In-vitro-Fertilisation Kapsel soll künstliche Befruchtung

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In-vitro-Fertilisation
Kapsel soll künstliche Befruchtung
natürlicher machen
Statt im Labor lassen Ärzte befruchtete Eizellen – in einer Silikonkapsel
verpackt – in der Gebärmutter zu Embryonen heranwachsen. Das bringe
Vorteile, wird behauptet. Die Beweislage ist dünn.
Extrakt aus : : http://www.nzz.ch/wissenschaft/medizin/kapsel-soll-kuenstliche-befruchtung-natuerlicher-machen-1.18681122
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von Alan Niederer
22.1.2016, 14:08 Uhr
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Schwanger werden auf natürlichem Weg ist nicht für alle
Frauen möglich. (Bild: pd)
Für viele Paare ist der Kinderwunsch auf natürlichem Weg nicht zu
realisieren. Sie sind auf eine künstliche Befruchtung angewiesen. Trotz
jahrelanger Praxis führt die In-vitro-Fertilisation (IVF) aber noch immer
nicht so oft zum Erfolg, wie sich das Reproduktionsmediziner wünschen
würden. Bis zur Geburt eines Kindes sind daher meist mehrere
Behandlungszyklen nötig.
Idee eines Genfer Arztes
Noch ist unklar, was die Gründe für die geringe Effizienz der IVF sind.
Möglicherweise sind die Bedingungen im Labor, wo die befruchteten
Eizellen vor ihrem Transfer in die Gebärmutter der Frau in einer
Nährlösung zu Embryonen heranwachsen, nicht optimal. Um dies zu
verbessern, müsste schon die früheste Entwicklung des Embryos in der
Gebärmutter stattfinden – so dachte 1998 der Genfer
Reproduktionsmediziner Pascal Mock. In diesen Tagen ist seine Idee als
neues Behandlungskonzept in die medizinische Praxis eingeführt worden.
Im Zentrum steht eine von der Medtech-Firma Anecova in Kooperation mit
der ETH Lausanne entwickelte Kapsel aus Silikon. Beladen mit
befruchteten Eizellen wird diese durch die Vagina in die Gebärmutter
eingeführt. Kleinste Löcher in der Wand sollen garantieren, dass die
Embryonen mit Nährstoffen und Signalmolekülen aus der Umgebung
versorgt werden und selber nicht «verloren» gehen. Letzteres ist wichtig,
weil die Embryonen nach wenigen Tagen bereits aus der Gebärmutter
geholt werden müssen. Jetzt gilt es, den am besten entwickelten Embryo
auszuwählen und diesen wiederum in die Gebärmutter zu transferieren –
diesmal aber definitiv und ohne Schutzhülle.
Die als besonders natürlich angepriesene IVF-Methode testete ein
Forscherteam mit Beteiligung von Mock und der Firma Anecova zuerst bei
Rindern und dann in einer kleinen, 2009 publizierten Pilotstudie mit 13
Frauen beim Menschen. Dazu teilten die Wissenschafter bei jeder Frau die
befruchteten Eizellen (total 167) in zwei Gruppen: Die eine Hälfte wurde im
Labor-Inkubator entwickelt, die andere in der Silikonkapsel in der
Gebärmutter der Frau. Dabei variierten die Forscher den Zeitpunkt, wann
die Kapsel in die Gebärmutter eingeführt wurde, und wie lange sie dort
verblieb. Damit überprüften sie den Effekt auf die Befruchtung der Eizellen
– diese ist erst Stunden nach Einführung des Spermiums abgeschlossen –
sowie die Frühentwicklung des Embryos.
«Cross-talk» mit der Mutter
Wegen der kleinen Zahl an Patientinnen erlaubt die Pilotstudie keine
Aussage darüber, ob sich mit der porösen Spezialkapsel die
Schwangerschaftsrate bei In-vitro-Fertilisationen wie erhofft erhöhen lässt.
Laut den Studienautoren dürfte diese aber zumindest nicht schlechter sein
als bei der Labormethode. Zudem habe die mikroskopische und genetische
Untersuchung Hinweise darauf geliefert, dass sich die Embryonen in der
Kapsel besser entwickelten. Das dürfte mit der günstigen Umgebung in der
Gebärmutter zusammenhängen, die auf molekularer Ebene einen «Crosstalk» zwischen Mutter und Embryo ermögliche, sagt Martin Velasco, CEO
von Anecova.
Dass seit 2009 keine weiteren Studienresultate zur neuen Methode
erschienen sind, erklärt Velasco damit, dass man sehr intensiv an der
Verbesserung des Therapieverfahrens gearbeitet habe. Dass dies nötig war,
zeigt die Tatsache, dass es zu Beginn der Pilotstudie technische Probleme
gab, die zur Schädigung von Embryonen führten.
Ungenügende Datenbasis
Der Reproduktionsmediziner Michael von Wolff vom Inselspital Bern findet
die Idee, den Embryo in der Gebärmutter heranreifen zu lassen,
grundsätzlich gut. In früheren Versuchen habe man Embryonen mit Zellen
aus der Gebärmutterschleimhaut kultiviert oder befruchtete Eizellen in die
Eileiter der Frau transferiert. Beides habe sich aber nicht durchgesetzt, so
von Wolff.
Was ihn an der Anecova-Methode – neben Vorbehalten zur Wirkweise – am
meisten stört, ist das Fehlen einer soliden wissenschaftlichen Basis zum
Nutzen des Verfahrens. Diese Frage gelte es vor Einführung eines neuen
Geräts zu klären. Denn was unfruchtbare Paare in erster Linie wollten, sei
schwanger werden.
Die Frage der Effizienz wird laut Velasco mit Registerdaten geklärt. Zudem
ist eine Studie zur Häufigkeit von Chromosomenanomalien unterwegs, die
vielversprechend sei. Ob auch eine Studie zu epigenetischen Veränderungen
an den Embryonen geplant ist, lässt Velasco offen. Diese Frage interessiert
deshalb, weil es Hinweise gibt, dass die konventionelle IVF epigenetische
Probleme verursacht, die bei den Kindern das Risiko für Krankheiten
erhöhen könnten.
Während die Fachwelt auf die noch ausstehenden Daten wartet, wird in
Grossbritannien, wo Anecova mit einer Klinik in Southampton
zusammenarbeitet, das Verfahren bereits eingesetzt. Die Kapsel kostet dort
knapp 1000 Franken. Auch in der Schweiz soll sie zum Einsatz kommen.
Laut Velasco werden mit mehreren Kliniken Gespräche geführt.
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