BIETIGHEIM-BISSINGEN Uraufführung nach 160 Jahren In der Pauluskirche Bietigheim wird am Samstag, 9. Mai, um 19.30 Uhr "Der 130. Psalm" von Christian Fink uraufgeführt. Die Bietigheimer Kantorei singt unter der Leitung von Burkhard Pflomm. GABRIELE SZCZEGULSKI | 22.04.2015010 Foto: Helmut Pangerl Die Bietigheimer Kantorei unter Leitung von Burkhard Pflomm singt Psalmvertonungen der Romantik. Wer nur ist Christian Fink, dessen Komposition "Der 130. Psalm" am Samstag, 9. Mai, unter Leitung des Kantors der Bietigheimer Stadtkirche, Burkhard Pflomm, in der Pauluskirche uraufgeführt wird? Google kann helfen, aber viel weiß auch der Schlaumeier nicht: Fink (1831 bis 1911) wirkte mehr als 40 Jahre als Kirchenmusiker in Esslingen, von 1860 bis 1905. Und wenn Fink schon seit über 100 Jahren tot ist, warum wird eine seiner Kompositionen erst jetzt uraufgeführt? Der Kantor der Bietigheimer Stadtkirche, Burkhard Pflomm, ist dieses Mal schlauer als Google und kann genauer Auskunft geben. Der Stadtkirchenkantor schrieb nämlich seine Zulassungsarbeit als Kirchenmusiker über den Kollegen Christian Fink. Pflomm erstellte gar ein Werkverzeichnis aller Kompositionen des Esslingers. Und stieß auf ein Werk, bei dem sowohl das Stimmenverzeichnis als auch das Aufführungsdatum fehlte: Es war also noch nie aufgeführt worden, obwohl es schon 1855 komponiert worden war. "Seit meinem Studium war es mein Traum, dieses Werk aufzuführen", sagt Pflomm. Er schrieb die Komposition ab und suchte nach Lösungen, wie das Werk, das einen großen Chor verlangt, aufgeführt werden kann. Bei der Komposition handelt es sich zusammen mit einer Ouvertüre um Finks einziges groß besetztes Werk für Soli, Chor und großes Orchester. Und Pflomm klärt über Christian Fink auf: Geboren wurde er in Dettingen bei Heidenheim, erhielt seine musikalische Ausbildung zunächst im Elternhaus und dann im Lehrerseminar in Stuttgart und Esslingen, bevor ihm ein Stipendium das Studium am Konservatorium in Leipzig ermöglichte. Dort komponierte er 1855, mit Beendigung des Studiums, eben dieses Chorwerk, den Psalm 130. Nach vier Jahren als freischaffender Musiker in Leipzig kehrte er 1860 nach Esslingen zurück, wo er über 40 Jahre das Musikleben prägte. Insgesamt, so Burkhard Pflomm, atmet das Werk den Geist Mendelssohns, dessen Psalmvertonungen Fink sogar in der Besetzung folgt. Pflomm ging auf die Suche nach einem Chor, der seine Kantorei unterstützen konnte, und wurde bei Gertrud Weixler und dem Ehemaligen-Chor der Realschule im Aurain fündig, für die dieses Konzert im 30. Jahr ihres Bestehens als Herausforderung gerade recht kam. "Ich hatte den Chor schon mehrmals gehört und auch an der Orgel begleitet, er ist stimmlich auf hohem Niveau", so Pflomm. Seit Wochen üben die Sänger das Werk - teilweise in Einzelstunden bei Gertrud Weixler. Die insgesamt 100 Sänger der beiden Chöre sowie die Solisten und ein Orchester werden neben der Uraufführung des Finkschen Werkes auch noch den "Psalm 95" von Felix Mendelssohn Bartholdy erklingen lassen, auch um die Nähe der beiden Kompositionen darzustellen. Christian Fink studierte ja in Leipzig, wo die Hochschule sehr von Mendelssohn Bartholdys Stil geprägt war. Beide Stücke haben zum Inhalt den Weg von der Verzweiflung des Menschen zur Hoffnung, dem Licht, das Gott ihnen schenken kann. Es sind beides eher ruhige, besonnene Stücke, die fast ohne Jubelgesang auskommen. Finks Komposition aber, so erklärt Pflomm, wird durch den Chorgesang bestimmt, nicht durch das Orchester, das ist eine Besonderheit in romantischen Werken. Besonders sei auch, dass die Rezitative vom Chor gesungen würden. "Reizvoll ist auch eine Stelle, in der nur ein Frauenchor singt", erzählt er. Auch der 95. Psalm von Mendelssohn ist ein dezentes Werk. "Ich finde, es ist die schönste Psalmvertonung Mendelssohns", schwärmt Pflomm, "weil es Tiefe hat". Außerdem wird am 9. Mai "Mirjams Siegesgesang" von Franz Schubert in der Orchesterfassung von Franz Lachner aufgeführt. Das ist nun eher ein Lobgesang. Schubert vertonte einen Text über den Auszug aus Ägypten von Franz Grillparzer, seinem Freund. Schubert komponierte das Stück kurz vor seinem Tod, aber es sticht aus den traurigen, düsteren Kompositionen in diesem Jahr strahlend hervor, denn es ist heiter und gelöst. "Dieses Konzert wird eine ganz spezielle Note haben, alleine durch die Uraufführung eines Werkes 160 Jahre nach dessen Entstehung", sagt Burkhard Pflomm. Die spezielle Note erhält das Konzert aber auch, weil Christian Finks Urenkelin zur Uraufführung des Werkes ihres Urgroßvaters kommt, "sie sei schon ganz aufgeregt, sagte sie", erzählt Pflomm. 30 Jahre Ehemaligen-Chor der Realschule im Aurain Jubiläum Vor 30 Jahren gründete Musiklehrerin Gertrud Weixler den Ehemaligen-Chor der Realschule im Aurain in Bietigheim-Bissingen auf Wunsch ehemaliger Schüler. Von 1975 bis 2013 war Weixler Lehrerin an der Realschule und leitete dort den Unter- und Oberstufenchor. Aus ehemaligen Mitgliedern der Chöre und auch aus Schülern aus den beiden Schulchören setzte sich der Ehemaligen-Chor zusammen. Vereinsgründung Als Gertrud Weixler in Pension ging, wurde aus dem Ehemaligen-Chor ein Verein, da die Sänger unbedingt weitermachen wollten. Heute besteht der Chor aus 50 Sängern im Alter zwischen zwölf und 76 Jahren. Die Vereinsgründung öffnete den Chor auch für Nicht-Ehemalige oder Schüler der Realschule. Vorsitzende des Vereins ist die Bietigheimerin Angela Gänzle. Konzert Aufgrund der hohen gesanglichen Qualität des Ehemaligen-Chores der Realschule im Aurain fragte der Kantor der Bietigheimer Stadtkirche, Gertrud Weixler, ob er beim großen Konzert mitmachen wolle, um die für die Stücke notwendigen Stimmen zusammen zu bekommen. Deshalb wird das Konzert so etwas wie das Jubiläumskonzert des Chores. Das eigentliche Konzert zum 30-jährigen Bestehen wurde deshalb verschoben und findet am 12. März 2016 statt. Programm Am Samstag, 9. Mai, 19.30 Uhr, findet das Chor- und Orchesterkonzert in der Pauluskirche in Bietigheim statt. Es steht unter dem Motto "Psalmvertonungen der Romantik". Neben der Uraufführung des "Psalm 130" von Christian Fink gibt es den "Psalm 95" von Felix Mendelssohn Bartholdy sowie "Miriams Siegesgesang" von Franz Schubert in der Orchesterfassung von Franz Lachner. Es wirken mit: die Bietigheimer Kantorei, der Ehemaligen-Chor der Realschule im Aurain, das Bietigheimer Kantatanorchester, Miriam Burkhardt, Sopran, Kerstin Plaschka, Sopran, Susanne Wiesbauer, Alt, Stephan Frieß, Tenor. Die Leitung hat Burkhard Pflomm. Karten gibt es bei der Stadtinformation Bietigheim, Hauptstraße.