Selbstverständnis des Islam und Stellung zum Juden

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Newsletter „Verfolgte Christen“ – November 2012
Verfasser: Pfr.i.R. Ernst Herbert – Neumarkt i.d.OPf. – [email protected]
Thema: Selbstverständnis des Islam und Stellung zum Juden- und zum Christentum
Quelle: „Im Namen Allahs? Christenverfolgung im Islam“ von der katholischen Islamwissenschaftlerin Rita Breuer, Herderverlag
Selbstverständnis des Islam
„Der Islam ist die jüngste der Offenbarungsreligionen und versteht sich in der Nachfolge von Judentum und Christentum als Vollendung der göttlichen Heilsgeschichte mit der Menschheit und als letztgültige Anleitung für ein gottgefälliges Leben. Mit großer Schärfe verurteilt der Koran das polytheistische Heidentum, das sich durch die Verehrung mehrerer Götter und Geistwesen auszeichnet. Ihm setzt
der Koran den Glauben an die Einheit und Einzigkeit Gottes entgegen, von der abzuweichen als
Inbegriff von Gottlosigkeit und Sünde gilt. Im Unterschied dazu gelten die abrahamitischen VorläuferReligionen Judentum und Christentum als ‚Leute des Buches‘, Empfänger ursprünglich reiner göttlicher Offenbarungsschriften. Dieser eine Gott hat sich den Menschen nach islamischen Glauben durch
eine Reihe von Propheten von Adam über Abraham, Noah, Moses, Jesus bis hin zu Mohammed
offenbart und ihnen in den Schriften Thora, Evangelium und Koran die Rechtleitung zukommen
lassen. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, es gebe bei Gott eine sogenannte ‚wohl verwahrte Tafel‘,
eine himmlische Urschrift, die den Menschen in einzelnen Schriften offenbart wurde. Die Thora ist ein
Teil davon, ebenso das Evangelium und auch der Koran. Dieser aber enthält die ganze abschließende
Wahrheit und bedarf keiner Ergänzung durch die Inhalte aus den vorausgegangenen Schriften. So wie
Mohammed verehrt wird als Siegel der Propheten, als letzter und erhabenster Gesandter Gottes an die
Menschen, dem kein weiterer mehr folgen kann, so gilt der Koran als das Siegel der Offenbarungen,
als die letzte, erhabenste und nicht mehr ablösbare Botschaft Gottes an die Menschen“ (Rita Breuer).
Thora und Evangelium gelten als veränderte und verfälschte Vorläufer des Korans
„Unstimmigkeiten bis hin zu eklatanten Widersprüchen zwischen Thora und Evangelium auf der einen
und dem Koran auf der anderen Seite werden ausschließlich unter dem Aspekt betrachtet, dass Juden
und Christen ihre ursprünglich reinen Offenbarungsschriften veränderten und verfälschten, der Koran
aber herabgesandt wurde, um diese Irrtümer zu korrigieren, die Menschen auf den rechten Pfad zurückzuführen und die Wahrheit vollkommen zu machen. Theologisch deutlich schwerwiegender gegenüber den Juden sind die Vorwürfe gegenüber den Christen, deren Glaube an die Gottessohnschaft
Jesu und an die Dreifaltigkeit Gottes als Grenzüberschreitung zwischen menschlicher und göttlicher
Existenz gescholten wird. Trotz der Absage an den Kern des christlichen Glaubens ist Jesus im
muslimischen Verständnis Teil der Heilsgeschichte und ein Prophet, der als solcher Verehrung genießt
und dessen Nennung stets mit einer Segensformel verbunden wird. Im Koran wird er erwähnt als Wort
Gottes und Zeichen seiner Allmacht. Mit Gottes Hilfe soll er Wunder gewirkt haben und von einer
Jungfrau geboren worden sein, in deren Leib er durch das Einwirken Gottes vaterlos erschaffen wurde.
Auch der Kreuzestod Jesu, zentral für das christliche Heilsverständnis, hat nach islamischer Auffassung so nicht stattgefunden. Vielmehr hat Gott Mitleid mit seinem Propheten gehabt und hätte ihn
niemals einem so grausamen Tod überantwortet. So ließ er jemanden auftreten, der Jesus sehr ähnlich
sah und von den Verfolgern an Jesu Stelle gekreuzigt wurde“ (Rita Breuer).
Ursprünglich begrenzte Toleranz der Muslime gegenüber Christen wird von radikalen
Islamisten heute als Verrat am für sie letztgültigen Islam bekämpft
„Reformen in Recht und Gesellschaft, die im frühen 20. Jahrhundert in zahlreichen islamisch geprägten Staaten Einzug hielten und den Weg zu einem weitgehend säkularen Staatsverständnis mit Gleichberechtigung aller Religionsgemeinschaften hätten ebnen können, werden als Verrat am Islam und als
Kniefall vor dem Westen (= den Christen) – angeprangert. Das Wort und Gesetz Gottes – so das Credo
des Islamisten – kann nicht durch Wort und Gesetz des Menschen relativiert oder gar außer Kraft gesetzt werden. Das gilt selbstverständlich auch für die untergeordnete Rolle der Christen im muslimisch
geprägten Staat. Hätte Gott deren Gleichberechtigung in heutiger Zeit gewollt, so würde dies eindeutig
aus dem Koran hervorgehen, der als reines Wort Gottes ewig, unabänderlich und vollkommen ist.
Gleichberechtigung nicht-muslimischer Bürger kann es somit, allen Beteuerungen zum Trotz, in einem explizit islamisch geprägten Staatswesen nicht geben. Wo immer die Scharia erheblichen Einfluss
auf die Rechtsprechung hat, sind Rechtsbeschränkungen für Nicht-Muslime vorhanden. Ein islamisch
geprägtes Staatswesen ohne religiöse Diskriminierung anderer Religionen hat es noch nie gegeben. So
setzen die Islamisten auch in den aktuellen Umbrüchen des Nahen Ostens alles daran, den Einfluss des
Islams in künftigen Regierungen zu stärken und ein säkular geprägtes Demokratieverständnis als Teufelswerk des Westens abzuschmettern. Die Welle der Re-Islamisierung der islamischen Welt und der
erneuten Politisierung der Religion gleicht einem schleichenden Gift für das interreligiöse Klima und
wirkt sich erheblich zum Nachteil der Christen aus. Zunehmend werden sie mit ‚dem Westen‘ als dem
vermeintlichen Feind der islamischen Welt identifiziert“ (Rita Breuer).
Jedes Mehr an Islam in der Rechtsprechung, in der öffentlichen Meinungsbildung und
in der Alltagskultur bedeutet für Christen wie für andere religiöse Minderheiten ein
Weniger an Rechten und Akzeptanz!
„Verglichen mit der Mitte des 20. Jahrhunderts gibt es deutlich weniger Christen in den Regierungen
und einflussreichen Posten. Zu beobachten ist eine Marginalisierung der Nicht-Muslime auch im
Hochschulwesen und auf anderen Entscheidungsebenen. Die behördlichen Schikanen, etwa beim
Kirchenbau, nehmen zu und werden immer raffinierter. Erlebbares Christentum und christliche Symbole sollen mehr und mehr aus dem öffentlichen Raum verschwinden. Eine voranschreitende Prägung
von Rechtssystemen durch die islamische Scharia manifestiert sich in einer Rechtsungleichheit zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen und führt zur Diskriminierung Letzterer. Die Hetze gegen
Christen als Ungläubige und Agenten des Westens, der per se dem Islam feindlich gesonnen sei, greift
weit über die extremistischen Kreise hinaus um sich und bereitet den Boden für eine immer christenfeindlichere Haltung in der Bevölkerung bis zu massiven gewalttätigen Übergriffen in einer Vielzahl
islamisch geprägter Länder. Dass islamistische Parteien, Verbände und Strömungen das Christentum
in islamischen Ländern ersticken wollen, steht außer Frage, sei es durch Übertritt zum Islam, Vertreibung oder zumindest Unsichtbarmachung in der Öffentlichkeit. Im Moment jedenfalls ist ein Ende der
Abwärtsentwicklung und der massiven Auswanderung von Christen aus der islamischen Welt nicht
abzusehen, und es könnte noch viel schlimmer kommen“ (Rita Breuer).
Solidarität mit den Christen in der islamischen Welt
„Wenn es um innerreligiöse Solidarität geht, haben uns die Muslime eindeutig etwas voraus. Für sie
ist es vollkommen selbstverständlich, dass man sich mit den Glaubensbrüdern in aller Welt solidarisiert. Sehr enttäuschend ist es, dass sich die Christen in der islamischen Welt weithin mit Recht von
der Welt verlassen fühlen. Was sie dringend erwarten, ist die Solidarität der Weltkirche und der
Christen im Westen durch Öffentlichkeitsarbeit, materielle Hilfe und Gebet. Dafür gibt es eine Reihe
von hoffnungsvollen Bemühungen einiger Hilfswerke und Menschenrechtsorganisationen für verfolgte Christen, aber auch die mutiger werdenden kirchlichen Stellungnahmen in der Öffentlichkeit.
Die unbeirrbaren Forderungen des Präses der EKD Nikolaus Schneider nach voller Religionsfreiheit
für die türkischen Christen, die er auf seiner Türkeireise im Spätherbst 2011 wiederholt äußerte,
gehören ebenso dazu wie die jährlichen Aktionen der Deutschen Bischofskonferenz für verfolgte
Christen – 2011 mit dem Fokus Pakistan“ (Rita Breuer).
Solidarität konkret am Sonntag Reminiszere (24. Februar 2013), dem Tag der bedrängten und verfolgten Christen der EKD. Es sollte in jeder evangelischen Kirchengemeinde an Reminizere ein Themengottesdienst für die Lage der bedrängten und verfolgten Christen durchgeführt
werden, für den die EKD wieder Material zur Verfügung stellen wird. Im Fürbittgebet der Gemeinde
und im persönlichen Gebet sollte die Fürbitte für die verfolgten Glaubensgeschwister nicht fehlen,
denn „wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit“!
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