"Policy Frames and Implementation Problems: The Case of Gender

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"Policy Frames and Implementation Problems: The Case of Gender Mainstreaming"
Kurzdarstellung der Forschungsergebnisse des MAGEEQ-Projekts für Österreich
für die Diskussionsveranstaltung
"30 Jahre 'Internationales Jahr der Frau'"
Wien, 5. Oktober 2005
Birgit Sauer, Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien
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1. Forschungsgegenstand und Fragestellung
MAGEEQ 1 untersucht Vorstellungen und Präsentationen von Geschlecht, von Männern und
Frauen sowie von Geschlechtergerechtigkeit in österreichischen Politikdokumenten. Der
theoretisch-methodische Hintergrund einer solchen "frame analysis" (Rahmenanalyse) geht
davon aus, dass die Präsentation eines Politikproblems (seine Diagnose wie auch seine
Lösungsvorschläge)
die
tatsächlichen
politischen
Lösungsvorschläge
prägen
bzw.
konstitutieren.
Das Ziel einer "frame analysis" ist es deshalb, die Vorstellungen – man könnte auch sagen:
das implizite und explizite Wissen – von politischen AkteurInnen herauszuarbeiten, um
deutlich zu machen, wie ein Problem durch politische AkteurInnen gesehen und präsentiert –
sprich "geframt" wird und welche möglichen politischen Konzepte, Lösungsvorschläge und
Strategien erwartbar sind.
Die Strategie des Gender Mainstreaming basiert auf der Explizierung von implizitem,
unbewusstem oder vorbewusstem Geschlechterwissen, von Vorstellungen über Geschlechter
und Geschlechtergleichstellung in der Politik. Nur durch eine solche Bewusstmachung von
"frames" kann es gelingen, eine Sensibilisierung politischer AkteurInnen in Bezug auf
Geschlecht (wie im Gender Mainstreaming-Ansatz gefordert) in die Wege zu leiten.
Im Projekt wurden die folgenden Politikdokumente analysiert:
Familienpolitik: Für die Analyse dieses Feldes wurden 16 Dokumente aus dem Zeitraum
1995-2003 herangezogen. Die Dokumente setzen sich zusammen aus Ausschnitten aus dem
Familienbericht 1999, dem Bericht Österreichs über den Stand der Umsetzung der CEDAWKonvention 1999, der Debatte im Bundesrat über das Kinderbetreuungsgeld 1999, den
Debatten der Parteien SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grüne im Nationalrat über das
Kinderbetreuungsgeld 2001, Stellungnahmen des Instituts für Ehe und Familie sowie der
Österreichischen
Kinderfreunde
zum
Kinderbetreuungsgeldgesetz
2001,
dem
Regierungsprogramm 2003 sowie aus Zeitungsartikeln der Tageszeitungen Kurier, Die Presse
und Der Standard.
1
Mageeq ist ein EU-finanziertes Projekt. Die Ergebnisse wurden von Birgit Sauer und Karin
Tertinegg (Institut für die Wissenschaften vom Menschen) gemeinsam erarbeitet.
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Gewalt gegen Frauen im sozialen Nahbereich: Für die Analyse dieses Feldes wurden 20
Dokumente aus dem Zeitraum 1995-2002 herangezogen: Die Dokumente setzen sich
zusammen aus dem Gewaltschutzgesetz 1996 sowie dem Justizausschussbericht zum
Gewaltschutzgesetz 1996, Debatten im Nationalrat zum Gewaltschutzgesetz 1996, zu Gewalt
in der Familie und innerer Sicherheit 1997, der Nationalratsdebatte im Jahr 2000 zu
Maßnahmen für Frauen und Familien, dem Bericht Österreichs über den Stand der Umsetzung
der CEDAW-Konvention 1999. Die Programme der Parteien Grüne, ÖVP und SPÖ sowie der
Plattform
Initiative
freiheitlicher
Frauen
wurden
ebenso
analysiert
wie
das
Regierungsprogramm 2003 und Zeitungsartikel der Tageszeitungen Kurier und Der Standard.
Geschlechterungleichheit in der Politik: Für die Analyse dieses Feldes wurden 22
Dokumente aus dem Zeitraum 1995-2003 herangezogen. Die Dokumente setzen sich
zusammen aus Zeitungsartikeln der Tageszeitungen Die Presse und Der Standard, den
Programmen der Parteien Grüne, ÖVP und SPÖ sowie der Plattform Initiative freiheitlicher
Frauen, sowie dem Regierungsprogramm 2003. Weiters wurden analysiert eine abweichende
Stellungnahme
zum
Kommentar
zum
Bundesgleichbehandlungsgesetz
1996,
Nationalratsdebatten zur Novelle des Bundesgleichbehandlungsgesetzes 1999 sowie
Wortmeldungen im Nationalrat im Juli 2003, dem Bericht Österreichs über den Stand der
Umsetzung der CEDAW-Konvention 1999 sowie der Stellungnahme des Büros für
Gleichstellung
und
Gender
Studies
der
Universität
Innsbruck
zum
neuen
Gleichbehandlungsgesetz für den öffentlichen Dienst 2003.
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2. Familienpolitik
Die Diagnose von Familienpolitik
In den österreichischen Dokumenten werden Probleme in der Familienpolitik und
Lösungsvorschläge mit absteigender Häufigkeit folgendermaßen umrissen:
An erster Stelle steht die Vorstellung, dass Probleme in der Familienpolitik durch "Versagen
bisheriger Familienpolitik" entstanden sind, d.h. dass ungenügende Maßnahmen, falsche
Maßnahmen bisher ergriffen wurden und korrigiert werden sollten.
Fast gleich stark ausgeprägt ist die Ansicht, "Vereinbarkeit von Beruf und Familie" stelle ein
Problem dar und solle gelöst werden. Beide Argumentationen sind über den gesamten
Zeitraum stark artikuliert.
Als dritte, ebenfalls häufig vorkommende Vorstellung ist die "Beteiligung von Frauen am
Arbeitsmarkt" zu nennen: diese Vorstellung geht davon aus, dass Frauen am Arbeitsmarkt
Probleme haben und dass es nötig ist, vermehrt Frauen in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Diese drei Argumentationen sind im untersuchten Zeitraum dominant.
Weitere Argumentationen in der Diagnose des Problems sind "Armut", "demographische
Entwicklung", "Veränderung von Familien" (Familien unterliegen einem Wandel) und
"Geschlechtergleichheit", wobei die beiden letzten sehr schwach ausgeprägt sind. Die
Seltenheit der Präsentation des Problems als eines der "Geschlechtergleichheit" bedeutet, dass
Familienpolitik wird im untersuchten Zeitraum kaum als Feld wahrgenommen wird, in dem es
um
Gleichheit
und
Ungleichheit
der
Geschlechter
geht.
Die
Präsentation
"Geschlechtergleichheit" ist in den analysierten österreichischen Dokumenten, im Gegensatz
etwa zu den EU-Dokumenten sowie den spanischen Dokumenten, sehr schwach artikuliert
und wird ausschließlich von der SPÖ und den Grünen angewandt.
"Demographische Entwicklung" als Problem für Familienpolitik scheint erstmals im Jahr
2001 in der Nationalratsdebatte über das Kindergeld von ÖVP- und FPÖ- Abgeordneten auf.
Ebenso scheint die Argumentation "Armut" als Problem für Familienpolitik erstmals im Jahr
2001 auf. Vor diesem Zeitpunkt wurden diese Argumentationen nicht in den analysierten
Dokumenten gefunden.
Für Probleme, die als familienpolitische dargestellt werden, werden selten strukturelle
Ursachen genannt; stattdessen wird das Problem meist in falschem individuellem Verhalten
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oder falschen individuellen Werten lokalisiert. Dieser Individualisierung fehlt meist jegliche
Geschlechterperspektive. Die individuelle Entscheidung, Kinder zu zeugen oder nicht und
diese selbst zu betreuen oder nicht, wird politisiert. Bevölkerungspolitische Relevanz wird
betont, geschlechterpolitische Relevanz wird meist nicht artikuliert.
Die Geschlechterfrage wird somit entpolitisiert, während eine Generationenfrage politisiert
wird. Generell wurde in den analysierten Dokumenten wenig bis kein Bezug zu Gender
Mainstreaming gefunden. Die Thematik Gender Mainstreaming scheint jedenfalls nicht im
direkten Zusammenhang mit Familienpolitik auf.
Die Prognose von Familienpolitik
Logisch kohärente Vorstellungen über die Existenz eines Problems und Vorschläge zur
Lösung dieses Problems wurden hauptsächlich bei den Präsentationen "Versagen bisheriger
Familienpolitik" und "Vereinbarkeit von Beruf und Familie" sowie bei "Beteiligung von
Frauen am Arbeitsmarkt" gefunden, weniger bei den anderen Präsentationen. Die
Argumentation "Demographische Entwicklung" ist hauptsächlich als Problemdefinition
ausgeprägt und weniger als Lösungsansatz ausgeprägt – demographische Entwicklung wird
als zwar als Problem definiert, aber selten werden damit Lösungsvorschläge verbunden.
Die ungleiche Verteilung von Arbeit zwischen Frauen und Männern wird meist reproduziert;
Frauen werden, sowohl in der Diagnose als auch in den unterschiedlichen Lösungsansätzen,
als Hauptverantwortliche für Betreuungs- und Familienarbeit dargestellt. Männer werden
selten als Zielgruppe für Lösungsvorschläge dargestellt. Ungleiche Verteilung von
Familienarbeit wird nur im Zusammenhang mit CEDAW als Problem für die Demokratie und
damit für den Staat wahrgenommen.
In der Präsentation "Vereinbarkeit von Beruf und Familie" gibt es eine Verschiebung vom
Modell der vollen Erwerbstätigkeit für Frauen und Männer hin zu einem modifizierten Modell
der vollen Erwerbstätigkeit des Mannes plus einer zusätzlichen Teilzeit-Erwerbstätigkeit der
Frau. Ab 2000 wird eine neue Dichotomie eröffnet: Erwerbstätigkeit von Frauen mit Kindern
wird als (durch wirtschaftliche Notwendigkeit) erzwungen und unfreiwillig dargestellt. Dieser
Präsentation wird die Vorstellung der freien Wahl der Kinderbetreuung andererseits
gegenübergestellt. Selbstbetreuung von Kindern durch Frauen in der Familie wird als beste
Form der Betreuung dargestellt und naturalisiert. Familie wird als notwendige Basiseinheit
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der Gesellschaft dargestellt, als ein Refugium, an dem alle Bedürfnisse von Kindern am
Besten gestillt werden können. Damit verbunden ist eine Infragestellung der Qualität
öffentlicher Kinderbetreuung. Geschlechterdimensionen von Familie werden selten expliziert:
heterosexuelle Paare mit Kindern scheinen als Normfamilie auf, Alleinerziehende werden
ebenfalls genannt.
Ab 2000 kann eine zunehmende De-Artikulierung oder Re-Traditionalisierung von
Geschlechterrollen, sowohl in Diagnose als auch in Prognose festgestellt werden.
Vorstellungen über "Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt" werden zunehmend durch
Vorstellungen ersetzt, die auf traditionelle Geschlechterrollen zurückgreifen oder den Fokus
auf Familie, Kinder und Generationen lenken, ohne Geschlechterdimensionen zu artikulieren.
3. Gewalt gegen Frauen im sozialen Nahbereich
Die Diagnose von Gewalt gegen Frauen im sozialen Nahbereich
Gewalt gegen Frauen wird in den untersuchten Dokumenten selten als öffentliches Problem
diskutiert. Als öffentliches Problem wird es vor allem als Ausdruck von mangelnder
öffentlicher Sicherheit und im Zusammenhang mit Kriminalität und Verbrechensprävention
gesehen; die Geschlechterdimension gerät bei dieser Präsentation in den Hintergrund.
Häufiger wird Gewalt gegen Frauen als etwas diskutiert, bei dem Privates und Öffentliches
aufeinander stoßen, wobei die Schutzwürdigkeit des Privaten bei dieser Vorstellung stets
betont wird. So zeigt die Präsentation des Problems bei allen Parteien mit Ausnahme der
Grünen, dass das Problem "Gewalt gegen Frauen im sozialen Nahbereich" in der Beziehung
zwischen zwei Individuen, also im Privaten, liegt. Als Problem für die Demokratie wird
Gewalt gegen Frauen explizit nur von den Grünen genannt.
Im Allgemeinen wird Gewalt gegen Frauen in den untersuchten Dokumenten in
geschlechtsneutraler Sprache diskutiert: Entgeschlechtlichte „Opfer“ werden einem
„Aggressor“ oder „Täter“ gegenübergestellt. Wenn trotz der häufigen entgeschlechtlichenden
Darstellung Geschlecht benannt wird, dann indem Frauen mit Opfern gleichgesetzt werden,
oft im Zusammenhang mit Kindern. Frauen werden als schwach und abhängig dargestellt,
manchmal auch als unfähig, sich aus Gewaltbeziehungen zu lösen und somit auch als
Mitverantwortliche für die gegen sie gerichtete Gewalt. Täter oder Aggressoren jedoch
bleiben meist geschlechtslos. Dies gilt auch dann, wenn im selben Text Opfer in
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geschlechtlicher Weise als Frauen dargestellt werden. Wenn Gewalttäter jedoch
geschlechtlich benannt werden, dann als männlich, aber das Bild des Täters ist im
Allgemeinen verschwommener als das des weiblichen Opfers. Wenn männliche Gewalttäter
näher beschrieben werden, dann insofern, als gewalttätiges Verhalten individualisierend wie
etwa durch Gewalterfahrungen in der Kindheit erklärt wird.
Gewalt gegen Frauen wird in den untersuchten Dokumenten äußerst selten (von einigen
weiblichen Abgeordneten der Parteien SPÖ und des LIF sowie im Parteilprogramm der
Grünen) als strukturell bedingt dargestellt: meist wird es als Ergebnis falschen individuellen
Verhaltens dargestellt, das unter anderem durch Drogen, Arbeitslosigkeit oder Alkohol
hervorgerufen wird. Ungleiche Geschlechterverhältnisse werden wiederum explizit nur von
den Grünen als Ursache für Gewalt gegen Frauen genannt.
In keinem der untersuchten Dokumente wird eine Verbindung hergestellt zwischen Gewalt
gegen Frauen und Gender Mainstreaming-Politik.
Die Prognose von Gewalt gegen Frauen im sozialen Nahbereich
Alle Parteien verwenden die Argumentation, dass Gewalt gegen Frauen grundsätzlich etwas
zu Bestrafendes sei. Grosse Unterschiede gibt es jedoch in der konkreten Ausgestaltung von
Maßnahmen, die Gewalt gegen Frauen verhindern sollen. Die Vorstellung, dass staatliche
Intervention bei Gewalt in der Familie nur in sehr limitierter Weise stattfinden sollte, findet
sich
in
der
Argumentation
des
Schutzes
der
Privatsphäre
des
Täters
oder
Wohnungseigentümers. Das zu schützende Gut ist hier die Privatsphäre des Gewalttäters, die
körperliche Unversehrtheit von Frauen muss mit diesem Gut abgewogen werden. Diese
Vorstellung findet sich bei Abgeordneten der FPÖ, während alle anderen Parteien den
Eingriff in die Privatsphäre als legitim erachten, um Frauen vor Gewalt zu schützen. Einige
FPÖ-Abgeordnete lokalisieren die zu schützende Person auch im männlichen Gewalttäter, der
durch staatliche Maßnahmen wie der Wegweisung nicht nur in seiner Privatsphäre
beeinträchtigt wird, sondern der Gefahr ausgesetzt ist, obdachlos und arbeitslos zu werden.
Staatliche Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt in der Familie sollen daher so täterfreundlich
wie möglich gestaltet werden und die Interessen des Täters wahren.
Diese Präsentation ist in Österreich im Vergleich mit den anderen untersuchten Staaten relativ
häufig anzutreffen, in den analysierten EU-Dokumenten jedoch nicht vorhanden.
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Seit 2000 kann eine Veränderung von Präsentationen festgestellt werden: die Familie als zu
schützendes Refugium wird in den Mittelpunkt gestellt. Gewalt in der Familie ist nun Teil
eines größeren Diskurses um die Wichtigkeit von Familie und die Gefahr von deren Erosion
durch verschiedene Einflüsse. Gewalt wird als einer dieser negativen Einflüsse auf Familien
betrachtet.
Diese Präsentation enthält keinerlei Bezug zu Geschlechterdimensionen und ungleichen
gesellschaftlichen Machtverhältnissen. In den parlamentarischen Debatten ist eine
Verschiebung von der Präsentation „Gewalt gegen Frauen“ hin zur entgeschlechtlichten
Präsentation „Gewalt in der Familie“ festzustellen. Gewalt gegen Frauen rückt zunehmend in
den Hintergrund. Die Vorstellung, dass die Integrität und der Schutz der Familie im Zentrum
der Politik stehen sollten, gewinnt an Bedeutung.
Weiters gibt es seit 2000 eine Vermischung von zwei Argumentationen: Gewalt in der
Familie und Kindesmissbrauch. Diese Vermischung verstärkt das Abrücken von
Geschlechterdimensionen sowohl bei Problemdefinition als auch bei Lösungsvorschlägen für
Gewalt gegen Frauen im sozialen Nahbereich.
4. Geschlechterungleichheit in der Politik
Mageeq spricht nicht von "politischer Unterrepräsentation von Frauen in der Politik, sondern
von "Geschlechterungleichheit in der Politik", da der Begriff der Repräsentation bereits
spezifische Interpretationen der Position und Rolle von Frauen in der Politik enthält, die aber
in den analysierten österreichischen Debatten nur unzureichend differenziert werden und
deshalb selbst Gegenstand der Untersuchung sind.
In der (politik-)wissenschaftlichen Literatur wird zwischen "quantitativer Repräsentation"
(Anzahl
von
Frauen)
und
"qualitativer
Repräsentation"
(die
Anerkennung
des
Geschlechterunterschieds in allen Politikbereichen mit dem Ziel einer frauenfreundlichen
Politik) unterschieden. Während die quantitative Repräsentation als ein Gebot der
Realisierung gleicher politischer Rechte für Männer und Frauen gilt, ist die Frage nach
qualitativer Repräsentation mehr auf positive Aktionen zum Ausgleich benachteiligender
Geschlechterdifferenz gerichtet. Beide Formen der Repräsentation gilt es zu trennen.
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In den untersuchten österreichischen Politikdokumenten wird diese Unterscheidung nicht
gemacht.
Diese
Blindstelle
führt
zu
drei
Verkürzungen
in
der
Problem-
und
Lösungsrepräsentation: erstens zu der Vorstellung, dass die Erhöhung des quantitativen
Anteils
von
Frauen
in
politischen
Gremien
gleichsam
automatisch
zu
einer
frauenfreundlicheren Politik führe. Besondere frauenpolitische Anstrengungen erscheinen
dann über die Erhöhung des quantitativen Frauenanteils hinaus nicht mehr notwendig.
Zweitens wird daraus gefolgert, dass die im politischen Bereich präsenten Frauen automatisch
für Frauenpolitik zuständig sind (Männer also entlastet sind). Drittens wird die Frage nach
politischer Repräsentation von Frauen vielfach auf die Frage machtpolitischer Interessen von
individuellen Frauen reduziert und selten als ein demokratiepolitisches Problem verstanden.
Die untersuchten Dokumente weisen – mit Ausnahme der FPÖ – einen "Allparteienkonsens"
in Bezug auf die Diagnose von Geschlechterungleichheit in der Politik auf: Frauen sollten in
der Politik bzw. in politischen Führungspositionen besser repräsentiert sein – freilich mit der
Ungenauigkeit des Repräsentationsbegriffs. Die Debatten um Geschlechterungleichheit in der
Politik werden in Österreich fast ausschließlich von Frauen der politischen Parteien geführt:
Diese Exklusivität der Rede verdeutlicht, dass das Problem der Geschlechterungleichheit als
ein "Frauenproblem" wahrgenommen und präsentiert wird. Ein Bezug auf die Gender
Mainstreaming-Politik der EU ist in der gesamten Debatte nur schwach vorhanden.
Die Diagnose von Geschlechterungleichheit in der Politik
Die Diagnosen der Geschlechterungleichheit in der Politik sind in den analysierten
Dokumenten vergleichsweise schwach. Ganz allgemein sind es die Strukturen der Politik oder
die Gesellschaft, die die Präsenz von Frauen behindern. Lediglich Johanna Dohnal kritisiert
die Männer in ihrer Partei, der SPÖ, die Frauen abblocken. Politik wird als "Männerbund"
bzw. als "Männerwelt" beschrieben.
Die Bezeichnung von der Politik als "Männerwelt" findet am Beginn des neuen Jahrhunderts
Eingang in die Dokumente aller drei Parteien – ÖVP, SPÖ und Grüne. Allerdings fehlen in
der Diagnose des Problems weiblicher Unterrepräsentation Bezüge auf die Organisation und
Struktur von Parteien, auf die Interessen von Männer(-gruppen) innerhalb der Parteien oder
auf die Bedeutung der Sozialpartnerschaft für den Ausschluss von Frauen aus der Politik.
Anders
ausgedrückt:
In
der
Problemdiagnose
werden
die
Ursachen
für
Geschlechterungleichheit in der Politik in andere gesellschaftliche Bereiche verschoben und
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die Strukturen der Welt der Politik werden nicht in den Blick genommen. Das Feld der Politik
wird nicht als durch Geschlechterherrschaft gekennzeichnetes wahrgenommen.
Vielmehr geraten in der Diagnose vornehmlich Frauen ins Visier der Darstellung: Sie werden
– wohlwollend – als Problem konstruiert, sie haben ein Problem mit der Politik, weil sie
unterrepräsentiert
sind.
Anders
ausgerückt:
Die
Debatten
um
Beseitigung
von
Geschlechterungleichheit in der Politik konstruieren Frauen als "das Andere" der Politik.
In den österreichischen Dokumenten fehlen – im Unterschied zu anderen europäischen
Ländern – zwei Argumentationen in der Diagnose: Erstens wird die Unterrepräsentation von
Frauen nicht als ein Problem für die österreichische Demokratie geframt; die
Unterrepräsentation ist ein Problem für Frauen, nicht aber für die Legitimität der
österreichischen Demokratie (wie dies in den jungen Demokratien debattiert wird). Zweitens
fehlt in den österreichischen Dokumenten weitgehend ein "Differenzansatz" in der Debatte.
SPÖ und Grüne Dokumente vertreten einen strikten Egalitätsansatz (gleiche Rechte), nur in
ÖVP-Dokumenten findet sich ein nicht sehr ausgeprägter Bezug darauf, dass Frauen "als
Frauen" einen Unterschied machen sollten, indem betont wird, dass Frauen sich nicht wie
Männer verhalten sollten. Nur in FPÖ-Dokumenten ist ein starke Differenzansatz enthalten:
Die Erhöhung des Frauenanteils in der Politik werde zu einem anderen Politikstil führen, zu
mehr Verantwortung und Konsens.
Die Prognosen zur Beseitigung von Geschlechterungleichheit in der Politik
Die Prognosen und Problemlösungen sind entsprechend der schwachen Problemdiagnosen
auch eher phantasielos. Individualistische Lösungen gelten als das probateste Mittel, nämlich
die Hebung der politischen Qualifikation von Frauen durch Schulungen und Mentoring. Dies
ist das am ehesten akzeptierte Mittel, obgleich in der Diagnose selten von geringer
Qualifikation von Frauen die Rede ist. Freilich reflektiert dieser individualistische Zugang die
fehlende Strukturanalyse von Frauen und die Konstruktion von Frauen als "die Andere" – und
eben geringer Qualifizierte. Umgekehrt wird nahegelegt, dass wenn Frauen besser qualifiziert
sind für die Politik, sie auch besser repräsentiert sind.
In den Lösungsvorschlägen wird auf außerpolitische Strukturen Bezug genommen, aber
tendenziell in einem Regulierung abwehrenden Gestus: Damit sich das Geschlechterverhältnis
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in der Politik ändere, müssen sich erst gesellschaftliche Geschlechterverhältnisse und die
politische Kultur ändern.
Die Forderung einer Quotierung zur Realisierung gleicher quantitativer Repräsentation wird
von den Parteien – mit Ausnahme der Grünen – sehr schwach vertreten. Während die FPÖ
von einer eher naturwüchsigen Steigerung des Frauenanteils bei Veränderung der Gesellschaft
ausgeht, wird in ÖVP-Dokumenten bis zum Jahre 2003 eine Regulierung durch Quoten gegen
die Qualifikation von Frauen in Anschlag gebracht. Auch die SPÖ-Frauen sind mit Kritik an
der mangelhaften Realisierung ihrer Quotierungsvorgabe durch die männlichen Parteikollegen
eher zurückhaltend. Erst im Jahr 2003 gibt es einen Stimmungsumschwung, an dem auch
Vertreterinnen der ÖVP beteiligt sind. Nach wie vor abgelehnt wird – wie in EU-Dokumenten
vorgeschlagen – eine gesetzliche Regulierung und Sanktionierung von weiblicher
Unterrepräsentation – mit Ausnahme der Grünen, die einen solchen Vorschlag in die
Diskussion brachten.
In der Lösungsperspektive fehlt völlig die Frage nach qualitativer Repräsentation von Frauen,
also Wege und Möglichkeiten einer geschlechtergerechteren Politik.
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