte stattdessen lieber eine kleine Tüte Nüsse im
Handschuhfach vorrätig haben. Nüsse enthalten gute, ungesättigte Fettsäuren, machen
satt und liefern durch Mineralstoffe wie Kalium und Magnesium schnelle Energie. Oder
man versucht mal, den Genuss eines Schokoriegels durch eine gemütliche Tasse Kaffee
auszutauschen“. Wer dagegen regelmäßig unter Heißhunger-Attacken leidet, müsse vor
allem seine Hauptmahlzeiten überdenken. Vielleicht sei die Menge oder die
Zusammensetzung des Frühstücks oder Mittagessens nicht ideal gewesen. In den
meisten Fällen, so Dr. Riedl, stimme die Eiweißaufnahme nicht. Der Körper benötigt eine
ausreichende Versorgung mit Eiweiß zum Aufbau und Erhalt der Muskeln. Außerdem
sorgt Eiweiß für ein anhaltendes Sättigungsgefühl – der beste Garant Heißhunger.
Ganzheitliche Ernährung als Heilmittel bei Krankheiten
Ob Nierenschwäche, Asthma, Arthrose oder Krampfadern – viele Beschwerden lassen
sich durch eine gesunde Ernährung lindern, betont Dr. Riedl: „Wenn zum Beispiel ein
Diabetes im frühen Stadium diagnostiziert wird, ist er zu 70 Prozent heilbar. Aber auch
bei einer bestehenden Erkrankung kann man häufig die Medikamentendosis deutlich
reduzieren. Dies gilt auch für Rheuma, Darmerkrankungen, Gicht oder Multiple Sklerose,
eigentlich für fast alle Krankheiten. Ich hatte vor einiger Zeit einen Patienten, der etwa
150 kg wog und an einer schweren Schlafapnoe litt. Wir haben es nicht nur geschafft,
dass er innerhalb von drei bis vier Monaten gut 17 Kg abgenommen hat, sondern
dadurch auch seine Atemprobleme beseitigt“. Selbst bei Krebserkrankungen mit
schlechter Prognose könne eine gesunde Ernährung Wunder wirken, erklärt Dr. Riedl.
30 Prozent aller Krebspatienten sterben an Mangelernährung. Zwar könne er den Krebs
nicht heilen, so der Ernährungsmediziner, aber immerhin die Lebenserwartung und die
Lebensqualität der Erkrankten deutlich erhöhen.
Ganz gleich welche Ursache unsere Ernährungsprobleme haben, ob ihnen Krankheiten,
Unwissenheit oder schlechte Verhaltensmuster zu Grunde liegen – Dr. Riedl ermutigt
alle Betroffenen, auf keinen Fall aufzugeben: „Jeder kann es schaffen, seine Ernährung
umzustellen und gesünder zu leben. Wenn es bisher nicht geklappt hat, war es einfach
nur die falsche Methode“.
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