Bergische Universität Wuppertal Master Erasmus Mundus „Deutsche und französische Philosophie in Europa“ Das Wesen und die Bedeutung der Stimmungen in der Fundamentalontologie Heideggers Masterarbeit Dana Mudrová Betreuung: Prof. Dr. László Tengelyi Wuppertal 2009 Hiermit bestätige ich, dass ich diese Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Wuppertal, Juni 2009 Dana Mudrová 2 Inhalt Einleitung.................................................................................................................4 1. Kapitel: Quelle und Methode.............................................................................12 1.1. Fundamentalontologie................................................................................13 1. 1. a) Fundamentalontologie, existenziale Analyse (Sein und Zeit)..........13 1. 1. b) Fundamentalontologie und Metontologie, Transzendenz und Metaphysik (GA 26, Vom Wesen des Grundes, Was ist Metaphysik?)........17 1. 1. c) Metaphysik und formale Anzeige (GA 29/30).................................19 1. 2. Methodische Rolle der Stimmungen in der Fundamentalontologie als existenziale Analytik.........................................................................................24 1. 2. a) Stimmungen als methodischer Zugang zur Ganzheit des Daseins (Ausweisung der Sorge), zum eigentlichen Ganzseinkönnen: Sein und Zeit ......................................................................................................................24 1. 2. b) Stimmungen und ihre Rolle für Transzendenz (GA 26, Was ist Metaphysik?, Vom Wesen des Grundes).......................................................30 1. 2. c) Grundstimmung des Philosophierens (GA 29/30)............................35 1. 3. Zusammenfassung von 1. Kapitel.............................................................37 2. Kapitel: Struktur der Stimmungen.....................................................................39 2.1. Sein und Zeit: Furcht und Angst.................................................................39 2. 1. a) Befindlichkeit ..................................................................................39 2. 1. b) Befindlichkeit und Zeitlichkeit.........................................................45 2. 1. c) Zusammenfassung............................................................................48 2. 2. GA 29/30: Langeweile...............................................................................49 2. 2. a) Drei Schichten der Langeweile: Gelangweiltwerden von..., Sichlangweilen bei..., tiefe Langeweile........................................................50 2. 2. b) Langeweile und Zeitlichkeit.............................................................54 2. 2. c) Zusammenfassung............................................................................55 2. 3. Zusammenfassung von 2. Kapitel............................................................56 3. Kapitel: Ursprung der Stimmungen und Rechtfertigung der Analyse...............58 3. 1. Stimmungen – Methode und Struktur ......................................................58 3. 2. Zur Frage nach dem Ursprung der Stimmungen.......................................60 Zusammenfassung..................................................................................................62 Literaturverzeichnis................................................................................................65 3 Einleitung Einleitung Stimmungen stellen in der letzten Zeit ein ziemlich populäres Thema dar. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass vor allem Heidegger dieses Thema neu eröffnet hat, obwohl er selbst die philosophische Arbeit auf diesem Gebiet von Augustin, Pascal, Keirkegaard oder Scheler1 anerkennt. Ganz oft werden Stimmungen mit dem Thema „Gefühle“, „Affektivität“ oder „Sensibilität“ verwechselt, das die Stimmungen als psychologisches Phänomen betrachtet. Bei Heidegger geht es um eine tiefgehende und begründende, also „fundamentale“ Bestimmung des Seins des Daseins, die so etwas wie Gefühle, Affektivität oder Sensibilität erst ermöglicht. Das Dasein ist nämlich immer schon gestimmt, es befindet sich in einer Stimmung. Meine Arbeit soll als ein Überblick der früheren Texte Heideggers in Hinsicht auf Stimmungen dienen. Es geht mir nicht um eine weitgehende Interpretation oder textkritische Arbeit. Ich versuche die Struktur und ontologische Bedeutung der Befindlichkeit, bzw. Stimmung bei Heidegger zu erklären. Welche Fragen stellt man mit dem Thema der Stimmungen? Heideggers Fundamentalontologie bietet eine Art des Wegs zu den Fragen der Philosophie, bzw. Phänomenologie. Eine von diesen Fragen ist die Frage nach Erkenntnis, die sich als sekundäre oder nur scheinbare Frage zeigt. Im Zeitalter, in dem Heidegger gearbeitet hat, war nämlich die Erkenntnis der Gegenstand des Streits zwischen Realismus und Idealismus, zu dessen Klärung auch Husserl viel beigetragen hat. Heidegger wollte noch tiefer als Husserl gehen. Stimmungen sind die Weise unseres In-der-Welt-seins, d. h. sie ermöglichen erst solches Erkennen. Die zweite Frage ist die Frage nach den Stimmungen selbst. Sie sind schon immer da und doch überkommen sie uns. Wir können also zwei Bereiche des Fragens bestimmen: 1 Heidegger hat nicht das Thema der Stimmungen erfunden, sondern wiedereröffnet und erweitert. Er selbst beruft sich vor allem in seiner Angstanalyse auf Kierkegaard. Sonst interpretiert er sowohl Aristotelische, Pascalische und Augustinische Motive der Affektivität und Gefühle, als auch auf Max Scheler oder Kant neu. 4 Einleitung 1. Welche Rolle spielen Stimmungen für die Erkenntnis? Sind sie ein Modus des Erkennens? 2. Woher überkommen uns Stimmungen? Die erste Frage ist nicht meine zentrale Frage, trotzdem möchte ich sie kurz erörtern, weil sie sich an der philosophischen Tradition ausrichtet. Die Erkenntnisfrage dient nämlich als begrenzende Frage, die Heidegger immer erwähnt, wenn er zeigen will, dass seine fundamentale Ontologie tiefer geht und ursprünglicher ist als Erkenntnisfragen. Damit kann Heidegger auch deutlicher beschreiben, was Erschließen heißt und wie es mit der Wahrheit (als Erkenntniswahrheit) zusammenhängt. Die Erschließenfunktion haben gerade Stimmungen, deswegen finde ich es richtig, sich auch mit der Erkenntnisfrage hier kurz zu beschäftigen. Heidegger geht von der Erklärung des Problems bei Husserl aus. Husserl hat als erster das Problem des Streits zwischen Idealismus und Realismus so beschrieben, dass klar geworden ist, worin es liegt. Worum geht es in diesem Streit? Es geht um das Problem der Transzendenz, bzw. um das der Möglichkeit der Erkenntnis2: Wie kann man die Kluft zwischen dem Subjekt (dem Bewusstsein) und dem Objekt (der Außenwelt) überwinden? Die Antwort des Idealismus lautet: durch mein Bewusstsein. Wie kann ich dann aus dem Bewusstsein zur objektiven Welt, zur objektiven Bedeutung kommen? Ist die ganze Welt nur eine Projektion von meinem Bewusstsein? Der Realismus hat das umgekehrte Problem: Die objektive Welt „schickt“ ihre Abbilder ins Bewusstsein. Wer garantiert aber die Wahrhaftigkeit des Abbildes? Gott? Beide Lösungen sind unhaltbar und Husserl erklärt, warum: Schon die Frage selbst ist nämlich falsch gestellt und stellt, Husserls Meinung nach, ein Pseudoproblem dar. Die Frage vermischt zwei Positionen oder mit anderen Worten ein doppeltes Verhältnis des Ichs: Die Position eines „natürlichen Menschen“ und die Position des „transzendentalen Subjekts“. Der natürliche Mensch ist schon in der Welt, d. h. er ist von der Außenwelt überzeugt und muss sich nicht nach dem Zugang zu Dingen 2 EDMUND HUSSERL: „Cartesianische Meditationen“, in: Gesammelte Schriften / Edmund Husserl (Bd. 8). Hrsg. von Elisabeth Ströker, Felix Meiner Verlag, Hamburg, 1992, S. 84-85 5 Einleitung in der Welt fragen. Der Mensch verhält sich aber auch zur Welt als zum Ganzen, das das Sein des Seienden in der Welt und seinen Sinn ausmacht. Dieses Verhältnis kommt vom transzendentalen Subjekt her, das die Transzendenz des Objekts im Bewusstsein (innerhalb der Immanenz) konstituiert. Aus der Position des transzendentalen Ichs kann man nach der Sinnbildung und damit nach den Erkenntnisstrukturen fragen. Das Bewusstsein ist an die Welt und ihre Gegenstände durch die Intentionalität gebunden. Transzendenz3 ist auch ein intentionaler Bezug zum Gegenstand, der von Wahrnehmungen ausgeht. Es geht jetzt Husserl darum, diesen Bezug zu beschreiben. Damit wird die Erkenntnisleistung (als intentionale Leistung) erklärt, ohne eine „Objektivität“ beweisen zu müssen. Aus der Position des Bewusstseins des transzendentalen Ich kann man beschreiben, was im Bewusstsein des natürlichen Ich beim Erkennen geschieht. Die Methode der Beschreibung soll Phänomenologie (mit ihren „Reduktionen“) sein. Husserl glaubte, dass er - wenn man die Struktur der konstituierenden Intentionalität beschreibt – den Fehler der „dogmatischen Weltanschauungen“ des Idealismus und Realismus vermeidet. Phänomenologie sei deskriptiv und nicht „dogmatisch“ im Sinne einer absoluten Seinsetzung. In den Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs4, am Anfang von Sein und Zeit5 sowie in Metaphysische Anfangsgründe der Logik im Ausgang von Leibniz6 geht Heidegger immer wieder zurück auf das Problem des Realismus, Idealismus und Erkenntnisfragens. Es geht ihm jedoch nicht um eine Erkenntnistheorie oder Beschreibung des Erkennens. Erkennen ist laut Heidegger eine Seinsart des Subjekts, die schon voraussetzt, das Subjekt und Objekt eine Beziehung haben (nämlich das In-der-Welt-sein)7. Darin stimmt er mit Husserl überein. Und doch reicht Heidegger nicht die Beschreibung der Transzendenz auf Grund der 3 4 5 6 7 „Transzendenz in jeder Form ist ein innerhalb des Ego sich konstituierender Seinssinn“, EDMUND HUSSERL (1992), S. 86 MARTIN HEIDEGGER: „Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs“, in: Gesamtausgabe/ II. Abteilung: Vorlesungen 1923-1944 (Bd. 20). Klostermann, Frankfurt am Main, 1979, § 20 (im folgenden Text abgekürzt mit „GA 20“) MARTIN HEIDEGGER: „Sein und Zeit“, in: Gesamtausgabe / I. Abteilung: Veröffentlichte Schriften 1914-1970 (Bd. 2). Hrsg. von Friedrich Wilhelm von Herrmann, Klostermann, Franfurt am Main, 1977, §§ 10., 12., 13., 43., 44. (im folgenden Text abgekürzt mit „SZ“) MARTIN HEIDEGGER: „Metaphysische Anfangsgründe der Logik im Ausgang von Leibniz“ in: Gesamtausgabe / II. Abteilung: Vorlesungen 1923-1944 (Bd. 26). Hrsg. von Klaus Held, Klostermann, Frankfurt am Main, 1978, S. 153-171 (im folgenden Text abgekürzt mit „GA 26“) SZ, § 12. 6 Einleitung Intentionalität, wie es Husserl versucht. Auch Intentionalität ist nämlich in der Seinsweise des menschlichen In-der-Welt-seins begründet. Heidegger vertieft also die Frage nach dem Erkennen, die auch enthüllt, warum es in der Sache selbst liegt, dass wir Erkenntnis überhaupt als Problem fassen können (obwohl sie kein richtiges Problem darstellt). Erkennen ist eine von mehreren Arten des „In-Seins“8 (des In-der-Welt-seins), die Heidegger als „Nur-noch-verweilen bei...“ bezeichnet. Es ist auch eine Weise unseres Besorgens in der Welt. Erkennen hat also eine gestufte Struktur9. Der Grund ist das „In-Sein“ als „Schon-sein-bei“ einer Welt. Erste Stufe ist dann etwas, das wir als Intentionalität bezeichnen können: das „Sichrichten-auf“ etwas. Zweite Stufe ist das „Sichaufhalten-bei“ einem Seiendem, worauf sich das Dasein richtet, und gründet im „Sichrichten-auf“, das ihr die „Perspektive“ gibt, von wo man das Seiende ansieht. Dritte Stufe vollzieht sich als „Vernehmen“, das wir dann viertens als „Verwahrung“, als Besitz oder Behalten der Erkenntnis haben. Alle Stufen gehen von dem In-Sein aus, doch so, dass das Erkennen das In-Sein modifiziert: Wir verhalten uns zum Seienden so, dass wir es erkennen. Wir sehen auf das innerweltliche Seiende seinem Aussehen nach hin, richten auf es unsere Aufmerksamkeit und damit wir es vernehmen, bestimmen wir es im Vernehmen und sagen es im Bestimmen aus. „Dieses vernehmende Behalten einer Aussage über ... ist selbst eine Weise des In-der-Welt-seins“10. Es geht aber nicht um einen Prozess des Vorstellens, dessen Produkte „innerhalb“ des Subjekts bleiben. Das Dasein ist im Besorgen immer schon bei der Welt („draußen“). Erkennen als eine Art des Besorgens ist das Wie des In-der-Welt-seins. Befindlichkeit, bzw. Stimmungen sind auch ein Moment des „In-Seins“ und konstituieren die Erschlossenheit des Da des Da-seins. Sie sind ursprünglicher als das, was wir gewöhnlich Erkennen nennen. Sie verfärben das Erkennen und beeinflussen, dass und wie wir in Erkennen „sehen“ und dass wir überhaupt „sehen“ können11. Die Fundamentalontologie sollte verstehen, wie die Dinge sind, und nicht eine Erkenntnis gewinnen. Im Sinne einer unthematischen Vertrautheit mit den Dingen 8 9 10 11 Das „In-Sein“ nicht im Sinne einer räumlichen Bestimmung, sondern das „In“ als Welt, wo etwas uns berühren, begegnen kann (im Sinne von "betreffen“ – Stimmung), vgl. SZ, § 12. GA 20, S. 219-220 SZ, § 13., S. 83 „Die Stimmung hat je schon das In-der-Welt-sein als Ganzes erschlossen und macht ein Sichrichten auf...allererst möglich .“ SZ, S. 182 7 Einleitung in der Welt könnte man vielleicht Stimmungen (in der Einheit mit Verstehen und Rede) als ursprüngliches Erkennen im weitesten Sinne bezeichnen. Mit dieser „erkennenden“ Funktion der Stimmungen haben auch Pascal oder Augustinus gearbeitet, wie Heidegger an ihre Liebe und Haß12 erinnert und die zugleich auch Max Scheler13 thematisiert hat. Wenn man nämlich das Erkennen als ursprüngliches Entdecken versteht, dann ist das Erkennen im Sinne einer Wissenschaft ein Verdeckendes. Verdecken und Entdecken selbst sind jedoch auf Grund der Stimmungen und des ganzen Seinszusammenhanges des In-der-Weltseins möglich. Heidegger betont, dass Liebe und Haß nicht die einzigen „erkennenden“ Stimmungen sind. Stimmungen im allgemeinen als Moment der Struktur des In-der-Welt-seins haben die Funktion des Erschließens. Alle Stimmungen erschließen die Welt. Sie erschließen die Welt meistens so, dass wir nicht den Grund des Erschließens sehen: Wir sind bei den erschlossenen Dingen, die wir besorgen. In diesem Sinne verschließen Stimmungen das eigentliche In-der-Welt-sein. Es gibt jedoch auch Grundstimmungen, die den Grund der Erschlossenheit, bzw. Verschlossenheit der Welt erschließen (und zwar so, dass sie das Besorgen verschließen). Obwohl Heidegger als Grundstimmung zuerst die Angst wählt, nimmt er sie nur als ein Beispiel. Später führt er die Analyse mit Hilfe einer anderen Grundstimmung durch, nämlich mit der Langeweile. Es ist jedoch nicht uninteressant, dass gerade die christliche Philosophie mit der erkennenden Funktion der Angst arbeitet. Die Inspiration zu Angstanalyse suchte Heidegger bei Augustinus, Luther und Kierkegaard. Seine Interpretation hat jedoch die Aufgabe die Wurzeln des menschlichen Daseins zugänglich zu machen und nicht Gott zu „erkennen“ oder in den Glauben springen. Erschlossenheit des Daseins und der Welt hängt mit der Wahrheit14 zusammen. Wahrheit interpretiert Heidegger15 – gegen den traditionellen logischen Begriff, der eine Übereinstimmung des Urteils mit seinem Gegenstand bedeutet – 12 13 14 15 Vgl. GA 20, S. 222-223 oder SZ, S. 185 MAX SCHELER: Zur Phänomenologie und Theorie der Sympathiegefühle und von Liebe und Haß, 1913 Es ist nicht die Absicht meiner Arbeit, die Frage nach Wahrheit bei Heidegger zu stellen. Ich wollte das Thema nur für Vorstellung der Verbindung von Erschlossenheit, Erkennen und Wahrheit kurz skizzieren. Die Interpretation von ALETHEIA geht nämlich weiter zur AussageStruktur (Als-Struktur). Es wäre jedoch das Thema für eine selbständige Arbeit. Vgl. SZ, § 44. oder GA 26, S. 135-160, oder GA 29/30, § 8. c) und §72. b) 8 Einleitung aufgrund des griechischen Wortes ALETHEIA: Entdecktheit, Unverborgenheit im Sinne des Sehenlassens des Seienden in seiner Unverborgenheit. Etwas entbergen oder entdecken, können wir nur in der Welt, die erschlossen ist. Erschlossenheit heißt Befindlichkeit (Stimmung), Verstehen und Rede. Erschlossenheit ist jedoch zugleich Verschlossenheit (sowie zum Sein des Daseins gehört Faktizität und Verfallen), also Wahrheit und doch Unwahrheit: Beide sind gleichursprünglich, weil wir in der Welt auch gleichursprünglich auf die Weise der eigentlichen oder uneigentlichen Existenz sind. Erkenntnis und Wahrheit sind also Begriffe, die in der Erschlossenheit liegen, d. h. mit der erschließenden Funktion der Stimmungen zusammenhängen. Die zweite Frage ist für meine Arbeit die zentrale Frage, weil sie immer wieder auftaucht. Sie hängt mit dem Problem der Verwechselung dessen, was Heidegger als Stimmungen nennt, und dessen, was wir als Gefühle oder „Laune“ verstehen, zusammen. Heidegger selbst weist schon auf das zweite Buch der Rhetorik von Aristoteles hin, die mit den Stimmungen arbeiten lehrt und dessen spätere Interpretationen die Affekte und Gefühle auf ein begleitendes Phänomen degradiert haben16. Ob man also überhaupt eine Frage nach dem „Woher“ der Stimmungen stellen darf und wie man sie befriedigend beantworten kann, dazu sollte uns der Blick in die Struktur der Daseinsanalyse helfen, den ich in dieser Arbeit anbieten möchte. Ich habe meine Arbeit in drei Kapitel geteilt: 1. das methodische Kapitel (Quelle und Methode) 2. das strukturelle Kapitel (Struktur der Stimmungen) 3. das rechtfertigende Kapitel, das zeigen soll, ob die Daseinsanalyse bezüglich der Methode und Struktur überzeugend war (Ursprung der Stimmungen und Rechtfertigung der Analyse). Wie ich am Anfang erwähnt habe, hat Heideggers Stimmungsanalyse das Interesse für Rolle der Stimmungen in der Bestimmung des menschlichen Wesens geweckt, obwohl vor allem die, die er in seinem späteren Werk entwickelt hat. Solche Untersuchungen sind oft anthropologisch angelegt – es geht gerade um 16 SZ, S. 184-185 9 Einleitung Bestimmung des menschlichen Wesens - und versuchen auch andere Stimmungen zu analysieren. Aus den Forschern, die sich mit der Stimmungen intensiv beschäftigt haben, würde ich Klaus Held17 nennen, der Heideggers Stimmungen vor allem von der Seite der Geschichtlichkeit aus betrachtet. Aus der französischsprachigen Literatur darf man nicht Michel Haar18 vergessen. Eine umfangreiche Studie und zugleich auch einen Überblick der gegenwärtigen Texte über Stimmungen bei früherem Heidegger kann man im Buch von Boris Ferreira19 finden. Den Stimmungen hat seine Beachtung auch Romano Pocai20 geschenkt. Die Aufgabe und das Wesen der Stimmungen in Heideggers Werk hat dann Byung-Chul Han21 bearbeitet. Aus den allgemeineren Studien über das Wesen der Stimmungen, die nicht nur Heideggers Analysen sondern auch die Texte Schelers, Pascals oder Descartes behandeln, sind die von Paola-Ludovica Coriando22 (das Thema der Dichtung und Stimmungen) oder von Otto Friedrich Bollnow23 (eine philosophisch-anthropologische Untersuchung) bekannt. Ganz aktuell ist ein Sammelband von Eliane Escoubas24 erschienen, der die Texte zum Thema der Stimmungen (nicht nur bei Heidegger) von unterschiedlichen Autoren enthält. Es gibt natürlich mehrere Texten zum Thema „Stimmungen“. Ich habe jedoch die Autoren genannt, mit deren Büchern jeder, der mit dem Thema der Stimmungen bei Heidegger arbeitet, umgehen sollte. Ich habe auch manche von diesen Büchern zu meiner Arbeit verwendet (Bemerkungen und Aufweisungen zu dieser sekundären Literatur habe ich in Fußnoten geschrieben). 17 18 19 20 21 22 23 24 Z. B. KLAUS HELD: „Grundstimmung und Zeitkritik bei Heidegger“, in: Zur philosophischen Aktualität Heideggers, Bd. 1, Hrsg. von Dietrich Papenfuss und Otto Pöggeler, Klostermann, Frankfurt am Main, 1991 Z. B. MICHEL HAAR: „Le primat de la 'Stimmung' sur la corporéité du 'Dasein', in: Heidegger Studies 2, 1986, S. 67-80 BORIS FERREIRA: Stimmung bei Heidegger, Springer, Dordrecht, 2002 ROMANO POCAI: Heideggers Theorie der Befindlichkeit. Sein Denken zwischen 1927-1933, Karl Alber, Freiburg, 1996 BYUNG-CHUL HAN : Heideggers Herz. Zum Begriff der Stimmung bei Martin Heidegger, Fink, München, 1996 PAOLA-LUDOVICA CORIANDO : Affektenlehre und Phänomenologie der Stimmungen, Philosophische Abhandlungen, Bd .85, Vittorio Klostermann, Frankfurt a. M., 2002 OTTO FRIEDRICH BOLLNOW: Das Wesen der stimmungen, Klostermann, Frankfurt a. M., 1941 ELIANE ESCOUBAS (Hrsg.): Affect et affectivité dans la philosophie moderne et la phénoménologie, Affekt und Affektivität in der neuzeitlichen Philosophie und der Phänomenologie, L'Harmattan, Paris, 2008 10 Einleitung Ich möchte mich bei Herrn Prof. Dr. László Tengelyi für seine Betreuung an der Bergischen Universität Wuppertal, für seine Bemerkungen und Erklärungen herzlich bedanken. 11 1. Kapitel: Quelle und Methode 1. Kapitel: Quelle und Methode Schon aus dem Titel meiner Arbeit folgt, dass die Analyse der Stimmungen von den früheren Texten Heideggers ausgehen wird, d. h. von denen bis zum Jahr 1929/1930. Es handelt sich vor allem um diese Texte: Sein und Zeit (1927, GA 2)25 Metaphysische Anfangsgründe der Logik im Ausgang von Leibniz ( Marburger Vorlesung SS 1928, GA 26)26 Vom Wesen des Grundes27, Was ist Metaphysik?28 (1929, GA 9, Wegmarken) Die Grundbegriffe der Metaphysik (1929/30, GA 29/30)29 Ich habe die Texte hinsichtlich ihrer Einheitlichkeit und der Beziehung zum methodischen Wert der Stimmungen für die Fundamentalontologie ausgewählt. In den Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs (Marburger Vorlesung WS 1925, GA 20)30 ist zwar schon viel von der fundamentalen Problematik, die in Sein und Zeit zentral ist, entwickelt, jedoch stimmen die beiden Texte im Wesentlichen überein (deswegen verwende ich nur Sein und Zeit). Das Thema dieses Kapitels sollte einen Blick auf die Methode der Fundamentalontologie und ihre Entwicklung in den oben genannten Texten darbieten (1.1.) und dann sich der methodischen Relevanz der Stimmungen in der Fundamentalontologie widmen (1.2.). Fundamentalontologie hat sich nämlich von Sein und Zeit in bestimmten 25 26 27 28 29 30 MARTIN HEIDEGGER: „Sein und Zeit“, in: Gesamtausgabe / I. Abteilung: Veröffentlichte Schriften 1914-1970 (Bd. 2). Hrsg. von Friedrich Wilhelm von Herrmann, Klostermann, Franfurt am Main, 1977 (im folgenden Text abgekürzt mit „SZ“) MARTIN HEIDEGGER: „Metaphysische Anfangsgründe der Logik im Ausgang von Leibniz“ in: Gesamtausgabe / II. Abteilung: Vorlesungen 1923-1944 (Bd. 26). Hrsg. von Klaus Held, Klostermann, Frankfurt am Main, 1978, S. 135-285 (im folgenden Text abgekürzt mit „GA 26“) MARTIN HEIDEGGER: „Vom Wesen des Grundes“, in: Gesamtausgabe / I. Abteilung: Veröffentlichte Schriften 1914-1970, Wegmarken (Bd. 9), Hrsg.: F.-W. von Herrmann, 1976 MARTIN HEIDEGGER: „Was ist Metaphysik?“, in: Gesamtausgabe / I. Abteilung: Veröffentlichte Schriften 1914-1970, Wegmarken (Bd. 9), Hrsg.: F.-W. von Herrmann, 1976 MARTIN HEIDEGGER: „Die Grundbegriffe der Metaphysik. Welt – Endlichkeit – Einsamkeit“, in: Gesamtausgabe/ II. Abteilung: Vorlesungen 1923-1944, Freiburger Vorlesungen (Bd. 29/30), Hrsg.: F.-W. von Herrmann, 2004 (im folgenden Text abgekürzt mit „GA 29/30“) MARTIN HEIDEGGER: „Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs“, in: Gesamtausgabe/ II. Abteilung: Vorlesungen 1923-1944 (Bd. 20). Klostermann, Frankfurt am Main, 1979 12 1. Kapitel: Quelle und Methode Nuancen verändert. Noch im Text Metaphysische Anfangsgründe der Logik im Ausgang von Leibniz aus dem Jahr 1928 scheint Heidegger das Konzept der Fundamentalontologie zu verteidigen, obwohl die Betonung in den Texten aus dem Jahr 1929 auf andere Aspekte der Analyse gelegt ist und als Metaphysik dargestellt wird. Schließlich kann man in den Grundbegriffen der Metaphysik schon erfahren, dass das Denken Heideggers zur sogenannten Kehre strebt und könnte als „Übergangstext“ betrachtet werden. 1.1. Fundamentalontologie Heidegger stellt sich in seinen Texten die Frage nach dem Sinn des Seins und bestimmt damit, was die Philosophie sei31, nämlich Ontologie. Die Philosophie ist für ihn eine fundamentale Ontologie und bleibt Ontologie im Sinne der Metaphysik als Grundgeschehens des Daseins im Menschen. Dieses Grundgeschehen ist nämlich das Geschehen der ontologischen Differenz, d. h. des Unterscheidens von Sein und Seiendem, das mit der Weltbildung zusammenhängt. Wie sich die Ontologie Heideggers entwickelt hat, soll die folgende Erklärung der Methode Heideggers in seinen früheren Texten vorführen. 1. 1. a) Fundamentalontologie, existenziale Analyse (Sein und Zeit) Die Methode der Fundamentalontologie ist zum erstmal ausführlich in Sein und Zeit32 vorgestellt, obwohl man ihr Projekt schon früher unter dem Namen der „Hermeneutik der Faktizität“ (1923) oder „theoretischer Urwissenschaft“ (1919)33 31 32 33 Eine Bestimmung oder „Definition“ der Philosophie ist auch, nach Boris Ferreira, eine der Hauptaufgaben nicht nur seines Buches über Stimmungen (BORIS FERREIRA: Stimmung bei Heidegger, Springer, Dordrecht, 2002), sondern auch des Denkens Heideggers. Philosophie ist ein Geschehen des Fragens. Das Dasein als Fragendes bezeugt seine Ungleichgültigkeit zu seinem Sein, weil es fragen kann. Fragen ist sein Seinsmodus. Wenn Philosophie also eine Ungleichgültigkeit bedeutet, dann hängt sie mit den Stimmungen zusammen. Heidegger selbst in GA 29/30 spricht über Weckung der Grundstimmung des Philosophierens. Philosophie sei Geschehen, Geschehen des Philosophierens. SZ, §§3.-4., Zweites Kapitel (§§5.-8.) Vgl. FRANCO VOLPI: „Der Status der Existentialen Analytik“, in: Martin Heidegger: Sein und Zeit, Klassiker Auslegen, Hrsg. von Thomas Rentsch, Akademie Verlag, Berlin, 2001, S. 31 13 1. Kapitel: Quelle und Methode findet. Ihr Name hängt mit der Hauptaufgabe der Betrachtung in Sein und Zeit zusammen, die nicht nur im Fragen nach dem Sein (d. h. Ontologie) liegt und damit Kritik der „Grundbegriffen“ der Wissenschaften ermöglicht, sondern vor allem im Fragen nach dem Sinn des Seins überhaupt (Fundamentalfrage, Frage nach dem Fundament aller Ontologien) liegt. Das Sein wurde nämlich vergessen, man arbeitete immer nur mit einem „selbstverständlichen“ Begriff des Seins. Wie kann man nach dem Sein selbst und seinem Sinn fragen? Heidegger schlägt die drei folgenden Schritte vor: (1) Einen ursprünglichen Zugang zum Sein zu finden und ihn zu betrachten (das Dasein) und (2) von ihm her seinen Sinn zu bestimmen (die Zeitlichkeit), damit (3) der Sinn von Sein überhaupt mittels dieses Umwegs erscheinen würde. Die Seinsfrage kann am besten durch das Seiende zugänglich werden, indem dieses sie stellt, d. h. ein Seinsverständnis besitzt, also vom Sein bestimmt34 und betroffen ist. Diese Bedingung erfüllt Heidegger zufolge das „Dasein“. Das „Dasein“ ist der Begriff für die menschliche Seinsart35, der bezeichnet, dass „es diesem Seienden in seinem Sein um dieses Sein selbst geht“36. Dieses Seinsverhältnis setzt voraus, dass das Dasein sein Sein versteht und versteht als sein Sein (es ist ihm erschlossen), d. h. es geht ihm um seine „Existenz“. Das Dasein versteht sich aus seiner Existenz, es existiert faktisch (existenzielles Verständnis der Existenzmöglichkeiten: Wie-sein, eigentlich oder uneigentlich). Was aber die Existenzialität des Existierens ausmacht, also welche Strukturen die Existenz konstituieren - das ist eine Frage des existenzialen Verständnisses. Deswegen ist die Fundamentalontologie zuerst eine existenziale Analytik des Daseins.37 Das Problem liegt aber darin, dass das Dasein zwar ontologisch (im 34 35 36 37 „Sein liegt im Dass- und Sosein [...], im »es gibt«“ SZ, S. 9, Günter Figal spricht in diesem Zusammenhang über „Selbstgegebenheit“ des Daseins, die das Dasein als exemplarisches Seiende rechtfertigt (Vgl. GÜNTER FIGAL: Heidegger zur Einführung, Junius, Hamburg, 1992, S. 44) Der Begriff des Daseins ist zwar in SZ für menschliche Seinsart vorbehalten, aber in GA 26 können wir auch eine Formulierung über das „Dasein im Menschen“ finden, die dann auch in GA 29/30 bedeutsam ist. (Mitsein, Rede,Man, Mitdasein) SZ, S. 16 Jean Grondin sieht das Verhältnis der Fundamentalonologie zur Daseinsanalytik in Sein und Zeit nicht ohne Probleme. Es ist seiner Meinung nach undeutlich, ob Fundamentalontologie sich vor oder in der Daseinsanalyse vorfindet. Meine Arbeit stellt sich nicht die textkritische Aufgabe. Heidegger selbst geht es nicht um ein System des Begründens, sondern um eine Destruktion und in diesem Sinne um eine vorgängige Ausarbeitung der Frage nach dem Sinn des Seins überhaupt. JEAN GRONDIN: „Die Wiedererweckung der Seinsfrage“, in: Martin Heidegger: Sein und Zeit, Klassiker Auslegen, Hrsg. von Thomas Rentsch, Akademie Verlag, 14 1. Kapitel: Quelle und Methode Sinne vorontologisch – vages Seinsverständnis) ist, aber ihm selbst ist das Dasein ontologisch am fernsten, weil es sein Sein von Seiendem in der Welt her versteht (das Dasein ist ihm selbst ontisch am nächsten). Solche „Daseinsvergessenheit“ geht Hand in Hand mit der Seinsvergessenheit. Die Daseinsanalyse sollte den angemessenen Zugang darstellen, der das Dasein „an ihm selbst von ihm selbst her zeigen kann“38. Diese Formulierung erinnert an Husserlsche Maxime „Zu den Sachen selbst!“. Die Fundamentalontologie ist nämlich keine philosophische Richtung oder neue und bessere Methode der Philosophie, sondern eine „phänomenologische“ Methode. Unter „Phänomenologie“ versteht Heidegger vor allem die Methode, die das „Wie“39 der Betrachtung bedeutet. „Die Sache selbst“ als das durch Fragen Gesuchte leitet das Fragen selbst, d. h. geht von einem Verständnis aus40. Der Gegenstand des Fragens bestimmt die Methode und das Fragen und nicht umgekehrt. Heideggers Interpretation des vorläufigen Begriffes der „Phänomenologie“ hat dann natürlich mit dem oben genannten „Sichzeigen“ einen Zusammenhang. Die Phänomenologie besteht aus zwei Worten: PHAINOMENON (1) und LOGOS (2). 1. Das „Phänomen“ kommt aus dem griechischen PHAINOMENON, das Heidegger als „das Sich-an-ihm-selbst-zeigende“41 versteht. Darin sind dann drei Momente enthalten, die drei Arten des Begriffes von Phänomen entsprechen: Der formale, vulgäre und phänomenologische Begriff von Phänomen. Der formale Begriff betrifft die Form des Phänomens, also die Beziehung dessen, was sich zeigt, und der Bedingungen des Sich-zeigens. Der vulgäre ist dann das „gewöhnliche“ Verständnis von Phänomen, nämlich als das, was sich „anschaulich“ zeigt (das Seiende). Der phänomenologische Begriff von Phänomen geht an die ermöglichende Bedingung des Sich-zeigens (die Welt, in deren Licht das Dasein sein Sein versteht). 2. LOGOS versteht Heidegger als Rede, die die Sache selbst sehen lässt. Sie 38 39 40 41 Berlin, 2001, S.12-13 SZ, S. 23 „Der Ausdruck 'Phänomenologie' bedeutet primär einen Methodenbegriff“, SZ, S. 37 „Als Suchen bedarf das Fragen einer vorgängigen Leitung vom Gesuchten her“, SZ, S. 7 SZ, S. 38 15 1. Kapitel: Quelle und Methode hat mit der verstehenden Auslegung der Existenz zu tun (siehe später unten), die „etwas als etwas“ sehen lässt. Das Verstehen ist nämlich ein zirkelhaftes Verstehen im Sinne der hermeneutischen Auslegung – das Verstehen eignet sich verstehend sein Verstandenes an, d. h. artikuliert das Verständnis (etwas als etwas) des Seins. In dieser Artikulation zeigen sich die Strukturen des Daseins selbst. In diesem Sinne ist die Phänomenologie Hermeneutik, weil sie die Strukturen des Seinsverständnis auslegt. Solche Auslegung ist aber nicht mehr eine „selbstverständliche“, sondern „destruierende“, weil sie die verborgenen Strukturen enthüllt, den Grund der Verborgenheit entdeckt und damit die Seinsvergessenheit des Daseins und auch alles, was zu der Verdeckung der Seinsfrage gehört (d. h. die Geschichte der Ontologie42), „destruiert“. In solcher Destruktion folgt man den wesentlichen Strukturen43 des Problems und damit ist die Destruktion positiv gemeint. Den Vorbegriff der Phänomenologie formuliert dann Heidegger auf folgende Weise: „Das was sich zeigt, so wie es sich von ihm selbst her zeigt, von ihm selbst her sehen lassen“44. Das heißt, dass die Phänomenologie eine deskriptive Funktion hat (wie es auch Husserl proklamierte) im Sinne des „Sehenlassens“, wobei der Charakter der Beschreibung von den Phänomenen her geleitet ist (das Wie der Beschreibung soll das Wie des Sich-zeigens sein). „Sehenlassen“ sollte jedoch die Phänomenologie das „zunächst und zumeist“ Verborgene (das Sein des Seienden und seine Strukturen, d. h. sie ist Ontologie), sie sollte es entdecken, d. h. zum Phänomen (zum phänomenologischen Begriff von Phänomen) bringen. Das kann sie aber nur von dem vulgären Begriff des Phänomens her, von dem Seienden als Dasein. Heiddeger dachte an keine strenge Methode, sondern an eine Methode, die den Grund des Seins ausweist und freigibt und zwar im Sinne eines hermeneutischen und destruierenden Zirkels. Phänomenologie soll keine „Richtung“, sondern eine 42 43 44 Das Dasein ist geschichtlich, weil sein Sinn in der Zeitlichkeit liegt. Heidegger verknüpft hier seine Philosophie mit der von Dilthey in der Betonung der Geschichtlichkeit des menschlichen Daseins. Destruktion bedeutet nicht in diesem Sinne Zerstörung aller Tradition, sondern ein entdeckendes Beschränken und bewusstes Übernehmen. „die ursprünglichen Erfahrungen, in denen die ersten und fortan leitenden Bestimmungen des Seins gewonnen wurden“, SZ, S. 30 SZ, S. 46 16 1. Kapitel: Quelle und Methode Möglichkeit45 darstellen. Heidegger mit seinem Fragen destruiert das „selbstverständliche“ Seinsverständnis, bzw. Seinsvergessenheit des alltäglichen Daseins, um seine Strukturen, seinen Grund zu gewinnen. Diese Strukturen will er dann auf die Zeitlichkeit hin als Sinn des Daseins interpretieren46. Seine Absicht ist dabei die philosophische „Temporalität“ zu unterscheiden, weil es Heidegger mit Philosophie47 als Ontologie letztendlich um Sein überhaupt geht. Diese Temporalität stellt jedoch das Problem dar, das Heidegger später damit auflöst, dass er Ontologie, bzw. Philosophie als Metaphysik im Sinne des Grundgeschehens des Daseins deutet (vgl. 1.1.b). Damit ist Philosophie nicht mehr von dem alltäglichen Dasein unterschieden und das Problem der Verständlichkeit der Temporalität fällt mit dem ekstatisch-horizontalen Projekt der Zeitlichkeit zusammen, nämlich in der Bewegung der Transzendenz. 1. 1. b) Fundamentalontologie und Metontologie, Transzendenz und Metaphysik (GA 26, Vom Wesen des Grundes, Was ist Metaphysik?) In den Arbeiten nach Sein und Zeit erfährt Heideggers Methode und Analyse eine bestimmte Kehre oder ein Scheitern48. Heidegger schenkt diesmal seine Beachtung dem Problem des Seinsverständnisses, um zu erläutern, dass es sich um keine Leistung der Subjektivität handelt49. Während in Sein und Zeit das Seinsverständnis für Voraussetzung genommen wurde, wird seine Möglichkeit 45 46 47 48 49 SZ, S. 51 Günter Figal weist darauf hin, dass „Interpretation“ mehr als die Grundsturkturen des alltäglichen Seinsveständnisses anbietet, d. h. sie ist in diesem Sinne philosophisch. Die Zeit solches philosophischen Begreifens ist aber nicht dieselbe wie der Alltäglichkeit. Philosophische Zeitlichkeit nennt Heidegger Temporalität. Während das alltägliche ekstatischeinheitliche Zeitlichkeitverständnis durch die horizontalen Schemata begrenzt ist, die Temporalität sollte über sie hinausgehen (Sinn des Seins überhaupt). Diese Temporalität hat jedoch keine Verbindung zu der alltäglichen Zeitlichkeit und ist damit nicht phänomenologisch ausweisbar und verständlich. GÜNTER FIGAL (1992), S. 85 - 100 Günter Figal betont, dass Philosophie zwar auch ein Verhalten des Daseins, eine Weise des alltäglichen Spiels „Antwort-Frage, Bestimmtheit-Unbestimmtheit“ ist, doch sie kein alltägliches Handeln sei und deswegen unterschiedlich. GÜNTER FIGAL (1992), S. 89-92 Vgl. GA 26, S. 201, Vgl. THEODORE KISIEL: „Das Versagen von Sein und Zeit“, in: Martin Heidegger: Sein und Zeit, Klassiker Auslegen, Hrsg. von Thomas Rentsch, Akademie Verlag, Berlin, 2001, S. 253-281 oder CLAUDIUS STRUBE: Das Mysterium der Moderne, Wilhelm Fink Verlag, München, 1994, oder GÜNTER FIGAL(1992), S. 99 Vgl. T. KISIEL (2001), S. 253-281 17 1. Kapitel: Quelle und Methode zum Hauptthema des weiteren Denkens Heideggers. In den Vorlesungen Metaphysische Anfangsgründe der Logik im Ausgang von Leibniz (GA 26) thematisiert Heidegger nicht nur die Subjekt-Objekt-Beziehung, sondern er zielt damit auf die zirkelhafte Begründung der in Sein und Zeit behandelten Sorge, die in der Transzendenz der Welt liegt und mit ihrer ekstatisch-horizontalen Temporalität zusammenhängt (Ek-sistenz). Jetzt ist im Zentrum der Aufmerksamkeit Heideggers die temporale Analytik. Er entfaltet die Thematik der zeitlichen Fundierung der Sorge in Sein und Zeit. Sorge vereinheitlicht nämlich alle Strukturmomente des Daseins als In-der-Welt-sein. Sorge heißt Nichtgleichgültigkeit zum eigenen Sein (das Dasein ist Seinkönnen, Entwurf), d. h. sie erschließt das Da des Daseins. Das In-der-Welt-sein ist in seiner besorgenden Struktur (Befindlichkeit, Verstehen, Rede, Verfallen) zugleich zeitlich: Sorge ist „Sich-vorweg-schon-sein-in (der Welt) als Sein-bei (innerweltlich) begegnendem Seienden“50. Der Sinn der Sorge liegt in dieser ekstatischen Zeitlichkeit (die Heidegger von der vulgär verstandenen Zeit unterscheidet), d. h. im Transzendieren51. Die Zeitlichkeit ist Grund der möglichen Einheit des In-der-Welt-seins. In GA 26 sowie in den Texten Vom Wesen des Grundes und Was ist Metaphysik? wird das Transzendieren selbst betrachtet. Diesmal richtet sich also nicht Fundamentalontologie auf die Strukturen des Dasein, sondern auf das vorausgesetzte Seinsverständnis als Geschehen der ontologischen Differenz (Transzendenz) im Sinne des Welteingangs von Seienden. Für diese Absicht, die Heidegger auch zu der Fundamentalontologie rechnet, verwendet er einen neuen Begriff: Metontologie52(die metaphysische Ontik). In GA 2653 wurde also noch einmal die Aufgabe der Fundamentalontologie beschrieben und die andere Aspekte betont (nämlich der Welteingang von Seiendem). Heidegger stellt wieder die Frage, warum Fundamentalontologie eine existenziale Analytik sein soll und was „Existenz“ besagt. Die faktische Existenz des Daseins nämlich ermöglicht, dass das Sein verstanden wird (und dass es 50 51 52 53 SZ, S. 332 SZ, § 69., Ek-stase – Trans-zendieren – Entrückung Ähnlich wie Max Scheler Metanthropologie oder Metaszienzen, Vgl. T. KISIEL (2001), S. 263 GA 26, S. 196-202 18 1. Kapitel: Quelle und Methode gibt)54 und zwar verstanden aus einer möglichen Ganzheit von Seiendem (Geworfenheit). Es geht jetzt um die Korrelation von Sein und Seienden, um Rechtfertigung des Seinsverständnisses. Die existenziale Analyse ist von dem ausgezeichneten Seienden ausgegangen (vom seinsverstehenden Dasein), dessen Seinsweise (Existenzialien) sie beschrieben hat, damit sie zurück zu diesem Seienden gekehrt wurde, wobei dieses Seiende in ein eigentliches Seiendes verwandelt wurde. Die „Kehre“ knüpft jedoch an die temporale Analytik an, weil die Zeitlichkeit die innere Möglichkeit des Seinsveständnisses darstellt55. Diese Bewegtheit der Existenz des Daseins ist das transzendierende Geschehen, das das Seiende im Ganzen und den Ort des Daseins in ihm bestimmt. Das Seiende im Ganzen ist das Thema der Metontologie (die Metaphysik der Existenz). Fundamentalontologie und Metontologie bilden den Begriff der Metaphysik56 (im Sinne des verwandelten und destruierten traditionellen Begriffs). Existenz und damit also auch Philosophieren sind aufgrund des Transzendierens die Metaphysik57. 1. 1. c) Metaphysik und formale Anzeige (GA 29/30) „Philosophieren kann nur, wer schon entschlossen is58t“ lesen wir schon in GA 26. In GA 29/30 führt Heidegger seine „destruierende und destruierte Metaphysik“ fort und Philosophieren als Grundgeschehen des Daseins59 wird jetzt ausdrücklich entfaltet: Deswegen auch der Name „Grundbegriffe der Metaphysik“. Heidegger hat in GA 29/30 vor, nach dem Weltbegriff zu suchen (er treibt dabei auch eine bestimmte „Naturphilosophie“). Bei diesem Suchen soll man verstehen, wie man überhaupt solches Suchen durchführen kann, was die eigentliche Metaphysik hier bedeutet und warum heißt Metaphysik Philosophieren. Heidegger spricht in diesem Text nicht mehr über fundamentale Ontologie. Seine Metaphysik jedoch 54 55 56 57 58 59 „die Möglichkeit, dass es Sein im Verstehen gibt, hat zur Voraussetzung die faktische Existenz des Daseins“, GA 26, S. 199 Das Sein war immer mit der Vorstellung des In-der-Zeit-seins verknüpft. Vgl. SZ, S. 25 Vgl. GA 26, S. 202 Vgl. vor allem Was ist Metaphysik? GA 26, S. 22 Was ist Philosophie mit dem Hinsicht auf Stimmungen? Vgl. REUDIGER SAFRANSKI: Ein Meister aus Deutschland, Fischer, Frankfurt am Main, 2001, S. 217-230 oder BORIS FERREIRA (2002) 19 1. Kapitel: Quelle und Methode bleibt wie in Sein und Zeit wesentlich Fragen, das den Fragenden selbst in Frage stellt (in-begriffliches Denken). Ontologie ist dann vor allem von der ontologischen Differenz her verstanden und zwar in dem destruierenden Sinne (Grundfragen neu entspringen zu lassen und aus der Tradition der Ontologie sich zu befreien und sie anzueignen). In GA 29/30 fragt Heidegger nicht nach dem Sein des Daseins, sondern nach dem Seienden im Ganzen, also nach dem Weltbegriff, der natürlich ein Aspekt des Daseins als In-der-Welt-seins ist (deswegen auch inbegriffliches Denken) und der zugleich das Sein des Seienden sowie des Fragenden befragt. Heidegger nennt seine Methode diesmal nicht Hermeneutik, wie in Sein und Zeit, sondern er spricht über Kreisen60. Es handelt sich wieder um keinen logischen Zirkel, sondern um einen Kreisgang, der die verschiedenen Blicke ins Zentrum ermöglicht. Dieses Kreisen gründet allerdings in einer gewissen Grundauffassung des Lebens und in der Voraussetzung der Auslegbarkeit. Möglichkeit der Auslegung selbst liegt dabei im Entwurf, der als ontologische Differenz im Dasein des Menschen geschieht. Was ist Metaphysik? Metaphysik ist charakteristisch durch ihre Zweideutigkeit. Einerseits verbindet man mit dem Begriff der Metaphysik etwas, das mit der Wahrheit, Logik und Weltanschauung zusammenhängt (was jedoch nicht Metaphysik selbst ist). Andererseits ist in der Metaphysik eine wesentliche Unsicherheit: Die Geschichte der Metaphysik beweist, dass trotz aller Mühe um Gewissheit und Gründlichkeit, es keinen Fortschritt in den „Erkenntnissen“ gibt. Diese Zweideutigkeit weist auf die Bewegung im menschlichen Dasein hin. Metaphysik ist also kein Streben nach der Sicherheit, sondern Schrecken vor der Fraglichkeit und im Schrecken auf das eigene Selbst-sein-können zu kommen. Das Fragen betrifft auch den Fragenden. Das soll uns überzeugen, dass die Frage nach Metaphysik aus ihr selbst gestellt sein muss, weil sie mit nichts anderem vergleichbar ist. Metaphysik ist Geschehen, menschliches Tun, wie wir selbst sind, wenn wir philosophieren. Philosophieren geschieht mit uns in unserem Grunde. Metaphysische Begriffe, die aus dem philosophierenden Geschehen entstehen, sind nicht unsere Schöpfung, sondern sie stammen aus unserer Ergriffenheit durch das Fragen selbst. Diese Ergriffenheit kommt aus der 60 GA 29/30, S. 266-267 20 1. Kapitel: Quelle und Methode Stimmung. Philosophieren, sowie alle menschliche Handlungen, ist durch eine Stimmung durchstimmt. Deswegen bringt Heidegger auch das Beispiel von Novalis ins Spiel, der über Philosophie als Heimweh spricht. Das passt gut zu der Absicht Heideggers, weil Heimwehauf das weltliche „Zuhause“ zeigt, auf das „im Ganzen“ der Welt, zu dem wir immer unterwegs sind. Aus dem Heimweh zu philosophieren, heißt, die Endlichkeit und Einsamkeit unseres Unterwegs zu verstehen. Ähnlich kann man auch das oben genannte Schrecken verstehen, als eine Stimmung des Philosophierens, d. h. Weckung zum inbegrifflichen Fragen. Was aber rechtfertigt Heidegger, dass er Metaphysik als Philosophieren begreift? Ist doch nicht Metaphysik nur ein Teil der Philosophie, eine Disziplin? Dieses allgemeine Bewusstsein über Metaphysik versucht Heidegger zu destruieren. Er verwendet dazu seine Auslegung der Geschichte und Etymologie des Begriffes „Metaphysik“: META TA PHYSIKA. PHYSIS heißt im alten griechischen Sinne das Geschehen des Wachstums, das auch den Menschen ohne sein Zutun betrifft. Heidegger interpretiert es also als „Walten des Seienden im Ganzen“61, von dem ist auch der Mensch durchgewaltet und er versteht diese Macht des Waltens des Waltenden. In seinem Verständnis hat sich der Mensch über diesem Walten immer schon ausgesprochen: In seiner Weise des Existierens ist immer dieses Verständnis mitbegriffen und im Verhalten ausgesprochen als LOGOS. LOGOS nämlich offenbart das Waltende und musst also schon im Walten selbst liegen. Diese Verbindung von PHYSIS und LOGOS soll rechtfertigen, dass Philosophieren (als Aussprechen des „im Ganzen“ oder des Waltenden) ursprünglich in PHYSIS liegt. PHYSIS hat nämlich zwei Bedeutungen: Walten des Waltenden und Walten als Wesen (Sein) des Seienden (ONTIA). Philosophieren heißt Fragen und als inbegriffliches Fragen, also Fragen nach dem Walten des Seienden im Ganzen (d. h. nach dem Sein des Seienden) ist metaphysisch. Das ist die Erste Philosophie nach Aristoteles. Wie steht es mit dem META? META hatte ursprünglich eine bloß technische Bedeutung in der Ordnung der Bücher von Aristoteles. Nach seinem Tod nämlich wurde seine Philosophie zur Erkenntnis, zur Schulphilosophie und war in drei Disziplinen zerfallen: Ethik, Logik, Physik. Die Texte, die seine Schüller nicht zu den drei Disziplinen ordnen 61 GA 29/30, S. 40 21 1. Kapitel: Quelle und Methode konnten, also die von der Ersten Philosophie, haben sie „hinter“ die Physik gestellt. META hieß also hinter. Im Mittelalter hat das META eine inhaltliche Bedeutung gewonnen als „über“ (lat. Trans). Die Erste Philosophie wurde als Wissenschaft über Übersinnliches zur Theologie und Begründung Gottes umgedeutet. Und schließlich in der neuzeitlichen Philosophie soll Metaphysik als gewisse und sichere Wissenschaft dienen nach dem Vorbild der Naturwissenschaften. Heideggers Aufgabe ist also die Metaphysik in ihrem ursprünglichen Sinne der Ersten Philosophie zu interpretieren - aus dem Geschehen im Menschen selbst: Das ist ein Philosophieren. Philosophie hat also Aufgabe: eine Stimmung für Philosophieren zu wecken. Philosophie soll den Menschen zu seinem Dasein bringen. Sie kann nicht selbst ihm sein Selbst-sein-können zeigen, sondern sie muss ihn für ihn wecken, „auf den Rand der Möglichkeit“ bringen, „der Möglichkeit, dem Dasein wieder Wirklichkeit, d. h. seine Existenz zu geben“62. Überschreiten dieses Randes ist dann die Sache des im Augenblick zur Grundstimmung geweckten menschlichen Entschlusses. In GA 29/30 kommen wir zu diesem Rand durch Fragen nach der Welt, nach dem Seienden im Ganzen, das uns unverborgen ist und im LOGOS sich ausspricht. Das Unverborgene – ALETHEIA – heißt die Wahrheit an dem Verborgenen zu gewinnen63. Un-verborgenheit, A-LETHEIA, weist jedoch auf eine Negativität, Privation hin. Es ist unsere Endlichkeit, die das Verborgene offenbar macht. Wahrheit als Unverborgenheit sind Schicksal des menschlichen endlichen Daseins. Wie hängt jedoch diese Aufgabe des Philosophierens mit den Grundbegriffen der Metaphysik zusammen? Heidegger bezeichnet an dieser Stelle die metaphysischen Begriffe als formale Anzeige. Die Methode der formalen Anzeige64 wurde schon in Sein und Zeit verwendet65, aber nicht als eine ausdrücklich philosophische, bzw. phänomenologische Methode genannt. Es handelt sich um die entscheidende Rolle der „Als-Struktur“. In GA 29/30 dient die Als-Struktur als Zugang zu dem Phänomen der Welt und zum Welteingang des 62 63 64 65 GA 29/30 S. 257 Wahrheit als Raub, GA 29/30, S. 43-44 Alle Existenzialien sind formale Anzeigen, weil sie für jede Vereinzelung gelten. Vgl. „Aufweisende Freilegung“ SZ, S. 11 oder SZ, § 44., § 69. b). Vgl. auch das Problem der anzeigenden und formalen Funktion der Zeit bei T. KISIEL (2001), S. 257 22 1. Kapitel: Quelle und Methode Seienden66. Die Als-Struktur weist das Weltbildende im Dasein auf. Die oben genannte Offenbarkeit und Einheit des Seienden im Ganzen und des Seienden als solchem liegt in der Interpretation der Als-Struktur. Das „Als“ ist nicht nur ein sprachlicher Ausdruck (im Aussagesatz), der die Beziehung zwischen zwei Gliedern aussagt, sondern diese Beziehung geschieht als formale Anzeige. Heidegger versteht die formale Anzeige als Begreifen im Sinne der Anweisung zu einer eigentümlichen Aufgabe. Die Anweisung ist Anweisung zum Sein zum Tode. Wir verhalten uns immer zu dem eigenen Tod, aber wir können uns zum Tod als unseren Tod verhalten, d. h. unsere Selbstheit als Da-sein-können zu verstehen und zu unserem Handeln uns entschließen. Heidegger im Unterschied zu den früheren Texten betont die Jemeinigkeit unseres eigentlichen Handelns. Die Aufgabe, die die formale Anzeige anzeigt, ist Verwandlung des Daseins. Die metaphysischen Begriffe sind noch nicht verwandelt, aber als formale Anzeige beanspruchen sie die Verwandlung in das Da-sein. Sie sind formal, weil das Da-sein immer je meines ist, und anzeigend, weil sie selbst noch nicht begreifen. Die formale Anzeige ist nie isoliert von Dasein, Handeln und Welt. Der Zusammenhang der Verweisung und die Verwandlung des Daseins ist verbunden mit dem Geschehen des Entwurfs und als solche geschichtlich. Das Dasein ist nämlich seine Existenz, d. h. sein Verhalten zum Seienden als solchen macht die Existenz aus. Dieses Verhalten ist nur aufgrund unserer Hineingehaltenheit in das Nichts möglich, dank der Negativität (Endlichkeit), zu der wir kommen können, zu der wir uns verwandeln können und worauf die metaphysischen Begriffe formal anzeigen. Philosophieren mit seiner Aufgabe der Verwandlung des Daseins (zu seiner Endlichkeit, zu dem Selbst-sein-können) als Geschehen im Dasein hängt mit der Geschichtlichkeit zusammen - Geschichtlichkeit nicht im Sinne der Geschichte, sondern im Sinne des eigentlichen Handelns, Grundgeschehens des Daseins im Entwerfen, Grundgeschehen der ontologischen Differenz. 66 GA 29/30, § 70. 23 1. Kapitel: Quelle und Methode 1. 2. Methodische Rolle der Stimmungen Fundamentalontologie als existenziale Analytik in der 1. 2. a) Stimmungen als methodischer Zugang zur Ganzheit des Daseins (Ausweisung der Sorge), zum eigentlichen Ganzseinkönnen: Sein und Zeit In Sein und Zeit hat Heidegger begründet, warum die Fundamentalontologie zuerst als Daseinsanalyse verstanden sein soll. Die Daseinsanalyse arbeitet nämlich mit dem vorgängigen Fragen nach dem Sinn des Seins, die jedoch vom Sinn des Seins des Daseins ausgeht67. Heidegger schickt voraus, dass eine solche Analytik nicht vollständig sei, weil ihre Aufgabe in der Ausarbeitung der Frage nach dem Sein liegt und damit notwendig begrenzt ist.68Es wurde erklärt, warum das Dasein als exemplarisches Seiendes dient. Das Dasein ist nicht nur das nach seinem Sein Fragende, sondern auch das Befragte, wobei die Struktur des Fragens, das Wie (Ausweisung), betrachtet wurde. Wir bewegen uns im hermeneutischen Zirkel – Fragen selbst ist durch die Struktur ermöglicht, die es befragt. Was folgt aus dem Fragen? Das Dasein ist ein solches Seiendes, dass „es diesem Seienden in seinem Sein um dieses Sein selbst geht“69. Existenziale Analytik geht von dem verstehenden Umwillen70 eigener Existenz, das das Wesen71 des Daseins bestimmt, und von der Jemeinigkeit des Seins aus, d. h. dass das Sein, das ich verstehe und nach dem ich fragen kann, immer meines ist. Wie ich bin, d. h. wie das Dasein je meines ist, hängt von meiner Wahl ab (es ist jedoch keine Wahl meines Willens, sondern durch eine Stimmung ermöglichte Wahl): entweder eigentlich oder uneigentlich zu sein, d. h. entweder Da-sein oder Flucht (Daseinsvergessenheit). Beide Modi sind legitim und gleichwertig. Das Dasein ist 67 68 69 70 71 In Sein und Zeit hat Heidegger vor, wie schon im Titel steht, die Beziehung des Seins und der Zeit zu erklären, weil Zeit immer die ausgezeichnete ontologische Funktion als Kriterium der Scheidung von Seinsregionen hatte. Vgl. SZ, S. 25 SZ, S. 23 SZ, S. 16 Heidegger bestimmt den formalen Begriff der Existenz folgendermaßen: „Dasein ist Seiendes, das sich in seinem Sein verstehend zu diesem Sein verhält“, SZ, S. 71 „Das »Wesen« des Dasein liegt in seiner Existenz“, SZ, S. 56 24 1. Kapitel: Quelle und Methode immer je seine Möglichkeit. Dass das Dasein immer meines ist, das besagt eine Nichtgleichgültigkeit zu eigenem Sein. Schon in dieser Bestimmung können wir die Struktur72 des Daseins ahnen, deren Name lautet: „das In-der-Welt-sein“. Das In-der-Welt-sein ist ein einheitliches Phänomen, obwohl in ihm drei untereinander verflochtene Momente enthalten sind: 4. Das „in-der-Welt“ (die Welt) 5. Das Seiende, das als 'In-der-Welt-sein' ist (Wer) 6. Das In-Sein als solches („Wie“ ist das Dasein in der Welt) Für unseren Zweck ist vor allem das Moment des „In-Seins“ wichtig, weil Stimmungen ein von den drei Momenten des „In-Seins“ darstellen. Es hat wieder dreifache Struktur: 1) Befindlichkeit (bzw. ihre ontische Gestalt „Stimmung“) 2) Verstehen 3) Rede Natürlich bilden auch diese Momente eine Einheit und bestimmen die drei Momente des In-der-Welt-seins. Alle als „In-Sein“ (Wie) konstituieren die Erschlossenheit des Daseins (Wer) seinem Da (Welt), und zwar in einer eigentlichen (Selbst-sein-können) oder uneigentlichen (Verfallen) Weise. Wenn wir jetzt diese Struktur vor Augen haben, müssen wir fragen, woher sie kommt und wie sie einheitlich sein kann? Was phänomenologisch ihre Ganzheit bezeugt? Und hier bringt Heidegger die methodische Rolle der Befindlichkeit, bzw. Stimmungen zur Sprache. Die Schlüsselrolle der Stimmungen ist schon in der Bestimmung der Phänomenologie als „hermeneutischer“ Phänomenologie zu erkennen, die das „Sprechen“ der Stimmungen notwendig mit dem „Hören“ (Hören der Stimme von Stimmungen, Hören des Rufs der Sorge) verbindet, sogar diese Verbindung verlangt73. Damit ist auch solcher Zugang zur Struktur des In72 73 Struktur der Existenz des Daseins: Existenzialien, SZ, S. 59 Auf diesen Zusammenhang weist Klaus Held hin: „Durch Heideggers Stimmungsanalyse bekommt das Hören für die Phänomenologie eine mit dem Sehen gleichwesentliche Bedeutung. Diese Paradigmenerweiterung signalisiert der Methodentitel 'hermeneutische Phänomenologie'. In der Tat konnte Heidegger die systematische Tragweite des Stimmungphänomens nur entdecken, weil er aus der hermenutischen Tradition den Gedanken aufnahm, dass das Denken als Auslegung auf ein Hören angewiesen ist.“ S. 35 (KLAUS HELD: „Grundstimmung und Zeitkritik bei Heidegger“, in: Zur philosophischen Aktualität Heideggers, Bd. 1, Hrsg. von Dietrich Papenfuss und Otto Pöggeler, Klostermann, Frankfurt am Main, 1991, S. 31-57) 25 1. Kapitel: Quelle und Methode der-Welt-seins möglich, der ihre Ganzheit anschauen kann – durch eine Grundbefindlichkeit. Durch die Angst hört man den Ruf des eigentlichen Selbstsein-könnens, entdeckt sich in der Angst als Sein zum Tode und diese Negativität durchstimmt als Endlichkeit das ganze Geschehen des Daseins, das als Zeitlichkeit erscheint. Obwohl alle drei Momente des In-Seins die Erschlossenheit gleichursprünglich bilden, erfüllt die Befindlichkeit die eigentliche methodischerschließende Funktion. Sie stellt jedoch „nur“ den Zugang dar – ohne Verstehen und Rede würde das In-der-Welt-sein nur sozusagen „in der Tür stehen bleiben“. Wovor bringt uns also die Grundbefindlichkeit? Sie stellt einen Zugang zur Unterscheidung der eigentlichen und uneigentlichen Seinsweise dar, der die Einheit der Sorge (1) und damit Einheit der Zeitlichkeit (2) rechtfertigt, und Geschichtlichkeit des Daseins (3) entdeckt. Alle drei Themen sind dann im Heideggerischen Denken zentral, die mit bestimmten Nuancen immer wieder zurückkommmen. (1) Die Analyse der Angst bereitet die Daseinsanalyse auf die Fassung der ursprünglichen Seinsganzheit des Daseins im Begriff der Sorge als ursprünglicher Nichtgleichgültigkeit des Daseins zu seinem Sein vor. Grundbefindlichkeit der Angst enthüllt die Faktizität, Geworfenheit des Daseins in die Welt, in der es ihm um sein Seinkönnen, den Entwurf (Existenzialität), d. h. sich besorgen bei dem innerweltlich Seienden (Modus des In-Seins als Verfallen) geht. Faktizität, Existenzialität und Verfallen sind Momente der Sorge. In den Stimmungen macht man elementare Erfahrungen mit seiner Geworfenheit (wir befinden uns inmitten des Seienden, das wir besorgen) und die Grundstimmungen enthüllen ausdrücklich die Geworfenheit in die Möglichkeiten der Welt – das besorgende verfallene Man verliert auf einmal seine besorgbare Welt, um die Welt (als Nichts, als Unheimliches) zu sehen. Das Dasein ist zu seinem Da-sein, zu sich selbst gebracht. Angst vereinzelt: Angst ist Angst vor unserer Nichtigkeit, Unmöglichkeit des Seinkönnens (Tod). Diese Endlichkeit ist Grund der Negativität, die das Entwerfen durchstimmt. Aus dieser Negativität ruft die Stimme der Sorge im Gewissen, ruft das Man zum Da-sein, zum Selbstsein und damit zum Übernehmen der Schuld unserer Negativität. Die Grundstimmung 26 1. Kapitel: Quelle und Methode bereitet den Sprung in die Entschlossenheit für Verantwortung (wir nur eine Möglichkeit wählen74) vor. Die Wahl, eigentlich oder uneigentlich zu sein, ist keine Freiheit des Entscheidens, sondern eine verbindliche Freiheit, die mit der Endlichkeit des Daseins zusammenhängt. Die Negativität der Geworfenheit ist auch Grund der Verfallenheit. Zugleich gibt es aber die Möglichkeit des Hörens von Gewissen. Grundstimmung ist die Bereitschaft für Sich-rufen-lassen zur Entschlossenheit, zum eigentlichen Verstehen und zum Handeln-lassen des Selbst-sein-könnens. Entschlossenheit modifiziert das In-der-Welt-sein und sie ermöglicht75 erst das eigentliche Miteinandersein, die intersubjektive Welt. Entschlossenheit erschließt das Da für einen Zufall, der das eigentliche Handeln ist. Wie wir im zweiten Kapitel sehen werden, sind Stimmungen und die aus ihnen folgende Erschlossenheit und Entschlossenheit, etwas, das uns überfällt und doch immer da ist. Unsere Wille, unser Bewusstsein oder unsere Entscheidung können sie nicht ausrufen, sondern sie sind immer schon aufgrund der Stimmungen möglich. Ohne Grundbefindlichkeit könnten wir also nicht einmal die Unterscheidung zwischen der eigentlichen und uneigentlichen Existenz machen und nur schwer die ganze Analyse in Gang bringen. Grundbefindlichkeit ist die Methode der Enthüllung des Verborgenen: Wir müssen nicht eine Art der Reflexion durchführen, um anzuschauen, welche Weise der Erschlossenheit unsere Existenz trägt und dass sie einheitlich sind. (2) Das Phänomen der Zeitlichkeit als Einheit und Sinn der Sorge enthüllt sich aus der Verbindung zwischen vorlaufender Entschlossenheit und dem Ganzseinkönnen. Die Grundstimmung der Angst hat das Selbst und die Weise der Existenz (eigentliche und uneigentliche) mittels des Kontrasts zur Endlichkeit entdeckt, zu der das Verstehen immer schon vorläuft. Die Entschlossenheit ist auch „zu Ende gedacht76“: Das Gewissen ruft uns aus der Negativität und 74 75 76 Vgl. OTTO PÖGGELER: Der Denkweg Martin Heidegger, Neske, Pfullingen, 1963, S. 60-61 Vgl. Klaus Held, der das Miteinandersein und die gemeinsame Welt als durch die gestimmte Entschlossenheit gebildeten interpretiert. Grundstimmung ist wirkliche Gemeinsamkeit, während mit den flüchtigen Stimmungen ist man allein. KLAUS HELD (1991), S. 36, Vgl. GA 26, S. 270: „ Es wäre zu zeigen, wie Faktizität , wie Individuation in der Zeitlichkeit gründen, die als Zeitigung sich in sich selbst einigt und vereinzelt im metaphysischen Sinne, als principium individuationis. Diese Vereinzelung aber ist die Voraussetzung für das ursprüngliche commercium zwischen Dasein und Dasein.“ SZ, S. 404-405 27 1. Kapitel: Quelle und Methode erschließt uns damit ständig unser ganzes Seinkönnen. „Die Frage nach dem Ganzseinkönnen ist eine faktisch-existenzielle. Das Dasein beantwortet sie als erschlossenes77“. Ganzseinkönnen und Entschlossenheit verbinden sich in dem Umwillen der Existenz. Vorlaufen zum Tod ist zukünftige Charakterisierung, die Negativität, die wir übernehmen müssen, welche dagegen in die Vergangenheit, bzw. Gewesenheit deutet. Beide erschließen die Situation unseres Da, wo wir uns mit dem Seienden begegnen (Vergegenwärtigung). Das In-der-Welt-sein ist also in seiner besorgenden Struktur (Befindlichkeit, Verstehen, Rede, Verfallen) zugleich zeitlich: Sorge (innerweltlich) ist „Sich-vorweg-schon-sein-in begegnendem Seienden“78. (der Diese Welt) als Zeitlichkeit Sein-bei bezeichnet Heidegger als ekstatische Zeitlichkeit (die er von der vulgär verstandenen Zeit unterscheidet). Ekstatisch nennt er sie deswegen, weil sie alle drei Dimensionen der Zeit auf einmal offenbart und vereinheitlicht: im vorlaufenden Verstehen der Endlichkeit (Zukunft) sind wir (Gegenwart) immer schon da (Gewesenheit). Ekstase ist die Bewegung des Transzendierens79, weil Zeitlichkeit als Sinn der Sorge die Erschlossenheit der Welt und des Seienden in der Welt ermöglicht. Ekstatische Einheit der Zeitlichkeit bildet horizontalen Schemen, wohin die Ekstasen entrücken. Dieses Geschehen der Zeitlichkeit ist ihre Zeitigung und, weil es aus dem Vorlaufen zum Tod sich primär zeitigt, ist auch endlich. Endlichkeit ist Auf-sich-zukommen der Nichtigkeit. Diese Zeitlichkeit ist ursprüngliche eigentliche Zeitlichkeit. Es ist wichtig zu bemerken, dass in diesem Fall die beiden Modi nicht gleichwertig sind, sondern dass die uneigentliche Zeitlichkeit in der eigentlichen fundiert ist. Das sind das wiederum Stimmungen, die den Zugang zu der beiden Modi der Zeitlichkeit darstellen, obwohl sie unsere Gewesenheit (Geworfenheit) enthüllen, d. h. Stimmungen selbst sind durch Zeitlichkeit möglich. Zeitlichkeit offenbart sich (auch methodisch) wieder durch Stimmungen, weil sie uns durchstimmt (als Endlichkeit). (3) Der Zusammenhang der Stimmungen und Geschichtlichkeit ist nicht in Sein und Zeit ausdrücklich durchgeführt (das kommt erst mit der GA 29/30). Trotzdem widmet sich Heidegger der Geschichtlichkeit im Zusammenhang mit 77 78 79 SZ, S. 409-410 SZ, S. 332 SZ, § 69., Ek-stase – Trans-zendieren – Entrückung 28 1. Kapitel: Quelle und Methode der Zeitlichkeit. Geschichtlichkeit meint nicht Historie, sondern das Geschehen der vorlaufenden Entschlossenheit, der Zeitigung des Daseins, also es handelt sich in diesem Sinne um eigentliches Erschließen der Geschichte aus der zeitlichen Natur der Sorge. Die Möglichkeiten erschließen wir aus der Geworfenheit in die Welt. „Das entschlossene Zurückkommmen auf die Geworfenheit birgt ein Sichüberliefern überkommener Möglichkeiten in sich80“, die wir vererben und in unserem Schicksal wählen. Schicksal heißt also Erschlossensein für den Zufall, für den Augenblick des Übernehmens der Geworfenheit. Und weil die vorlaufende Entschlossenheit eine gemeinsame Welt bildet, hat Geschichtlichkeit zugleich auch gesellschaftliche Gestalt im „Geschick“. Diese authentische Geschichtlichkeit geschieht als Wiederholung der Möglichkeiten des gewesenen Da-seins, die aber ausdrücklich und neu geschieht. Im eigentlichen Modus der Zeitlichkeit sollte Wiederholung als angeeignete geschichtliche „Tradition“ anfangen81 und Geschichte als Disziplin destruiert sein. Grundbefindlichkeit spielt also bei Heidegger methodisch eine Schlüsselrolle. Mit Befindlichkeit ist die Bewegung des Entwerfens im Gang gebracht, die Bewegung zwischen der eigentlichen und uneigentlichen Existenz, die Bewegung der Sorge. Damit ist auch das Ganzseinkönnen des Daseins legitimiert. Durch die Grundbefindlichkeit ist das Dasein vereinzelt, d. h. erschlossen, zugleich ist die Welt als solche von ihm erschlossen. Grundbefindlichkeit bringt das Dasein zu sich selbst als In-der-Welt-sein: die Angst ist Angst vor dem In-der-Welt-sein als solchem, Angst vor dem Tod im Sinne des eigentlichsten Seinkönnens. Obwohl Heidegger das Seinsverständnis des Daseins und seinen Entwurfcharakter betont (auch hinsichtlich der Freiheit und vor allem der Ursprünglichkeit des Ganzseinkönnens der Sorge), methodisch ist seine Analyse durch die Grundbefindlichkeit, bzw. Grundstimmungen gerechtfertigt. Das Spiel zwischen Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit trägt die ganze Daseinsanalyse in ihren zeitlichen und geschichtlichen Konsequenzen. Sie ist aber mittels Stimmungen gespielt, bzw. entdeckt. 80 81 SZ, S. 507 Der spätere Heidegger spricht über den Anfang, vgl. KLAUS HELD (1991), S. 36 ff. 29 1. Kapitel: Quelle und Methode 1. 2. b) Stimmungen und ihre Rolle für Transzendenz (GA 26, Was ist Metaphysik?, Vom Wesen des Grundes) Obwohl in GA 26 die Stimmungen, bzw. Angst nur in eine Fussnote erwähnt sind82, der Transzendenz widmen sich auch die Texten Vom Wesen des Grundes und Was ist Metaphysik?. In diesen Texten kann man eine „neue“ Funktion der Stimmungen finden, nämlich für die Transzendenz des Daseins im Sinne der temporalen Analytik und Bestimmung der Seinsverständnis als Geschehen der ontologischen Differenz. Während die Thematik der Transzendenz im GA 26 und in Vom Wesen des Grundes mittels der Frage nach Grund und Wahrheit erlangt wird, also die Struktur des Seinsverständnis selbst betrachtet (als ob wir schon in der Position der eigentlichen Selbst wären83, d. h. die Geschichte der Philosophie unter den destruirenden Blick aneignen würden), wird in Was ist Metaphysik?, das als ein komplementärer Text zum Vom Wesen des Grundes gilt84, beschrieben, wie man durch die Grundstimmungen zur Erfahrung der Bewegtheit des Selbst und der Welt als Bewegtheit der nichtendnen Offenbarung des Seienden im Ganzen kommt (Bewegung der Transzendenz als ontologische Differenz). Es geht nicht mehr um Wahl des Eigentlichseins, sondern um eine nähere Bestimmung der Verbindlichkeit der Freiheit des Eigentlichseinkönnes und um Be-gründung des Seinsverständnisses im Sinne des Welteingangs des Seienden. Als Analyse des Geschehens des Transzendierens ist diese eine temporale Analytik. Betrachten wir jetzt zusammen mit Heidegger, was in der Transzendenz geschieht und welche methodische Rolle in ihr und ihrer temporalen Bedeutung die Stimmungen spielen. Ähnlich wie in Sein und Zeit bleibt auch jetzt das Verhältnis des Fragens und Befragens des Fragenden zentral. Im Unterschied zum Sein und Zeit ist dieses Verhältnis als metaphysisches Geschehen thematisiert. Das Fragen des Daseins stellt das Fragende selbst in Frage: es ist die Frage, die immer an das Ganze geht 82 83 84 Im Zusammenhang mit der möglichen Theologie, GA 26, S. 211 Darauf weisst auch das Zitat aus GA 26 hin: „Philosophieren kann nur, wer schon entschlossen ist“, GA 26, S. 22 Vgl. Vorwort Heideggers zu Vom Wesen des Grundes 30 1. Kapitel: Quelle und Methode und es in diesem Sinne übersteigt. „Transzendenz bedeutet Überstieg“85. Das Dasein ist transzendent, d. h. sein Vollzug ist ein Übersteigen. Das Dasein ist Übersteigen, in dem „sich“ das Dasein zu dem Seienden „im Ganzen“86 verhält. Das geschieht im alltäglichen Gestimmtsein. Was verstehen wir (und die Wissenschaft) unter dem Seienden? Etwas, was ist. Wie aber kommen wir darauf, dass es ist? Heidegger weist darauf hin, dass das Seiende und das Nichts zueinander gehören, sogar die Offenbarung des Seienden das Nichts erfordert. Logisch „ist“ das Nichts nicht. Es geht aber um ein ursprünglicheres Nichts als die bloße Verneigung oder Nicht-Seiendes. Mit dem wissenschaftlichen Erfassen haben wir keinen Zugang zu diesem ursprünglicheren Nichts, weil der Verstand schon von ihm abhängt. Wenn wir aber von dem alltäglichen gestimmten Sich-Befinden inmitten des Seienden „im Ganzen“ ausgehen, können wir zur Grunderfahrung des Nichts kommen. Diese methodische Rolle erfüllen eben die Grundstimmungen. Heidegger erwähnt zwei Grundstimmungen: die tiefe Langeweile, die in ihrer Gleichgültigkeit das Seiende „im Ganzen“ ausdrücklich offenbart, und die Angst, die eine ausgezeichnete Grundstimmung ist, weil sie das Nichts offenbart. Andere Stimmungen (z. B. Freude an der Gegenwart des Daseins eines geliebten Menschen) situieren und enthüllen uns, wo wir uns befinden: in der Welt. Das Dasein hat in seinem Existieren immer schon das Seiende auf die Welt hin überstiegen (deswegen kann es sich zu ihm verhalten, obwohl Welt und Selbstsein unthematisch bleiben). Kurz gesagt: Transzendenz ist „In-der-Welt-sein“. Die Welt vereinheitlicht die Struktur der Transzendenz, ihr Begriff ist also ein „transzendentaler“ im Sinne der Ganzheit des Umwillen des Daseins. Welt (auch philosophisch-geschichtlich betrachtet) ist das vorgängige Wie im Ganzen, das auf das menschliche Dasein relativ ist87. Die Stimmungen also enthüllen unsere Befindlichkeit in der Welt (als unausdrückliches „im Ganzen“), zugleich jedoch 85 86 87 Vom Wesen des Grundes, S. 137 Das ist etwas anderes als sich verhalten zum Ganzen des Seienden (Seiende in seiner Allheit, vgl. Wissenschaft), Was ist Metaphysik?, S. 44 Ist die Welt dann etwas Subjektives, wenn sie zum Dasein gehört? Was besagt nun das „Subjektives“? Heidegger betont, dass die Selbstheit des Daseins, die sich mit dem transzendierenden Geschehen des Worumwillen des Daseins enthüllt, kein Ich ist. Diese Selbstheit ist neutral und stellt die Voraussetzung für Ichheit oder Ich-Du-Beziehung dar. Zugleich gibt die Selbstheit einen Welteingang des Seienden frei. 31 1. Kapitel: Quelle und Methode den Grund der Offenbarkeit des Seienden „im Ganzen“ verbergen. Die Grundstimmungen dagegen haben die eigentliche Funktion des Enthüllens. Das Nichts im Ganzen und das Seiende im Ganzen sind eins, deswegen auch beide oben genannten Grundstimmungen das Grundgeschehens des Daseins (Transzendieren) enthüllen. Verbergen und Enthüllen sind auch zwei Weise desselben Geschehens des Transzendierens. Für die Enthüllung der Bewegung des Transzendenz ist die Angst geeignet. In der Angst erfährt das Dasein nämlich eine Bodenlosigkeit, in der das besorgte Seiende in der Welt als gleichgültig und unheimlich erscheint. Wir haben keinen Halt mehr (die Welt ist gleichgültig) und der Mensch verwandelt sich in sein reines Da-sein – Welt und Selbst sind eins (ununterscheidet, nicht differenziert): das Nichts. Nichts nichtet, d. h. in seinem Kontrast offenbart es das Seiende als Seiendes und in der Differenz von Seiendem und Welt meldet sich das Nichts (aber als abweisende Verweisung auf das Seiende im Ganzen). Nichtung als Geschehen der Differenz produziert Welt als Horizont für Offenbarung des Seienden (Welteingang des Seienden). Nichtung des Nichts verbirgt sich in ihrem Geschehen. Dank des nichtenden Geschehens des Nichts kann sich das Dasein zum Seienden und damit zu sich selbst verhalten – alltäglich unausdrücklich (Verhalten zum Seienden) oder ausdrücklich (Philosophieren)88. Das in Angst enthüllte Da-sein macht aus den Menschen den Platz des Nichts, wir sind in das Nichts immer hineingehalten. Nichtung des Nicht in uns ist von unserer Endlichkeit freigegeben, die wir nicht selbst entdecken können, sondern wir müssen gerade auf eine Grundstimmung warten. Unsere Freiheit als Wille soll man im Sinne der eigentlichen (also verbindlichen) Bereitschaft für Sichüberkommen-lassen durch eine Grundstimmung89 verstehen. In GA 26 und Vom Wesen des Grundes ist die Bewegung der Freiheit als Wille weiter beschrieben, wieder im Sinne einer verbindlichen Freiheit. Das Seinsverständnis ist nämlich in der Bewegung der Freiheit be-gründet. Hier kommt zum Zug auch die temporale Analytik. Die Analyse des Transzendierens ist jetzt nicht durch Stimmungen, sondern temporal entfaltet. Obwohl die Hauptaufgabe dieses Kapitel in der methodische Rolle der Stimmungen liegt, für 88 89 Auch wenn wir nicht die Angst erfahren, ist unsere Existenz von dem Geschehen des Nichts getragen. Die abweisende Verweisung des Nichts auf das Seiende im Ganzen ermöglicht unsere fliehende Alltäglichkeit. Vgl. KLAUS HELD (1991), S. 42, oder Was ist Metaphysik?, S. 58 32 1. Kapitel: Quelle und Methode Verständnis der Gesamtzusammenhänge, die sich auch später mit Stimmungen verflechten, erkläre ich hier kurz auch die Zeitlichkeit des Transzendierens. Der Brennpunkt stellt hier das Umwillen dar, das nicht nur auf das Willen sondern auch auf die Zukünftigkeit hinweist. Im Umwillen hat sich das Dasein zu ihm selbst überstiegen. Jetzt stellt sich die Frage, „wie“. Die Antwort ist im Umwillen sich selbst des Daseins enthalten: Es ist der Wille sich selbst auf Möglichkeiten zu entwerfen. Diesen Willen muss man jedoch vom Wollen unterscheiden. Der Wille ist nämlich kein Verhalten (das wäre sie von Transzendenz abhängig), sondern er ist der Überstieg, er ist das Welt-Bildende (als Wohin des Transzendierens und Wohin unseres Seinkönnens). Heidegger bezeichnet den Willen als Freiheit90. Dieser Wille als Freiheit ist nicht etwas, wofür wir uns entscheiden können. Deswegen ist das Moment der Grundstimmung mit ihrer überkommenden Natur und das Moment der Endlichkeit (die die Grundstimmung auch zugänglich macht) wichtig. „Freiheit ist Freiheit zum Grunde“91 und im dreifachen Gründen erscheint der Charakter der Freiheit. Die Struktur des Gründens entspricht mehr oder weniger der Sorge-Struktur, jetzt aber im Bezug auf die Transzendenz. Das erste Gründen nennt Heidegger „Stiftung“. Es ist ein Überschwung der Möglichkeiten des Daseins selbst (dank seines Umwillen), ein Entwurf der Welt (Weltgründen). Dieses Moment könnte man als „Freiheit“ verstehen. Diese „Freiheit“ zu den Möglichkeiten ist jedoch durch das zweite Gründen begrenzt: Das Dasein befindet sich inmitten des Seienden. Es ist von Seiendem eingenommen, gestimmt, nimmt in ihm Boden (oder in der Fall der Grundstimmungen diese Boden verliert). Es entwirft von dem Seienden her seine bestimmten Möglichkeiten, wodurch es die entworfenen Möglichkeiten der Welt entzieht (es ist eigentlich auf die Welt angewiesen). Dieses Moment ist auch ein Moment der Freiheit als Gründen, aber gerade in ihrer verbindlichen Form: Freiheit ist endlich, weil der Überschwung und Entzug der Möglichkeiten zueinander gehören. Das dritte Gründen ist Be-gründen, das das Offenbarmachen von Seiendem an ihm selbst ermöglicht. Begründen ermöglicht also das Verhalten zu Seiendem und als Gründen auch alle Warumfragen, Ausweisen und Suchen der 90 91 „Der Überstieg zur Welt ist die Freiheit selbst“, Vom Wesen des Grundes, S. 163 Vom Wesen des Grundes, S. 164 33 1. Kapitel: Quelle und Methode Ursachen des Seienden, einschließlich des Verhaltens als Erkennen. Begründen ist Seinsverständnis, das in der Einheit von Eingenommenheit und Weltentwurf liegt. Alle drei Weisen des Gründens bilden einen Spielraum: die Freiheit ist Grund der Einheit der Sorge. Die Freiheit erklärt Heidegger weiter als Ab-grund des Daseins. Damit ist der Aspekt der Verbindlichkeit gemeint, in dem das Dasein vor seine endliche Wahl gestellt ist. Das Dasein kann sich selbst im Transzendieren als Abgrund verstehen – es vernichtet mit dem Geschehen seiner endlichen Existenz bestimmte Möglichkeiten. Es entwirft und bildet zwar die Welt, zugleich aber ist es auf diese Welt und diese bestimmten Möglichkeiten in der Welt angewiesen, geworfen. Diese abgründige Bewegung liegt in der Bewegung der ursprünglichen Zeitlichkeit. Das Umwillen des Daseins hat sich als Grund der Bewegtheit der Freiheit erwiesen, die das Transzendieren des Seinsverständnisses be-gründet. Es ist deswegen, weil Umwillen zeitlich gegründet ist. Das Dasein verhält sich zum Seienden, weil es ihm um sein Sein geht. Das Dasein entwirft sich in die Zukunft, versteht seine Befindlichkeit und seine Möglichkeiten von der Zukunft her. Diese Zukunft ist aber eine ekstatische Zukunft, die mit dem Behalten oder Geweseem und Gegenwärtigem verbunden ist. Es ist eine Bewegung des Entwerfens, die ihre Einheit in der Einheit der Zeitlichkeit hat (mit der Endlichkeit zusammenhängt). Die Bewegung der Zeitlichkeit ist Zeitigung und hat Gestalt einer freien ekstatischen Schwingung92: Freier, weil die bindende Freiheit des Umwillen, ekstatischer, weil die zeitlichen Ekstasen (Gewärtigen, Behalten, Gegenwärtigen) ein einheitliches „Wohin“ ihrer Entrückung – einen einheitlichen Horizont von Möglichkeiten überhaupt – produzieren, dessen Name die Welt ist. Die Schwingung der Ekstasen führt also zu einem Überwurf in die Welt, die den Welteingang des Seienden ermöglicht. Die Welt ist dabei kein Seiendes, sondern sie zeitigt sich: Die Welt weltet und waltet (wir lassen sie welten und walten: wir sind auf sie als auf die Möglichkeit unseres Seinkönnens angewiesen). Es ist das endliche Dasein selbst, das als Zeitlichkeit in ihrer Zeitigung das Dasein in die Welt wirft (Entzug), die es entwirft (Überschwung). Das Dasein im Menschen ist die einheitliche Bewegung der Zeitigung, bzw. Schwingung, bzw. Nichtung. 92 GA 26, S. 268 ff. 34 1. Kapitel: Quelle und Methode Zeitigung ist innere Möglichkeit der Transzendenz. Diese Bewegung ist endlich. 1. 2. c) Grundstimmung des Philosophierens (GA 29/30) Wir haben gesehen, dass die Metaphysik als Philosophieren eine Aufgabe hat: Den Menschen ins Da-sein verwandeln. Sie kann das nicht einfach machen, sondern nur mit der Hilfe der Grundstimmung. Wir wissen schon, dass Stimmungen das Da-sein offenbaren . In GA 29/30 spielt Grundstimmung schon bewusst eine zentrale methodische Rolle für Möglichkeit des Philosophierens. Mehr als um Beschreibung der Seinsweisen des Daseins (wie in Sein und Zeit) geht es Heidegger um Bestimmung der Aufgabe der Philosophie als Metaphysik, die in der stimmungmäßigen Bewegungseinheit der Welt und des Menschen liegt. Die Analyse der Grundstimmung sowie die Analyse des LOGOS sollten uns vorbereiten für das Eingehen in das Geschehen des Waltens der Welt. Wir müssen lernen, auf den Zufall zu warten, der uns das „im Ganzen“zeigt, die Welt, die wir durch das Geschehen des Entwurfs bilden, aber die uns zugleich in diesem Geschehen durchwaltet93. Diese Welt ist ein Spielraum der Möglichkeiten, die durch sich selbst als Ermöglichung unserer Verwirklichung beschränkt ist. Der Spielraum bildet die Möglichkeiten nicht nur für Verhalten zum Seienden, sondern auch für aufweisende Funktion des LOGOS. Für diese Arbeit ist jetzt vor allem der methodische Weg zum „im Ganzen“ und zur Verwandlung über die Grundstimmung wichtig. Philosophieren heißt eine Grundstimmung zu wecken, die uns schon immer durchstimmt. Nicht einmal die Metaphysik verwandelt den Menschen, sondern bringt ihn „nur“ zur Empfänglichkeit für die für eigentliche Verwandlung notwendige Grundstimmung. Auch Philosophieren bewegt sich jedoch in der Grundstimmung, in der Grundstimmung des Heimwehs oder Schreckens. Die Philosophen sind nämlich nicht die Schon-Aufgeweckten oder Verwandelten, sie sind immer in der Gefahr und Unsicherheit, ob sie philosophieren oder nicht, sie sind immer „unterwegs“. Heidegger, der diesmal den Begriff der Welt sucht, verwendet methodisch eine Grundstimmung, die das „im Ganzen“ der Welt als 93 „Im Entwurf waltet die Welt“, GA29/30, S. 530 35 1. Kapitel: Quelle und Methode solcher erschließt und „einen wesentlichen Einblick in das Dasein des Menschen“94 ermöglicht. Dazu dient die Grundstimmung der tiefen Langeweile, die Heidegger mit der Grundstimmung des Philosophierens (Heimweh) aufgrund der alemannischen Etymologie der Langeweile vereinheitlicht95. Langeweile erschließt die Welt „im Ganzen“ und befragt damit zugleich das Dasein. Im Unterschied zu Sein und Zeit geht es jetzt um das Moment der Weltbildung96 im menschlichen Dasein. In Was ist Metaphysik? war schon die tiefe Langeweile für Enthüllung des Seienden „im Ganzen“ als geeignet erwähnt. Zugleich ist auch die geschichtliche Rolle dieser Stimmung mitthematisiert: Die Stimmung offenbart das Seiende selbst, Offenbarmachen ist ein Geschehen, das als Geschehen die Welt bildet (Welt als Handlung und als Bewegung: Welt waltet, Überantwortung als index der inneren Endlichkeit). Die Möglichkeit einer Grundstimmung ist durch Grundstimmung selbst entdeckt: die Zeitlichkeit und Geschichtlichkeit, Endlichkeit und Vereinzelung. Es gibt nicht nur die Grundstimmung des Philosophierens, sondern eine Grundstimmung. Das hängt mit dem Wesen der Stimmungen zusammen: Wir wählen nicht die Stimmung für das Philosophieren oder andere Handlungen, sondern die Stimmung kommt von selbst, überfällt uns, ist schon immer da als Wie unseres Miteinander-Daseins, sie be-stimmt unser Handeln und Fragen. Eine Grundstimmung zu wecken heißt nicht, sie bewusst zu machen, sondern warten, empfänglich zu sein, sie wach werden lassen, nicht ihr entgegen handeln. Es stellt sich die Frage, ob wir also passiv sein müssen, um eine Grundstimmung zu wecken. Heidegger betont, dass Stimmungen nicht in der Passivität-AktivitätUnterscheidung liegen, sondern im Wie des Da-seins. Das ist auch der Unterschied zwischen den Versuchen unsere heutige Lage als weltgeschichtliche Ortbestimmung (Diagnose und Prognose der Kultur) zu beschreiben und wie wir da sind – als ständig der Langeweile entgegenhandelnd. Wir suchen eine Rolle in 94 95 96 GA 29/30, S. 487 GA 29/30, S. 120 Vgl. Interpretation von Günter Figal: „ Die Analysen von Sein und Zeit berücksichtigen nur die Bewegtheit des Daseins in einer Welt, in der man eigentlich oder uneigentlich »da« sein konnte, ohne dass die Welt als solch e sich dadurch änderte. Demgegenüber geht es jetzt um die Möglichkeit »neuer Welten«, es geht darum, den Zeitcharakter der Welt anders als nur in der Orientierung an der Zeitlichkeit des Daseins, sofern so die Zeitlichkeit des In-der-Weltseins ist, zu denken. Jetzt kommt es Heidegger auf den Gedanken an ,dass aus der Zeit überhaupt die Welt neu entspringt.“ GÜNTER FIGAL (1992), S. 113 36 1. Kapitel: Quelle und Methode der Weltgeschichte, weil wir nicht uns selbst hören, weil wir vor der Langeweile fliehen. Es ist interessant, dass in diesem Text Heidegger nicht betont, dass die uneigentliche Weise des Existierens gleichwertig ist, sondern die Aufgabe der Philosophie für Verwandlung zur eigentlichen Seinsweise, obwohl es in seiner Analyse der Langeweile über alltägliches Dasein geht (d. h. von den oberflächlicheren Formen Langeweile zu der tiefe Langeweile). Langeweile als lange Zeit verweist auf Zeitlichkeit. Es ist also die Zeit, die unser Fragen be-stimmt und in Grundstimmung uns durchstimmt. Und Zeitlichkeit ist nichts anders als Endlichkeit. Die Absicht Heideggers ist jedoch nicht die Langeweile selbst zu beschreiben, sondern um Langeweile als Grundweise des Daseins, in der wir uns bewegen, ausweisen. Philosophieren kann uns die Möglichkeit einer Stimmung erklären, nicht aber Stimmung selbst. Das Fragen selbst, Fragen nach Durchstimmung durch Langeweile befreit das Wesen des Menschen. Langeweile offenbart nämlich die Bedrängnis zum Übernehmen unseres Da-seins, die sich gewöhnlich versagt. Das Wie des Fragens ist Langeweile, die zu der Zeitlichkeit führt. Die Analyse der Langeweile ermöglicht uns auch zu verstehen, worin die Not unserer heutigen Lage liegt: Es bleibt die Bedrängnis aus und wir handeln gegen Langeweile. Die Aufgabe der Philosophie ist dann dank der Analyse der Langeweile, das Warten auf die Langeweile zu erlernen, die dann zu der Übernahme des Da-seins führen kann. 1. 3. Zusammenfassung von 1. Kapitel Für meine Arbeit ist wichtig zu sehen, dass die ursprüngliche Methode und Thema sich mit der Entwicklung des Denkens Heideggers verschoben hat. Fundamentalontologie, die als vorläufige Analyse zu eigenem Fragen nach Sinn des Seins überhaupt führen sollte, hat sich in eine Metaphysik verwandelt, die zugleich als menschliches Grundgeschehen verstanden sei. Die Daseinsanalyse hat die Themen eröffnet, die für Heidegger wichtig geworden sind. In der Daseinsanalyse in Sein und Zeit wurde vor allem die Selbstheit durch Grundstimmungen entdeckt und betrachtet, in GA 26 und Texten Vom Wesen des Grundes und Was ist Metaphysik? dann die Bewegung der Transzendenz 37 1. Kapitel: Quelle und Methode (ontologische Differenz) hinsichtlich des Seienden im Ganzen, das sich in GA 29/30 als Weltanalyse97 erweist. Frage nach dem Sinn des Seins bleibt jedoch im Hintergrund und deswegen können wir immer über Ontologie sprechen. Die Stimmungen haben eine immer wichtigere methodische Rolle in der heideggerischen Philosophieren gespielt. In Sein und Zeit stellen sie den Zugang zur Einheit der Sorge, also zur Zeitlichkeit und Endlichkeit, dar. In Was ist Metaphysik? haben sie auch eine enthüllende Funktion für die ontologische Differenz, die die Bewegtheit des Daseins erklärt. Und schließlich in GA 29/30 haben sie ganz wesentliche philosophische Aufgabe bekommen. In den Stimmungen klingt nämlich Endlichkeit, wesentliche Negativität des Daseins, als Zeitlichkeit, die unser Da-sein durchstimmt, ob ausdrücklich oder unausdrücklich. Stimmungen können wir nicht selbst ausrufen, sie sind schon da. Wir als Philosophen können nur versuchen auf sie zu warten, empfindlich zu sein, nicht ihnen entgegenhandeln. Dann erscheint uns vielleicht in einem Augenblick die ganze bewegliche Struktur des Daseins – Welt und Nichtung, Sein und Seiende, Selbstheit, Freiheit und Verbindlichkeit -, um doch wieder vergessen zu werden. Es wird immer wieder stärkere die Betonung Heideggers auf das Geschehen des Daseins und auf die „Aufgabe“. Die Endlichkeit, die uns durchstimmt, durchwaltet als Welt – Welt und Zeit sind endlich. 97 Günter Figal weist darauf hin, dass dabei die Jemeinigkeit des Daseins nicht mehr betont ist, sondern die Neutralität des Daseins, die die Gemeinsamkeit der Welt beim Weltbilden wichtigere Rolle spielt. GÜNTER FIGAL (1992), S. 115-117 38 2. Kapitel: Struktur der Stimmungen 2. Kapitel: Struktur der Stimmungen In diesem Kapitel möchte ich die Struktur der Stimmungen behandeln. Es soll gezeigt werden, wie konkret die Analyse der Stimmungen durchgeführt wird und welche Momente sie hat. Heidegger thematisiert Stimmungen vor allem in Sein und Zeit und in der GA 29/30. Deswegen möchte ich auch dieses Kapitel in zwei Teile gliedern: 2.1. Sein und Zeit (Furcht und Angst), 2.2. GA 29/30 (Langeweile). Heidegger arbeitet vor allem mit zwei Grundstimmungen – Angst und tiefe Langeweile – und zwar auch in seinen anderen Texten. Wo es für das Verständnis notwendig sein wird, weise ich auch auf diese anderen Texte hin. Stimmungen eröffnen den Weg zu ihrem Grund selbst, der in der Zeitlichkeit liegt und der wesentlich für Selbstverständnis des Daseins ist. 2.1. Sein und Zeit: Furcht und Angst Die methodische Seite von Stimmungen in Sein und Zeit wurde im vorigen Kapitel beschrieben. Jetzt komme ich zu den einzelnen Momenten und Bezeichnungen der Stimmungen, die ich jedoch im Zusammenhang mit der Systematik und mit dem Ziel des ganzen Texts Heideggers erkläre, d. h. mit dem Aspekt der In-Sein-Struktur und des Ganzseinkönnens der Sorge (2.1. a) und mit dem Aspekt der Zeitlichkeit (2.1. b). 2. 1. a) Befindlichkeit Wenn Heidegger den § 29. in Sein und Zeit mit den Worten beginnt, dass Befindlichkeit, bzw. ihre ontische Gestalt – Stimmung – als ein fundamentales Existenzial betrachtet werden muss, ist damit gemeint, dass Stimmung zu den wesentlichen Zügen des Daseins gehört. Stimmung ist eine primäre Seinsweise des Daseins als Geworfensein – das Dasein befindet sich so und so, es ist immer irgendwie in der Welt. Stimmungen in der Einheit mit Verstehen und Rede 39 2. Kapitel: Struktur der Stimmungen nämlich erschließen (oder verschließen) unsere Möglichkeiten, sie erschließen unser Leben als Ganzes, als unser ganzes Geschehen in der Welt. Dank der Stimmungen verstehen wir diese Möglichkeiten und zwar gerade als unsere Möglichkeiten – wir erfahren unthematisch in Stimmungen, dass wir sind und zu sein haben (das nennt Heidegger Faktizität). Wenn wir uns mit Befindlichkeit beschäftigen möchten, müssen wir also nicht nur Befindlichkeit, sondern auch Verstehen und Rede als konstitutive Momente der Erschlossenheit des Daseins behandeln, weil sie alle gleichursprünglich und verbunden sind. Stimmung stimmt das Verstehen durch und die Rede artikuliert die Bedeutsamkeit des Seienden in der Welt aus dem gestimmten Verstehen98. Deswegen möchte ich nicht nur Befindlichkeit, sondern auch Verstehen und Rede hinsichtlich der Stimmungen begreifen. Stimmungen, Verstehen und Rede hängen mit dem „In-Sein“ des In-der-Weltseins zusammen – das „In-Sein“ nicht im Sinne einer räumlichen Bestimmung verstanden, sondern das „In“ als Welt, wo etwas uns berühren, begegnen, d. h. stimmungmäßig betreffen kann99. „Etwas“ - das Seiende – kann nur innerhalb der Welt berühren und die Welt ist dem befindlich gestimmten Dasein erschlossen und durch es erschlossen100. Die ursprüngliche Erschlossenheit der Welt setzt Befindlichkeit voraus und Stimmung ist die Weise der Erschlossenheit unserer Befindlichkeit. Stimmungen bringen das Dasein zu seinem „Da“, sie sind das „Situiertsein“101 des Daseins. Damit ist jedoch der Zugang des Daseins zum Seienden als Innerweltlichem gemeint, zu einer innerweltlichen „Situation“. Stimmungen sind mannigfaltig und damit ist auch Weltlichkeit mannigfaltig, d. h. das Zuhandene102 ändert sich mit Stimmungen, mit Befindlichkeit des 'In-der-Welt-seins'. Damit sind wir zum zweiten Moment gekommen, zum Verstehen. Die Welt ist 98 99 100 101 102 „Jedes Verstehen hat seine Stimmung. Jede Befindlichkeit ist verstehend. Das befindliche Verstehen hat den Charakter des Verfallens. Das verfallend gestimmte Verstehen artikuliert sich bezüglich seiner Verständlichkeit in der Rede“, SZ, S. 444 SZ, § 12. Die Berührung setzt eine „Welthabe“ voraus – ohne das durch Stimmungen welterschlossene und welterschließende Dasein gibt es kein Seiendes und keine Welt: Das bedeutet eine erschließende Aufgewiesenheit des Daseins auf die Welt Nicht räumlich verstanden: Das Da-sein als In-der-Welt-sein erst die Räumlichkeit erschließt (SZ,§ 12.,§ 22.-24., § 28.) Das Zuhandene in seiner spezifischen Weltlichkeit (SZ, S. 184) 40 2. Kapitel: Struktur der Stimmungen nämlich als Bedeutsamkeit erschlossen – wir verstehen befindlich das Worumwillen unseres In-der-Welt-seins. Wir sind „da“, um... . Die Welt (das Da) ist erschlossen, um zu sein, weil wir zu sein haben. Das Verstehen ist Verstehen unseres Seinkönnens, es ist ein Entwurf. Das Verstehen bedeutet das Sein des Sein-könnens im Sinne der Möglichkeiten des Daseins, was es mit dem innerweltlichen Seienden machen kann: Das Seiende ist hinsichtlich seiner Möglichkeiten freigegeben. Deswegen ist Möglichkeit nicht etwas, das sein kann, sondern was ist. Das Verstehen konstituiert, so wie die gestimmte Befindlichkeit, ursprünglich das „Da“ unseres Seins – das Dasein versteht sich „zunächst und zumeist“ aus seiner Welt, die durch Stimmungen erschlossen ist. Das Verstehen ist befindlich und Stimmungen erschließen das jeweilige Verständnis. Das bringt uns zum dritten Moment, weil Rede die Artikulation der befindlichen Verständlichkeit des Da (des Bedeutungsganzen) ist. Rede redet das Beredete (das Worüber der Rede) an, sie spricht sich aus (in der Mitteilung; das im Mitsein Geredete) und die Art des Sprechens zeigt die Befindlichkeit (die Bekundung der Befindlichkeit). Rede ist nicht nur das ontologische Fundament der Sprache, sondern zu ihren Möglichkeiten gehören auch Schweigen und Hören – beide geben etwas zum Verstehen, beide sind erschlossen dazu, etwas Verständliches zu hören (das, was wir hören, etwas bedeutet). Rede gliedert das Sein in mannigfaltige Seinsweisen, ohne die Einheit des In-der-Welt-seins zu brechen. Alle drei Momente des In-seins sind einheitlich im Begriff der Sorge, weil es unserer Existenz um ihr Sein (in der Welt) geht, wozu Befindlichkeit, Verstehen und Rede dienen. Ihre Einheit entdeckt gerade Stimmung. Kann jede Stimmung diese Einheit entdecken und wie kann sie die Einheit entdecken? Bis jetzt haben wir theoretisch über Befindlichkeit und ihre Stelle in der Struktur des Daseins als In-der-Welt-seins gesprochen. Was können wir jedoch konkret unter Stimmungen vorstellen? Wie treffen, erleben und bearbeiten wir Stimmungen in der Welt? Wie gesagt, das Dasein ist immer schon gestimmt, auch wenn wir „keine Laune“ haben. Gerade „keine Laune“ der Alltäglichkeit ist die Grundgestimmtheit103, in deren Grenzen sich bestimmte Stimmungen bewegen. 103 Grundgestimmtheit darf man nicht mit Grundstimmung verwechseln. Im ersten Fall handelt sich um die alltägliche „Ungestimmtheit“ oder „Verstimmung“ als Stimmung, in der sich der 41 2. Kapitel: Struktur der Stimmungen Diese alltägliche Gestimmtheit zeigt sich im Vergleich mit Stimmungen, welche die Grenze der alltäglichen Situation überschreiten – etwas ist anders als „normalerweise“. Heidegger unterscheidet dabei oberflächlichere von tieferen Stimmungen. Die oberflächlicheren Stimmungen halten das Dasein im Verfallen an die Welt, sie zeigen aber auch schon, dass etwas „stimmt“ oder „nicht stimmt“ im Vergleich mit dem „Normalerweise“ (das bezieht sich auf unser Verständnis). Die tieferen Stimmungen, bzw. Grundbefindlichkeiten sind methodisch wichtiger, weil sie die Struktur unseres Verständnisses nicht nur entdecken, sondern als fraglich104 entdecken, und damit zeigen sie unser Sein in seinem „Da“ als ursprüngliche Erschlossenheit. Meistens ist dieses „Da“ unseres Seins unthematisch (gerade in oberflächlicheren Stimmungen) und Stimmungen stellen die Abkehr des Daseins weg von sich selbst dar – wir sorgen uns um uns und zerstreuen damit unseren Charakter des 'In-der-Welt-seins' in der alltäglichen Abkehr zum Besorgten. Diese Abkehr ist auch eine Erschlossenheit unseres „Da“ – wir sind da, in der Welt, wir befinden uns da, aber in der Weise der Flucht des Daseins vor sich selbst, vor seiner Geworfenheit. In Befindlichkeit ist unser „Da“ erschlossen, aber zugleich verschlossen. Der Fluchtcharakter der Stimmungen wird aber nur dann als Flucht erkannt, wenn wir eine tiefere Stimmung erlebt haben, sonst bleibt er verdeckt, vergessen. Die tieferen Stimmungen stellen einen Bruch in der Alltäglichkeit dar, der einen Zugang zum „Da“ ermöglicht, aber zugleich sind sie „nur“ die extremen Ausschläge105 der alltäglichen Grundgestimmtheit. Eine solche tiefe Stimmung, bzw. Grundbefindlichkeit ist die Angst. Heidegger unterscheidet dabei die Furcht von der Angst, um zu zeigen, worin der Unterschied zwischen oberflächlicheren und tieferen Stimmungen konkret besteht. An diesem Beispiel können wir den doppelten Charakter der Stimmungen sehen, nämlich: das „Da“ des Daseins zu erkennen und vor ihm zu fliehen. 104 105 Lastcharakter des Daseins offenbart (SZ, S.179). In dem zweiten Fall geht es um eine Stimmung, die den Grund des Daseins offenbart. Fraglichkeit ist für Boris Ferreira der entscheidende Punkt seiner Interpretation der Bedeutung von Stimmungen, bzw. von tieferen Stimmungen; BORIS FERREIRA (2002) Diesen Begriff verwendet Heidegger erst in GA 29/30 im Sinne der Stimmungen, die uns ausdrücklich als Stimmungen überfallen (gegenüber der alltäglichen Ungestimmtheit). GA 29/30, S. 102 42 2. Kapitel: Struktur der Stimmungen Die Furcht106 ist „nur“ eine oberflächlichere Stimmung, weil sie „intentional“ ist – wir fürchten uns vor etwas, das aus dieser Welt kommt (das Innerweltliche) und was sich als erschlossene Möglichkeit nähert. Das Fürchten erschließt die Welt als das, woraus etwas Furchtbares kommt. Aber zugleich ist zu sehen, dass wir es sind, die sich fürchten, d. h. das Dasein fürchtet um sein Sein und es kehrt sich in der Flucht vor sich selbst zum Innerweltlichen (zum Furchtbaren) ab. Diese Flucht vor sich selbst bleibt aber, wie gesagt, unthematisch – deswegen ist die Furcht „nur“ eine oberflächlichere Stimmung. Die Angst107 ist dagegen Angst vor Unbestimmtem – die Welt ist „da“ unbedeutsam, wir haben Angst vor dem In-der-Welt-sein selbst, weil wir nicht verstehen, woher die Angst kommt. Sie ist „da“ und doch „nirgends“ – das ist die Welt als solche, als „im Ganzen“ und zugleich als „Nichts“108, die Welt in ihrer Weltlichkeit, wovor wir uns ängstigen; die Welt als solche, d. h. ohne Bedeutung für uns, weil Bedeutung mit Zuhandenem verbunden ist und die Welt ist die Möglichkeit des Zuhandenen. Die Angst ermöglicht nicht die Weltlichkeit zu begreifen, aber sie erschließt sie. In der Angst erfahren wir die Unmöglichkeit unseres Verstehens aus der Welt109. Diese Erfahrung der Unmöglichkeit des Verstehens ist Erfahrung der Endlichkeit des Verständnisses – unsere Endlichkeit bedeutet primär nicht, dass wir sterblich sind, sondern dass unser Verständnis als fraglich erscheint110. Die zwei Weisen des Seins – eigentliche und uneigentliche Existenz - sind aber gleichursprünglich. Man darf das nicht meinen, dass das Dasein erst mit der Entdeckung der eigentlichen Existenz „wirklich“ da ist. Allerdings kommt erst mit einer tiefen Stimmung die Aneignung der Fraglichkeit unseres Verständnisses, die Aneignung seiner Endlichkeit. Jetzt stellt sich die Frage, wie das Dasein die Unverständlichkeit seines 106 107 108 109 110 SZ, § 30. SZ, § 40. Vgl. die Nichtung des Nichts, das in der Angst zugänglich ist, Was ist Metaphysik? Wir entdecken, dass Verstehen uneigentlich und eigentlich sein kann: Das uneigentliche versagt sich, das eigentliche zeigt sich in seiner Fraglichkeit als Vorlaufen zum Tode in der Angst. Günter Figal interpretiert diese „Endlichkeit des Verständnisses“ als Erfahrung der Unbestimmtheit. Jeder weis, dass er stirbt, aber die Erfahrung darüber ist auf sich selbst nicht übertragbar. Tod ist also Möglichkeit, welche die volle Unbestimmtheit darstellt, die wir mit einem bestimmten Handeln zu beantworten versuchen, obwohl es immer nur eine Antwort ist. „Im alltäglichen Dasein geht es nicht nur unter anderem, sondern wesentlich um dieses Zusammenspiel von Frage und Antwort.“ GÜNTER FIGAL (1992), S. 89 43 2. Kapitel: Struktur der Stimmungen Seinkönnens entdeckt. Die Antwort lautet: dank der in Angst beinhalteten Vereinzelung. Was bedeutet sie? Vereinzelung heißt, dass das Dasein für die Möglichkeit der Eigentlichkeit des Seins des Daseins frei ist. Mein Seinkönnen zeigt sich als unverständlich – ich bin zwar umwillen meiner selbst Seiender aber ohne Entwurf, weil ich mich nicht aus der Welt und dem Innerweltlichen verstehen kann (gewöhnlich - in der Alltäglichkeit - hat das Verstehen nämlich den Charakter des Verfallens, d. h. es ist entwerfend zu einem Seinkönnen, worumwillen je das Dasein existiert, aber meistens im Sinne der Abkehr zu Innerweltlichem, von dem aus wir uns verstehen). Die alltägliche Grundgestimmtheit, die mir das Zuhause in seiner Vertrautheit gewährt, wird plötzlich nur zu einer Möglichkeit, weil ich in der Angst gerade un-zuhause bin (die andere Möglichkeit erscheint als Versagen der Alltäglichkeit, als Übergang zu der eigentlichen Existenz). Warum vereinzelt die Angst? Ich verstehe die Welt nicht mehr und sehe plötzlich, dass die Angst aus mir selbst kommt – ich ängstige mich um mein Seinkönnen als solches. Das Seinkönnen als solches ist nämlich aus dem Vorlaufen des Verstehens zum letzten Seinkönnen verstanden. Der eigene Tod, mein Tod als Möglichkeit der Unmöglichkeit des „Verhaltens zu...“ ist das letzte Seinkönnen von dem aus alles konkrete Seinkönnen in der Welt verstanden sind. Das Dasein ist das Sein zum Tode. Ich habe nicht Angst vor dem Tod, aber aus dem Tod ist ausdrücklich die Jemeinigkeit des Daseins zugänglich und zugleich die Negtivität (Endlichkeit) thematisch. Wir ängstigen uns vor der Möglichkeit der Unmöglichkeit des Seinkönnens. Mir enthüllt sich in der Angst die Wahl selbst zu sein, mit der ich meine Endlichkeit, die das In-der-Welt-sein darstellt, wähle. Das In-der-Welt-sein ist ein Ganzes im doppelten Sinne: (1) das Vorlaufen zum Tode bringt vor die Möglichkeit eigene Endlichkeit zu entdecken, die zugleich (2) Grund des Verfallens an die Welt ist. Wir sind da, um zu sein zu haben. Wir können nur in der Welt sein. Damit haben wir jedoch für immer einige Möglichkeiten, die wir entwerfen, vernichtet. Die Welt kommt aus unserem nichtenden Da-sein111. Wie kann das an die Welt verfallene Dasein zu sich selbst kommen? Es ist angerufen: durch Gewissen ruft die in Angst gestimmte Sorge zum eigentlichen 111 Vgl. Was ist Metaphysik? 44 2. Kapitel: Struktur der Stimmungen Seinkönnen. Der Ruf des Gewissens ist Rede im Modus des Schweigens. Der Rufer ist zugleich der Hörer112, das uneigentliche Man ist zu seinem Selbst-seinkönnen gerufen. Wenn ich diesen Ruf verstehe, bin ich vorbereitet für Angst, für Freiheit und Verantwortung, für eigentliches Handeln in Situationen. Die Entschlossenheit für das Hören ist immer eine vorlaufende Entschlossenheit, in der ich durch das Vorlaufen zum Tod vereinzelt bin (Ich entschließe mich). Mit der Möglichkeit zu sich selbst kommen ist die eigentliche Zeitlichkeit verbunden. Sie hat sich enthüllt, wenn Heidegger nach der Einheit der Sorge durch Angst fragt. Die Einheit der Sorge hat ihren Sinn in der eigentlichen Zeitlichkeit, die ekstatisch ist, d. h. sie immer alle drei zeitlichen Dimensionen verknüpft: Die eigentliche Situation ist etwas Gegenwärtiges, sie ist der Augenblick, der aber aus dem vorlaufenden Verstehen (Zukunft) und aus der vereinzelnden Grundstimmung (Geworfenheit, Gewesenheit) entspringt. Damit sind wir das Thema der Zeitlichkeit erlangen. 2. 1. b) Befindlichkeit und Zeitlichkeit113 Die Angst hat die Ganzheit der Sorge enthüllt. Diese Ganzheit liegt im verstehenden Vorlaufen zum Tode, das in der Angst schweigend das Dasein zu sich selbst ruft. Das Verstehen als Verstehen der Möglichkeit (Entwurf) ist primär mit der Zukunft verbunden. Die Befindlichkeit bringt dagegen das Dasein vor sein Dass, also vor seine Geworfenheit, d. h. Befindlichkeit ist primär die Gewesenheit (Befindlichkeit zeigt einen Modus der Gewesenheit). Das Verfallen ist dann mit der Gegenwart primär verbunden. Damit ist nicht gemeint, dass das eine nur die Zukunft ist, das andere nur die Gewesenheit und das dritte nur die Gegenwart, sondern dass das eine die Gegenwart und Gewesenheit durch die Zukunft modifiziert, das andere die Zukunft und die Gegenwart durch die Gewesenheit modifiziert und das dritte die Gewesenheit und Zukunft durch die Gegenwart modifiziert. Sorge ist in ihrer Struktur zeitlich. Als Geschehen des Daseins ist sie 112 113 Vgl. Interpretation von BYUNG-CHUL HAN: Heideggers Herz. Zum Begriff der Stimmung bei Martin Heidegger, Fink, München 1996, S. 48 SZ, § 68. 45 2. Kapitel: Struktur der Stimmungen das „Je-schon-vor-einer-Zukunft-sein“. Diese einheitliche (ekstatische) Zeitlichkeit ist also Sinn der Sorge und ermöglicht sowohl ihre Momente, als auch ihre Einheit. Obwohl Heidegger beginnt die Analyse der Erschlossenheit diesmal vom Verstehen114 her, aber dank des ekstatischen Charakters der Zeitlichkeit sind alle zeitliche Dimensionen auf einmal verbunden. In unserem Fragen nach dem Wesen der Stimmungen können wir also zuerst die Stimmungen betrachten, obwohl wir sie wieder in Zusammenhang mit weiteren Momenten der Sorge bringen sollen. Wie zeitigen sich also Stimmungen und was sagen sie über Zeitlichkeit aus? Die Stimmungen bringen das Dasein auf die Gewesenheit (auf seine Geworfenheit) zurück. Die Gewesenheit ist schon da, d. h. die Zeitlichkeit in der Tat ermöglicht Stimmungen. Deswegen ist es wichtig, auch die Zeitlichkeit der Stimmungen jetzt zu behandeln. Ähnlich, wie Furcht und Angst einen uneigentlichen bzw. eigentlichen Modus der Befindlichkeit darstellen, hat auch ihre Zeitlichkeit einen uneigentlichen und eigentlichen Modus115. An dem Beispiel dieser Stimmungen kann dank des ekstatischen Charakters der Zeitlichkeit gezeigt werden, welche Struktur eine eigentliche und eine uneigentliche Zeitlichkeit hat. Die Furcht fürchtet sich vor etwas, worauf sie wartet – die Furcht hat die Gestalt der uneigentlichen Zeitlichkeit des „Gewärtigen“. „Gewärtigen“ fürchtet um etwas, nämlich um das Seinkönnen, das aber „vergessen“ ist. Geweseheit, die das Furchtbare als Furchtbares erschließt, ist vergessen und es sieht so aus, dass das Gewärtigen primär ist. Das sich fürchtende Besorgen kann jedoch in der Furcht keine bestimmte Möglichkeit ergreifen und ist verworren. Das verwirrte Gegenwärtigen nimmt das Zuhandene ohne Sinn. Die Gewesenheit der Furcht, die im Vergessen seiner selbst liegt, modifiziert also die Gegenwart und Zukunft als Gegenwärtige und Gewärtigen. Die Angst ist auch Angst vor und um etwas. Im Unterschied zur Furcht sind aber Wovor und Worum dasselbe – nämlich das Dasein selbst als In-der-Welt-sein. Die Welt hat ihre Bedeutung verloren, das Seiende sagt uns nichts und doch 114 115 Heidegger will die Hauptrolle des Vorlaufens zum Tode also Zeitigung des Daseins primär aus der Zukunft betonen. SZ, § 68. 46 2. Kapitel: Struktur der Stimmungen müssen wir ihm in seiner Leere begegnen. Die Angst ist nicht Gewärtigen, weil das, wovor wir uns ängstigen, schon da ist – nämlich das In-der-Welt-sein selbst, das Da des Seins. Es ist unmöglich sich zu besorgen, sich zu entwerfen. Mit dieser Unmöglichkeit entsteht dann die Möglichkeit des eigentlichen Seinkönnens (wie schon oben gesagt wurde). Die Gewesenheit hat hier nicht die Gestalt einer Erinnerung, sondern der Möglichkeit der Wiederholbarkeit der Geworfenheit: Aus dem zukünftigen Seinkönnen kommt das Seinkönnen auf das geworfene Da zurück – damit ist ein Entschluss, der für eigentliche Zeitlichkeit des Verstehens wichtig ist, möglich als Möglichkeit des Sprunges. Die eigentliche Gegenwart ist ein Halten dieser Möglichkeit in Bereitschaft (in der eigentlichen Zeitlichkeit des Verstehens wird diese Bereitschaft zum Augenblick). Der Entschluss ist schon Sache des Verstehens (der Entschlossene versteht die mögliche Angst), das sich eigentlich aus der Zukunft als Vorlaufen zum Tode zeitigt. Das Verstehen ist aber schon befindlich und wenn es durch die Stimmung der Angst gestimmt ist, zeitigt es sich aus dem Vorlaufen so, dass es das Dasein wieder und doch neu zu seinem eigensten Seinkönnen bringt. Vorlaufen – Augenblick – Wiederholung: Hier ist gut die ekstatische Verknüpfung des Zeitigens der Befindlichkeit und des Verstehens zu sehen. Wenn das Verstehen sich aber von der Stimmung der Furcht zeitigt, dann versteht das Dasein sein Seinkönnen aus dem besorgbaren Seienden und vergisst sein eigenstes geworfenes Seinkönnen: Jetzt stehen wir vor der uneigentlichen ekstatischen Zeitlichkeit: Gewärtigen – Gegenwärtiges – Vergessen116. Das Vergessen und die Wiederholung117 sind die Zeitigungen der Stimmungen, in denen sich zwei Möglichkeiten der Existenz – eigentliche und uneigentliche – erscheinen. Die eigentliche Zeitlichkeit ist endlich, weil gerade das Vorlaufen zum Tode den Entwurfspielraum definiert. Die eigentliche Zeitlichkeit zeitigt sich also primär aus der Zukunft, die uneigentliche aus der Gegenwart, die den Zukunftscharakter der eigentlichen Zeitlichkeit verdeckt. Die eigentliche (endliche) Zeitlichkeit ist die ursprüngliche Zeitlichkeit und der Grund der uneigentlichen, weil sie die 116 117 Diese uneigentliche Zeitigung gilt auch für das Sorge-Moment des Verfallens und zwar in Form eines ungehaltenen Gewärtigen – zerstreuten Unverweilen / Aufenthaltlosigkeit / entspringenden Gegenwärtigen – Vergessen. Die Zeitlichkeit ist auch der Grund der Geschichtlichkeit, die wieder eigentliche (als vorlaufend-wiederholender Augenblick) oder uneigentliche (als Gegenwärtigung des „Heute“, Vergessen des Alten) sein kann. Vgl. 1. Kapitel 47 2. Kapitel: Struktur der Stimmungen Möglichkeit des Begegnens mit dem Seiendem aus sich selbst schafft (im Augenblick), während in der uneigentlichen Zeitlichkeit das Man das besorgte Seiende vergegenwärtigt, von dem her es seine Möglichkeiten versteht. 2. 1. c) Zusammenfassung Die Analyse der konkreten Stimmungen, Angst und Furcht, hat uns bewiesen, dass sie nicht nur eine wichtige methodische Rolle spielen, sondern auch, welches Wesen sie haben, dass sie diese Rolle überhaupt spielen können. Befindlichkeit, bzw. Stimmung ist das „In-Sein“ des In-der-Welt-seins (sie konstituiert die Erschlossenheit, bzw. Verschlossenheit des Daseins), sie stellt das Moment der Faktizität in der Sorge dar und in der Zeitlichkeit bringt sie das Dasein zu seiner Geworfenheit (Gewesenheit). Natürlich alle diese Funktionen der Stimmung können nicht ohne andere Momente des Daseins sein, weil sie nur in der Einheit verständlich ist. Das Dasein ist immer schon gestimmt, weil es immer schon in der Welt ist. Das In-Sein der Befindlichkeit enthält jedoch eine Hierarchie innerhalb des „Immer-gestimmt-seins“ (Ungestimmtheit): Es gibt oberflächlichere und tiefere Stimmungen. Stimmungen sind die Weise, wie wir uns zu unserem Sein schon immer verhalten: Entweder uneigentlich, d. h. im ursprünglichen Verfallen (eine oberflächlichere die Eigentlichkeit verschließende Stimmung als Abkehr von Selbstsein und Zugang zu innerweltlich Seiendem), oder eigentlich, d. h. im Entschließen zum Selbstseinkönnen (tiefere Stimmung als Zugang, als Bereitschaft zum Selbstsein). Die Grundstimmungen (die tiefere Stimmungen) haben dabei in der ganzen Daseinsanalyse die Funktion, das Dasein zu seinem eigentlichen Seinkönnen zu bringen und die Selbstheit zu betonen118. Stimmungen haben sich als das „Wie“ des In-der-Welt-seins gezeigt und als solche gehören sie zur Bewegung zwischen eigentlichen und uneigentlichen Weisen des Daseins. „Die Stimmung kommt weder von Außen noch von Innen, sondern ist die Weise, wie die Entgrenzung, der Mensch selbst als Dasein, zur Welt gehört als deren 118 BYUNG-CHUL HAN (1996), S. 104 48 2. Kapitel: Struktur der Stimmungen Offenheit119“. Was die Zeitlichkeit angeht, die sich als Sinn der Sorge erwiesen hat, hat sie auch einen eigentlichen und uneigentlichen Modus, wobei der eigentliche der ursprüngliche ist. Die Stimmungen sind nur auf Grund der Zeitlichkeit möglich. Eigentliche und uneigentliche Zeitlichkeit der Stimmungen (Wiederholung und Vergessen) spiegeln den Charakter der Stimmungen: Erschließen (Wiederholung) und Verschließen (Vergessen), Zugang und Abkehr. 2. 2. GA 29/30: Langeweile Es wurde im vorigen Kapitel erklärt, Langeweile soll als Stimmung des Philosophierens geweckt werden. Heidegger beschreibt nicht die Weckung selbst, aber er geht Schicht für Schicht tiefer in die Langeweile, bis der Grund der Langeweile durch Langeweile selbst enthüllt wird: die eigentliche Zeitlichkeit. Damit ist noch nicht die Langeweile geweckt. Ihre Analyse soll jedoch dazu dienen, das Sein des Menschen, sein Geschehen, das eigentlich Zeitlichkeit ist, zum Fragen vorzubereiten. In diesem Kapitel möchte ich die Analyse der Langeweile (2.2. a) und ihre Zeitlichkeit (2.2. b) verfolgen. Wie früher bleibt auch jetzt im Hintergrund die Endlichkeit des Menschen, obwohl sie im Teil zur Analyse der Langeweile in GA 29/30 nicht ausdrücklich im Spiel ist. Eine Verweis darauf kann man vielleicht in der Bemerkung über eine „tödliche Langeweile“120 sehen. Zeitlichkeit ist diesmal von der Seite der Welt als des sich versagenden leeren „im Ganzen“ her durchgeführt und als Geschehen der Zeit im Dasein thematisiert. Methodisch ist Heidegger nicht wichtig zu untersuchen, was Langeweile selbst ist, sondern er fragt nach der Langeweile im Sinne einer Situation. Diese Situation ist langweilig. Was das heißt, muss in die einzelnen Aspekten zergliedert und nach ihrer inneren Einheit gesucht werden. 119 120 PAOLA LUDOVIKA CORIANDO: Affektenlehre und Phänomenologie der Stimmungen, Philosophische Abhandlungen, Bd. 85, Vittorio Klostermann, Frankfurt a. M., 2002, S. 135 GA 29/30, S. 145, S. 162 49 2. Kapitel: Struktur der Stimmungen 2. 2. a) Drei Schichten der Langeweile: Gelangweiltwerden von..., Sichlangweilen bei..., tiefe Langeweile Heidegger geht also wieder von der alltäglichen Erfahrung mit der Langeweile aus. Es reicht nicht eine langweilige Situation nur zu beobachten, sondern sie so zu beobachten, wie wir uns in ihr bewegen. Als Leitfaden für phänomenologische Ausweisung verwendet er die Zusammengehörigkeit der Langeweile und des Zeitvertreibes. Diese Zusammengehörigkeit hat einen tieferen Grund, dem wir jetzt dank dieses Leitfadens folgen werden und uns in die Tiefe der Langeweile begeben. Es gibt drei Schichten der Langeweile: Gelangweiltwerden von..., Sichlangweilen bei..., und tiefe Langeweile. Wenn wir uns in einer langweiligen Situation – Heidegger verwendet das Beispiel des Wartens auf den Zug am Bahnhof – befinden, erkennen wir sie dank unserer Neigung sich gegen sie zu wenden, sie zu vertreiben. Langeweile und Zeitvertreib gehören zueinander und auch zu der langweiligen Situation. Diese Situation hat zeitliche Grenzen. Unser Zug fährt in vier Stunden. Was können wir mit den vier Stunden machen? Wir bemerken, dass die Zeit langsam läuft – wir sehen immer wieder auf die Uhr. In dem alltäglichen Besorgen nehmen wir die Zeit fast nicht wahr, wir „vergessen“ die Zeit: Wir sind beim und inmitten des Seienden in unserer alltäglichen Beschäftigung. Wenn wir aber gelangweilt sind, dann betrifft uns die Zeit, bedrängt uns und wir wollen durch Zeitvertreib dieses Zaudern und Zögern der Zeit überwinden. Wir bewegen uns in einer „flatternden Unruhe“121 - wir wollen die Zeit ausfüllen, es geht aber nicht. Die Langeweile hält uns in dem zu langsamen Gang der Zeit hin. Es ist nicht die Zeit des Umgangs mit den Dingen, sondern eine Zwischenzeit, aus der wir weg wollen. Wenn wir hingehalten werden, lassen uns die Dinge leer: In der Langeweile sind die Dinge so, dass sie keine Beschäftigungsmöglichkeiten bieten. Sie zeigen nur die Zeit als solche und das Beschäftigt-sein-wollen. Die Dinge versagen sich und doch sind wir in dieser leeren Umgebung hingehalten. Das weist auf die Macht der Zeit hin. Die Dinge haben ihre bestimmte Zeit, die wir in Langweile nicht antreffen. Langeweile scheint sehr geeignet für Enthüllung der Zeit zu sein. Obwohl die Zeit evident eine wichtige Rolle spielt, wissen wir über ihr Wesen noch nichts – es 121 GA 29/30, S. 141 50 2. Kapitel: Struktur der Stimmungen ist die bedrängende Zeit, die wir ausfüllen wollen, aber nicht können. Die Analyse der Langeweile sollte uns zum Wesen der Zeit bringen und nicht umgekehrt. Aus dem ersten Moment der Langweile haben wir also Hingehaltenheit der zögernden Zeit und Leergelassenheit der Dinge gewonnen. Wie diese Momente wesentlich sind und worin ihre Einheit liegt – das muss jetzt durch den zweiten Schritt der Analyse gezeigt werden. Bis jetzt handelte es sich um das Gelangweiltwerden von etwas in einer bestimmten zeitlich begrenzten Situation, die von außen und unerwartet kommt. Obwohl wir einen Zeitvertreib suchen, hält uns die langsame Zeit in der Langeweile hin. Die langweilige Situation entleert die Dinge, die uns dann nichts zum Besorgen bieten. In dieser langweiligen Situation können wir ganz genau sagen, was uns langweilt. Der Spielraum der Langeweile ist durch seine Eindeutigkeit und durch unser Festgesaugtwerden an die Situation bestimmt. Es gibt jedoch auch andere Langeweile, die, Heideggers Meinung nach, eine tiefere Schicht der Langeweile darstellt: Sichlangweilen bei etwas, z. B. bei einem gesellschaftlichen Empfang. Es handelt sich auch um eine Situation, deren Umstände sind jedoch andere. Für diese Situation haben wir uns nämlich die Zeit genommen. Wir sind „beschäftigt“ mit der Gesellschaft und doch sagen wir danach, dass wir uns gelangweilt haben. Heidegger beginnt also erneut wieder mit Hilfe des Leitfadens des Zeitvertreibes diese andere Art der Langeweile zu betrachten. Auf den ersten Blick gibt es keinen Zeitvertreib, weil auch die Situation nicht langweilig aussieht. Es fehlt die Unruhe und Bedrängnis der Zeit, weil wir selbst die Zeit für diese Situation genommen haben. Für diese Situation ist also typisch ganz umgekehrt eine Unbestimmtheit und unsere Lässigkeit: Wir wissen nicht, was uns langweilt122. Das, was wir aus der Analyse des „Gelangweiltwerdens von...“ gewonnen haben, können wir nicht für diesen Fall der Langeweile verwenden. Heidegger beginnt also am Anfang: Wo ist Zeitvertreib zu suchen? Zeitvertreib ist unauffällig, weil er sich nicht ausdrücklich gegen etwas wendet. Diese Situation selbst ist der Zeitvertreib, bei dem wir uns doch langweilen. Wir sind auf dem Empfang, wir sind dabei, wir unterhalten uns, weil wir Zeit dafür haben. Wir suchen keine Beschäftigung und wir überlassen 122 Wanken des Verständnisses, Vgl. B. FERREIRA (2002), S. 220 51 2. Kapitel: Struktur der Stimmungen uns dem, was sich am gesellschaftlichen Abend abspielt. Wir uns langweilen in der Lässigkeit unseres „Zeit-habens“. In der Lässigkeit sind wir selbst das Langweilende, wir sind uns selbst überlassen, aber nicht als Subjekt, sondern irgendwie unbekannt. In dieser Lässigkeit bildet sich also die Leere. „Diese Leere ist die Zurückgelassenheit unseres eigentlichen Selbst“123. Wir haben die Zeit genommen und damit der Zeit selbst die Möglichkeit gegeben, uns hinzuhalten: Wir sind dabei und doch steht die Zeit, auch wenn wir gerade nicht auf die Uhr sehen. Wir sind ganz in der Gegenwart und doch durch die stehende Zeit gebunden. Wir erfahren die Macht der Zeit, die uns hinhält und uns uns selbst überlässt. Diese Gegenwart dehnt sich so aus, dass sie Gewesenheit und Zukunft modifiziert und ihren Horizont beschneidet. Das ausgedehnte Jetzt ist in unserem Dasein – das sind wir selbst als Gebundenes an die Zeit, als in der stehenden Zeit hingehalten. Zeit steht und stellt uns: Das ist das Langweilende in dieser Situation. Wir selbst sind das Langweilende, es ist unsere Zeit als das unbestimmte Unbekannte, was uns langweilt. Die zum Stehen gebrachte Zeit bildet eine Leere. Diese Leere stellt und bindet uns. In dieser Langeweile enthüllt sich also schon etwas von der Bewegung der Zeit, von der Zeitlichkeit. Wir haben entdeckt, dass die Zeit, die wir für den Abend haben, während dieses Abends steht. Das bemerken wir nicht sofort, weil wir in der Situation die Zeit vertreiben (in verwandelter Weise gegenüber dem ersten Fall). Das Stehen der Zeit fühlen wir durch die Langeweile, die danach kommt und uns sagt, dass wir uns gelangweilt haben, d. h. der Abend wie eine Beschäftigung aussah, aber es war eigentlich unsere bewusste Pause zwischen den Beschäftigungen. Die stehende Zeit hielt uns, band uns, als wir die Zeit für Unterhalten am Abend hatten. Wir haben die Macht der Zeit in uns selbst erfahren. Heidegger versteht diese zweite Langeweile als tiefere. Er hat noch keine Regel oder Grund dafür, warum sie tiefer sein sollte. Das will er noch durch die weitere Analyse entdecken. Vorläufig jedoch nimmt er an, dass die Bildung der Leere im „Sichlangweilen bei...“ ursprünglicher als die Leergelassenheit der Dinge im „Gelangweiltwerden von...“ ist, sowie die Hingehaltenheit der stehenden Zeit ursprünglicher als Hingehaltenheit in der langweiligen Situation 123 GA 29/30, S. 180 52 2. Kapitel: Struktur der Stimmungen ist. Schließlich analysiert Heidegger dritten Fall der Langeweile, den er als „tiefe Langeweile“ bezeichnet: „Es ist einem langweilig“, wenn man am Sonntagnachmittag auf der Strasse in der Stadt spaziert. Diese Langweile ist noch unbestimmter als die vorige. Zeitvertreib ist nicht mehr zu entdecken, weil wir uns total der Langeweile übergelassen. Das Dasein hat sich schon gewandelt und in dieser Verwandlung verstanden, dass der Zeitvertreib machtlos ist. Diese Stimmung kann uns ermöglichen, uns selbst ausdrücklich zu verstehen. Von der Macht der Langeweile sind wir gezwungen uns selbst zuzuhören. In der tiefen Langeweile ist „einem“ indifferenten Niemanden langweilig und doch mir selbst. Tiefe Langeweile heißt eine Gleichgültigkeit gegenüber der Situation und dem Subjekt. Auf einmal zeigt sich das Seiende im Ganzen als solches, wir sind vor es gestellt, aber zugleich – wegen der Gleichgültigkeit und Ohnmacht124 – versagt es sich uns, ist leer. Wir können nicht die Dinge besorgen oder lassen und deswegen sehen wir sie „im Ganzen“ (gegenüber der Leere in dem ersten Fall der Langeweile, wo wir doch immer in der Unruhe suchen etwas zu tun). Das ist Grund der Leergelassenheit als solche: Die Leere ist Versagen des Seienden im Ganzen. Versagen hat jedoch etwas zu tun mit Sagen im Sinne des Offenbarmachens der Möglichkeiten des Besorgens oder Lassens. Versagen eröffnet zwar nicht die Möglichkeiten, aber es weist auf sie als auf die versagenden, und noch dazu ist das Dasein diesen versagenden Möglichkeiten ausgeliefert. Darin liegt der Grund der Hingehaltenheit als solcher: Im Versagen sind die brachliegenden Möglichkeiten angesagt, hingehalten . Versagen sagt an, weist auf die Möglichkeiten als Möglichkeiten des Daseins hin. Sie hängen miteinander zusammen. Die Analyse hat also den Grund von beiden Momenten der Langeweile enthüllt, der mit unseren Möglichkeiten als solchen zusammenhängt. Sie sind gesehen, weil sie sich versagen, aber gerade im Versagen sind sie uns angesagt. Es stellt sich die Frage, worin die Einheit den Momenten liegt. 124 Es handelt sich um einen Bruch des Verständnisses, Vgl. B. FERREIRA (2002), S. 189-199 53 2. Kapitel: Struktur der Stimmungen 2. 2. b) Langeweile und Zeitlichkeit Die Analyse der tiefen Langeweile hat die ursprüngliche Leergelassenheit und Hineingehaltenheit enthüllt. Die Einheit von beiden Momenten ist durch die Zeitlichkeit garantiert. Wir haben in der Analyse der tiefen Langeweile noch nichts über die Zeitlichkeit erfahren und noch mehr: Schon von Anfang an lehnt sie überhaupt die Zeit ab, die zu vertreiben wäre. Es ist merkwürdig, weil die oberflächlicheren Formen der Langeweile doch die Zeit begriffen haben. Heidegger geht der Struktur der tiefen Langeweile nochmal detailiert nach. Das Sichversagen alles Seienden stellt das Dasein in die volle Weite der Möglichkeiten als solchen im Ganzen, d. h. sowohl der gewesenen, als auch der zukünftigen Möglichkeiten. Das Dasein ist von dieser Weite betroffen, d. h. von den Möglichkeiten, die zu ihm gehören aber die sich in der tiefen Langeweile versagen. Das im Ganzen sich versagende Seiende ruft das Dasein im Menschen zu ihm selbst, zu seinem Sein-Können. Das Seiende im Ganzen ruft als Möglichkeiten und weist auf Möglichkeiten, die es sich selbst als auf das Ermöglichende dieser hinhält. Hingehaltenheit hat die Gestalt der Hingezwungenheit von der Weite zum Zusammennehmen in die Spitze, in der die Hingehaltenheit zusammenbricht. Diese Bewegung der Spitze und Weite – das Geschehen im Ermöglichenden des Daseins und Ermöglichung des Daseins (das Seiende im Ganzen) – heißt Stimmen. Die Stimmungen stimmen, weil die Weite durch die Spitze gebrochen ist. Es bleibt zu fragen, warum dieses Geschehen das Geschehen der Zeitlichkeit ist. Heidegger hilft sich mit der Formulierung des Versagens des Seienden im Ganzen: „Alles – in aller Hinsicht, Rücksicht und Absicht zumal entzieht sich das Seiende“125. Diese drei Sichten für jedes Tun und Lassen des Daseins bilden einen „All-Horizont“ der Zeit, der das „im Ganzen“ (Offenbarkeit) ermöglicht. Das „im Ganzen“ versagt sich jedoch, entzieht sich. Durch das Versagen erscheint das Gebanntsein des Da-seins durch den Zeithorizont. Wir fühlen den Bann in der tiefen Langeweile, aber wir können ihn nicht erklären, weil das Seiende im Ganzen sich versagt, nichts aussagt. Wir überlassen uns dieser Macht des Banns. Das Gebanntsein durch Zeit ist der 125 GA 29/30, S. 218 54 2. Kapitel: Struktur der Stimmungen Ursprung der Leergelassenheit. Die Weite, die in der tiefen Langeweile erscheint, ist die Weite der ganzen Zeit des Daseins in ihrer Einheit. Und doch wissen wir, dass das Versagen etwas sagt: Es ruft uns zu der Möglichkeit als solcher (Spitze). Die banennde Zeit also ermöglicht zugleich die Freiheit des Daseins. Das Daseins befreit sich zum Selbst-sein-können. Das Dasein entschließt sich zu sich selbst. Dieses Rufen der banennden Zeit führt zu dem Augenblick, zum „Blick der Entschlossenheit“126, der die Situation eines Handelns eröffnet. Der Bann ist gebrochen durch den „Blick in der drei Richtungen der Sicht“127. Das Dasein hat inmitten je das Bestimmte zu sein, konkret zu sein. Im Augenblick liegt die Grundmöglichkeit der eigentlichen Existenz des Daseins. Die Zeit selbst also vereinheitlicht die Leergelassenheit und Hingehaltenheit, die Zeit selbst bricht in ihre bannende Weite als Spitze. Das ist das Wesen der Zeit, die wir selbst sind. Zeitlichkeit ist das Schwingen zwischen Spitze und Weite, zwischen Bann und Augenblick. Dieses Schwingen heißt Stimmen. Tiefe Langeweile ist also auch Schwingen: Schwingen zwischen Versagen und Ansagen – das schon offenbarte Seiende im Ganzen versagt sich und damit sagt es die Offenbarkeit an. Das Wesen der Langeweile liegt im Wesen der Zeit des Daseins. Das führt Heidegger zu einer Interpretation des Wortes „Langeweile“: Die Weile wird lang, d. h. der Zeithorizont wird weit, unbestimmt und drängt zum Augenblick als eigentlicher Möglichkeit, drängt zur Existenz inmitten des Seienden im Ganzen. Es geht aber nicht um Aufhellung der Langweile selbst. Das Dasein in uns ist befragt und zwar mittels Langeweile. Wir können nicht etwas erklären, nur ständig fragen. Das ist die Aufgabe und das Wesen der Philosophie nach Heidegger. 2. 2. c) Zusammenfassung Die Analyse der drei Schichten der Langeweile hat uns gezeigt, dass es oberflächlichere und tiefere Stimmungen geben, denen wir denselben Namen geben, und trotzdem enthüllen sie im unterschiedlichen Grad ihren einheitlichen Grund. Mit Recht nennen wir sie alle drei „Langeweile“, weil sie gerade 126 127 GA 29/30, S. 224 GA 29/30, S. 226 55 2. Kapitel: Struktur der Stimmungen denselben Grund haben. Warum die Langeweile gerade so stimmt, wie sie stimmt, obwohl immer auf eine andere Weise? Die Analyse der Langeweile hat erwiesen, dass die Zeitlichkeit des Daseins selbst Ursache der Langeweile ist. Die Richtung der Untersuchung war also das Abbauen der oberflächlicheren Schichten, die über langweilige Dinge und langweilende Zeit zur im Grunde langweilenden Zeitlichkeit des Daseins gegangen ist. Deswegen war es auch nicht möglich die gewonnenen Erlebnisse der Analyse der ersten Form der Langeweile für die Analyse der zweiten Form zu verwenden, sowie die Erlebnisse der zweiten Form der Langweile für die dritte. Aus der tiefen Langeweile sind jedoch alle andere Formen der Langeweile und ihre Momente verständlich. 2. 3. Zusammenfassung von 2. Kapitel Grundstimmungen erschließen das Da-sein. Sie ermöglichen einheitlich das Geschehen des Daseins in seiner Zeitlichkeit anzuschauen und führen zur Möglichkeit des Selbst-sein-könnens, zu dem sich das Dasein im ekstatisch gezeitigten und aus der Angst gestimmten Augenblick entschließt. Der Zweck der beiden Grundstimmungen ist jedoch in Nuancen zu unterscheiden, und wie sie voneinander unterschiedlich sind, sind auch die Weisen ihres Erschließens unterschiedlich. Die Angst wird für die Bezeugung des Ganzseinkönnens in Anspruch genommen. Das Problem der Ganzheit des Daseins hängt in Sein und Zeit mit dem Tod zusammen. Die Angst ist zu dieser Aufgabe ausgewählt, weil sie aus der Endlichkeit im Sinne des Seins zum Tode ausdrücklich stimmt. Im Falle der tiefen Langeweile ist eine solche Stimmung zum Philosophieren gesucht, aus der wir Welt, Endlichkeit und Einsamkeit des Daseins befragen könnten. Sie sollte uns zur Verwandlung in das Dasein bringen, aus dem wir die Fragen eigentlich und metaphysisch stellen können. Aus das Dasein sollten wir uns zum eigentlichen Handeln entschließen. Die tiefe Langeweile ist durch Gleichgültigkeit charakteristisch, d. h. sie ist auch zum Tod in diesem Sinne gleichgültig128. Die Zeitlichkeit ist also hier nicht mehr von Endlichkeit her thematisiert, sondern von der Stimmung der Langeweile, die das Seiende im 128 Vgl. B. FERREIRA (2002), S. 190 oder BYUNG-CHUL HAN (1996), S. 41-43 56 2. Kapitel: Struktur der Stimmungen Ganzen offenbart. Das Geschehen der Zeitlichkeit wird aus der Analyse des Seienden im Ganzen gewonnen. Die allgemeine Struktur, Züge und der erschließende Prozess der Stimmungen bleibt jedoch vergleichbar. Tiefe Stimmungen bringen vor das Da des Daseins, vor das Dass der Existenz. Sie erschließen die Welt, das Selbst und das Wie des Daseins. Sowohl tiefe Langeweile, als auch Angst sind von der Situation unabhängig: Sie sind schon immer da und sie kommen ausdrücklich unerwartet, sie überkommen uns. Sie bereiten zum Sprung in die eigentliche Situation vor, weil sie aus der Zeitlichkeit stammen und die Zeitlichkeit offenbaren. 57 3. Kapitel: Ursprung der Stimmungen und Rechtfertigung der Analyse 3. Kapitel: Ursprung der Stimmungen und Rechtfertigung der Analyse Es bleibt uns die Aufgabe zurückzufragen, was wir über das Wesen der Stimmungen gelernt haben, ob das für unser Fragen nach dem Ursprung der Stimmungen überzeugend war und ob dieses Fragen selbst legitim ist. Wir gewinnen keine Antwort, sondern neue Fragen tauchen auf. Versuchen wir jetzt unser Fragen bezüglich der Struktur und Methode Heideggers (3.1.) und hinsichtlich des Ursprungs der Stimmungen (3.2.) zu entwickeln. 3. 1. Stimmungen – Methode und Struktur Heidegger betont die methodische Rolle der Stimmungen. Sie sind das Erschließende – im eigentlichen oder uneigentlichen Sinne. Wenn es phänomenologisch möglich sein sollte, zur Struktur des menschlichen Daseins zu kommen, dann stellen die Stimmungen dazu den besten Schlüssel dar. Wir treffen alltäglich auf Stimmungen. Sie beeinflussen unser Handeln und das, wie wir „objektiv“ dieselben Dinge doch anders sehen und sehen können. Sie entdecken wirklich unsere Welt. Dass sie auch die Welt als solche, die Welt als unser Seinkönnen im Grunde unserer Existenz zugänglich machen, ist schon Leistung der Heideggerschen Analyse. Mit Heidegger gewinnen Stimmungen wieder ihren entdeckenden Status zurück. Stimmungen ermöglichen Heidegger das Spiel des eigentlichen und uneigentlichen Modus der Existenz in Bewegung zu setzen. Deswegen muss er die Stimmungen auch hierarchisch teilen: oberflächlichere und tiefere Stimmungen (Grundstimmungen). Unter oberflächlicheren Stimmungen kann er alle auf Objekte und alltägliche Situationen bezogene Stimmungen umfassen. Die tieferen Stimmungen dagegen sollten eine unheimliche, ungewöhnliche Situation darstellen, in der wir nicht mehr alltäglich sicher sind. Es ist die Ungewissheit, Unbestimmtheit der Grundstimmungen, die sie auszeichnet. Damit will Heidegger nicht sagen, dass die oberflächlicheren Stimmungen „falsch“ sind und die Grundstimmungen „richtig“ (obwohl man in 58 3. Kapitel: Ursprung der Stimmungen und Rechtfertigung der Analyse GA 29/30 das Gefühl hat, dass es die menschliche Aufgabe ist, das Dasein in sich selbst zu hören und zu übernehmen). Sonst sind beide Weisen der Stimmungen legitim als zwei gleichwertige Weisen der Existenz. Die uneigentliche Weise der Existenz folgt auch aus der Bewegung im Dasein, aus der Zeitigung der Zeitlichkeit. Es stellt sich jedoch die Frage, wie wir die Grundstimmungen wecken können, wenn sie nicht willentlich aufrufbar sind. Sie sind latent schon da und kommen ausdrücklich selbst, unerwartet. Und doch sollten wir Heideggers Meinung nach das Warten auf sie lernen. Diese Frage stellt sich auch Klaus Held: „Woher empfängt dieses Sichloslassen und Sich-der-Grundstimmung-Überlassen seinen Anstoß?“129. Es gibt mehrere Grundstimmungen, das sagt Heidegger schon in Sein und Zeit130 und bestätigt dies mit der Analyse der Langeweile in GA 29/30131. Prinzipiell kann jede Stimmung „abgebaut“ und ihre tiefere Schicht gefunden werden. Heidegger erwähnt z. B. die gerüstete Freude132 an die verstandene faktische Möglichkeit des Daseins, die mit der durch die Angst aufgeruften Entschlossenheit kommt, oder die Freude133 an der Gegenwart des Daseins eines geliebten Menschen. Es bietet sich auch eine Analyse des Glücks134. Langeweile hatte einen Äquivalent im Heimweh135 oder Schrecken136. Wählen wir aus diesen (oder auch anderen) Grundstimmungen? Bestimmt nicht, weil wir auf sie warten. Sie überkommen uns, dies oder jene. Die Grundstimmung ist jedoch wichtig für den Übergang zur Eigentlichkeit. Sie stellt eine Bereitschaft für ihn dar. Dieses Ereignis des Übergangs bezeichnet Heidegger später als „Anfang“. Klaus Held setzt dieses „Anfangenkönnen“ als eine Bedingung für das Kommen einer Grundstimmung. Es ist die Kraft für den Anfang. Welche Stimmung stimmt dann das Anfangenkönnen137? Grundstimmungen warten latent, bis sie geweckt werden 129 130 131 132 133 134 135 136 137 KLAUS HELD (1991), S. 42 SZ, S. 189 GA 29/30, S. 89 SZ, S. 410 Was ist Metaphysik?, S. 110 Vgl. OTTO FRIEDRICH BOLLNOW: DAS WESEN DER STIMMUNGEN, KLOSTERMANN, FRANKFURT A. M., 1941 GA 29/30, S. 7 GA 29/30, S. 31 Diese Frage geht zwar über die früheren Texte hinaus, ich finde aber wichtig diesen Zusammenhang mit unseren Fragen im Rahmen dieser Arbeit zu erwähnen. Heidegger thematisiert in seinen früheren Texten nämlich das Stimmen selbst und das Wesen der Stimmungen im Rahmen seiner Ontologie - nicht die Möglichkeit des Wartens und Weckens der Grundstimmung. Das ist dann das Thema, das eher mit der Geschichtlichkeit verbunden ist: 59 3. Kapitel: Ursprung der Stimmungen und Rechtfertigung der Analyse – durch eine andere Stimmung, eine Grundstimmung des Anfangenkönnens138. Diese Aufgabe erfüllt die Stimmung des Staunens139 oder Sichverwunderns, die Heidegger in seinen späteren Texten aus der Tradition von Platon und Aristoteles schöpft. Staunen trägt seine Anfangskraft in sich selbst, es braucht keine andere Stimmung zur Weckung. Es reicht uns dieser kurze Blick in die spätere Arbeit Heideggers, um zu sehen, dass Stimmungen für Heidegger ein sehr wichtiges Thema bleiben und manche von Fragen, die mit den früheren Texten auftauchen, ausgearbeitet werden. 3. 2. Zur Frage nach dem Ursprung der Stimmungen Aus der Struktur des Philosophierens Heideggers folgt, dass die Stimmungen das Dass und Wie unseres In-der-Welt-seins sind. Wir sind schon immer irgendwie da, in der Welt. Und dieses „Schon-immer-irgendwie-da“ heißt das Gestimmtsein. Der Ursprung des Gestimmtseins liegt in der ganzen ekstatisch-zeitlichen Struktur des Daseins. Stimmungen sind die Weise, wie wir als endliche Wesen da sind. Es ist die Endlichkeit, die wir verstehen auf Grund der Stimmung – entweder auf eine eigentliche oder uneigentliche Weise. Woher also kommen die Stimmungen selbst, die uns stimmen? Heidegger will nicht diese Frage lösen – wir sollten nicht über Stimmung sprechen, sondern in ihr handeln (im Sinne des Philosophierens)140. Für ihn ist sie überflüssig, weil es ihm um das Sein des Daseins geht, zu dem wir dank der erschließenden Funktion der Stimmungen näher kommen können. Wir stellen diese Frage nach dem Ursprung der Stimmungen, weil wir unter Stimmungen zunächst und zumeist die Stimmungen verstehen, die wir alltäglich kennen: Freude, Trauer, Furcht usw. Mit Heidegger können wir sagen, dass diese Stimmungen oberflächlich sind. Sie 138 139 140 der neue Anfang, der mit der Eigentlichkeit kommt, der Wiederholung bedeutet. KLAUS HELD (1991), S. 44 Staunen bildet ein Gleichgewicht zur Angst, die das Dasein zur Bereitschaft für einen Sprung in die Eigentlichkeit bringt. Vgl. KLAUS HELD (1991), S. 51: „Nur von der Grundbefindlichkeit der Angst her empfängt das Dasein im Vorlaufen zum Tode den Stoß, aufgrund dessen es sich im Gewissenhabenwollen in die Eigentlichkeit rufen läßt. Aber daraus erklärt sich noch nicht die Bereitschaft und Fähigkeit, in der Entschlossenheit des Augenblicks geschichtlich zu handeln. Dies vermag das Dasein deshalb, weil es von der Grundbefindlichkeit des Staunens her im Stiften von Anfängen die Geburt wieder-holen kann.“ GA 29/30, S. 103 60 3. Kapitel: Ursprung der Stimmungen und Rechtfertigung der Analyse erschließen die Dinge in der Welt, die wir besorgen können. Deswegen sprechen wir so oft über Stimmung der Landschaft oder über ein „Machen“ der romantischen Atmosphäre usw. Wir denken, dass wir unsere Stimmungen auf die Dinge oder Situationen übertragen. Es ist jedoch ein ähnlicher Fall wie mit der Furcht, mit dem „Gelangweiltwerden von“ oder dem „Sichlangweilen bei“ - das sind alles oberflächlichere Stimmungen, die uns in die Welt und zum Besorgen der Dinge kehren. Im Besorgen sind wir bei Dingen und in einer Situation, d. h. wir gehen mit Dingen um, wir befinden uns in einer Situation. Wir denken, dass die Dinge in uns eine Stimmung verursachen, die wir dann den Dingen selbst zusprechen (z. B. eine abenteuerliche Reise, ein langweiliges Buch). Diese Übertragung ist jedoch nur auf Grund unseres In-der-Welt-seins möglich. Wir sind schon immer gestimmt und Stimmungen ändern sich nur aus einer Gegenstimmung. Wir denken, dass wir die Stimmung ändern oder machen, sie überwinden oder uns ihr unterwerfen. Es ist jedoch das Grundgeschehen in uns, das sich in den Stimmungen meldet, weil wir immer schon da sind. Oberflächlichere Stimmungen verdecken das Gundgeschehen, aber das ist auch eine Weise seines Sichmeldens. Grundstimmungen dagegen erschließen diesen Grund selbst: das Grundgeschehen des Daseins, seine Zeitlichkeit, Weltbildung und Weltausgeliefertheit. Sie erschließen das Dasein selbst, uns selbst, wie wir da sind. Das Stimmen ist das Geschehen der Leergelassenheit und Hingehaltenheit, Spitze und Weite unserer Seinsmöglichkeiten. Das Stimmen ist das Geschehen der Zeitlichkeit, der Endlichkeit. Die Frage nach dem Ursprung der Stimmungen ist eigentlich die Frage nach den Weisen unserer Existenz. 61 Zusammenfassung Zusammenfassung Meine Arbeit dient als Überblick der früheren Texte Heideggers, die mit dem Thema der Befindlichkeit, bzw. Stimmungen zusammenhängen. Es handelt sich um die Texte, die man zur Fundamentalontologie rechnen kann, d. h. die bis zum Jahr 1929/1930 (vor der sogenannten Kehre). Ich habe Stimmungen nicht nur hinsichtlich ihres Wesens und ihrer Struktur betrachtet, sondern auch von der Seite ihrer methodischen Funktion für Fundamentalontologie. Diese Betrachtung leitet im Hintergrund die Frage nach dem Ursprung der Stimmungen. Die Ausarbeitung der Struktur und Stelle der Stimmungen in der fundamentalen Ontologie soll uns erklären, warum man diese Frage stellt und was man über Stimmungen aus der Analyse Heideggers lernt. Ich habe meine Arbeit in drei Kapitel geteilt. Das erste (Quelle und Methode) hat für Aufgabe nicht nur die methodische Rolle der Stimmungen zu behandeln, sondern auch die Methode Heideggers überhaupt darzustellen, d. h. was er unter Fundamentalontologie versteht und wie sich ihre Bestimmung langsam mit der Zeit ändert, bzw. wie Heidegger bestimmte Aspekte aufhebt. Das zweite Kapitel (Struktur der Stimmungen) thematisiert das Wesen der Stimmungen und ihre Struktur und auch ihren Zusammenhang mit der Zeitlichkeit. Das dritte Kapitel (Ursprung der Stimmungen und Rechtfertigung der Analyse) ist ein rekapitulierendes Kapitel, das aus den durchgeführten Analysen die leitende Frage nach dem Ursprung zu verstehen versucht. Das erste Kapitel ist in zwei Abschnitte geteilt: Der erste betrachtet das Konzept der Fundamentalontologie in ihren Verwandlungen, der zweite umfaßt die eigene methodische Aufgabe der Stimmungen in verschiedenen Aspekten. Das Projekt der Fundamentalontologie hat sich zum Ziel gesetzt, den Sinn des Seins überhaupt durch das Befragen des Seins des fragenden Seienden (Daseinsanalyse) zu entdecken, und zwar mittels einer Hermeneutik (im Sinne der verstehenden Auslegung) und Destruktion der Geschichte der Ontologie (die „selbstverständliche“ ontologische Aussage neu befragen). Das fragende Seiende ist der Mensch als Dasein, als In-der-Welt-sein, und ihm ist der Unterschied von Sein und Seienden eigen. Auf dieser Fähigkeit beruht dann die ganze 62 Zusammenfassung Fundamentalontologie in ihrer Wandlung: zuerst im Sinne der Selbstheit141 des Daseins (Wer ist in der Welt), dann im Sinne des Geschehens dieses Unterscheidens142 selbst (Transzendenz – Beziehung des Seins und Seiendem) und schließlich als Weltbildung und Weltausgeliefertsein143 (Frage nach dem Weltbegriff) – Fundamentalontologie, Metonotologie und Metaphysik. Alle Analysen haben zu der einheitlichen Struktur des In-der-Welt-seins, Zeitlichkeit und Geschichtlichkeit die methodische Hilfe der Stimmungen in Anspruch genommen. Stimmungen als die Weise, wie das Dasein in der Welt ist, erschließen nämlich die Dinge in der Welt (innerzeitlich) für unser Besorgen – das ist die verfallene uneigentliche Weise der Existenz – oder erschließen das In-der-Weltsein als solches in seiner Ganzheit und Einheit (und Zeitlichkeit als solcher) – das ist dann die eigentliche Weise der Existenz. Die Entwicklung der Interpretation geht über die Einheit der Sorge144, deren Moment Stimmung ist, zum Geschehen des Grundes145 und schließlich zum Geschehen der Zeitlichkeit146. Alle drei Aspekte hängen mit der Endlichkeit eng zusammen: Im Sinne des Seins zum Tode147, des Nichts148, Abgrundes149 oder Banns150. Endlichkeit als Zeitlichkeit stimmt die Stimmungen. Wir sind da – zeitlich, endlich. Das zweite Kapitel, das sich der Struktur der Stimmungen selbst widmet, ist auch in zwei Teile gegliedert: Der erste thematisiert die Stimmungen der Angst und Furcht, der zweite dann die Stimmung der Langeweile. Im ersten Teil habe ich zuerst die Befindlichkeit allgemein behandelt: Wir sind immer schon gestimmt, wir befinden uns in der Welt. Stimmungen (als ontische Gestalt der Befindlichkeit) sind jedoch nicht die einzigen, die die Erschlossenheit bilden. Zu den Stimmungen gehört auch Verstehen und Rede. Sie bilden eine einheitliche Struktur des In-Seins des In-der-Welt-seins und zwar im Begriff der Sorge, der zugleich auf Zeitlichkeit hinweist. Diese Einheit ist jedoch durch die 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 SZ Was ist Metaphysik?, Vom Wesen des Grundes GA 29/30 SZ Was ist Metaphysik?, Vom Wesen des Grundes GA 29/30 SZ SZ, Was ist Metaphysik? Vom Wesen des Grundes Als Grund der Leergelassenheit, GA 29/30 63 Zusammenfassung Grundstimmung der Angst zugänglich. Furcht und Angst dienen als Beispiele für die Unterscheidung zwischen einer oberflächlicheren Stimmung und einer Grundstimmung. Beide haben erschließende oder verschließende Funktion. Im zweiten Teil ist die Analyse der Langeweile beschrieben. Diesmal handelt es sich um eine Stimmung in ihren unterschiedlichen Gestalten – tieferen und oberflächlicheren. Die tiefe Langeweile ist auch eine Grundstimmung, deren Grund sich als Bewegung der Zeitlichkeit enthüllt. In beiden Teilen können wir erfahren, dass es hierarchische Unterschiede der Stimmungen gibt. Die Grundstimmung ermöglicht es uns die Weise unserer Existenz zu verwandeln, sie ist eine Bereitschaft für diese Verwandlung des Daseins. Dazu können die Grundstimmungen jedes Dasein bringen. Das Wie dieses Bringens ist natürlich je nach der Grundstimmung unterschiedlich. Das dritte Kapitel versucht zu erklären, warum wir eine Frage nach dem Ursprung der Stimmungen gestellt haben. Wenn wir jetzt nach der Analyse wieder diese Frage stellen, wissen wir, dass sie im Heideggerschen Sinne aus unserer alltäglichen Erfahrung mit Stimmungen kommt. Zunächst und zumeist haben wir es aber mit den oberflächlicheren Stimmungen zu tun: Dann ist dieses Fragen nach dem Objekt, das die Stimmung ausruft, oder dem Subjekt, das seine Stimmung auf Objekte überträgt, eine Frage aus der uneigentichen Weise der Existenz. Wenn wir jedoch die tiefere Stimmung, eine Grundstimmung erlebt haben, dann enthüllt sich uns die Ganzheit des Daseins, wie wir sind: Die Frage nach Ursprung der Stimmungen geht zu ihrem Grund, nämlich zum Dasein selbst, das zeitlich ist. Wir können immer wieder neue Analysen der anderen Stimmungen durchführen, aber der Sinn liegt nicht darin, die Stimmungen selbst zu beschreiben, sondern die Verwandlung des Dasein zu verstehen und diese Möglichkeit auch zu übernehmen. 64 Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis Texte von Martin Heidegger: 1. „Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs“, in: Gesamtausgabe/ II. Abteilung: Vorlesungen 1923-1944 (Bd. 20). Klostermann, Frankfurt am Main, 1979 2. „Sein und Zeit“, in: Gesamtausgabe / I. Abteilung: Veröffentlichte Schriften 1914-1970 (Bd. 2). Hrsg. von Friedrich Wilhelm von Herrmann, Klostermann, Franfurt am Main, 1977 3. „Metaphysische Anfangsgründe der Logik im Ausgang von Leibniz“ in: Gesamtausgabe / II. Abteilung: Vorlesungen 1923-1944 (Bd. 26). Hrsg. von Klaus Held, Klostermann, Frankfurt am Main, 1978, S. 135-285 4. „Vom Wesen des Grundes“, in: Gesamtausgabe / I. Abteilung: Veröffentlichte Schriften 1914-1970, Wegmarken (Bd. 9), Hrsg.: F.-W. von Herrmann, 1976 5. „Was ist Metaphysik?“, in: Gesamtausgabe / I. Abteilung: Veröffentlichte Schriften 1914-1970, Wegmarken (Bd. 9), Hrsg.: F.-W. von Herrmann, 1976 6. „Die Grundbegriffe der Metaphysik. Welt – Endlichkeit – Einsamkeit“, in: Gesamtausgabe/ II. Abteilung: Vorlesungen 1923-1944, Freiburger Vorlesungen (Bd. 29/30), Hrsg.: F.-W. von Herrmann, 2004 Sekundärliteratur: 1. OTTO FRIEDRICH BOLLNOW: DAS WESEN DER STIMMUNGEN, KLOSTERMANN, FRANKFURT A. M., 1941 2. PAOLA-LUDOVICA CORIANDO: Affektenlehre und Phänomenologie der Stimmungen, Philosophische Abhandlungen, Bd .85, Vittorio Klostermann, Frankfurt a. M., 2002 3. BORIS FERREIRA: Stimmung bei Heidegger, Springer, Dordrecht, 2002 65 Literaturverzeichnis 4. GÜNTER FIGAL: Heidegger zur Einführung, Junius, Hamburg, 1992 5. JEAN GRONDIN: „Die Wiedererweckung der Seinsfrage“, in: Martin Heidegger: Sein und Zeit, Klassiker Auslegen, Hrsg. von Thomas Rentsch, Akademie Verlag, Berlin, 2001 6. BYUNG-CHUL HAN: Heideggers Herz. Zum Begriff der Stimmung bei Martin Heidegger, Fink, München, 1996 7. KLAUS HELD: „Grundstimmung und Zeitkritik bei Heidegger“, in: Zur philosophischen Aktualität Heideggers, Bd. 1, Hrsg. von Dietrich Papenfuss und Otto Pöggeler, Klostermann, Frankfurt am Main, 1991 8. EDMUND HUSSERL: „Cartesianische Meditationen“, in: Gesammelte Schriften / Edmund Husserl (Bd. 8). Hrsg. von Elisabeth Ströker, Felix Meiner Verlag, Hamburg, 1992, S. 84-85 9. THEODORE KISIEL: „Das Versagen von Sein und Zeit“, in: Martin Heidegger: Sein und Zeit, Klassiker Auslegen, Hrsg. von Thomas Rentsch, Akademie Verlag, Berlin, 2001 10. OTTO PÖGGELER: Der Denkweg Martin Heidegger, Neske, Pfullingen, 1963 11. REUDIGER SAFRANSKI: Ein Meister aus Deutschland, Fischer, Frankfurt am Main, 2001 12. CLAUDIUS STRUBE: Das Mysterium der Moderne, Wilhelm Fink Verlag, München, 1994 13. FRANCO VOLPI: „Der Status der Existentialen Analytik“, in: Martin Heidegger: Sein und Zeit, Klassiker Auslegen, Hrsg. von Thomas Rentsch, Akademie Verlag, Berlin, 2001 66