Eiszeit findet statt!

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Die Geschichte des Menschen als Produkt von Klimasteuerung:
Eiszeit findet statt!
Mathias Harzhauser
Während der Eiszeiten lassen Klimaänderungen
die Eisrnassen der Polkappen und die Gletscher
der Gebirge wachsen. Viele denken bei dem
Begriff Eiszeit an Mammutsteppe und Alpengletscher. Tatsächlich gibt es den Mechanismus Eiszeit seit über 2 Milliarden Jahren. Die erste und
älteste Vereisung ereignete sich bereits vor 2,5
Milliarden Jahren. Durch Bakterien-Photosynthese gelangte zunehmend Sauerstoff in die Atmosphäre, und es bildete sich Ozon. Gleichzeitig
verbrauchten die Lebewesen bei der Photosynthese
Treibhausgas (Kohlendioxid). Mit der Reduktion
der wärmenden Strahlung sanken auch die Temperaturen - erste Eiskappen an den Polen entstanden. Die zweite Vereisungsphase folgte vor 700
Millionen Jahren. Mehrere extreme, bis 10 Millionen Jahre dauernde Kaltphasen
wechselten
damals mit kurzen Wärmephasen und verwandelten die Erde in einen "Schneeball". Unter einer
mehrere Kilometer dicken Eisschicht begraben,
kam zu dieser Zeit das Leben nahezu zum Erliegen. Nur der anhaltende Kohlendioxidausstoß der
Vulkane reicherte die Atmosphäre allmählich
wieder mit Treibhausgasen an und beende te die
präkambrische Extremeiszei t.
Auch vor 450, 360 und 300 Millionen Jahren,
im Ordovizium, Devon und im Karbon, bildeten
sich dicke Eiskappen. Die jüngste Kälteperiode
der Erdgeschichte begann bereits vor 30 Millionen
Jahren. Die allmähliche Abkühlung gipfelte im
Einsetzen der heutigen Eiszeitzyklen vor 2,8 Millionen Jahren. Da die Gattung Homo vor etwa 2
Millionen Jahren entstand, könnte man den Menschen als ein Produkt der Eiszeiten betrachten.
Die Auslöser der Eiszeiten sind nicht völlig
geklärt. Ein wichtiger Faktor sind Änderungen in
der Zusammensetzung
der Atmosphäre.
Hohe
Kohlendioxid-Konzentrationen
bedeuten Heißz.eiten, hohe Sauerstoffkonzentrationen
fUhren zu
Eiszeiten. Das Klima wird aber auch durch die
Lage der Kontinente und durch polare Meeresströme beeinflusst. Vor allem wird die globale
Klimaentwicklung
vom Kosmos gesteuert. Extreme Kaltzeiten dürften durch sterbende Sterne
ausgelöst werden. Vor 2,8 Millionenjahren erlosch
im Sternbild der Plejaden eine Sonne als Supernova. Zehntausende Jahre lang traf deutlich mehr
kosmische Strahlung die Erde als davor. Wenn ein
sterbender Stern in sich zusammenfällt, verursacht
er oft einen Gammablitz. Diese Strahlung spalret
Stickstoffmoleküle in der Erdatmosphäre. Stickoxid entsteht und zerstört innerhalb weniger
Wochen fast die Hälfte der Ozonschicht. Klimaschwankungen setzen ein, die schließlich in
einer Eiszeit gipfeln.
In jeder Eiszeit gibt es Klimaschwankungen,
die man als Kalt- und Warmzeiten bezeichnet.
Mit dem Wechsel von Kalt- und Warmzeiten
wechseln auch die Faunengemeinschaften.
Mammut und Wollhaarnashorn besiedelten die Mammutsteppen in den Kaltzeiten, während Waldelefanten sich in den Warmzeiten ausbreiteten. In
der letzten Warmzeit drangen Flusspferde und
Wasserbüffel im vom Atlantik klimatisch begünstigten Westen Europas entlang der Flussläufe
sogar bis London vor. Die regelmäßigen Zyklen
werden durch Schwankungen der Erdumlaufbahn
und der Sonneneinstrahlung ausgelöst. Einer dieser astronomischen Zyklen ist der Exzentrizitätszyklus, der durch die Änderung der elliptischen
Erdumlaufbahn
um die Sonne entsteht
und
100000 Jahre dauert. Diese langfristigen astronomischen Einflüsse werden wiederum von der Verteilung von Land und Meer verstärkt. Kleinere
Klimaschwankungen sind mit der Sonnenaktivität
gekoppelt.
Auch diese Schwankungen
treten
zyklisch auf und sind von der alle 11 Jahre variierenden Anzahl der Sonnenflecken abhängig.
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Verbreitung der Gletscher in Europa während der letzten Vereisungsphasen
Grafik: K. Repp, NHM Wien
im Vergleich mit der heutigen Situation.
Mensch und Klima
Wir leben derzeit in einer Warmzeit innerhalb
einer Eiszeit. Das Holozän ist die momentane,
warmzeitliche Phase des jüngsten Eiszeitalters. Die
Kaltzeit davor (Würmkaltzeit)
dauerte 100000
Jahre. Auch die gegenwärtige Warmzeit ist durch
kleinere Klimaschwankungen geprägt. Diese Klimaschwankungen wurden oft durch vulkanische
Aschewolken oder durch schwankende Sonnenaktivität ausgelöst. Ihr Einfluss auf die Menschheitsgeschichte ist gewaltig: Während der besonders
warmen Perioden vor 7500 bis 6500 und 6000
bis 4000 Jahren entstanden die ersten jungsteinzeitlichen Kulturen. Die Menschen wurden sesshaft, betrieben Ackerbau und Viehzucht. Die
beiden Hauptphasen des holozänen Klimaoptimums fallen auch mit der Entstehung der ersten
Hochkulturen
in Ägypten und Mesopotamien
zusammen.
Zivilisatorische
Hochblüten
sind
somit häufig an günstige Klimabedingungen
gebunden. Stabiles, warmes Klima wie es im 13.
bis 9. Jahrhundert v. Chr. in Europa vorherrschte,
erlaubte Überproduktion
und Vorratswirtschaft.
In diesem Abschnitt der Bronzezeit stieg entsprechend die Zahl der Befestigungen und das Handwerk spezialisierte sich deutlich. Während optimaler Temperaturen konnten manche Alpenpässe
auch im Winter überschritten
werden. Dies
machte sich Hannibal zu N urze, als er im Jahr 218
v. Chr. die Alpen mit 37 Kriegselefanten und
38000 Soldaten überquerte, um Rom zu erobern.
N ur das günstige Klima ermöglichte diese strategische Meisterleistung. Aufgrund des MittelalterKlimaoptimums zwischen 1100 und 1300 n. Chr.
gelang es den Wikingern, Grönland zu besiedeln
und Amerika zu erreichen.
Die Anfälligkeit der Zivilisationen für Klimaveränderungen ist beachtlich. Ausgelöst von einem
globalen Klimaeinbruch um 2200 v. Chr. sorgten
sehr niedrige Nilfluren über 20 Jahre lang in
Ägypten für Ernteausfalle. Aufstände der hungernden Bevölkerung und ein allgemeiner politischer Zerfall waren die Folgen. Der Untergang
des Alten Reiches war besiegelt. Missernten und
Hungersnöte während eines Temperaturrückgan-
ges zwischen 400 und 800 n. Chr. lösten Völkerwanderungen in den Süden aus. Dem Druck dieser
Migrationswelle konnte selbst das Römische Reich
nicht standhalten. Klimaveränderungen beendeten
auch die Blütephase der Maya-Kultur. Noch bis
ins 9. Jahrhundert lebten mehrere Millionen Einwohner auf Yukatan. Danach fand ein abrupter
Niedergang statt und die Städte verödeten. Nun
ließen sich für die Jahre 819, 860 und 910 n. Chr.
in geochemischen Untersuchungen an Bohrkernen
stark reduzierte Niederschläge nachweisen. Etwa
3 bis 9 Jahre andauernde Trockenperioden führten
zu Nahrungsengpässen
und beschleunigten den
Kollaps der Maya-Kultur.
Von 1550 bis 1850 n. Chr. dauerte die "kleine
Eiszeit", die durch kalte Winter und feuchte Sommer gekennzeichnet war. Innerhalb der "kleinen
Eiszeit" führten Perioden mit äußerst geringer
Sonnenfleckenzahl zu besonders harten Wintern.
Diese Phasen werden als Spoerer-Minimum (14501550) und Maunder-Minimum
(1645-1715)
bezeichnet und gingen als die "Jahre ohne Sommer" in die Geschichte ein. Die abrupte Klimaverschlechterung während des Maunder-Minimums
war für die Menschen unerklärbar. Sündenböcke
waren rasch gefunden und so löste die Unregelmäßigkeit der Sonnenakivität einen Höhepunkt
bei den Hexenverbrennungen
aus. Auch wirtschaftlich waren diese Klimaschwankungen
von
Bedeutung. Im 17. Jahrhundert verdrängten Gletscher Siedlungen und Bergwerke in den Alpen
und verursachten
einen Zusammenbruch
der
Metallgewinnung
im alpinen Bereich. In Europa
folgte 1788/89 der kälteste Winter seit 300 Jahren. Nahrungsmangel
und soziale Not waren die
Folge und begünstigten 1789 den Ausbruch der
Französischen Revolution.
Die Auswirkungen der Klimaentwicklung spiegeln sich auch in den Werken der zeitgenössischen
Künstler wider. 12000 Jahre alte Felsbilder aus
der Sahara zeigen, dass die Wüste gegen Ende der
letzten Kaltzeit eine blühende Landschaft war.
Aus historischer Zeit sind Darstellungen
von
Dürre und Heuschreckenplagen
ebenso wie die
verschneiten Landschaften niederländischer Maler
um 1600 nur im Licht des sich verändernden
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Klimas verständlich. Selbst in den Mythen leben
die Erfahrungen der Menschen mit dem Klimawandel fort. So lassen sich Berichte über .,Sinefluten" auf den globalen Meeresspiegelanstieg in
Folge des Abschmelzens der großen Gletscher der
Würmkaltzeit zurückführen.
Der moderne Homo sapiens ist somit ein typischer Organismus der holozänen Warmzeit. Über
Jahrtausende
prägten Klimaschwankungen
die
Enewicklung der Zivilisation. Nun scheine es, dass
erstmals der Mensch das Klimageschehen beein-
flusst. Die Auswirkungen des Global Warmings
werden die Anpassungsfähigkeit
des Menschen
schon in naher Zukunft auf die Probe stellen. Die
größte Herausforderung
an das "Warmzeiccier"
Mensch wird aber die nächste große, astronomisch
gesteuerte Vereisungsphase sein, die in wenigen
causendJahren die Rückkehr der Gletscher verursachen wird. Die Geschichte zeigt, dass Hochkuleuren schon an deutlich geringeren Schwankungen
zugrunde gingen.
Abweichung von der heutigen DurchschniUstemperatur
wärmer
käller
IIolozän - 7•• il.ller des Melischen
Holozäne Warmzeit
seit -12.000 Jahren
Abwriehung voo der hfutigen (1980-1'"0)
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vor 115.000-12.000 Jahren
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982 n.Chr.
Völkcrwandcrung -310-$70 n,Ch, .
Eem-Wannzeit
vor 130.000-115.000 Jahren
Riß-Eiszeit
vor 230.000-130.000 Jahren
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vor 680.000-620.000 Jahren
*
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"nstieg
des Mccr'l.-ssp;cgels
um bis zu 130m
Rückzug, der ei zeitlichen Tundra und Wicderbewaldun~
Rekonstruktion des Klimaverlaufes der letzten 1 Million Jahre
und Detaildarstellung der letzten 12000 Jahre. Die Zyklizität
der Warm- und Kaltzeiten ist deutlich erkennbar. Innerhalb der
letzten Warmzeit haben kleine Klimaschwankungen die
Entwicklung der Zivilisation wesentlich beeinflusst.
@ NHM, Grafik: Mathias Harzhauser & Kriemhild Repp
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