Technische Notiz 13 Ersatzschaltbilder in der Halbleiterschaltungstechnik Ch. Diskus 26. 7. 2016 Inhaltsverzeichnis 1 Einführung 1 2 Großsignalrechnung 2.1 Nichtlineare Bauelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 DC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 AC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 2 2 3 Kleinsignalrechnung 3.1 Linearisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 AC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Temperaturgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 4 6 6 1 Einführung Diese Notiz soll einen kurzen Überblick über die Ersatzschaltbilder und die dabei angewendeten Näherungen bei der Berechnung von Halbleiterschaltungen geben. 2 2.1 Großsignalrechnung Nichtlineare Bauelemente Die Kennlinie einer Diode und die Transferkennlinie eines Bipolartransistors sind nicht linear und lauten U D (1) ID = IS e nUT − 1 und IC = IS e UBE UT −1 . (2) Wegen der Exponentialfunktion führt die Berechnung von Strömen und Spannungen zu transzendenten Gleichungen. Es gibt drei Möglichkeiten dieses Problem zu lösen: 1 • Iteration • Grafische Lösung • Unter bestimmten Voraussetzungen1 ist eine Näherung für UD , bzw. UBE mit 0,6 bis 0, 7 V erlaubt. Für die Bestimmung des Arbeitspunktes (AP) ist diese Großsignalrechnung unverzichtbar. Um die Ströme und Spannungen als solche des Arbeitspunktes zu kennzeichnen, wird als Index AP oder 0 hinzugefügt, also beispielsweise IC,0 für den Kollektorstrom. Wenn das Signal in einer Schaltung so groß ist, dass auch dafür die Großsignalrechnung notwendig ist, so ist diese Rechnung „zu Fuß“ in der Regel zu kompliziert. Auch am PC ist dies nicht trivial. Professionelle Programme verwenden oft aus Reichenzeitgründen die Harmonic Balance Methode. Dabei wird die Schaltung in zwei Teile aufgeteilt: In den linearen Teil, welcher im Frequenzbereich berechnet wird (Stichwort komplexe Rechnung) und in den nichtlinearen Teil, welcher im Zeitbereich berechnet werden muss. Dem Ganzen muss dann eine Iteration überlagert werden, in welcher an der Schnittstelle der beiden Teile die Ströme und Spannungen aneinander angeglichen werden müssen. 2.2 DC Im Falle einer Arbeitspunkteinstellung sind die großen Spannungen und Ströme Gleichspannungen und Gleichströme. In diesem Fall gilt für die Schaltungsvereinfachung: • Induktivitäten wirken wie Kurzschlüsse, da |jωL| → 0, 1 | → ∞. • Kapazitäten wirken wie Leerläufe, da | jωC Der Strom durch L im AP wird dann wie bei einer Konstantstromquelle konstant gehalten. Die Spannung an C im AP wird dann wie bei einer Konstantspannungsquelle konstant gehalten. 2.3 AC Das Signal ist in der Regel eine Wechselspannung oder ein Wechselstrom. Wenn Koppelkondensatoren und/oder Blockinduktivitäten groß genug sind, dass die Wechselspan1 in den Maschengleichungen und/oder die Wechselströme durch jωL nungsabfälle an jωC in den Knotengleichungen vernachlässigt werden können, dann gilt für die Schaltungsvereinfachung • Spannungen an solchen Kondensatoren sind konstant → Kondensatoren können durch Konstantspannungsquellen ersetzt werden, • Ströme durch solche Induktivitäten sind konstant → Induktivitäten können durch Konstantstromquellen ersetzt werden. 1 In der Regel darf UD bzw. UBE in keiner Masche vorkommen, in welcher alle anderen Spannungen in der gleichen Größenordnung wie diese 0,6 . . . 0, 7 V liegen. Für eine stabile Arbeitspunkteinstellung wird meist schaltungstechnisch eine Rückkopplung vorgesehen, welche die Auswirkungen einer Temperaturdrift von UD bzw. UBE stark reduziert. Auch dann ist oft diese Näherung erlaubt. Anders ausgedrückt: Ergibt sich der Arbeitspunkt durch einen schleifenden Schnitt von Kennlinie und Arbeitsgerade, dann ist diese Näherung nicht erlaubt. 2 U0 U2 R U0 C I ILast C C Das folgende Beispiel soll dies erläutern. Gegeben sei eine Emitterschaltung mit GeRL genkopplung über RE und mit Anschluss eines Lastwiderstandes RL . Ein Kondensator C überbrückt RE um die Gegenkopplung fürC das Signal wirkungslos zu machen, ein weiRE U terer Koppelkondensator C verhindert, dass am1 Lastwiderstand Gleichspannung anliegt. Abbildung 1 zeigt den Ausgangskreis der Schaltung. Der Eingang sei geeignet beschaltet, sodass ein passender Arbeitspunkt IC,0 eingestellt wird. Eingangsbeschaltun g U0 RC U0 U2 IC Eingangsbeschaltung ILast C RL RE C U1 Abbildung 1: Emitterschaltung mit Kondensatoren zur Überbrückung des EmitterwiderU0 standes und zur gleichspannungsmäßigen Trennung des Lastwiderstandes. U2 R U0 C Eingangsbeschaltun g IC ILast Die Arbeitspunktberechnung (DC) ergibt, dass sich die Kondensatoren im stationären RL UCE Zustand auf die Spannungen U1 U1 = URE,0 = RE 1 IC,0 1+ B (3) und U2 = U0 − RC IC,0 e:\know_how\technische_notizen\t_notiz13_ersatzschaltbilder\emitterschaltung.docx (4) aufgeladen haben. Wird jetzt ein Wechselsignal überlagert, für welches die oben genannten Näherungen erlaubt sind, so können die Kondensatoren durch ideale Konstantspannungsquellen mit U1 und U2 ersetzt werden, wie es in Abbildung 2 dargestellt ist. U0 U0 RC Eingangsbeschaltung IC U2 UCE U1 ILast RL Abbildung 2: Wechselspannungsersatzschaltung der Emitterschaltung mit idealen Spannungsquellen anstelle der Kondensatoren. 3 Aus den beiden Maschengleichungen U0 = (IC + ILast ) RC + UCE + U1 (5) UCE + U1 = U2 + ILast RL (6) und ergibt sich für den Zusammenhang zwischen Kollektorstrom IC und Kollektor-Emitterspannung UCE nach Elimination von ILast folgender Ausdruck U0 RC RC RL RL − U1 + U2 = UCE + IC , RC + RL RC + RL RC + RL (7) mit welchem die Arbeitsgerade gezeichnet werden kann (siehe Abbildung 3). Für diese Abbildung wurden folgende Zahlenwerte verwendet: RC = 1 kΩ RL = 1 kΩ 0 = 1 + B1 RE ≈ RE RE = 100 Ω RE U0 = 15 V IC,0 = 5 mA Eine andere Möglichkeit diese Arbeitsgerade zu konstruieren ergibt sich mit Kenntnis der Kleinsignalrechnung (siehe 3.2). Mit Hilfe des Wechselspannungs-KleinsignalErsatzschaltbildes ergibt sich der Lastwiderstand als RC ||RL , diese Lastgerade kann einfach eingezeichnet werden, wenn der Arbeitspunkt bekannt ist. 3 Kleinsignalrechnung 3.1 Linearisierung Ist die Amplitude des Signales klein genug, so können die krummen Kennlinien linearisiert werden, d.h. durch die Tangenten an diese Kennlinien ersetzt werden. Dies ist möglich für: • den dynamischen Widerstand rD einer Diode: 1 ID,0 dID = ≈ , dUD AP rD nUT (8) • den Basis-Emitter-Kleinsignalwiderstand rBE eines Bipolartransistors: B ∂UBE = rBE ≈ , ∂IB AP S (9) • die Kleinsignalstromverstärkung β eines Bipolartransistors: ∂IC = β ≈ B, ∂IB AP (10) • und die Steilheit eines Bipolartransistors ∂IC IC,0 =S≈ . ∂UBE AP UT 4 (11) Abbildung 3: Arbeitsgeraden für Arbeitspunktberechnung (DC) und für Wechselspannungen (AC). Die mit diesen Kleinsignalnäherungen berechneten Kleinsignalgrößen von Strom und Spannung sind in der Realität den Großsignalgrößen des Arbeitspunktes überlagert. Für die Berechnung der Kleinsignalgrößen ist es vorteilhaft, ein Kleinsignal-Ersatzschaltbild zu zeichnen, in welchem nur mehr die kleinen Änderungen der Ströme und Spannungen, also die Abweichungen vom Arbeitspunkt fließen bzw. anliegen. Die Maschen und Knoten ergeben dann ein lineares Gleichungssystem für die Spannungen und Ströme, das geschlossen lösbar ist. Im Kleinsignal-Ersatzschaltbild gilt für ungesteuerte Quellen: • Konstantspannungsquelle: ∆U = 0 ⇒ Kurzschluss • Konstantstromquelle: ∆I = 0 ⇒ Leerlauf Dies gilt auch für die Spannungsversorgung. Vorsicht bei gesteuerten Quellen: Wenn sich die steuernde Größe ändert (z.B. bei der Kollektorstromquelle), dann darf diese Quelle natürlich nicht durch Kurzschluss oder Leerlauf ersetzt werden. 5 3.2 AC Die Kleinsignalnäherung ist nicht auf Wechselstrom (AC) beschränkt (siehe 3.3), sie wird aber in der Regel damit kombiniert. Wie Induktivitäten und Kapazitäten in der Wechselstromrechnung zu behandeln sind, hängt davon ab, ob die entsprechenden Impedanzen oder Admittanzen im Vergleich zu den übrigen Bauelementen der Schaltung wichtig sind oder eventuell vernachlässigt werden können. Für Abblockinduktivitäten und Koppelkondenstoren gilt dann: • |jωL| restliche Impedanzen in der Masche → Leerlauf 1 | restliche Impedanzen in der Masche → Kurzschluss • | jωC Wenn die Wechselspannungen und Wechselströme so klein sind, dass die Kleinsignalnäherung zu keinen großen Fehlern führt, dann ist diese Rechnung auf Basis eines Wechselstrom-Kleinsignal-Ersatzschaltbildes möglich. 3.3 Temperaturgang Die Kleinsignalnäherung ist für alle krummen Kennlinien sinnvoll, so z.B auch für die Berechnung des Temperatureinflusses. Als Beispiel sei die Basis-Emitter-Spannung eines Bipolartransistors betrachtet. Die Taylorreihe für die Basis-Emitter-Spannung als Funktion der beiden Parameter Kollektorstrom und Temperatur lautet für eine Entwicklung im Arbeitspunkt UBE (IC , T ) = UBE |IC,0 ,T0 + ∂UBE ∂UBE ∆IC + ∆T ∂IC IC,0 ,T0 ∂T IC,0 ,T0 + 1 ∂ 2 UBE 1 ∂ 2 UBE 1 ∂ 2 UBE 2 ∆IC + ∆IC ∆T + ∆T 2 2 2 2 ∂IC IC,0 ,T0 2 ∂IC ∂T IC,0 ,T0 2 ∂T IC,0 ,T0 + ···. (12) Die lineare Näherung ist dann UBE (IC , T ) ≈ UBE |IC,0 ,T0 ∂UBE ∂UBE ∆IC + ∆T + ∂IC IC,0 ,T0 ∂T IC,0 ,T0 = UBE |IC,0 ,T0 wobei ∂UBE ∂T IC,0 ,T0 1 ∂UBE + ∆IC + ∆T, S ∂T IC,0 ,T0 (13) ungefähr −2 mV beträgt. Berücksichtigt man noch, dass im KleinsignalK Ersatzschaltbild nur der Basisstrom iB = iβC durch den Eingangswiderstand rinnt, dann ergibt sich für die Kleinsignal-Basis-Emitter-Spannung β mV iB + −2 ∆T. S K uBE = (14) Das zugehörige Kleinsignal-Ersatzschaltbild ist in Abbildung 4 dargestellt. Die BasisEmitter-Spannung setzt sich zusammen aus dem Spannungsabfall am rBE = Sβ und der Spannung ∂U∂TBE ∆T . 6 𝐵 𝑢𝐵𝐵 ≈ 𝑆 𝑖𝐵 + 𝜕𝑈𝐵𝐵 𝜕𝜕 Δ𝑇 𝜕𝑈𝐵𝐵 Δ𝑇 𝜕𝜕 B 𝑖𝐵 𝑢𝐵𝐵 𝛽 𝑆 β 𝑖𝐵 C E Abbildung 4: Kleinsignal-Ersatzschaltbild eines Bipolartransistors mit Linearisierung der Eingangskennlinie Sβ und des Temperaturganges der Basis-Emitter-Spannung ∂UBE ∆T ∂T . HLST, Ch. Diskus, 11. November 2013 e:\know_how\technische_notizen\t_notiz13_ersatzschaltbilder\taylorreihe der basis_emitter_spannung.docx 7