Rettung für kaputte Bandscheiben (Sendungen im MDR und NDR) INHALTSVERZEICHNIS: Allgemeines Rückenschmerzen – ein Volksleiden Querschnittslähmung Schmerzgedächtnis löschen Sport macht stark Ganzheitl. Konzepte bei chron. Rückenschmerzen Das Recht auf Schmerzbehandlung Neuartige Bildgebung während der Operation Medikamentenpflaster verspricht Sicherheit und Komfort Ein aufrechter Rücken ist ein starker Rücken Bandscheibenprothese – wann ? NACHTRAG Bandscheibenvorfall (BR) Nach dem Bandscheibenvorfall – Schmerzen (RBB) Bandscheibenprobleme (WDR 13.7.2009) 1 1 2 3 4 4 4 5 5 6 7 8 9 10 Allgemeines Der aufrechte Gang macht den Menschen einmalig, aber auch anfällig. Seit sich unsere Vorfahren aus dem Vierfüßler-Stand erhoben haben, hat sich die Wirbelsäulenstatik und mit ihr die gesamte Belastbarkeit des Rückens verändert. Lendenwirbel- und Halswirbelsäule sind wegen der anatomischen Verhältnisse unsere besonderen Schwachstellen. Zwischen nahezu allen Wirbelkörpern der menschlichen Wirbelsäule lagern Zwischenwirbelscheiben, auch Bandscheiben genannt. Diese ringförmigen Gebilde bestehen aus kollagenen Fasern und einem gelartigen Kern aus wasserreichem Gewebe. Er kann Flüssigkeit aufnehmen und abgeben. Durch die Druckbeanspruchung während des Tages sind die Gallertkerne abends platter als morgens. Im Liegen quellen sie wieder auf. Die Bandscheiben nehmen in ihrer Funktion als Polster Druck auf und geben ihn auch wieder ab. Sie verbinden die Wirbelkörper, indem die Fasern des Außenringes in die Deckplatten der Wirbelkörper einstrahlen. So können sich die Knochen so nur wenig gegeneinander verschieben. In gewissem Umfang lassen die Bandscheiben aber auch Bewegungen zu. Rückenschmerzen – ein Volksleiden Bewegungsmangel, aber auch Fehlbildungen und Fehlhaltungen auf Grund einer nur schwach ausgeprägten Rumpfmuskulatur, führen zu einem vorzeitigen Verschleiß der Wirbelsäule. Kommen noch eine angeborene Bindegewebsschwäche des Bandscheibenknorpels, ungünstige Arbeitspositionen, wie ständiges Sitzen, eine plötzliche Drehbewegung des Rumpfes (häufig bei Golfspielern) oder schweres Heben und Schieben hinzu, kann ein Bandscheibenvorfall ausgelöst werden. Risse und Auswölbungen am Faserring gehören zu den normalen Abnutzungserscheinungen. Dadurch kann sich jedoch der Gelkern vorwölben oder schließlich ganz herausgedrückt werden (Prolaps = Bandscheibenvorfall). Das kann im Prinzip jede Etage der Wirbelsäule betreffen, am Seite 1 von 21 häufigsten aber die Lenden- und Halswirbelsäule. Bei einem Bandscheibenvorfall wird ein Nerv gereizt oder einklemmt. Aus dem Rückenmark, das von den Bögen der Wirbelkörper umschlossen wird, treten Nerven aus, die in enger Nachbarschaft zu den Bandscheiben liegen. Der vorgewölbte Kern kann auf diese Nerven drücken und zu unerträglichen Schmerzen führen. Treten Lähmungen oder Empfindungsstörungen auf, ist eine Operation meist unumgänglich. Notfall Querschnittslähmung Querschnittslähmungen und ihre Folgen sind einschneidende Ereignisse im Leben eines Menschen. Die aus einer Rückenmarksschädigung resultierenden neurologischen Ausfälle und Beeinträchtigungen sind vielfältig. Sie betreffen nicht nur Motorik, Sensibilität und vegetative Funktionen des Patienten, wie das Wasserlassen und das Entleeren des Darms, sondern können auch beträchtliche psychosoziale Folgen für die Betroffenen haben. Das Rückenmark bzw. die abgehenden Nerven können durch alles, was Druck auf sie ausübt, ob Knochen-stücke, eine Blutung, ein Abszess oder "drückendes" Tumorgewebe eine Schädigung mit nachfolgendem Funktionsausfall erleiden. Ein akutes Querschnittssyndrom kann also auch bei einem oder mehreren Band-scheibenvorfällen auftreten, die das Rückenmark oder die dort austretenden Rückenmarksnerven (Spinalnerven) bedrängen. An der Lendenwirbelsäule kann das der klassische "Hexenschuss" sein. Wird der Nerv zunehmend eingeengt, strahlt der Schmerz über typische Schmerzstraßen meist in ein oder auch in beide Beine aus. Im Verlauf kommt es dann zu einer zunehmenden Schwäche und Gefühlsminderung der unteren Extremitäten. Es kann zu Stolpern und Stürzen kommen. Im schlimmsten Fall treten zusätzlich Blasen- oder Darmstörungen auf, die z.B. zu unkontrollierten Urinentleerungen führen. Langfristig kann es auch zu unkoordinierten Bewegungsstörungen der Beine mit Lähmung und teilweise einschießenden Muskelspasmen kommen. Schnelles Handeln ist wichtig Das Auftreten einer akuten Querschnittslähmung ist eine medizinische Notfallsituation und erfordert unverzüg-liches Handeln. Dies ist vor allem deshalb wichtig, weil durch eine rasche Therapie die Prognose in vielen Fällen verbessert und das Ausmaß der eventuell anhaltenden Defizite entscheidend reduziert werden kann. Am Anfang steht eine Magnetresonanztomographie (MRT), damit eine entzündliche oder nichtentzündliche Bedrängung des Rückenmarks, die zu einer Querschnittslähmung führen kann, erkannt wird. Ist der Auslöser gefunden, schließt sich unmittelbar eine Operation mit Entlastung des Rückenmarks an. In Mitteldeutschland ist u.a. das Zentrum für Rückenmarksverletzte der Kliniken Bergmannstrost in Halle/Saale auf Schädigungen des Rückrates spezialisiert. Querschnittsgelähmte, Unfallopfer sowie Menschen mit einem massiven Bandscheiben-schaden, können hier behandelt und deren Angehörige beraten werden. Eine auf die Belange der Querschnitt-gelähmten abgestimmte medizinische Therapie dieses komplexen Krankheitsbildes bemüht sich um die frühzeitige Erkennung und Durchführung von Maßnahmen zur Vermeidung einer Vielzahl von Folgeerkrankungen und Folgeschäden wie z.B. Lungenentzündungen, Thrombosen, Lungenembolien, Hautweichteilschäden, Weichteilverknöcherungen, Spastik, Darm- und Blasenlähmung, Wirbelsäuleninstabilität und Schmerzen. Auch Kreislaufstörungen bis hin zu Herzfrequenzänderungen mit plötzlichem Herzstillstand können durch die Rückenmarkschädigung ausgelöst werden. Letzter Ausweg: Operation Bandscheibenoperationen im Lenden- und Halswirbelsäulenbereich werden in der Regel mikroskopisch durchgeführt. Der Hautschnitt kann so relativ klein gehalten werden und der Patient Seite 2 von 21 wird durch die Art des mikrochirurgischen Vorgehens weniger belastet. Inwieweit zusätzlich stabilisierende Titanimplantate oder eine künstliche Bandscheibe eingesetzt werden müssen, ist vom Ausmaß der Schäden und von der Verfassung des Patienten abhängig. Fachgesellschaften warnen jedoch vor Operationen bei ausschließlichen Rückenschmerzen. Selbst Patienten mit starken Schmerzen kann eine spezielle Schmerztherapie wirksam helfen. Eine Operation ist demnach nur bei akuten Lähmungen oder einer Querschnitts-Symptomatik erforderlich. Mit System das Schmerzgedächtnis löschen Viele Rückenbeschwerden resultieren aus einer falschen Körperhaltung, Verschleiß der Bandscheiben und Wirbelgelenke stecken nur selten dahinter. Die Schmerzen sind deshalb nicht weniger schlimm und verselbständigen sich mit der Zeit sogar. Mit den richtigen Maßnahmen kann vielen Betroffenen jedoch wieder zu einem schmerzfreien Leben verholfen werden. Rückenschmerzen und ihre Folgen sind keine rein körperlichen Beschwerden, sondern sind verbunden mit sozialen, psychologischen und arbeitsplatzbezogenen Faktoren wie Stress, Sorge und Angst. Schmerzen verursachen, wenn sie lange bestehen, Störungen am Nervensystem. Der Patient wird durch den Schmerz immer empfindlicher. Chronische Schmerzen beeinflussen Partnerschaft, Familie und soziales Umfeld und hinterlassen gewissermaßen Spuren in der Seele. Eine wirksame Vorbeugung und Therapie muss dies berücksichtigen. Ob das Problem chronischer Rückenschmerz schon von Anfang an bei den Wurzeln gepackt wird, entscheidet über den Verlauf. Tatsächlich werden aber oft Diagnosen festgestellt, von denen viele nicht zu der richtigen Behandlung führen. Bildgebende Verfahren wie Röntgen oder Magnetresonanztomographien (MRT) werden oft überbewertet. Schon bei beschwerdefreien 20- bis 30-Jährigen lassen sich bei einer Kernspinaufnahme Auffälligkeiten entdecken. Lässt sich in einer solchen Aufnahme „etwas feststellen", glaubt der Patient felsenfest daran. Das kann schnell zu einer Verstärkung der Beschwerden führen und den chronischen Verlauf noch fördern. Beim klassischen Rückenschmerzpatienten ist aber durch eine gründliche Untersuchung in bis zu 90 Prozent der Fälle eine Fehlhaltung und Fehlfunktion mit Verspannungen der Muskulatur und Sehnen als Ursache des Kreuzschmerzes festzustellen und nicht wie oft vermutet in verschleißbedingten Veränderungen der Bandscheiben oder Wirbelgelenken. Betroffen sind vor allem Büroangestellte und Arbeiter, die schwere Lasten heben, Vibrationen ausgesetzt sind oder immer die gleiche Bewegung ausführen, wie Fließbandarbeiter – aber auch Musiker. Auch Berufe in stehender Arbeitshaltung fordern "Rückenzoll". Da ein Großteil der zivilisationsbedingt auftretenden Rückenbeschwerden aus falscher Körperhaltung resultiert, lässt sich somit eine Vielzahl auch durch intensiv-physiotherapeutische und rehabilitative Maßnahmen behandeln. Die deutsche Rentenversicherung, die komplexe Behandlungsprogramme (ambulante oder stationäre Rehabilitation) finanziell unterstützt, formuliert in ihren Leitlinien zur Rehabilitation von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen das Ziel, für die Betroffenen gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu fördern. Alle Maßnahmen zur Rehabilitation sollen alltagstaugliche, stabile Lebensstiländerungen schaffen. Die drei Hauptsäulen sind dabei: Bewegungstherapie, verhaltenstherapeutische Maßnahmen und Rückenschulung. Seite 3 von 21 Sport macht stark Welche Auswirkungen sportliche Aktivitäten auf die Psyche haben, erforscht Prof. Dr. Oliver Stoll. Er ist Leiter des Arbeitsbereiches Sportpsychologie, Sportpädagogik und Sportsoziologe an der MartinLuther-Universität Halle-Wittenberg. Sport hilft Krankheiten vorzubeugen, aber auch schneller wieder gesund zu werden. Der gesundheitsfördernde Effekt von Sport ist unbestritten. Dass jedoch regelmäßiges und gezieltes Krafttraining der Rücken-, Bauch- und Beinmuskulatur Schmerzen dauerhaft und ohne Schmerztabletten lindern kann, wird erst denen bewusst, die es am eigenen Leib erfahren haben. Zu Beginn lernt der Patient Entspannungstechniken, bei denen die betroffenen Muskeln für einige Sekunden angespannt werden. Das führt zu einer tieferen Entspannung als in der Ausgangslage und ist eine hochwirksame Technik. Auf diese Art lässt sich jeder einzelne Muskel trainieren - ein ideales Programm, das der Patient dreimal täglich zu Hause ausführen sollte. Dieses Einsteigerprogramm kann häufig schon bestimmte Fehlhaltungen ändern. Ist die Koordination wiederhergestellt, beginnt das aktive Trainieren zum Aufbau der verkürzten oder nicht ausreichend leistungsfähigen Muskeln, zuerst mit Krafttraining, später mit Ausdauertraining. Dabei kommt es auch zur Ausschüttung von körpereigenen Glückshormonen, die das Wohlbefinden steigern und die Schmerzen lindern. Ganzheitliche Konzepte bei chron. Rückenscherzen Schon seit einiger Zeit setzt sich ein ganzheitliches Konzept bei chronischen Rückenschmerzen durch. Rehabilitationskliniken, Schmerzambulanzen und spezialisierte Praxen erzielen schon nach wenigen Wochen erste Erfolge. Nicht nur Übergewicht, sondern auch die Last, die wir im Alltag praktisch auf unseren Schultern tragen, belastet unseren Rücken. Um einem chronischen Verlauf vorzubeugen, ist die Aktivierung und Mitarbeit des Patienten notwendig, denn der Teufelskreis aus Verspannung durch Fehlhaltung ist nur durch Muskelaufbau und Verhaltenstherapie zu durchbrechen. Entsprechende Konzepte können aber nur wirken, wenn sie so umfassend sind wie das Krankheitsbild selbst und dem Patienten realistische Erwartungen vermitteln. Tabletten oder Spritzen allein führen nicht zum Ziel. Voraussetzung für eine Mitarbeit des Kranken ist die Aufklärung über die Entstehung und Wirkungsweise der Schmerzen. Das kann bei einem oft jahrelangen Leidensweg nicht von heute auf morgen geschehen. Die Behandlung ist deshalb langfristig angelegt und erfordert Geduld. Recht auf Schmerzbehandlung Der Arzt hat eine rechtliche und moralische Verpflichtung, Schmerzen zu behandeln. In der Berufsordnung für Ärzte ist die Aufgabe "Leiden zu lindern" festgeschrieben. Auch die im Grundgesetz verankerten Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit gehören zu den Quellen der Rechte von (Schmerz-)Patienten und regeln deren Ansprüche gegenüber Ärzten, Kliniken und den Krankenkassen. Die Schmerzmedizin kann jedoch nicht alle Pein beseitigen. Darum haben Patienten kein Recht auf Schmerzfreiheit, aber ein Recht auf Schmerztherapie, sagt Torsten Kupka, Arzt für spezielle Schmerztherapie, der in Dresden eng mit anderen Therapeuten des Regionalen Schmerzzentrums der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie zusammenarbeitet. Er unterstreicht, dass jeder Arzt verpflichtet ist, sich auf den aktuellen Stand der medizinischen Kenntnisse fortzubilden. Diese Fortbildungsverpflichtung wird von den Landesärztekammern kontrolliert. Die Ärzte kommen in der Regel dieser Verpflichtung auch nach. Dennoch erhält auch im Jahr 2009 noch immer ein erheblicher Anteil der Patienten mit chronischen Schmerzen entweder gar keine oder zumindest keine ausreichende Schmerzbehandlung. „Das hat viele Ursachen: Defizite in der Ausbildung und Zeitdruck bei den Ärzten, gesetzlich verordnete Sparmaßnahmen und eine zu geringe Zahl an qualifizierten Einrichtungen“, so Torsten Kupka: "Wenn man sich zahlenmäßig die Verteilung der Schmerzzentren Seite 4 von 21 anschaut, dann ist es schon so, dass es in den Städten, den Ballungszentren eine große Zahl von Schmerztherapeuten gibt, aber relativ gesehen im Umland weniger Schmerztherapeuten tätig sind. Und davon kann man natürlich ableiten, dass die Wartezeiten länger sind und dass dort auch Versorgungsengpässe durchaus vorhanden sind." Nicht jede dieser Ursachen können PatientInnen beseitigen – eine schon: Informationen über die eigenen Rechte und Pflichten als Patient kann man sich beschaffen, und Wissenslücken über Konzepte und Möglichkeiten der Schmerzmedizin lassen sich füllen. Der Patient muss immer auch selbst aktiv werden, wenn er an seiner Situation etwas ändern will. Eine Untersuchung von Wissenschaftlern der Berliner Charité aus dem Jahr 2005 zeigt, dass im Schnitt zehn Jahre vergehen, bis Patienten mit chronischen Rückenschmerzen erstmals zu einem Schmerztherapeuten kommen. Meint ein Patient dennoch, dass ein Arzt ihn falsch behandelt oder ihn unnötig hat leiden lassen, kann er rechtlich gegen ihn vorgehen. Möglich ist eine Klage vor Gericht. Doch Juristen bezweifeln, dass eine Strafanzeige in solchen Fällen die beste Strategie ist. Betroffene können sich zunächst an die Schlichtungsstellen der Ärztekammern wenden, die die Beschwerde kostenlos prüfen und versuchen, eine gütliche Einigung herbeizuführen. Neuartige Bildgebung während der Operation Nach wie vor kommt es vor allem auf den Chirurgen und die anderen Ärzte an, wenn operiert wird. Doch neue Technik unterstützt die Mediziner enorm. Ein spezielles System macht jetzt komplizierte Eingriffe an der Wirbelsäule sicherer. Die erste Installation des Bildgebungssystems "O-Arm" wurde in Europa Anfang 2007 bekannt gegeben. Die Technik wurde speziell für die Wirbelsäulenchirurgie entwickelt, ist aber auch schon in der Neurochirurgie bei Operationen am Schädel eingesetzt worden. Es gibt nur wenige Kliniken außerhalb Amerikas, die dieses kostspielige Gerät seitdem im Einsatz haben. Das Wirbelsäulenzentrum des Park-Krankenhaues Leipzig gehört seit kurzem dazu. Der "O-Arm" ist ein Röntgengerät, das dem Aussehen nach dem Buchstaben "O" gleicht, eine ähnlich hohe Bildqualität besitzt wie ein Computertomograph, aber viel kleiner und vor allem mobil ist. Außerdem ist die Strahlenbelastung geringer. Es kann in jeder Phase einer Operation Röntgenbilder liefern, ohne dass der Patient den Ort wechseln muss. Das ringförmige Gerät wird direkt an den OP-Tisch gerollt und über den Patienten geschoben. Nach der Aufnahme mit einer hochauflösenden Schnittbildkamera schwenkt der "O-Arm" beiseite, damit die Ärzte weiter operieren können. Das System ermöglicht so schnell und unmittelbar dreidimensionale Bilder in jeder gewünschten Position, so dass der Erfolg des Eingriffes noch während der Operation überprüft werden kann, ohne den Zugang zum Patienten zu behindern. Als Besonderheit kann das Gerät durch ein elektromechanisches Positionierungssystem beliebig oft exakt an die Stelle der vorherigen Aufnahme zurückkehren. Die Werkzeuge des Chirurgen sind mit einem computergestützten Navigationssystem verbunden. Es zeigt dem Operateur im Bild die Position seiner Instrumente in der Wirbelsäule des Patienten auf den Millimeter genau an. So wird das gezielte Einbringen von Schrauben oder künstlichen Bandscheiben in die Wirbelsäule erleichtert. Medikamentenpflaster verspricht Sicherheit und Komfort Medikamente müssen genau dosiert werden, wenn sie die gewünschte Wirkung haben sollen. Doch das ist nicht immer einfach. Die Aufnahme der Wirkstoffe wird von vielen Faktoren oft negativ beeinflusst. Eine völlig neue Darreichungsform soll Arzneimittel in Zukunft sicherer, verträglicher und auch effektiver machen. Seite 5 von 21 Wissenschaftler am Institut für Mikro- und Informationstechnik der Hahn-Schickard-Gesellschaft e.V. arbeiten seit Jahren an der Entwicklung von Systemen, mit denen sich Medikamente sicherer, effektiver und auch komfortabler verabreichen lassen. Zielgruppe sind vor allem ältere Menschen denen die richtige Dosierung ihrer häufig zahlreichen Medikamente oft Probleme bereitet. Wie viel vom Wirkstoff eines Medikaments im Blut ankommt, hängt von vielen Faktoren ab. Manche Tabletten geben ihre Substanzen schon beim Auflösen im Mund über die Mundschleimhaut an das Blut ab. Dabei kann es zu einer "Überdosierung" kommen. Die überschüssige Menge kann vom Körper nicht verwertet werden. Im Magen gibt es umgekehrte Phänomene. Hier können Wirksub-stanzen durch den Säuregehalt ihre Wirkung nicht frei entfalten. Nun sollen zukünftig neue Dosiersysteme für Medikamente, konzipiert als Einwegpflaster und als eine Art "intelligenter Zahnersatz", die herkömmliche Tablette ablösen. Das Einwegpflaster ist so konzipiert, dass es aus einem Reservoir den Wirkstoff über winzige Mikronadeln, die schmerzlos in die Haut eindringen, zeitlich gesteuert abgeben kann. Zu einer Überdosierung kann es damit gar nicht erst kommen. Im Gegenteil: Es wird sogar ein gleichmäßiger Medikamentenspiegel aufrecht erhalten, der bei der Therapie von chronischen Schmerzen lebensnotwendig ist. Zeitlich gezielte Medikamentenabgaben zum Beispiel in den Morgenstunden, wenn der Körper physiologisch an aktivsten ist, sind ebenfalls möglich. So können beispielsweise Anlaufschmerzen nach dem Aufstehen verhindert werden. Die Abgabe einer gezielt festgelegten Dosis eines Medikaments zu einer bestimmten Zeit verspricht auch ein Dosiersystem, welches einem größeren Backenzahn ähnelt. Der intelligente Zahn ist programmierbar, wird in eine Zahnlücke oder den vorhandenen Zahnersatz eingegliedert und soll weder beim Sprechen noch beim Essen behindern. Vorteile sollen die geringeren Nebenwirkungen wie Übelkeit sein, da die Medikamente nicht den Umweg über den Magen- Darmtrakt nehmen müssen und direkt über die Mundschleimhaut aufgenommen werden. Noch sind diese Systeme in der Erprobung. Ein aufrechter Rücken ist ein starker Rücken Unsere Wirbelsäule will gefordert werden, um gesund zu bleiben. Allerdings auf die richtige Weise. Eine unorthodoxe Methode, zum Wiedererlernen des aufrechten Ganges kommt aus Österreich. So sieht das Innenleben des "PhysioCap" aus. Frauen afrikanischer Völker tragen ihre Wassergefäße auf dem Kopf und bewegen sich damit elegant und kerzengerade. Eine vom österreichischen Physiotherapeut John Ludescher entwickelte Kappe soll diesen Effekt simulieren. In den sogenannten "PhysioCap" ist eine 600 Gramm schwere Silikoneinlage eingearbeitet. Diese Kopfbedeckung fördert beim Träger auf Schritt und Tritt eine aufrechte Haltung und schafft so ein bewusstes Gefühl von geradem Stehen und Gehen. Beim Tragen wird eine Druck- und Gegendruck-Reaktion ausgelöst, die die gesamte Wirbelsäule aufrichtet. Sie soll eine permanente Stimulation für eine aktive aufrechte Haltung sein. Bei einem Spaziergang, beim Nordic Walking oder im Alltag verbessert sich dadurch die Beweglichkeit der Halswirbelsäule und Arthrose kann vorgebeugt werden. Außerdem verlängert sich durch den aufrechten Gang die Schrittlänge, was die Hüft- und Kniegelenke entlastet. Besonders die Nacken- und Rückenmuskulatur wird durch das Gewicht zusätzlich aktiviert und gestärkt. Der "PhysioCap" soll auch ein rückengerechtes Verhalten im Alltag fördern. Wird der Rücken beim Aufrichten nicht gerade gehalten, lösen sich die kleinen Wirbelgelenke aus ihrer verriegelten Position. Die Bandscheiben werden punktuell mehr belastet, was auf Dauer das Auftreten eines Bandscheibenvorfalls wahrscheinlich macht. Seite 6 von 21 Bandscheibenprothese –wann ist dies sinnvoll ? Starke Schmerzen im Nacken, immer wieder Lähmungserscheinungen oder Kopfschmerzen können Symptome eines Bandscheibenvorfalls in der Halswirbelsäule sein. Dabei verrutscht der weiche Gallertkern der Bandscheibe, der wie ein Puffer zwischen den Wirbelkörpern liegt und von einem Faserknorpel gehalten wird, und durchbricht die faserige Hülle. Die austretende Gallertmasse kann auf die umliegenden Nerven drücken und zu erheblichen Schmerzen, Lähmungen und Taubheitsgefühlen führen. Reichen konservative Maßnahmen nicht aus, um die Nerven zu entlasten, kommen verschiedene Operationsverfahren in Frage. Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine defekte Bandscheibe durch eine künstliche ersetzt werden: Solche Bandscheibenprothesen kommen vor allem bei jüngeren Patienten mit einem isolierten Bandscheibenvorfall zum Einsatz. Dafür müssen die Wirbelknochen stabil, die Wirbelgelenke intakt und nicht verschlissen sein. Die einer natürlichen Bandscheibe nachempfundene Prothese soll den Abstand zwischen den Wirbeln sowie deren normale Beweglichkeit erhalten und so die Schmerzen lindern. Wo wird die Prothese eingesetzt? In der Halswirbelsäule sind Bandscheibenprothesen sehr haltbar, sie wurden in den vergangenen Jahren ständig verbessert. Eingesetzt werden sie über einen kleinen Schnitt am Hals, nachdem zuvor die defekte Bandscheibe ausgeräumt wurde. Der Eingriff in Vollnarkose dauert bis zu zwei Stunden. Nach der Operation müssen sich die Patienten mindestens sechs Wochen schonen. Krankengymnastische Übungen sind ab der zweiten Woche möglich, die volle Sportfähigkeit in der Regel nach zwölf Wochen. Auch in der Lendenwirbelsäule können Prothesen eingesetzt werden. Allerdings ist die Operation deutlich aufwendiger als in der Halswirbelsäule, da der Chirurg dabei von vorne durch den Körper operieren muss. Alternative: Versteifung Kommt eine Bandscheibenprothese nicht in Frage, zum Beispiel weil der Knochenverschleiß schon zu weit fortgeschritten ist, bleibt die Versteifung. Dabei werden die Wirbelkörper entweder fest miteinander verschraubt oder der Operateur ersetzt die zuvor entfernte Bandscheibe durch einen sogenannten Cage. Durch diesen porösen Platzhalter aus Karbon oder Titan hindurch verwachsen die Wirbelkörper miteinander, sie fusionieren. Ob eine künstliche Bandscheibe oder eine Versteifung die bessere Lösung für den Patienten ist, muss im Einzelfall entschieden werden. Beide Methoden befreien die Patienten von ihren Schmerzen. Die Bandscheibenprothese - vor allem in der Halswirbelsäule - ermöglicht eine bessere Beweglichkeit und verbessertdie Möglichkeit sportlicher Betätigung. Seite 7 von 21 Bandscheibenvorfall Von Eva Jobst Unsere Wirbelsäule hat es im Alltag nicht gerade leicht. Rückenschmerzen sind zu einer regelrechten Volkskrankheit geworden. Besonders die Bandscheiben leiden unter einer krummen Körperhaltung und falschen einseitigen Belastungen . Vier Millionen Menschen werden in Deutschland pro Jahr wegen Rückenbeschwerden krankgeschrieben. Etwa 20 Prozent der Erwerbsunfähigkeits- und Berufsunfähigkeitsrenten sind auf Rückenleiden zurückzuführen. Dass der Körper und damit auch die Wirbelsäule im Laufe des Lebens verschleißt, ist normal und biologisch bedingt. Falsche und einseitige Belastungen können diesen Verschleiß allerdings verstärken. Davon sind auch Bandscheiben betroffen. Sie befinden sich zwischen den Wirbelkörpern, bestehen aus knorpeligem Gewebe und sind mit Flüssigkeit gefüllt. Weil Bandscheiben elastisch sind, puffern sie Bewegungen und Stöße. Knackpunkt Lendenwirbel Zur Abnutzung der Bandscheiben trägt besonders eine krumme Körperhaltung bei. Dann müssen diese Verbindungsglieder der Wirbel nämlich enorme Zug- und Druckkräfte aushalten. Deshalb sollte man zum Beispiel schwere Gegenstände nicht mit gestreckten Beinen und krummem Rücken heben und tragen. Davon können die Bandscheiben Schaden nehmen, besonders die im Lendenbereich. Dr. Andreas Held, Uniklinik Halle: "Die zwei Segmente - Lendenwirbel vier und fünf - und der Übergang zum Kreuzbein sind häufige Befallsorte von Bandscheibenleiden. Dort sind große Schwerkräfte am Werk,. Sie sind also besonders belastet - und deshalb finden dort auch die meisten Vorfälle statt." Gut für die Bandscheiben: gerader Rücken Im schlimmsten Fall kommt es zu einem Bandscheibenvorfall: Der Knorpelring reißt, das enthaltene Gewebe tritt aus und drückt auf Rückenmark und Nervenwurzeln. Das kann starke Schmerzen oder sogar Lähmungserscheinungen verursachen. Durch entsprechendes Verhalten kann man einem Bandscheibenvorfall aber durchaus vorbeugen. Wer auf Körpergewicht und Muskulatur achtet, der kann die Degeneration der Bandscheibe beeinflussen. Besonders wichtig ist die Körperhaltung: Die Wirbelsäule sollte hauptsächlich axial belastet werden. Seite 8 von 21 Bildunterschrift: Immer mit geradem Rücken heben ! Axial heißt: Die Wirbelsäule sollte möglichst aufrecht und gerade gehalten werden, denn so wird sie entlastet. Beim Heben und Tragen also immer den Kopf oben behalten. Denn bei geradem Rücken werden die Kräfte gleichmäßig auf die Bandscheiben verteilt. Nach dem Bandscheibenvorfall – Schmerzen vorprogrammiert Ein Bandscheibenvorfall ist für alle Betroffenen einschneidend und muss zunächst akut behandelt werden. Aber was kommt danach? Wie groß ist die Gefahr eines erneuten Vorfalls? Können Chiropraktiker helfen? Der Rücken ist die Schwachstelle vieler Deutschen: Fast jeder Erwachsene hat im Laufe seines Lebens Schmerzen an der Wirbelsäule, am häufigsten tritt der Schmerz im Kreuz auf. Manchmal vergeht er schnell wieder, oft bleibt er jedoch hartnäckig bestehen. Grund ist das Alter: Die Strukturen der Wirbelsäule verschleißen, die Bandscheiben zwischen den Wirbelkörpern werden mürbe und dünner. Vor allem, wenn wir den Rücken zusätzlich durch schweres Tragen oder falsches Sitzen fehlbelasten, führt das zu Schmerzen, Verspannungen und einer ungesunden Schonhaltung. Stülpt sich dann eine der gallertigen Zwischenwirbelscheiben in Richtung Wirbelkanal, sprechen Ärzte von einer Vorwölbung der Bandscheibe, die sogenannte Protrusio. Rutscht die Bandscheibe ganz in den Kanal hinein und drückt auf die Nervenwurzel, liegt ein Bandscheibenvorfall vor. Fachleute nennen das Nervenwurzelkompressionssyndrom. Neben Schmerzen sind Lähmungserscheinungen und Gefühlsstörungen typisch. Chirotherapie behandelt Gelenke und löst Verspannungen Der Bandscheibenvorfall wird je nach Schwere operativ oder konservativ behandelt. Für eine langfristige Genesung ist in beiden Fällen entscheidend, dass der Patient sich um seinen Rücken kümmert. Möglich ist das zum Beispiel mit der Chirotherapie. Die Bezeichnung leitet sich von dem griechischen Wort Cheir ab, was soviel heißt wie Hand. Bei einem Bandscheibenvorfall bearbeiten Chirotherapeuten die Nachbarsegmente der Wirbelsäule, so dass diese wieder beweglich werden. Folge: Auch die angrenzende Rückenmuskulatur entspannt sich. Im Unterschied zu Chiropraktikern sind Chirotherapeuten übrigens Ärzte, die diese Zusatzbezeichnung durch eine standardisierte Weiterbildung und Prüfung erworben haben. Chiropraktiker sind meist Heilpraktiker oder Physiotherapeuten. Zusätzlich kann der Patient den Genesungsprozess durch regelmäßiges Muskeltraining unterstützen. Dabei sollte er sowohl die äußeren, großen Muskelgruppen am Rücken als auch die sogenannte tiefe Rückenmuskulatur trainieren. Nicht zu vergessen sind zudem die Muskeln von Bauch, Gesäß und Oberschenkel. Auch Nerven lassen sich mobilisieren Eine andere Therapieoption ist die Neuromobilisation nach Butler. Bei dieser physiotherapeutischen Behandlung werden nicht die Gelenke und die Muskulatur mobilisiert, sondern die Nerven. Angezeigt ist die Nervendehnung, wenn der Patient nach einem Vorfall trotz mehrwöchiger Krankengymnastik immer noch einen stechenden Schmerz bei bestimmten Bewegungen fühlt. Dann ist meist ein Nerv in Seite 9 von 21 seiner Gleitfähigkeit gestört oder Bandscheibengewebe drückt auf den Nerv. Damit das Verfahren wirkt, sollte der Patient die Übungen einmal pro Woche zuhause wiederholen. Pezziball-Trommeln bringt Bewegung in den Rücken Aus der Krankengymnastik ist der Pezziball hinlänglich bekannt. Nun verhilft ein neuer Trend dem großen Runden zu neuer Popularität: Pezziball-Trommeln. Es steigert die Durchblutung ähnlich wie Aerobik und soll zusätzlich die Hirnleistung verbessern, da beide Hirnhälften gleichzeitig aktiviert werden. Ein Sport für Jung und Alt. Tanzen und Trommeln – in vielen Kulturen gehören die beiden Bewegungsformen wie natürlich zusammen. So auch bei dem Fitnesstrend Drums Alive. Erfunden hat ihn die US-Amerikanerin Carrie Ekins, weltweit erfreut er sich von den USA über Japan bis nach Europa großer Beliebtheit. Die nötige Ausstattung ist überschaubar: zwei Trommelsticks und ein Gymnastikball und schon kann es losgehen. Bei Drums Alive werden Elemente aus Aerobik, Zirkeltraining, Tanz und Schlagzeug miteinander kombiniert – mit großem Erfolg bei Kindern und Jugendlichen wie auch bei älteren Menschen. Im Takt der Musik trommeln die Aktiven auf den Gymnastikball und kombinieren das Ganze mit den typischen Aerobik-Schritten. Traditionelle Aerobicschritte werden mit den Rhythmen der Trommeln verbunden Drums Alive macht Spaß und ist gesund Dass die Tanz-Trommel-Kombination zudem gesund ist, daran besteht kein Zweifel. Sie setzt Endorphine frei und löst negative Gefühle auf. Sie steigert das Selbstbewusstsein und die Konzentrationsfähigkeit und baut Stress ab. Drums Alive ist außerdem ein hervorragendes HerzKreislauf-Training. Auf welcher wissenschaftlichen Grundlage das sogenannte Pezziball-Trommeln fußt, das erforscht ein interdisziplinäres Wissenschaftlerteam der TU Chemnitz. Beteiligt sind Sportmediziner, Biologen, Sportsoziologen sowie Experten aus der Pädagogik und der Didaktik. Ziel ihrer Untersuchungen: Die Fachleute wollen prüfen, ob sich die Form des Trommelns zum Beispiel für die Arbeit mit Kindern mit dem Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom ADHS oder mit Depressiven eignet. Drums Alive kann außerdem in der Schule, im Aggressionsmanagement bei Jugendlichen und bei der Integration von Behinderten eingesetzt werden. Großen Anklang findet das Trommel-Tanztraining auch in Sport- und Turnvereinen. Für Trainer bietet der Berliner Turn- und Freizeitsportbund entsprechende Weiterbildungskurse an. Sport als Rückenrisiko ? Autorin: Monika Kirschner Passionierter Feldhockeyspieler Tobias W. Tobias W. hat vieles geschafft, was er sich vorgenommen hat: Er ist promovierter Anwalt mit einer Topposition in einem großen Unternehmen. Er ist glücklich verheiratet und hat drei Söhne. Außerdem Seite 10 von 21 ist er ein überaus begabter Feldhockeyspieler im Kölner Tennis- und Hockeyclub Rot-Weiss e.V., der vor ein paar Jahren eine Karriere als Spitzensportler vor sich hatte. Ein schwerer Bandscheibenvorfall mit Lähmungserscheinungen machte diesen Träumen ein jähes Ende. Nach dem ersten Schreck konsultierte Tobias W. verschiedene Ärzte, die ihm alle zu einer schnellen Operation rieten. Doch er wollte keine Operation. Sein Körpergefühl sagte ihm, dass es vielleicht doch noch einen anderen Weg gäbe. Er suchte weiter und traf den Physiotherapeuten Eckhardt Böhle, der sich in 32 Berufsjahren auf Rückenschmerzen und Gelenkerkrankungen spezialisiert hat. Eckhardt Böhle ist Generalsekretär des „Deutschen Verbandes für Physiotherapie“ (ZVK), berät viele Leistungssportler und ist verantwortlich für ein Förderprojekt der EU für Grundschulkinder zur Vorbeugung von Rückenproblemen. Eckhardt Böhle untersuchte Tobias W. und riet ihm, den konservativen Weg mit intensiver Physiotherapie wenigstens zu versuchen. Auch er war sich nicht sicher, ob sein Patient einer Operation aus dem Weg gehen könnte, doch nach seiner Erfahrung lässt sich das gut herausfinden, wenn man sich drei Wochen Zeit nimmt. Sind nach zwei Wochen Behandlung keine Verbesserungen des Krankheitsbildes zu erkennen, ist eine Operation notwendig. Ein starker Rücken ist wichtig beim Sport Tobias W. hatte Glück. Er konnte mit Hilfe des Physiotherapeuten Eckhardt Böhle eine Operation vermeiden. Er ist heute beschwerdefrei und kann mit seinen Söhnen jede Sportart betreiben. Ein Spitzensportler wird er nicht mehr werden. Dafür steht ihm aber jede Art von Freizeitsport offen: auch so rückenbelastende Sportarten wie Hockey, Tennis, Skifahren und Golf. Was für Tobias W. gilt, ist auch für manche andere Rückenpatienten möglich. Es lohnt sich in jedem Fall, den konservativen Weg auszuprobieren. Nur in ganz seltenen Fällen hat man nicht drei Wochen Zeit für diesen überaus lohnenden Versuch. Für Tobias W. war es jedenfalls, wie er selbst sagt, „die beste Entscheidung meines Lebens.“ Bandscheibenpatienten werden nach wie vor zu häufig operiert Operative Einsätze zur Behandlung von Bandscheibenvorfällen führen selten zum erwünschten Erfolg. Die Schmerzen kommen wieder, oft aus anderen Gründen, und Folgeoperationen sind nicht selten. Zu diesem Urteil kommen Orthopäden aus Düsseldorf nach einer Metaanalyse von 1.200 Fachpublikationen, darunter die weltweit größte klinische Studie mit 1.244 Bandscheibenpatienten. Demnach können Operationen bei Bandscheibenvorfällen durchaus kurzfristig helfen. Mittel- oder langfristig sind die Ergebnisse von operierten und nichtoperierten Patienten jedoch gleich. Regelmäßige Übungen stabilisieren den Rumpf In Deutschland werden jährlich etwa 3.000 Operationen durchgeführt, bei denen eine Bandscheibe entfernt wird. Es gibt jedoch keine Standardtherapie. Die Therapieentscheidung muss individuell auf den Patienten abgestimmt sein und erfordert eine gründliche Untersuchung. Eine Operation ist nur dann indiziert, wenn eine akute Blasen-Mastdarm-Störung oder schwere Nervenausfälle vorliegen. In anderen Fällen kann auch eine konservative Behandlung mit einer Kombination aus Medikamenten und Physiotherapie eine Besserung herbeiführen. Wichtig für eine langfristige Genesung ist die Stabilisierung des Rumpfes durch entsprechende regelmäßige Übungen. Seite 11 von 21 Risiko Bandscheibenoperation Autor: Thomas Liesen Schwierige Behandlung eines Bandscheibenvorfalls Über Sinn und Unsinn von Bandscheibenoperationen hat Servicezeit: Gesundheit mit Dr. Michael Küster vom regionalen Schmerz- und Palliativzentrum Bonn der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie gesprochen. Bei Dr. Küster ist auch André L. aus unserem Beitrag „Kein Tag ohne Schmerzmittel“ in Behandlung. Nachfolgend Auszüge aus dem Gespräch. Dr. Michael Küster: Er hat Schmerzen, weil er an der Bandscheibe operiert worden ist und im Rahmen der Heilungsphase nach Operation im Gebiet des ehemaligen Bandscheibenvorfalls eine Narbe entstanden ist. Die drückt jetzt, wie die Bandscheibe vorher, auf den Nerv. Und das erklärt, warum er im Rücken und entlang dieses Nervs Schmerzen hat, die bis ins Bein reichen. Kann man nicht erneut operieren? Diese Idee wird häufig geäußert, dass man die Narbe einfach wegoperieren könnte. Das funktioniert nicht, weil da, wo die Narbe ist, gerne wieder eine entsteht. Man kann in verzweifelten Fällen das durchaus tun, und manchmal klappt es auch, aber die Gefahr eines erneuten Wiederkehrens des Schmerzes ist doch relativ hoch. In Deutschland wird zu häufig operiert Wird in Deutschland zu häufig operiert? In Deutschland wird extrem häufig und extrem schnell an der Bandscheibe operiert und meiner Meinung nach auch wesentlich zu schnell. Wenn ein Patient ausschließlich aufgrund seiner Schmerzen an der Bandscheibe operiert wird, ohne dass Lähmungen oder Gefühlsstörungen oder ein Verlust der Blasenfunktion vorliegen, kann man sicherlich ganz kritisch hinterfragen, ob das wirklich nötig gewesen ist. Es wird zum Beispiel zu wenig untersucht, ob der Nerv überhaupt gefährdet ist. Man müsste ihn elektrisch durchmessen, ob seine Funktion überhaupt beeinträchtigt ist. Und auch im Fall von Lähmungen muss man nicht zwingend und sofort operieren. Welche Therapie empfehlen Sie bei einem akuten Bandscheibenvorfall? Steht der Schmerz im Vordergrund, muss man alle Medikamente in Erwägung ziehen, auch die Morphine. Dabei brauchen die Patienten bei den modernen Morphinpräparaten kein Suchtpotenzial zu fürchten. Nach sechs bis acht Wochen sind viele dann wieder schmerzfrei. Und langfristig ist den Patienten damit oft mehr geholfen als mit einer Operation, weil sich keine Narben bilden und der Vorfall sich häufig spontan zurückbildet. Wie lange wird es gut gehen ? Autorin: Marion Schmidt Seit circa 25 Jahren kämpft Helga N. mit massiven Rückenschmerzen. Alles, was die Medizin an Möglichkeiten in solchen Fällen bereithält, hat sie ausprobiert. Fast alles außer einer Psychotherapie, die bei Rückenproblemen heute zunehmend zum Arsenal der empfohlenen Behandlungen gehört. Um ihre Schmerzen in den Griff zu bekommen, hat sie Physiotherapien, extrem hohe Medikamentendosen Seite 12 von 21 und mehrere Operationen über sich ergehen lassen. Vor allem bei den Operationen schöpfte sie jedes Mal wieder Hoffnung, auf Dauer von den quälenden Schmerzen befreit zu werden. Aber abgesehen von kurzfristigen Erleichterungen ist es eigentlich immer schlimmer geworden. Helga N. hat sich längst damit abgefunden: „Ich bin chronische Schmerzpatientin.“ Wichtig: die Physiotherapie Zunächst musste die gelernte Krankenschwester ihre Arbeit als ambulante Pflegerin bei einer Sozialstation aufgeben, eine Arbeit, die sie sehr gern und mit großem Engagement gemacht hat. Damals fuhr sie jeden Vormittag zu fünf bis sechs verschiedenen Patienten, die sie aus dem Bett heben, waschen und rundum versorgen musste – ohne Hilfe und zudem ohne die speziellen Pflegebetten, die diese Arbeit heutzutage etwas erleichtern. Mit ihren Rückenproblemen konnte Helga N. irgendwann nicht mehr in der Pflege arbeiten. Der Alltag muss neu eingerichtet werden Die erste Rückenoperation Trotz einer neuen Arbeitsstelle, die körperlich längst nicht so belastend war, kamen die Schmerzen immer wieder. Im November 1991 ist sie dann zum ersten Mal am Rücken operiert worden. Diagnose: massiver Bandscheibenvorfall, verbunden mit neurologischen Ausfällen. Vom Fuß ausgehend bis fast unter das Knie hatte sie gar kein Gefühl mehr. Als Probleme mit der Blase dazukamen, wurde sie umgehend an der Bandscheibe operiert. Danach, so dachte Helga N., würde die Ursache beseitigt und alles wieder in Ordnung sein. Diese Hoffnung hatte man ihr jedenfalls vermittelt. Schlimmere Schmerzen nach OP Aber es kam anders. Nach dem Eingriff litt die frisch Operierte erst recht unter massiven Schmerzen. Am Anfang sei das ganz normal, hieß es. Die Schmerzen würden mit der Zeit verschwinden. Sie wurde vertröstet und trotz ihrer starken Beschwerden entlassen. Frau N. wusste sich nicht anders zu helfen, als rund um die Uhr Schmerzmittel zu schlucken. Sie nahm alles, was sie kriegen konnte. Spezielle Schmerztherapien oder Schmerzambulanzen waren damals kaum bekannt. Als sie die Dosierung immer weiter steigern musste und ihr Magen zunehmend rebellierte, beschloss Helga N., sich noch einmal auf eine Rückenoperation einzulassen. Auch wenn diese mit einem hohen Risiko verbunden war. Komplikation verschwiegen Anlässlich dieses Eingriffs stellte sich plötzlich heraus, dass im Verlauf der ersten Operation ein Nerv verletzt worden war. Vermutlich war das die Ursache für die Verschlimmerung ihrer Schmerzen. Die Verletzung des Nervs war zwar im OP-Bericht erwähnt worden, aber der Patientin gegenüber hatte man sie verschwiegen. Seit dieser und weiteren leidvollen Erfahrungen besteht Helga N. inzwischen darauf, OP-Berichte immer einzusehen. Endlich Besserung Der zweite Eingriff brachte zunächst eine deutliche Besserung. Die Schmerzen waren nicht gänzlich verschwunden, aber erträglich. Helga N. konnte wieder am normalen Leben teilnehmen, Sport treiben und endlich auch wieder mit ihrem Mann zusammen wandern. Beide freuten sich über den Zuwachs an Lebensqualität. Doch den konnten sie nur für begrenzte Zeit genießen. Seite 13 von 21 Neue Probleme Im Laufe der Jahre sind nämlich erneut heftige Beschwerden aufgetreten. „Ich konnte mich morgens an einem Waschbecken nicht mehr waschen“, erinnert sich Helga N., „ich konnte auch auf keiner normalen Toilette mehr sitzen, also, ich habe so starke Schmerzen gehabt, dass ich Opiate genommen habe und nicht mehr ein noch aus wusste, was jetzt schon wieder los ist.“ Ein neues Kapitel der Krankengeschichte hatte begonnen. Diesmal hieß die Diagnose: Wirbelgleiten und Verengung des Spinalkanals. Der behandelnde Arzt riet zu einer Versteifung der Wirbelgelenke. 2003 wurde die Operation durchgeführt. Auch sie brachte zunächst eine spürbare Linderung der Schmerzen, aber keine Beseitigung. Damit wagte die langjährige Schmerzpatientin auch gar nicht mehr zu rechnen. Hilfe im Alltag: Sockenanzieher Ein Leben mit Schmerzen Alte Hobbys wie Ski- und Motorradfahren sind seit Langem gestrichen. Bei geplanten Urlaubszielen muss vorab geklärt werden, wie rückenfreundlich Unterkunft und Bett sind. Das gesamte Leben ist so rückengerecht wie möglich eingerichtet. So haben die N.s zum Beispiel ihr dreistöckiges Eigenheim gegen einen ebenerdigen Bungalow eingetauscht, ein neues Auto mit höheren Sitzen angeschafft, ein elektrisch verstellbares Spezialbett, rückenfreundliche Sessel in Extraausführung für das Wohnzimmer und vieles andere mehr gekauft. Es sind nicht nur die Einschränkungen, an die das Ehepaar N. sich gewöhnen musste, sie haben auch erhebliche finanzielle Investitionen zu tragen, die niemand anderes übernimmt. Über all diese Dinge wollen sie aber nicht klagen, solange sie die Lebensqualität erhöhen und der Gesundheit dienen. Zukunftssorgen Das Ehepaar N. hat alles getan, um sich mit der Situation zu arrangieren. Trotzdem kommen sie nicht zur Ruhe. Inzwischen drohen neue Sorgen. Im vergangenen Jahr hat Frau N. zwei künstliche Hüftgelenke bekommen. Auf den Röntgenaufnahmen sind deutlich die Schrauben zu erkennen, die vor fünf Jahren zur Versteifung der Wirbelsäule dort angebracht wurden. Es sieht ganz so aus, als ob sich zwei der insgesamt sechs Schrauben zu lösen beginnen. Helga N. mag heute noch nicht darüber nachdenken, was das für Konsequenzen haben könnte. Ihr Mann dagegen spricht aus, welche Befürchtung seit den neuesten Aufnahmen im Raum steht: „Wie lange wird es gut gehen?“ Kein Tag ohne Schmerzmittel Autor: Thomas Liesen Ein Bandscheibenvorfall mit Folgen Es geschah kurz vor dem lang ersehnten Urlaub. André L. hatte für seine Familie ein Hotel im Allgäu gebucht. Endlich ausspannen, den Stress, den man als selbstständiger Gartenbauunternehmer hat, einmal für zwei Wochen vergessen. Die Koffer waren gerade gepackt, da kam der Schmerz: Wie ein Stich in den Rücken, ein unerträgliches Ziehen, das sich über die Leiste bis in die Beine ausdehnte. André L. brach zusammen, konnte sich nicht mehr regen. Ein Krankenwagen brachte ihn schließlich in die Klinik. Der Traum vom Familienurlaub war geplatzt. Seite 14 von 21 Diagnose: Bandscheibenvorfall André L. kämpft seit 15 Jahren gegen die Schmerzattacken in seinem Rücken. „Ich war immer einer, der lieber noch einen Stein mehr in die Schubkarre gepackt hat“, sagt er heute rückblickend, wenn er nach Ursachen sucht. Er verlangt immer viel von sich, die Firma soll gut dastehen, seine Frau und seine beiden Kinder ein gesichertes Leben führen. Doch irgendwann reagierte der Rücken. Im Bereich der Lendenwirbelsäule wölbte sich eine Bandscheibe vor und drückte auf Nervengewebe – ein klassischer Bandscheibenvorfall. Diagnose Bandscheibenvorfall: konservative Therapie meist sinnvoll Nur ein kleiner Schnitt Der Arzt riet ihm zunächst zu einer konservativen Therapie: Massage, Schmerzmittel, Rückentraining. Doch der Schmerz blieb. Schließlich empfahl der Arzt eine Operation: ein kleiner Schnitt nur, etwas Bandscheibengewebe sollte entfernt werden. André L. willigte ein. Schon nach ein paar Tagen verließ der Gärtnermeister die Klinik – zum ersten Mal seit Jahren fast ohne Schmerzen. Heute, drei Jahre später, kommt der 41-Jährige keinen Tag ohne Schmerzmittel aus. Unerträgliche Attacken kommen immer wieder, ob beim Autofahren, beim Sitzen, beim Stehen, beim Liegen. Nur mit starken Opiaten kann er die Tage bewältigen, sogar Antidepressiva hat ihm sein Arzt verschrieben, damit er nicht verzweifelt. Von Arzt zu Arzt ist er getingelt, seit der Schmerz zurückgekommen ist. Zuletzt hat er einen Schmerzspezialisten und einen Orthopädieprofessor aufgesucht. Beide sind anerkannte Fachleute auf ihrem Gebiet. Und beide stellten nüchtern fest: Die Operation war nicht nur unnötig, sie ist sogar mitverantwortlich für André L.s aktuelle Schmerzen. Denn die neuesten Aufnahmen der Computertomografie zeigen: Es hat sich Narbengewebe im Bereich der Operation gebildet, das auf Nerven drückt. Eine erneute Operation wäre fast aussichtslos. Er müsse mit dem Schmerz leben lernen, sagen die Ärzte. Operation erst bei Lähmungserscheinungen Unnötige Bandscheiben-OPs André L. hat mittlerweile einiges gelesen, sich informiert, mit vielen Ärzten gesprochen. Er weiß jetzt: Eine Bandscheiben-OP ist nur dann angeraten, wenn massive Lähmungserscheinungen in den Beinen oder ein Kontrollverlust bei der Harnblase auftreten. Doch der Gartenbaumeister hatte keine Lähmungen. Die Schmerzen waren zwar schlimm, aber er konnte damals nicht ahnen, dass bei jedem fünften Bandscheibenpatienten die Operation scheitert. Die Schmerzen kommen zurück, oft schlimmer als zuvor. Bei den anscheinend so hochmodernen, minimalinvasiven Eingriffen ist die Erfolgsquote noch geringer. Und auch das hatte ihm damals kein Arzt gesagt: Zwar tritt kurz nach der Bandscheiben-OP bei vielen eine vorübergehende Linderung der Symptome ein, doch nach fünf Jahren geht es Patienten, die sich operieren lassen, nicht besser als jenen, die sich nicht operieren lassen. Die Zahlen aus neuesten Studien belegen: Bandscheibenoperationen sind nur in Ausnahmefällen eine Lösung. So gut wie nie eignen sie sich als Mittel, um Schmerz zu bekämpfen. Zwar werben viele Ärzte und Kliniken mit ihren minimalinvasiven „Schlüsselloch“-Methoden, mit künstlichen Bandscheiben und mit Schmerzfreiheit nach wenigen Tagen – doch Bandscheibenprobleme sind auch ein Markt, es lässt sich damit viel Geld verdienen. Seite 15 von 21 Ergänzende Psychotherapie André L. hat jetzt mit einer Psychotherapie angefangen. Er weiß, dass zumindest ein Teil seiner Schmerzattacken durch die ständige Angst vor dem Schmerz geradezu provoziert wird. Droht Stress, verkrampft der Körper, und das begünstigt wiederum den Schmerz. Kein Arzt der Welt, keine Operationsmethode und kein Medikament kann ihn von heute auf morgen von seinem Schmerz befreien. Wenigstens will er lernen, besser damit umzugehen – damit sein Leben nicht gänzlich vom Schmerz regiert wird. Irrtümer über Bandscheiben (Sendung im MDR am 10.3.2011) Fußball-Nationalspieler Arne Friedrich hat eine Bandscheiben-OP hinter sich, genauso wie Schwimmlegende Kristin Otto oder Rodelass Georg Hackel. Offenbar ist es ein Irrtum, dass Sport vor Rückenleiden schützt. Oder doch nicht? Und wie steht es mit jahrelang propagierten Hebetechniken, um einen Bandscheibenvorfall zu vermeiden? Auch hier gibt es neue Erkenntnisse. Der Rücken schmerzt, also ist die Bandscheibe kaputt. Da liegt schon der erste Irrtum vor. Zwar ist die faserige Verbindung zwischen den Wirbeln häufig für Kreuzleiden verantwortlich, aber eben nicht immer. Patienten fürchten sich dann vor aufwändigen Operationen, vor Lähmungen oder endlosen Schmerzen. Wie verschieden die Erfahrungen sind, zeigen Briefe von Zuschauern. Helga W. schreibt: "Mir wurde eine künstliche Bandscheibe eingesetzt. Ich bin damit sehr zufrieden und würde diesen Schritt jedem empfehlen", während Lotte M. dagegen "nach der OP Stuhl und Urin nicht mehr halten kann und völlig verzweifelt" ist. "Hauptsache gesund" deckt die größten Irrtümer über Bandscheibenvorfälle auf und schafft Klarheit. Hauptsache gesund | 10.03.2011 | 21:00 Uhr Irrtum Nr. 1 Nicht hinter jedem Rückenschmerz steckt ein Bandscheiben-Defekt. Seite 16 von 21 "Ich hab’s mit der Bandscheibe!" Auch wenn es oft so aussieht, ein Bandscheibenvorfall ist selten die Ursache von Rückenschmerzen. Im Schnitt trifft es nur jeden Zehnten. Am häufigsten passiert das zwischen dem 30. und dem 50. Lebensjahr im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule und der Halswirbelsäule. Im Prinzip kann aber jede Etage der Wirbelsäule betroffen sein. Wenn es bei Einrissen des Faserrings zum Austritt (Vorfall) des gallertartigen Kerns kommt, spricht man von einem Bandscheibenvorfall. Die in unmittelbarer Nachbarschaft liegenden Rückenmarksnerven (Spinalnerven) werden dadurch gereizt oder gar eingeengt. Dann kommt es zu den klassischen ausstrahlenden Schmerzen. Wird der Druck stärker, kann es auch zu Taubheitsgefühlen und Lähmungen der Bein- oder Armmuskulatur kommen. Dann sind die anfänglich sehr starken Schmerzen oft sogar geringer, aber eine OP meist unumgänglich. In den anderen Fällen reicht eine konservative Therapie. In über 90 Prozent der Fälle sind die akuten Rückenschmerzen nicht auf einen Bandscheibenvorfall zurückzuführen, sondern die Folge von Gelenkblockierungen und muskulären Verspannungen durch Über- oder Fehlbelastung. Auch bei Gesunden finden sich Vorwölbungen der Bandscheibe oder sogar Bandscheibenvorfälle, die keinerlei Beschwerden machen. Nicht jeder Bandscheibenvorfall führt also zwangsläufig zu Schmerzen. Es gibt viele, die ihn gar nicht bemerken. Abnutzungserscheinungen an den Faserringen der Bandscheiben finden sich auch schon in jungen Jahren. Diese verlieren mit der Zeit ihre Elastizität und werden rissig. Betroffen sind besonders diejenigen, die eine überwiegend sitzende Tätigkeit haben, auch Berufstätige, die körperlich schwer arbeiten oder einseitige monotone Arbeiten durchführen. Die häufigste Ursache ist jedoch der Bewegungsmangel. Dieser schwächt die Rumpfmuskulatur und führt in Verbindung mit Übergewicht sehr viel schneller zum Verschleiß. Auch eine angeborene Bindegewebsschwäche und in seltenen Fällen Verletzungen oder Unfälle können zu einem Bandscheibenschaden führen. Bewegung ist in jedem Fall ein gutes Mittel zur Vorbeugung von Bandscheibenschäden. Leistungssportler gehen hingegen oft an die Grenzen der körperlichen Belastbarkeit und erleiden dadurch Schäden des Bewegungsapparates. So waren auch Prominente wie der Fußballspieler Arne Friedrich und die Schwimmerin Kristin Otto nicht vor Bandscheibenvorfällen gefeit. Die Wirbelsäule gibt uns halt und sorgt gleichzeitig für ein hohes Maß an Beweglichkeit. Die Wirbelsäule: Robust und enorm beweglich Die Wirbelsäule ist aufgrund ihres gliederförmigen Aufbaus extrem beweglich. Zahlreiche oberflächliche und tiefe Rückenmuskeln umspannen das knöcherne Gerüst und bilden zusammen mit den Bauch- und Beckenmuskeln das stützende Muskelkorsett, Bänder geben zusätzlichen Halt. Bandscheiben sind die Stoßdämpfer unserer Wirbelsäule, halten sie stabil und ermöglichen dennoch Flexibilität. Sie liegen zwischen den Wirbelkörpern und sind aus einem Ring aus Faserknorpel und einem gelartigen Kern aus wasserreichem Gewebe aufgebaut. Durch die Druckbeanspruchung während des Tages sind die Bandscheiben abends niedriger als morgens. Im Liegen quellen die Gallertkerne wieder auf. Die Bandscheiben stellen elastische Polster dar, die Druck aufnehmen und abgeben können. Sie verbinden die Wirbelkörper, indem die Fasern des Außenringes in die Deckplatten der Wirbelkörper einstrahlen und die Knochen so nur wenig gegeneinander verschiebbar sind. In gewissem Umfang lassen sie aber auch Bewegungen zu. Irrtum Nr. 2 Ein Bandscheibenvorfall muss immer operiert werden Bei einer beschädigten Bandscheibe setzen viele Patienten ihre Hoffnungen in eine schnelle Operation. Doch ein Allheilmittel ist sie nicht. Jeder Eingriff birgt bei aller chirurgischen Sorgfalt die Gefahr von Wundinfektionen, Blutungen oder Verletzungen. Zusätzlich können sich nach einer Operation innere Narbenstränge bilden, die die Rückenmarksnerven einengen und erneut Schmerzen verursachen. Je ausgedehnter eine Operation durchgeführt wird, beispielsweise bei einem großen Seite 17 von 21 Bandscheibenvorfall, desto instabiler kann der jeweilige Wirbelsäulenabschnitt werden. Die Folge sind schmerzhafte Funktionsstörungen der Wirbelgelenke oder sogar vorzeitige Abnutzungserscheinungen in den darüber oder darunter liegenden Abschnitten. Ein Bandscheibenvorfall kann sehr schmerzhaft sein. Häufig wird den körperlichen Beschwerden oder den klinischen Untersuchungen nicht getraut. "Zur Sicherheit" wird daher noch eine MRT gemacht. Hier zeigen sich oft Bandscheibenvorwölbungen oder sogar Vorfälle, die überbewertet werden und vermeintlich als alleinige Ursache der Beschwerden angesehen werden. In solchen Fällen ist eine Operation wenig erfolgversprechend. Ist eine Operation allerdings wirklich sinnvoll, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Patienten anschließend schmerzfrei sind oder zumindest eine deutliche Linderung verspüren. Um zu entscheiden, ob eine OP Erfolg verspricht, ist die Zusammenarbeit mehrerer Fachärzte sinnvoll. Ein Neurochirurg kann zum Beispiel entscheiden, ob tatsächlich ein Bandscheibenvorfall für die Beschwerden verantwortlich ist. Neben einer körperlichen Untersuchung werden häufig neurologische Tests durchgeführt oder Probespritzen in das Schmerzgebiet gesetzt. Liegt die Ursache nicht in den Bandscheiben begründet, kommen die Schmerzen nach einer OP meist nach kurzer Zeit wieder. Depressionen oder Angsterkrankungen, Konflikte in Familie oder Beruf, Arbeitsplatzverlust oder andere einschneidende Ereignisse sollten bei Schmerzen immer mit in Betracht gezogen werden. Schmerzen dürfen nie eindimensional betrachtet werden, insbesondere dann nicht, wenn sie durch die herkömmliche Therapie oder eine Operation nicht gelindert werden konnten. Daher wird ein chronischer Schmerz auch nur durch eine sogenannte multimodale Schmerztherapie erfolgreich behandelt werden können. Wann OP, wann konservative Therapie? Eine OP wird meist dann durchgeführt, wenn ein Rückenmarksnerv so stark eingeengt wird, dass Lähmungen an der Arm- oder Beinmuskulatur auftreten. Ist die Kontrolle von Urin- und Stuhlabgang gestört, ist sogar besondere Eile geboten. Meist werden schonende mikrochirurgische oder minimalinvasive Eingriffe mit kleinen Schnitten und unter mikroskopischer Sicht, gewählt. Sie schonen das umliegende Gewebe wie Muskeln, Knochen und Nerven. Der durch Bandscheibenmaterial oder Knochenverwachsungen eingeengte Nerv wird durch die OP befreit und erholt sich in der Regel danach in einigen Monaten. In manchen Fällen wird auch endoskopisch, d.h. mit der Schlüssellochtechnik operiert. Als Komplikationen können Nachblutungen, Infektionen oder auch eine vermehrte Narbenbildung auftreten. Die Gefahr einer ernsten Schädigung wie der Verletzung des Rückenmarkes mit Lähmung der Beine ist allerdings sehr gering. Wenn ausschließlich Schmerzen vorhanden sind, wird heute zunächst konservativ, d.h. ohne Operation therapiert. Gehen die Schmerzen durch die herkömmliche Therapie mit Tabletten und aktiver Physiotherapie nicht zurück, kann versucht werden, direkt an den Nerven Schmerzmittel oder abschwellende Medikamente zu spritzen. Diese wirken gleichzeitig gegen die Entzündung, denn der eingeengte Nerv ist stark gereizt. Solch ein Vorgehen kann ambulant oder stationär durchgeführt werden. Es kann auch versucht werden mit einer Hitzesonde herausgequollenes Bandscheibenmaterial zu verdampfen und damit die Bandscheibe schrumpfen zu lassen. Damit wird ebenfalls der Nerv befreit. Sowohl nach einer konservativen als auch nach einer operativen Therapie, kann eine Anschlussheilbehandlung in einer Rehabilitationsklinik angeschlossen werden. Hier wird eine intensive Bewegungstherapie durchgeführt, die den Heilungsprozess fördert und einem weiteren Bandscheibenvorfall vorbeugt. Versteifung oder Kunstbandscheibe Ist eine Bandscheibe stark geschädigt oder wurde bereits mehrfach operiert, muss häufig eine Versteifungsoperation durchgeführt oder eine künstliche Bandscheibe eingesetzt werden. Bei einer Versteifungsoperation werden zwei oder mehr Wirbel miteinander durch Metall verbunden. Sie gilt als Standardmethode in der operativen Therapie chronisch degenerativer Bandscheibenerkrankungen. Der Eingriff bewirkt eine Schmerzreduktion, die mit eingeschränkter Beweglichkeit (Versteifung) in Seite 18 von 21 diesem Wirbelsäulenabschnitt erkauft wird. Denn bei starken degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule sind es gerade Bewegungen, die zu Schmerzen führen. Eine völlige Steifheit der Wirbelsäule muss man allerdings nicht fürchten, denn die übrigen Segmente sind weiterhin frei beweglich. Im Übrigen ist die Beweglichkeit vor solch einer Operation meist schon eingeschränkt, da eine Schonhaltung eingenommen wird und damit schmerzhafte Bewegungen vermieden werden sollen. Ein Hauptproblem bei dieser Art von OP ist die beschleunigte Abnutzung der Segmente, die an die Versteifung angrenzen. Im Gegensatz zu einer Versteifungsoperation kann eine künstliche Bandscheibe die Beweglichkeit im betroffenen Wirbelsäulenabschnitt erhalten und unnatürliche Belastungen an den benachbarten Strukturen vermeiden. Moderne Bandscheibenprothesen werden in den angrenzenden Grund- und Deckplatten der Wirbelkörper des degenerierten Teiles durch metallische Endplatten fest verankert und haben einen aus Kunststoff bestehenden Gleitkern. Ein Einsatz ist an der Hals- und Lendenwirbelsäule möglich. Manche Kunstbandscheiben sind nur teilweise beweglich, andere ermöglichen alle Bewegungen, z.B. auch das Drehen. Ob ein künstlicher Bandscheibenersatz wirklich eine geeignete Methode für den Rückenkranken ist, hängt von der Ursache der Beschwerden ab. Ist wirklich die zerstörte Bandscheibe die Übeltäterin oder sind es andere Wirbelsäulenstrukturen, die verschlissen sind? Wie sehen benachbarte Segmente aus? Wenn dort schon fortgeschrittene Veränderungen wie bei Osteoporose oder Instabilitäten festgestellt wurden, ist die Prognose schlecht und es wird eher nicht zu einer künstlichen Bandscheibe geraten. Auch für andere Rückenkrankheiten wie eine Spinalkanaleinengung oder Wurzelreizsyndrome bei Bandscheibenvorfällen ist sie nicht geeignet. So ist die Entscheidung für einen Bandscheibenersatz meist eine Einzelfallentscheidung. Welcher Prothesentyp eingesetzt wird, hängt weniger von der Funktion, als von der Handhabung bzw. den technischen Voraussetzungen bei der Implantation der Kunstbandscheibe ab. Denn nur so kann das Verletzungsrisiko und die OP-Zeit auf ein Minimum reduziert werden. Erst nach erfolgloser konservativer Therapie sollte über einen Bandscheibenersatz nachgedacht werden. Insgesamt ist diese OP noch eine neuere medizinische Technik, die noch keine eineindeutige Empfehlung für jeden geben kann. Deswegen sollte gerade bei jüngeren Patienten sorgfältig abgewogen werden. Bisher existieren noch keine fundierten wissenschaftlichen Langzeitdaten, die belegen, dass der Erhalt des natürlichen Bewegungsumfangs nach einem Bandscheibenersatz auch langfristig zu einer verminderten Belastung der angrenzenden Wirbelsäulenabschnitte führt und damit wirklich gegenüber der Versteifung im Vorteil ist. Irrtum Nr. 3 Gymnastik ja - aber richtig! Rückengymnastik führt in jedem Fall zur Schmerzlinderung Gymnastikübungen für den Rücken gibt es viele. Zeitungen, Gesundheits- und Frauenjournale sind voll davon. Doch nur wer beim Üben auf die korrekte Durchführung, die richtige Haltung und Körperspannung achtet, profitiert langfristig auch von ihnen und kann so seine Schmerzen reduzieren. Besonders wichtig ist das Einstellen der Körper-Grundspannung vor jeder Übung. Dabei werden Bauch- und Gesäßmuskulatur angespannt und das Becken nach vorn geschoben, um das Hohlkreuz auszugleichen. Man sollte unbedingt darauf achten, die Spannung zu halten bzw. sie immer wieder neu einzustellen. Das ist anstrengend, da eben diese Muskelgruppen bei Rückenpatienten schwach sind. Werden die Übungen falsch gemacht, führt das zu Schmerzen während der Übungen oder danach, weil der Druck auf Bandscheiben und Wirbelgelenke zu groß wird. Mein Tipp von Gitte Baumeier: Spannungsübungen für die Rumpfmuskulatur Vierfüßler-Stand, Grundspannung einnehmen: Linken Arm und rechtes Bein anheben und die Spannung einige Sekunden halten, mehrmals wiederholen, dann auf Arm und Bein der jeweiligen Gegenseite wechseln und die Übung wiederholen Seite 19 von 21 Bauchlage, Grundspannung einnehmen: Linken Arm und rechtes Bein minimal anheben und der Hand hinterher schauen, Spannung einige Sekunden halten, mehrmals wiederholen, dann auf Arm und Bein der jeweiligen Gegenseite wechseln und die Übung wiederholen. Die Übungen lassen sich jeweils auch nur mit einer angehobenen Extremität durchführen. Aufrecht sitzen, Grundspannung einnehmen: Wirbelsäule gedanklich an einem Faden nach oben ziehen, Theraband zwischen beiden Händen aufspannen und abwechselnd nach rechts und links oben ziehen, mehrfach wiederholen. Irrtum Nr. 4 Schwere Lasten soll man aus der tiefen Hocke anheben Gewichte aus der tiefen Hocke heraus mit stark gebeugten Knien und senkrechtem Rücken anzuheben, galt bisher als der Inbegriff des rückengerechten Verhaltens. Wie Physiotherapeuten einer Schweizer Rehabilitationsklinik beim berufspezifischen Training herausfanden, ist das aber ein Irrtum. Dass in verschiedenen Körperpositionen wie Sitzen, Stehen oder Liegen unterschiedlich starke Druckverhältnisse auf die Bandscheiben wirken, ist bekannt. Dass beim Anheben von schweren Lasten der Rücken jedoch senkrecht gestellt und zudem noch aus der tiefen Hocke heraus gehoben werden soll, ist eine Fehlinterpretation. Der gesamte Vorgang ist zudem höchst unökonomisch, weil der Körper schnell ermüdet und nur geringe Gewichte bewegt werden können. Die Belastung für die Knie ist außerdem unverhältnismäßig hoch. Die Studienergebnisse zeigen, dass bei den verschiedenen Hebetechniken nur geringe Unterschiede in der Druckbelastung vorliegen. Es ist somit völlig ausreichend, wenn der Rücken gerade, aber nicht notwendigerweise senkrecht, gehalten wird, denn dabei sind die Zug- und Scherkräfte, die die eigentliche Belastung darstellen am geringsten. Die Empfehlung lautet also: Lasten sollten mit geradem Rücken und aus der halben Hocke heraus gehoben werden. Bei dieser als Kreuzheben bekannten Technik werden Knie und Hüften leicht gebeugt (halbe Hocke) und das Gesäß nach hinten geschoben. Computergestütztes Rückentraining Physiotherapie hilft dann am besten, wenn sie genau auf die individuellen Rückenprobleme abgestimmt ist. Moderne Technik soll helfen, die jeweils beste Methode zu finden. Dazu ermittelt ein Computer die Schwachstellen des Rückens. Bei der computergestützten Physiotherapie werden mit Hilfe eines Computerprogramms Bewegungseinschränkungen und muskuläre Defizite des Patienten aufgedeckt. Daraus wird ein individuelles Trainingsprogramm abgeleitet. Der Vorteil: Einerseits wird das Bewegungsausmaß und andererseits das Kraftvermögen genau gemessen. Bei einer herkömmlichen Untersuchung wird dies meist nur geschätzt und hängt stark von den Erfahrungen des jeweiligen Untersuchers ab. Mit einer Computeranalyse sind die gemessenen Werte am Anfang und am Ende eines Trainingsprogramms immer vergleichbar. Die Untersuchung: Zunächst werden an einem computergestützten Testgerät alle Bewegungsmöglichkeiten der Wirbelsäule wie das Ausmaß von Drehung, Beugung, Streckung und die Seitneigung präzise gemessen und gespeichert. Nachfolgend werden an Trainingsgeräten alle Bewegungsabläufe analysiert, an denen die Wirbelsäule beteiligt ist, zum Beispiel Körperstreckung und Körperbeugung. Schließlich wird die Kraft getestet. Der Patient muss dabei zum Beispiel gegen Kopf- oder Schulterwiderstände drücken. Alle Messergebnisse werden ausgewertet. Dabei werden Alter, Geschlecht und Konstitution des Patienten beachtet. Erst danach wird der Therapieplan erstellt und regelmäßig angepasst. Diese neue Form des Herangehens zielt darauf ab, alle individuellen Bewegungs- und Kraftdefizite auszugleichen. Wenn eine ärztliche Überweisung vorliegt, übernehmen die Krankenkassen auch anteilig die Kosten. Die computergestützte Rückenanalyse ist in vielen Sport- und Gesundheitszenten möglich. Wer keine Möglichkeit hat, das Programm in Anspruch zu nehmen, muss nicht verzweifeln. Bei den allermeisten Rückenpatienten ist es über die Zeit der Schonung gerade bei chronischen Schmerzen zu einem allgemeinen Muskelabbau gekommen, so dass ein herkömmliches Aufbautraining, ohne vorherige Analyse einzelner Störungen der Wirbelsäule, in jedem Fall Sinn macht. Irrtümer Nr. 5, 6, 7 Irrtum Nr. 5: Rückenprobleme haben nur ältere Menschen Die wenigsten würden bei Kindern als erstes an Rückenschmerzen denken. Aber schon die Jüngsten wachsen in eine bewegungsarme Sitzgesellschaft hinein, die spätestens mit dem Eintritt in die Schule beginnt. Nach dem Unterricht setzt sich für viele der Bewegungsmangel in der Freizeit fort. Muskelschwäche, Konditionsverlust und Übergewicht sind die Folgen. Das wiederum führt zur Seite 20 von 21 Störungen im Bewegungsapparat und zu Haltungsschwächen. Eine schwache Muskulatur aber reagiert mit Schmerzen, wenn sie nicht ausreichend gefordert und trainiert wird. Sport, Spiel und Bewegung sind für die geistige und körperliche Entwicklung von Kindern von großer Bedeutung. Der Landessportbund Sachsen hat sich zum Ziel gesetzt, Sport- und Bewegungsangebote für Vorschulund Schulkindern zu fördern und die Zusammenarbeit zwischen Sportvereinen und Schulen und Kindertagesstätten voranzutreiben. In seinen zahlreichen Vereinen werden sportliche Talente in speziellen Sportarten gefördert, allgemeine sportliche Aktivitäten oder auch gesundheitsorientierte Förderprogramme angeboten. Dazu zählen unter anderem die Kinderrückenschule, Sport mit übergewichtigen Kindern, gezielte (spielerische) Koordinations- und Haltungsschulung und Angebote für Kinder mit mangelnden Bewegungserfahrungen wie das Körperwahrnehmungstraining. Diese Angebote werden nur von Personen durchgeführt, die eine entsprechende Qualifikation haben (Übungsleiter "Prävention") und über den Landessportbund ausgebildet wurden. Nicht nur Erwachsene haben Probleme mit dem Rücken. Irrtum Nr. 6: Bei Rückenschmerzen muss ich mich schonen Schonung bedeutet nicht Bettruhe. Zwar ist insbesondere ein Bandscheibenvorfall meist ein äußerst schmerzhaftes Ereignis, aber mit Hilfe einer medikamentösen Schmerztherapie sollte frühzeitig begonnen, werden ein Bewegungsprogramm zu beginnen, damit so dem raschen Muskelabbau und einer Chronifizierung der Rückenschmerzen entgegengewirkt werden kann. Irrtum Nr. 7: Je härter die Matratze, desto besser für den Rücken In Wahrheit sind mittelharte Liegeflächen gut. Am besten ist Probeliegen im Geschäft. Einige Matratzenstudios oder Möbelhäuser bieten auch Probeschlafen mit der neuen Unterlage über mehrere Wochen zu Hause mit anschließender Rücknahmegarantie an. Seite 21 von 21